Zum Inhalt der Seite

Der Untergang der Isekai

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das kleine Stück Freiheit

Die Zeit verging, in der ich mich die meiste Zeit mit meinen Büchern ablenkte. Seit gestern besaß ich auch eines über das Training von Aldurias. Kleine, echsenartige Lebewesen mit einer hohen Intelligenz, die von Spähern eingesetzt werden, um Feinde unauffällig auszuschalten oder Schlösser zu überwinden. Es gab unzählige verschiedene Zeichen, mit denen man den schwarzen Wesen komplexe Anweisungen geben konnte. Jesse hatte es mir überreicht, da ich meine Ausbildung bald beginnen sollte. Unkonzentriert klappte ich das Buch zu und sah in den weiten Himmel. Nur wenige Wolken unterbrachen das unendliche Blau. Einen Moment schloss ich die Augen und genoss das warme Gefühl der Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Auf dem Fenstersims wurde es zwar schnell unbequem, doch ich hatte hier nicht mehr das Gefühl eingesperrt zu sein. Langsam wurde mir dieses Zimmer zu viel, aber morgen würde ich endlich hier rauskommen. Die Frage war nur, ob ich in Freiheit oder auf dem Weg in mein neues Gefängnis sein werde. Ich schüttelte den Gedanken ab. Haou hatte mir versichert, dass alles gut werden würde. So wie er es ausgedrückt hatte, würde er die Abstimmung gewinnen und dieser Spuk hatte endlich ein Ende. Zwar war der Mörder von Meister Lyman noch immer nicht gefasst, aber es waren genug Meister im Rat auf unserer Seite. Allerdings war ich mir unsicher, ob es wirklich der Wahrheit entsprach, oder ob er mir das erzählte, um mir keine Angst zu machen.

Ein dezentes Klopfen riss mich aus meinen Gedanken und ich sah zur Tür. Fonda kam freudestrahlend auf mich zu. „Hast du dein Frühstück beendet?“ fragte sie gut gelaunt.

Skeptisch betrachtete ich sie. Irgendwas war da im Busch. „Ja, wieso?“

„Der König hat eine Überraschung für dich.“

„Haou?“ Augenblicklich schlug mir mein Herz bis zum Hals und ich stand auf.

Das ließ sie leise lachen. „Er ist unten. Komm mit.“

„Ich darf hier raus?“ vergewisserte ich mich.

Sie nickte, wandte sich um, doch stoppte in ihrer Bewegung. „Ach, bevor ich es vergesse: Du sollst deine Rüstung anlegen.“

„Meine Rüstung? Aber wozu?“

Doch sie deutete nur auf die Kommode und lächelte dabei wissend.
 

Während wir durch die Gänge des Nebenkomplexes liefen, wurde ich immer aufgeregter. An der frischen Luft, weit abseits der engen Räume, war ich seit meiner Schwertkampfprüfung nicht mehr. Fonda nickte einer Wache zu, die die schwere Tür für uns öffnete. Die ersten Strahlen, die mir ins Gesicht schienen, blendeten mich, und bevor ich mich versah, spürte ich nicht mehr den harten Stein unter meinen Stiefeln, sondern weiches Gras. Eine seichte Brise umspielte meinen Körper und ließ mich unwillkürlich lächeln. Und dann sah ich ihn. Haou stand wie immer in seiner Königsrobe vor mir, sein Umhang bewegte sich leicht im Wind. Eine Strähne fiel ihm ins Gesicht. Ein außenstehender würde meinen, er sah ernst aus. Distanziert und ohne die Spur eines Lächelns. Doch ich erkannte den warmen Ausdruck in seinen Augen und wusste, dass er mir galt. Mein Herz hüpfte bei dem Gedanken ihn zu küssen, hatte er mich in den letzten Tagen doch immer so begrüßt. Aber er hatte ausdrücklich gesagt, dass ich mich ihm gegenüber in der Öffentlichkeit verhalten soll wie früher. Also schluckte ich den Drang herunter und schritt auf ihn zu. Erst jetzt fiel mir auf, dass Yubel nicht an seiner Seite war. Stattdessen stand Meister Ares neben ihm.

