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Meine Familie war nie ein Fan von Halloween. Das heißt, meine Eltern waren dagegen, ein amerikanisches Fest zu feiern. Ich hingegen hatte bereits als Kind eine Faszination für alles Düstere, Makabere und Außergewöhnliche. Wie gerne wäre ich als Kind mit anderen Kindern um die Häuser gezogen, hätte mich dazu verkleidet und hätte Süßigkeiten von anderen Leuten bekommen doch ich durfte nie. Wenn andere Kinder an der Tür klingelten machten meine Eltern natürlich nicht auf und natürlich durfte auch ich den Kindern nichts geben. Es machte mich traurig doch irgendwann hatte ich mich damit abgefunden. Ich wurde älter und so hatte ich meine eigenen Halloween-Rituale. Ich zeichnete etwas Düsteres, schaute mir ein paar düstere Videos im Internet an oder schrieb eigene Geschichten.
 

So war es auch an Halloween vor elf Jahren. Ich war 16 und somit wäre ich sowieso zu alt für Halloween gewesen. Ich schaute mir gerade ein paar Videos über urbane Legenden auf Youtube an als es an der Tür klingelte. Die ersten Kinder kamen gegen 18.00 Uhr. Natürlich waren meine Eltern genervt, zumal es gerade Abendbrotzeit war und sie gerade dabei waren, den Tisch zu decken. Ich sah aus meinem Fenster. Das Licht vor der Tür hatte Bewegungssensoren und so konnte sie gut beobachten. Eine Hexe, ein Vampir und eine Mischung aus Werwolf und Fuchs standen vor unserer Tür. Irgendwie taten sie mir leid doch ich war mir sicher, dass sie woanders erfolgreicher sein würden. Nach einer Weile gingen sie schließlich. So vergingen die Stunden und nach einer Weile ließ auch das Klingeln nach.
 

Punkt 22.00 Uhr gingen meine Eltern schlafen doch Kurz vor Mitternacht klingelte es erneut. Ich hörte, wie sich meine Eltern im Nebenzimmer darüber aufregten doch das Klingeln hörte nicht auf. So sah ich wieder aus dem Fenster doch dieses Mal war das Licht nicht an. “Creepy...”, dachte ich mir und hatte ein leichtes Grinsen auf dem Gesicht. Hatte es eines der Kinder geschafft, sich so hinzustellen, dass das Licht nicht angehen würde? Ich wollte nachsehen denn mittlerweile war ich auch schon vom Klingeln genervt. So ging ich nach unten. Das Gemecker von meinem Vater ignorierte ich dabei wie so oft. Ich öffnete die Tür und erschrak als ich kein Kind sondern einen jungen Mann vor mir sah. Er war auch nicht geschminkt oder verkleidet doch sein Gesichtsausdruck reichte, um mein Blut in den Adern gefrieren zu lassen. “Was...wollen Sie…?”, fragte ich mit zitternder Stimme und befürchtete schon, jeden Moment ein Messer im Bauch zu spüren. //So einen Blick kann nur ein Serienmörder haben.//, dachte ich mir. “Ich habe Hunger...”, sagte der Fremde nun. Ich kam mir wirklich wie in einem schlechten Film nach. //Na klar, nun würde er mein Blut trinken oder mein Fleisch essen wollen und das an Halloween.//, waren meine nächsten Gedanken gewesen doch der junge Mann sah nun direkt in meine Augen. Sein Blick war hasserfüllt doch er blieb ruhig. “Nur ein Stück Brot, bitte...”, sagte er nun und ich blinzelte verwundert. Meine Mutter kam nun runter und zog mich von dem Fremden weg bevor sie die Tür hinter uns zuknallte und abschloss. Anschließend ging sie zurück in ihr Zimmer und sagte mit ernstem Ton, dass ich so etwas nicht noch einmal tun solle und auch wieder in mein Zimmer verschwinden solle. Ich nickte, obwohl sie es nicht sehen konnte und ging in mein Zimmer, doch irgendwie tat der Fremde mir nun leid. So ging ich leise nach unten in die Küche, schmierte ein paar Brote und ging nach draußen. Der junge Mann war bereits vor dem nächsten Haus doch auch da wurde er unfreundlich verjagt. So folgte ich ihm und hielt ihm die Brote hin. Sein Blick veränderte sich nun. Er war beinahe weich und vielleicht sogar freundlich. Dankend nahm er die Brote an und aß eines nach dem Anderen. Für einen Moment dachte ich sogar, dass ich eine Träne auf seiner Wange sehen konnte. In diesem Moment fühlte ich, dass es richtig war. “Wie heißen Sie?”, fragte ich den Fremden nun doch er gab mir keine Antwort. Auch auf meine darauffolgenden Fragen reagierte er nicht. Ich entschied mich, es zu akzeptieren und verabschiedete mich auch schließlich von ihm.
 

