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Summer of '99

Die Herren des Todes
von

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Das trimagische Duell

Später am Abend, als Albus sicher war, dass die Beschwörung nun funktionieren würde, bannte er sie in einen Armreif, der seiner Mutter gehört hatte. Was war schon dabei, Ariana so ein hübsches Erbstück zu geben? Goldenes Metall mit Jugendstil-Verzierungen, die in kleinen hellbauen Blüten endeten. Ariana würde keinen Verdacht schöpfen, dessen war er sich sicher. Aber funktionierte der Zauber auch? Er musste es testen, an ihr.

Die Pläne mit Gellert standen, die Zeit war reif. Die Revolution würde unter ihrer Führung beginnen, und er konnte sich nicht mehr länger von Arianas Krankheit zurückhalten lassen – bei dem Gedanken schämte er sich sofort. Er stand auf und ging rastlos zwischen seinem Schreibtisch und dem Fenster auf und ab.

Ariana konnte ja nichts für ihren Zustand, es war ein schreckliches Trauma, verursacht durch eine heimtückische Muggel-Attacke. Aber wenn das hier funktionierte, konnte er diese Last für immer von ihr nehmen, und nicht einmal Aberforth würde Verdacht schöpfen! Wenn es aber schiefging …

„Merlins Bart!“, fluchte er und zwang sich, diesen Gedanken ein Ende zu bereiten. Gellert hätte ihm schließlich Bescheid gesagt, wenn etwas an ihrem Plan faul gewesen wäre!

Ich mache mir wirklich zu viele Sorgen!

Albus ging zurück zum Schreibtisch und legte ein sauberes Blatt Pergamentpapier zurecht. Dann sah er auf die Zeit und notierte:

Testbeginn 19:37 Uhr – Summum Bonum Arianae

Er tippte mit dem Zauberstab auf das Blatt, und die Feder begann selbstständig weiterzuschreiben. Bevor er zur Tür ging, sah er noch einmal in den Spiegel seines Kleiderschranks und versuchte, eine arglose Miene aufzusetzen. Dieser Bart war wirklich durchaus praktisch! Er ließ ihn älter wirken und … weiser.

Gut, wenn ich wenigstens so aussehe, als wüsste ich, was ich tue, dachte er und verstaute den Armreif und seinen Zauberstab in seiner Weste.

Er nahm die Stufen hinunter ins Erdgeschoss und folgte dem Licht, das aus der Küche in den Flur drang. Es stammte vom Feuer im Kamin und einigen Öllampen an den Wänden. Der flackernde Schein fiel auf Ariana, die allein auf der Bank am Küchentisch saß und lustlos einen Teller Suppe löffelte. Jetzt erinnerte sich Albus wieder an eine kleine Tradition seine Mutter: Jedes Jahr am ersten September hatte sie in ihrer Küche für Ariana ein kleines Festmahl gezaubert, wie es in der großen Halle am Schuljahresanfang in Hogwarts aufgetischt wurde … und er hatte es völlig vergessen, dieses Ritual fortzusetzen.

„Ariana? Riri?“, fragte er vorsichtig.

Sie hob ihren Kopf. „Hallo Albus.“

Melancholische Trauer lag in ihrem Blick.

„Es tut mir leid“, sagte Albus schnell. „Ich wollte eher zu dir kommen.“

„Ist … nicht schlimm“, sagte sie und sah dann rasch wieder hinab auf ihre Suppe.

„He …“ Albus setzte sich neben sie. „Es tut mir schrecklich leid, dass ich das hier vergessen habe. Abe hat sich in den letzten Wochen so toll um dich gekümmert. Aber darf ich mich deshalb einfach so zurückzuziehen? Nein. Willst du wissen, womit ich so beschäftigt war? Dann kannst du – sozusagen – aus den richtigen Gründen auf mich sauer sein.“

Sie sah ihn skeptisch, aber erwartungsvoll an. Guter Anfang!, lobte er sich innerlich und griff in seine Westentasche. Als er den Armreif herauszog, weiteten sich Arianas Augen vor Überraschung.

„Erkennst du den hier?“

„Ja“, keuchte sie, und Albus sah die Aufregung in ihrem Blick flackern – noch war das nicht im Gefahrenbereich, aber emotionale Grundarbeit für sein Experiment war geleistet.

„Er gehörte Mum“, sagte er ruhig, „aber ich finde, du solltest ihn tragen. Dann hast du immer etwas bei dir, dass dich beschützt und beruhigt … so wie sie es getan hat.“

Er umfasste ihre Hand und bemühte sich trotz seiner Aufregung, nicht zu fordernd zu wirken. Zögerlich, aber nicht widerstrebend, ließ sich Ariana den Reif überstreifen. Kaum saß er an seinem Platz über ihrem Handgelenk, verringerte der Metallring seinen Durchmesser, sodass er nicht mehr versehentlich abrutschen konnte. Eine mechanische Eigenschaft, die Albus vorsorglich eingebaut hatte.

Er tastete in der Weste nach seinem Zauberstab und flüsterte: „Summum bonum.“

Die kleinen hellbauen Steine im goldenen Reif leuchteten auf und begannen sich hin und her zu wiegen wie Vergissmeinnicht auf einer Wiese. Eine Stimme, leise und doch klar und deutlich, hob an zu singen. Es war Kendra Dumbledore, und sie sang ihr bittersüßes Wiegenlied:
 

Hör meine Stimme, sie weist dir den Weg

Dann gehst du niemals verloren,

wenn der Schmerz dich packt und deinen Geist quält

hab’ ich dir ein Licht beschworen.

Es brennt, auch wenn dich die Angst zittern macht

Es führt dich zurück in der finstersten Nacht

An den Ort, wo Liebe die Dunkelheit bricht:

Ariana, komm heim ins Licht!
 

