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Common Ground

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

da ist das gute Stück! Und was soll ich sagen, es hat tatsächlich extrem viel Spaß beim Schreiben gemacht. Ich war gestern sogar so im Flow, dass ich morgens vor der Arbeit und in der Mittagspause noch daran geschrieben habe XD

Viel Spaß beim Lesen! :) Komplett anzeigen

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My own worst enemy. (Is usually me.)

Nachdem in beiden Klassen alle Paare für den Orientierungslauf ermittelt waren, wurden die Karten und Kompasse ausgegeben. Als endlich auch Setos und Joeys Namen aufgerufen wurden, trat ersterer mit versteinerter Miene zu Frau Kobayashi und nahm beides entgegen. Soweit kam es noch, dass Wheeler die beiden Instrumente in die Hand bekam, die dafür sorgen würden, dass sie am Ende wieder hierher zurückfanden! Zweifellos wäre er ohne den Köter wesentlich besser dran – jetzt, wie auch im Allgemeinen – aber er würde einen Teufel tun und ein Fass aufmachen. Das zog die Dinge nur unnötig in die Länge. Wie auch sonst bei dieser Klassenfahrt würde er jetzt ebenfalls einfach nur versuchen, das ganze so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Gewinnen war angesichts der Beteiligung Wheelers sowieso vollkommen ausgeschlossen. Verlockender war da schon eher die Vorstellung sich der blonden Pest im Wald ein für alle mal zu entledigen, aber leider würden wohl einige Leute (allen voran der Kindergarten und Frau Kobayashi) anfangen, unangenehme Fragen zu stellen, wenn er alleine aus dem Wald zurückkehrte.

Ganz anders als die anderen Teams, die aufgeregt schnatternd beieinander standen und sich über ihr Vorgehen und ihre Arbeitsteilung beratschlagten, warteten Seto und Joey voneinander abgewandt, mit verschränkten Armen und ohne auch nur ein Wort miteinander zu wechseln auf ihren Start, wobei die fünf Meter Abstand, die sie dabei hielten, beinahe vergessen ließen, dass sie ein Team bildeten.

Schließlich wurden sie an die Startlinie gerufen. Für den Weg zur ersten Station würden sie Kompass und Karte noch nicht benötigen; diesen Teil hatte Herr Takeda so geplant, dass sie eigentlich nur geradeaus dem Waldweg folgen mussten. Erst ab dem ersten Wegpunkt begann das „richtige“ Orientieren und sie würden die vorgesehenen Wege verlassen. So hielt Seto den Kompass vorerst geschlossen und in seiner Hand, die Karte hatte er säuberlich gefaltet und in seiner Hosentasche verstaut. An der Startlinie angekommen, blickten sie weiterhin einfach nur stoisch aneinander vorbei nach vorne, mit den Gedanken schon beim Ziel, an dem sich ihre Wege endlich wieder trennen würden. Trotz der sehr eindeutigen nonverbalen Kommunikation hielt es Seto für angebracht noch einmal ganz klar seine Erwartungshaltung zu vermitteln. Seine Warnung brachte er gerade so laut vor, dass nur Joey sie hören konnte: „Komm mir in die Quere, Wheeler, und ich binde dich im Wald an einen Baum an, wie einen geschenkten Hund nach Weihnachten!“

Das konnte der Angesprochene nicht ignorieren: „Ach ja? Mal sehen, ob du noch so überheblich daher redest, wenn du erstmal mit der echten Wildnis konfrontiert wirst, Geldsack! Das ist nämlich was anderes, als das zurechtgestutzte Heckenzeugs hinter deiner Villa!“

Zu mehr als einem kurzen Schnauben und Kopfschütteln als Reaktion kam Seto nicht mehr, denn in diesem Augenblick ertönte der schrille Pfiff aus Herrn Takedas Trillerpfeife und ihre Zeit lief. Schon nach wenigen Metern konnte Seto die schattige Kühle des Waldes um sich spüren, während seine Füße mit jedem Schritt knirschend auf weichen Waldboden trafen. Die letzten aufsteigenden Dampfschwaden der Morgenfeuchte ließen die Strahlen der Sonne sichtbar werden, die durch die Äste und Blätter der Bäume brach und alles in einem goldenen Herbstglanz erstrahlen ließ. Jeder seiner immer schneller werden Atemzüge ließ frische, erdige Luft in seine Lungen strömen. Wenn Wheeler und dieser Orientierungsquatsch nicht wären, hätte man das ganze beinahe genießen können…

Nach etwa fünf Minuten war bereits die erste Station erreicht: ein Wegweiser, an dem in der Tat an einer Schnur ein Stempel befestigt war. Seto holte die Karte heraus und markierte den ersten Punkt als erledigt, während Joey mit den Händen in die Hüften gestemmt die Gelegenheit nutzte, durchzuatmen. Mit ausnehmender Befriedigung hatte Seto bemerkt, wie der Blonde geradezu verzweifelt immer wieder versucht hatte, ihn zu überholen, was ihm jedoch nicht gelungen war. Für einige Minuten hatte er es immerhin geschafft, auf gleicher Höhe zu bleiben, dann war er jedoch wieder zurückgefallen.

Fachmännisch klappte Seto den Kompass auf, legte ihn auf die Karte und hatte nur wenige Sekunden später die Richtung identifiziert, in der die zweite Station liegen musste. Natürlich war es noch viel zu früh für irgendwelche Vorhersagen, aber wenn sie in diesem Tempo weiter vorankamen, war ein Sieg vielleicht doch nicht so abwegig, wie er zuerst gedacht hatte… Mit diesem Gedanken steckte er die Karte wieder ein, behielt den Kompass in der Hand, um gelegentlich die Richtung zu kontrollieren und rannte wieder los.

