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Fremde gehen

von

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Ich vertraue dir mein Selbst vollständig an.
 

Das habe ich ihm an jeden Abend ängstlich ins Ohr geflüstert. Dazu musste ich echt viel Mut aufbringen.
 

„MACH GEFÄLLIGST DEINEN VERDAMMTEN JOB!!!“
 

Und das schreie ich jetzt in sein Gesicht ohne jegliche Hemmungen.
 

Sasuke, ich liebe dich.
 

Das hat er oft zu mir gesagt. Dabei war er stets furchtlos und absolut ehrlich. Er hatte nie Angst davor, wie zerbrochen ich bin. Wenn diese Worte fielen, hat er mich immer so besonders angeguckt. So, als hätte ich diese wundervollen Gefühle tatsächlich verdient.
 

„ICH WILL DIESEN DRECKSJOB NICHT!!! DU BEHÄLTST MICH HIER WIE EINEN SKLAVEN!“
 

Auch in dieser Sekunde ist er furchtlos. Er hat immer noch keine Angst davor, wie zerbrochen ich bin. Bloß jetzt strömt Hass aus ihm. Der Junge, der einst alles von sich zu meinen Knien gelegt hat, will mittlerweile nur noch meinen Untergang sehen.
 

„ES NENNT SICH ARBEITSVERTRAG!!! DU HAST DEN KONDITIONEN MIT EINER KÜNDIGUNGSFRIST ZUGESTIMMT, ALSO HANDLE ENTSPRECHEND!!! BLEIB ZUR HÖLLE PROFESSIONELL!!!“

„SCHEISS DRAUF!!! DU HÄTTEST MICH AUCH EHER GEHEN LASSEN KÖNNEN, ABER NEIN! DU MUSSTEST MIR NATÜRLICH EINS ZUM ABSCHLUSS REINWÜRGEN! DANN MACH ICH EBEN DASSELBE MIT DIR!!! GLEICHES MIT GLEICHEM!!!“
 

Eine kurze Pause. Endlich. Die Luft zwischen uns ist geladen und sie knistert explosiv. Nur ein kleiner Funken und dann geht hier alles in Flammen auf. Zwischen uns kann es jederzeit zu einer Katastrophe kommen. Und dabei hatten wir einander eigentlich wirklich gern. Warum sind wir an diesem Punkt angelangt? Der nächste wütende Satz will aus mir ausbrechen, aber ich halte diesen Impuls auf. Dieser Streit ist ermüdend und äußerst unproduktiv. Komm, Sasuke, beende es einigermaßen friedlich. Du musst auch halbwegs professionell bleiben.
 

„Naruto, mach die verdammten Unterlagen einfach fertig… bitte… ich hab kein Bock mehr mit dir darüber zu streiten“, atme ich besiegt aus.

„Ich mache nie wieder etwas extra für dich“, spuckt er bockig zurück.

„Okay.“ Ich gebe einfach auf. Dann mach ich’s selber. Egal. Wozu habe ich sonst einen Assistenten? Richtig, für gar nichts. Einfach toll…
 

Ich gehe zum Empfang und hole mir seine nicht mal angefangene Arbeit. Die Unterlagen sind schon seit vier Tagen überfällig und das juckt ihn null. Ich verstehe, dass er schon lange innerlich gekündigt hat, aber so Anstands wegen hätte er wenigstens ein Minimum an Aufgaben erledigen können. Seitdem er wieder zurück ist, ist es einfach unmöglich mit ihm. Vielleicht ist es wirklich für alle besser, wenn er ab Montag nicht mehr kommen muss. Er kann sich bestimmt fixe irgendwo für die zwei Wochen krankschreiben lassen und dann ist die Sache gegessen. Das sag ich ihm morgen so. Er geht jetzt ja oder sowas. Keine Ahnung. Ist auch egal. Ich muss immer noch der Inkompetenz meiner Angestellten hinterherräumen. Kotzt mich das alles an, ey…
 

Nach einer Stunde ist der eilige und mittlerweile katastrophal überfällige Antrag fertig. Jetzt muss ich nur noch ein wenig betteln, ein wenig Honig um die Ohren schmieren, ein wenig öffentliches Selbstauspeitschen betreiben und dann darf ich mit hoher Wahrscheinlichkeit meinen Shit trotzdem haben, wenn auch katastrophal verspätet. Klingt gut, oder? Ja, so ziemlich. Und wenn das durch ist, muss ich den aktuellen Zeitplan komplett überarbeiten. Damit werde ich mich morgen Vormittag beschäftigen. Jetzt muss ich ein wenig runterkommen, sonst klinge ich leicht aggressiv und dann wird es schwierig mit dem Honig schmieren. So, Sasuke, Kaffee holen und kurz frische Luft schnappen.
 

Ich habe die Fenster in meinem Büro weit aufgerissen und atme die kühle von außen strömende Luft tief ein. Ich entspanne mich ein wenig. Gut so, denn die Verhandlungen mit Tsunade sind immer etwas schwierig. Okay, jetzt nur noch den Kaffee holen, den Kopf freikriegen und dann geht’s gleich weiter.
 

Kurz bevor ich den Empfang betrete, spüre ich, dass mein Herz schon wieder wie verrückt rast. Ich werde dieses nagende Gefühl anscheinend nicht so einfach los. Die Tür öffnet sich und… niemand ist hier.
 

Und mein Herz setzt für einen Moment schmerzhaft aus.
 

Ich gucke mich kurz um. Narutos Arbeitsbereich sieht ungewohnt clean aus. Die großen Lichter sind aus. Das kalte türkise Licht des Firmenlogos erhellt geisterhaft die Umgebung. Es ist so unbewohnt hier. Der Empfang fühlt sich verlassen an. Ich verspüre schon wieder dieses Stechen in der Brust. Ich glaube, ich habe insgeheim gehofft, dass er doch noch hier geblieben ist. Selbst wenn wir nicht miteinander sprechen und aufeinander furchtbar sauer sind, ist es einfach schön zu wissen, dass man nicht allein ist. Und nun weiß ich das Gegenteil.
 

Ein schwerer Seufzer entweicht aus meiner Brust. Ich mache verhext den Kaffeeautomat an. Das angenehme Aroma regt diesmal nichts in mir an. Ich exe maschinell den frischen doppelten Espresso und mache mir gleich einen neuen.
 

Sasuke, ich liebe dich. Und was fühlst du zu mir?
 

Bei diesem Gedanken muss ich schon wieder seufzen. Dabei konsumiere ich die zweite Tasse Kaffee und gehe zurück in mein Büro. So, jetzt zusammenreißen. Auf-auf zum Gespräch mit Tsunade.
 

***
 

Der heutige Tag ist endlich zu Ende. Ich bin zurück in die Projektwohnung. Seit zwei Wochen hause ich hier, denn Sakura und ich sind zum Schluss gekommen, dass wir Abstand voneinander brauchen. Obwohl nichts darüber hinaus festgelegt wurde, vermute ich, dass dieser Auszug unser endgültiges Ende war. Wir machen trotzdem diese komische getrennte Paartherapie. Einmal pro Woche telefonieren wir und tauschen uns ausgiebig darüber aus. Sie hat schon lange die Hoffnung auf eine nachhaltige Besserung aufgegeben und ich bin auch sehr kurz davor. Mit dem Auszug bin ich dem natürlich sehr viel näher gekommen. Eigentlich ist klar, dass es aus ist. Trotzdem traut sich keiner diese Tatsache laut auszusprechen. Bei all dem tut mir Sarada am meisten leid. Sie war schon immer ein Papa-Kind und ich fühle mich furchtbar. Deswegen habe ich in diesen zwei Wochen mit ihr täglich entweder geschrieben oder sie angerufen. Anscheinend hat sie zurzeit ihre ersten Herzensprobleme. Sie hat es nur einmal kurz erwähnt, weil sie sich zurzeit ziemlich allein fühlt und mit niemandem sonst darüber sprechen kann. Da wurde mir klar, dass mein kleines Kind jetzt ganz erwachsen ist. Da habe ich sehr mit ihr mitgefühlt. Sowas ist ziemlich beschissen und es gibt keinen schnellen Fix dafür. Niemand weiß so richtig, warum manche Beziehungen funktionieren und warum andere es nicht tun. Es gibt keine Standardanleitung. Man macht Fehler und es tut weh. Trotzdem ist Liebe eine der schönsten menschlichen Erfahrungen. Gebraucht zu werden, erwartet zu werden, zu wissen, dass man sich aufeinander verlassen kann… all das tut furchtbar gut. Aber es ist viel zu flüchtig. Deswegen sind diese Momente so unglaublich kostbar.
 

