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Blue Wolve

von

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Long flight and first Steps


 

1
 

Die beiden haben den Rest der Nacht in einer kleinen Höhle in den Bergen verbracht. Als sie nun gähnend das Gesicht Richtung Sonne strecken, wundert es Logan nicht im Geringsten, dass es schon Mittag ist. Kurt hat sehr viel durchgemacht und die Flucht aus seinem alten Leben hat ihn sichtlich mitgenommen, weshalb es in jedem Fall angebracht war, dass er sich einmal richtig und ohne Angst vor Strafen und dergleichen ausschlafen konnte. Wolverine selbst ist für gewöhnlich ein Frühaufsteher, kommt zumeist sogar mit ein oder zwei Stunden Schlaf aus, ohne einen Funken Konzentration einzubüßen. Nicht selten hat er sogar mehrere Tage hintereinander verbracht, ohne auch nur eine Minute die Augen zu schließen. Ist es jedoch friedlich und er fühlt sich sicher, kann er unbekümmert endlos schlafen, bis ihn irgendjemand oder irgendetwas weckt. Dieses Etwas war nun das wiederholte und erstaunlich laute Magenknurren des blauen Mutanten, das sie beiden aus dem Schlaf gerissen hat.
 

„Sag bloß, du hast Hunger?“, witzelt der Kanadier ein wenig, als ein erneutes Knurren ertönt und schlagartig die Wangen des Jungen purpurn anlaufen lässt. „Ich habe immer Hunger...“, kommt es daraufhin traurig zurück. Mitfühlend mustert der Ältere den ausgemergelten Körper des Elfen, innerlich kocht er allerdings vor Wut, wenn er nur daran denkt, was diese Mistkerle ihm alles angetan haben müssen. Völlig automatisch stellt sich dabei sein tiefgreifender Beschützerinstinkt ein, den er Kindern gegenüber immer unweigerlich empfindet. Außerdem versteht er nun auch vollkommen, warum Charles ihm diese Mission anvertraut hat. „Keine Sorge. Ab jetzt ist das vorbei. Du wirst nie wieder Hunger haben müssen, Junge. Dafür werde ich schon sorgen!“, verspricht er ihm und wendet sich dem Jet zu, der sich nun imposant vor ihnen erhebt.
 

Äußerst scheu, aber dennoch neugierig betrachtet der junge Mutant das Gefährt und kann sich dennoch keinen Reim darauf machen. Der Schwarzhaarige öffnet eine Schiebetür an der Seite und wühlt dann suchend unter dem Pilotensitz nach etwas. Nach einem Moment zieht er ein weißes T-Shirt hervor. Es ist schrecklich zerknittert und müsste bestimmt dringend einmal gewaschen werden, doch Logan kümmert es wenig, es wird dennoch seinen Zweck erfüllen. „Hier, zieh das an.“, meint er knapp und wirft dem Jungen das Hemd entgegen. Dann klettert er in die Flugmaschine und sucht scheinbar weiter hinten nach etwas anderem. Kurt betrachtet sich inzwischen etwas überfordert das Shirt. Dunkel kann er sich erinnern so etwas als kleines Kind auch getragen zu haben. Doch seit er in den Zirkus kam, gab es für ihn dergleichen nicht mehr.
 

Als der Kanadier mit einer Kiste unter dem Arm wieder zu ihm kommt, hat Nightcrawler es zumindest geschafft das T-Shirt anzuziehen. Mit erhobener Augenbraue mustert der Jäger ihn dennoch und wird sich dabei über deutlich bewusst, dass er dem Jungen wohl weit mehr beibringen muss, als es sonst der Fall sein dürfte. „Passt doch halbwegs. Das Schild gehört allerdings nach hinten, also dreh das Ding einmal um.“, weist er den Blauen an und zupft dabei an dem zerschlissenen Wäscheschild, das auf Kurts Brust ruht. „Oh...“, gibt der Jüngere unschlüssig von sich und versucht dann etwas ungeschickt dem Ganzen nachzukommen.
 


 

2
 

Wie sich herausstellt befindet sich in der Kiste allerhand zu Essen. Während Logan Brot, Brathähnchen, Reis, etwas Obst und eine große Flasche Milch auf einem Tuch ausbreitet, wird er dabei von Kurt mit großen Augen betrachtet. Der Jäger kann innerlich nur grinsen, wirkt der Junge neben ihm doch gerade wie ein ausgehungerter Hund, der sabbernd darauf wartet zuschlagen zu dürfen. Das Sabbern kann sich der Blauhäutige zumindest noch verkneifen, aber wirklich nur gerade so, wie es dem Älteren scheint. Von daher will er ihn auch nicht unnötig warten lassen. „So, hau rein! Iss so viel du magst!“, fordert der Kanadier ihn auf. Falls das überhaupt noch möglich ist, werden die seelenlosen Augen des Jüngeren noch ein ganzes Stück größer. Dennoch wirkt er unsicher und wartet ab. Logan legt leicht irritiert die Stirn in Falten und will seine Aufforderung schon wiederholen, da geht ihm auf, dass der Bengel ganz sicher eine sehr strenge Form der Erziehung in diesem verdammten Zirkus genossen hat und daher erst essen wird, wenn der Schwarzhaarige selbst begonnen hat – ähnlich wie in einem Wolfsrudel, wo die ranghöchsten Tiere immer vor allen anderen fressen dürfen und die niedrigen eben warten müssen.
 

Mit einem leichten Seufzen öffnet Wolverine die Flasche Milch, stellt sie zurück auf das Tuch und greift sich dann eine Hühnerkeule. Nightcrawler tut es ihm gleich, legt die Keule aber vor sich hin und verschränkt dann die Finger vor seinem Gesicht. Kurz darauf schließt er die Augen und beginnt in Deutsch etwas vor sich hinzumurmeln. „Dir sei, oh Gott, für Speis und Trank, für alles Gute Lob und Dank. Du gabst, du willst auch künftig geben. Dich preise unser ganzes Leben. Amen.“ Der X-Man versteht zwar überhaupt kein Wort von alledem, doch von der Haltung und Tonlage des Jungen leitet er ab, dass das Ganze wohl eine Art Tischgebet sein muss, weshalb er selbst etwas ungeduldig innehält und mit dem Essen wartet, bis der Bengel damit durch ist. Logan hat zwar schon vor endlos langer Zeit jeglichen Glauben an auch nur die entfernteste Form eines Gottes verloren, doch er kann spüren, dass es Kurt sehr viel zu bedeuten scheint – wenn nicht gar das Einzige ist, das ihn bis jetzt noch am Leben gehalten hat – und von daher wird er ihm das ganz sicher nicht madig machen.
 

Nachdem das letzte Wort dann aber gesprochen ist, lächelt ihm der blaue Mutant etwas schüchtern zu, als würde das alles erklären, und dann stürzen sich die beiden endlich ungehalten auf das Essen. Wolverine hat zwar selbst einen sehr gesunden Appetit, insbesondere auf Fleisch, doch er hat selten jemanden so schnell und begeistert essen sehen, wie diesen Elfen. Es kommt einem Wunder gleich, dass er dabei überhaupt noch Zeit zum Luftlohen findet, ohne sich haltlos zu verschlucken. So ist es auch nicht verwunderlich, dass das gesamte Essen innerhalb kürzester Zeit vollkommen verschwunden ist. Zufrieden lehnt sich Nightcrawler nach dem letzten Bissen zurück an das Felsgestein, schließt einen Moment lang die Augen und gibt ein wohliges Seufzen von sich. Ihm ist anzusehen, dass er jetzt sicher gern noch ein paar Stunden schlafen würde, doch dafür haben sie keine Zeit.
 

