Zum Inhalt der Seite

Break on through

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Den Wind im Nacken erreichte sie die Grenzviertel. Augen konnten nicht so schnell auf den Ankömmling blicken als Eoweli bereits zum Treffpunkt der Rebellenarmee angelangt war. Sie erblickte Tiwaz, wie er die letzten Holzscheite für den kommenden Winter mit der Axt spaltete.

"Tiwaz", rief sie und zwang ihr Pferd stehen zu bleiben. Der Rebellenanführer hielt in seiner Bewegung inne. Die Prinzessin vor ihm ließ Tiwaz die Axt fallen. Er kam auf sie zu, stellte sich neben ihr Pferd und half ihr herunter zu kommen.

"Prinzessin", raunte er, "geht es euch gut?"

Eifrig nickte sie. "Wir haben keine Zeit für Erklärungen", sie griff nach seinem Kragen und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, "Tiwaz, wir müssen gehen. Noch heute Nacht. Er...er hat mich gehen lassen. Wenn wir es vor Mitternacht schaffen zu fliehen, dann-"

"Ganz ruhig", er packte sie bei den Hüften. Sein eiskalter Blick ermahnte sie gleichmäßig zu atmen. "Du sagst, er hat dich gehen lassen? Und, dass wir fliehen können?"

Sie nickte, etwas zu stark, dass ihr der Kopf drückte. "Wir brauchen Boote. Die Leute - ich weiß nicht, wie vielen wir davon erzählen können...ich-" Sie merkte, wie alles zu viel wurde. Damit hatte sie nicht gerechnet. Diese eine Chance - sie durfte jetzt nicht versagen.

"Eoweli", die Stimme ihres Gegenübers riss sie aus dem Panikstrudel, "wir haben drei Boote, fünf können meine Männer bis Anbruch der Dunkelheit beschaffen. Überlass' das uns. Du solltest deine Kräfte schonen. Denk' daran, dass du noch nie so viele Menschen auf die andere Seite gebracht hast. Wenn du dich jetzt verausgabst-"

"Ja, ich weiß", gestand sie kleinlaut. Ihre Hände begannen zu zittern. Tiwaz ergriff sie und hielt sie sich an die Lippen.

"Wir können nur eine begrenzte Anzahl an Einwohnern mitnehmen - hundert, wenn überhaupt."

"Versucht so viele Menschen wie möglich auf die Boote zu bringen. Und vergesst nicht, ihr müsst sie mit einem Seil verbinden, damit ich alle mitnehmen kann. Und bitte", sie sah ihm tief in die Augen, "lass' die Schwachen und Kranken nicht zurück. Auch wenn deine Logik sich dagegen sträubt. Ich habe es ihnen versprochen."

"Dein Wunsch sei mir Befehl", entgegnete er ernst, "lass' mich jetzt meine Aufgabe tun. Vor dem letzten Glockenschlag sind wir von der Insel."

"Ja", diese Worte flossen in ihr Innerstes. Sie konnte nicht fassen, dass ihre Gedanken bald Wirklichkeit würden. Mit einem letzten Nicken Seitens Tiwaz orderte er einen seiner Männer an, bei Eoweli zu verweilen. Er selbst schnappte sich zwei seiner engsten Vertrauten und eilte mit ihnen durch die nächste Gasse. Alles, was der jungen Prinzessin jetzt blieb, war es abzuwarten. Erwiesen sich die letzten Wochen und Monate als qualvolles Ausharren, wurden die nächsten Minuten zur Folter ihrer eigenen Geduld. Allmählich breitete sich die Unruhe auch innerhalb des Viertels aus. Die Stimmung - kaum greifbar für die junge Prinzessin, welche mit ihrem eigenen Gefühlsbad zu kämpfen hatte. Erst als Tiwaz mit seinen Männern zurückkehrte, schien sich ihr Gedankenchaos zu beruhigen. Sie hatten die zwei Boote beschaffen können, sowie einige zusätzliche Materialien zur Stabilität, dass sie das Gewicht von über hundert Mann aushielten. Aus den Lagern wurde das Nötigste geholt - Verbände und Stoffe hielten die Frauen in ihren zittrigen Händen, während an ihren Rücken die Jüngsten mit einem Leinentuch befestigt wurden. Den Alten hatte man kleine Säcke voll Samen in die Hände gedrückt, die später für die erste Aussaat genutzt werden sollten. Eoweli wusste, dass jedes einzelne Samenkorn hart erkämpft worden war. Für die Pangäsanen, die kaum etwas von ihren eigenen Vorräten abgeben konnten, war diese Auslese eine halbe Frühjahrsration. Sie hoffte, dass die Erde der anderen Seite so fruchtbar war, wie man es ihr erzählt hatte. Mit dieser Ausbeute kamen sie zumindest über den Winter.

