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Spiel ohne Limit

von

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Special Chapter: Mokuba Kaiba

Sein Herz überschlug sich, er rannte und rannte, dass seine Lungen kaum hinterherkamen. Der Hals fühlte sich rau und kratzig an, als er durch den Hinterausgang flüchtete und schnurgerade weiter lief. Er erinnerte sich nicht, wann er jemals so schnell gewesen war. Als Kind war er gerne über den Spielplatz getobt, aber Seto hatte nie Gefallen an derartigen Aktivitäten gefunden, dass es Mokuba irgendwann hatte sein lassen. Seitdem war er nie wirklich sportlich aktiv gewesen. Für Sport fehlte ihm die Zeit, und wenn er ehrlich war, auch das Interesse. Da verbrachte er die wenigen freien Minuten doch lieber damit, seine Kopfhörer voll aufzudrehen und sich Hard Rock und Full Metal reinzuziehen - das sorgte wenigstens für keine Schweißperlen und hielt nervige Fans und Mitarbeiter vom Leib.

Jetzt gerade wünschte Mokuba, er wäre etwas fitter. Seine Beine schmerzten, die Waden fühlten sich weich und wabbelig an, und seine Arme schienen eher gegen als für ihn zu arbeiten. Mit dem Auto wäre es deutlich schneller gegangen, aber einen Wagen durch Kaibaland zu fahren, wäre einfach sinnlos. Das begriff er, noch bevor er das Stadion verlassen hatte.

Die Insel war voll, die letzte Fähre war neunzehn Uhr eingelaufen, danach hatte es ein Einreiseverbot gegeben - wegen »Überschreitung der maximalen Besucherzahl.« Noch nie hatte es einen vergleichbaren Ansturm auf Kaibaland gegeben, die Leute waren wie irre, wie sie zu Tausenden vor den Leinwänden standen, mitfieberten, als wäre es bereits das Finale des Worldcups. Gut, Seto hatte natürlich alles in die Wege geleitet, dass entsprechender Hype vorhanden war. Wann hatte sein großer Bruder schon einmal die Gelegenheit, zwei seiner Duellanten in der letzten Liveshow präsentieren zu können? Newcomer gegen langjährigen Profi - das Land war im >Duellwahnsinn<. Also hatte Seto für die nötige Publicity gesorgt, welche mehr als gut angeschlagen hatte. Die Ticketnachfrage war gewaltig gewesen, selbst die Themenparks waren ausverkauft; Restaurants und Kneipen der Kaiba Corporation konnten sich vor Kundschaft kaum retten und sogar das Café auf der gegenüberliegenden Seite des Firmengebäudes war für den heutigen Abend noch auf den letzten Drücker hergerichtet worden. Gerade verfluchte er den Andrang, die Menschenmassen, durch die er sich kaum durchzwängen konnte. Das einzige, was ihn ermutigte, war das Ziel. Lumina befand sich nur einige hundert Meter hinter dem Stadion. Es gab mehrere Public Viewing- Stationen, einige Verkaufsstände mit Duellanten-Merch und ein überdimensionales Glücksrad. Als er den roten kleinen Punkt auf der Map einordnen konnte, war er erleichtert gewesen. Rins beste Freundin war hier, ganz nahe, an einem der sechs aufgestellten Leinwände des Freizeitparks. Warum sie nicht gleich mit ins Stadion gekommen war, wusste der Schwarzhaarige nicht. Rin hatte ziemlich herum gedruckst, als Mokuba den Grund erfahren wollte. Lumina wäre zu beschäftigt wegen des baldigen Auslandssemesters und so weiter und so fort. Mokuba witterte eine unschöne Wahrheit hinter den Ausreden, hatte aber nicht weiter darin herumstochern wollen. Schon in jungen Jahren war der junge Kaiba darauf trainiert, gewissen Tabuthemen aus dem Weg zu gehen, und wenn Rin nur ein wenig wie sein großer Bruder war, würde sie bei einem Versuch der Konfrontation völlig abblocken. Alles, was Mokuba blieb, war das Vertrauen in ihre Freundschaft zu setzen. Egal, was die beiden Frauen zurzeit beschäftigte, wenn eine von ihnen in der Klemme steckte, würde die andere ihrer Freundin zur Seite stehen.
 

