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Tag der Wintermaus im Mäusenest der langen Flure

Weihnachtsgeschichte 2020
von

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Seit jeher tagt am Tag der Wintermaus der lange Winter in irgendeinem Mäusehaus.

Für Festschmaus und Geschenketausch, nur kurz bevor das alte Jahr erlischt, wird auf Tannenzapfen das Festmahl aufgetischt. Den Socken am Kamin hat in der Nacht,

für jedes Mäuschen die Wintermaus dann ein Geschenk gebracht.

 

Es war der Nachmittag vor dem lang ersehnten Wintermaustag im geräumigen Mäusenest der langen Flure, das gut verborgen unterhalb einer hohen Eiche eingegraben liegt. Vom schneebedeckten, kahlen Wald gelangt man über einen langen Wendelgang hinunter vor die Pforte des Mäusebaus, die sich direkt in die große Halle öffnet, wo der große Tisch steht vor dem Kamin am anderen Ende des überwölbten Raums. Links der Eingangstüre führt eine knarzende Treppe hinauf in die Galerie, welche die halbe Halle langführt und von der neun kleine Türchen über lange Flure zu den Kämmerchen der sechzehn kleinen Mäuschen führen, die dort im Winter die meiste Zeit verschlafen.

In der großen Halle herrschte ein absolutes Durcheinander – nahe des Eingangs lag ein großer Haufen Tannennadeln und Fichtennadeln und dergleichen und ein kleines, stacheliges Bäumchen und drüber und drunter im ganzen Mäusebau waren (fast) alle damit beschäftigt, alles herauszuputzen für den Wintermaustag.  Eine kleine Maus wuselte besonders aufgeregt umher, auf der Suche nach irgendetwas. Sie kletterte unter und über die große Tafel, warf fast einen der Stühle daneben um, schaute hinter das Sofa und auf das Bücherregal, die unter der Galerie standen, lugte gegenüber durch die Tür ins Studierzimmer und lief regelrecht im Kreis durch die große Halle. Nach einem Weilchen setzte sie sich nahe dem Kamin auf den angewärmten Sandsteinboden und wirkte sehr in Gedanken versunken.

„Feder? Wolltest du nicht die Sockenkiste suchen und alle Socken an den Kamin hängen?“

„Ich kann sie nirgends finden!“ das Mäuschen wirkte langsam doch etwas verzweifelt mit dem Chaos.

Die Mäusemutter unterdessen seufzte nur, brachte von irgendwoher die Pappkiste mit den ganzen Wintermaustagsocken zum Vorschein und gab sie Feder. „Wo steckt eigentlich dein älterer Bruder? Er sollte doch---“

„Bestimmt nicht im Studierzimmer am Lesen!“ sagte das Mäuschen, nahm die Kiste und knotete die Schnur auf. Dann spannte Feder eine Kordel aus der Kiste am Rauchabzug des großen, offenen Kamins entlang und hakte nach und nach sechzehn kunterbunte Socken aus gestrickter Waldschafsspinnenwolle daran – alle schön der Nummer nach. Sieben und Fluffel und einige andere Geschwister halfen ein bisschen dabei, die anderen schmückten die Halle in jedem möglichen Winkel mit den grünen, harzig duftenden Nadeln. Der größte Bruder an den höchsten Stellen, die mittelgroßen den Tisch und das Bücherregal und die kleinsten drei... die schliefen bald auf dem Sofa ein und wurden in ihre Bettchen hinter der zweiten Tür oben gebracht. Sieben stellte mit Feder das Bäumchen auf, während eins der kleineren Mäuschen von irgendwoher mit einem Haufen Papiersterne kam und sie im unteren Drittel des Bäumchens befestigte. Man entschied, die Mitte mit getrockneten kleinen roten Beeren zu schmücken und auf die Spitze kam ein gläserner Schneestern. In der Küche war mindestens genau so viel Durcheinander und Drunter und Drüber, der Herr Großrundohrmaus tat sein Bestes, mit all den Pfötchen im Teig und in den Töpfen das Festessen für den nächsten Tag vorzubereiten. Immerhin wurden einige Gäste erwartet und der Früchtegugelhupf war sehr beliebt.

Aber auch der hektischste Vorbereitungstag muss einmal zu Ende kommen und auch Mäuse wissen ein gutes Abendbrot zu schätzen. Vor allem, wenn es nebenbei auch einen leicht verunglückten, jedoch sehr köstlichen, Kuchen gibt. Die älteren machten sich ein wenig Sorgen um das Wetter, es sah nach mehr Schneegestöber aus. Eigentlich war das Thema jedoch die gelungene Dekorationsaktion; der große Tisch war schon festlich geschmückt und sowieso duftete es im ganzen Mäusenest nach Nadelgehölz. Das Feuerchen im Kamin brannte ruhig und bald schon waren alle, egal wie aufgeregt sie noch am Nachmittag gewesen sein mögen, wohlig müde. Irgendwo draußen schoben sich fluffige Wolken vor den Mond und die kalte Nacht ließ den ganzen wilden Wald im Schlaf versinken. Bald darauf, als alle tief und fest schliefen, überdeckte eine dicke Schicht von fluffigem, frischem Schnee die alte Schneedecke.

Spätestens als der Teekessel anfing zu pfeifen, waren alle wach – es war der Morgen am Tag der Wintermaus! Tippelnde Pfötchen eilten über die Galerie, die knarzende Treppe hinab, durch die große Halle, an der langen Tafel vorbei bis zum Kamin. Und dort steckten in allen Socken und Strümpfen und Söckchen allerlei Dinge und unter dem Bäumchen und vor dem Kamin gab es Kisten und Kistchen, sorgfältig verpackt und durchnummeriert. Bei manchem konnte man gut erraten, was es war, hier ein Buch und eine Kelle, dort ein Fernglas und eine Lupe, ein Spielzeugauto, eine Blockflöte, ein Paar Socken ohne Löcher, Blechdosen mit Naschzeug... Raschelnd und knisternd wurde alles ausgepackt und klappernd und kleppernd und knackend und knuspernd ausprobiert und probiert.

Der Eingang zum Mäusenest der langen Flure, oben, am Ende des Wendelgangs, war heillos eingeschneit. Man konnte, wenn man über die Leiter im Baumstamm hochkletterte zur Sommerterrasse auf der großen Astgabel, weit und breit nichts sehen als Schnee und eingeschneite Bäume. Bei dem Wetter würde kein Besuch kommen, allerdings war die Zeitung im Briefkasten, die Luftbelieferung funktionierte noch. Der Himmel war grau und trüb und mit mehr Schneegestöber vollgestopft.

Die Mäuse berieten sich in der großen Halle, was man denn am besten tun solle – die einstimmige Meinung war, das Festessen bloß nicht zu verschieben, es würde jeder leider etwas mehr essen müssen als sonst, was jedoch nicht auf großen Widerstand stieß. Und den eingeplanten Besuchern würde man mit der Luftpost angemessene Wintermaustagsgrüße übersenden. Deshalb wurde vor dem abendlichen Festessen der Tisch noch einmal aufgeräumt, das ganze Bastelpapier rausgeholt und alle schrieben munter Briefe und bemalten Grußkarten mit besten Wünschen und ein paar kleine Päckchen mit Gebäck wurden geschnürt und an besonders wichtige Umschläge angeknotet. Ein ganzer Berg von Post häufte sich so auf und als es Zeit war, den Tisch für den Festschmaus abzuräumen, war alles fertig. In zwei Säcke gepackt wurden die Briefe am Flaschenzug hochgebracht in den Baumwipfel zum Briefkasten, es hatte noch mehr geschneit über den Tag. Gerade pünktlich kam die Briefeule angeflogen und brachte den Mäusen eine ganze Klaue voller Wintermaustagsgrüße – schwer beladen mit den neuen Säcken voll guter Wünsche flatterte die Eule in den Sonnenuntergang davon und die Mäuse kletterten wieder hinab in die große Halle zu ihrem Festtagsschmaus.  



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