Meine Eltern haben nie erfahren, dass ich dem Mann gefolgt war und so hatte ich mein eigenes, kleines Geheimnis. Ich dachte oft an den jungen Mann. Es war wirklich naiv von mir gewesen, immerhin hätte er alles Mögliche mit mir anstellen können doch ich hatte zum ersten Mal das Gefühl gehabt, etwas Richtiges getan zu haben. Ich wollte mehr über den Fremden erfahren doch er kam nicht mehr. Tage, Wochen und Monate vergingen und schließlich war es wieder Halloween. Natürlich musste ich wieder an den Fremden denken. So wartete ich, bis meine Eltern schlafen gegangen waren. Wieder schlich ich mich aus meinem Zimmer, machte ein paar Brote und ging nach draußen doch ich konnte den Fremden nicht sehen. Ich holte nun einen Teller und stellte diesen mit den Broten auf eine Zaunssäule bevor ich schlafen ging. Am nächsten Tag schaute meine Mutter nach der Post und kam mit dem Teller und einem Zettel wieder. “Kann mir das jemand erklären?”, fragte sie mehr genervt als verwundert. Ich sah mir den Zettel an auf welchem “Danke” stand und lächelte. “Ich habe ein wenig Futter für die Vögel hingestellt.”, log ich nun. Ich dachte in diesem Moment, dass es vielleicht nur irgendjemand war, welcher die Brote gegessen hatte doch ich fand es nett, dass sich derjenige dafür bedankte. “Und den Vögeln hast du auch das Schreiben beigebracht?”, fragte mein Vater nun. Genervt verdrehte ich die Augen. “Vielleicht war es jemand, der sich ebenfalls um Tiere kümmert und sich freut, dass auch andere Menschen so sind.”, erwiderte ich noch immer genervt. Nach einer Standpauke war schließlich auch Ruhe und ich ging in mein Zimmer, wo ich Musik hörte um mich von dem Streit zu erholen.
 

Die Jahre vergingen und ich stellte immer mal wieder Brote raus. Dabei achtete ich auch darauf, dass ich am nächsten Tag vor meinen Eltern nach draußen ging doch merkwürdigerweise wurden die Brote nur an Halloween gegessen. Meistens hatten nur ein paar Vögel oder andere Tiere die Brote angeknabbert doch nur einmal im Jahr verschwanden sie ganz und jedes Mal lag am nächsten Tag ein Zettel mit dem Wort “Danke” unter dem Teller. Mein Vater hatte dummerweise irgendwann ein paar Meisenknödel angebracht, wodurch ich nicht mehr behaupten konnte, dass ich die Vögel füttern müsse. Ich glaubte fest daran, dass es der junge Mann von damals war, welcher jedes Jahr zu Halloween vorbei kam und die Brote aß. So wollte ich ihn auch wieder sehen.
 

