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The fragrant Flower

von

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Chrysantheme


 

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Milo hatte in dieser Nacht keinen Schlaf mehr bekommen. Er war durch die Straßen der Stadt gelaufen, doch weder hatte er noch einmal etwas untypisches gehört, noch etwas beunruhigendes gesehen. Auch das eisige Gefühl, das ihm alleine bei dem Gedanken daran eine Gänsehaut beschaffte, war verschwunden gewesen. So kam es, dass Milo nun mitten am Tag ein Nickerchen hielt. Wenn das alles wirklich etwas mit der Sache im Wald zu tun hatte und ihm hier nicht nur ein übler Streich – ob nun von anderen oder doch nur von seinem eignen Kopf – gespielt wurde, dann würde die Tageszeit dieses Wesen kaum aufhalten. Schließlich war es im Wald auch hell gewesen. Trotzdem fühlte sich der Mann unter dem Licht der Sonne und mit dem regen Treiben der Leute um sich herum deutlich wohler. Und sollte etwas außergewöhnliches passieren, würden diese Menschen es mit Sicherheit auch sehen, oder?

Schließlich wachte Milo frierend auf. Auch wenn die Sonne schien, stand der Winter vor der Tür. Ein Nickerchen im Freien zu halten war da nicht die beste Idee. Es dauerte einen Moment, ehe er bemerkte, dass die Sonne gar nicht mehr schien. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass dies nur zum Teil die Ursache für die Kälte war. Es war nicht einfach nur dunkel geworden, er war von dichtem Nebel umhüllt. Von einer zur nächsten Sekunde schoss das Adrenalin durch seinen Körper. Er sprang auf und wollte nach seinem Stab greifen, aber er konnte ihn nirgendwo finden. Doch noch schlimmer als das, waren keine Geräusche neben seinem eigenen Atem zu hören. Der Nebel verschluckte alles. Milo hatte beinahe das Gefühl, dass er sich gar nicht mehr in der Stadt befand. Wie um sich zu versichern machte er ein paar Schritte zur Seite, wo sich ein Gebäude befinden sollte. Der Ort war leer. Irgendetwas stimmte hier nicht und Milo war sich sicher, dass es mit dem gespenstigen Nebel zusammenhing. Wie aber sollte er hier wegkommen? Und wie sollte er sich verteidigen ohne seine Waffe? Wie war er überhaupt in diese Situation gekommen und wo genau befand er sich? Einen kurzen Moment überlegte er, ob es sinnvoll war, nach einem Ausweg zu suchen, oder ob er lieber an Ort und Stelle bleiben sollte. Seine Sicht war gleich Null, so dass er sich schnell verletzen könnte.

Milo wurde die Entscheidung abgenommen, als er auf einmal ein dumpfes Geräusch hörte. Die Tatsache, dass es durch den beinahe greifbaren Nebel drang, musste bedeuteten, dass es bereits sehr nah war. Es klang wie ein Heulen, das dem Mann einen neuerlichen Schauer über den Rücken jagte. Ohne weiter darüber nachzudenken, setzte er sich in Bewegung. Was auch immer es war, er war sich sicher, dass es das war, was ihm aus dem Wald gefolgt war. Konnte es sich dabei möglicherweise doch um einen Geist handeln?

Erst hatte sich Milo langsam voran getastet. Doch schnell war ihm klar geworden, dass es hier wirklich keine Hindernisse gab. Schließlich hatte er zu rennen begonnen. So weit er aber auch lief, das Geräusch schien nur immer näher zu kommen. Es war beinahe so, als würde er auf der Stelle laufen. Vollkommen außer Atem blieb er letztendlich stehen und drehte sich in die Richtung, aus der er glaubte den Lärm zu hören. Er hatte eingesehen, dass er ihm nicht entkommen würde. Er würde diesen Ort nicht verlassen können. Er würde sich verdammt noch mal nicht einmal wehren können.

Bis aufs äußerste gespannt starrte er in den dichten Nebel vor sich, versuchte irgendetwas zu erkennen, während das Heulen immer lauter wurde und plötzlich aus allen Richtungen zu kommen schien. Der endlose grauweiße Dunst wurde plötzlich von einem bläulichen Licht durchbrochen, das Milos Befürchtungen nur bestätigte. Er kannte sich nicht mit Geistern aus, doch als er dieses formlose Licht sah, war es genau dieses Wort, das ihm durch den Kopf schoss. Ohne darüber nachzudenken, traf er eine Entscheidung und sprach das Wesen an.