So ging es während der nächsten zwei Etappen weiter und Seto war mehr als dankbar, dass Wheeler offensichtlich genau in der richtigen Form – oder Nicht-Form – war, um auf dem Weg einigermaßen mit ihm mithalten zu können, die kurzen Unterbrechungen an den Stationen jedoch zu dringend benötigte, um wieder zu Atem zu kommen, sodass er weder Zeit noch Energie hatte, dämliche Wheeler-Kommentare abzusondern.
 

Auf dem Weg zur vierten Station war es dann aber nicht mehr zu übersehen, dass Joey stark nachließ. Er fiel immer weiter zurück, war sichtlich außer Atem, und schließlich überwand er sich sogar, in quengeligem Tonfall zu rufen: „Hey, Mr. Hobby-Langstreckenläufer, können wir vielleicht mal etwas langsamer machen?!“

Seto ignorierte den Einwurf demonstrativ und lief im selben Tempo weiter. Einerseits gefielen ihm der Ton und die Ironie in der Ansprache nicht und andererseits war Wheelers Gehirn ja vielleicht mittlerweile so unterversorgt mit Sauerstoff, dass er ihn Glauben machen konnte, er habe ihn nicht gehört.

„Hey, ich weiß, dass du mich gehört hast, Geldsack!“, ertönte es noch einmal etwas lauter und ärgerlicher von noch weiter hinten. Schade, es wäre ja auch zu schön gewesen. Trotzdem behielt Seto seine Geschwindigkeit bei – mal sehen, wann Wheeler aufgeben würde.

„Hey!“, versuchte es der Blonde noch einmal fordernder und nach einer kurzen Pause geradezu flehentlich: „Bitte!“

Daraufhin erbarmte sich Seto endlich und verlangsamte sein Tempo, sodass Joey aufschließen konnte.

„Danke!“ Es war nicht mehr als ein gereiztes Grummeln in die entgegengesetzte Richtung gewesen, aber Seto hatte es natürlich trotzdem gehört.

Kurz darauf erreichten sie Station Vier, einen umgestürzten und abgestorbenen Baum, an dessen massiven, in die Luft ragenden Wurzeln der entsprechende Stempel festgemacht war. Während Seto ihn öffnete und routiniert an die entsprechende Stelle auf der Karte drückte, konnte er es nicht lassen, den Blonden ein wenig zu triezen, der sich mit halber Schnappatmung an dem Baumstamm abstützte. Wo bliebe denn der Spaß, wenn er seine offensichtliche Überlegenheit nicht auskosten konnte?

„Was ist los, Köter? Ich bin davon ausgegangen, dass du das hier genauso schnell hinter dich bringen möchtest wie ich! Oder hat dich das viele Hundefutter, das du ständig in dich reinschaufelst, einfach nur sehr behäbig gemacht?“

Zufrieden nahm Seto zur Kenntnis, wie sich die Röte der sportlichen Anstrengung in Joeys Gesicht augenblicklich noch intensivierte. Mit aggressiv verschränkten Armen lehnte der Blonde sich mit dem unteren Rücken an den Baum und funkelte Seto voll unmissverständlicher Abneigung an: „Oh, glaub ja nicht, dass ich freiwillig länger als nötig mit dir in diesem Wald bleiben möchte, Eisklotz! Ich will hier so schnell wie möglich raus, nur eben nicht um den Preis, dass ich kollaboriere!“

Seto verdrehte die Augen. „Kollabiere.“

„Ach, was auch immer! Ich möchte diesen Wald jedenfalls gerne bei Bewusstsein und lebend verlassen.“

Setos Augenbrauen wanderten nach oben. „Bedauerlich, ich wäre dir andernfalls gerne behilflich gewesen.“, murmelte er beiläufig, während er bereits damit beschäftigt war, den Kompass wieder einzunorden und die neue Richtung zu bestimmen.

Der Blonde hatte offenbar langsam wieder zu Atem gefunden, stieß sich von dem Baumstamm ab und trat zu Seto. „Sag mal, Kaiba, warum hast du eigentlich die ganze Zeit die Karte und den Kompass?“

Der Brünette seufzte. Hatte dieser Idiot ihm beim Start nicht zugehört? Er hatte sich doch nun wirklich ganz klar ausgedrückt! Komm mir nicht in die Quere! – was gab es daran nicht zu verstehen? „Ganz einfach, Wheeler, weil nur das garantiert, dass wir am Ende auch wieder ankommen! Warum bist du nicht einfach froh, dass du nichts tun musst? Das müsste dir angesichts deines generellen Kompetenzniveaus doch eigentlich sehr entgegen kommen.“

„Hey, ich könnte das auch, dass du es nur weißt!“, protestierte der Blonde vehement, „So schwer ist das doch nicht! Kompass und Karte in die gleiche Richtung und los gehts, das hab ich schon tausendmal bei Survival-Shows im Fernsehen gesehen – ich bin quasi Experte für das Überleben in der Wildnis! Und ich hab keine Lust drauf, dass am Ende jemand denkt, dass ich das ohne dich oder irgendjemand anderen nicht geschafft hätte!“

Seto konnte nicht vermeiden, dass seine Mundwinkel minimal nach oben zuckten. Wie süß, der Köter hatte also auch seinen Stolz und wollte sich nicht einfach komplett untätig von ihm bis ins Ziel bringen lassen!