Immer wieder huschten Männer an ihr vorbei, deren Gesichter so zerwühlt waren, wie ihre Frisuren vermuten ließen. Sie bereiteten die Boote vor, ließen hier und da den Hammer schwingen. Die verbliebenen kümmerten sich um die Kranken und Verletzten. Dann wurden die Seiten der Boote mit straffen, dicken Seilen verbunden. Die Sonne war in der längsten Nacht des Jahres bereits hinter dem Horizont verschwunden als die Bewohner die Boote bestiegen. Das Mittlere der fünf betrat die Prinzessin. Nun war es also soweit. Ihr Herz sprang ihr vor Aufregung beinahe aus der Brust. Sie war erstaunt, dass kein Funken Wehmut sie ergriff. Keine Trauer darum, ihre Heimat zu verlassen. Ihr Zuhause, das ihr einst so viel Wärme und Liebe gegeben hatte. Hinter dem Schleier spürte sie eine ebenso mächtige Verbindung, dass die Trauer von einem Gefühl überdeckt wurde, die einer Heimkehr sehr nahe kam. Den Blick auf Tiwaz gerichtet, der eines der Ruder gepackt hatte, wusste sie, dass sie nichts mehr auf Atlantis hielt. Ihre Zukunft lag auf der anderen Seite.

In gleichmäßigen Bewegungen zogen die Männer die Ruder durchs Wasser, dass die Boote eine einheitliche Linie bildeten. Dieses Vorgehen kostete Zeit, führte aber auch dazu, dass keines der Seile reißen konnte. Um jeden von ihnen auf die andere Seite zu ziehen, brauchte Eoweli diese Art der Verbindung - eine unumgängliche Notwendigkeit, für die sie keine andere Lösung wusste. Die Hand auf die Brust gedrückt sah sie der kleiner werdenden Insel hinterher. Von hier wirkten die Lichter der Stadt wie kleine rote Punkte. Die junge Prinzessin blinzelte.

"Schneller", rief Tiwaz, dass es die anderen vier Boote erreichte. Eowelis Augen weiteten sich. "Das ist-", sie konnte ihren Satz nicht beenden. Ein Kloß hatte sich durch ihren Hals geschoben.

"Sie attackieren das Viertel", knurrte der Anführer und blickte auf den roten Fleck, der sich auszuweiten schien. Erste Rauchschwaden ragten empor.

"Warum?", Eoweli krallte die Finger in ihren Schoß.

"Weil sie es können", antwortete Tiwaz. Sie sah es ihm an - wie ihm dieser Anblick die Fassung raubte, "es war zu erwarten, dass sie das Viertel niederreißen würden. Sie scheinen gut vorbereitet...wir dürfen jetzt nicht schlappmachen, sonst-" Ein roter Streifen blendete ihre Augen. Der Feuerfpeil landete knapp vor ihrem Boot. Die junge Prinzessin erstarrte. Die gesamte Küste wurde ein flammendes Inferno. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie die Soldaten ausmachen, die sich ebenfalls zu einer Linie formiert hatten. Jemand blies in ein Horn, der Ton drückte sich in ihr Trommelfell. Wenige Augenblicke später schossen die Pfeile wie Hagelkörner auf sie hernieder. Die ersten Schreie ertönten. Säugling weinten, Flüche und Gebete wurden zu gleichen Teilen ausgestoßen. Panik ließ Eowelis Innerstes zu Stein erstarren. Sie konnte nicht aufhören auf die Pfeile zu blicken. Das erste Boot begann bereits zu kentern. Qualm ließ die Schreie im Keim ersticken.