Albus spürte einen Kloß im Hals, als er dem Gesang lauschte, denn die Stimme war schmerzhaft realistisch. Er hatte Gellert gebeten, ihn an einen Moment in der Vergangenheit zurückzuversetzen, als Kendra dieses Lied am Bett der schlafenden Ariana gesungen hatte, und den Reif dabei in den Händen gehalten, um die Erinnerung direkt hineinfließen zu lassen. Ihre echte Stimme zum Teil seiner Beschwörung zu machen, war für Albus schmerzlich, aber gleichzeitig unbedingt nötig gewesen. Es gab Summum Bonum, dem Zauberspruch für das Größere Wohl, eine Schönheit, die jeder sehen musste, davon war er überzeugt.

Ariana starrte einen Moment lang fassungslos auf das Armband, dann lächelte sie und sah Albus mit tränenglitzernden Augen an. „Es ist so … wunderschön!“ Ihr Gesicht nahm einen glücklichen, ja seligen Ausdruck an.

„Wie fühlst du dich?“, fragte Albus.

„So wie früher, wenn sie gesungen hat. Mum wusste genau, wenn es mir schlecht geht. Aber beim letzten Mal – “ Die Musik wurde unmerklich lauter, das Schimmern der Blumen im Metall noch heller und prächtiger – und Arianas schmerzliche Erinnerungen verblassten.

Sie lachte und strahlte Albus an, dass es ihm die Brust zusammenschnürte: Der Zauber funktionierte! Konnte das wirklich die Lösung sein? Er hatte Summum Bonum darauf angelegt, das innerste Wesen eines Menschen zu bannen, aber in Wonne und Glückseligkeit. Wie Gellert es bei ihrem ersten Duell gesagt hatte: Die mächtigsten Zauber waren nicht die, die jemanden zu etwas zwangen, sondern die, die ihn dazu brachten, etwas nicht zu tun. Wenn er Arianas dunkle Anfälle durch inneres Glück bannen konnte, war sie geheilt. Vielleicht würde sie sogar einen Zauberstab benutzen können?

Ich muss sichergehen ... sie mehr reizen!

„Ariana?“

„Ja, Al?“

„Es gibt noch einen Grund, warum ich in der letzten Zeit so beschäftigt war. Eigentlich hatte ich ja versprochen, auf dich und Aberforth aufzupassen. Aber es ist etwas passiert … ich …“

„Du hast dich verliebt“, sagte sie.

Albus stockte überrascht. „Was?“

„Hat Abe gesagt, heute morgen.“

„Er hat wirklich verliebt gesagt?“, fragte er skeptisch.

„Ja“, bekräftigte sie. „,Bis über beide Ohren‘, hat er gesagt. Und ich hab’ gefragt: ‚In was denn bitte? In ein Buch?‘. Und er meinte: ‚Nein, in ‘nen Jungen!‘“

Sie begann zu lachen, aber nicht über ihn, wie es schien. Albus spürte eine unglaubliche Erleichterung in sich aufsteigen.

Sie fasste sein Gesicht mit beiden Händen und kraulte seinen Kinnbart: „Weißt du, ich bin ziemlich erleichtert. Dachte schon, dass du ein haariges Herz hast!“

„Wie … der Hexer im Märchen von Beedle dem Barden?“, fragte Albus, denn er hatte die Anspielung verstanden. War er wirklich so verbittert gewesen wie dieser Hexenmeister, der der Liebe für immer abgeschworen und sein Herz in einen Glaskasten verbannt hatte, bevor Gellert aufgetaucht war?

„Genau“, giggelte Ariana. „Und dieser Junge ist die Jungfrau mit den goldenen Locken, die dein Herz wieder zum Schlagen gebracht hat!“

„Nun, das mit den goldenen Locken stimmt“, sagte Albus und wurde rot. Das mit der Jungfrau allerdings nicht. Ganz zu schweigen davon, dass im Märchen beide, der Hexer und die Jungfrau, am Ende tot sind …

„Und du liebst ihn?“

„Ich? Ja – “, sagte Albus und fühlte im selben Moment, wie dieses Etwas in ihm, dieser Teil von Gellert, der seit dem Blutpakt in seinem Inneren lebte, freudig vibrierte. Es war ein wunderschönes Gefühl … zu lieben und geliebt zu werden.

Er räusperte sich und erklärte Ariana dann, wer Gellert Grindelwald war und wie sie sich bei Bathilda Bagshot getroffen hatten. Kurz versuchte er auch, in abgemilderten Worten zu beschreiben, wie es sich anfühlte, einen Geliebten zu haben, der einen so blind verstand wie Gellert ihn, doch da begann Ariana so heftig zu giggeln und mit den Händen auf und ab zu wedeln, dass er diesen Teil doch lieber übersprang.

„Jedenfalls … Gellert hat auch ein großes Interesse an Zaubereigeschichte und vergessenen Schätzen … und das ist es, was wir uns vorgenommen haben: Wir wollen zusammen auf so eine Art Schatzsuche gehen! Ist das nicht toll? Und wir dachten, du könntest uns begleiten!“

Arianas Gesicht wurde schlagartig kreidebleich. „Wie – euch begleiten?“

„Naja“, sagte Albus, „wir drei gehen raus in die Welt und erleben Abenteuer.“

Arianas Stimmung schlug um, plötzlich ging ihr Atem panisch, tief und rasselnd. Mit einer Stimme, die kaum wiederzuerkennen war, krächzte sie: „Ich kann nicht da RAUS!“

Und plötzlich begann ihr ganzer Leib zu zittern wie unter gewaltsamen Energiestößen.

Sie war damals DRAUSSEN gewesen – im Garten – als die drei Muggel-Jungen sie einkreisten.

„Ariana? Oooh, Ariana leg dich doch mal kurz hin“, sagte Albus und brachte sie auf der Küchenbank in die Waagrechte.

Die drei Jungen hatten sie zu Boden geworfen und niedergedrückt, bis sie kaum mehr Luft bekam. Minuten, die wie Tage gewesen waren, hatte sie in die boshaften Gesichter gestarrt. Kein Mitleid, keine Gnade. Und sie hatte versucht, sich zu wehren – mit ihrer Magie – sie hatte es so sehr versucht.

„Ariana! Ariana!“, rief Albus, kniete sich neben ihr nieder und tätschelte ihre Wange.
 

Der erste Fausthieb des Jungen hatte sie an der Schläfe getroffen und halb benommen gemacht, aber nicht genug …

„Ariana! Tu das nicht. Mist!“ Albus drückte seinen Kopf auf ihre Brust – hörte, wie schnell ihr Herz raste.

Die Jungenhände hatten sie unter der Bluse begrapscht, und sie hatte sich nicht wehren können. Sie war so schwach gewesen, so SCHWACH!

Ein entsetzlicher Laut drang aus Arianas Kehle und gleichzeitig zogen sich ihre Augen zu kleinen schwarzen Punkten in die Höhlen zurück. Albus wich von ihr.

„Nein! NEIN! Sommum bonum!“

Der Zauber war während ihres Gesprächs über Gellert beinahe verklungen, so glücklich hatte die Melodie Ariana gemacht. Nun, da er den Zauberstab zückte und direkt auf sie richtete, erstrahlte das Metall von Neuem, und das Lied erklang – lauter diesmal und hallender. Für einen Moment sah Albus Arianas normale Augen, die voller Schmerz und Tränen auf den Zauberstab in seiner Hand starrten. „Albus … was tust du?“

„Bleib bei mir, Ariana!“, rief Albus und konzentrierte sich auf den Zauber: das innerste Wesen … umarmt … geschirmt … geschützt vor allen Übeln dieser Welt. In Glück und Liebe.

Der hallende Klang des Liedes verschwand, und Kendras Stimme wurde schmerzlich realistisch, als sie sang:

Es brennt, auch wenn dich die Angst Zittern macht

Es führt dich zurück …

Ariana packte den Armreif und versuchte ihn abzustreifen. „Er … geht … nicht … ab!“, rief sie panisch.

„Du musst es zulassen!“, rief Albus, um das Lied, dass von vorne begann und nun den ganzen Raum erfüllte, zu übertönen. „Riri, hörst du mich? Du wirst uns sonst beide UMBRINGEN! Der Zauber … kann dich heilen. Aber du musst dich fügen … Wir werden die Welt verändern, du, ich und Gel-“

Weiter kam er nicht, denn Ariana hatte begonnen, wie wild am Armreif zu zerren. Ihre Augen versanken wieder nach innen.

„Nein, nein, wehr’ dich nicht. BITTE!“

Es führte nichts mehr um die letzte Stufe des Zaubers herum: ultimative Kontrolle, wie in der Vision. Jetzt kam es auf die korrekte Ausführung an. Dieses Mal richtete Albus den Zauberstab nicht auf seine Schwester, sondern hob ihn zur Decke an, gerade als – trotz des Armreifs – dunkle Materie um Ariana herum aufstieg.

„SUMMUM BONUM!“

Weißes Licht strömte aus seinem Zauberstab. Das Lied steigerte sich zu einem hohen Finalakkord und der Armreif verschmolz glänzend mit Arianas Haut. Für einen Moment schien Kendra Dumbledore selbst im Raum zu stehen, so real war die Stimme, dann erschien das Zeichen der Heiligtümer des Todes über ihren Köpfen.

Albus schloss die Augen: Ariana, dein innerstes Wesen ist voller Liebe … da gibt es keinen Platz mehr für Dunkelheit … ich halte dich. Du sollst mir gehorchen.

Wie von einem starken Sog gepackt, verschwand die Materie aus dem Raum, und Ariana sank kraftlos zurück. Einen Moment lang bliebt sie regungslos, dann fuhr sie hoch und stand vorsichtig von der Bank auf. Zitternd, stumm stand sie da, aber als sie den Blick hob, lächelte sie. Eine einsame dankbare Träne lief über ihre Wange. Albus wusste, dass er sie gebannt hatte und sie sich dessen selbst nicht bewusst war – aber es brach ihm dennoch das Herz.

Im selben Moment sah er aus dem Augenwinkel grüne Flammen im Kamin lodern und eine Stimme rief: „WAS HASTE GETAN, ALBINA?“

Albus fuhr herum und sah Aberforth in dem vom Flohpulver smaragdgrün lodernden Kaminfeuer stehen. Er trug seine Hogwarts-Uniform, samt des wirr auf dem Kopf verrutschten Spitzhuts, und seine klaren blauen Augen funkelten hasserfüllt. Mit einem Satz sprang er in den Raum, packte einen Schürhaken neben dem Feuer und schleuderte ihn Richtung Albus.

Der duckte sich gerade noch rechtzeitig. „Abe – verdammt, was tust du hier? E-es war so schlimm wie letzten Frühling, als Mum – “

„RÜHR SIE NICH’ AN!“, schrie Aberforth. Albus hatte sich in Richtung Ariana bewegt, um zu verhindern, dass Aberforth die noch einwirkende Beschwörung störte. „‘s ging ihr blendend, als ich heute Morgen losgefahr’n bin! Wie zum Gargoyle haste sie in diesen Zustand komm’, lassen, Abigail? Ich musste sofort etwas Flohpulver auftreib’n und – “

„Woher wusstest du von ihrem Zustand?“

Aberforth griff in seinen Umhang und holte etwas silbern Glitzerndes hervor. Sein Blick war ein einziger Vorwurf, doch die Geste allein genügte, dass Albus sich entsetzlich fühlte: Es war die Phönix-Haarspange.

„Hast nich’ mal gemerkt, dassde die nich’ mehr hast, ne?“, fragte Aberforth. „Hab’ sie in der Scheune gefunden, nachdem ihr zwei da euern Schweinkram drin veranstaltet hattet ... Hast ja beim Geburtstag noch so schön geprahlt, dassde damit immer weißt, wann’s ihr schlecht geht, ne? Aber das is’ dir ja inner letzten Zeit scheiß – GEHST DU WOHL WEG VON IHR? REPELLIO!“

Die Wucht des Zaubers hob Albus von den Füßen und schleuderte ihn rückwärts gegen die Wand neben der Tür. „Arrrrgh! ABE… Du – darfst – nicht – zaubern!“, krächzte er.

„Ich hab’ dich gewarnt!“, rief Aberforth, als wäre das genug Erklärung, und hastete zu Ariana. Er drehte sie an den Schultern zu sich herum. Sie lächelte selig und setzte ihm in aller Ruhe den verrutschten Hut wieder richtig auf. „Sooo sieht das schön aus!“, sagte sie.

„Deine eigene Schwester“, sagte Aberforth hasserfüllt. „Was hast du mit ihr gemacht. Ist das – ist das der Imperius-Fluch?“

„Nein“, sagte Albus, während er fieberhaft überlegte, wie er der Schulleitung wohl erklären würde, wieso Aberforth unerlaubterweise außerhalb von Hogwarts gezaubert hatte. „Es ist kein Imperius, sondern ein neuer Zauber, den ich erfunden habe. Einer, der sie vor ihren grauenhaften Erinnerungen schützt. Sie ist jetzt sicher, Aberforth. Und voller Liebe.“

„Voller was?“, fragte Aberforth. „Man heilt Menschen nich’ dadurch, dass man sie mit ‘nem Liebeszauber verhext, Albus!“

„Nein, es ist auch kein Liebeszauber“, sagte Albus frustriert.

„Weil mit so ‘nem Schweinkram kennste dich ja aus, ne? – Ariana!“ Aberforth packte seine Schwester an den Schultern und schüttelte sie. „Wach auf!“

Ariana sah ihn verschmitzt an, dann drückte sie einen Kuss auf ihre Fingerspitzen und berührte damit Aberforths Stirn – ganz so, wie es ihre Mutter getan hatte, wenn sie den Geschwistern gute Nacht wünschte. „Ich hab’ dich lieb“, sagte Ariana leise.

Aberforth schauderte. Er warf einen vernichtenden Blick über ihre Schulter zu Albus. „Weck sie auf!“

„Sie würde uns alle umbringen …“

„Sie is’ deine Schwester! Hörste wohl sofort auf, deine Schwester zu behex’n?“

„Nein“, sagte Albus schlicht, während er verzweifelt überlegte, wie er Aberforth nur begreiflich machen konnte, warum diese Beschwörung nötig war. Es blieb nichts weiter übrig als die Wahrheit.

„Wir haben uns doch immer gewünscht, dass sie eines Tags gesund wird. Nun … das ist die einzige Lösung.“

„Is’ es nicht!“

„Ich weiß, du bist wütend auf mich – nicht nur wegen Ariana. Wir waren … ich war wirklich nicht fair zu dir in den letzten Wochen.“ Er hob beschwichtigend die Arme, als Aberforth erneut den Zauberstab auf ihn richtete. „Aber du wirst bald deine Ruhe von mir haben, Aberforth. Gellert und ich werden fortgehen und die Zaubererschaft aus ihrem Schattendasein befreien.“

„Was für ein – Un’ was is’ mit Riri?“

„Sie kommt mit uns.“

„AUF KEIN’ FALL KOMMT SIE MIT EUCH!“

„Auf Schatzsuche“, säuselte Ariana plötzlich. „Der Hexer und die blonde Jungfrau suchen das haarige Herz ...“

„WAS?“, fragte Aberforth teils seine Schwester, teils Albus.

„Ich erinnere sie wohl an den Hexer aus dem Märchen.“

Aberforths Gesicht glühte vor Zorn. „Passt ja auch perfekt, ne? Bist genau so’n einmaliger Idiot wie der Knilch. UND ANDERE SIN’ DIR PIEPEGAL! Während deine Schwester krank is’, spielste mit diesem Kerl Versteck-den-Zauberstab und entwickelst Allmachtsfantasien?“

„Das – das ist beides völlig unverhältnismäßig!“, echauffierte sich Albus. „Wir wollen, dass das Magie-Gesetz neu geschrieben wird – und ich … liebe Gellert.“

„Ohhhhhh“, machte Ariana verzückt.

Aberforth warf ihr einen wütenden Blick zu, bevor ihm wieder einfiel, wer für diese Reaktion tatsächlich verantwortlich war. Dann schob er sie schützend zur Seite und fuhr seinen Bruder an: „Sie is’ nich’ dein persönlicher Beifall-Chor! Weck sie auf!“

„Zauberstab runter, Aberforth. Ich kämpf’ nicht gegen dich!“

„Ach – weil ich mich wehr’n kann, im Gegensatz zu IHR?“

Nein, dachte Albus, weil du nicht den Hauch einer Chance hättest!

Aberforth attackierte. Sein Zauber schleuderte Albus erneut gegen die Wand und hielt ihn dort in einem Würgegriff. Doch dabei blieb es nicht, denn schon beschwor er einen großen Feuerball und machte sich bereit, ihn auf Albus zu schleudern – wohl wissend, dass dieser seinen Zauberstab benutzen musste, wenn er nicht ernsthaft verletzt werden wollte. Albus schloss die Augen.

Er spürte Hitze und dann einen plötzlichen scharfen Luftzug, gefolgt von einem lauten „AGUAMENTI!“

Es zischte gewaltig, und Aberforth schrie auf.