So oder so sind sie schon viel später aufgestanden, als Logan es geplant hatte, und wenn sie jetzt nicht bald losfliegen, kommen sie heute gar nicht mehr nach New York und das würde Charles nur unnötig in Sorge versetzen, weshalb er dann wieder versuchen wird in Logans Gedanken einzudringen, um sich Klarheit zu verschaffen und das will der Kanadier nun wirklich nicht. Dieses ganze Überwachen seiner Person geht ihm so oder so dermaßen gegen den Strich. Aber er ist wahrscheinlich auch selbst schuld daran, wenn er sich ständig den Worten des anderen Mannes widersetzt und sein eigenes Ding durchzuziehen versucht, völlig ungeachtet dessen, was das für das Institut und die anderen Mutanten bedeuten könnte. Trotz des Zeitdrucks, den er daher verspürt, gönnt er dem Jungen noch eine halbe Stunde Ruhe, schließlich will er ja auch nicht, dass ihm der Bengel aus Flugangst oder dergleichen das ganze Cockpit vollkotzt.
 


 

3
 

Schließlich erhebt sich Wolverine aber doch, sammelt die wenigen Reste zusammen und verstaut sie wieder in dem Fluggerät. „So, Junge. Zeit aufzubrechen, also rein in den Jet mit dir!“, fordert er ihn nachdrücklich auf und begibt sich dann auf die Pilotenseite. Wie er allerdings schon befürchtet hat, rührt sich der Bengel keinen Zentimeter, sondern starrt den Jet nur mit großen, hilflosen Augen nervös an und schluckt hart. Der Schwarzhaarige sucht schon nach Worten, um ihm irgendwie die Angst zu nehmen, da sinkt der Blauhäutige auf die Knie nieder und verschränkt wieder die Finger vor dem Gesicht. Kurz darauf setzt er scheinbar zu einem weiteren Gebet an, weshalb Logan nur leicht gereizt seufzt und darauf wartet, dass er fertig wird. Er hofft jedoch, dass der Bengel das jetzt nicht bei jeder Kleinigkeit von Neuem macht, denn sonst werden sie ja nie zu Hause ankommen.
 

„Du Gott des Aufbruchs, es ist schwer, Vertrauen in einen Weg zu setzen, den ich nicht genau sehe, auch wenn ich glaube, deine Stimme zu hören. Jetzt liegt das Alte hinter mir. Schenk mir Vertrauen in dich.“, endet Nightcrawler schließlich und sieht wieder nervös zum Jet hinüber. „Nun komm schon, du Elf! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, und es ist ein verdammt langer Flug...“, brummt der Ältere ungeduldig. Innerlich ist ihm durchaus bewusst, dass das ganz sicher nicht unbedingt hilfreich ist, aber seine Geduld war noch nie die Beste und langsam ist schon ein Großteil davon verbraucht. Leicht zuckt der junge Mutant unter seinen streng anmutenden Worten zusammen, steigt dann aber doch vorsichtig ein und setzt sich auf den Sitz des Copiloten.
 

„Du brauchst keine Angst zu haben. Es ist völlig harmlos. Du musst nur ruhig sitzenbleiben. Und wenn dir schlecht wird, dann kotz mir nicht das Cockpit voll, okay?“, prüfend betrachtet er ihn und legt ihm dabei etwas ruppig den Sicherheitsgurt an. Seine Worte wecken allerdings nicht unbedingt Zuversicht in dem Jüngeren, weshalb er nur stumm nickt.
 

Einen Moment später dröhnt lautstark der Düsenmotor unter ihnen auf, sodass Kurt hilflos zusammenzuckt und einen unterdrückten Schrei von sich gibt. „Entspann dich...“, murmelt Wolverine, während er den Start vorbereitet. Das ist jedoch viel leichter gesagt, als getan, wie er kurz darauf feststellen muss. Mit dem Motorengeräusch scheint sich der Junge gerade noch so anfreunden zu können, doch nun erhebt sich der Jet blitzartig und völlig schwerelos in die Lüfte. Waagerecht steigt er ein Stück nach oben, bevor er wie eine Pistolenkugel vorwärts schießt und dabei immer noch weiter an Höhe gewinnt. Der Druck, der bei der plötzlichen Beschleunigung auf den Körper einwirkt, ist deutlich spürbar, auch wenn das Fluggerät bei weitem nicht mit Überschallgeschwindigkeit fliegen kann. Hat man das Ganze allerdings ein paar Mal mitgemacht, merkt man diesen beklemmenden Druck im Magen nicht mehr, doch für Kurt ist es nun einmal das erste Mal.
 

Mit panisch aufgerissenen Augen klammert er sich wie ein Ertrinkender an den Armlehnen fest, holt abgehackt Luft und sieht schrecklich blass um die Nase aus. Er zittert am ganzen Körper. Besorgt wirft Wolverine ihm einen kurzen Seitenblick zu, wobei ihm wieder der Gedanke kommt, dass sich der Bengel ganz sicher jeden Moment übergeben wird, denn ganz genauso sieht er gerade aus. Im Nachhinein betrachtet wäre das aber wohl noch das kleinere Übel gewesen...
 

Als der Jet nach wenigen Sekunden seine angesteuerte Flughöhe erreicht hat und mit halsbrecherischem Tempo durch die Wolken pflügt – die wie riesige Wattebäusche gegen die Windschutzscheibe zu klatschen scheinen, ehe sie von den scharfkantigen Flügeln der Maschine regelrecht in tausend Fetzen zerrissen werden – kann Nightcrawler nicht mehr länger an sich halten. Die Panik vor dem Ungewissen in ihm ist einfach zu groß. Eine Sekunde später breitet sich eine dichte, violette Wolke im Cockpit aus, die atemberaubend nach Schwefel stinkt und einhergeht mit einem leisen, seltsamen, kaum zu beschreibendem Geräusch – fast wie ein hohler Knall. BAMF! Einen Sekundenbruchteil später scheint sich das Ganze in einiger Entfernung zu wiederholen. Angewidert verzieht Logan das Gesicht, ringt nach Luft, während sich die stinkende Wolke immer noch weiter auszubreiten scheint. „Verdammt...“, kommt es hustend von ihm, dann merkt er, dass der Junge nicht mehr auf seinem Platz sitzt – einzig das weiße T-Shirt ist noch da.
 

„Scheiße...!“, knurrt er halb erstickt. Geistesgegenwärtig betätigt er den Autopiloten und einen weiteren Kopf, der die Luft in der Maschine mit einem heftigen Sog absaugt und gegen frische ersetzt. Dann löst er seinen Gurt und steht auf. Suchend blickt er sich im hinteren Teil des Jets um. Da der Flieger nur für zwei Personen ausgelegt ist, ist der Raum verhältnismäßig übersichtlich. Dennoch braucht er einen Moment, ehe er seinen überreizten Sinnen wieder Glauben schenken und den Jungen entdecken kann. Schließlich sieht er ihn. Nightcrawler klebt wie ein riesiges, gelbäugiges Insekt im Schatten ganz hinten kopfüber an der Decke und atmet so angestrengt, als würde er jeden Moment ersticken.
 

