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The fragrant Flower

von

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Vergissmeinnicht


 

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Die Gesichtszüge des Mannes vor ihm gehörten unverwechselbar zu Fenin, auch wenn sich sein Aussehen verändert hatte. An seinem Kopf befand sich ein Paar gewundener Widderhörner, seine Augen waren eindeutig rot und seine erhobene Hand war mit langen, spitzen Krallen gespickt. Milo war sich sicher, dass er diese Wurzel, die die Bärenbestie immer weiter umschlangen, steuerte. Und trotzdem schaute der Mann, nein, der Dämon sein Opfer nicht einmal an. Stattdessen lag sein ruhiger Blick auf Milo, als wäre nichts. Es wirkte beinahe arrogant, auch wenn Milo glaubte stattdessen etwas Erwartendes in seinem Blick zu erkennen. Für einige Sekunden, die dem Mann wie eine gefühlte Ewigkeit vorkamen, schauten sie sich einfach nur in die Augen. Langsam aber sicher begann der Zorn in Milo aufzusteigen. Er fühlte sich nicht nur hintergangen, sondern auch noch vorgeführt. Sie waren so lange zusammen unterwegs gewesen und er hatte nicht einmal geahnt, was der andere in Wirklichkeit war. Dieser hingegen wusste nur zu gut von seiner Abneigung gegenüber sämtlicher Monster und hatte sich vermutlich hinter seinem Rücken ins Fäustchen gelacht. Nach all diesen Jahren hatte er jemanden kennengelernt, mit dem er sich angefreundet hatte und mit dem er länger zusammen bleiben wollte. Nicht nur das, er hatte ihm tatsächlich vertraut. Milo spürte, wie sich seine Brust zusammenzog, während die Bestie ein letztes Knurren von sich gab.

Nur im Augenwinkel sah Milo, wie an den Wurzeln kleine Knospen sprießten und sich kurz darauf zu weinroten Blüten öffneten. Er war sich nicht sicher, was das sollte, aber es interessierte ihn auch nicht. Er hatte seinen Entschluss gefasst, noch ehe er selbst davon wusste. In einer schnellen Bewegung drehte er sich zur Seite, riss seinen Stab aus der toten Bestie und richtete ihn auf Fenin, der nicht einmal mit der Wimper zuckte. Vermutlich wussten sie beide nur zu gut, dass Milo gegen jemanden wie ihn keine Chance hatte.

„Milo.“ Fenins Stimme war sanft und ruhig wie immer, doch Milo glaubte ihm kein Wort mehr.

„Hat es dir Spaß gemacht, mich zu verarschen?“ Er war das komplette Gegenteil zu dem anderen. In seiner Stimme waren sowohl sein Zorn, als auch seine Enttäuschung zu hören. Etwas, was er diesen Dämon eigentlich nicht wissen lassen wollte.

„Das war nicht meine Absicht. Ich habe -“

„Und was dann? Was war deine Absicht?“ Warum sollte sich ein Dämon wie er, mit einem Menschen abgeben? Irgendetwas hatte er geplant. Und das war gewiss nichts Gutes.

„Habe ich dir jemals geschadet?“ Das stimmte natürlich. Gerade hatte er ihn wieder gerettet, wie damals schon vor dem Keiler. Doch das hatte nichts zu bedeuten.

„Noch nicht. Aber ich werde es auch nicht so weit kommen lassen.“ Milo dachte ernsthaft darüber nach, gegen Fenin zu kämpfen, auch wenn es sein sicherer Tod wäre. Zumindest müsste er dann nicht mehr mit dieser Scham leben, die sich gerade durch sein Herz fraß. Er schüttelte diesen lächerlichen Gedanken ab. „Ich bin ein Mann von Ehre und halte mein Wort. Du hast mich gerettet, weswegen ich dein Leben verschonen werde.“ Ihm war klar, wie hoch seine Worte gegriffen waren, doch nur so würde er seine folgende Flucht zumindest vor sich selbst rechtfertigen können.

„Wenn du es so willst.“ Fenin ging nicht nur nicht auf seine Worte ein, er wirkte auch überaus ruhig. Milo war außer sich. Er konnte es nicht fassen, dass es dem anderen so gleichgültig schien. Er hatte nie einem Dämon seines Niveaus kennen gelernt und konnte nicht sagen, ob ein solches Verhalten üblich war. Jedoch war er sich sicher, dass Fenin hinter dieser Fassade genauso düster und bösartig war, wie all die anderen Monster.