Hm, ein bisschen verlockend war es ja schon … Sorgfältig wog Seto seine Interessen ab: schnell ankommen oder dem Köter beweisen, dass er recht hatte und ihm seine Unfähigkeit vor Augen führen … ankommen, recht haben, ankommen, recht haben … Nun, einen Sieg hatte er ohnehin nicht eingeplant und dieser dämliche Wettstreit mit der anderen Schule konnte ihm nicht egaler sein …

„In Ordnung, Wheeler, ich gebe dir genau eine Chance.“ Noch ein letztes Mal fragte eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf, ob das wirklich eine gute Idee war, er überging sie jedoch und überreichte Joey Karte und Kompass. Der griff bereits danach, doch Seto ließ noch nicht los und zwang den Blonden so, ihn noch einmal direkt anzusehen. „Sollten wir die nächste Station problemlos und zügig erreichen, wechseln wir uns für den Rest der Strecke ab. Falls wir signifikant länger brauchen, bekomme ich beides ohne Widerrede zurück und behalte die Führung. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

Mit einem gedehnten Ausatmen stimmte der Blonde zu und zog noch einmal etwas stärker an der Karte: „Pfff, na schön! Für den Augenblick spiele ich nach deinen Regeln, Kaiba. Aber wehe, du kommst mir später krumm!“

Mit einem süffisanten Lächeln schüttelte Seto den Kopf und gab die beiden Gegenstände frei. „Dann gib mir keinen Grund, Köter!“

Ähnlich wie er zuvor legte Joey den Kompass auf die Karte, drehte sich mehrmals leicht nach links und rechts und beobachtete dabei angestrengt die Bewegung der Kompassnadel. Aus dem Augenwinkel versuchte Seto zu erkennen, wie genau Joey die Richtung bestimmte (ein bisschen Selbsterhaltungstrieb hatte er ja doch noch), aber der Blonde wandte ihm immer wieder demonstrativ den Rücken zu, sobald er Setos Blick auf sich ruhen spürte. Schließlich setzte er sich in Bewegung und Seto folgte ihm mit ein paar Metern Abstand auf gleicher Höhe. Immer wieder warf Joey einen kontrollierenden Blick auf den Kompass, während sie im lockeren Joggingschritt, aber mit der entsprechend erhöhten Aufmerksamkeit, durch raschelndes Laub und Unterholz quer durch den Wald liefen.
 

Nachdem es ihn am Anfang ein wenig Überwindung gekostet hatte, die Verantwortung – und sei es auch noch so kurz und aus noch so verführerischen Gründen – in Wheelers Hände zu legen, kam Seto in den nächsten Minuten an einen Punkt, an dem er es beinahe genoss, einmal nicht das Heft in der Hand haben zu müssen. Der leichte Wind rauschte durch die Kronen der Bäume, das Knirschen und Rascheln seiner Füße auf dem weichen und belaubten Waldboden bildeten einen gleichförmigen Rhythmus mit seinem Atem und das Ausweichen vor den tief hängenden oder auf dem Boden liegenden Ästen und hochragenden Wurzeln forderte seine Aufmerksamkeit in genau dem richtigen Maße. Linker Fuß, rechter Fuß, Einatmen. Linker Fuß, rechter Fuß, Ausatmen.

In diesem beinahe schon meditativ-sportlichen Flow flogen die Minuten nur so dahin, bis er aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie sich Joey immer hektischer umsah. Stimmt, sie waren schon ziemlich lange unterwegs… Ein Blick auf seine Armbanduhr bestätigte Seto sein Bauchgefühl: Es waren bereits fast zwanzig Minuten vergangen. Für die bisherigen Stationen hatten sie jeweils lediglich zwischen fünf und zehn Minuten benötigt. Schließlich durchbrach der Blonde die immer unangenehmer werdende Stille mit einem Räuspern: „Ähm, also, versteh das jetzt nicht falsch, Kaiba, ich hab natürlich alles im Griff … aber … die nächste Station hätte schon lange kommen müssen, oder?“

Seto seufzte und schloss für einen Moment die Augen. Natürlich, genauso hatte er es kommen sehen. Mit einem spöttischen Lächeln antwortete er nur: „Möglich, aber was weiß ich schon, du bist doch hier der Überlebensexperte!“

Joeys Stimme überschlug sich beinahe ein wenig, als er antwortete: „Ja, ganz genau, der bin ich! Und in dieser Funktion sage ich, wir sollten kurz stoppen und uns … vergewissern, dass wir noch auf dem richtigen Weg sind! Das … macht man nämlich von Zeit zu Zeit so, als Profi.“ Er hielt an und auch Seto blieb stehen und stemmte abwartend die Hände in die Hüften, während sich sein Puls wieder nach unten regulierte. Durchdringend musterte er Joey, der verzweifelt die Karte heraus gekramt hatte und sie ratlos in sämtliche Richtungen drehte und wendete.

„Gib es doch zu, Wheeler, du hast keine Ahnung mehr, wo wir sind und in welche Richtung wir laufen!“

Der Blonde ließ mit einem Seufzen die Karte sinken. „Okay, okay, vielleicht hab ich vorhin eine Kleinigkeit falsch gemacht, aber gib mir nur eine Sekunde und ich finde heraus was, und wir sind in Nullkommanix am nächsten Wegpunkt!“

Seto hatte Mühe, ein hämisches Grinsen zu unterdrücken und lehnte sich entspannt und mit verschränkten Armen an den nächsten Baum, während er darauf wartete, dass Wheeler endlich seine Planlosigkeit anerkannte und zugab. Diesen Triumph würde er kurz auskosten, dann Karte und Kompass wieder an sich nehmen und sie im Anschluss ohne Probleme wieder auf den richtigen Weg zurückführen. Mit etwas Glück wären sie vielleicht noch nicht mal die Letzten.

Allerdings schien Joey sich noch immer nicht geschlagen geben zu wollen. Dieser hartnäckige Dummkopf! Zwar hob er den Blick von der Karte und klappte den Kompass zu, allerdings nur, um sich dem Boden zuzuwenden und in größeren Kreisen um die Stelle, an der sie standen, herumzulaufen. Eine Minute lang verfolgte Seto das Schauspiel mit der Neugier eines Tierforschers, der eine neue Spezies erstmals beim Balztanz beobachtet, bevor er schließlich die Frage nicht mehr länger zurückhalten konnte: „Was in drei Teufels Namen tust du da, Wheeler?!“

„Ich schaue, ob ich Fußspuren finden kann!“, antwortete der Blonde, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt.