Mokuba nahm das Tempo herunter, seine Atmung ging flach, er war versucht zu husten, aber die Aufregung zwang ihn, sich zusammen zu reißen. Kurz beugte er sich nach vorne, legte die Hände auf die Knie und gönnte sich ein, zwei Atemzüge. Das sollte genügen. Die Jubelrufe und Anfeuerungen der Fans schnürten ihm die Kehle zu.

"Das kannst du knicken. Rin Yamamori wird niemals gegen Drachenzerstörer-Schwertkämpfer ankommen."

"Vielleicht blufft sie nur."

"Ich glaube nicht, dass sie das packt. Ein Anfänger in den Finalen Spielen…?"

"Und wenn sie wieder ein Ass im Ärmel hat?"

"Sowas wie Obelisk?"

"Wie cool wär' das denn?"

"Obelisk ist viel zu wertvoll. Nur Kaiba und Marik besitzen dieses Göttermonster…"

Die Stimmen überschlugen sich in seinem Kopf. Schnell erinnerte er sich, weshalb er hier war.

Er zückte das Smartphone seines Bruders, ein Zweittelefon wohl gemerkt, das er öfter für nicht ganz so saubere Geschäfte verwendete. Laut der Daten war Lumina Phoenix ganz in der Nähe.

Nicht weit von ihm erstreckte sich die Leinwand. Das Spiel war im vollen Gange, das Zittern um Mokubas Favoritin ging in die heiße Endphase.

"Halt noch etwa durch", flüsterte der Jüngere und hielt Ausschau nach einem schwarzhaarigen kleinen Wuschel. Mokuba seufzte. Lumina unter den Massen zu finden, würde eine Menge Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, die er nicht hatte! Leichte Panik überkam ihn. Was wenn er Lumina nicht rechtzeitig fand, wenn Rin vorher die Verteidigung ausging oder - noch viel schlimmer - einfach resignierte?

Er schüttelte den Kopf. Ihm blieb nichts weiter als die Hoffnung, und wenn er seinen Grips ein wenig anstrengte, würde ihm schon noch eine Lösung einfallen. Vielleicht hatte das Sicherheitspersonal etwas gesehen? Mehrere schwarz gekleidete Männer waren auf der gesamten Insel stationiert. Ausgebildete Bodyguards und ausgezeichnete Wachleute - Seto begnügte sich nie mit Mittelmaß! Doch die Security waren auf Dartz und dessen Handlanger angesetzt worden. Eine junge, unscheinbare Frau würden die Männer nie beachten. Mokuba seufzte. Irgendetwas musste man doch tun können. Sogar jemand so schüchternes wie Lumina sollte zu finden sein… Moment. Der Schwarzhaarige hielt inne. Was hatte ihm Rin über ihre beste Freundin erzählt? Er sammelte die Fakten zusammen: Zum einen war Lumina schüchtern, sie liebte Hexer-Monster und hasste größere Menschenmassen. Der Jüngere der Kaiba Brüder drehte den Kopf von links nach rechts. Unwahrscheinlich, dass Lumina inmitten des Trubels steckte. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass sie einen ruhigeren Ort bevorzugte. Auf Kaibaland ein Ding des Unmöglichen, aber wenn Lumina hier war - und laut ihres Smartphones war sie das auch -, dann war es das Sinnvollste, im Außenbereich nachzusehen. Mit neuem Elan quetschte sich der Schwarzhaarige an Dutzenden DuelMonsters-Fans vorbei, denen es gar nicht auffiel, dass Mokuba Kaiba unter ihnen war. Die Luft, die er einatmete, als die Mengen sich langsam auflösten, war wohltuend. Ohne eine Verschnaufpause einzulegen, rannte er weiter. Immer mehr am Rand entlang, wo einzelne am Rauchen oder Kartentauschen waren. Langsam kehrte die Erschöpfung zurück, jetzt taten auch noch die Oberschenkel weh und die flachen Atemzügen waren zu einem tiefen schweren Keuchen geworden. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Den Kragen seines Hemdes hochgezogen, setzte er die Suche fort. Eine Träne rann das linke Auge hinab. Der Wind war beißend und die Scheinwerfer, welche die Insel erleuchteten, brannten ihm in den Augen. Er wischte sich den Tropfen von der Wange und hielt augenblicklich inne.