Eines Nachts sah ich aus dem Fenster und sah, wie er gerade die Brote aß. So ging ich zu ihm. Es war wirklich der Fremde von damals. So freute ich mich und unterhielt mich mit ihm. Er dankte mir nun auch für die Brote, die ich ihm immer hin stellte und so fragte ich ihn, warum er nur an Halloween kam. Sein Blick wurde wieder hasserfüllt und so entschuldigte ich mich bei dem Fremden. Er nickte nur, dankte mir noch einmal und ging dann. Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass er genau dieselbe Kleidung wie beim letzten Mal trug doch nicht nur das. Er sah genau wie bei unserem letzten Treffen aus. Er war arm, das wusste ich und so legte ich in dem darauffolgenden Jahr nicht nur Brote sondern auch ein wenig angespartes Geld hin. Am nächsten Tag holte ich den Teller wieder rein doch etwas später brachte meine Mutter die Post rein und dabei sah ich auch den Umschlag, welchen ich unter den Broten versteckt hatte. Schnell schnappte ich mir diesen und ging in mein Zimmer. Ich bemerkte, dass er noch schwer war und als ich ihn öffnete sah ich das Geld. Ich zählte nach und seufzte. Es fehlte nicht ein Schein. Wahrscheinlich war er zu stolz um das Geld anzunehmen und so wollte ich ihn im darauffolgendem Jahr wieder nur etwas zu Essen hinstellen doch dieses Jahr sollte anders sein. Wie so oft schaute ich wieder ein paar Videos über alle möglichen Themen auf Youtube an. Irgendwann kam ich dann zu einem Video, welches “Grausame Ereignisse, die wirklich an Halloween passiert sind” hieß. In dem Video ging es meistens um Menschen, welche an Halloween entweder verschwunden oder ermordet worden sind. Nichts was unbedingt übernatürlich war doch ich mochte auch diese Art von Videos. Einiges hatte ich schon in anderen Videos von anderen Youtubern gesehen doch schließlich kam ein Beitrag, welcher mein Leben verändern sollte:
 

"Nr. 7. - Der Fall Jerome

Der folgende Fall ereignete sich vor 20 Jahren in einem Kleinen Dorf in der Nähe von Dresden. Ein junger, obdachloser Mann namens Jerome lief wie so oft von Tür zu Tür um nach etwas Essen zu betteln doch niemand wollte ihm helfen. Die Menschen dachten, er wäre ein Betrüger und würde sie ausrauben und so fand er wie so oft nichts Essbares. Die darauffolgende Nacht war Halloween. Es war kalt und da er noch immer Hunger hatte, versuchte Jerome erneut sein Glück doch die Menschen bedrohten und verjagten ihn. Schließlich sah er eine Gruppe Jugendlicher, welche mit ihrer Halloween-Ausbeute zurückkamen und bat diese um etwas zu essen doch sie lachten ihn nur aus, aßen vor seinen Augen ein paar Süßigkeiten, warfen die Verpackungen vor seine Füße oder zertraten sogar Bonbons vor seinen Augen. Am nächsten Tag fand man Jerome’s Leiche neben einer Mülltonne. Eine Kamera hatte alles aufgezeichnet. Die Jugendliche hatten ein paar Süßigkeiten, welche sie nicht mochten in die Tonne geworfen und Jerome hatte diese gegessen doch es war zu spät. Die wenigen Süßigkeiten reichten nicht aus und so verhungerte der junge Mann in dieser Nacht. Als man ihn fand hielt er noch ein angebissenes Stück Lakritz in seiner linken Hand. Seine Augen hatte er leicht geöffnet und es heißt, dass obwohl er bereits tot war, sein Blick hasserfüllt war. Desweiteren heißt es, dass Jerome immer Mal wieder an Halloween gesehen wird. Einige behaupten, dass er nie gestorben sei sondern einfach in einem Krankenhaus war, sich erholt hat und man ihn deshalb noch ab und zu sehen würde.

Schreibt doch mal in die Kommentare, was ihr denkt. Lebt Jerome noch oder ist er damals wirklich gestorben und es ist sein Geist, der ab und zu gesichtet wird? Nr. 8....”
 