„Es tut mir leid, ich wollte deine Ruhe nicht stören.“ Unerwarteterweise stoppte der unerträgliche Lärm endlich. Das Licht, welches sich nun deutlich von dem Nebel abhob, schwebte vor dem Mann, kam aber nicht weiter näher. Milo war sich nicht sicher gewesen, ob es in der Lage war, ihm zu antworten, weswegen er gar nicht erst die üblichen Fragen gestellt hatte. Nachdem es nun aber auf seine Stimme reagiert hatte, versuchte er doch sein Glück. „Was bist du? Wo sind wir hier?“ Er versuchte die Angst so gut es ging aus seiner Stimme zu verbannen. Wenn ihm in der jetzigen Situation etwas nichts brachte, dann war es Angst. Als ein wütendes Heulen zu hören war, konnte er jedoch nicht länger an sich halten. Wieder kam dieses Wesen auf ihn zu. Er schlug danach, doch seine Hand glitt widerstandslos durch das Licht. Augenblicklich breitete sich eisige Kälte in ihr aus, die keine Zweifel daran ließ, dass dieses Wesen nicht gutgesinnt war. Erneut begann Milo zu rennen. Er konnte nichts gegen diese Körperlose Gestalt ausrichten. Dem tauben Gefühl in seinem Arm nach zu urteilen beruhte dies aber nicht auf Gegenseitigkeit. Was blieb ihm anderes übrig als die Flucht? Möglicherweise hatte er es eben nicht lange genug probiert und er könnte doch von diesem Ort hier entkommen.

Mit dieser unrealistischen Hoffnung rannte der Mann so lange, bis er vollkommen außer Atem war. Die ganze Zeit über brauchte er sich nicht umzudrehen, um nach seinem Verfolger zu schauen. Das laute Heulen hatte keinen Augenblick lang an Intensität verloren und so verwunderte es ihn nun nicht, als er das Licht bei einem Blick nach hinten sah. Er konnte nur so weit vor ihm wegrennen, dass es ihn nicht erreichen konnte. Doch auf lange Sicht würde er dieses Spiel verlieren. Milo haderte mit sich selbst, einfach stehen zu bleiben. Wenn ihm weder Kampf noch Flucht gelangen, was blieb ihm da schon übrig? Falls es einen Weg gab gegen Geister vorzugehen, dann kannten ihn höchstens Magier oder andere unmenschliche Wesen.

Abrupt blieb Milo stehen und drehte sich um. In nur wenigen Sekunden war das Licht so nah gekommen, dass die eisige Kälte den Mann vollkommen einhüllte. Es fühlte sich so an, als würde er seine Energie verlieren und vermutlich war es auch genau das, was gerade geschah. Von den Gliedmaßen beginnend breitete sich die Kälte langsam zu seiner Körpermitte hin aus. Wie unsichtbare Geisterhände, die nach ihm griffen, um ihm seiner Lebensenergie zu berauben. Er spürte, wie er langsam benommen wurde.

Als der Lichtschein kurz davor war, Milo einzuhüllen, kam diesem ein gehauchtes Wort über die Lippen, welches auf einmal wie ein Geistesblitz, der sein Problem lösen würde, durch den Kopf schoss. „Fenin.“ Er konnte nicht einmal darüber nachdenken, wie lächerlich es war, dafür fehlte ihm bereits die Energie.

Das nächste, was er sah, war eine Flut aus Blüten, die ihn mit einem Mal einhüllte und so von dem Lichtwesen trennte. Das kalte Gefühl der Hoffnungslosigkeit wurde von einer warmen, duftenden Brise vertrieben. Das Letzte was er sah, bevor ihm schwarz vor Augen wurde, waren die gewundener Hörner, die er bereits einmal gesehen hatte.
 