„Du kannst gehen, Danke“ richtete sich Haou an Fonda. Sie verbeugte sich und kam seinem Befehl nach. Erst als sie weg war, waren die goldenen Augen wieder auf mich gerichtet. Auch Meister Ares musterte mich von oben bis unten. „Ihr wolltet mich sehen?“ fragte ich zögerlich, um meine Nervosität zu unterdrücken. Ich wusste noch immer nicht, was das ganze sollte, schließlich wurde mir aufgetragen in meinem Behandlungszimmer zu bleiben, bis die Abstimmung entschieden wäre.

Nun huschte doch für einen kleinen Augenblick ein Schmunzeln über Haous Lippen. „Wir haben uns dazu entschieden, dass es für deinen Drachen das Beste wäre, wenn er etwas Bewegung bekommt.“

Überrascht blinzelte ich ihn an, warf einen Seitenblick zu Meister Ares. „Ich verstehe nicht ganz“ gab ich zu und betrachtete Haou fragend.

„Vor wenigen Tagen ist dein Schutzgeist ausgebrochen“ schaltete sich Meister Ares ein. „Damit das nicht noch einmal vorkommt, war unser König der Überzeugung, dein Drache bräuchte einen kontrollierten Ausgang, ohne das Volk zu verschrecken.“

Mein Herz machte einen Satz, aufgeregt sah ich wieder zu Haou. Heißt das wirklich das, was ich denke? Der Ausdruck in seinen Augen wurde liebevoll und er nickte. „Ein Tag sollte erst einmal reichen, um seinen Freiheitsdrang zu stillen, meinst du nicht?“

Mir stockte der Atem. Es dauerte einen Augenblick, bis ich es wirklich realisiert hatte. Plötzlich bildete sich ein Wirbel aus schimmernden Funken, aus dem Sternenstaubdrache erschien und ein freudiges Brüllen von sich gab. Ich lachte erleichtert, sah hoch zu meinem Drachen, der sich abwartend neben mich gestellt hatte. „Ich denke schon“ beantwortete ich Haous Frage und versuchte dabei dem Drang zu widerstehen, ihm um den Hals zu fallen. Mein Glück konnte ich kaum in Worte fassen. „Danke“ fügte ich schlicht an.

Meister Ares war einen Schritt zurückgewichen, gesellte sich aber wieder an die Seite unseres Königs. „Unter einigen Bedingungen“ erinnerte er ihn.

Haou rollte mit den Augen und fügte ernster an: „Bis Sonnenuntergang müsst ihr wieder hier sein, und euch vor großen Dämonenansammlungen fernhalten. Das Volk in der Stadt wurde vorgewarnt, aber einigen Dörfern im Umkreis würdet ihr einen riesigen Schrecken einjagen.“

„Verstanden“ sagte ich glücklich, wandte mich schnell zu Sternenstaubdrache, ehe Meister Ares es sich anders überlegen konnte.

„Ach, und Yusei?“ Mit der Hand an meinem Drachen drehte ich mich wieder zu Haou um. Ein warmes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Viel Spaß.“

Auch ich lächelte, nickte dabei. „Danke.“
 

Ungeduldig zuckten Sternenstaubdraches Flügel, als ich auf seinen Rücken kletterte. Kaum hatte ich in der kleinen Kuhle an seinem Nacken Platz genommen, breitete er seine mächtigen Schwingen aus und war mit einem Satz in der Luft. Erschrocken zog ich die Luft ein, hielt mich mit aller Kraft an einer Halszacke fest. Dabei sah ich meine Umgebung nur noch als Schemen an mir vorbeiziehen. Mit einem freudigen Brüllen schraubte er sich immer weiter in die Luft, bis er die Schwingen ausgebreitet ließ und in einen Gleitflug wechselte. Erst jetzt erlaubte ich es mir, richtig durchzuatmen. „Beim nächsten Mal bitte langsamer“ japste ich, versuchte meine zitternden Arme zu entspannen, die durch das Festklammern schmerzten. Doch mein Drache schnaufte nur amüsiert. Ich solle mich daran gewöhnen. Fasziniert blickte ich zu Boden, betrachtete, wie die Siedlungen Wäldern wichen, die von hier oben nur wie ein grünes Meer aussahen. Die Hauptstadt hatten wir während des rasanten Fluges schnell hinter uns gelassen. „Ich kann verstehen, warum dir das gefehlt hat“ sagte ich. Beobachtete einen Schwarm Vögel, die unweit von uns in Formation flogen und uns neugierig beäugten. So hoch oben waren wir wie in einer anderen Welt. Wieder ein bestätigendes Brüllen, die Vögel verließen einen Moment ihre Formation, zwitscherten beinahe wütend in unsere Richtung. Ein Lachen konnte ich mir nicht verkneifen.