„Wenn wir uns noch einmal über den Weg laufen, dann werd ich dich töten.“ Mit diesen Worten drehte sich Milo um und ging, bevor ihn seine Gefühle doch noch übermannten. Er wollte sich vor dem anderen nicht noch mehr lächerlich machen. Während er davon eilte, bemerkte er nicht einmal die verwelkten Blütenblätter, die auf den steinigen Boden fielen.

Je weiter er lief, desto zittriger wurden seine Beine. Langsam aber sicher sickerte das Geschehene in Milos Verstand durch. Um ein Haar wäre er von einer Bestie getötet worden. Er war von Fenin gerettet worden, der in Wirklichkeit ein Dämon war. Fenin. Der Mann mit dem er die letzten Wochen verbracht hatte. In dessen Gegenwart er sich so wohl gefühlt hatte. Alleine bei dem Gedanken lief ihm ein Schauer über den Rücken. Wie hatte er sich nur derart täuschen können? Nein, er hatte sich nicht getäuscht, er war getäuscht worden! Verärgert trat er einen Stein weg, als endlich das Hirtenhaus in Sicht kam. Er machte eine kurze Pause, in der er sich zu beruhigen versuchte und ging dann weiter. Es war schon später, aber nicht so spät, dass er mit damit rechnete, die Bewohner anzutreffen, die sich tagsüber um das Vieh kümmerten. Er wusste selbst nicht so recht, warum er hierher zurückgekommen war. Er hätte einfach weiterziehen sollen. Andererseits wollte er die Nacht, die nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, nicht schutzlos in dem kalten Gebirge verbringen. Nachdem die Bärenbestie nun beseitigt war, würden diese Leute ihm gewiss noch eine Nacht in ihrem Stall gewähren.

Zu seiner Überraschung lief ihm aber die Frau des Hirten geradezu in die Arme. Sie trug einen großen Topf, in dem sich ganz offensichtlich frisch gekochtes Essen befand.

„Ach Ihr seid es.“ Ihr Blick huschte kurz über ihn, als sich ihre Augen weiteten. „Was ist passiert?“ Etwas irritiert schaute Milo sie an, während die Frau den Topf abstellte und ein schmutziges Tuch aus ihrer Schürze kramte. Bevor Milo widersprechen konnte, war sie an seine Seite getreten und presste es ihm auf den Hinterkopf, was überraschend schmerzhaft war. Nur mit Mühe konnte er ein Stöhnen unterdrücken.

Allem Anschein nach hatte er sich bei dem Kampf doch schlimmer verletzt als angenommen. Dass er es bei dem ganzen Adrenalin in seinem Körper nicht gespürt hatte, verwunderte den Mann nicht sonderlich. Allerdings erklärte es die immer stärker werdende Schwäche, die ihn den Berg herab begleitet hatte. In seinen Augen eine deutlich erträglichere Erklärung, als die, dass er einem richtigen Dämon begegnet war.

„Das ist nichts“, versuchte er es herunter zu spielen. „Ein Kampf gegen eine solche Bestie ist nicht so einfach.“ Erneut weiteten sich die Augen der Frau. Sie zog das Tuch zurück, dass bereits mit einer Unmenge an Blut getränkt war.

„Ihr habt sie besiegt?“ Sie klang nicht nur ungläubig, sondern auch hoffnungsvoll. Milo nickte kurz.

„Es tut mir leid, ich habe nicht den Kopf mitgebracht.“ Üblicherweise nahm er die gesamte Bestie oder zumindest einen Teil mit zurück zu seinen Auftraggebern, um auch beweisen zu können, dass er wirklich erfolgreich gewesen war. Dass er dieses Mal keinen Kopf dafür gehabt hatte, war verständlich.

„Das macht nichts, ich glaube Euch. Ich werde sofort meinen Mann holen, damit wir euch reich belohnen können.“ Ihre Dankbarkeit war nicht nur eindeutig in ihrer Stimme zu hören, sondern auch in ihrer gesamten Körpersprache zu lesen. Sie waren lange von dieser Bestie terrorisiert worden. Nachdem Milo ihr nun gegenübergestanden hatte, konnte er die Furcht umso besser verstehen.

„Das ist nicht nötig“, winkte er schnell ab. Er wollte nicht den Lohn für etwas ernten, was er selbst nicht getan hatte. Er hatte versagt, während Fenin die Bestie besiegt hatte. Ein Dämon, den er eigentlich genauso jagen sollte. Heute war ein erniedrigender Tag gewesen. „Ich würde lediglich gerne noch eine Nacht hierbleiben, damit ich morgen früh erholt weiterreisen kann.“ Die Frau musterte ihn kurz skeptisch, anscheinend überlegte sie nun doch kurz, ob sie seine Worte anzweifeln sollte.

„Erst einmal muss nun Eure Wunde versorgt werden.“ Milo wurde das Gefühl nicht los, dass dieses Gespräch noch nicht beendet war.
 

Am späten Abend lag er wieder in dem Stroh im Stall. Nicht nur war er geradezu genötigt worden, mit der Familie zu Abend zu essen, was zugegebenermaßen wirklich lecker und sättigend gewesen war, und sich eine Erklärung aus dem Ärmel zu schütteln, wohin sein Begleiter verschwunden war, auch hatte er eine ganze Weile gebraucht, das Ehepaar davon zu überzeugen, keinen Lohn zu wollen. Letztendlich wäre es vermutlich einfacher gewesen, es einfach anzunehmen. Doch sein Stolz hatte bereits genug Schaden genommen. Genervt rollte sich der Mann auf die andere Seite, in der Hoffnung diese ganzen Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Je eher er morgen früh aufstand, desto länger konnte er den Tag für seine Reise nutzen. Wohin Fenin nun gehen würde? Milo war sich ziemlich sicher, dass die Sache mit Trora nur eine Lüge gewesen war. Und selbst wenn nicht, dann könnte er bestens alleine dorthin finden. Eigentlich müsste Milo ihn hassen, nicht nur, weil er ihn belogen hatte, sondern vor allem, weil er ein Dämon war. Das war Grund genug. Aber immer wieder wenn seine Gedanken zu ihm schweiften, fühlte er sich in erster Linie niedergeschlagen. Er schob es auf seine Kopfverletzung und den Blutverlust. Sobald sich Milo davon erholt hatte, würde er sich sicher wieder normal fühlen. Mit diesem zuversichtlichen Gedanken drehte er sich wieder um und versuchte abermals sein Glück, einen erholsamen Schlaf zu finden.

Nach einigen Augenblicken stieg ihm ein vertrauter Geruch in die Nase. Irritiert blinzelte Milo in die Dunkelheit. Es dauerte einen weiteren Moment, ehe er begriff, dass es das Stroh war und wonach es roch. Letzte Nacht noch hatten Fenin und er hier zusammen geruht. Derart dicht beieinander, dass es dem Mann nun kalt den Rücken runterlief. Gleichzeitig fragte er sich, ob alle Dämonen einen derart intensiven, süßlichen Geruch hatten. Irgendwann vergrub Milo sein Gesicht in dem rauen Stroh und hoffte einfach nur noch, dass die Nacht schnell vorbeiging.
 

Am nächsten Morgen fühlte sich Milo wie gerädert, dennoch stand er früh auf. Er wollte nicht unnötig lange hier bleiben, alleine schon, weil ihn dieser Ort mit den Geschehnissen und dem Geruch wahnsinnig machte. Auch wenn er nicht wirklich gut geschlafen hatte, war Milo eigentlich davon ausgegangen, dass er sich nach etwas Schlaf gesammelt haben würde und eine angemessene Reaktion auf das Geschehene zeigen könnte. Stattdessen fühlte er sich aber immer noch wie benommen. Anstelle des erhofften Hasses, war er noch immer einfach nur niedergeschlagen und fühlte sich Verraten. Dass er sich diese Sache derart zu Herz nahm zeigte nur, wie sehr ihm der Kampf gestern zugesetzt hatte.

Bevor Milo seine Reise fortsetzen konnte, wurde er von einem der älteren Kinder der Familie aufgehalten, das ihm einen kleinen Beutel mit Dörrfleisch in die Hände drückte. Dieses Angebot schlug der Mann jedoch nicht aus, schließlich war Essen etwas, was er unterwegs gut gebrauchen konnte. Danach ließ er sich die Richtung zur nächsten Ortschaft deuten und machte sich auf den Weg.



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