Seto runzelte die Stirn und konnte noch nicht einmal mehr wirklich fassungslos sein. „Lass mich raten, das hast du auch aus dem Fernsehen?!“

„Zufällig ja!“, bestätigte Joey passiv-aggressiv, während er mit einer Mischung aus Konzentration und Verzweiflung weitersuchte.

„Wheeler, ich weiß, es fällt dir schwer, aber denk doch nur mal für eine Sekunde nach! Wie sollen hier Fußspuren sein, wenn wir vermutlich meilenweit vom vorgesehenen Weg abgekommen sind?“

Jetzt sah Joey zum ersten Mal auf, blickte Seto entrüstet an und fuhr ihn voll triefendem Sarkasmus an: „Entschuldigung, dass ich im Gegensatz zu anderen Personen hier versuche, hilfreich zu sein!“

Seto konnte nicht anders und lachte kurz auf: „Ich bitte dich, Wheeler! Du könntest noch nicht mal hilfreich sein, wenn du …“

„Hier, hier ist was!“ Joey zeigte erst auf den Boden, dann in eine Richtung, in der genau wie in allen anderen ebenfalls nur Bäume über Bäume zu sehen waren. „Da lang!“, kommandierte der Blonde aufgeregt und rannte ein kleines Stück, während Seto seufzte und ihm langsam und gemessenen Schrittes folgte. Schließlich blieb Joey stehen und blickte enttäuscht auf. „Hm, hier hört die Spur auf. Muss wohl von irgendeinem Tier gewesen sein.“

Seto verschränkte einmal mehr die Arme vor der Brust und schüttelte nur mit einem Ausdruck der absoluten Geringschätzung den Kopf. „Sind Hunde nicht normalerweise gut im Fährtenlesen? Wie viele Jahre nenne ich dich nun schon liebevoll so und auf einmal stellt sich heraus, dass du noch nicht mal zu einem anständigen Köter taugst!“

Mit einem Mal entwickelten sich die Dinge schneller, als Seto erwartet hatte. Blitzartig und wie aus dem Nichts wurde er von Joey am Kragen gepackt und schmerzhaft stark gegen den nächsten Baum gedrückt, sodass ihm die Wucht des Aufpralls für eine Sekunde die Luft aus den Lungen presste. Der Blonde hatte ihn tatsächlich überrumpelt und hielt ihn mit der rechten Hand fest im Griff. Joeys Gesicht näherte sich dem Seinen bis auf wenige Zentimeter und mit drohend gesenkter Stimme und zusammengepressten Zähnen stieß er aus: „Hör mal, Kaiba, mir reichts! Ich höre mir diese Hunde-Geschichte nicht mehr länger an! Anstatt mich permanent zu beleidigen, könntest du ja auch mal …“

Setos Augen verengten sich zu Schlitzen und sein Blick wurde absolut tödlich. Harsch schnitt er dem Blonden mit einem eiskalten Zischen das Wort ab: „Mach sowas noch einmal, Köter, und du wirst diesen Wald nicht mehr lebend verlassen! Und jetzt nimm gefälligst deine dreckigen Pfoten von mir!“

„Ach ja?! Sonst was?“ Joey lächelte verwegen und festigte seine Umklammerung noch einmal. „Weißt du, Großkotz, ich hab zwar keine Ahnung, wer diesen Wald am Ende tatsächlich verlassen wird, aber mir scheint, derjenige, der Karte und Kompass hat, hat die besseren Chancen!“ Mit einem triumphierenden Grinsen reckte er die besagten Gegenstände mit der linken Hand in die Höhe und möglichst weit von Seto weg.

Verdammt! Warum nur machte ihm sein eigener vermaledeiter Hochmut immer wieder einen Strich durch die Rechnung?! Ein wirklich rationaler und klar denkender Mensch wäre niemals auch nur auf den Gedanken gekommen, einem Chaoten wie Wheeler den Kompass und die Karte anzuvertrauen!

Mit einem, wie er dachte, überraschenden Impuls versuchte Seto nach den Navigationsinstrumenten zu schnappen, doch Joey hatte es rechtzeitig bemerkt und hielt beides schnell noch ein paar Zentimeter höher und verstärkte den Griff, mit dem er Seto zwischen sich und dem Baumstamm eingeklemmt hielt. In diesem Augenblick vergaßen sie beide sich und ihre Kinderstube nahezu vollkommen. Kein Wunder, gab es doch hier niemanden, der sie im letzten Moment noch zurückhalten konnte. Hämisch lachend rief Joey aus: „Tja, dann sieh mal zu, wo du bleibst, reicher Pinkel!“, ließ ihn urplötzlich los und rannte in eine unbestimmte Richtung davon.

Mit einem kurzen Japsen löste sich Seto von dem Baum, stützte die Hände auf die Knie und nahm zwei kurze Atemzüge, bevor er „Na warte!“ murmelte und ohne groß nachzudenken zu Joeys Verfolgung ansetzte. Voller Adrenalin und mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit rannte er über Stock und Steine, übersprang Äste und balancierte den unebenen Waldboden aus. Keine Spur mehr von Flow und Rhythmus – in nur wenigen Minuten hatte sich die Situation zu einer Art Kampf ums nackte Überleben entwickelt.

Als der Blonde sich nur für eine Millisekunde umdrehte, um zu sehen, wie weit Seto noch von ihm entfernt war, übersah er eine aufragende Wurzel, stolperte und schlug der Länge nach hin, schaffte es dabei aber, Karte und Kompass sicher in seiner Hand zu behalten. Seto lief nur knapp an ihm vorbei und sah seine Gelegenheit gekommen. Gerade als er sich ein Stück nach unten beugte und seine Finger ausstreckte, um nach den Gegenständen zu greifen, drehte Joey sich auf den Rücken, grätschte ihm zwischen die Beine und riss ihn damit ebenfalls von den Füßen. Schmerzhaft traf Seto mit der Hüfte auf dem Boden auf, glücklicherweise etwas gedämpft von der dicken Blätterschicht. Aber die Schmerzen spielten im Moment keine Rolle und waren schon eine Sekunde später fast vergessen. Verbissen robbte Seto sich durch das feuchte Herbstlaub und stürzte sich auf Joey. Blitzschnell war er über ihm und verpasste ihm einen kurzen, aber starken Stoß mit dem linken Ellenbogen in die rechte Seite, wodurch sich der Blonde kurz zusammenkrümmte, sodass Seto seine Arme mit den Knien fixieren und endlich nach der Karte greifen konnte. Joey dachte jedoch gar nicht daran loszulassen. Es schien, als wolle er mit jeder Faser seines Körpers dafür kämpfen, die Oberhand zu behalten. Haselnussbraune und ozeanblaue Augen funkelten sich voll unverhohlener Wut und nahezu grenzenlosem Hass an, ihre Hände hielten beide an der Karte fest und zogen daran, kein Griff lockerte sich und es kam, wie es kommen musste. Die Karte hielt den Zugkräften nicht mehr länger Stand, riss entzwei und Joeys verkrampfter Griff löste sich vor Überraschung. Eine kräftige, herbstliche Windböe fuhr genau in diesem Moment durch den Wald und wehte ihnen nicht nur noch mehr Laub und Dreck in Haare und Gesichter, sondern erfasste auch den Papierfetzen und trug ihn davon. Der Blonde erschrak, löste sich aus Setos ebenfalls unwillkürlich gelockerter Fesselung, sprang auf und rannte hinterher. Das Papier wurde immer weiter in die Luft davon getragen und Joey sprang noch verzweifelt in die Höhe, um heranzukommen, aber es war zwecklos. Das Stück Karte flog immer weiter und war nur wenig später aus ihrer beider Sichtfeld verschwunden.

Joey resignierte, stützte die Hände auf die Knie und blickte schwer atmend zu Boden. Er hatte unzählige Reste von Blättern und kleine Stöckchen im Haar und sein weißes T-Shirt hätte wohl gut als Vorher-Beispiel in einer Waschmittelwerbung dienen können. Auch Seto erhob sich und klopfte sich eher notdürftig den Schmutz von seiner Kleidung. Kurz zuckte er zusammen, als sich die Schmerzen in seiner Hüfte und seinem Rücken wieder meldeten, aber er versuchte sie für den Moment auszublenden. Mit der rechten Hand wuschelte er sich durch die Haare, um seinerseits ebenfalls gefühlt den halben Wald herauszuschütteln, in der linken hielt er noch immer den Rest der Karte. Nachdem er seine Haare wieder halbwegs in Form gebracht hatte, warf er einen Blick darauf und hoffte inständig, dass es sich um den oberen Teil mit den letzten Stationen handelte. Nun, Muto hätte es wohl eine Strafe des Schicksals genannt, aber von diesem Quatsch hielt er ja bekanntlich nichts – es war einfach nur Pech.

Der Riss ging sauber durch Station sieben, die höheren Zahlen fehlten.
 

Seto hatte keine Kraft mehr, wirklich wütend zu sein. Weder auf sich, noch auf Wheeler. Er war nicht eben stolz auf diesen neuerlichen und so anders gearteten Kontrollverlust, doch endlich, nach all diesen Jahren, hatte sich ihr Hass aufeinander, wenn auch nur kurz, entladen können. Und irgendwie fühlte es sich auch … gut an, gelöst, als hätte sich endlich etwas Bahn gebrochen, das schon lange einmal rausgemusst hatte. Außerdem hatte es niemand gesehen und wenn er ihn so ansah, dann schien es, als wäre auch Wheeler im Moment nicht unbedingt stolz auf sein Verhalten, in Anbetracht der Tatsache, in welche Lage es sie manövriert hatte.

Der saß mittlerweile erschöpft und keuchend an einem Baum, hielt sich noch immer seine schmerzende rechte Seite und sah ihn etwas zerknirscht an: „Und jetzt?“

Seto seufzte, studierte noch einmal den Kartenschnipsel und versuchte sich das verlorene Stück so genau wie möglich vorzustellen. Konzentriert überlegte er und fuhr mit dem Finger die imaginären Linien zwischen den einzelnen Punkten auf der Karte nach: „Mhm, wir waren hier und hätten nach Nordosten gemusst, dort hinten irgendwo habe ich vorhin aber die Bachbiegung gesehen, was mich vermuten lässt, dass wir stattdessen recht weit südöstlich in diese Richtung gelaufen sind und uns jetzt ungefähr hier befinden. Dann müssten wir also grob nach Nordwesten, um zur Neun oder Zehn zu kommen, wenn ich die Positionen noch halbwegs richtig vor Augen habe. Und von dort aus sollte der Weg in Richtung Herberge relativ eindeutig sein.“

Joey nickte nur stumm, während Seto zu ihm trat und fordernd die Hand aufhielt. Verwundert blickte der Blonde erst die Hand an und dann fragend auf zu ihm.

Seto verdrehte die Augen. „Mein Gott, Wheeler, wie schwer von Begriff kann man eigentlich sein?! Gib mir gefälligst den verdammten Kompass!“

„Oh, ja klar!“ Ächzend stand Joey auf und griff in seine Hosentasche. Er wühlte und wühlte und mit zunehmender Sorge bemerkte Seto die auffällig lange Dauer des Suchprozesses. Mit einem klaren Anflug von Panik wechselte der Blonde hektisch zu der anderen Tasche. „Gib mir nur noch einen Moment, er muss doch hier irgendwo …“ Seto schloss die Augen und massierte sich die Stirn. Obwohl ganz offensichtlich war, dass er nirgendwo mehr weitere Taschen hatte, klopfte Joey sich suchend am ganzen Körper ab.

„Köter!“ Setos Stimme hob sich bedrohlich. „Bitte sag mir, dass du den Kompass irgendwo hast! In der Vogelbehausung, die du Frisur nennst, deinen Schuhen oder von mir aus auch in deiner Unterhose!“ (Falls eine der letzten beiden Optionen zutraf, würde Wheeler das Objekt allerdings schön selbst in der Hand behalten.)

Schließlich gab Joey die Suche auf und rieb sich verlegen den Nacken. „Ähm…ja. Ich muss ihn wohl vorhin bei unserer kleinen…Auseinandersetzung verloren haben…“

Seto presste die Lippen zusammen und sah zur Seite, bevor er halb zu sich selbst, halb zu seinem blonden Begleiter fluchte:„Verdammt noch eins, Wheeler, du bist wirklich die Inkompetenz auf zwei Beinen!“

In Joeys Augen trat erneut der schwache Anflug eines Funkelns. „Und du … du bist die … fehlende Sozialkompetenz auf zwei Beinen!“

„Wirklich sehr schlagfertig!“, kommentierte Seto beiläufig, während er sich umwandte, um zurück zu der Stelle zu gehen, wo sie vorhin gestritten hatten. Als er bemerkte, dass Joey nicht nachkam, drehte er sich noch einmal um. „Na los, beweg gefälligst deinen Hintern und lass uns nachschauen, ob wir das Teil noch irgendwo finden.“

Ohne eine weitere „schlagfertige“ Antwort folgte Joey ihm und gemeinsam suchten sie den aufgewühlten Waldboden nach dem Kompass ab.

„Warum werden diese Dinger auch noch in Tarnfarben bemalt?! Wer denkt sich sowas aus?“, brachte Joey seinen Unmut über ihren ausbleibenden Erfolg zum Ausdruck.

„Zumindest in diesem Punkt gebe ich dir ausnahmsweise Recht, Wheeler.“

Auch zehn Minuten später hatten sie den Kompass noch nicht gefunden. Ratlos sah Joey Seto an. „Und was machen wir jetzt?“

Da blitzten Setos Augen kurz auf. Er öffnete den Reißverschluss der dezent versteckten Tasche im Bund seiner Sporthose und zog sein Telefon hervor. Erwartungsvoll drückte er auf den Knopf an der Seite, um das Display zu aktivieren.

„Und?“, erkundigte sich Joey mit fragendem Blick.

Der Bildschirm blieb schwarz.

„Mein … Akku ist leer.“ Verwunderung stand überdeutlich in Setos Gesicht geschrieben. Soweit er sich zurückerinnern konnte, war das in seinem ganzen Leben noch nie vorgekommen. Andererseits war es aber auch logisch, er hatte in den letzten Tagen ja mit dem Gerät nicht besonders viel machen können außer sich wecken zu lassen, weshalb er dem niedrigen Akkustand keine weitere Beachtung geschenkt hatte.

Joey lachte. Erst bitter, dann jedoch wurde sein Lachen merklich ehrlicher und ausgelassener, bevor er sich wieder etwas beruhigte. Mit einem breiten Grinsen zeigte er auf das Telefon in Setos Hand. „Richte Mokuba bei nächster Gelegenheit Grüße von mir aus, und sag ihm, der alte Joey ist mächtig stolz auf ihn!“

Ein absolut tödlicher Blick aus blauen Augen brachte ihn sofort wieder zum Schweigen, aber man konnte sehen, dass der Blonde noch immer still in sich hinein kicherte.

Dann zog auch er sein Handy aus der Hosentasche. Großartig, das hatte dieser unfähige Vollidiot natürlich nicht verloren!

„Ich sehe, worauf du hinauswillst, Kaiba! Ich sage nur: Kompass-App! Aber braucht man dafür nicht Empfang? Ich hab nämlich hier keinen…“

Seto schüttelte den Kopf. „Nein, das funktioniert rein über Satellit und die Sensoren im Smartphone.“, klärte er Joey auf. Der nickte und tippte ein paar Mal auf seinem Telefon herum bis sich seine Miene schließlich aufhellte. „Moment … ah ja, das sieht gut aus! Ladies und Gentlemen, wir haben wieder eine Richtung! Also, wo hast du nochmal gesagt müssen wir hin?“

„Nordwesten.“

„Alles klar, los gehts!“

Da aufgrund ihrer leichten Blessuren keiner von ihnen mehr schnell rennen konnte oder wollte, war das Tempo, das sie nun anschlugen, ein eher gemächliches. Unauffällig warf Seto noch einmal einen Seitenblick auf das Telefon in Joeys Hand, um sicherzustellen, dass der Blonde auch wirklich die richtige Richtung angepeilt hatte, konnte das aber glücklicherweise bestätigen.
 

Für die nächsten zehn Minuten sprach keiner von ihnen ein Wort; die Geschehnisse der letzten halben Stunde mussten beide erst einmal setzen lassen. Seto wollte sich gar nicht ausmalen, was sie bei ihrer Rückkehr erwarten würde. Nicht nur war er schon wieder ‚verloren gegangen’, was Frau Kobayashis Paranoia seine Anwesenheit betreffend wohl noch einmal mehr befeuern würde, nein, sie sahen beide auch noch ziemlich ramponiert aus und würden aller Wahrscheinlichkeit nach hauptverantwortlich dafür gemacht werden, dass ihre Klasse auch diese Disziplin verlieren würde: Nicht nur wegen ihrer mittlerweile absolut unterirdischen Zeit, sondern auch dadurch, dass sie alleine bereits fünfzig Prozent des erlaubten Limits an fehlenden Stempeln für ihre Klasse einbrachten. Nun, er würde damit klarkommen, war das doch im Vergleich nichts gegen so manche Dinge, für die er in der Presse und im Internet bereits verantwortlich gemacht worden war. Trotzdem war es natürlich unangenehm, dass alle Anwesenden nur noch auf sie warten würden. Das war nicht die Art von großem Auftritt, die ihm für gewöhnlich zusagte. Unwillkürlich begann sein Herz wieder schneller zu schlagen, als ihm bewusst wurde, dass neben Frau Kobayashi und dem restlichen Kindergarten auch Duke sie gewiss erwarten würde. Erneut sah er den intensiven, ehrlich besorgten Ausdruck der grünen Augen vor sich, mit dem ihn der Schwarzhaarige gestern am See gemustert hatte. Ob er sich auch jetzt um ihn … ?

Nein, warum sollte er auch?! Und falls er sich um irgendwen Sorgen machte, dann doch wohl eher um seinen tölpeligen Kindergartenfreund Joey.

Besagter Kindergartenfreund blieb auf einmal unerwartet stehen und blickte sich um. Mit der Hand griff er nach einem baumelnden Objekt aus kleinen Ästchen, das in einem der Bäume hing und betrachtete es mit großen Augen. Offensichtlich löste es eine starke Aufregung in dem Blonden aus, die Seto nicht ganz verstand. Er betrachtete es eher ein beruhigendes Zeichen, dass anscheinend vor nicht allzu langer Zeit jemand hier gewesen war – vermutlich Wanderer mit irgendeinem merkwürdigen spirituellen Hintergrund.

„Oh mein Gott!“, rief Joey aus, „Sag mir bitte, dass wir es aus diesem Wald rausschaffen und nicht die Nacht hier verbringen müssen! Und wenn du irgendwo eine baufällige Ruine sehen solltest, dann rennen wir bitte ganz weit weg davon, okay?“ Seto verstand nur Bahnhof und sah Joey verständnislos an. „Wovon um alles in der Welt redest du da, Köter?“

„Hallo?!“ Aufgeregt wedelte Joey mit den Händen in der Luft. „Blair Witch Project?! Der Horrorfilm?“ Offenbar fühlte er sich bemüßigt, Setos Wissenslücke zu schließen und hob zu einer ausführlicheren Erklärung an: „Also da sind diese jungen Dokumentarfilmer, die über diese Hexe berichten wollen und die verlaufen sich in dem Wald, wo die Hexe angeblich sein soll und dann finden sie immer wieder solche Zeichen in den Bäumen und wenn es dunkel wird, dann …“

Seto fiel ihm harsch ins Wort: „Wheeler, hör auf, ich kenne den Film nicht und er interessiert mich auch nicht!“ Er schüttelte den Kopf und lief weiter. „Außerdem bin ich schon seit mehreren Stunden mit dir allein im Wald, ich bin also praktisch in meinem persönlichen Horrorfilm!“ Das klang weniger streng, als er beabsichtigt hatte, aber es war ihm in diesem Moment auch egal. Mit einem kleinen Schmunzeln seufzte Joey nur und folgte ihm.
 

Weitere zehn Minuten später deutete der Blonde in die Ferne: „Da, sieh mal! Das sieht nach einer Station aus, oder?“ Auch Seto kniff die Augen zusammen und nickte: „Ja, könnte sein.“

Wie ein Verdurstender in der Wüste, der eine Oase entdeckt hat, rannte Joey unter Schmerzen und Flüchen zu der Stelle und hielt schließlich freudig grinsend einen Stempel in die Höhe. Wie Seto zu seiner Befriedigung feststellte, als er ebenfalls ankam, handelte es sich ganz plangemäß um Station Zehn. Das bedeutete, sie mussten jetzt nur noch mehr oder weniger geradeaus nach Osten laufen, um wieder zum Gelände der Herberge zurück zu gelangen.

Genau das taten sie dann auch und schon bald lichteten sich die Bäume merklich. In wenigen Minuten würden sie es endlich geschafft haben. ‚Und das mit nur etwas mehr als einer Stunde Verspätung!‘, dachte Seto ironisch beim Blick auf seine Uhr, bevor ihn eine weitere unerwartete Frage von der Seite aus dem Konzept brachte.

„Sag mal, stehst du eigentlich auf Dinos?“

„Bitte was?!“ Er sah den Blonden an, als habe dieser jetzt endgültig den Verstand verloren.

Der wiederholte das Gesagte noch einmal: „Ist doch eigentlich eine ganz simple Frage: Magst du Dinos?“

Seto schüttelte den Kopf. „Ich habe zwar keinen Schimmer, wie dein kleines Hundehirn jetzt auf diese Frage kommt, aber wenn du dann Ruhe gibst: Nein, nicht besonders.“

„Aber warum hast du dann…?“

Der Brünette unterbrach ihn: „ Können wir – und damit meine ich vorrangig dich – jetzt bitte einfach noch für ein paar Minuten still sein?!“

„Du meinst, bevor gleich die Hölle losbricht und alle fragen, was mit uns passiert ist?“

„Mhm.“

„Na schön. Aber nur, wenn ich den anderen nachher erzählen darf, dass ich es dir so richtig gegeben habe im Wald!“

Es mochte an Setos aktueller Prädisposition liegen, dass er die Doppeldeutigkeit der Aussage so klar vor sich sah, dass er nicht recht wusste, ob er über Wheelers Unbedarftheit (innerlich) lachen oder weinen sollte. Letzten Endes gab er Joey nur den nüchternen und sachlichen Rat: „An deiner Stelle würde ich mir meine Wortwahl genau überlegen, Köter, oder die Leute könnten sich geneigt sehen, Schlüsse zu ziehen, die du nicht beabsichtigst…“ (Ebenso wenig wie er selbst, natürlich.)