Mit leicht schiefgelegtem Kopf betrachtet Logan ihn einen Augenblick. Ihm geht dabei auf, dass die Fähigkeit des Mutanten wohl in einer Art Teleportation oder dergleichen bestehen muss. Eine andere Erklärung gibt es gar nicht, wie er in einem Sekundenbruchteil verschwinden und dort wiederauftauchen konnte. In diesem Zusammenhang kommt ihm aber eine viel schlimmere Erkenntnis. „Komm sofort da runter, Elf! Und mach das, um Himmel willen, nicht noch mal! Stell dir nur mal vor, du landest beim nächsten Mal außerhalb des Jets. Dann stürzt du mehr als fünftausend Meter ungebremst in die Tiefe!“, mahnt er ihn überaus streng. Dennoch kann er den leichten Schock und die Sorge darüber nicht ganz in seiner Stimmlage verbergen, was ihn mehr als wurmt. Doch vermutlich ist es gerade diese ungewollte Tonlage, die Kurt nun schuldbewusst aussehen lässt.
 

„Entschuldigung...“, murmelt der Blauhäutige kaum hörbar und krabbelt dann wie eine übergroße Spinne kopfüber ganz langsam und vorsichtig an der hinteren Wand des Jets herunter. Mit einer gewissen Erleichterung seufzt Wolverine in sich hinein. Gleichermaßen faszinieren ihn die überaus animalischen Bewegungen seines Gegenübers zu tiefst „Schon gut, aber versuch dich ab jetzt irgendwie zusammenzureißen, okay? Ich weiß, dass ist schwer, wenn man seine Fähigkeiten noch nicht richtig kennt, geschweige denn beherrscht, und zudem auch noch Angst hat, doch du musst es irgendwie schaffen. Entspann dich. Das Schlimmste hast du jetzt eh erstmal hinter dir, und die Landung ist nicht so erdrückend. Doch bis dahin sind es gut sieben Stunde Flug und ich will dich nicht ständig von der Decke runterlocken müssen, weil du dich wegen irgendwas erschreckst. Außerdem ist dieser Gestank bei deinem Rumgespringe kaum auszuhalten und ich kann nicht jedes Mal die Luft im Cockpit absaugen. Das ist nicht gut für den Druckausgleich und im schlimmsten Fall werden wir beide deswegen ohnmächtig.“, erläutert der Ältere sichtlich um Ruhe bemüht.
 

„Entschuldigung...“, flüstert Kurt noch einmal und zieht dann das T-Shirt wieder an, welches ihm der Jäger reicht. Anschließend setzt er sich gehorsam zurück auf seinen Sitz und lässt sich von dem Älteren erneut anschnallen. Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern sitzt er dann da und schämt sich anscheinend für das alles. Mitleidig wirft der Schwarzhaarige ihm wieder einen Seitenblick zu. ‚Das wird ein verdammt hartes Stück Arbeit. Herzlichen Dank auch, Charles...‘, geht es ihm dabei durch den Kopf. Doch irgendwie kann er dem anderen Mann gar nicht so böse sein, wie er es gern würde. Immerhin sollte das alles ja auch eigentlich eine Strafe für sein Fehlverhalten sein und wenn es einfach wäre, wäre es ja schließlich keine Strafe.
 

Sanft legt er dem Elfen nun eine Hand auf den Oberschenkel – spürt dort dessen wenige Millimeter kurzes, seidig weiches Fell, das seinen ganzen Körper überzieht wie samtiger Flor – und streichelt beruhigend darüber. Überrascht zuckt Kurt unter dieser erstaunlich zärtlichen Geste zusammen, ist er es doch überhaupt nicht gewohnt, so berührt zu werden. Etwas scheu wendet er Logan den Blick zu. Dieser schaut aber stur durch die Windschutzscheibe und lenkt gekonnt einhändig weiter die Maschine.
 

„Mach dir nichts draus, Junge. Das erste Mal in so einem Ding geht an keinem spurlos vorbei. Aber man gewöhnt sich daran. Also guck nicht so geschlagen, sondern zeig mir doch mal ein Lächeln!“, versucht ihn der Krieger etwas aufzuheitern. Dabei wendet er ihm den Blick zu, wobei ein sanftes Lächeln seine sonst so harten Züge umspielt. Einen Moment scheint der Junge angestrengt darüber nachzudenken. Dann legt er die Hand vorsichtig auf die von Logan, die immer noch über seinen Oberschenkel streicht, drückt sie leicht, während er dem Älteren tief in die Augen sieht. Schließlich lächelt er tatsächlich. Es hat etwas so Unschuldiges und Reines an sich, dass Wolverines Herz für einen Schlag auszusetzen scheint, ehe es ihm heftig gegen die Rippen wummert. Etwas verhalten räuspert sich der Schwarzhaarige, zieht seine Hand zurück und konzentriert sich wieder auf den Jet. „Siehst du? Geht doch!“, meint er noch knapp und versucht diesen seltsamen Funken, der eben zwischen ihnen gezuckt zu haben scheint, irgendwie zu ignorieren. Es ist noch viel zu früh für dergleichen Gedanken – wenn überhaupt – und das sollte er nicht allzu bald vergessen...
 


 

4
 

Der Rest des Flugs verläuft zum Glück reibungsloser. Die meiste Zeit herrscht nachdenkliches Schweigen zwischen den beiden. Logan versucht auch weiterhin diesen seltsamen Funken zwischen ihnen zu ignorieren, den er gespürt zu haben glaubt, kommt aber nicht umhin, immer wieder verstohlene Blicke auf den Elfen zu werfen. Dieser sitzt anfänglich noch sehr verkrampft auf seinem Platz und starrt stur auf die stumm vor sich hin blinkenden Anzeigen auf dem Armaturenbrett.
 

Schließlich wird er aber lockerer, merkt, dass ihm hier scheinbar doch keine Gefahr droht, und schaut dann vorsichtig aus dem Fenster. Außer endlosen Wolkenmassen und blauem Himmel gibt es allerdings nichts zu sehen. Als Kurt sich vorbeugt, um zu sehen, was unter ihnen passiert, will der Kanadier ihn schon davon abhalten, entscheidet sich dann aber doch dagegen. Immerhin muss der Junge allein seine Erfahrungen machen.
 

Unter dem flachen Bauch des Jets zeigt sich Nightcrawler eine winzige Welt, fast so, als würde er auf eine Art dreidimensionale Landkarte schauen, von der sich die Berge als kleine Haufen erheben und die größten Gebäude, Brücken und Wahrzeichen kaum noch zu erkennen sind. Geräuschvoll saugt der blaue Mutant daraufhin die Luft ein. Als Wolverine zu ihm hinübersieht, kann er deutlich erkennen, wie ihm das kurze Fell praktisch am ganzen Körper zu Berge steht und er wirkt, als wäre er elektrisch aufgeladen. Der Ältere will schon etwas Beruhigendes sagen, da wendet Kurt schon von allein wieder den Blick ab und sammelt sich erstaunlich gefasst. Den Rest des Flugs begnügt er sich allerdings aber lieber wieder mit der Windschutzscheibe oder dem Armaturenbrett.
 

Es gibt nur einen weiteren Moment, in dem Logan denkt, dass sich der Bengel wieder vor Schreck an die Decke hängen wird. Je näher sie New York kommen, desto dunkler werden nämlich auch die Wolken. Schließlich trifft schwerer Regen die kleine Maschine, hämmert nahezu ohrenbetäubend auf den dünnen Mantel ein, und böiger Wind schüttelt sie etwas unsanft durch, bis es Logan gelingt höher zu steigen, um dem etwas zu entgehen. Deutlich kann Wolverine die Angst in den seelenlosen Augen des Jungen sehen – er kann sie förmlich an ihm riechen. Als dann auch noch ein einziger, greller Blitz den Himmel direkt vor ihnen zerreißt, stößt Kurt einen erstickten Schrei aus und klammert sich dann so plötzlich an Arm des Schwarzhaarigen fest, dass dieser selbst leicht zusammenzuckt. Doch zumindest springt Nightcrawler nicht wieder durchs Cockpit. „Ganz ruhig, Junge. Wir sind gleich durch und dann auch schon fast da.“ Allerdings klammert sich der Blauhäutige so lange an ihm fest, bis der Himmel unter ihnen wieder aufhellt und der Beginn des Sonnenuntergangs sichtbar wird, den Kurt dann bis zur Landung voller Faszination betrachtet.
 


 

5
 

Der Kanadier kann nicht abstreiten, froh darüber zu sein, dass sich Nightcrawler so auf den Sonnenuntergang fixiert, denn sanfte Landungen gehören nicht zu seiner Stärke. Doch der Junge klammert sich fest genug an die Aussicht und Logans Arm, um das Ganze ziemlich ungerührt über sich ergehen zu lassen, obwohl die Maschine beim Aufsetzen einen ruckartigen Hopser macht und sie beide dadurch in die Sitze gedrückt werden. Schließlich ist es aber geschafft und der kleine Jet rollt die kurze Landebahn entlang. An ihrem Ende öffnet sich ein hangarartiges Tor an der Seite eines riesigen Herrenhauses. Fast lautlos gleitet die Wolf 2 in das dunkle Loch, woraufhin helle Lampen an der Decke aufflammen.
 

Noch ehe die Maschine ihren eigentlichen Parkplatz erreicht hat, gleitet ein roter Scanner über sie hinweg und eine Computerstimme ertönt nachdrücklich über ihnen. „Wolf 2 zurückgekehrt. – Piep! – Keinerlei Schäden vorhanden. – Piep! – Zwei Individuen ausgemacht. – Piep! – Bitte bestätigen. Piep! Piep! Piep...“, fordert der Rechner. „Jaja, alles in Ordnung. Krieg dich wieder ein. Ich hab´ keine Zeit für diesen Unsinn.“, knurrt der Krieger leicht ungehalten in ein Mikro auf dem Armaturenbrett und wartet darauf, dass der Scanner ihn endlich passieren lässt. „Willkommen zurück, Wolverine. – Piep!“, kommentiert der Computer geduldig, schaltet den Scanner ab und lässt den Jet schließlich vorbei.
 

„Was – war das...?“, fragt Kurt unsicher, während Logan die Wolf 2 auf ihren angestammten Platz neben einen viel größeren Jet und einigen anderen Fahrzeugen lenkt. „Nur ein Sicherheitssystem, um ungebetene Gäste zu finden, die sich vielleicht in oder am Jet versteckt haben könnten. Mach dir keine Gedanken. So lange du in meiner Nähe bleibst, kann dir nichts passieren. Das System muss dich nur erst kennenlernen. Aber alles zu seiner Zeit. Jetzt bringe ich dich erst mal zum Leiter des Instituts und dann hast du das Schlimmste für heute auch schon hinter dir.“ Kurz darauf verlassen die beiden den Hangar über eine kleine Tür auf der anderen Seite.
 

Über einen langen Gang gelangen sie schließlich ins Innere des großen Hauses. Mit fasziniertem Blick betrachtet Kurt die neue Umgebung aufmerksam. Dabei tapst er unsicher auf allen Vieren neben Wolverine her, gleich einem schüchternen Welpen bei seinem ersten Spaziergang in seinem neuen Heim. Jedes Geräusch lässt ihn unweigerlich zusammenzucken. Der Kanadier ist ganz froh, dass ihnen nicht auch noch einer der anderen Mutanten über den Weg läuft, sonst würde er den Elfen womöglich wieder von der Decke sammeln müssen. Früher oder später wird er sie aber alle kennenlernen und seine Angst ablegen müssen, doch heute hat er noch etwas Schonfrist.
 

Über eine große Treppe gelangen sie in den ersten Stock des Hauses. Hier befinden sich in einem langen Gang links und rechts etliche Türen. Jede Tür ist mit goldenen Buchstaben verziert, die den Namen ihres Bewohners bilden. Die erste Tür links ist allerdings unbeschriftet, ebenso die ersten beiden Türen auf der rechten Seite. Die zweite Tür links ist dafür mit Piotr beschriftet. Kurz bleibt Wolverine vor der zweiten Tür rechts stehen und deutet auf das unbeschriftete Holz. „Das hier wird dein Zimmer.“, meint er knapp und geht dann auch schon weiter. An der dritten Tür rechts steht nun Logan, links dafür Henry. Dann folgen rechts Ororo und links Katherine. Danach rechts John, links Robert. Anschließend rechts Sean und links Shiro. In der letzten Reihe stehen rechts Scott und links Jean. Anhand der doch sehr unterschiedlichen Namen schließt Kurt, dass er nicht der Einzige ist, der außerhalb Amerikas geboren wurde, was ihn irgendwie beruhigt. Direkt voraus befindet sich noch eine weitere Tür, die auch die letzte in dem Gang ist. Auf ihr ist jedoch lediglich das Wort Büro geschrieben. „Okay, da sind wir.“, meint der Krieger dann und öffnet die Tür.
 


 

6
 

„Ehe du wieder einen Suchtrupp losschickst, ich bin zurück und ich hab´ dir sogar jemanden mitgebracht.“, tönt Logans Stimme, kaum dass er durch die Tür ist. „Das freut mich. Ich habe mir wirklich langsam Sorgen gemacht.“, gesteht der Mann hinter dem Schreibtisch mit sichtlicher Erleichterung. „Es war ein bisschen schwierig, aber kein Grund zur Aufregung. Also versuch gar nicht erst in meinem Kopf rumzuwühlen!“ Xavier belässt das Ganze erst einmal leicht resignierend dabei und rollt stattdessen hinter dem Schreibtisch hervor.
 

„Wo ist denn unser Gast?“, fragt er schließlich. Verwundert hebt Wolverine eine Augenbraue und blickt neben sich. Doch der blaue Mutant ist nicht mehr da. Dennoch kann er ihn riechen – insbesondere seine Angst. Nahezu zielstrebig schaut er daher zur Decke empor und Charles folgt fragend seinem Blick. Und tatsächlich, in der hintersten Ecke neben der Tür hockt ein kaum auszumachender Schatten im Zwielicht der spärlichen Schreibtischlampe, die zurzeit das einzige Licht im Raum bildet. Lediglich zwei verschreckte, gelbe Augen und der etwas hellere Klecks des T-Shirts in der Dunkelheit dort oben, sind alles, was man erkennen kann. Nightcrawlers übriger Körper scheint regelrecht mit der Finsternis zu verschmelzen. Würde er die Augen schließen und das Shirt ausziehen, könnte man ihn nicht einmal mehr erahnen.
 

Genervt reibt sich Logan über die rechte Schläfe, so als hätte er plötzlich starke Kopfschmerzen bekommen, wobei sich Xavier vorstellen kann, was der Jäger mit schwierig gemeint haben könnte. „Was soll denn das jetzt wieder? Komm sofort da runter! Ich hab´ dir doch gesagt, dass es ungefährlich ist...“, grummelt er zu dem Schatten empor, der sich daraufhin noch kleiner zu machen versucht. „Lass ihn doch. Er hat Angst.“, erwidert der Professor völlig ruhig, als würde er stattdessen über das Wetter reden. Der Kanadier gibt nur ein missgünstiges Schnauben von sich und verschränkt die Arme vor der kräftigen Brust. Dann wechselt Xavier völlig beiläufig das Thema.
 

„Wie fühlst du dich, Logan?“, fragt er. Der Angesprochene hebt wieder die Augenbraue. „Alles in Ordnung…“, gibt er schnippisch zurück. „Wirklich? Du siehst etwas mitgenommen aus.“, bemerkt der Jüngere. Xaviers Augen gleiten über Wolverines Gesicht. Logan spürt, wie die mentalen Finger dabei versuchen in seine Gedanken einzudringen. Doch das Adamantium hinter seiner Stirn erschwert es ihm etwas, auch wenn es ihn nicht völlig daran hindert. Aber der Kanadier ist vorbereitet, kann ihn daher abwehren und dafür ist er immer wieder dankbar. Zwar hat der Jäger im Moment nichts Sonderliches zu verbergen, doch oft genug ist es aber schon der Fall gewesen und das wurmt den Professor schon ab und an ziemlich. Doch Logan ist der Meinung, dass es für Charles´ Seelenheil manchmal wirklich besser ist, wenn er nicht weiß, was er gerade denkt oder so getrieben hat. Im schlimmsten Fall könnte Charles etwas von diesem vermeintlichen Funken zwischen ihm und Nightcrawler mitbekommen, und das wäre ganz sicher nicht gut. Logan hofft daher auch, dass er nicht allzu sehr in den Gedanken des Jungen wühlt und ihn dort womöglich entdeckt, sollte Kurt etwas Ähnliches gespürt haben.
 

Zur Sicherheit bedenkt der Jäger den Mann im Rollstuhl jedoch mit einem überaus strengen Blick, woraufhin er spüren kann, dass sich die mentalen Finger wieder entfernen und Xavier ein schon beinahe schuldbewusstes Gesicht aufsetzt. „Warum setzt du dich nicht und überlässt mir das Ganze?“, meint der Kahlköpfige dann möglichst beiläufig und deutet auf das Sofa neben der Tür. Logan gibt ein resignierendes Seufzen von sich, kommt dem Wunsch des anderen dann aber nach einem Moment doch nach. Dennoch verschränkt er fast schon beleidigt erneut die Arme vor der Brust.
 

Mit einem überaus sanftmütigen Gesichtsausdruck sieht Xavier wieder zur Decke empor. Der blaue Mutant hat sich inzwischen keinen Zentimeter bewegt, beobachtete nur alles äußerst aufmerksam mit seinen seelenlosen Augen. Trotz dieser Leere in ihnen, kann Charles deutlich seinen Schmerz und seine Angst erkennen, was ihn zutiefst bekümmert. Dieses arme Geschöpf muss Schreckliches durchgemacht haben, und um das zu erkennen, braucht er seine mentalen Finger nicht einmal ansatzweise. Trotzdem streckt er sie nun ganz vorsichtig aus, um sich ein Bild von alledem machen zu können, damit er eine Bindung zu ihm aufbauen und ihm hoffentlich etwas die Furcht nehmen kann.
 

Als er in Nightcrawlers Verstand eindringt, zuckt der Junge sichtbar zusammen, versteht schlichtweg nicht, was gerade mit ihm passiert. Für einen kurzen Moment ertönt von ihm das verschreckte Fauchen einer völlig erschöpften Katze, die fürchtet, einen weiteren Kampf austragen zu müssen, und seine scharfen Zähne funkeln matt ihm Zwielicht auf. Fast schon schmerzlich presst er dann die Augen zusammen, doch er kann sich dem nicht entziehen. „Habe keine Angst, Kurt Wagner, ich werde dir nicht wehtun. Was du gerade spürst – dieses Kitzeln oder Jucken direkt in deinem Verstand –, das bin ich. Es gehört zu meiner Mutantenfähigkeit. Man nennt es Gedankenlesen. Ich kann damit sehen, welches Leid du fast dein ganzes Leben ertragen musstest. Doch das ist nun vorbei. Hier bist du sicher.“
 

So ganz kann der Blauhäutige das alles noch nicht glauben. Dennoch hat es ihn sehr überrascht, dass dieser Mann seinen Namen kennt – seinen menschlichen Namen. Aber vielleicht hat Wolverine ihm den auch irgendwie genannt, ohne dass er es mitbekommen hat? Unentschlossen bleibt Kurt wie eine übergroße Spinne kopfüber an der Zimmerdecke kleben und blickt scheu hinunter. „Wenn – wenn Sie wirklich meine Gedanken lesen können, dann sagen Sie mir, woran ich gerade denke!“, fordert er Charles schließlich sehr kleinlaut, aber dennoch nachdrücklich auf, um sich Klarheit zu verschaffen. Der Angesprochene schaut ihn einen Moment eindringlich an, während Nightcrawler erneut dieses seltsame Kitzeln in seinen Hirnwindungen spürt – ganz so, als würden sich dort tatsächlich Finger entlang bewegen, auf der Suche nach einer geistigen Schublade, in der sich die richtige Lösung befindet. Ein leichtes Schmunzeln gleitet über das Gesicht des Älteren hinweg. „Ich sehe schon, du machst es mir absichtlich schwer, mein Junge. Ich spreche zwar kein Deutsch, doch ich werde versuchen es so genau wie möglich wiederzugeben. – ‚Jesus Christus spricht: Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir.‘ Johannes Evangelium, Kapitel 10, Vers 28. Kommt das in etwa hin?“
 

Mit offenem Mund sieht der blaue Mutant zu ihm hinunter und kann es doch kaum glauben. „Es – es ist Vers 27 nicht 28, aber sonst war es nahezu perfekt ausgesprochen! Das – das ist einfach unglaublich...“ „Findest du? Das ist noch eine meiner leichtesten Übungen, dennoch danke. – Ich sehe, dass du einen sehr starken Glauben hast, Kurt. Und ich bin sicher, dass er dir stets weiterhelfen wird. Das Leben als Mutant ist gewiss kein Zuckerschlecken, nicht einmal hier, wo wir unter Unseresgleichen sind. Dessen solltest du dir bewusst sein. Aber hier sind wir zumindest weitgehend vor der Ablehnung der Menschen sicher, und das macht es viel einfacher für die Meisten von uns. – Außerdem möchte ich dir versichern, dass ich dir deinen Gott in keiner Weise ersetzen will. Dennoch haben wir hier eine gewisse Hierarchie, wobei ich als eine Art Führer für alle stehe, zudem Rektor dieser Schule bin und auch zwischen den Mutanten und den Menschen vermittle, wenn es sein muss. Ebenso wird Logan dir ab jetzt ein Lehrer sein und dich alle wichtigen Dinge lehren, die du für dein Leben bei uns und als Mutant wissen musst. Und daher möchte ich nun, dass du ein braver Schüler bist und zu mir herunterkommst. Ich werde dich nicht dazu zwingen, auch wenn ich es könnte, doch ich will, dass du es aus eigenem Antrieb tust. Vertrauen aufbaust. Ich weiß, nach allem, was du bisher durchgemacht hast, ist das eine schier unüberwindbare Situation. Doch bedenke, dass du auch Logan vertraut hast, und dass, nachdem er diese beiden Männer vor deinen Augen getötet hat.“
 

Ein nahezu strafender Blick trifft den Kanadier, woraufhin der Ältere nur verächtlich mit den Schultern zuckt, als wolle er sagen: Was hatte ich schon für eine andere Wahl? Immerhin waren es nur zwei und nicht alle, also spar dir deine Anschuldigungen! Innerlich seufzt der Professor nur und konzentriert sich dann wieder auf Kurt. Dieser hockt noch immer etwas unschlüssig dort oben und rührt sich nicht. Charles muss aber nicht noch einmal in seinen Verstand sehen, um zu erkennen, was den Jungen irritiert. „Du hast noch nie einen Rollstuhl gesehen, wie mir scheint. Mache dir darüber aber keine Gedanken, es ist nichts Gefährliches dabei. – Weißt du, vor vielen Jahren hatte ich einen schweren Unfall. Ich habe das Ganze geradeso überlebt, doch seitdem kann ich nicht mehr laufen. Dieser spezielle Stuhl ersetzt mir also praktisch meine Beine, sodass ich mich weitgehend ohne Hilfe frei bewegen kann. Es muss dich also nicht kümmern.“, versichert ihm der Professor, woraufhin sich Kurt etwas zu entspannen scheint.
 

Ein paar Sekunden hadert er dennoch mit sich und wirft schließlich einen Blick zu Wolverine hinüber, der immer noch halb beleidigt auf der Couch lungert. Ihm ist anzusehen, dass er jetzt lieber ganz woanders wäre. Nightcrawler vermutet jedoch, dass der Professor Logan nicht eher gehen lassen wird, ehe er sich hinunter getraut hat und alles abgearbeitet ist, was sonst wohl zum Standard gehört, wenn man neu hier an das Institut kommt. Also muss Kurt all seinen Mut zusammennehmen und dass hier so schnell wie möglich hinter sich bringen, damit sie beide erst einmal Ruhe haben und Logan keinen Grund hat, um womöglich sauer auf ihn zu sein.
 

Schließlich bewegt sich der blaue Mutant ganz langsam kopfüber an der Wand hinunter und hockt dann nach einer Weile auf allen Vieren auf dem Boden. Sanft lächelnd sieht Charles zu ihm hinüber. Dabei nimmt sein geschulter Blick das ganze, sonderbare Wesen Nightcrawlers in Augenschein. Dadurch sieht er deutlich die Unsicherheit in den blicklosen Seelen des Jungen, wobei sein ungewöhnliches Aussehen einem weißzumachen versucht, dass er unglaublich gefährlich sein könnte. Dem ist aber nicht so, wie Charles weiß, doch Menschen verlassen sich im Allgemeinen nur auf das, was sie sehen, und genau das ist der Grund für all das Leid, das der Blauhäutige schon erfahren musste.
 

Eine Weile bleibt Kurt an Ort und Stelle hocken, ehe er sich vorsichtig und geduckt, wie ein geprügelter Hund auf den Professor zu bewegt. „So ist es gut. Das machst du ganz prima.“, ermutigt Xavier ihn sanft und hält ihm langsam seine geöffnete Hand entgegen, als wäre Kurt wirklich ein scheuer Hund, der daran schnüffeln soll, um Vertrauen zu fassen. Der Jüngste hält daraufhin inne und betrachtet die Hand unschlüssig. Schließlich hockt er sich dicht vor den Rollstuhl, rollt den langen Schweif um die schlanken Beine und blickt den Professor mit großen Augen an. „Das hast du sehr gut gemacht, Kurt!“, meint Charles ehrlich und legt dem Jungen dann ganz vorsichtig die Hand auf die Wange. Dabei spürt er das samtweiche, kurze Fell unter seinen Fingern, was ihm fast glauben macht, er würde tatsächlich einen Hund streicheln.
 

Nun entspannt sich Nightcrawler erstaunlicherweise sichtlich, als würde diese simple Berührung all seine Angst einfach von seinem Körper streichen. Langsam schließt er sogar die Augen, legt hauchzart die Hände auf Charles´ Knie und schmiegt sich regelrecht der ungewohnt sanften Berührung entgegen. Eine Art wohliges Schnurren verlässt dabei kaum hörbar seine Kehle und die Spitze seines Schweifs zuckt unwillkürlich auf und ab. Ein schiefes Grinsen schleicht sich auf Logans Gesicht, kann er doch kaum glauben, was er dort sieht. Sichtlich fällt dadurch aber auch die Anspannung von ihm selbst ab.
 

Langsam lässt Xavier wieder von ihm ab und lächelt zufrieden. „Ich denke, wir sind ein ganzes Stück vorwärtsgekommen. Für heute soll das aber erst einmal genug sein. Morgen wirst du die anderen Mutanten kennenlernen und wir werden versuchen herauszufinden, was alles zu deinen Fähigkeiten gehört. Bis dahin solltest du dich aber gut ausruhen, mein Junge. Logan wird so nett sein und dir dein Zimmer zeigen. Habe ich nicht recht, Logan?“ „Jaja, mach ich schon. Sind wir dann fertig?“, fragt der Kanadier etwas pikiert und streckt sich, wobei er fast schon warnend die Fingerknöchel knacken lässt. „Wir sind fertig.“, bestätigt Charles und sieht noch einmal zu Nightcrawler, der noch immer wie ein braver Schoßhund vor seinem Stuhl hockt.
 

„Sei so gut und geh mit Logan, in Ordnung?“ „Jawohl, Sir.“, erwidert der Junge unterwürfig. „Nenn mich doch bitte einfach nur Professor und du musst mich auch nicht siezen. Trotz meiner Position über euch, sind wir hier alle gleich.“ „In Ordnung...“, meint der Blauhäutige und wendet sich Wolverine zu. „Schlaf gut, Kurt.“ Der Angesprochene blickt sich noch einmal um. „Schaf – auch gut, Professor.“, ein verhaltenes Lächeln ziert sein Gesicht und dann verlassen die beiden das Zimmer.
 


 

7
 

Wieder auf dem Gang gibt Logan ein erschöpftes Seufzen von sich, geht aber nicht weiter auf das eben Geschehene ein. Stattdessen führt er den blauen Mutanten zu dessen Zimmer. Als er die Tür öffnen will, fällt ihm auf, dass ihre Ankunft hier wohl nicht ganz ungesehen geblieben ist, da nun in goldenen Buchstaben Kurts Name auf dem Holz steht. Allerdings ist keiner der anderen hier, um ihn womöglich zu begrüßen. Doch Wolverine kommt der Gedanke, dass Charles telepathisch einem von ihnen gesagt haben muss, was zu tun ist und dass sie sich aufgrund der Angst des Jungen erst einmal zurückhalten sollen. Eine ziemlich kluge Idee, wie der Jäger findet, da sonst insbesondere die Jüngeren unter ihnen sehr neugierig und aufgeregt sind, wenn ein neues Gesicht in ihren Reihen auftaucht, und diesen Trubel kann Nightcrawler im Moment so gar nicht gebrauchen. Es wird sicher noch hektisch genug zugehen, wenn sie morgen alle beim Frühstück auf ihn treffen.
 

Langsam tritt der Kanadier ins Zimmer hinein und schaltet die Deckenbeleuchtung ein, damit sich Kurt sein neues Reich betrachten kann, ohne irgendwie verschreckt zu werden. Vorsichtig linst der Junge dabei wie ein scheuer Welpe an ihm vorbei. „Hier wirst du ab sofort wohnen. Dein ganz eigenes Zimmer. Dir steht es frei, wie du es gestalten willst, also tobt dich aus, wenn du das Verlangen danach verspürst. Hauptsache du fühlst dich hier wohl.“, teilt der Ältere ihm mit und geht dann soweit ins Zimmer hinein, dass Kurt ihm folgen kann. Die gelben Augen des Jüngeren huschen dabei schnell durch den Raum und betrachten sich die noch etwas spärliche Einrichtung.
 

Der Tür gegenüber gibt es ein großes Fenster, unter dessen Sims ein Bett steht, dessen Breite sich zwischen einem Einzel- und einem Doppelbett bewegt, sodass man theoretisch auch zu zweit darin bequem schlafen könnte. Daher gibt es auch auf beiden Seiten einen kleinen Nachttisch. Zwar ist eine solche Zweisamkeit – insbesondere eine dauerhafte – nicht sonderlich gern von Charles gesehen, da es möglicherweise zu Ablenkung und Vernachlässigung der täglichen Aufgaben führen könnte, dennoch ist sie auch nicht verboten, solange sich keiner der anderen davon gestört fühlt, oder gar Eifersucht ausbricht.
 

Unweit vom Bett, das bereits einladend bezogen ist und an dessen Fußende ein paar gefaltete Kleidungsstücke liegen, gibt es zudem eine brusthohe Kommode. Auf der rechten Seite des Raums steht ein kleiner Schreibtisch mit einem Stuhl davor und einem Papierkorb daneben, einem Brett an der Wand darüber und einem Bücherregal auf der Fensterseite. Bis auf die wichtigsten Dinge, wie ein paar Stiften, Papier und einer kleinen Leselampe, ist jedoch alles leer und wartet darauf mit den Besitztümern des neuen Zimmerbewohners gefüllt zu werden ganz schwach liegt noch der Duft frischer Farbe im Raum, wurde das Zimmer scheinbar vor Kurzem sogar gestrichen. Direkt links neben der Tür steht ein großer Spiegel und an der linken Wand befinden sich weitere zwei Türen. Eine ist massiv und führt ins Badzimmer, die andere besteht aus einzelnen, waagerechten Lamellen und gehört zu einem in die Wand eingelassenen Kleiderschrank.
 

Zielstrebig wendet sich Logan nun zum Bett und betrachtet die Kleidungsstücke. Da sind ein Schlafanzug, etwas Unterwäsche, ein Hemd und eine Hose, zudem Kurts erster X-Men-Anzug. Er muss noch etwas an Nightcrawlers speziellen Körperbau angepasst und nach Erforschung seiner Fähigkeiten modifiziert werden, aber fürs Erste wird er reichen. Später kann der Junge dann selbst bestimmen, wie das fertige Exemplar aussehen soll, damit er sich damit völlig frei bewegen und wohl fühlen kann, und er beim Kämpfen dadurch nicht behindert wird und er ihm im besten Fall sogar Schutz bietet.
 

Nachdem Logan ihm etwas über diesen Anzug erzählt hat, führt er den Elfen zum Badezimmer hinüber. Neugierig betrachtet der Blauhäutige das weißgeflieste Zimmer. Es hat eine gute Größe, sodass es für eine Person in jedem Fall völlig ausreichend. Es gibt ein Waschbecken, mit einem kleinen Medizinschrank darüber. Daneben befindet sich die Toilette und unweit davon ein kleines Fenster. Der hintere Teil des Raums wird völlig von einer ebenerdigen Dusche eingenommen. In einem schmalen Regal dem Waschbecken gegenüber befinden sich frische Handtücher und Waschlappen, in einen Korb daneben kommt dann die Schutzwäsche, und damit wäre das Bad auch schon komplett.
 

Geduldig erklärt Wolverine seinem Schützling wie all die Dinge in seinem neuen Reich funktionieren und wendet sich dann der Tür zu. „Soweit alles klar?“, hakt er noch einmal nach. Nightcrawler wirkt noch etwas verloren in dem für seine Verhältnisse doch ziemlich riesigen Zimmer, doch er nickt erleichtert über das alles. Prüfend betrachtet ihn der Kanadier einen Moment sehr eingehend, doch es scheint wirklich alles in Ordnung – zumindest so in Ordnung, wie es die Situation halt hergibt, doch das reicht für den Anfang.
 

„Gut. Du solltest jetzt schlafen gehen und dich gut ausruhen. Morgen wird ein sehr anstrengender Tag für dich. Du wirst von neuen Eindrücken und Leuten regelrecht erschlagen werden, aber das geht vorbei. Du wirst dich daran gewöhnen. Und wenn es sein muss, nehme ich dich auch den ganzen Tag an die Hand, doch schlussendlich musst du es allein hinbekommen. Aber alles nach der Reihe. Jetzt ist erst mal schlafen angesagt und das wirst du sicher ohne mich schaffen. Sollte dir dennoch unwohl sein, bin ich im Zimmer nebenan. Bevor ich nachher selbst schlafen gehe, sehe ich auch noch mal nach dir. Und jetzt marsch ab ins Bett mit dir!“, gibt ihm der Ältere zu verstehen.
 

„Okay. – Danke, Logan. Danke für alles!“, meint Kurt schließlich mit einem kleinen Lächeln. Es erhellt sein müdes Gesicht auf nahezu bezaubernde Weise, sodass der Jäger schlagartig all den Ärger vergisst, den er wegen ihm schon hatte. Unweigerlich muss er dabei an seine eigenen Kinder denken, die auf so grausame Weise vor Ewigkeiten aus seinem Leben gerissen wurden. Betrübt verdrängt er den Gedanken schnell wieder. Dafür wird ihm aber klar, wie schnell und heftig sein Herz beim Anblick des lächelnden Elfen zu schlagen begonnen hat. Eine seltsame Wärme breitet sich in seiner Brust aus, und da scheint er wieder zu sein, dieser Funke zwischen ihnen. Hart schluckt Logan und versucht das Gefühl zu verdrängen – es ist einfach noch viel zu früh dafür. Etwas angestrengt räuspert er sich daher. „Schon gut, du Elf. Kein Ding.“, meint er leicht verkrampft, auch wenn er das Wort nicht ganz verstanden hat, sich aber denken kann, was der Junge gemeint hat, und verlässt das Zimmer dann endgültig.
 

Vor der Tür bleibt er jedoch noch einen Moment stehen und schließt die Augen. Sein Herzschlag hat sich inzwischen zwar wieder beruhigt, aber die seltsame Wärme in seiner Brust ist geblieben. Überdeutlich wird ihm klar, dass er so ein intensives Gefühl schon lange nicht mehr empfunden hat. Das ein oder andere gab es seit seiner eigenen Ankunft hier durchaus, doch nicht mit einem Mann. Dennoch ist es bei weitem nicht das erste Mal, dass er sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlt – es war schlichtweg schon immer ein Bestandteil seines Lebens. Doch wenn er so auf die vielen Jahrzehnte seines Daseins zurückblickt, hatte er dennoch nie eine langfristige Beziehung mit einem Mann. Genau genommen hatte er nur ein einziges Mal überhaupt eine langanhaltende Partnerschaft und das war mit seiner ersten Ehefrau, mit der er auch seine beiden Kinder hatte. Doch genau wie sie, musste auch seine Frau grausam sterben...
 

Es hat sehr lange gedauert, dass zu überwinden und sein Herz einer anderen Person zu öffnen. Aber irgendwann war es soweit und er wollte erneut den Bund fürs Leben schließen. Allerdings starb auch sie, noch bevor die Hochzeit stattfinden konnte. Das hat ihm so zugesetzt, dass sein Herz regelrecht zu Eis wurde und er nur noch wild durch irgendwelche Betten hüpfen konnte, um überhaupt noch etwas außer Schmerz zu empfinden. Manchmal hielt es nur ein paar Stunden oder eine Nacht. Manchmal wenige Tage oder sogar einige Wochen. Letztendlich spürte er immer wieder den unüberwindbaren Drang in sich weiterzuziehen, um niemandem zu schaden. Der Tod folgt ihm schon seit Kindertagen überall hin und ist er es nicht selbst, der zumeist unabsichtlich jemanden tötet, der ihm etwas bedeutet, dann sind es andere, die hinter Wolverine her sind und dabei alles zerstören, was ihm lieb und teuer ist, nur um ihn zu brechen oder für ihre Zwecke zu missbrauchen.
 

Dennoch kommt er nicht umhin zu glauben, – oder sich aus tiefster Seele zu wünschen – dass es mit Kurt anders sein könnte. Dieses Gefühl in seinem Inneren ist zu stark, um nur eine schnelle Nummer zu sein. Außerdem sind sie hier verhältnismäßig sicher, sodass er sich so einem Gedanken durchaus hingeben könnte. In jedem Fall wird er alles versuchen, damit Nightcrawler so lange wie irgend möglich an seiner Seite bleiben kann, völlig egal auf welche Weise. Er wird ihn beschützen, wie er es bei seinen eigenen Kindern nicht konnte. Was sich daraus entwickeln könnte, ist ihm im Grunde einerlei, dass soll der Elf ganz allein entscheiden. Von wahrer Liebe will Logan sowieso nichts wissen, die hat ihm eh immer nur das Herz gebrochen...
 


 

8
 

Es ist weit nach Mitternacht, als sich Wolverine auf den inzwischen völlig stillen Flur der Manson begibt, um noch einmal nach Kurt zu sehen. Allerdings kommt er nur bis zur Tür des Jungen, dann fällt ihm erneut dieses starke Gefühl von vorhin wieder ein, das er dachte nun endlich abgeschaltet zu haben. Doch alles Bier der Welt wird es wohl nicht ersäufen können, solange sein Heilfaktor ihm ständig einen Strich durch die Rechnung macht und er sich keinem vorrübergehenden Blackout hingeben und vergessen kann. Ein verstimmtes Seufzen verlässt seine Lippen und er ärgert sich ein ums andere Mal über diesen Mist, der sein Leben so nachhaltig bestimmt und ihn einfach nicht gehen lässt, obwohl er schon tausende Tode gestoben sein müsste.
 

„Reiß dich zusammen, alter Junge! Du hast jetzt eine Aufgabe und du musst sie gutmachen, sonst wird der Elf schneller über den Jordan gehen, als du ein Sixpack leermachen kannst. Und das würdest du einfach nicht mehr verkraften – nicht schon wieder...“, harscht er sich selbst mit einem unterdrückten Knurren kann und tritt dann ganz leise ins Zimmer hinein.
 

Der Raum liegt in wohlige Dunkelheit gehüllt da. Eine schmale Mondsichel stiert zum Fenster hinein und erhellt das Bett in einem winzigen Streifen Zwielicht, kommt aber kaum nennenswert darüber hinaus. Es reicht aber in jedem Fall aus, um dem Jäger zu zeigen, dass das Bett leer ist. Noch mehr, es zeigt ihm, dass Kurt gar nicht erst ins Bett gegangen ist! Es ist genauso unberührt, wie zum Zeitpunkt, als Logan vorhin das Zimmer verlassen hat. Der Schlafanzug fehlt jedoch. Leicht suchend blickt sich der Kanadier um.
 

Die Tür zum Bad steht halb offen, das Licht ist aber aus und er kann von dort auch keinerlei Geräusche wahrnehmen. Dennoch spürt er deutlich, dass der Junge noch hier ist. Für einen Moment schließt Wolverine daher die Augen und konzentriert all seine Sinne darauf. Sein animalisches Gehör und seine übersensible Nase verraten ihm schließlich, wo sich der Elf verkrochen hat. Leise kann er den Bengel atmen hören und einen letzten Hauch Schwefel und Furcht an ihm riechen. Er schläft eindeutig, auch wenn es ein unruhiger Schlaf zu sein scheint. Nur allzu verständlich, wie der Jäger findet. Nach all den Erlebnissen der vergangenen zwei Tage – oder eher der Erlebnisse seines ganzen Lebens nach – ist es kein Wunder, wenn er da unruhig schläft, um das alles zu verarbeiten. Und da ist es auch nicht so verwunderlich, dass sich der Blauhäutige verkriecht, statt womöglich völlig schutzlos im Bett zu liegen.
 

Vorsichtig nähert sich Logan nun dem Kleiderschrank und öffnet die Tür. Würde Kurt nicht den hellblauen Schlafanzug tragen, könnte der Kanadier ihn im Dunkeln gar nicht sehen, so sehr verschmilzt sein Körper mit der Umgebung. So sieht er aber immerhin den helleren Klecks, der seine schmächtige Statur umhüllt. Nightcrawler hat sich in der hintersten Ecke des Schranks wie eine Katze zusammengerollt, dabei sogar den langen Schweif um sich geschlungen. Mittleidig betrachtet der Ältere ihn einen Moment, dann tritt er langsam in den Schrank hinein und nimmt ihn geschickt auf die Arme, ohne ihn dabei zu wecken. Behutsam trägt er ihn zu Bett hinüber und legt ihn hinein. Nachdem er die Decke über ihm ausgebreitet hat, streicht er ihm ein paar verirrte Strähnen aus dem Gesicht. Unweigerlich stellt sich dabei der Funken wieder ein und Logan zieht fast schon erschrocken die Hand zurück, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen.
 

Heftig beißt er sich auf die Unterlippe und verflucht sich – und auch ein ganz kleines bisschen Kurt – für diese lästige Empfindung. Nachdenklich betrachtet er den Jungen in dem schmalen Streifen Mondlicht und fragt sich dabei, wie lange er dem wirklich standhalten kann, ehe er etwas tun wird, das er wirklich bereuen könnte. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, erhebt er sich wieder, verlässt das Zimmer und geht in sein eigenes Bett, doch Schlaf findet er in dieser Nacht keinen mehr...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Du Gott des Aufbruchs, es ist schwer, Vertrauen in einen Weg zu setzen, den ich nicht genau sehe, auch wenn ich glaube, deine Stimme zu hören. Jetzt liegt das Alte hinter mir. Schenk mir Vertrauen in dich.
(Markus 1,40-45)

Dir sei, oh Gott, für Speis und Trank, für alles Gute Lob und Dank. Du gabst, du willst auch künftig geben. Dich preise unser ganzes Leben. Amen.
(Gotteslob Nr. 17/4)

Jesus Christus spricht: Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir.
(Johannes 10, 27) Komplett anzeigen

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