Was er beim Anblick der schwarzhaarigen Frau empfand, konnte er in dem Moment nicht sagen. Sein Herz pumpte so heftig das Blut in seine Adern, dass er meinte, seinen eigenen Puls zu hören. Ganz gleich wie viele Menschen um ihn herum versammelt waren, wie sie schrien und jubelten, kreischten und einander anlachten - sobald Luminas Haarschopf vor seinem Sichtfeld auftauchte, war seine Umgebung wie leergefegt.

"Lumina!" Allmählich kehrte die Gegenwart zurück. Mokuba schrie gegen die Menschenmassen, und tatsächlich, nach dem zweiten Anlauf, drehte sich die Frau um. Ihr Blick erstarrte, sie erkannte den Kleineren sofort, steckte die Hände in die Jackentasche und wandte sich zum Gehen ab.

"Halt! Warte", Verwundung und Panik packten den jungen Kaiba, er erreichte Lumina, noch bevor diese die Flucht ergreifen konnte, fasste sie am Ärmel und zwang sie zum Stehenbleiben.

"Ich kann jetzt nicht", nuschelte Lumina und drehte das Gesicht von ihrem Gegenüber weg. Sie wirkte zerknirscht und ein wenig angesäuert, aber vor allem entdeckte Mokuba Unsicherheit.

"Bitte", keuchte Mokuba, "ich habe nach dir gesucht."

"Warum?"

"Warum?!", Mokuba konnte nicht anders als entsetzt zu klingen. "Rin braucht dich. Ich bin hier, um dich abzuholen. Wenn sie dich sieht, dann-"

"Nein", kam es wie aus der Pistole geschossen.

"Ich", Mokuba wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte nicht mit Gegenwehr gerechnet. "Das kannst du doch nicht sagen." Mokuba wusste, dass er wie ein kleiner naiver Junge klang, aber gerade verstand er die Welt nicht mehr.

"Es ist besser so", entgegnete Lumina und kaute auf ihrer Unterlippe herum.

"Besser?" Er wusste, dass er sich wie ein Papagei aufführte. Luminas Worte versetzten ihm einen unbekannten Stich. "Siehst du denn nicht, dass Rin völlig fertig ist? Sie braucht dich, Lumina! Sie braucht deine Unterstützung, sonst wird sie vermutlich verlieren."

Kurz wanderten ihre Seelenspiegel zu der Leinwand hinauf. Dann schüttelte sie mit zusammengekniffenen Augen den Kopf. "Vielleicht ist es besser so. Vielleicht braucht sie genau das - eine Niederlage."

"Wofür?", Mokuba riss die Augen auf, "denkst du, eine Niederlage gegen den da", er zeigte auf Yoshi, diesem breit grinsenden Obermacker, "glaubst du, eine Niederlage gegen ihn wird irgendwas besser machen?" Jetzt war es Mokuba, der mit dem Kopf schüttelte. "Keine Ahnung, was mit euch beiden los ist, aber du kannst mir nicht sagen, dass du willst, dass sie verliert."

Schweigen. Sie meinte es anscheinend ernst und Mokuba gingen die Argumente aus. Sein Herzschlag, der sich nur kurz erholt hatte, schnellte wieder nach oben. Er sah zu Rin, deren letzte Fallenkarte für einen knappen Konter gesorgt hatte. Viel war von ihrer Verteidigung nicht übrig geblieben, selbst ohne Reese, die Rin irgendwie losgeworden sein musste, stand es nicht gut für sie.

"Ich will", sagte auf einmal Lumina und brachte den jungen Kaiba dazu, zu ihr herunter zu sehen, "ich will, dass es aufhört, okay?"

"Das Duell?", fragte Mokuba, sichtlich verwirrt.