„Hä?“

Der Brünette schüttelte nur den Kopf und seufzte. „Halt einfach deine Klappe und denk nochmal darüber nach!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, jetzt konnten also beide mal ein bisschen Dampf ablassen und zumindest für den größten Teil des Laufes hat Seto auch tatsächlich gar nicht an seine Hormone und die Ursache für deren Verrücktspielen denken müssen. Das wird dann vermutlich beim nächsten Mal wieder anders aussehen ;-D
Und wir nähern uns tatsächlich langsam, aber sicher einem Durchbruch... ;-)

Also stay tuned und bis zum nächsten Mal!
LG
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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Yui_du_Ma
2021-10-01T16:03:13+00:00 01.10.2021 18:03
Das Kapitel fand ich super.
Toller Lauf, schön geschrieben.
Hat Spaß gemacht es zu lesen.
Man konnte sich die zwei Streithähne gut vorstellen. ^.^
Von:  Hypsilon
2021-07-16T17:41:27+00:00 16.07.2021 19:41
Ach herrje, war ja klar, dass das schief geht xD
Dass Seto Joey tatsächlich die Führung überlassen hat, hat mich total überrascht, aber beschrieben hast du es dennoch praktisch.
Immerhin fängt Seto ja auch jetzt laaangsam an, zu entspannen, auch wenn erd as wohl nie zugeben würde hihi.
Die Streierei fand ich toll, fands Anfangs etwas schade und fast zu harmonisch aber es ist ja dann bald eskaliert und hat genau meinen Geschmack getroffen. Schön, dass die beiden nicht im Wald schlafen müssen.
Jetzt bin ich gespannt, ob sie die letzten sind, oder es noch 2 andere Spezialisten gibt, die noch schlechter dran sind.
Antwort von:  DuchessOfBoredom
16.07.2021 20:50
Ja, stimmt, es hat wirklich ein bisschen gedauert, bis sie aufeinander losgegangen sind. Wenn ich es jetzt erklären müsste, würde ich sagen, dass Joey erstmal bis zum Start genau wie Seto ein bisschen in sich reingrummeln musste und sich vielleicht auch vor der anderen Klasse nicht mit ihm zerpflücken wollte. Dann hat er ja erstmal mehr mit seiner Kondition zu kämpfen gehabt und wollte keine Schwäche zeigen, aber spätestens als ihn Seto dann immer mehr provoziert hat, konnte er natürlich nicht mehr anders – Kondition hin oder her. ;-)

Das Kapitel mit ihrer Rückkehr und den folgenden Disziplinen muss ich noch weitestgehend erarbeiten, danach dringe ich dann langsam wieder in die Gefilde vor, wo schon eine Menge da ist und wo es dann auch wirklich spannend wird. XD Aber das will jetzt in dem/den kommenden Kapitel(n) noch gut aufgebaut und vorbereitet werden - da werde ich mir also so viel Zeit nehmen, wie es braucht, damit das im Story-Verlauf hoffentlich ein rundes Bild ergibt. ;-)

Bis zum nächsten Mal auf jeden Fall und nochmal vielen Dank fürs fleißige Kommentieren trotz des Viel-um-die-Ohren-Habens! <3
Antwort von:  Hypsilon
16.07.2021 21:22
Jap, stimmt, das ist durchaus gut aufgebaut. Dass sie erstmal still vor sich hingrummeln ist auch ne sehr passende Sache.

Uh, das klingt nice. Bin schon sehr gespannt und kann nur unterstützend sagen: nimm dir all die Zeit, die du dafür brauchst.
Denn gut Ding braucht Weile und deine Fanfiction ist mega toll ❤
Von:  empress_sissi
2021-07-14T22:44:35+00:00 15.07.2021 00:44
Ich hatte ja wirklich riesige Erwartungen an dieses Kapitel, weil - und ja, ich wiederhole mich jetzt - ich deine Schilderungen der Auseinandersetzungen zwischen Seto und Joey liebe, aber du übertriffst sie alle um ein Vielfaches. Es ist so genial und lustig, ich komme gar nicht als dem Lachen raus. Wieder diese tolle Dynamik und als sie sich nach dem Streit doch irgendwie einigen, super! Die Blair-Witch-Szene ist auch irgendwie so retro und die Anspielung am Ende gibt mir quasi den Rest xD So sehr ich mich auch schon auf ne richtige Annäherung zwischen Duke und Seto freue, diese Szene gehört jetzt jedenfalls zu meinen Favoriten 😂😁
Antwort von:  DuchessOfBoredom
16.07.2021 20:29
Wow, vielen Dank für das viele Lob! 🥰
Ich freue mich riesig, dass du auch so viel Spaß an dem Kapitel hattest und arbeite jetzt umso motivierter weiter, damit die Annäherung dann tatsächlich nicht mehr so lange auf sich warten lässt! :D
Von: Karma
2021-07-14T09:43:37+00:00 14.07.2021 11:43
Oh, herrlich!
🤣🤣🤣🤣🤣🤣
Viel mehr kann ich leider heute nicht da lassen, bin gerade eigentlich noch bei der Arbeit.
😅
Aber ich konnte nicht widerstehen und musste unbedingt lesen.
Antwort von:  DuchessOfBoredom
16.07.2021 20:25
Freut mich, dass es dich so neugierig gemacht hat, dass du schon während der Arbeit reinlesen musstest, das ist ja auch irgendwie ein großes Kompliment! <3 Und noch schöner, dass es dir dazu auch gefallen hat! :) Danke!
Antwort von: Karma
16.07.2021 22:04
Oh, ich komme bei dieser Story eigentlich immer auf meine Kosten.
😍😍😍😍😍


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