Die Mikrowelle piept. Mein Essen ist fertig. Die Therapeutin hat gesagt, dass Routinen zu einem geregelten Leben verhelfen, und gerade ist mein Leben ziemlich chaotisch. Das mit den Routinen habe ich auch ohne sie gewusst. Deswegen versuche ich neuerdings weniger zu arbeiten, zu gesunden Zeiten ins Bett zu gehen, weniger zu bestellen und mehr selbst zu kochen. Das klappt nicht so richtig, weil ich überhaupt nicht die festgesetzten Bürozeiten einhalten kann. Ich werde irgendwie wahnsinnig, was das angeht. Ab irgendeinem Punkt macht noch eine Stunde im Büro keinen Unterschied mehr. Man merkt nicht so richtig, dass man müde ist, und kann stundenlang ohne Probleme übelst hyperfokussiert gewaltige Mengen von Aufgaben erledigen. Es ist wie ein Läuferhigh, man kann immer weitermachen, solange man noch nicht stillsteht. Denn dann kommt die Müdigkeit hoch und es ist sehr unschön. So wie jetzt. Die Kraft reicht nur noch, um ein Mikrowellenessen zu konsumieren und tot ist Bett zu fallen. Ich bin wie eine abhängige Laborratte. Obwohl man sich mit Strom schlägt, tut man es sich immer wieder an. Ich frage mich, was der Uzumaki jetzt macht, wo er nicht mehr so viel arbeitet. Er ist doch auch ein Workaholic. Vielleicht schreibt er endlich seine Abschlussarbeit weiter? Vielleicht trifft er sich mit Freunden? Vielleicht datet er ja jemanden? Oder vielleicht ruht er sich einfach aus? Warum interessiert mich das überhaupt? Vielleicht, weil er mir furchtbar fehlt?
 

Vielleicht.
 

Jedenfalls sage ich ihm morgen, dass er sich einfach krankmelden soll. Ich denke, er wird sich darüber freuen. Wenn ja, dann freue ich mich auch. Denn eigentlich will ich ja seit langem, dass es ihm gut geht. Nur konnte ich das nie gut rüberbringen. Naruto, wenn es diesmal auch schiefgeht, bitte verzeih es mir. Du kennst doch deinen alten Streber am besten. Wenn etwas wichtiges gesagt werden muss, vermassele ich es gern.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Onlyknow3
2021-05-15T11:25:52+00:00 15.05.2021 13:25
Sasuke du Armleuchter, echt der kapiert gar nichts. Er sollte sich mal seine Gefühlen stellen, dann würde er spüren warum ihm Naruto so fehlt. Der kommt erst drauf wenn es Naruto nicht mehr gibt, wenn der wirklich verschwunden ist aus seinem Leben, vielleicht erzählt Naruto es ja Sakura.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Scorbion1984
2021-05-13T19:15:58+00:00 13.05.2021 21:15
Super ,es geht weiter .
Aber wie ich sehe schaffen die Zwei es immer noch nicht ,das zu tun was sie gerne wollen .
Anscheinend wissen sie im Moment auch keinen Ausweg,als sich anzuschreien.
Schade um die Beiden .
Antwort von:  suugakusan
14.05.2021 22:51
Ja, irgendwie wollen sie nur einander fertig machen und schaden sich dabei selbst


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