"Links", rief einer der Männer. Ihr eigenes Boot begann zu wackeln.

"Nein", Eoweli wollte nicht begreifen. Kannte sie längst die Wahrheit, versuchte sie diese mit aller Macht abzuschütteln.

"Eoweli", Tiwaz Stimme drang zu ihr durch. Sie sah sein Gesicht nicht, aber seine Stimme ließ sie annehmen, dass er dicht an ihrem Ohr war, "du musst es tun! Jetzt!"

"I-ich", sie fasste sich an die Stirn. Eine warme Flüssigkeit rann ihre Schläfe hinab. "Ich kann nicht", keuchte sie, "er...er wird vor der Küste warten. Er wird sehen, wenn ich den Stein einsetze und es verhindern."

"Was?!"

"Du weißt, Darets Stein kann das Tor zur anderen Seite schließen. Ich brauche genug Abstand zu ihm, dass unsere Steine keine Verbindung schaffen können... Das weiß er."

"Dieser-", mehr hörte sie ihn nicht sagen. Die Schreie übertönten ihn. Todesschreie, die der Hoffnungslosigkeit erlegen waren. Sie presste die Lippen zusammen und blinzelte gegen die Tränen. Der Rauch machte es ihr unmöglich. Ihre Augen wandten sich von der Zerstörung ab. Eoweli konnte nur noch starr geradeaus blicken. Unaufhörlich schossen die Pfeile Feuer in die Boote. Ein präziser Schuss lenkte einen von ihnen direkt auf die junge Prinzessin, die sich nicht von der Stelle bewegte. Das Licht erstarb - ein dunkler Schatten bedeckte ihr Gesicht. Blaue Augen trafen ihre Seelenspiegel. Tiwaz hatte sich vor sie gestellt, für einen Moment schien es als wäre er zur Eissäule geworden. Er öffnete seinen Mund. Blut trat zwischen seinen Lippen hervor. Dann kippte er nach vorne, auf Eoweli, welche die Arme um ihn schlang. Ihre Hände ertasteten seinen Rücken. Mehrere Pfeile hatten ihn durchbohrt.

"Nein", flüsterte sie.

Ein Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht. "Ich...sagte doch, dass ich-" Schweigen. Die Zeit hielt an.

"Tiwaz", ihre Atmung setzte aus, "nein", sie strich ihm über den Rücken. Doch er regte sich nicht. Sein Körper wurde immer schwerer, Eoweli drohte unter dem Gewicht umzukippen. "Nein", sie konnte die Augen nicht von ihm abwenden. Die Lider halb geschlossenen schien es als wollte er sich nur kurz ausruhen. "Nein", sie rüttelte an ihm, "Nein!", ihr Schrei hallte durch die Nacht. Die Stimmen der anderen erstarben. Sie konnte nicht aufhören zu schreien. Nichts geschah, was ihrem Willen entsprungen war. Hitze floss durch ihren Körper, erreichte den Stein um ihre Kette. Der Ozean erzitterte. Rotes Licht trat aus der jungen Prinzessin heraus. Diesmal war es keines der Feuerpfeile. Es war Kannavaritis. Energie strömte aus dem roten Stein, riss die Raum-Zeit-Pforte auf, spaltete das Wasser unter sich. Stimmen nisteten sich in ihren Kopf ein. Die junge Prinzessin verlor das Bewusstsein, noch bevor das Leuchten des Steines erloschen war.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück