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Trink das Leben in vollen Zügen

von

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Die Wahrscheinlichkeit der Virusgrippe

Jako saß verwirrt und mit klopfendem Herzen im Zug.

Er hoffte, dass Marti noch kommen würde, immerhin wäre das ja nicht das erste mal, dass der andere so knapp zum Zuge gekommen wäre, dass er nur noch schnell rein springen und dann durch den Zug zu seinem Platz laufen musste.

Jedes Mal, wenn eine der Türen zu ihrem Wagen sich öffnete, was ja mit ziemlich lauten Geräuschen verbunden war, schaute er auf in der Hoffnung, das fröhliche Lächeln und die blitzenden blauen Augen des anderen zu sehen. Doch vergeblich.

Und als der Zug nun schon eine halbe Stunde unterwegs war, musste Jako sich also der Tatsache stellen, dass Marti heute nicht mehr kommen würde.
 

Was zum Teufel war los?

War dem anderen einfach etwas dazwischen gekommen?

Wäre schon möglich, und auf Grund der Tatsache, dass sie weder Namen noch Telefonnummern ausgetauscht hatten, hätte Marti keine Möglichkeit gehabt, ihn zu informieren.

Verdammt.
 

Jako starrte auf Martis Ticket, das er zusammen mit seinem eigenen in der Hand hielt. Was sollte er damit nun machen? Könnte man so was umtauschen? Na ja, was würde er schon noch rausfinden ... Mann Joiko, dachte er, das ist doch im Moment echt nicht dein größtes Problem ...

Was sollte er jetzt tun?

Was konnte er jetzt tun?

Nun, eigentlich ... nichts.
 

Als der Zug in Braunschweig einfuhr, waren zehn Minuten Zeit, bis er weiterfahren würde. Jako sprang auf den Bahnsteig und hielt Ausschau nach Martis Schwester. Es war zwar reichlich unwahrscheinlich, sie hier zu vermuten, wenn Marti doch nicht im Zug war, aber er wollte das nicht unversucht lassen.

Er spähte in beide Richtungen, scannte den Bahnsteig, bis der Zug abgepfiffen wurde und er schnell in den Wagen zurück musste.

Martis Schwester war nirgends zu sehen.
 

Den Rest der Fahrt über war Jako unruhig und hing seinen Gedanken nach. Nicht mal Musik hören konnte er. Er war zu in sich gekehrt und versuchte, zu verstehen, was hier passierte.

Er vermisste Martis Lächeln.

Er vermisste ihre Gespräche.

Er vermisste ... einfach Marti.
 

Irgendwann kam er zu dem Schluss, dass Marti wohl aus irgendeinem Grund an diesem Wochenende nicht nach Salzgitter fahren konnte, und keine Möglichkeit gehabt hätte, ihn zu informieren.

Vielleicht war er auch einfach krank? Erkältungsviren lagen in der Luft, beinahe jeder war am Husten und Schnauben ... Und mit Fieber konnte man ja wohl schlecht verreisen.

In zwei Wochen würde er wieder gesund sein und wieder mit Jako gemeinsam fahren.

Dann würde alles wieder in Ordnung kommen.

Sein Herz war mit diesem Gedanken einigermaßen beruhigt, sein sein Kopf auch, nur sein Bauchgefühl traute dem Frieden nicht ... aber er beschloss, das einfach zu ignorieren und sich auf die nächste Fahrt mit Marti zu freuen.

Er würde wieder das Ticket für ihn besorgen. Er würde am Bahnsteig warten, mit Tee. Marti würde auftauchen, entschuldigend lächeln und alles erklären.

Und dann wäre alles gut.

Ja, so würde es sein.
 

So war es natürlich nicht.

Es wurde nicht alles gut.

Als Jako das nächste Mal auf dem Bahnsteig wartete, wartete er wieder umsonst.

Er hoffte bis zur Abfahrt des Zuges.

Er hoffte darüber hinaus.

Doch er hoffte umsonst.
 

Eine letzte Fahrt, ganz kurz vor Weihnachten.

Wieder stand er klopfenden Herzens am Bahnsteig.

Das wäre die letzte Fahrt für dieses Jahr. Er würde über die Feiertage bei den Eltern bleiben und erst Anfang Januar zurückkehren.

Er hoffte so sehr, Marti noch einmal zu sehen. Vielleicht hatte den ja eine echte Virusgrippe erwischt, da dauerte es eben länger bis er wieder auf die Beine kam ...

Wenn das so wäre, dann würde Marti heute sicher kommen. Ganz sicher.
 

Marti kam nicht.
 

Die Tage bei den Eltern waren schön. Mutter Joiko verwöhnte ihren Sohn von Herzen und freute sich, ein paar ruhige Tage als Familie verbringen zu dürfen.

Jako jedoch war nicht ganz bei der Sache.

Ach wenn er das Zusammensein mit Mutter und Vater schätzte, musste er doch ständig an Marti denken. Seine Gedanken kreisten um die Frage, was geschehen sein könnte, und kamen doch zu keinem Schluss.

Wie sollten sie auch, da er doch nichts wirkliches wusste.

Und vielleicht... der Gedanke begann, sich an ihn heranzuschleichen und schmerzhaft zu ziepen...

vielleicht hatte er Marti auch zu offenkundig bewundert, und der hatte diese Art Aufmerksamkeit nicht gemocht ... Vielleicht war ihm das zu viel geworden, und er hatte beschlossen, die gemeinsamen Fahrten zu beenden? Und nahm schlicht einen anderen Zug?
 

Jako hatte zwar keinerlei Anzeichen dafür festgestellt. Aber er war nun mal verliebt bis über beide Ohren, und möglicherweise hatte die sprichwörtliche rosarote Brille ihn daran gehindert, die Wahrheit zu sehen.
 

Es tat weh, diesen Gedanken zuzulassen, aber je mehr er sich damit beschäftigte, desto mehr begann er, daran zu glauben.

Er beschloss, mit seinem besten Freund Felix darüber zu reden, wenn er zurück in Berlin war.

Felix hatte er zwar von seiner Reisebekanntschaft berichtet, aber dass er sich verliebt hatte, hatte er ihm bislang verschwiegen.

Felix würde sicher Rat wissen.

Felix wusste immer Rat.
 

Und der Gedanke an Felix ließ ihn etwas ruhiger werden.

Und so gelang es ihm, trotz allem, die Tage bei den Eltern doch noch zu genießen.



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