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Wetterkapriolen

von

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Frost - Mystischer Morgen

„Steh‘ endlich auf!“

Mit einem kräftigen Ruck ziehe ich die Decke weg. Zum Vorschein kommt mein verschlafener Sohn, der mich mürrisch anblinzelt.

„Gleich“, nuschelt er und reibt sich die Augen.

„Nein! Jetzt!“

Tatsächlich stehe ich bereits zum fünften Mal hier – innerhalb von 30 Minuten. Die Uhr rennt gnadenlos und zeigt bereits 6:10 Uhr. Wir müssen endlich los. Normalerweise hätten wir noch zehn Minuten, aber die Nacht war kalt und ein Blick aus dem Fenster hat mir bereits verraten, dass scheibenkratzen angesagt ist.

„Los!“, fauche ich und Sohnemann setzt sich endlich auf. Ich gehe zurück ins Wohnzimmer und lege (die nette Umschreibung für: Ich schmeiße genervt) seine Klamotten auf die Couch.

Junior geht auf Toilette und kommt dann angetrabt. Tja, heute halt Schnelldurchlauf; nur Katzenwäsche, kein Frühstück – selber Schuld, so einfach ist das.

Kind zieht sich nicht ganz selbstständig an. Manchmal vermute ich ja, dass er extra so spät aus dem Bett kommt, weil er weiß, dass ich ihm dann beim Umziehen helfe.

Jacke, Mütze, Handschuhe – Schulranzen und mein Körbchen, auf geht’s. Schuhe vor der Tür angezogen, Wohnung abgeschlossen und ab die Treppe hinunter. Haben wir auch alles? Ich bin mir unsicher.

Es geht zur Haustür hinaus. Dunkelheit und Kälte schlagen uns entgegen – was für ein wunderbarer Montagmorgen.

„Woah ist das kalt.“ Junior bleibt unvermittelt stehen und ichbrenne ihn fast über den Haufen.

Ja, es ist kalt; stell‘ dir vor, es ist fast Winter. Also manchmal … „Ja, deswegen solltest du dich beeilen.“ Was ich dir auch gesagt hatte – mehrfach. Ach, vergiss es einfach.

Wir kommen am Auto an, alle Scheiben hübsch milchig-weis – toll.

Ich starte den Motor, schalte die Klima an und drehe die Lüftung hoch. Mir egal, dass man das nicht soll. Ehrlich, ich frage mich wie Andere das machen; wenn ich die Scheiben freikratze, ohne das die Lüftung bereits läuft, beschlägt die Frontscheibe sofort, wenn ich das Auto starte und losfahre.

Motor läuft, Ranzen und Körbchen landen im Kofferraum, Eiskratzer eins und zwei werden heraus geholt und das fröhliche Kratzen geht los.

Sohnemann macht sein Fenster auf der Beifahrerseite hinten, ich das Gegenüberliegende; was mich als Fahrer eigentlich so gar nicht interessiert. Warum? Weil das Kind sich sonst beschwert, dass es auf der Seite nicht nach draußen schauen kann – auf dem Weg zum Hort – die unfassbar langen vier Minuten; so viel dazu.

Fertig.

Ritze ratze. Seitenscheibe Fahrer – Kind ist immer noch mit seiner beschäftigt.

Fertig.

Frontscheibe, die mal wieder mehr als bescheiden geht. Ritze ratze. Ich wechsle die Seite. Ritze ratze. Kind ist übrigens immer noch … egal.

Fertig.

Seitenscheibe Beifahrerseite. Ritze ratze.

Fertig.

„Ich mach den Rest.“

„Nein.“

Ich brodle, was wohlige Wärme auf meinen Wangen verursacht, nicht unbedingt etwas Schlechtes, bei -2°. Ritze ratze. Die halbe Scheibe geschafft.

„Ich helfe …“

„Nein.“

Ritze ratze. Koch und Brodel. Ritze ratze. Koch und Brodel.

„Fertig.“ Sohnemann strahlt und atme tief durch.

Ab ins Auto und los – im halben Blindflug, weil die Frontscheibe immer noch zur Hälfte beschlagen ist. Wie gesagt, ich frage mich wie Andere …

Am Hort angekommen steigen wir aus. Ranzen aus dem Kofferraum geholt und los. Die Uhr scheint es heute aber auch besonders eilig zu haben.

„Woah! Schau mal, Mama! Wie das glitzert!“

Mein Kind steht völlig fasziniert vor der Wiese, die neben dem Weg ist. Die Straßenlaterne beleuchtet den kleinen Grünstreifen und lässt die Eiskristalle funkeln.

Einen Moment stehen wir da, Kälte und morgendlichen Stress vergessend, und betrachten das Glitzern und Funkeln des Frosts. Kleine Diamanten die im warmen Licht um die Wette scheinen und der Dunkelheit des Morgens etwas Magisches verleihen. Ja, ich muss gestehen, es sieht wirklich toll aus.

„Morgen.“

Erschrocken zucke ich zusammen. Ein Vater, der sein Kind in die Kita bringt, reißt meinen Sohn und mich aus unserer Faszination.

„Morgen“, grüße ich zurück. Noch einmal sehe ich mir die glitzernde Wiese an. „Wir müssen“, flüstre ich, nehme meinen Sohn an die Hand und setze mich in Bewegung.



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