Albus öffnete die Augen und keuchte überrascht. Gellert Grindelwald stand schützend vor ihm und hielt drohend den Zauberstab auf Aberforth gerichtet. Er musste just in dem Moment vor Albus appariert sein, als der Feuerball auf ihn zugeflogen kam. Der Wasser-Abwehrzauber hatte die gesamte Küche in dichte Rauchschwaden gehüllt – und ein nicht unbeträchtlicher Schwall hatte Aberforth getroffen und komplett durchnässt. Ariana kicherte leise.

Gellert murmelte: „Finite.“ Der Würgezauber, der Albus an die Wand gedrückt hielt, löste sich, sodass der hustend hinabglitt und gegen seinen Freund stolperte.

„Gellert …“

„Na, hätt’ ich einfach zulassen soll’n, dasser dich ansengt, Al?“, fagte Gellert und strich ihm eine Haarsträhne hinters Ohr.

Albus warf einen Blick auf Aberforth. „Ich wollte, dass er versteht, warum wir das tun …“

„Ach, ich glaub’, das versteht er schon ganz recht. Er goutiert’s nur nicht“, sagte Gellert und wandte sich mit einem dramatischen Aufschlag seines Umhangs wieder Aberforth zu, seine Duellpose einnehmend.

„DUUUU!“, polterte Aberforth, während er das Wasser aus seiner Kleidung zog und sein zotteliges Haar schüttelte. „Kerl – der – meinen – Bruder – vögelt!“

„Küss die Hand“, sagte Gellert mit gequältem Lächeln. „Kerl, der das Niveau bei seinen Ziegen g’lassen hat!“

Aberforth schoss eine Attacke auf Gellert, die dieser abwehrte wie eine lästige Fliege. Als Antwort ließ er seinen Zauberstab blitzschnell nach links schwingen – und verpasste Aberforth damit eine gewaltige Ohrfeige.

„Es ist sehr unfein, wemma sein’ eignen Bruder attackiert!“, zischte er und bewegte sich drohend auf seinen ungleichen Gegner zu.

Aberforth kochte vor Wut, doch aufkeimende Panik lag in seiner Stimme, als er schrie: „Wenn er nu’ ma’ meine Schwester entführen will? Das is’ deine Schuld! Du hast ihn verhext, ich seh’ so was. Bombarda!“

Erneut wischte Gellert die Attacke weg und versetzte Aberforth eine Ohrfeige, die ihn zu Boden gehen ließ. „Ich würd’ sag’n, du entschuldigst dich gefälligst! Du dummer Bengel! Stellst dich uns beiden in den Weg, obwohl’ma dich im Schlaf besieg’n könnt’n. Du verstehst’s einfach nicht: Albus und ich kämpf’n für Ariana. Und für alle, die von den Muggeln misshandelt worden san! MEINE eig’ne Großtante zum Beispiel! Sie hat dieses Kind nicht gewollt, es wurd’ ihr ei’m Muggel eingepflanzt. Muggel. Sind. Barbaren!“ – Er unterstrich die drei Worte jeweils mit einer weiteren Ohrfeige – „Sie gehör’n ihr’m g’rechten Platz zugewiesen! Und wenn sie da san, wo sie hingehör’n, könn’ wir alle frei sein, auch deine Schwester!“

Aberforth kauerte auf dem Knien. Seine Wangen glühten von den Schlägen, die er eingesteckt hatte, aber auch ohne sie wäre seine Gesichtsfarbe wohl kaum weniger rot gewesen. Seine blauen Augen blitzten wie zornige Speere. „Das is’ dein großer Plan, Grindelwald? Der is’ ja ganz schön beschissen! Du und mein Bruder rettet die Welt, un’ dann reitet ihr auf ‘nem Regenbogen-Einhorn in den Sonnenunter-“

„CRUCIO!“

Wie ein gleißender Dolch schoss der Folterfluch in Aberforths Körper und riss ihn nach hinten um, sodass er platt auf den Boden fiel, wo er sich wand und gellend schrie vor Schmerz. Sein ganzer Körper bäumte sich in krampfhaften Zuckungen auf, während Gellert sich über ihm beugte. Ein Grinsen verzerrte sein Gesicht, und er hob den Zauberstab wie einen Taktstock an, woraufhin Aberforths Schreie noch lauter wurden.

„GELLERT!!!“ Albus stürzte zu ihm und packte ihn am Arm. „Um Himmels willen, HÖR’ AUF DAMIT!“

Er war wie gelähmt vor Entsetzen – noch nie zuvor hatte er den Cruciatus-Fluch so stark in Aktion gesehen. Gellert jedoch hörte nicht auf ihn und blieb auch von seinem Zerren unbeeindruckt; sein Blick fixierte den am Boden zuckenden Leib, und eine Ader pochte auf seiner Stirn.

Albus stieß ihn zur Seite warf sich über Aberforth. „LASS IHN IN RUHE!“

Er spürte wie der Fluch auf ihn übersprang, aber lediglich ein Kribbeln rauschte durch seinen Körper, während Gellert schmerzerfüllt aufschrie und zuckend zu Boden sackte. Der Zauberstab fiel ihm aus der Hand.

„Aberforth … oh Merlin … Abe, hörst du mich?“ – Sein Bruder zitterte am ganzen Körper, und Tränen rannen über sein Gesicht – „Es tut mir so leid …“ Albus strich ihm über den Kopf, doch bei seiner Berührung zuckte Aberforth heftig zurück.

„PFOTEN WEG VON MIR!“, krächzte er, die Stimme brüchig von seinen Schreien.

Albus fuhr zu Gellert herum, der flach atmend auf dem Boden lag, und spürte den Impuls, auf ihn loszugehen, solange er geschwächt war – da hörte er Arianas rasselnde tiefe Stimme „Er … hat … Abe … wehgetan ...“

Die dunkle Magie in ihrem Inneren wollte erneut an die Oberfläche dringen, diesmal, um zu attackieren. „Ariana!“, er stürzte zu ihr und zog sie an sich. „Summum Bonum.“

Wieder erschien das Zeichen der Heiligtümer des Todes über ihrem Kopf, und für einen Moment hörte Albus den tröstenden Gesang seiner Mutter. Der Armreif glühte auf, und die Dunkelheit verschwand aus Arianas Blick. Sie lächelte und fasste Albus’ Hand.

„Wie hast denn das gemacht?“, fragte Gellert. Er hatte sich wieder aufgerichtet und starrte sie beide mit neugieriger Bewunderung an.

Albus schob Ariana schützend hinter sich. „Es ist eine Beschwörung, die sie heilen soll, Gellert. Damit sie mit uns kommen kann, ohne unter der Außenwelt zu leiden.“

„Fabelhaft“, sagte Gellert und seine Augen strahlten, als er zu ihnen herüberkam. „Du bist wirklich ein echt’s Genie, Albus. Das … das ist ja uns’re Beschwörung!“

Er fasste ihn an den Schultern und wollte ihn küssen, doch Albus stieß ihn weg. „Bist du verrückt? Wie kannst du – nachdem du gerade – MEINEN BRUDER – gefoltert hast?“

„Albus … Das san doch Nichtigkeiten im Vergleich hierzu“, sagte Gellert kopfschüttelnd und wandte an Ariana. „Küss die Hand, meine Liebe! Ich bin Gellert … das ist ja wirklich ein bezaubernd’s Schmuckstück an dei’m Handgelenk …“, sagte er und fasste nach Arianas Hand.

„NIMM DEINE DRECKIGEN PFOTEN WEG!“, schrie Aberforth hinter ihnen.

„Ruhe“, sagte Gellert knapp und ließ seinen Zauberstab niedersausen. Ein Peitschenknall war zu hören und Aberforth heulte auf. Albus schubste Gellert energisch.

„Hör auf damit!“

„Ach, ärgert’s dich, wenn ich das tue?“, fragte Gellert und wiederholte den Zauber. Aberforth wimmerte.

„Lass ihn!“ Albus packte Gellert am Kragen. „Und Ariana auch!“

Gellert machte sich los. „Ich werd kei’m von den beiden ein – weiteres – Haar krümmen, wennst mir die Beschwörung verrätst.“

„Es ist meine Beschwörung, Gellert. Und deine Vision war falsch – dieser Zauber ist nicht als Massenbeschwörung gedacht.“

Gellert lachte. „Aber natürlich ist er das! Wär’ doch a Schande, wemma den so solitär einsetzt. Na komm … sag’ mir die Runen, bist’ so gut?“

Albus wich zurück richtete den Zauberstab auf ihn, während er Ariana hinter sich Richtung Tür schob. „Niemals.“

„Was hast’ denn vor mit dei’m Zauberstab? Vergessen, was du mir g’schworen hast?“

„Impedimenta“, krächzte Aberforth hinter ihnen. Gellert geriet ins Stolpern, als er Albus und Ariana folgen wollte. Wütend er fuhr er wieder zu Aberforth herum, und Albus sah seine Chance gekommen. „Versteck’ dich bei der Tür“, wisperte er Ariana zu. Sie gehorchte augenblicklich – durch den Zauber, den er auf sie gewirkt hatte, blieb ihr wohl keine Wahl.

Albus machte einen Satz nach vorne und stürzte sich auf Gellert; packte seine Arme und drehte sie auf den Rücken. Gellert brüllte empört und bäumte sich auf, um ihn abzuschütteln, doch Albus hielt ihn verzweifelt fest. „LOS, ABE!“

Aberforth kam taumelnd auf die Füße und machte sich bereit, doch bevor er etwas sagen konnte schnalzte der Zauberstab in Gellerts Händen, die Albus mühsam gepackt hielt. Gellert sog geräuschvoll die Luft ein, und als er ausatmete drangen Luftwirbel aus seinem Mund, die sich in der Mitte des Raumes sammelten und einen Orkan zwischen ihnen und Aberforth bildeten. Albus sah mit Schrecken, wie ein Zauber nach dem anderen, den sein Bruder sprach, abgewehrt oder vom Wirbelsturm geschluckt wurde. Keiner von ihnen traf sein Ziel. Albus keuchte vor Anstrengung, um Gellert festzuhalten, doch sein Griff lockerte sich immer mehr … und plötzlich durchzuckte ihn ein stechender Schmerz. Es war ein Gefühl, als würde ihm alle Lebenskraft entzogen. Er fiel rücklinks zu Boden und umklammerte seinen linken Arm, von dem aus der Schmerz in Schüben zu seinem Herz und durch den ganzen Körper strahlte. Wie war das möglich?

Albus sah fassungslos zu Gellert, der neben ihm in die Knie gegangen war. Er hielt den Zauberstab in der Linken wie einen Dolch und bohrte ihn in seine eigene rechte Hand, an der Stelle wo die Narbe des Blutpakts saß. Albus realisierte zu spät, was hier geschah: Dass der Mensch, dem er so blind vertraut hatte, sich nun selbst verletzte – um ihn zu verletzten! Gellerts Gesicht war weiß vor Schmerz, doch er drückte noch stärker auf die Narbe, sodass sie aufklaffte und das Blut herausquoll.

Albus schrie auf.

Der Teil von Gellert, der seit dem Pakt in ihm wohnte, erwachte zum Leben und wandte sich gegen ihn.

Gellert fixierte den Zauberstab in seiner rechten Hand und legte seine Linke an Albus’ Schläfe – betrachtete ihn – beinahe zärtlich – und Albus schrie und begann, sich zu winden, als er Gellerts Stimme in seinem Kopf hörte.

