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Summer of '99

Die Herren des Todes
von

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Das Geständnis

Er lag auf dem Boden, kaum fähig, sich zu rühren, denn sein schwarzer Hogwarts-Umhang hatte sich um seinen Körper gewickelt und besonders den rechten Arm schmerzhaft umschnürt. Rasch befreite er sich mit ein paar flinken Drehungen seines Rumpfs, dann setzte er setzte sich auf und tastete mit den Händen über Gesicht und Arme. Erleichtert stellte er fest, dass er wieder er selbst war. Kein Bart, kein Minister-Umhang, kein Stein der Auferstehung. In der Dunkelheit vor sich konnte er den großen Rahmen des Spiegels Nerhegeb erkennen, aber nicht viel mehr. „Lumos“, sagte er mit zittriger Stimme und stand mühsam auf.

Neben sich hörte er ein Stöhnen. Gellert krümmte sich auf dem Boden und hielt seinen Kopf, offenbar noch kämpfend mit der zusammenstürzenden Vision. Seine Augen waren weit aufgerissen und stark gerötet vom Wasserpfeifen-Rauch. Albus sah auf ihn hinab und beleuchtete sein verzerrtes Gesicht mit dem Zauberstab. Mitleid wäre in diesem Moment wohl angebracht gewesen, doch er empfand nur Abscheu.

Schnell sah er sich im Raum um. Er musste hier raus.

„Albus …“, hörte er Gellert krächzen, als er sich vom Spiegel entfernte. „Wo willst’ denn hin? ‘S tut mir leid, hörst? Bleib’ da …“

Da war er wieder, dieser schwingende Akzent. Albus merkte, wie sehr er den vertrauten Klang dieser Stimme in der Vision vermisst hatte, und Selbstekel kam mit dieser Erkenntnis. Er wich weiter zurück.

„Ich muss hier raus“, murmelte er und wiederholte es dann lauter: „ICH WILL HIER RAUS!“

Ein knirschendes Geräusch war im Gemäuer zu hören und mit einem Mal tat sich ein Spalt in der Wand neben einer Säule auf. Ein Ausgang! Albus eilte darauf zu, während er aus dem Augenwinkel sah, wie Gellert sich auf alle viere kämpfte. „Albus!“

Er stürzte voran in den Schacht und flüsterte: „Nox!“ Das Licht seines Zauberstabs erlosch.

Nach nur wenigen Schritten in der vollkommenen Dunkelheit verlor er den Halt, denn der Gang führte steil abwärts. Er fiel nach hinten um und rutsche auf dem glatten Stein wie in einer Berg-und-Talbahn hinab.

Weiter über sich hörte er ein kratzendes Geräusch, als Gellert den Eingang des Tunnels erreichte. „Albus!“, rief er und seine benommene, aber zornige Stimme hallte von den Wänden wider. „Albus Dumbledore, du elendiger Feigling!“

Albus ließ sich nicht zu einer Antwort hinreißen. Er verschränkte die Arme vor der Brust, um seine Geschwindigkeit auf der Bahn zu erhöhen. Gellerts Rufe hallten hinter ihm her und jagten ihm einen Schauer über den Rücken. Er musste um alles in der Welt seinen Vorsprung halten!

Plötzlich endete die wilde Fahrt, und er spürte wieder festen Boden unter den Füßen.

Das ist nicht gut!

Keuchend rappelte er sich auf und stürmte weiter voran. Schroffe Steine lagen nun auf dem Weg, und die Wände des Tunnels schienen enger zu werden. Bald schon war er außer Atem, und sein Umhang verhedderte sich beim Laufen. Er stolperte weiter vorwärts und raffte den Saum, befahl seinen Füßen, schneller zu laufen, auch wenn er nun ein Stechen in der Seite spürte. Da merkte er, dass die Rufe, die in angetrieben hatten, verstummt waren. Hatte Gellert eine andere Abzweigung gefunden und tauchte womöglich im nächsten Moment vor ihm auf?

Weiter! Weiter!

Er lauschte hektisch, während er sich vorantastete. Dann hörte er ein neues Geräusch; eines, das ihm durch Mark und Bein ging: das Krächzen eines Raben.

„Dieser Mistkerl!“

Das Krächzen hallte wie ein Triumphschrei von den Wänden wider. Albus wusste, dass er den bizarren Wettlauf verloren hatte. Er wollte weg von hier, weit weg! Hatte er sich schon weit genug vom Schloss entfernt? Am Ende des Tunnels konnte er plötzlich fahles Licht erkennen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Just, als er flatternde Flügelschläge hinter sich hörte, disapparierte er.
 

Fahler Nebel lag über dem Feld, auf dem Albus erschien. Keuchend blickte er um sich. In der Ferne konnte er den Friedhof von Godric’s Hollow erkennen, und eine von Enid Sneeks Scheunen befand sich nur wenige Meter entfernt von dem Punkt, an dem er stand. Das war weder ihr Duellplatz, noch ein Ort, an dem er sich sonst aufhielt. Wie war er hierauf gekommen? Vermutlich hatte er an zu Hause gedacht und dann doch eine andere Route eingeschlagen – aus Angst, Gellert könnte ihm dorthin folgen.

Nach Hause … Ariana …

Er machte einen Schritt nach vorn und stolperte, da sich der Saum seines Umhangs beim Apparieren um sein Bein geschlungen hatte. Entkräftet von seinem Dauerlauf durch den Tunnel, versuchte er, sich zu befreien, verlor aber das Gleichgewicht und fiel auf die Knie.

Weg mit dieser Verkleidung!

Wütend riss er sich den Umhang samt Schal von den Schultern und löste die rotgoldene Krawatte, auf die er noch am Nachmittag so stolz gewesen war.

Ein Schrecken durchfuhr ihn, und er griff in die Brusttasche seiner Weste, in der furchtbaren Angst, seine Verbindung zu Ariana verloren zu haben. Doch da war sie!

Oh, Merlin!

Er zog die silberne Phönixspange heraus und presste sie in den Händen gegen seine Brust.

„Ganz schön hastig unterwegs, der Herr …“

Albus entwich ein leiser Schrei, als er die Spitze eines Zauberstabs im Nacken spürte. „Du hätt’st mich fast umgebracht, Albus!“, schnaubte Gellert. „Wie du aus der Vision abgehauen bist, hab‘ ich die Kontrolle verlor’n …“

„Na, immerhin wärst du im Angesicht dessen gestorben, was du am meisten ersehnst!“

Gellert sog scharf den Atem ein. „Das Ende hatte nichts mit dem zu tun, was ich im Spiegel g’sehen hab’. Unsere Wünsche hab’n sich vermischt, vermut’ ich.“

„Dann ist es also MEIN WUNSCH, Ariana tot zu sehen?“ Albus sprang auf und wollte erneut disapparieren, aber Gellert hielt ihn fest. „Lass mich los!“

„Nein! Wir san noch nicht fertig!“

„Ich bin mir dir fertig, LASS MICH LOS!“ Er wehrte sich gegen Gellerts Griff.

„Nein. Erst musst du mir zuhör’n!“

„ICH HAB’ GENUG GEHÖRT!“

Gellert packte seine Handgelenke und versuchte, sie ihm auf den Rücken zu drehen, doch Albus schrie und wehrte sich verbissen.

„Hör’ auf, Al! Glaubst’ im Ernst, ich will, dass dir so ein’ Leid passiert? NICHTS davon hab’ ich in diesem Spiegel g’seh’n, sonst hätt’ ich dir das doch niemals ‘zeigt! Ich wollt’ … einfach …“

Der Druck auf Albus’ Handgelenke verringerte sich, und er nutzte die Gelegenheit, seinen Zauberstab zu ziehen: „Repellio!“

Gellert wurde fortgeschleudert und krachte gegen die Wand der Scheune.

„Was wolltest du?“, brüllte Albus. „Das ist deine Version der Zukunft? Du als Weltherrscher, eine hörige Zaubererschaft und MEINE TOTE SCHWESTER?“

Er lief mit erhobenem Zauberstab auf Gellert zu, der am Boden vor der Scheune lag und sich den Kopf hielt. „Ich hab’ dir vertraut! Ich hab’ dir den Raum der Wünsche gezeigt, weil ich wollte, dass wir beide gestärkt werden – für das Größere Wohl. Und was machst du? Du …“

Er richtete den Zauberstab auf Gellert, seine Hand zitterte vor Wut, und er spürte in sich einen beinahe unbändigen Impuls. Er wollte, dass Gellert den Schmerz fühlte, den er bei Arianas Anblick gespürt hatte; dieses die Seele zerreißende Schuldgefühl …

Gellert schien zu verstehen, und tiefer Kummer lag in seinem Blick, als er die Hände hob.

„Es war nicht real, Albus. Ich hatt’ kein’ Schimmer, was passiert, wenn du den Ring ansteckst.“

„Lügner!“

„Ich hab’ lediglich dich in dem Spiegel gesehen – uns beide, unser’n Triumph, die Heiligtümer … und diesen Ring! Ich hab’ ihn g’sehen und wusste: Das muss ich dir zeig’n! Weil, ‚Vielleicht‘, dacht’ ich mir, ‚vielleicht kommt’s nie so weit. Vielleicht sterb’n ma am Weg zum Größeren Wohl.‘ Und dann hätt’ ich niemals die Möglichkeit, dir diesen Ring zu überreichen. Niemals die Gelegenheit, dir zu zeig’n, was du mir bedeutest!“

Albus starrte ihn an.

Gellert kam mühsam auf die Füße: „Ich würd’ nie, niemals zulassen, dass deiner Schwester was g’schieht!“

„Dann verschwinde!“, entfuhr es Albus, und er machte selbst einige Schritte rückwärts. „Verlass’ Godric’s Hollow! Sie ist nur dann sicher, wenn wir uns nie mehr wiedersehen.“

„Nein“, sagte Gellert fest. „Sie ist sicher, solang’ wir zwei versprechen, nie wieder gegeneinander zu kämpfen. So ist’s doch passiert in der Vision … laut Elphias.“

Albus’ Hand zitterte. „Ich hab’ ihn deinetwegen verraten – einfach so!“

„Und ich werd’ nicht zulassen, dass du die Vision erfüllst. Ich bin bereit, hier und jetzt zu schwör’n, dich nie mehr zu bekämpfen. Weißt’ warum, du Damischer? Weil ich dich liebe!“

Die Worte hatten eine ungeheure Wirkung auf Albus, fast als hätte Gellert einen Zauberspruch gewirkt; eine ganz eigene, reine und unerschöpfliche Form von Magie. Albus wurde heiß, und er spürte, wie dieser Satz in sein Herz vordrang, ohne dass er ihn aufhalten konnte. Mit belegter Stimme sagte er: „So einfach ist das nicht, Gel. Wie können wir das schwören? Wenn Ariana stirbt … ist es doch egal, ob du mich liebst, oder … ich dich.“

Nun hatte er es auch gesagt! Vielleicht nicht Wort für Wort, aber Gellert schien es als ebenbürtig aufzufassen. Er lächelte leicht. „Naa, Albus, das ist ganz und gar nicht egal. Das ist die Lösung!“

Albus zog die Augenbraue hoch. „Eine bessere Lösung, als dass wir uns jetzt trennen und nie mehr wiedersehen?“

„Unbedingt: Wir zwei machen ein’ Blutpakt!“ Gellert fuhr mit dem Daumen unter der Charivari-Kette an seiner Weste durch. „So ein Pakt ist verdammt mächtig, das kannst’ mir glauben. Und wemma ihn aus freien Stücken ablegt – nicht so wie in dem Fall hier –, dann ist er ein kraftvoll’s Bündnis.“

Albus zögerte. Er wollte ihm glauben, denn der Gedanke an die Alternative – dass sie nun für immer voneinander gingen – war unerträglich.

Gellert sah sich um. Es gab weit und breit keinen Sichtschutz, mit Ausnahme der Scheune, vor der sie beide nun standen. „Die Sonne geht auf. Geh’ma besser hier rein. Blutmagie ist was, das besser im Verborgenen geschieht.“



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