"Das alles", ihr Blick wechselte von verzweifelt zu stinksauer. "Ich-", sie ging einen Schritt zurück, brachte Abstand zwischen sich und Mokuba, dass der Jüngere nicht ausschloss, dass sie bei nächster Gelegenheit wegrennen würde. Doch Lumina blieb stehen. "Ich kann das einfach nicht", sie deutete nach oben, auf den Bildschirm, "ich weiß, dass sie ihr Leben riskiert. Dass ihr wehgetan wird…und weißt du, was das Schlimmste ist? Dass Rin genau weiß, was sie tut. Sie begibt sich freiwillig in Gefahr. Und wofür? Für ein Kartenspiel! Du kannst mir doch nicht weismachen, dass es das Wert ist." Die Worte waren nur so aus ihr herausgesprudelt, nun wirkte Lumina wie ein ausgedörrter Fluss.

"Du hast Angst", sagte Mokuba schließlich, "denkst du, die habe ich nicht?" Er zeigte auf sich, auch in dem Jüngeren stieg die Wut auf.

"Aber sie ist meine Freundin! Sie…"

"Genau deswegen darfst du dich nicht von ihr abwenden", Mokuba wagte es, einen Schritt nach vorne zu machen. Lumina wich nicht zurück.

"Wenn sie meint, dass es besser für sie wäre, dieses kranke Spiel bis zum Ende durchzuziehen, dann kann ich nicht an ihrer Seite bleiben. Das ist zu viel für mich. Wenn ich Rin verliere…Hast du eine Ahnung, wie es sich anfühlt, hilflos zusehen zu müssen, wie jemand, den man liebt, sich in Gefahr begibt und man nichts unternehmen kann?"

"Ja", entgegnete Mokuba und ließ die Schultern hängen, "ich kenne dieses Gefühl sehr gut." Lumina verstummte, ihr Blick ging ins Leere. Die Hand an die Brust gedrückt versuchte sich der Schwarzhaarige zu sammeln. Sich gerade jetzt zu öffnen, würde sein großer Bruder wohl nicht begrüßen, aber es war nötig. Für Rin, und ein klein wenig auch für sich selbst. "Genau deswegen darfst du Rin jetzt nicht im Stich lassen. Ich weiß, was du durchmachst. Ich hatte die letzten zehn Jahre Angst. Das hört nicht auf, es wird niemals aufhören. Das ist DuelMonsters, das ist…", er schüttelte seine Mähne, "ich habe gesehen, was das Spiel mit einem macht. Ich habe gesehen, wie es zerstört, in den Wahnsinn treibt…aber es führt die Menschen auch zusammen. Gibt ihnen Hoffnung, lässt sie ihre Träume leben."

Lumina schnaubte. "Das dachte ich auch."

"Es ist wahr!", drängte der Jüngere, "aber wenn du dich dafür entscheidest, Rin aufzugeben, wirst du sie verlieren. Und nicht nur das; sie wird sich selbst verlieren."

Der Wind blies wie ein Wahnsinniger über die Insel, "ich weiß das, weil ich diesen Fehler schon einmal gemachte habe. Ich habe meinen Bruder an dieses Spiel verloren und dann…", er merkte nicht, wie er aufgehört hatte zu atmen, "dann fiel er ins Koma…nur weil ich nicht für ihn da gewesen bin. Weil ich zugelassen habe, dass er sich zurückzieht.

Es ist die Wahrheit, DuelMonsters bringt die Menschen zusammen, aber wer alleine kämpft und dann verliert, wird nie wieder derselbe sein." Die braunen Seelenspiegel flackerten trüb, Mokubas Hände zitterten und er blickte flehend zu seinem Gegenüber. Lumina machte nicht die Anstalten zu antworten.

"Lumina, bitte", flehte der Jüngere. Wenn es etwas gebracht hätte, hätte er auch darum gebettelt, dass sie endlich mit ihm käme. "Wenn Rin gegen Yoshi verliert und du bist nicht da, die ihr zur Seite steht…ich weiß, dass du es willst. Du hast Rin noch nicht aufgegeben."

"Du weißt gar nichts", grummelte Lumina und zog sich wieder ein Stück zurück.

"Ich weiß, dass du hier bist. Du siehst dir das Spiel an. Vielleicht kannst du dir einreden, dass eure Freundschaft vorbei ist, aber dein Herz weiß es besser. Also bitte", er faltete die Hände, er legte alles in seinen Blick hinein.

Lumina biss die Zähne zusammen. "Es-", sie schüttelte den Kopf, "es tut mir leid."



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