„Du fragst dich vielleicht, warum das funktioniert? Na, weil ich nicht gegen dich kämpf’. Das hier … ist mein Recht. Ich liebe dich. Dieser Schmerz ist unnötig … für uns beide … Gib’ mir die Runen. … Komm schon, Al!“

Doch Albus wehrte sich. Seine Hände drückten gegen Gellerts Brust, und sein Geist sträubte sich mit aller Macht, die er aufbringen konnte, während Gellert seine Erinnerungen durchforstete –

Kendra Dumbledore schob ihn aus dem Zimmer, während Ariana im Hintergrund tobte –

Torquil Travers packte ihn im Nacken und nannte seinen Vater einen elenden Feigling –

Vater – Vater –

Percival Dumbledore attackierte die Muggel-Jungen, die in Panik schrien –

Familie – Mutter – Tod – Friedhof –

Gellert drückte Albus im Schatten der Friedhofskirche an die Wand und küsste ihn stürmisch –

Albus spürte Tränen in seinen Augen aufsteigen. Seine Hände fanden den Weg an Gellerts Kehle, und er fokussierte seinen Geist – ungeachtet der Bilder ihrer gemeinsamen Zeit, die Gellert nun hervorzerrte – und attackierte die Erinnerungen seines Angreifers.

Ein kleiner blonder Junge stand vor einem prächtigen Palast, unfähig einen weiteren Schritt zu tun, und nach seinem Vater schreiend –

Ein blonden Teenager, weinend, mit einem toten Raben in den Händen –

Das Zeichen der Heiligtümer des Todes an der Wand der Durmstrang-Schule –

Albus’ älteres Selbst, das den Ring mit dem Stein der Auferstehung entgegennahm. –

Gellerts Augen loderten vor Schmerz. Es war anders, als Albus es sich vorgestellt hatte, aber der Verrat, den er spürte, während sich ihre Geister nun gegenseitig attackierten, war vollkommen, und es gab keinen Zweifel: Dies war ihr Duell, das sie hatten vermeiden wollen!

„ABERFORTH!“, schrie Albus mit aller Kraft, die er noch hatte. „ABERFORTH! RETTE ARIANA! ER WIRD SIE UMBRINGEN!“

Und im selben Moment, als er hörte, wie Aberforth neuen Anlauf nahm, wildere, verletzendere Flüche sprach – Flüche, die er seinem Bruder selbst niemals zu getraut hatte – schlossen sich zwei zierliche Hände über Gellerts Augen, und die kleinen fragilen Finger, die so geschickt mit dem Strickzeug waren, unterbrachen den Blickkontakt zwischen ihnen. Ariana hatte sich auf Gellerts Rücken geworfen und zerrte an seinem Kopf, zerrte ihn fort, denn Albus Schmerzensschreie hatten sie alarmiert. Er hatte sie in Liebe gebannt, und sie war bereit, ihn für diese Liebe zu verteidigen.

Als Albus sah, dass seine Schwester sich in den Kampf geworfen hatte, war es ihm egal, ob seine Magie Wirkung zeigen würde oder nicht. Er stieß seinen Zauberstab in Gellerts Seite und begann Flüche zu sprechen. Halb benommen bemerkte er, dass Gellert das Gleiche tat.

Doch, als er darum kämpfte, Arianas Finger von seinen Augen zu entfernen, geriet seine Aufmerksamkeit ins Wanken, und der Wirbelsturm legte sich.

Die darin eingeschlossenen Zaubersprüche flogen nun umher, und grelle Lichtblitze zuckten mit todbringender Geschwindigkeit durch den Raum.

Albus kam auf die Füße – und es war in eben dem Moment, als er den Zauberstab auf Gellert richtete, bereit, diesem Kampf nun ein Ende zu setzen, als einer der Zauber, der in der Luft herumflog, ein Ziel fand. Ein unschuldiges, gepeinigtes, aufrichtiges Ziel, das in die Mitte ihres Kampfes geraten war, ohne dass sie es realisiert hatten. Ariana wurde in die Luft gerissen, und ein Schrei, teils aus ihrem Körper stammend, teils aus einer anderen Realität, erfüllte den Raum. Dann fiel sie zu Boden, kraftlos, taub, und wie ein tiefer Seufzer entwich die dunkle Materie, die sie bewohnt hatte, als Ariana starb.

„NEIN!“, schrie Aberforth und schwankte, strauchelte, während er nach Halt suchte – keinen fand und auf dem Boden wenige Meter vor seiner geliebten Schwester zusammenbrach.

Ariana lag tot und bleich auf dem Boden, und Albus fiel neben ihr auf die Knie.

„Nein … nein … Ariana“, stammelte er. Sie hatte ihn beschützen wollen! Er hob ihren Kopf an, bedeckte ihre Stirn mit Küssen und flüsterte ihren Namen, wieder und wieder. Er wollte sie wissen lassen, wie sehr es ihm leidtat ... flehte um ihre Vergebung …

Und während er ihren Kopf hielt, ihre kleine fragile erkaltende Gestalt an sich drückte, entging ihm der beinahe unsichtbare Lichtfunke, der von Aberforths bewusstlosem, halboffenen Mund aufstieg. Aber Gellert, der die Szene betrachtet hatte wie ein achtsamer Raubvogel, erkannte, worum es sich dabei handelte: einen Teil von Aberforths Seele, der sich abgespalten hatte, denn es musste ein Fluch dieses einfältigen Jungen gewesen sein, der Ariana getötet hatte! Gellerts Gedanken rasten, während er die Flugbahn des Funkens verfolgte, und ihm kam eine Idee – eine wirklich grandiose Idee, was er mit diesem Seelenstück erschaffen konnte …

Als er sich räusperte, war der Funke bereits in einer kleinen Phiole im Inneren seines Umhangs verschwunden. Albus hob langsam den Kopf und blickte zu ihm hinüber. Es kam ihm vor, als betrachte er eine weit zurückliegende Erinnerung. Gellert stand wenige Meter von ihm entfernt am Fenster zum Garten; Gellert, der nun eine beschämte Grimasse zog, als habe er versehentlich im Vorbeigehen eine Tasse umgestoßen und auf dem Boden zerschellen lassen.