Sternenstaubdrache wechselte die Richtung, flog weiter gen Norden. Immer dichter wurde die Wolkendecke, so nah, dass man sie beinahe greifen konnte. Mein Drache flog höher, ich hob meinen Arm. Beobachtete fasziniert, wie die Wolken sich um meine Hand kräuselten, wie der Flugwind sie sanft aufwirbelte, und ich damit eine schmale Furche bilden konnte. Ohne Hektik glitt Sternenstaubdrache höher, durch die Wolkendecke, sodass ich seinen Kopf nur noch erahnen konnte, bis wir das weiße Meer schließlich durchbrachen. Das plötzliche Licht der Sonne blendete mich einen Augenblick, ehe ich mich staunend umsah. Ich hatte auf dem Nebelberg bereits auf die Wolkendecke blicken können, aber das hier war etwas vollkommen anderes. Weiter. Friedlicher. Dieser Anblick, der Wind in meinem Gesicht, das zufriedene Brummen meines Drachen… Es fühlte sich nach Freiheit an. Die Sonne hatte ihren Zenit bereits überschritten und ich legte meine Hand sanft an den Hals von Sternenstaubdrache. „Wir sollten bald umkehren, wenn wir vor Sonnenaufgang wieder am Palast sein wollen.“

Er zog einen Bogen, wirbelte dabei den Schleier der Wolken mit einer seiner mächtigen Schwingen auf, und tauchte in selbigen ab, sodass ich nur noch meinen Drachen wahrnehmen konnte. Ich hörte das Geräusch der schlagenden Flügel, spürte die Bewegungen seiner Muskeln, die kleinen Wassertropfen, die sich auf meiner Haut sammelten. Eigentlich wollte ich noch nicht umkehren. Ein kleiner Zwischenstopp wäre sicher in der Zeit. Sternenstaubdrache brüllte freudig auf, ging in einen Sturzflug über und ließ mich nach Luft schnappen. Unter uns erkannte ich ein weites Waldgebiet. Einen großen See, dessen Oberfläche in der Sonne glitzerte. Mein Drache flog langsamer, hielt aber weiter auf den See zu. Warte… „Du willst doch nicht…“ Doch ehe ich die Frage stellen konnte, brüllte er bereits belustigt. Ich kniff die Augen zu, hörte einen Augenblick später das Platschen, spürte das kalte Nass, wie es mich umschloss. Zögerlich hob ich meine Lider, sah mich um. Nur gedämpft drang das Licht durch das Wasser, erhellte die Umgebung in seiner geisterhaften Stille. Der See war so klar, dass man den Boden bereits erahnen konnte. Eine Bewegung ließ mich Aufsehen. Eine Gestalt sah panisch zu uns, fuchtelte wild mit den Armen. Immer mehr Luftblasen stiegen auf, bis sie sich nicht mehr regte. Ertrinkt sie gerade? Sternenstaubdrache steuerte in ihre Richtung, sodass ich sie behutsam festhalten konnte, dann tauchte er wieder auf. Als wir die Wasseroberfläche durchbrachen, schnappte ich nach Luft, nahm ein par tiefe Atemzüge. Die Gestalt in meinen Armen war ein weiblicher Dämon. Sie rührte sich nicht. Besorgt versuchte ich sie wach zu rütteln, doch nichts geschah. Sie atmete nicht. In meinen Armen drehte ich sie auf den Bauch, klopfte vorsichtig auf ihren Rücken, bis sie schließlich einen Schwall Wasser abhustete. Erleichtert atmete ich auf, beobachtete Sternenstaubdrache dabei, wie er langsam Richtung Ufer glitt. Dort angekommen stieg ich ab, setzte die Dämonin vorsichtig ins Gras. Sie hustete noch immer, war aber wieder bei Bewusstsein. „Geht’s wieder?“ erkundigte ich mich.

„Was war das?“ fragte sie erschöpft, hob dabei ihren Blick, doch erstarrte. Mit großen Augen sah sie an mir vorbei, zu meinem Drachen. In ihrem Blick lag eine Mischung aus Angst und Ehrfurcht. Langsam rutschte sie zurück, brachte so etwas Platz zwischen uns.

„Sternenstaubdrache tut dir nichts“ versuchte ich sie zu beruhigen.