Als Milo wieder zu sich kam, stürzte eine Vielzahl von Eindrücken auf ihn ein. Das Erste was er spürte, waren seine plötzlich schmerzenden Gelenke. Das Erste was er hörte, war das Fegen des Windes durch kahle Baumkronen. Es kostete ihn etwas Mühe seine Augen zu öffnen. Das Erste was er sah, war das Tageslicht, was eine nie dagewesene Erleichterung in ihm auslöste. Für einen Augenblick glaubte er, einfach nur aus einem Albtraum erwacht zu sein. Das Nächste was er jedoch sah, war ein Mann mit feinen Gesichtszügen in einem dunkelroten Gewandt, der ihm gegenüber an einen Baum gelehnt saß. Die hellen Augen waren ungerührt auf ihn gerichtet, was Milo sogleich dazu brachte, sich aufzusetzen. Die Schmerzen in seinem Körper nahmen zu, was er zu ignorieren versuchte. Ein kurzer Blick verriet ihm, dass er sich nicht mehr in der Stadt befand. Er konnte nur vermuten, dass Fenin es gewesen war, der ihn hierher in den Wald geschleppt hatte. Möglicherweise war er aber auch selbst hierhin gelaufen, als er sich in dem dichten Nebel befunden hatte. Obwohl Milo spürte, dass dieser Zwischenfall zeitlich schon etwas zurücklag, löste allein der Gedanke daran eine Gänsehaut bei ihm aus. Gleichzeitig erinnerte er sich daran, wie ihm die Flucht gelungen war. Geradezu missmutig legte sich sein Blick wieder auf den Dämon, wobei er einen direkten Blickkontakt gekonnt vermied.

Hatte Fenin ihn wirklich gerettet? Oder war das alles nur eine List des anderen? Alles was Milo wusste war, dass er ihn nicht verurteilen konnte. Immerhin war er es gewesen, der ihn in seiner Verzweiflung gerufen hatte, dabei hatte er nicht einmal wissen können, ob ein Dämon wirklich in der Lage war, gegen einen Geist anzugehen. Ganz davon abgesehen, dass er nicht gedacht hätte, dass Fenin wirklich noch in der Nähe war. Als ihm dies bewusst wurde, senkte er seinen Blick zu Boden. Er hatte tatsächlich einen Dämon um Hilfe gerufen.

Weder Milo noch Fenin taten den ersten Schritt, so dass sie eine ganze Weile einfach nur schweigend dasaßen. Erst war Milo unwohl unter den Blicken des anderen gewesen, doch schnell war das vertraute Gefühl aus der Zeit zurück, die sie gemeinsam verbracht hatten. Etwas zu schnell für seinen Geschmack. Der andere war noch immer ein Dämon, wie konnte er sich nur derart in dessen Gegenwart entspannen? Andererseits könnte er ihn nun auch nicht einfach so angreifen und somit seine Worte von damals wahrmachen. Er hatte gesagt sie würden kämpfen, wenn sie sich wieder über den Weg liefen. Jedoch war er es, der Fenin gerufen hatte. Und allem Anschein nach verdankte er ihm nun schon zum dritten Mal sein Leben. Doch warum half Fenin ihm? Warum war er überhaupt noch in der Nähe gewesen?

„Dein Stab.“ Mit diesen Worten war es letztendlich Fenin, der das Schweigen durchbrach und Milo dazu brachte, aufzuschauen. Tatsächlich hielt er den Hirtenstab in seinen Händen und reichte ihn Milo. Dieser musterte das Holz kurz misstrauisch. Es war tatsächlich sein Stab, den er zögernd annahm. Wollte Fenin ihm wirklich nichts antun?

Milo ging die ganze Sache mehr als nur gegen den Strich. Er hatte seine Prinzipien, die ihn bisher weit gebracht hatten. Doch durch Fenins Verhalten und seine eigene Unfähigkeit konsequent zu bleiben, wurden eben diese auf eine harte Probe gestellt. Konnte er es sich wirklich erlauben weich zu werden und Ausnahmen zu machen?

„Darf ich mit dir kommen?“ Diese Frage riss ihn nicht nur aus seinen Gedanken, sondern ließ den Mann sogar zu dem anderen aufschauen. Sie war unerwartet gekommen und brachte sein Inneres noch stärker ins Wanken. Als sich ihre Blicke trafen und er Fenins weichen Ausdruck bemerkte, spürte Milo ein unruhiges Gefühl in seinem Inneren.

Ein violett-türkiser Schmetterling zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Nur zu gerne wandte Milo seinen Blick ab. Mit der Gewissheit, dass diese Insekten definitiv auf den anderen zurückzuführen waren, presste Milo seine Lippen aufeinander. Schweigen war alles, was der Dämon als Antwort auf seine Frage erhielt.



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