Mein Herz stoppte nun fast und ich bemerkte erst jetzt, dass Tränen über meine Wangen liefen. “Jerome...”, flüsterte ich und hielt dabei meine Hand an mein Herz, welches ein wenig weh tat. Es passte einfach alles. Ich lebte in einem kleinen Dorf in der Nähe von Dresden und die Beschreibung von Jerome stimmte ebenfalls. Nun stoppte ich das Video und fing an, bitterlich zu weinen. Meine Eltern waren in diesem Jahr bei einem Verkehrsunfall gestorben und so war ich ganz alleine. Ich weinte und zitterte vor Trauer und Wut. Jerome hatte niemandem etwas getan. Er wollte nur leben. Warum gab man den verwöhnten Kindern Süßigkeiten und ihm nicht einmal einen Apfel?
 

Als ich mich beruhigt hatte, wischte ich mir die Tränen weg und ging in die Küche. Dieses Mal wollte ich ihm nicht nur Brote machen. Ich machte nun die Gans, welche ich erst am Martinstag essen wollte. Ich hätte alleine ewig an dem Braten gegessen und so wollte ich sie mit ihm teilen Es dauerte ewig doch gegen Mitternacht war ich endlich fertig und wie ich aus dem Fenster sah, entdeckte ich auch schon den Umriss des jungen Mannes. Er sah, dass ich dieses Mal keine Brote hingestellt habe und wollte gehen doch ich lief ihm hinterher, zog an seinem Ärmel und brachte ihn schließlich in das Haus. “Bitte...iss heute Nacht mit mir. Iss so viel wie du möchtest.” Der junge Mann sah zu dem Braten und sagte, dass er es nicht annehmen könne doch ich lächelte und hielt ihm mit der Gabel ein Stück direkt vor seinem Mund. “Bitte...und bitte bleib bei mir damit du es warm hast, Jerome.” Die Augen des jungen Mannes weiteten sich nun und er fragte mich, woher ich seinen Namen kennen würde doch ich schüttelte nur den Kopf und sagte ihm, dass es nicht wichtig sei. Mit Tränen in den Augen dankte er mir nun und wir aßen zusammen. Jerome sagte mir, dass er durch einen Brand seine Familie verloren hatte und seitdem auf der Straße lebte. Dann erzählte er mir auch, wie er gestorben ist. Es war so, wie es in dem Video beschrieben wurde. “Ich bin nur an Halloween, der Jahresnacht meines Todes sichtbar und nur in dieser Nacht kann ich Essen zu mir nehmen. Du bist die Einzige, die immer für mich da war. Ich danke dir...für alles.” Mit Tränen in den Augen lächelte ich nun ein wenig und strich dabei seine Tränen weg. “Bitte bleib bei mir. Ich habe auch niemanden mehr und ich möchte, dass du wieder ein zuhause hast. Es ist egal, ob ich dich sehen kann oder nicht.” Nun stand Jerome auf und schloss mich in seine Arme. Er war kühl doch ich erwiderte die Umarmung und streichelte ihn auch ein wenig.
 

Jerome blieb bei mir und auch wenn ich ihn nur einmal im Jahr sehen konnte, war er immer bei mir und redete mit mir. So kam es, dass wir uns ineinander verliebten. Die Anderen dachten, ich wäre immer alleine doch in Wahrheit hatte ich den Menschen, den ich am Meisten liebte immer bei mir und jedes Jahr an Halloween konnte ich ihn sehen. Mit 27 Jahren bin ich bei einem Autounfall gestorben doch seitdem bin ich glücklich denn seit diesem Tag kann ich meinen geliebten Jerome immer sehen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Geschichte ist mir heute spontan eingefallen. Sie soll ein wenig zum Nachdenken anregen und ist düster gehalten. Nun ist es keine typische "Helloween-Geschichte" aber ich hoffe, dass sie euch trotzdem gefällt. Komplett anzeigen

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