„Du wusstest, dass das passieren würde! Du hast es vorausgesehen!“, rief Albus und seine Stimme zitterte unter Tränen.

„Nun, ‘s gab verschiedene Möglichkeiten.“

„Warum hast du nicht – du hast gesagt, wir könnten sie retten – mit dem Blutpakt!“

Gellert sah sich im Raum um, als gäbe es etwas, das ihn vor der Wahrheit schützen könnte, aber da war nichts als die blanke kalte Realität.

„Ich hab’ gelogen.“

„Aber – der Blutpakt!“

„Du wollt’st mich verlassen, nachdem du ihren Tod gesehen hattest … das konnt’ ich nicht zulassen. Ich wusst’, dass nur du diese Beschwörung erschaffen kannst: Summum Bonum!“ Er schwang seinen Zauberstab und das Zeichen der Heiligtümer des Todes erschien in der Mitte des Raumes.

Er hat es geschafft, die Runen zu stehlen! Albus konnte es nicht fassen.

„Aber wie? Ich dachte, du kannst alte Runen nicht lesen!“

„Durch den Blutpakt hamma wohl einige uns’rer Fähigkeiten aneinander übertragen. Du scheinst jetzt beispielsweise ein ganz passabler Gedankenleser zu sein und … – du verstehst mich, auch wenn ich die Sprache wechsle, stimmt’s?“ Den letzten Satz hatte er in seiner Muttersprache gesprochen, und Albus hatte ihn verstanden! Aber was nützten diese neuen Fähigkeiten? Das war doch nicht sein Motiv für den Blutpakt gewesen.

„Es ging einzig und allein darum, sie zu retten“, wisperte er und sah auf seine Schwester herab – seine Tränen benetzten ihr Gesicht, als er ihre Augen schloss.

„Ge, nun sei doch nicht so melodramatisch“, sagte Gellert. „Wie du aus dem Raum der Wünsche geflohen bist, hast’ wahrscheinlich das einzig Richtige getan. Das hätt’ sie retten können … und alles zerstört, woran wir gearbeitet ham! Nein … das konnt’ ich nicht zulassen … der Blutpakt war die einzige Lösung … aber ganz ehrlich, Albus … es war nicht zu dei’m Schaden, was hernach kam, hab’ ich Recht?“

Gellert seufzte genüsslich und lachte leise. Albus fühlte ein Kribbeln in seiner Brust, als die Erinnerung an ihre beinahe wahnsinnige Leidenschaft in der Scheune in sein Bewusstsein dringen wollte. Ein Schauer überlief seinen Körper, dem ein unsagbarer Schmerz folgte. „Das … kann unmöglich deine ganze Motivation gewesen sein!“

„Na, ich will auch immer noch die Heiligtümer des Todes“, sagte Gellert grinsend. „Du hast nur leider meine Prioritäten durcheinander ‘bracht. Ich wusst’ selbst nicht, dass ich so ein’ weichen Kern hab. Ein wen’g peinlich ist das schon für ein’ Schwarzmagier … Aber and’rerseits hätt’ der Blutpakt auch nicht funktioniert ohne echte G’fühle. Naja, und die Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn jemand so ganz dir gehört und du ihm … das war schon ein netter Nebeneffekt!“

Während er Arianas Kopf an seinem Arm lehnte, fand Albus’ rechte Hand seinen Zauberstab, und er richtete ihn auf Gellert.

Der lachte und breite die Arme aus. „Nur zu!“, rief er mit einer Verbeugung. „Was willst’ denn machen?“

Albus’ Zauberstab vollführte eine schnelle Rotation. „Alohomora.“

Das Küchenfenster hinter Gellert schwang auf.

„Raus“, sagte Albus.

Gellerts Lächeln gefror. „Das – ist nicht dein Ernst, oder?“

„Verschwinde. Ich will dich nie wiedersehen!“

Gellert schnaubte empört. „Was bist’ denn ohne mich? Ein Wicht mit ein paar guten Noten, der wohl gern Zaubereiminister wär’! Und viel wichtiger“ – er präsentierte die Phiole mit dem Blutpakt – „einer, der nicht gegen mich kämpfen kann, selbst wenn er’s wollte.“

„Dann …“, sagte Albus kalt, „schlage ich vor, du verziehst sich, bevor ich das Zaubereiministerium auf dich hetze – du Mörder!“

Gellert sprang auf das Fenstersims – Wut und Enttäuschung lagen nun in seinem Blick. „Ihr Blut klebt an dein’ Händen genauso wie an mein’. Zusammen könnt’ma dafür sorg’n, dass es nicht umsonst war. Du wirst’s bereuen, wennd’ jetzt nicht mitkommst! Jeden Lebtag wirst du’s bereuen! Und noch bevor alles vorbei ist, wirst’ freiwillig zu mir zurückkehr’n! Bis dahin: Küss die Hand!“

Dann verschwand er aus dem Fenster – mit jenem mysteriösen Seelen-Funken und dem Blutpakt – und ließ die Folgen des trimagischen Duells hinter sich.

Albus blieb allein zurück und, obgleich der Schmerz drohte, ihn zu übermannen, legte er Arianas Kopf behutsam ab und beugte sich über Aberforth. Ein tiefer, verzweifelter Seufzer drang aus seiner Brust, doch er setzte den Zauberstab an die Schläfe seines Bruders und flüsterte unter Tränen den Vergessenszauber: „Obliviate.“



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