Das ließ sie verwirrt zu mir sehen. Kurz sah sie zu meinem Drachen, dann wieder zu mir. „Ihr seid der Mensch, oder?“

Ich nickte. „Tut mir leid, wenn wir dich erschreckt haben.“

Sternenstaubdrache erhob sich und ging gemächlich etwas abseits, legte sich hin und brummte zufrieden. Seine Schwingen legte er in voller Pracht in das weiche Gras. Ich schmunzelte. Er wollte sich nach der kleinen Abkühlung wohl sonnen. Ein Murmeln ließ mich wieder zu der Dämonin sehen. Auch sie betrachtete meinen Drachen, sah aber nicht mehr so verkrampft aus. „Ist alles in Ordnung?“

„Was?“ fragte sie, sah mich überrascht an. „Achso, ja. Ich hab nur einen riesen Schreck bekommen. Wer konnte ahnen, dass ein Drache plötzlich in den See springt? Macht das bloß nie wieder, ich dachte mein Herz bleibt stehen!“

„Entschuldige.“

Doch sie winkte ab, sah verträumt zu meinem Freund. „Schon gut. Ich hätte nie gedacht, dass ich die Ehre haben werde ihn zu sehen…“ Mit einem breiten Lächeln blickte sie wieder zu mir. „Dafür sollte ich Euch danken. Ich bin Carly.“

„Yusei“ antwortete ich verwundert. Was soll diese förmliche Anrede? Doch bevor ich fragen konnte, sah ich etwas durch die Büsche huschen.

Carly folgte meinem Blick. „Kannst rauskommen“ rief sie, fuchtelte dabei mit ihren Händen. Irgendwoher kam mir die Bewegung bekannt vor. Im nächsten Moment fiel es mir ein. Jesses Buch.

„Ein Alduria?“ fragte ich, als das Wesen auf Carly zu rannte.

Sie nickte. „Das ist Rifton. Wir arbeiten schon ewig zusammen.“

„Dann bist du Späherin?“

„Ja, eine der besten. Zumindest hat das die ehrenwerte Yubel gesagt. Naja, nicht in diesem Wortlaut, Ihr wisst sicher, was ich meine. Schließlich kennt Ihr sie besser als ich.“

„Hm. Sag mal… Warum sprichst du mich so förmlich an?“

„Das gehört sich so, wenn man mit Hochrangigen spricht.“

„Ich weiß, aber ich bin nur ein Mensch. Ich stehe im Rang weit unter dir.“

Ihre schwarz untermalten Augen starrten mich überrascht an. „Nur ein Mensch? Ihr habt den höchsten Rang des Reiches. Mal abgesehen von König Haou.“

„Was?“

Sie nickte. „Dämonen, die eine Seelenbindung mit einem Drachen eingehen, stehen im Rang direkt unter der königlichen Familie. Wusstet Ihr das nicht?“

Ich soll was?! „Du musst dich irren. Das gilt vielleicht für Dämonen, aber nicht für mich. Und bitte hör mit der förmlichen Ansprache auf, das musst du nicht tun.“

„Wie Ihr meint. Ähm, ich meine ‚Wie du meinst‘…“ Den Blick richtete sie nach unten. Man konnte sehen, dass ihr die Umstellung unangenehm war. „Was habt- Ich meine, was wolltest du eigentlich im See, wenn ich fragen darf?“

Scheu sah sie mich an. Aber ich war ihr dankbar für den Themenwechsel, und so langsam sprach sie endlich normal mit mir. „Du meinst, bis auf das Erschrecken unschuldiger Dämonen?“

Sie gluckste belustigt. Nickte.

„Sternenstaubdrache brauchte eine kleine Abkühlung. Aber was wolltest du hier draußen?“ So weit abseits von Siedlungen und Dörfern hatte ich niemanden erwartet.

„Ä-ähm. Streng geheim!“ haspelte sie, stand hektisch auf und klopfte sich die Kleidung ab. „I-ich muss auch wieder. Es war mir eine Ehre Euch kennenzulernen. Ich meine dich! Ah!“ Bevor ich weiter nachfragen konnte, ging sie wieder in den See. Verwirrt sah ich ihr nach, bis sie verschwunden war. „Was war das denn?“ murmelte ich. Sternenstaubdrache nahm an, dass sie einen Auftrag hatte, aber was genau, konnten wir auch nur erraten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück