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The Shortest Distance

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
[center]Musikalische Begleitung[/center] Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Sorry für die Verspätung, irgendwie wollte sich dieses Kapitel nicht so ganz schreiben lassen ^^'
Dafür starten wir nun den spicigen Teil der Geschichte ;) Komplett anzeigen

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★ 1 ★

Kiyoomi hielt Abstand.

Kiyoomi hielt immer Abstand. So war das vor der Pandemie und so war das danach. Aber Kyioomi war nah genug, um zu beobachten. Unter seinem Mundnasenschutz formte sich ein zufriedenes Lächeln. Der Rest seines Gesicht war entspannt, denn Kiyoomi verfolgte schlanke Finger zu einer Box mit Einweghandschuhe der Größe L huschen. Schnell. Wie eingestimmt. Sie saßen etwas locker, aber M wäre zu eng gewesen.

Die Finger der rechten Hand legten sich um einen quadratischen Löffel, die der linken zogen Laden des eingebauten Schränkchens auf.
 

Kiyoomi kam gerne hierher, weil er hier genau sehen konnte, was geschah und er wusste, dass mit äußerster Sorgfalt gearbeitet wurde.

Die flinken Finger schoben die Kräuter grammgenau herunter. Es musste nicht mehr nachjustiert werden, die Waage war unnötig, nur zur Bestätigung da. Der Mann auf der anderen Seite des Tresens wog mit den Augen und hatte das perfekte Gespür dafür.

Kiyoomi mochte Perfektion.

Perfektion lag auch in der Art und Weise, wie sein zusammengestellter Tee für die Wintermonate in einem Tütchen verfaltet und präsentiert wurde.
 

“Und sonst das Übliche?”, wurde er gefragt und Kiyoomi nickte. Perfektion lag auch in dem Zweiwort-Satz “Kommt sofort.” Es wirkte nicht, als würde er es nur sagen, was zu sagen und die Stimme hatte einen Klang, der Kiyoomi beruhigte, obwohl er nicht unruhig war.
 

Kurz darauf stand eine Flasche Desinfektionsmittel neben dem Teetütchen, eine Packung antigener Tücher folgte, genauso wie eine Box FSP2 Masken. “Papier, wie immer?”

Perfektion lag auch in der Art und Weise, wie nach Kiyoomis Zustimmung eine Papiertüte unter dem Tresen hervorgeholt und die Dinge vom Tresen einsortiert wurden. Geübte Finger huschten über den Kassenautomat und die Summe wurde genannt. Natürlich wurde die Rechnung mit Karte beglichen. Kontaktlos, wie Kiyoomi es mochte. Kontaktlos, wie er auch immer mit Konoha agierte.
 

“Und wenn Sie doch krank werden, kommen Sie zu mir. Ich hab dann bestimmt das Richtige für Sie”, sagte der Apotheker, zog sich die Handschuhe aus und warf sie in den Mülleimer, der schräg hinter ihm stand. Dort kam er auch an Händedesinfektionsmittel und überreichte darauf die Papiertüte mit wohlduftenden, perfekt sauberen Fingern. Und das war das erste Mal, dass Kiyoomi und Konoha nicht kontaktlos voneinander Abschied nahmen. Ein Impuls ließ Finger über Fingerkuppen streichen. Es wurde nicht abgelehnt. Mit dem darauffolgenden Blickkontakt sogar gewünscht.
 

“So schön und schick diese Apotheke auch ist, wir können uns auch gerne einmal wo anders treffen”, sagte Konoha mit einem Augenaufschlag, der perfekt kommunizierte, dass er es ernst meinte, dass es kein einfaches Treffen, sondern eine Verabredung einem Rendez-vous gleich sein sollte und er nahm Kiyoomi die Möglichkeit, nein zu sagen. Die sonst zu einem freundlichen Lächeln geschwungenen Lippen zogen sich breiter und bildeten ein kesses Grinsen. Kiyoomi war über seine Maske dankbar, denn er musste sich dieser Mimik wegen auf die Unterlippe beißen, um nicht vorschnell zu sprechen.
 

“Wir schließen um 19 Uhr” - “Ich weiß” Kyioomi nickte, Konoha schmunzelte. “Und wann essen Sie zu Abend?”, fragte Konoha. “Vorher, aber ich vertrete mir danach gerne die Beine”, antwortete Kiyoomi. “Dann holen Sie mich ab?” Bei dieser Frage lehnte sich Konoha auf den Ellenbogen über den Tresen und sah einladend von unten in Kiyoomis sanftes Gesicht. “Heute?” und Konoha nickte.

★ 2 ★

Akinori sah Sakusa vor der Apotheke stehen. Wartend. Er selbst musste noch den Kassenabschluss machen und die heiklen Medikamente versperren. Dabei war es schön anzusehen, dass Sakusa draußen seine Maske nicht trug und dass er dadurch einen Blick auf sein gesamtes Gesicht erhaschen konnte.

Fünfzehn Minuten später trat er vor die Tür. “Guten Abend”, sagte er mit sanfter Stimme und versperrte die Tür, so wie er das Gitter herunter zog und auch dieses sicherte.
 

“Guten Abend”, sagte auch Sakusa und schlug sogleich eine Richtung ein. “Ein Mann, der weiß, was er will” Akinori folgte ihm. “Wissen Sie das etwa nicht?”, fragte Sakusa und Akinori zuckte mit den Schultern. “Nicht immer im Detail. Aber jetzt weiß ich auf jeden Fall, dass ich Sie ohne Maske sehen wollte und es würde mir gefallen, das öfter zu tun” - “Ist das so?” - “Ich bin nicht oberflächlich, falls Sie das denken. Sie kommen nun schon eine Weile in unsere Apotheke und Sie waren bisher immer freundlich und höflich, ich mag Ihre Stimme. Ich mag aber auch Ihre Einstellung zur Reinlichkeit. Das spricht mich sehr an, wie Sie sich vorstellen können und nun ja, was soll ich sagen, gegen einen schönen Mann hab ich nun wirklich nichts einzuwenden, auch wenn es das zu wissen schon gereicht hat, nur Ihre Augen zu sehen”, sagte Akinori und suchte den Kontakt zu eben diesen Augen. Diesen tiefen dunklen Augen, denen er gerne auf den Grund gehen würde.
 

Sakusa schwieg. Akinori vermutete, dass er mit Komplimenten nicht gut umgehen konnte, auch wenn er meinte, dass Sakusa ununterbrochen welche hören musste. “Warum sind Sie auf meinen Vorschlag eingegangen?”, fragte er. Sakusa wandte den Blick ab und geradeaus nach vorne. Die Sonne war so gut wie untergegangen und ließ noch einen dunkelroten Schein durch, der auf ihrer beider Gesichter Wärme in Form von Farbe zurückließ, aber es war kalt. “Ich war neugierig”, antwortete er knapp. “Achso, und ich dachte, es wäre die kurze Berührung und der Wunsch nach mehr gewesen”, sagte Akinori mit einem frechen Blick. Nun konnte er auch sehen, wie sich Sakusa auf die Unterlippe biss.

Für ein paar Schritte ließ Akinori Ruhe walten, dann fragte er, was Sakusa in seiner Freizeit tat, dass er Profi-Volleyballer war, wusste er. Er wusste auch, dass sie zeitgleich an dem ein oder anderen Turnier teilgenommen haben, als sie noch zur Schule gingen. Aber Akinori war Sakusa nie über den Weg gelaufen. Schade eigentlich, wie er fand.
 

“Ich bin kein besonders geselliger Typ”, sagte Sakusa und Akinori schmunzelte. “Ich habs geahnt”, erwiderte er und wartete.

“Viel meiner Zeit geht für Training drauf, auch neben dem offiziellen Training. Ich lese und-” - “Sie gehen gerne spazieren”, vermutete Akinori und Sakusa nickte. “Immer alleine?”, fragte Akinori weiter. “Vorzugsweise. Hin und wieder begleitet mich mein Cousin. Manchmal kann ich einen gewissen Teamkollegen nicht abwimmeln” Bei letzterem verdrehte Sakusa die Augen. “Genießen Sie seine Nähe nicht?” - “Nein, er ist aufdringlich, laut und unangenehm” Akinori musterte Sakusa für den Moment, als noch das letzte Bisschen Abendröte verschwand. “Und ich?”, fragte er leise. “Sie sind nicht aufdringlich, aber ruhig und angenehm und… perfekt” Sakusa räusperte sich. “Sie machen Ihre Arbeit perfekt, wie Sie dosieren und die Teetüten falten und feinsäuberlich einsortieren”, ergänzte er, aber Akinori war bereits eher ausgestiegen und geistig in ein weiches Federbett der Lobeshymnen abgedriftet. Perfekt.
 

“Ich stelle mir Ihre Wohnung perfekt vor. Steril, wenig Schnickschnack, maximal Erinnerungen, nicht wahr? Und es riecht bestimmt ähnlich wie bei uns in der Apotheke”, gab Akinori eine vage Einschätzung ab. Nun schmunzelte Sakusa. “Sie haben eine gute Auffassungsgabe”, sagte er und sah in Akinoris Gesicht. “Ihrer Arbeit nach würde ich dasselbe einschätzen, aber ich bin mir nicht sicher” - “Ich kann es Ihnen gerne zeigen, mein Apartment ist nicht weit weg”, sagte Akinori mit einem schmutzigen Grinsen. Es wurde breiter, als Sakusa annahm.

★ 3 ★

Kiyoomi wusste nicht, warum er sich auf diese Einladung eingelassen hat, aber etwas an Konoha machte ihn neugierig. War es dieses fast schon vulgäre Grinsen? Oder das verführerische Funkeln in seinen Augen? Oder die Stimme, in deren Klang etwas Aufregendes mitschwang? Vermutlich war es die Kombination aus allem und ihm hätte auch nur eine Sache gereicht.
 

Beim Betreten des Wohnhauses zog er seine Maske auf und folgte Konoha über eine enge Treppe drei Stockwerke nach oben. Das Geländer fasste er dabei nicht an. Durch das Schlüsseldrehen erkannte er, dass Konoha zwei Mal abgesperrt hat. Das war gut. Das war sicher.

Die Hausschuhe, die ihm drinnen angeboten wurden, sahen rein aus, wie er es erwartet hatte. Auch der Fußboden war gewischt. Sauber. Die Jacken wurden ausgezogen und aufgehängt und Kiyoomi folgte Konoha, entschuldigte sich sogleich, das Badezimmer aufsuchen zu wollen, um sich die Hände zu waschen. Er hatte zwar unterwegs nichts angefasst, aber es gehörte zu seiner Routine. “Tun Sie sich keinen Zwang an”, wies ihm Konoha die entsprechende Tür.
 

Das Badezimmer war klein, wie auch der Rest der Wohnung. Aber es hatte alles Notwendige: Eine Dusche, in der je genau eine Flasche Duschgel und Shampoo auf einer Ablage stand. Ein Waschbecken mit einem Spiegel. Dort sah er auch Konohas Zahnbürste. Mit einer Schutzkappe, was er sehr anziehend fand. Er zog ein frisches kleines Handtuch aus dem Hochschrank vis-a-vis des Waschbeckens und des Spiegels und hing es beim Verlassen ordentlich am Handtuchheizkörper auf.
 

Als er die kleine spärliche Küche passierte, blieb ihm das Herz stehen beim Blick in die Spüle. “Ich hab’ keinen Geschirrspüler und hab’ heute morgen nicht gewusst, dass ich noch Besuch bekomme”, sagte Konoha und erklärte die Kaffeetasse, die mit abgestandenem Wasser gefüllt war. Auch im Teller stand das Wasser bis zum Rand. Ein Messer wog darin.
 

“Tee?”, fragte Konoha und setzte Wasser auf. Bei dem kühlen Wetter konnte Kiyoomi eine Tasse Tee gut vertragen. Konoha hatte sogar Grüntee in seiner kleinen bescheidenen Auswahl und bot ihm auch Honig zum Süßen an, doch den lehnte Kiyoomi ab.
 

Konoha bat ihn weiter ins Wohnzimmer, in dem sich in einem abgetrennten Teil eine Schlafkoje befand. Niedere Ausstattung und wenig Wohnraum waren für Kiyoomi kein Tabuthema, doch dass, soweit er sah, das Bett nicht gemacht war, das war eines. Genauso wie die Glasränder, die sich am Wohnzimmertisch abgesetzt haben.
 

“Warum haben Sie mich eingeladen?”, fragte er und ließ sich, wie ihm gewiesen, auf der Couch nieder. Natürlich erst nach einem Kontrollblick, der positiv ausfiel.
 

"Um Ihnen zu zeigen, dass meine Wohnung nicht perfekt ist, aber, dass sie perfekt zu mir passt. Ein bisschen Chaos hat noch niemandem geschadet. Ich hab’ meines im Griff. Und ich wäre gerne das bisschen Chaos, das Sie in Ihrem Leben im Griff haben”
 

Kiyoomis Blick fiel wieder auf das unordentliche Bett. Einerseits störte es ihn so sehr, dass er sich gerne umgehend darum kümmern wollte, auf der anderen Seite spielten ihm seine Gedanken Bilder vor, in denen er mit Konoha dafür verantwortlich war, dass die Laken so zerdrückt waren und die Decke gen Boden rutschte. Er wünschte sich in diesem Moment, er hätte die Maske aufgelassen, denn wieder wurde seine Unterlippe zur Mitleidenschaft gezogen
 

Konoha war das perfekte Chaos.

★ 4 ★

Akinori setzte sich neben seinen Gast auf die Couch, ohne ihn auch nur noch eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Wie Sakusa seine Lippe anzog, als er vom Bett wieder zurück sah, war zu reizvoll, als auch nur einen Moment davon zu versäumen.

Sakusa beherrschte aber nicht nur Akinoris Aufmerksamkeit, sondern auch sich selbst. Die Lippe wurde schnell wieder freigegeben. Seinem Gesicht war nichts mehr anzusehen. Stattdessen griff er zum Tisch, um den Teebeutel nach exakt zwei Minuten aus dem heißen Wasser zu nehmen. Akinori schmunzelte und lehnte sich zurück.
 

“Ich weiß nicht, ob ich bereit für Chaos in meinem Leben bin”, sagte Sakusa. Er nahm den Tee und lehnte sich damit auch auf der Couch zurück. Die Tasse wurde an seine Lippen gelegt. Sakusa blies hauchzart über die Flüssigkeit, betrachtete Akinori aber über den Tassenrand hinweg. “Sie sind mehr als bereit dafür, sonst wären Sie jetzt nicht hier”, schlussfolgerte Akinori. Touchee. Sakusa musste sich das eingestehen. Aber Akinori verstand, dass er sich nicht aufzuzwingen hatte. Er wusste, Sakusa hat das Angebot verstanden, er musste nicht überdeutlich werden.
 

Sie ließen Stille walten. Nicht die, die Akinori für unangenehm empfunden hätte. Die, in der sie sich wortlos verstanden und eine Verbindung zueinander aufbauten, wie sie von den Augen des Anderen die weiteren Züge des Gesichts betrachteten. Und mehr. Lippen, Hals, der Ansatz des Schlüsselbeins, wo sich Zähne festbeißen wollten. Der Blick ging immer wieder zurück in die Augen, als prüften sie, was der jeweils andere gerade bewunderte.

Und da entging es Akinori nicht, dass Sakusa seinen Fingern aufmerksam folgte, als auch er zu seiner Tasse Tee griff.

Herausfordernd legte er den Mittelfinger am Tassenrand ab und zog eine Runde eher sich den ersten heißen Schluck gönnte. Berechnend, aber wohl zu Sakusas Wohlgefallen suchte sich ein Tropfen Flüssigkeit seinen Weg über Akinoris Lippen. Sakusa zögerte. Akinori war schneller. Seine Finger glitten an seinem Kinn hoch über die Lippe, die Sakusa gerade fixierte. Dieser Beobachtung nach, machte Akinori den nächsten Move besonders langsam. Er öffnete den Mund und schob den Finger über die blassrosa Lippen. Mit Genugtuung erkannte er, dass er seinen Gast damit nicht kalt ließ. Sakusa kämpfte mit seiner Beherrschung, das war Akinori gewiss, also legte er noch einen drauf und leckte sich mit einem lasziven Grinsen über den Finger. Da ging es mit Sakusa durch.
 

“Sie sind widerwärtig! Waschen Sie sich bitte sofort die Hände und spülen den Mund aus”, verlangte Sakusa und deutete herrisch in die Richtung des kleinen Badezimmers. Akinori schmunzelte, aber er tat, wie ihm befohlen. Nicht zuletzt, weil es irgendwie aufregend war.
 

Als er zurückkam, setzte sich sein Gast gerade wieder und sein Bett war gemacht. Akinori blieb stehen, aber er lehnte sich hinter Sakusa an dessen Ohr heran. “Ich habe Ihnen ein Angebot gemacht, das Sie teilweise angenommen haben. Ist das nun Ihres?”, fragte er hauchzart, eine Gänsehaut provozierend.

Sakusas Hand schnellte hoch. Starke Finger legten sich bestimmend um das schlanke Handgelenk. Akinori schreckte hoch. Er spürte die Spannung in sich aufsteigen, die Sakusa noch höher trieb, indem er seinen Kopf nur ganz langsam zu ihm um und nach oben neigte, ihm in die Augen zu sehen. “Sie sind ganz schön unverschämt” - “Als würde Ihnen das erst jetzt auffallen” Akinori spielte auf so manches freche Grinsen an, auf ihren Augenkontakt in der Apotheke und den Cross-Sale, den er gerne ins Lächerliche zog, weil er Sakusa nach seinem zweiten Einkauf bereits für einen Serienmörder gehalten hat, bis man ihn eines Besseren belehrt hat.
 

“Tut es nicht”, sagte Sakusa und zog Akinori am Handgelenk herunter, um auf einer Augenhöhe zu sein. Das war Akinori sonst nie. “Aber sonst kennen wir uns kaum”, sagte er und ließ von ihm ab. Ein enttäuschtes Seufzen war die Antwort. Sakusa hatte recht. “Wie wärs, wenn wir das ändern?”
 

Das nächste angenommene Angebot.

★ 5 ★

Seinen Vornamen zu kennen fühlte sich anders an als erwartet. Auch die Widerrede fühlte sich nun schwerer an. Noch schwerer, als ihm Konoha nun auch noch näher kam. Er roch gut. Sauber und er trug den Hauch eines Aftershaves. Sanft und genau die Geruchspalette deckend, die Kiyoomi als angenehm empfand. Es war unverschämt, wie perfekt dieser Mann wirkte. Unverschämt war aber auch, dass er sich nun entfernte. Konoha ging um die Couch herum und ließ sich zum Teetrinken wieder neben Kiyoomi nieder. Zu weit entfernt.
 

“Ich hab einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester”, sagte Konoha über seinen Tee geneigt. Kiyoomi verstand die Übung sofort. “Bruder und Schwester, beide älter”, erwiderte er deswegen darauf und genoss darauf die Wärme, die sich seinen Hals hinunter bildete, wie er trank. “Wir haben mehr gemeinsam, als ich dachte. Pharmazeuten spielen auch Volleyball. Aber nicht in der Liga”, sagte Konoha und beide lachten. Bei Konoha war es herzlich, Kiyoomi war belustigt. Das waren keine Gemeinsamkeiten. Sie spielten in anderen Ligen, Konoha hatte ein geregeltes Leben. Kiyoomi musste sich an die Schnelllebigkeit des Profisportes anpassen. Das war schon chaotisch genug. Kiyoomi hatte eigentlich genügend Chaos, das er unter Kontrolle bringen musste.
 

“Was ist dein Lieblingsessen?”, fragte Konoha. Kiyoomi musterte ihn skeptisch. “Dann koche ich mal für dich, wenn ich einen Nachmittag frei habe”, begründete er seine Frage. Kiyoomi schnaubte. “Ich esse, was unsere Ernährungsberater auf den Plan schreiben”, sagte er. Konoha schnaubte. “Das ist bestimmt langweilig”. “Essen ist doch nichts, was spannend sein kann. Es ist ein Grundbedürfnis”, wandte Kiyoomi ein. Konoha lachte. Kiyoomi verzog das Gesicht. “Nein, nein, versteh mich bitte nicht falsch, ich lache dich nicht aus. Aber ich würde dir gerne zeigen, dass auch Essen spannend und aufregend sein kann. Erlaubst du es mir? Irgendwann einmal?”, fragte er. Darüber wollte Kiyoomi nachdenken. Es gab zu viele Unbekannte. Konoha gab ihm alle Zeit der Welt. Und gegenseitig gewahrten sie sich Einblick in das Leben des jeweils Anderen.

Konoha wurde nicht in Tokio geboren. Seine Familie stammte aus einer ländlichen Provinz in Aichi, wo es viel Aberglaube und schöne Bräuche gab, mit denen Kiyoomi nichts anzufangen wusste. Dafür erzählte er von seiner großen Familie, den lauten Treffen und seiner leeren Wohnung, auf die er sich stets freute, wenn das Training lang wurde und Teamkameraden anstrengend. Zum Runterkommen trank er oftmals Tee oder nahm ein Entspannungsbad.
 

“Ist deine Badewanne groß genug für zwei?” - “Warum sollten zwei in eine Badewanne?” Ein schmutziges Grinsen ersetzte die Antwort. Kiyoomi versteckte sich mit einem Schmunzeln hinter seiner Tasse. Konoha war direkt, aber er war höflich und hatte Anstand. Kiyoomi kannte wenig Leute mit Anstand. Vor allem die, die ihm beruflich Nahe waren, waren unanständig und aufdringlich. Dass Konoha auch unanständig sein konnte, verriet sein Blick und er verriet es auf eine Weise, die Kiyoomi gedanklich wieder in das unordentliche Bett schickte.
 

“Ich bedanke mich für den Tee und die gemeinsame Zeit”, sagte er nach einem Räuspern. “Aber ich muss jetzt gehen” Kiyoomi stand mit der Tasse auf und stellte sie dem Hausbrauch entsprechend in die Spüle. Konoha ging ihm bis zum Vorraum nach. Seine Tasse blieb am Tisch stehen. Wie unordentlich.
 

“Ich hoffe, du hast alles genossen”, sagte Konoha. Er lehnte sich an den Türrahmen und beobachtete wie Kiyoomi wieder in seine Schuhe und die warme Jacke wechselte. Auf eine Art und Weise, die bei Kiyoomi ein aufregendes Gefühl auslöste. “Den Großteil”, sagte er wahrheitsgemäß.
 

“Es ist nur fair, dass du auch meine Wohnung siehst. Freitag, ich hol dich ab?”, schlug Kiyoomi im Gehen vor und nun war es an Konoha das Angebot anzunehmen. Er würde es nicht wagen, es abzulehnen.
 

“Träum schön”, sagte er Kiyoomi nach, der ihm etwas überrascht noch einen schönen Abend und eine gute Nacht wünschte.

★ 6 ★

Akinori hat nach diesem Abend die Tür zu und aus seiner Wohnung nur zögerlich geschlossen. Irgendwie hat er sich gewünscht, sein Gast würde zurückkommen und doch wieder Unordnung in sein Bett bringen. Aber auch der Blick durch den Spion hat ihm bestätigt, dass dieser Zug abgefahren war. Er drehte sich um, lehnte sich mit dem Rücken an die Tür, atmete tief ein und langsam aus.

Ein breites Lächeln schummelte sich dennoch auf seine Lippen, denn all das, was heute geschehen war, wollte ihm mehr versprechen.

Ihre Verabredung für Freitag versprach bereits mehr und Akinori nahm das Kribbeln wahr, das ihm durch den ganzen Körper schoss, die Wärme, die aufkam und die Vorfreude aufs Wochenende, mehr noch als sonst schon.
 

Mit diesem wohligen Gefühl stieß er sich von der Tür ab und ging wie automatisch in die Küche, abzuspülen, was sein Gast kritisch besehen hat. Und dann hielt er die Tasse in der Hand, an der vor kurzer Zeit noch diese schmalen, schön geschwungenen Lippen gelegen haben. Für einen Augenblick blieb seine Aufmerksamkeit darauf haften. Sein Daumen strich gedankenverloren über den Rand, der Kontakt mit der Körperstelle hatte, die Akinori so gerne in Anspruch genommen hätte.

Nur einen Wimpernschlag, vielleicht einen zweiten, dann senkte er die Tasse und behandelte sie feinsäuberlich mit Spülmittel und Wasser und stellte sie auf die Abtropfvorrichtung.
 

Zügig hat er sich nach getaner Arbeit in den Wohnbereich begeben und griff im Vorbeigehen in die kleine Kommode, die beim Bett stand. Die Lade war schnell zugeschoben. In seiner Hand fand sich eine Holzschachtel, die er auf der Couch öffnete. Er zog eine kleine Blechdose heraus, die einen bereits gerollten Joint beherbergte, sowie ein Feuerzeug und gleich darauf als Aschenbecher dienen sollte. Der Rest, Bauteile, blieb in der filigran verzierten Holzschachtel zurück.

Der Deckel wurde zugeklappt und Akinori strich mit den Fingern sanft über das zarte Muster, das mit einem Brennstift liebevoll ausschließlich für ihn darauf gezogen wurde. Die Schachtel war ein Geburtstagsgeschenk. Vor Jahren schon.

“Versteck das Zeug zumindest gut”, hat man ihm bei der Übergabe gesagt. Die blaugrünen Augen hatten ihn besorgt ermahnt. Man wusste aber, dass man ihm das nicht einfach ausreden konnte.

Akinori dachte seit jeher bei seinem ersten Zug stets an diese unergründlichen Tiefen. Nur heute nicht. Heute hatte er beim Schließen seiner Augen schmale Lippen vor sich. Beim zweiten Zug meinten seine Finger die warme Haut am Nacken zu ertasten und mit dem dritten tiefen Zug fiel er mit einem Seufzen einerseits in die Couch und geistig in die Eroberung seines kürzlichen Gastes.

★ 7 ★

Kiyoomi ahnte, dass er sich an Konoha verbrennen könnte und das noch ohne ihn richtig berührt zu haben. Den Heimweg hatte er souverän überstanden, doch kaum war er in seiner Wohnung, wo er Konoha für den kommenden Freitag eingeladen hatte, spielte ihm sein Kopf böse Streiche.

Er konnte diese schlanken Finger viel zu deutlich auf seiner Haut spüren, mehr noch, als er später unter dem Duschstrahl die Augen schloss und das Wasser über sich laufen ließ. Da sah er auch Konohas frechen Blick und wie er sich neckend über die Lippe leckte und seine Zähne daran wetzte.

Konoha hatte von diesem Moment an viel Raum in Kiyoomis Gedanken eingenommen, ganz unbewusst über die nächsten Tage hinweg immer intensiver.
 

Aber Kiyoomi war achtsam. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Beim Training war er voll konzentriert, ließ sich nicht einmal von Miya auf die Palme bringen und lieferte eine Leistung ab, als ginge es um die Meisterschaft. Wie immer. Alles war wie immer. Wenn er unter Leuten war. Doch wenn er abends allein zuhause war, spielten seine Gedanken verrückt. Seine Träume wurden aufregender und er fragte sich, wann es das letzte Mal war, dass ihn ein anderer Mensch so eingenommen hatte und wann er das letzte Mal so eine Leidenschaft verspürt hat außer für Volleyball.
 

Kiyoomi wusste um seinen Urinstinkt und um Konohas Anziehungskraft, aber er wusste nicht recht damit umzugehen. Und er wusste nicht, wie schwer es sein würde, nicht verfrüht, Tage vorher schon, bei der Apotheke aufzutauchen und Konoha hinter dem Ladentisch hervorzuziehen und ihn zu sich nach Hause zu entführen. Stattdessen hielt er an seine Geduld, schob sein Verlangen in den Hintergrund und verdrängte ungeahnte Sehnsüchte. Erfolgreich. Denn das hätte ihm gerade noch gefehlt, dass ihm so ein dahergelaufener Pharmazeut den Kopf verdrehen würde, so hinreißend er auch war.
 

Am Tag ihrer Verabredung war alles wie immer. Zumindest wie immer in den letzten Tagen. Kiyoomi startete früh morgens nachdem er das Bett gemacht hat im Badezimmer. Eine kalte Dusche für einen kühlen Kopf.

Zum Frühstück gab es einen Grüntee und ein Omelett aus drei Eiern. Neben dem Essen scrollte sein Finger über das Display seines Smartphones durch die lokale Rubrik der Zeitungsapp, die er mit dem ersten Tag an hatte, als er davon erfahren hat. Er bevorzugte alles, was er nicht extra in die Hände nehmen musste, auch wenn Frischgedrucktes in seinen Augen etwas ganz Besonderes war. Die Zeitung, die lieblos vor seine Wohnungstür geschmissen wurde, war aber nie etwas dergleichen.

Entgegen Konohas Angewohnheit wurde das Geschirr kurz in der Spüle abgewaschen und danach in den Geschirrspüler gestellt. Ein Kontrollblick schwiff durch die Wohnung und Kiyoomi verließ sie zum morgendlichen Training im Fitnessstudio, wenn nicht viele Leute dort waren. Danach hatte er ein Treffen mit einem Fotografen für einen Artikel über die Playoffs. Bald würden die Trainings mit dem Team wieder länger werden und die Stunden, die er mit der Analyse ihrer Gegner verbringen würde, würden sich häufen. Aber das war sein Job und er liebte ihn. Er liebte auch Pünktlich. Und Ordnung. Und Korrektheit.
 

Und so war auch er pünktlich. Er war sogar überpünktlich, obwohl er wusste, dass Konoha Abschlusstätigkeiten hatte. Aber er war überpünktlich, weil er es hasste, wenn jemand anderes zu spät kam. Kiyoomi war vorbildlich. Immer.
 

So stand er zehn Minuten vor Schließung vor der Apotheke seines Vertrauens und wunderte sich, als Konoha plötzlich neben ihm stand. “Ich verstehe nicht”, sagte er zur Begrüßung. Konohas Lippen umspielte ein schelmisches Grinsen. “Hab dich schon gesehen. Kollegin sperrt zu”, sagte er und war bereit, Kiyoomi zu folgen. Doch der hatte etwas dagegen einzuwenden. “Deine Dienstzeit ist noch nicht vorbei”, sagte er und maß ihn mit einem ernsten Blick.
 

Ja, Kiyoomi verlangte von Konoha, dass er wieder hineinging, seinen Dienst ordnungsgemäß abschloss und dann zeitgerecht zu ihm kam. Dafür würde er auch warten.

★ 8 ★

Und Akinori hat tatsächlich die letzten Minuten seiner Schicht abgetragen. Die Frage seiner Kollegin hat er wahrheitsgemäß beantwortet und sie hat die Augen verdreht. “Apothekenstammkunden gehören mit zu den eigenartigsten Menschen, pass auf, Konoha-san”, hat sie ihm zum zweiten Abschied gesagt, doch Akinori hat die Worte schon wieder ganz vergessen, als er sich von Sakusas Augen gefangen nehmen ließ.
 

“Zufrieden?”, fragte er. “Ich ja und ich hoffe, du bist auch zufrieden mit dir”, sagte Sakusa und tat es wie bei ihrem ersten Treffen, er ging vor.

“Ich bin vor allem damit zufrieden, dass ich jetzt mit dir nach Hause gehe”, erwiderte Akonori darauf. Er schloss schnell auf und ließ es sich nicht nehmen, Sakusas Oberarm mit seinem zu tangieren. Der Blick, den er darauf einfing, konnte man auch auf zweierlei Arten deuten. Tadelnd, es nicht mehr wieder zu tun oder auch warnend, nur anzufangen, was man auch bereit war, abzuschließen. Akinori würde es aber in jedem Fall wieder tun und er würde gewiss abschließen, was er schon Tage vorher angefangen hat.
 

“Wie weit wohnst du weg von hier?”, fragte er mit einem kühnen Lächeln auf den Lippen. Sakusa schnaubte kaum hörbar. Amüsiert gar. Sakusa wohnte etwas weiter entfernt in einem guten Viertel ein paar Stationen mit der Straßenbahn erreichbar. Der Blick, den Akinori in eben dieser erhaschte, war nicht mehr unterschiedlich zu deuten. Er grinste.

“Keine Sorge, ich wasch mir sofort die Hände, wenn wir bei dir sind”, sagte er, weil er sich an der Haltestange festgehalten hat. Sakusa verweilte mit festem Stand neben ihm und nickte.

“Was hast du heute gegessen?”, fragte Akinori. Ein Schmunzeln huschte über seine Lippen, weil er genau gesehen hat, wie Sakusa von sofortiger Abwehr zu Akzeptanz überging. Genau. Sie wollte einander kennenlernen und da gehörte auch ein bisschen Smalltalk dazu. Akinori ließ dafür auch das gebräuchliche Reden über das Wetter aus.

“Ein Omelette zum Frühstück”, begann er mit dem Tagesstart und offenbarte auch das gedünstete Hähnchen zu Mittag, das er mit Reis und Gemüse gegessen hat und das sanfte Tofucurry zu Abend vor über einer Stunde.
 

“Ich würde dir auch gerne Curry machen. Wenn du das nächste Mal bei mir bist vielleicht?”, schlug Akinori vor. Sie waren bereits ausgestiegen und er folgte wieder. Sakusa lächelte ihn milde an. “Das kann ich dir wohl nicht ausschlagen”, erkannte Sakusa korrekt. Akinori nickte. “Liebe geht durch den Magen, hat ein guter Freund von mir mal gesagt, du kennst ihn wohl auch gut”, erklärte er, aber Sakusa hing sich nicht auf Bokuto als gemeinsamen Bekannten auf, sondern an etwas anderem. “Wie töricht, von Liebe zu sprechen”, sagte er und schnaubte. Diesmal nicht im Ansatz amüsiert. “Ich bin einfach für alles offen”, konterte Akinori und betrat mit Sakusa dessen Wohngebäude. Das Viertel hier war wirklich viel gehobener als seines. Da erkannte er auch direkt den Gehaltsunterschied zwischen einem Profisportler und einem Pharmazeuten. Vielleicht hätte er sich doch mehr reinhängen sollen? Nein, er mochte seinen Job in der kleinen, zentrumsnahen Apotheke, zumal sie ihn nun erst recht hierher geführt hat, indem er dort auf seinen Stammkunden getroffen war.
 

Im Lift betätigte Sakusa den Knopf für die siebte Etage mit dem Fingerknöchel, genauso wie zuvor den Anholer. Akinori beobachtete auch, dass Sakusa alles, was er berührte ausschließlich mit der linken Hand tat. So lange, bis sie in seine Wohnung traten und nach dem Schuhe abstreifen die Rechte nach Hausschuhen griff. Auch die Tür zum Badezimmer wurde mit der rechten Hand geöffnet, der Wasserhahn damit betätigt und erst das Handtuch wurde mit beiden Händen benutzt.
 

“Da”, sagte Sakusa wieder zurück in dem kleinen quasi leeren Vorraum. Nur eine Garderobe, schlicht und wenig behängt, füllte den Raum. Seine Hand deutete auf einen freien Haken. Er selbst hing seine Jacke auf einen Kleiderhaken. Akinori ging der Aufforderung nach und nahm zum Schuhwechsel auch ein paar Hausschuhe an, sowie er sich, wie ersich schon versprochen, artig die Hände waschen ging. Im Badezimmer erkannte Akinori ihre Gemeinsamkeit mit der Kappe auf der Zahnbürste, aber er vernahm auch wie bereits beim Betreten der Wohnung diesen angenehmen Geruch von Sauberkeit. Nicht unähnlich wie in der Apotheke, genauso wie er es erwartet hat.
 

Sakusa enttäuschte ihn nicht. Auch kurz darauf nicht, als er ihm weiter in die Wohnung und eine helle offene Wohnküche folgte. Lange musste er sich nicht umsehen, denn viel gab es nicht zu erhaschen und aufzunehmen. Ein Familienfoto, das Akinori gerne länger betrachtet hätte, aber Sakusa hat ihn mit einem Glas Wasser und dem Angebot, sich zu setzen, davon abgewandt und Akinori hat mit dem Funkeln in den Augen seines Gastgebers reagiert.

★ 9 ★

Kiyoomis Augen hafteten auf seinem Gast. Er folgte ihm, wie er geboten hatte, auf die schwarze Ledercouch, die sich an der Wand entlang erstreckte. Davor stand ein glänzender Glastisch und auf der anderen Seite vis-a-vis etwas versetzt zwei passende Hocker. Für die Gläser hatte er sogleich Untersetzer parat, dessen Ablage Konoha abgewartet hat. Eine Handlung, die Kiyoomi gefiel, regelrecht imponierte, weil er sonst immer tadeln musste. Auch wenn es selten vorkam, dass er Besuch hatte.
 

Konoha rutschte beim Abstellen näher heran und blieb etwas nach vorne gebeugt. Kiyoomi musterte ihn mit neugierigen Augen. Er erkannte: Konoha war sauber und reinlich, aber er war auch unordentlich und chaotisch. Kiyoomi mochte Unordnung nicht. Aber er mochte Hygiene und Konoha war hygienisch. Und Kiyoomi mochte Konoha. Diese Nähe zu diesem Mann gefiel ihm auch.
 

“Wie lange wohnst du schon hier?”, wollte Konoha wissen, noch bevor Kiyoomi das Gespräch starten konnte. “Etwas mehr als zwei Jahre”, war die Antwort. Nachdem er im Nationalteam aufgenommen wurde, war es für ihn wichtig, auch in Tokio zu wohnen. Für die MSBY Jackals hatte er in Osaka eine Ausweichwohnung, wenn sich die Fahrt nach Tokio nicht mehr rechnete. Konoha wohnte seit dem Studium in dem Viertel seiner aktuellen Wohnung, die Kiyoomi bereits kannte. Davor hatte er mit Bokuto eine Wohngemeinschaft geführt.
 

“Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen”, sagte Kiyoomi. Er meinte ganz allgemein das Konzept einer Wohngemeinschaft. Damit konnte er sich nicht anfreunden. Und dann auch noch Bokuto? Der Spiker, der in der Umkleide schon immer seine Klamotten und das klitschnasse Handtuch am Boden liegen ließ? Allein bei der Vorstellung lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken.
 

“Ach, ich glaube, das kommt auf den Partner an”, sagte Konoha und legte seinen Arm auf der Rückenlehne der Couch ab. Seinen Unterarm ließ er langsam absinken und streifte dabei wie berechnet an Kiyoomis Oberarm. Der Schauer, der ihm nun über den Rücken lief, war angenehm. Heiß sogar, als er Konoha in die Augen sah und ein Funkeln erkannte, das er nur erwidern konnte.
 

Action Réaction
 

Kiyoomis Hand wanderte hoch. Konohas Finger schnellten in Kiyoomis Nacken. Druck. Ein Zug. Ein Kuss. Die Erkenntnis. Kiyoomi mochte Konoha nicht nur, er wollte ihn. Er begehrte ihn. Ihn und seine Perfektion, die er spürte, als ihm seine Finger über den Hals strichen und sich in seinem Haar vergruben. Die er auch spürte, als sich seine Lippen auf seine pressten und der angenehme Geruch von Konohas After-Shafe in seine Nase drang. Unaufdringlich. Anders als der Mann, der es trug.

Konoha trumpfte mit mehr Nähe, weiteren Berührungen und dem Kuss, der drohte, Kiyoomi die Kontrolle verlieren zu lassen . Drohte! Denn er behielt sie. Kiyoomi griff Konoha an den Rücken, schob ihn mit einem herrischen Ruck näher an sich, beinahe auf den Schoß nur um ihn zu kippen und sich über ihn zu stemmen.
 

“Du wirst doch kein unverschämter Gast sein?”, fragte er mit bereits rauer Stimme. Die dunklen Augen fixierten. Konoha schüttelte den Kopf. “Ich bin ein Vorzeigegast”, sagte er, lud aber dafür mit herausforderndem Blick und anregenden Kraulen im Nacken zwischen seine Beine ein. Kiyoomi folgte, drängte sich gegen ihn und nahm den heißen Kuss wieder auf, der ihnen die Bedeutung von Gast, Gastgeber aber auch von Gastfreundschaft schwinden ließ.
 

Finger stahlen sich unter Stoff und über heiße nackte Haut. Ein erstickter Laut folgte dem Geräusch eines aufgezogenen Reißverschlusses. “Nicht hier”, raunte Kiyoomi und eröffnete den Weg in sein Schlafzimmer.

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Kein Knarzen, nur ein dumpf abgefederter Aufprall.

Berauscht von Sakusas vollen Lippen sank Akinori erst in einen leidenschaftlichen Kuss, danach zurück ins Bett. Es war, als kippte er, nur um hart aufzuschlagen auf einer Matratze, die zweifelsohne nicht so durchgelegen war wie seine. Oh, sollte Sakusa ihn doch gerne in den Memory Foam einarbeiten. Er hätte nichts dagegen.
 

Genauso wenig hatte er etwas gegen den gierigen Blick, der ihn wie Beute musterte. Akinori gewahr sich ein schmutziges Grinsen. Das Einzige, was Sakusa wohl schmutzig in seiner Umgebung duldete, vermutlich, weil er es in selber Manier beherrschte. Es gab Akinori ein Gefühl dafür, wie heiß und wild es im Magen und tiefer seines Gegenübers kribbeln musste.
 

Lippen prallten erneut aufeinander. Hände zogen, Beine drängten ihn weiter ins Bett.

Knöpfe wurden geöffnet, Stoff beseitigt, aber nicht auf den Boden, sondern über einen Herrendiener geworfen. Akinori besah das mit einem Schmunzeln. Sakusa holte sich die Aufmerksamkeit umgehend zurück, indem er ihn am Kinn zu sich wandte. Es war deutlich zu spüren, dass er keine Ablenkung duldete und vollste Konzentration forderte. Die hatte er. Akinori widmete ihm all sein Interesse. Auf einer gewissen Ebene schon, seit er ihn das erste Mal in der Apotheke beraten hatte.
 

Er gab sich willig den Händen hin, die über seinen Körper tasteten. Von einer wohligen Gänsehaut war er weit entfernt. Es war ein heißes Brennen. Elektrisierende Stromschläge, die ihn immer enger an Sakusa sehnten, mehr davon zu bekommen.

Akinoris Finger vergruben sich tief in den schwarzen Locken und sorgten dort dem Raunen nach für ein ähnlich erregendes Gefühl. Mehr noch und besser wusste er, die Finger seiner anderen Hand einzusetzen. Forsch zog er seine Linien über die nackte Haut und entlockte Sakusa ein kehliges Keuchen, als er eine der sensiblen Nervenkonzentrationen auf seiner Brust streifte. Ein weiteres Reizen folgte, intensiver. Sakusa biss ihm auf die Unterlippe. Akinori seufzte ergeben. Er streckte den Rücken durch. Sakusa schob die Hand unter ihn und drückte ihm die Fingernägel reizvoll in die Haut. Aber es fehlte etwas. “Kiyoomi, hör bitte auf, mit mir zu spielen.” Seine Stimme war belegt. Die Augen glänzten glasig. Akinori hob ein Bein an und streifte damit an Sakusas Seite, ihn näher zu holen. Der ließ es mit einem herausfordernden Blick geschehen. Eine Hand löste sich und griff zur Schublade eines kleinen Beistelltischchen.
 

Sakusa zog ein Kondom heraus und legte es im Drängen neben Akinori aufs Bett. “Ich bin sauber. Also… wenn du lieber ohne möchtest”, hauchte er Sakusa ins Ohr. “Es ist nicht wegen dir”, flüsterte dieser und nahm seine Lippen wieder heiß unter Beschlag.
 

Akinoris Herzschlag beschleunigte, wurde unangenehm unruhig. Sein Kopf drehte durch. Die Situation schwappte über. Er fragte sich wie schrecklich es für Sakusa sein musste. Was es überhaupt war. Ob man es heilen konnte. Ob diese Abenteuer ihm mehr schaden konnte, als er in den hintersten Ecken seiner Gedanken befürchtete.
 

“Wir können aufhören.” Sakusa würde verstehen. Er musste ja bereits gespürt haben, dass gezögert wurde, sonst hätte er nichts gesagt. Und Akinori wollte aufhören. Jetzt sofort und mit ihm darüber reden und mehr erfahren, weil er sich sorgte und betroffen wurde. Aber er wollte auch nicht aufhören. Er stand voll im Bann diesen Mannes. Er war erregt und voller Hitze, wie sollte er da klar denken? Geschweige denn…
 

“Reden. Lass uns darüber reden", presste er heraus. “Nachher, in aller Ruhe”, fügte er hinzu, weil er spürte, dass es Sakusa genauso ging wie ihm. Sie wollten weitermachen. Und sie wollten sich schützen. Sakusa wollte Akinori schützen.

★ 11 ★

Kiyoomi strich zart über Konohas Brust. Er lauschte dem Atem und dem sich regulierenden Herzschlag. Es beruhigte.

“Ich hab es von meiner Mutter. Aids-Baby nennt man das im Volksmund”, sagte er, auch wenn er nichts auf den Volksmund gab. Sofort spürte er, wie sich Konoha verkrampfte. Der Arm um ihn zog sich enger. Konoha hatte erstmal zu schlucken. Kiyoomi kannte das ja, also konnte er weiter reden. “Sie ist keine Crackhure oder so. Sie war einfach… zur falschen Zeit am falschen Ort.”

Kiyoomi sah nicht hoch in Konohas Gesicht. Er hätte dadurch gesehen, dass diesem die Tränen in die Augen gestiegen sin und demnächst seine Wangen überqueren würden. “Es ist nicht ausgebrochen und ich nehme Medikamente und sorge für ein hygienisches Umfeld”, sagte Kiyoomi.
 

Seit er klein war, war das so. Sein Alltag war immer schon anders als der der anderen Kinder. Kiyoomi war immer anders. Das war während der Schule so, auch im Volleyball Club und blieb im Erwachsenenalter. Für seine reinlichen Anwandlungen wurde er schief angeschaut. Früher verspottet, jetzt waren es nur noch nicht besonders ernst gemeinte Scherze, die ihn necken sollten. Nichts, worauf Kiyoomi jemals reagierte.

Er war es ja gewohnt. Und dennoch. Es schmerzte.

So sehr, dass er es nicht wagte, den Blickkontakt zu suchen. Stattdessen wunderte er sich über die zärtlichen Berührungen von Konohas Fingern auf seinem Oberarm und folgte diesen mit seinen Augen, wie sie sich fester in die in Dunkelheit getauchte Haut drückten. Alles war dunkel. Auch Konohas Atem.

Kiyoomi konnte beinahe hören, wie er einen metaphorischen Kloß den Hals hinunter zwang.
 

“Ist er… dein-”, hörte er die brüchige Stimme. “Nein, er ist nicht mein Erzeuger”, antwortete er sogleich. Konoha lehnte seinen Kopf gegen Kiyoomis. “Danke, dass du das mit mir teilst”, sagte er schon etwas fester. Der Druck seiner Finger ließ nach. “Du bist wahnsinnig stark und” - “Ich brauche dein Mitleid nicht.” Kiyoomi riss sich aus der ungewohnten aber sehr schönen, innigen Haltung und setzte sich im Bett auf. Sein Blick blieb abgewandt.
 

“Tu ich nicht und selbst wenn, es ändert nichts an deiner Stärke und… Nichts von dem, was du mir gesagt hast, ändert etwas daran, wie ich dich sehe”, erwiderte Konoha und griff nach Kiyoomis Hand. Er ließ ihn gewähren und dachte über die Worte nach.
 

Konoha hat ihn in den vergangenen gemeinsamen Augenblicken nicht so angesehen, wie die anderen. Er hat ihn auch davor schon anders angesehen. Nicht verurteilend. Nie. Und er erkannte auch jetzt, dass Konoha ihn nicht verurteilte. Kein bisschen.

Gerade wollte er sich umdrehen, da spürte er Konohas warmen Körper hinter sich. Das Kinn wurde auf seiner Schulter abgelegt. Die freie Hand strich ihm hauchzart über die Seite.
 

“Was hältst du davon, wenn wir duschen gehen und ich dich dort noch einmal um den Finger wickle?”, flüsterte ihm Konoha ins Ohr und platzierte einen sanften Kuss auf seinen Kieferknochen. Kiyoomi schmunzelte und wandte den Kopf zur Seite, so dass er Konoha endlich wieder ins Gesicht und in diese frechen, schneidigen Augen sehen konnte. Er selbst packte nun fester an der Hand zu und rückte Konoha in eine liegende Position auf seinen Schoß. “Wer wickelt hier wen um den Finger?”, fragte er und sah mindestens genauso frech und schneidig auf ihn hinab. “Oh, keine Sorge. Ich bin dir voll und ganz verfallen”, gestand Konoha. Er legte seine Hand in Kiyoomis Nacken und zog ihn zu sich hinunter, während er sich etwas hoch hievte, ihn zu küssen, mit so viel Zuneigung, dass sie Kiyoomi anders fühlen ließ. Aber anders als sonst. Nicht außenstehend. Er war drinnen, im inneren Kreis, wo es nur ihn und Konoha gab. Der Rest war anders. Der Rest war vollkommen egal.
 

So verschwendete er auch keinen Gedanken mehr an Vorurteile, als sie wenige Wimpernschläge später unter dem warmen Wasserstrahl standen und Lippen salzige Haut auf ein Neues erforschten, genauso wie es Finger taten.

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[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

★ 13 ★


 


 

Kiyoomi hatte noch nie eine so heiße Dusche erlebt. Er hatte schon mehrere prickelnde und spannende Erlebnisse unter dem warmen Wasserstrahl. Bevorzugte er es gar, weil es ihm dort ein Leichtes war, den Akt und seine Spuren am effizientesten wegzuwaschen. Aber im Falle Konoha hegte er das erste Mal den Wunsch, das Erlebnis auf sich haften zu lassen. Für einen stillen Augenblick zumindest noch, in dem er die Luft anhielt und sich vollends auf das erschöpfte Atmen seines Gastes konzentrierte. Seine Lippen bildeten ein breites, zufriedenes Grinsen.

Sie verharrten. Beide. Beruhigten sich. Einer nach dem anderen. Dann wurde der Abend weggewaschen. Es gab keine Küsse mehr, keine besonderen Zärtlichkeiten. Zwar wurde noch ein Getränk angeboten, aber Konoha wusste - so schätzte Kiyoomi seinen perfekten Gast ein - dass die gemeinsame Zeit ein Ende hatte.
 

“Versprich mir stattdessen, dass es ein nächstes Mal gibt”, war das Angebot, dass Kyioomi nicht ausschlagen wollte. Er würde sich bei ihm melden. Irgendwie. Irgendwann.
 

Und so war das dann zwischen ihnen. Sie trafen sich, lernten einander Mal für Mal besser und intensiver kennen. Es war unkompliziert. Einfach. Ohne Verpflichtungen, nur voller Wünsche und der Sehnsucht danach, dass es nicht aufhörte. Sie trafen sich öfter und regelmäßiger. Mal bei Konoha, wo sie dessen Laken durcheinander brachten. Ein andermal bei Kiyoomi in dem großen bequemen Bett, in dem es auch das erste Mal geschah, dass sie eng umschlungen einschliefen und die ganze Nacht gemeinsam verbrachten. Der nächste Morgen war gewissermaßen seltsam.

Kiyoomi sah Konoha an, dass er sich freute, neben ihm aufgewacht zu sein und er ertappte sich selbst dabei, dass ihm die Situation nicht widerfallen wollte. Es fühlte sich so schön für ihn an, dass er Konoha sogar vor seiner morgendlichen Routine küsste, aber dann ließ er ihn im Bett zurück. Das war genügend Abweichung.
 

Und irgendwann hatte ihn Konoha soweit und Kiyoomi trieb ihn auf dessen Küchenanrichte in Extase. Schuld war der Weindekantierer, den Konoha einst von seiner Mutter bekommen hatte, nie verwendete und der nun für den Wein dienen sollte, den Kiyoomi für ihren vorweihnachtlichen Abend mitgenommen hatte. Wie Konoha sich zum höchsten Punkt seines Küchenkästchens streckte, rutschte der Pullover ganz automatisch hoch und seine hübsche Haut kam zum Vorschein. An der Stelle, wo sich Kiyoomi so gerne fest krallte und Konoha wies, wie er ihn wollte und brauchte.

Er hat sich hinter ihn gestellt, ihm eine Hand auf die nackte Haut gelegt und mit der anderen griff er mit Leichtigkeit nach dem Glasgefäß, stellte es aber zur Seite und hob Konoha auf die Arbeitsfläche um ihn mehr zu genießen, als er es mit dem Wein tun würde.
 

Danach bestand er auf gründliche Reinigung.
 

“Was ist das?”, sagte Kiyoomi als ihm Konoha später sein Präsent übergab. “Ein Geschenk, Dummerchen”, kicherte dieser, aber Kiyoomi verzog das Gesicht. “So war das nicht ausgemacht”, stellte er richtig, aber Konoha zuckte mit den Schultern. Er drängte zum Aufmachen und erzählte ihm, dass er sie gesehen hat und einfach für Kiyoomi kaufen musste.

Es waren schlichte Stoffhandschuhe, sahen zumindest so aus, in einem dunklen Anthrazit, passend zu Kiyoomis Augen.
 

“Ich hab Handschuhe”, sagte dieser und Konoha grinste ihn an, als wäre er genau in seine Falle getappt. Unverständnis. “Das sind nicht irgendwelche Handschuhe. Die sind besonders eng für deine kalten Finger. Kompression”, kam es fast wie ein Vorwurf. Kiyoomi stockte noch für einen Moment. Er sah die Handschuhe an, dann sah er zum Wein am Tisch und schließlich in Konohas Augen. Konoha nahm einstweilen Kiyoomis freie Hand in seine und küsste die kühlen Finger. “Du hast sie… deswegen, oder?”, fragte er und Kiyoomi nickte. Seine Finger wurden nie besonders warm, sein ganzer Körper strahlte immerzu Kühle aus und er dachte lange, dass er das mit all seinem Sein tat. Konoha belehrte ihm gerade eines Besseren. Ein Gefühl machte sich in ihm breit, das er so nicht kannte. “Aber sie sind nur ein Geschenk, oder? Nicht mehr?”, fragte Kiyoomi, weil sich dem Gefühl eine ganz ungemütliche Unruhe beimischte.
 

“Natürlich, nur ein Weihnachtsgeschenk. Nicht mehr”, versprach Konoha und griff mit einem Lächeln zu seinem Weinglas. “Aber auch nicht weniger”, ergänzte er mit einem Zwinkern.
 

Kiyoomi seufzte. Konoha war in allen Belangen anders. Auch er war bei Konoha anders. So etwas hatte er noch nie. Er hatte die ein oder andere Bettgeschichte, richtig guten Sex wohlgemerkt, aber eine richtige Beziehung war für ihn nicht denkbar. Er war nicht der Typ dafür.
 

“Lass auch das, was wir haben, genau das sein, was es ist, okay? Nicht mehr” - “und auch nicht weniger”

★ 14 ★

Eigentlich war alles okay. Gut sogar. Akinori hat einen interessanten Mann kennengelernt, mit dem er niveauvolle Gespräche führen konnte, den seine Arbeit oder zumindest das Fachgebiet interessierte und mit dem er regelmäßig unheimlich guten Sex hatte. Manchmal etwas grober, als er es gewohnt war, aber Kiyoomi Sakusa war ein herrischer Mann, der wusste, was er wollte und Akinori fand diese Bestimmtheit unheimlich attraktiv. Auch hatte er Gefallen an den Neuerungen, die mit Sakusa in sein Leben traten.

Seinen Schwestern war beim letzten Besuch aufgefallen, dass das Bett gemacht war und sie lobten ihn. Sie meinten, er würde wohl auch endlich erwachsen werden und aus seinem ehemaligen Studentenleben rauskommen. Dass jemand dahinter steckte, war den jungen Frauen von vornherein klar. Nur, dass Akinori sich mit einem Profivolleyballer traf, ahnten sie nicht. Er sagte es ihnen auch nicht. Wie sagte man? Ein Gentleman schweigt und genießt. Und Akinori schwieg, vor allem, wenn Sakusa es von ihm verlangte. Er genoss jeden gemeinsamen Augenblick. Egal, ob es der Weg zu ihm nach Hause war oder wenn der Moment kam, wo einer von beiden den ersten Move machte, der ihr Treffen ins Schlafzimmer verlegte. Nun gut, nicht mehr immer nur ins Schlafzimmer.

Irgendwann vertraute er Sakusa sogar mit verbundenen Augen unter einer Spezialbehandlung, die ihm beim Setzen immer wieder ein verschlagenes Grinsen in sich hinein abverlangte.
 

Ihr Arrangement zog aber nicht nur auf Akinoris Körper seine Spuren. Auch Sakusa zierte der ein oder andere Kratzer. Kurze, lange, tiefe und vor allem immer aus Leidenschaft entstandene.
 

Akinori konnte nicht klagen. Dennoch lehnte er nun an der Fensterbank und atmete den Rauch seiner Cannabiszigarette mit einem Seufzen hinaus. Sakusa war gerade im Badezimmer, sich frisch zu machen. So lief das immer. Bei ihm duschte Sakusa danach und dann ging er. Akinori rauchte. Erst seit kurzem immer direkt danach. Seit es in seinem Herzen zu stechen begann, wenn er sich an Sakusa schmiegte und dieser nach kürzester Zeit aufstand.

Anfangs hat Akinori noch auf das Kopfpolster gesehen und war mit der Hand über die noch warme Stelle gefahren. Aber es schürte die Sehnsucht nur mehr an. Also stand er von da an auf.

Solange es kalt war, trug er die Tagesdecke über den Schultern und wartete mit dem Joint darauf, dass Sakusa fertig war und er ihn gehen lassen konnte. Schweren Herzens.
 

Doch diesmal ging er nicht. Leiser als sonst war er hinter Akinori getreten und fragte ihn neugierig: “Wofür nimmst du es?” Beinahe hätte er sich an seinem letzten Zug verschluckt, doch behielt seine Fassung. Mit einem schiefen Grinsen sah er zu seinem Gast hinüber. Der schnaubte und Akinori meinte zu verstehen, warum. Sakusa war immerhin Profisportler. Da gab es keine Drogen. Weder Alkohol, noch Cannabis, noch Stärkeres.

“Erzähl mir, wie es ist”, forderte Sakusa und stellte sich neben ihn ans Fenster. Er lehnte sich nicht an. Weder am Vorbau noch an Akinori. Dennoch schien er gerade Nähe zu suchen. “Bist du neugierig? Willst du etwa?”, fragte Akinori, aber Sakusa schüttelte schnell und behände den Kopf. "Neugierig, ja, versuchen werde ich es nicht”, stellte er klar.
 

“Na gut, dann erzähl ich dir davon. Es ist, als nehme jemand die Last von deinen Schultern. Kennst du das, wenn das Leben irgendwie zu laut ist? Jeder Zug dreht das Volume runter”, begann er und nahm einen weiteren tiefen Zug. Er schloss die Augen und atmete langsam aus als wolle er unterstreichen, was er gerade gesagt hat.
 

“Was ist laut in deinem Leben?”, wollte Sakusa wissen. ”Du!”, wollte Akinori schreien. ”Mein Herzschlag", wäre noch so eine passende Antwort gewesen. Aber er entschied sich für etwas Harmloses, das nicht weniger der Wahrheit entsprach.
 

“Anspruchsvolle Kunden und lange Tage in der Apotheke"

★ 15 ★

Zugegeben. Kiyoomi war neugierig. Sehr neugierig sogar, schon seit er das erste Mal mitbekommen hat, dass Konoha hin und wieder Cannabis konsumierte. Er hat ihm dabei nie etwas angemerkt. Vielleicht war er ruhiger, wie er gesagt hat, aber Konoha war nie besonders laut und ungehalten. Außer im Bett und da wurde das auch begrüßt. Oh, wie Kiyoomi es liebte, wenn Konoha sich nicht mehr halten konnte. Und verdammt, was war er neugierig auf alles, was mit diesem Pharmazeuten da in sein Leben trat. So neugierig. Aber nicht bereit es zu erforschen.

Oder? Sollte er es wagen, mit Konoha weiter zu gehen?

Bei dem Gedanken fühlte es sich wieder so eigenartig an. Sein ganzer Körper reagierte. Da war dieses flaue Gefühl im Magen - war ihm übel? Und sein Herz schlug schneller, als hätte er Angst. Die schwitzigen Hände und den Schauer, der ihm über den Rücken lief, kannte er auch aus einer anderen Situation, wahrlich eine Unangenehme. Aber das fühlte sich anders an.

Es war wie Übelkeit, nur warm. Wie Angst, aber aufregend. Und wie Ekel, nur das komplette Gegenteil.
 

“Du bist verliebt, Kiyo”, hat ihm sein Cousin vor einer Woche regelrecht vorgesungen. Kiyoomi hat es verneint. Plädiert, dass er sich bei Konoha einfach wohl fühlte, gerne bei ihm war und manchmal an ihn dachte. Komori hat es ihm mit einem verschmitzten Grinsen durchgehen lassen. Kiyoomi kannte dieses Grinsen und wusste, dass er ihn nicht ernst nahm, aber er war ihm dankbar dafür, dass das Thema damit vom Tisch war.

Für Kiyoomi war es aber nicht abgeschlossen. Die Gedanken und die Unsicherheit suchten ihn bis in seine Träume heim, so dass er Konoha eine Weile nicht sah. Es gab ausreichend Ausreden. Spiele in anderen Städten, mehr Training und Termine mit Sponsoren oder gar Familie.
 

Und dann kam er nicht mehr drum herum. Kiyoomi hatte Sehnsucht. Nach Konoha und seinen flinken Fingern, die Dinge tun konnten, die Kiyoomi bunte Farben sehen ließen. Er sehnte sich aber auch nach seinen Lippen, die ihn sowohl liebevoll als auch leidenschaftlich küssten oder einfach nur Worte formten, dass er sich mit ihm unterhalten konnte. Und ihm fehlte der wohlige Geruch des Anderen, weil er sich bei ihm wie zuhause fühlte. Sein echtes Zuhause, wo alles immer in Ordnung war. Nur, dass Konoha das Chaos in seinem Leben darstellte. Das Chaos mit all diesen Gefühlen und Reaktionen.
 

“Du bist heute so nachdenklich”, merkte Konoha an und lehnte sich über ihn um am Nachttischchen nach seinem Joint zu greifen. “Lässt du es mich heute probieren?”, fragte Kiyoomi statt darauf einzugehen.
 

“Du überraschst mich immer wieder. Was hast du in den vielen Tagen gemacht? War dein Leben so laut?”, fragte Konoha und strich Kiyoomi zärtlich eine schwitzige Strähne aus der Stirn. ”Mein Leben schreit nach dir!”, verbat sich Kiyoomi zu antworten. Er richtete sich auf und zuckte anteilnahmslos mit den Schultern. “Vielleicht bin ich bereit für etwas mehr Chaos”, sagte er und verließ Konohas Bett für die gewohnte Dusche danach.
 

-
 

“Und wann wirkt es?”, fragte Kiyoomi.
 

“Es sollte jeden Moment ein bisschen kribbeln, dann machst du einen zweiten Zug und wir warten”

Warten. Kiyoomi spürte das Kribbeln. Es war wie mit dem Magen, wenn man zu wild schaukelte, nur dass hierbei gefühlt das Gehirn abhob und sich wieder senkte. “Okay”, gab er sein Verständnis kund und nahm kurz darauf einen weiteren Zug aus Konohas Hand und dann wartete er. Er blinzelte, weil es sich anfühlte, als würden seine Augen trocken werden. Vermutlich wurden sie nur rot wie bei Konoha. Die Durchblutung ging nun besser, wie er sich das einmal erklären hat lassen.
 

Ein neues Gefühl machte sich in ihm breit. Es war wohlig und aufregend. Fast wie mit Konoha, nur anders. Nicht negativ wohl, aber auch nicht so positiv. Und das war es dann. “Kommt da mehr?”, fragte er. “Normalerweise schon, aber dein Gehirn muss die Synapsen erst verlegen, zieh noch einmal und vielleicht spürst du sonst beim nächsten Mal mehr”, schlug der Fachmann vor und Kiyoomi gehorchte. Das tat er selten. Und dann erkannten sie beide, würde es kein nächstes Mal geben. Kiyoomi wurde schläfrig. Von einem High würde er an diesem Abend nichts merken. Dafür erlebte Konoha ein neues High, denn Kiyoomi blieb das erste Mal über Nacht bei ihm.

★ 16 ★

Manchmal, da machte sich Sakusa immer noch rar und dann gab es diese Nächte, wo er einfach allgegenwärtig war. Seine Hände nahmen ihn vollkommen ein. Der feste Griff ließ ihn nicht entkommen, wollte er auch nicht. Seine Lippen bauten eine Sucht auf, Akinori hing mehr an ihnen als er es je an einer Zigarette danach getan hatte. Und Sakusas Einsatz seiner Zunge war eine regelrechte Frechheit. Wie sie sich um seine Brustwarze tastete, sie hart neckte und kurz darauf wieder von ihr abließ, nur um das Spiel zu wiederholen.

Akinori hätte nie gedacht, dass er jemals unterwürfig winseln würde, aber Sakusas Blick zeigte ihm, dass dieser es genau darauf abgesehen hatte.
 

Als könnte er damit irgendetwas hinauszögern klammerte er sich in das Laken von Sakusas bequemen Bett. Er kniff die Augen zu, versuchte seinen Atem zu regulieren, damit dem Unausweichlichen entgegenzuarbeiten. Er wollte nicht. Noch nicht. “Kyioomi warte”, keuchte er heißer, aber würde ihn nicht mehr entgegenbringen können, als diese Worte. Er war ihm gegenüber zu schwach. Ausgeliefert.

Sakusa hielt inne. Sein Blick suchte nach Akinoris Augen, die verloren hoch sahen, gegen die dunkle weiße Wand. Kein aktives Licht, nur, was von der Straße beim Fenster durch den schmalen Schlitz beim Vorhang herein trat.

Akinori konnte ihm nicht in die Augen sehen. “Was ist los?”, fragte Sakusa. Er wich ihm weiter aus. “Ich will… noch nicht”, er stockte und schluckte. Sakusa löste sich von ihm und Akinori bereute es sofort, etwas gesagt zu haben. “Du musst nicht. Wir können eine Pause machen”, sagte Sakusa ungeahnt sanft und baute Abstand auf.
 

“So meinte ich es nicht… Ich will dann noch nicht… gehen” Akinori griff nach Sakusas Hand und baute wieder Nähe auf. “Dann bleib”, hörte er es nicht wie Nachgeben. Es klang wie ein ernst gemeinter Vorschlag. Fast wie ein heimlicher Wunsch. Ein Wunsch, der mit dem darauffolgenden Kuss offensichtlich und deutlich gemacht wurde.

Akinori ließ locker, aber nur um die Arme kurz darauf fest um Sakusa zu schlingen und sich erneut mit ihm zu vereinen. Annehmend des Vorschlages. Erfüllend den Wunsch, den auch er so sehnlichst hegte.
 

-
 

Am nächsten Morgen wachte er alleine in dem großen Bett auf. Keine Restwärme war mehr da, wo er hätte spüren können, dass Sakusa erst aufgestanden war, nur kurz auf der Toilette war aber vor allem wieder zurückkommen würde. Akinori seufzte. Es war leise in der Wohnung. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in seiner Brust breit und er schloss die Finger fest um das obere Ende der Bettdecke. Sakusa musste es in der Nacht zu viel geworden sein. Akinori war eindeutig zu aufdringlich. Zu bedürftig nach Nähe und Zuneigung. Er schnaubte über sich selbst. Aber nicht zu laut. Sakusa sollte nicht merken, dass ihm das gerade so sehr zusetzte. Wütend auf sich selbst und seine Gefühle, die gerade mehr mit ihm durchgingen, als ihm lieb war, zog er die Decke über seinen Kopf versuchte, die Sehnsucht zu ersticken.
 

“Du bist so dumm”, flüsterte er zu sich selbst. Sakusa hat doch deutlich gemacht, dass er nicht mehr wollte. Nicht weniger zwar… aber nun leider auch nicht mehr.
 

Einer Panikattacke nahe riss er die Decke wieder weg und sprang aus dem Bett. Seine Klamotten hingen feinsäuberlich auf einem Kleiderhaken am Herrendiener. Es wunderte ihn nicht, dass es so war, er wunderte sich nur, wann Sakusa es wohl gemacht hatte, denn Akinori war es nicht. Schnell war er in seine Sachen geschlüpft und huschte dann aus dem Schlafzimmer direkt ins Vorzimmer. Ohne dabei ins Wohnzimmer zu sehen und sich zu bestätigen, dass Sakusa auf die Couch geflüchtet war, doch kaum griff er zu seiner Jacke und zur Türschnalle hörte er auf der anderen Seite einen Schlüssel drehen.

Er schreckte hoch. War das etwa der Freund? Der, von dem Akinori nichts wissen durfte? Der besser war als er? In allen Belangen? Der nicht aufdringlich war und nicht anhänglich wurde und der nicht über Nacht bleiben wollte, weil es ihm langsam schmerzte, alleine einzuschlafen? Mehr noch, alleine aufzuwachen?
 

“Gehst du schon?”, fragte Sakusa, der anstatt eines unbekannten Freundes zur Tür hereinkam. In Sportklamotten. “Ich wollte dich nicht wecken”, sagte er noch und trat zur Wohnung herein. “Aber ich dachte, wir könnten gemeinsam duschen”, ergänzte er und Akinori sah vor seiner Antwort erst noch ungläubig zurück und so tief ins Wohnzimmer, wo er die leere Couch vorfand. Kein Polster darauf, keine Decke. Niemand hat darauf geschlafen.
 

“Können wir gemeinsam ausgehen? Nicht jetzt gleich. Aber… irgendwann?”
 

Akinori wollte mehr.

★ 17 ★

Kiyoomi wollte, dass es genau so blieb, wie es gerade war. Unkompliziert, spontan und prickelnd. Heiß und heißer und wild und voller Leidenschaft. Er hätte es gerne ohne Gefühle gewollt. Die machten es leider komplizierter. Konohas Gefühle machten es kompliziert, weil auch Kiyoomi welche hatte. Alleine hätte er es ignorieren können. Der gemeinsame Wunsch aber machte ihm… Angst.
 

Wegen seiner Infektion hatte Kiyoomi nie eine richtige Beziehung gehabt. Alles Flüchtige war genau das: Flüchtig - Kurz und unbedeutend und drang niemals an die Öffentlichkeit. Darum war er stets bemüht. Das mit Konoha war aber nicht unbedeutend und es ging bereits ziemlich lange. Monate. Über ein halbes Jahr. Aber es drang auch nicht an die Öffentlichkeit und so sollte es bleiben. Zumindest das wollte er behalten.

Seine schmutzige Wäsche reinigte er selbst, die musste nicht unter dem urteilenden Auge der Gesellschaft gewaschen werden. Denn das mit Konoha war schmutzig. So wahnsinnig schmutzig und es würde Probleme geben. Sein Ruf wäre zerstört, seine Karriere würde bergab gehen. Seine Krankheit würde ihn neu definieren und seine Familie würde ihn womöglich verstoßen. Denn niemand, keine einzige Menschenseele, außer den Beteiligten, wusste, dass Kiyoomi sein Bett mit Männern teilte, wenn er es denn teilte.

Und seine Krankheit war bezeichnend dafür. Er wäre ein wandelndes Vorurteil und er würde sich nicht rechtfertigen wollen.
 

Aber dann sah er in Konohas Augen, die so voller Sehnsucht waren, als er nach einer Verabredung fern ihrer jeweiligen vier Wände fragte.

Er ahnte ja, dass er auch seine Hand halten wollte. Draußen. Vor allen anderen. Widerwille baute sich in ihm auf. Horrorszenarien spielten sich in seinem Kopf ab, in denen sie beide dem Urteil der Welt unterlagen.

Und dennoch.

Kiyoomis Mund klappte auf, aber die Ablehnung kam ihm nicht über die Lippen. “Was stellst du dir vor?”, fragte er stattdessen und zeigte sich zu seiner eigenen Überraschung kompromissbereit. Das Funkeln in Konohas Augen verunsicherte ihn. Er wandte sich ab.
 

“Essen gehen. In ein Restaurant”, schlug Konoha vor und schummelte sich am Weg ins Badezimmer wieder direkt in Kiyoomis Blick. Er biss sich auf die Unterlippe.

“Legere. Es muss nicht aussehen wie ein Date”, nannte es sein Vorzeigegast ganz direkt beim Namen. Natürlich wollte er ein Date und Kiyoomi ahnte, dass er es eigentlich mit allem drum und dran wollte. Er seufzte.

Kompromisse.

“Nur essen”, sagte er knapp und Konoha nickte. “Nicht mehr”, sagte dieser und zwinkerte. “Und nicht weniger”, gestand ihm Kiyoomi zu.
 

-
 

An einem Donnerstag zu einer Uhrzeit, wo die meisten Menschen arbeiteten und die Wenigsten abendessen gingen, ließ sich Kiyoomi von Konoha abholen. Sie trugen keine Kleidung, die nach romantischer Verabredung schrie. Kein Anzug, keine Krawatte, kein Hemd. Kiyoomi trug ein schwarzes Langarmshirt, das in seine schwarze Stoffhose gesteckt war und einen schlichten schwarzen Gürtel mit unauffälliger silbernen Schnalle. Konoha trug mehr Farbe, aber war nicht bunt. Ein dunkelblaues T-Shirt hing locker über den Bund seiner grauen Jeans.
 

“Das steht dir mindestens genauso gut wie ein Anzug es wohl würde, aber… vielleicht machen wir das mit Anzug und Krawatte mal allein daheim”, gab er ein Kompliment und die perfekte Vorlage für heißes Kopfkino. Er bat ihm nicht die Hand oder den Arm an und Kiyoomi initiierte es auch nicht. Die Hände verschwanden stattdessen in den Hosentaschen während die von Konoha locker in der Luft hantierten, während dieser den Weg kurz beschrieb.
 

Sie mussten mit der Straßenbahn fahren, weil Konoha soweit gedacht hat, dass Kiyoomi nicht direkt um die Ecke essen gehen wollen würde, wo man hätte sehen können, dass er mit einem anderen Mann in ein Restaurant ging. Es war eine Schande, wie perfekt Konoha war. Und das dachte Kiyoomi auch, als sie angekommen waren.
 

Dinner in the Dark

Niemand würde ihn sehen.
 

“Vertrau mir, so wie ich dir vertraue” - Kiyoomi vertraute ihm.

★ 18 ★

Der größte Nachteil daran, dass niemand Sakusa sehen konnte, war eben genau das. Niemand konnte ihn sehen. Auch Akinori nicht und der vermisste den Anblick des attraktiven Mannes. Aber sie mussten sich eben auf ihre anderen Sinne verlassen und am naheliegendsten war dafür nunmal der Tastsinn.
 

Den Versuch, am Weg zum Tisch bereits seine Hand zu halten, hat Sakusa deutlich abgelehnt. Gerade, dass Akinoris Finger nicht weggeschlagen wurden. Aber nichts, was dem Pharmazeuten den Mut genommen hätte.
 

“Niemand sieht uns”, flüsterte er, als man sie nach ihrem Getränkewunsch für den Moment alleine ließ. Sie sollten sich adjustieren. Und für Akinori war es schon schwer, mit diesem neuen Umstand, rein gar nichts zu sehen, zurechtzukommen. Er schätzte seine Begleitung so ein, dass für ihn so eine einschneidende Veränderung noch viel schlimmer war. Sakusa musste gerade die Kontrolle abgeben und das, konnte Akinori sich gut vorstellen, war mit das Schlimmste für ihn, dass er gerade auch diese Idee ein bisschen bereute. Er hatte es eigentlich nur gut gemeint.
 

“Es tut mir leid. Das war eine dumme Idee”, sagte er weiterhin leise, weil Sakusa nichts erwidert hat. Nur ein stilles Wasser hat er zuvor bestellt, danach schwieg er. Akinori konnte dennoch hören, wie er angestrengt atmete und mit den Zähnen knirschte.

Gerade wollte er vorschlagen, dass sie einfach wieder gehen konnten, da spürte er Sakusas Finger auf seiner Hand. “Schon okay. Ich mag es, ehrlich. Das ist sehr rücksichtsvoll”, hörte er ihn fast gar nicht, weil ihm das Blut vor Aufregung laut durch die Ohren rauschte. Er wusste, bei Licht, hätte man ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er so breit und groß grinste, wie ein Kind, dem man gerade eine Geburtstagstorte mit Kerzen hinstellte. Kurz vor dem Auspusten. Und Akinori würde sich genau das hier wünschen: Mit Sakusa in einem Restaurant zu sitzen, wo dieser sich wohlfühlte und dabei seine Hand halten zu dürfen.
 

Er war ihm auch nicht böse, dass er aus Reflex weg zuckte, als ihre Getränke gebracht wurden. Prickelndes und stilles Wasser. Nicht böse, weil es nur ein Zucken war und die Hand weiterhin in seinem Griff blieb.

Sie wurden durch das Menü geführt. Akinori entschied sich für die vegetarische Variante, während Sakusa auf ausreichend Proteine achtete und Huhn wählte. Als Vorspeise wurde eine Tomatenkaltschale serviert und zum Dessert stand eine warme Schokoladenkreation vor ihnen.
 

Gesprochen wurde bis dahin nicht viel. Sie tauschten sich minimal aus. Für Akinori mündete eine anstrengende Woche in ein wohlverdientes langes Wochenende. Sakusa hat ihm versichert, dass alles beim Alten war. Miya nervte, Bokuto war anstrengend, nur Hinata schaffte es irgendwie, Sakusas Groll zu besänftigen. Versuchen, zu verstehen, was genau so schrecklich nervig an Atsumu Miya war, hat Akinori bereits aufgegeben, dennoch kam er nicht drum herum, eifersüchtig zu werden. Dass Bokuto anstrengend war, wusste er selbst gut genug und, dass man Hinata nichts Böses wollte, ja das war wie ein Naturgesetz.
 

Zum Dessert sprachen sie darüber, dass Sakusa ein paar Tage in Osaka sein würde. Als Akinori nachfragte, wie lange genau, traf es ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Die paar Tage waren zwei ganze Wochen und danach flog er mit dem Nationalteam nach China für ein Benefizspiel. Darauffolgend würde das härtere Training beginnen und dann würden die Profis bald nach Europa fliegen. Paris. Für die Olympischen Spiele. Akinori wusste um diese Umstände Bescheid, aber er hat nicht gewusst, dass das quasi von einer Hand in die nächste ging und dass sie sich deswegen eine Weile nicht sehen würden oder äußerst selten.

Akinori ließ sogleich von Sakusas Hand ab.
 

Stille. Nur der Löffel, der abgelegt wurde, machte ein Geräusch.
 

Stille. Minuten lang. Eine gefühlte Ewigkeit, in der Akinori stumm versuchte, seine Welt vor dem Einsturz zu bewahren. Es stimmte ihn traurig. Noch trauriger, dass Sakusa das alles wohl bewusst war und er es sich nicht anmerken ließ, denn verdammt, Akinori würde darauf bestehen, dass dem Volleyballer ihre Beziehung auch etwas bedeutete. Ihre… Beziehung… Denn für Akinori war es genau das. Sie sahen sich regelmäßig. Er dachte viel an Sakusa und vermisste ihn, wenn er ihn lange nicht sah und sie schrieben einander. Auch längere Texte. Und er spürte, dass Sakusa sich freute, wenn sie sich sahen, und er gab ihm das Gefühl, vermisst worden zu sein. Es war schon lange nicht mehr nur Sex.
 

“Darf ich dich in Osaka besuchen?”, wagte er den nächsten Schritt und brach damit die Stille, weil ihm sein Herz sonst bei der Brust herausgesprungen wäre. “Das halte ich für keine gute Idee, dort ist es kleiner und-” - “Ich versteh schon. Paris kann ich mir nicht leisten. Das geht zu schnell. Urlaub und Flugtickets zum großen Event, die springen in die Luft”, sagte Akinori leise. Auch Sakusa seufzte. “Glaub mir, ich hätte lieber dich dort bei mir als Miya und Bokuto und die anderen vom Team, aber wir hätten keinen Moment alleine”, sah Sakusa die Situation realistisch. Viel zu realistisch und er machte auch deutlich, dass er diesen Schritt nicht gehen wollte.
 

“Ich warte auf dich”, versprach Akinori leise. Er griff wieder nach Sakusas Hand und es wurde gewährt.

★ 19 ★


 

“Ich warte auf dich” - Auf diese Worte hatte Kiyoomi nichts mehr erwidert. Sie haben ihn bedrückt und sie bedrückten ihn weiter. Nach dem Date, auch über das Wochenende hinweg und sogar als er in Osaka war. Allein in seiner Ausweichwohnung. In Gesellschaft mit dem MSBY-Team beim Training und unter vier Augen am Weg nach draußen.
 

“Und wann lernen ma se endlich kennen?”, fragte Miya mit einem selten dämlichen Blick. Die Augenbrauen hüpften auffordernd und schrien in Kiyoomis Kopf nach einem kindischen Tritt gegen das Schienbein. Aber Kiyoomi tat es nicht. Dafür war er nicht der Typ Mensch.

“Wen meinst du bitte?”, stellte er die Gegenfrage. Etwas in ihm befürchtete, dass Miya nach seiner Schwester fragte, weil die biologische Uhr des Zuspielers wohl langsam zu ticken begann und er noch nicht sesshaft geworden ist.

“Na de Frau, wegen der du de ganze Zeit abwesend bis’!” Herzstillstand. Er ließ sich anmerken, dass er in Gedanken war?

“Oder is’ es en Mann? Ich weiß ja nich’, auf was du so stehst”, hakte Miya nach und Kiyoomi schnaubte. “Da ist niemand”, log er und es fühlte sich falsch an.
 

“Is’ schwer, für Leute wie uns, nich’ wahr?” Kiyoomi sah Miya fragend an, aber schüttelte den Kopf. Bestätigend. Denn es war nicht leicht. Ob Miya in derselben Situation war? Bestimmt nicht. Er würde seine Partnerin - eindeutig hätte Miya eine Frau an seiner Seite - vor allen präsentieren und ihre wundervolle Beziehung auf die Titelblätter der Sportmagazine bringen. Panik kam auf. Was, wenn Konoha sowas wollte? Nein, ausgeschlossen. Er wollte nicht im Mittelpunkt stehen. Konoha wollte nur… mehr. Etwas, ein kleines Bisschen und Kiyoomi wollte und konnte es ihm nicht geben.

Auch weiteren Smalltalk mit dem Zuspieler wollte er nicht führen, zum Glück trennten sich ihre Wege an der nächsten Kreuzung. “Angenehmen Abend noch”, sagte er und war mit den Gedanken bereits wieder bei Konoha, der auf ihn warten wollte. Doch man ließ ihn noch nicht abdriften.
 

“Oh und Omi-Omi? Wenn da wirklich niemand is’... du kanns auch an mich denken”, rief ihm Miya mit einem frechen Gesichtsausdruck zu, aber war schneller weg, als Kiyoomi ihn hätte zum Teufel schicken können.

Beim nächsten Morgentraining machte Miya keine Anstalten, noch einmal über den letzten Abschied zu sprechen. Gut. Dennoch war Kiyoomi diesmal lieber schneller als er und eilte heim. Dort würde er auch jeden Moment Konoha erwarten, denn er hat ihm geschrieben.
 

-Ich hab heute Putztag in

-der Wohnung und ich

-werde nicht rausgehen.
 

Das reichte für Konoha. Er verstand. Uhrzeit und Adresse waren schnell ausgetauscht und dann war Kiyoomi wieder abwesend beim Training gewesen. Vielleicht hatte Miya ihn ja angesprochen, aber er hat es nicht registriert. Vielleicht haben ihn sogar Bokuto und Hinata gefragt, was los war und vermutlich hat er ohne zu zögern “Nichts” gesagt. Weil er wusste, dass er heute noch zu genüge sprechen würde.
 

Er hat Konoha bewusst nicht geschrieben, dass sie reden mussten. Er mochte diese Floskel nicht. Damit kamen immer diese unangenehmen Gespräche:
 

“Kiyo? Wir müssen reden”, hat sein Cousin gesagt, als er ihm damals gebeichtet hat, dass er seine Schildkröte verloren hat.
 

”Schatz, wir müssen reden”, hat seine Mutter gesagt, als sie ihm genau erklärt hat, was es bedeutete, mit dem HI-Virus infiziert zu sein.
 

”Sohn, wir müssen reden”, startete sein Vater das Gespräch, als die Schildkröte gefunden wurde.
 

”Wir müssen reden”, wollte er deswegen nicht zu Konoha sagen. Schon gar nicht übers Telefon. Und auch nicht direkt, als er ihn eine Stunde später in seine Zweitwohnung ließ und in die Küche geleitete.
 

“Wir müssen reden”, sagte aber Konoha zu ihm und wühlte in Kiyoomi all die Gefühle wieder auf, die er mit diesen Worten verband.

“J-ja?”, fragte er und stellte wie ferngesteuert Tee zu. Er wusste nicht, warum er es nicht schon längst getan hatte, er wusste ja, welchen Zug Konoha genommen hat und wann er da war und er wusste, wie lange der Tee ziehen musste.
 

“Kiyoomi, ich-”, begann Konoha doch wurde schier durch ein lautes Klirren unterbrochen. Kiyoomis Hals schnürte sich zu. Die Tasse, die er gerade gegriffen hat, fiel hinunter und ging zu Bruch. “Kiyoomi, nicht” Konoha ging sogleich vor ihm auf die Knie, aber auch er wandte sich zum Boden und griff nach den Scherben. “Vorsichtig.” Zu spät. Kiyoomi hat sich geschnitten. Konoha griff nach der Hand, aber Kiyoomi entriss sie ihm.

“Nicht, du weißt doch”, sagte er und wickelte schnell ein Tuch darum. Konoha durfte ihm jetzt nicht zu nahe kommen. Nicht, bis er sich selbst verarztet und das Unglück beseitigt hatte. Dann war es wieder sicher und Konoha suchte sofort die Nähe, die gerade bedrückender war denn je.
 

“Kiyoomi, ich-”, begann er noch einmal, doch Kiyoomi verhinderte wieder, dass er das Schlimmste aussprach.
 

“Bitte sag es nicht”
 

Konoha wollte mehr.
 

★ 20 ★


 

Sakusa wollte weniger.
 

“Bitte sag es nicht”
 

Akinori hielt inne. Seine Stimme versagte. Nur ein stockender, überforderter Laut stolperte über seine Lippen. Sein Brustkorb fühlte sich an, als würde ihm jemand Shibari-Seile eng um den Rumpf schnüren und damit gegen seine Anatomie arbeiten.
 

“Wir sollten uns nicht mehr sehen”, sagte Sakusa. “Wie bitte?”, die Stimme kehrte rasch zurück. Sakusa wiederholte. “Ich hab dich schon verstanden”, wurde Akinori plötzlich harscher. Seine Stimme bebte. Sein Herz überschlug sich und das Blut in seinen Ohren wurde laut. Die absolute Enttäuschung schwappte über.

“Ich hab echt gedacht, du hättest mich eingeladen, weil du einen Schritt weitergehen willst." Das Wasser im Teekocher begann zu sieden und genauso brodelte es in ihm. Sakusa presste die Lippen zusammen. Etwas, das Akinori eigentlich immer sehr reizend an ihm fand, genauso wie die zarten Grübchen, die sich beim Lächeln bildeten, wenn sie alleine waren oder das Glänzen in Sakusas Augen. Gerade regten ihn die zusammengepressten Lippen aber nur auf.

Sein Körper machte die verrücktesten Dinge. Ihm wurde gleichzeitig kalt und heiß. Er zitterte und seine Hände schwitzten. Die Gedanken gingen mit ihm durch. Eigentlich war er mit schönen Erwartungen in den Zug gestiegen, wieder ausgestiegen und war mit heißen Vorstellungen die paar Blöcke zur zentrumsnahen Wohnung gegangen und jetzt? Es fühlte sich an, als hätte er einen von Ushiwakas Angriffsschlägen direkt in den Magen bekommen. Ohne Ball und nicht mit der flachen Hand, sondern mit der Faust.
 

“Kiyoomi”, presste er hervor. Er hob den Kopf und sah in die dunklen unergründlichen Augen. “Wolltest du, dass ich zu dir komme, um mit mir Schluss zu machen? Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist!” Aber es entsprach der Wahrheit. Sakusa hing sich zwar an dem Ausdruck des Schlussmachens auf - “Ob du es willst oder nicht, Kiyoomi, wir haben eine Beziehung. Nicht so eine, wie man sie im Fernsehen sieht oder in einem Buch lesen kann, aber Kiyoomi, wir… wir-”, er stockte erneut. Es tat ihm so unheimlich weh, dass Sakusa es anders sah.

Sie waren zusammen! Ein Paar. Ein Spezielles, das so gut wie nur unter sich war, aber eines mit Gefühlen und Höhen und Tiefen und dann war da plötzlich nur noch der Abgrund, in den Akinori gerade gestoßen wurde. Er ließ sich nicht mehr erklären, dass Sakusa es so nicht geplant hatte. Und er wollte nichts davon wissen, dass er zu viel Chaos für sein Leben war und dass er die Lautstärke kontinuierlich höher drehte. Die angeführten Konsequenzen waren ihm egal. Sakusas Gefühle, die zwar ebenso stark waren, aber von der Vernunft gesteuert wurden, interessierten ihn für den Moment nicht mehr, weil Sakusa sie im Griff hatte und ablehnte und Akinori nicht. Und er hielt es für Heuchelei, dass Sakusa der Meinung war, er, Akinori, hätte etwas Besseres verdient.
 

Das Leben wurde umgehend lauter. So unendlich laut, dass es kaum auszuhalten war.

Sakusa sprach von der Situation, so wie es für ihn war. Akinori konnte nicht mehr zuhören. Er starrte ihn irgendwann nur noch an und wünschte sich, dass Sakusa endlich aufhörte zu erklären und stattdessen anfing zu verstehen. Dass er ihn darum bat, er würde auf ihn warten. Er würde! Sakusa musste nur darum fragen, aber er tat es nicht. Wollte er denn wirklich, dass es ein Ende hatte?

Nein, wollte er nicht. Das machten die Worte, die Akinori aufnehmen konnte, schon deutlich. Aber Sakusa wollte nicht dasselbe wie er. Er wollte genau so weitermachen wie bisher, aber das war zu wenig und deswegen wollte schließlich Akinori, dass es ein Ende hatte.
 

Und dann war es vorbei.

Sie sahen einander nicht mehr privat.

Nachrichten wurden nicht mehr ausgetauscht - angefangen wohl, aber nie abgeschickt und stattdessen wieder gelöscht.

Nur das Herz wurde wild, wenn Sakusa die Apotheke betrat. Akinori hat ihn immer mit einem festen Blick angesehen und behielt die Beherrschung. Solange, bis er abends zuhause ankam und seine Emotionen überschwappen lassen konnte.
 

Irgendwann tat es nicht mehr weh, ihn zu sehen und dann schmerzte es auch nicht, als er ihn eines Tages mit Atsumu Miya sah. Wie schlichte Bekannte, die zufällig dasselbe Ziel hatten, aber Akinori erkannte das Leuchten in Sakusas Augen.
 

Dasselbe Leuchten, das einmal ihm gehört hat.

★ Extra: No Distance ★

Er war schon richtig lange nicht mehr in Tokio und dennoch war es, als wäre es gestern gewesen, dass ihn seine Füße durch die Straßen führten, die er auch damals hinter sich gelegt hatte.

Wie auf der Memory Lane ging er an der großen Sporthalle vorbei, wo er nicht nur einmal zum Frühlingsturnier war und passierte auch das Café, wo er einmal ein Date hatte. Gefunkt hat es damals, aber so richtig geklappt nicht. Er trauerte nicht um die verlorene Chance. Immerhin war er jung damals und dumm und unerfahren. Selbst wenn es funktioniert hätte, würde es heute nicht mehr bestehen. Nicht wahr? Liebe, die sich während der Schulzeit fand, zerbrach doch immer. Spätestens dann, wenn das Berufsleben anfing und es den einen in die Hauptstadt führte und den anderen in der eigenen Präfektur hielt. Wenn dann die Hobbys auseinanderklafften und die Zeit, die man als Paar hätte haben können, immer weniger wurde, was blieb dann?

Es wäre also vergebene Liebesmüh gewesen. Umsonst. Für den Moment aber nicht uninteressant und durchaus nett. Ja, genau. Nett, die kleine Schwester von Scheiße.
 

Wie die kleine Schwester von Scheiße wollte er sich aber morgen ganz sicher nicht fühlen, wenn er die heutige Nacht lange und flüssig durchzechte. Es gab immerhin einen Anlass, warum er in die Hauptstadt gekommen war und es hatte auch einen Grund, warum er jetzt eine Apotheke aufsuchte, um sich mit den notwendigen Katerbekämpfungsmittelchen einzudecken.
 

Ein Klingeln kündigte seine Ankunft an. Wie die von anderen Kunden zuvor auch schon. Die Apotheke war gut besucht, dass er überlegte, eine andere aufzusuchen, aber dann entdeckte er ihn und wollte sich in Geduld üben. Der Pharmazeut ließ seine Tätigkeit wie ganz natürliche Abläufe aussehen. Wenn er etwas aus dem Regal holte, wirkte es, wie eine koordinierte Tanzeinlage, keine aufwendige zwar, aber eine ästhetisch schöne. Wenn er kleine Tütchen mit Tee und Kräutern füllte, sah es fast so aus, als würden seine Finger über ein kompliziertes Musikinstrument gleiten. Und das Lächeln, mit dem er einen schönen Tag wünschte, in Kombination mit einem minimalen Neigen des Kopfes, das sein Haar in eine weiche Bewegung fließen ließ, wie Wasser, sorgte für einen kurzen, kaum merkbaren Hüpfer in der Brust.

Es hatte beinahe etwas Freches und gleichzeitig Zartes. Aber am Aufregendsten war die Tatsache, dass er ihn schon einmal gesehen hat.
 

“Hey, Fukurodani, nicht wahr?”, fragte er, als er endlich dran kam. Natürlich wusste er es ganz genau. Aber so machte er sich selbst interessanter.

“Hm? Oh… ja, vor einigen Jahren, ja. Wie ähm… wie kann ich helfen?” Konoha war eindeutig etwas überrumpelt. Überrascht eben, dass man ihn mit seiner alten Schule ansprach. Schade, dass er ihn nicht direkt zu erkennen schien.
 

“Oh, fürs erste würde mir ne Packung Ibu reichen, aber für heute Abend hätte ich gerne deine Gesellschaft”, wurde Konoha sprachlos gemacht. Da wurde nicht sanft zurück getänzelt und eine Packung des Bestsellers aus dem Regal geholt. Ihm klappte der Mund auf, doch dann schmunzelte er. “Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir uns kennen sollten”, sagte er und musterte sein Gegenüber. Dieses schmunzelte. Er trug die Haare immer noch wie früher, etwas länger vielleicht. Sehr hell mit schwarzen Spitzen, die er immer wieder wegschneiden und nachfärben ließ. Sein Gesicht war immer noch so schneidig wie damals, nur der Kleidungsstil war neu, weil es keine Sportklamotten waren und die Teamfarben somit nicht verraten konnten, wer er war.
 

“Ja und ich hab damals versucht, deine Aufmerksamkeit zu gewinnen, aber irgendwie hingst du damit immer an eurem Setter. Schade. Ich war auch ein richtig guter Zuspieler. Semi Eita”, stellte er sich vor und Konoha machte ein Gesicht, das den großen Aha-Moment bekundete.

“Shiratorizawa”, sagte er und Semi nickte. Sie waren nie am Feld aufeinander getroffen, aber abseits davon. In den Pause, auf der Tribüne oder beim Mannschaftswechsel und Konoha hing wirklich immerzu in Akaashis schönen Augen fest. Jetzt konnte er sich nicht mehr von Semi wegreißen. “Und… du willst heute Abend meine Gesellschaft? Es ist unter der Woche, ich hab morgen Dienst.” Natürlich lehnte er nicht sofort ab.
 

“Ja, ich hab heute nen Gig im Backstage”, sagte Semi und deutete auf den Gitarrenkoffer, der an seiner Schulter hing. Konohas Blick folgte den deutenden schlanken Fingern. Flink mussten sie sein, wenn er Gitarre spielte. Schön musste auch seine Stimme klingen, wenn er sang - tat sie schon, wenn er nur mit ihm sprach.
 

“Das klingt verlockend, aber-”, doch weiter kam er nicht. Semi lehnte sich zu ihm nach vorne und zog geschickt den Kugelschreiber aus Konohas Kittel, um auf dem Beipackzettel Uhrzeit und Adresse der Location zu notieren.
 

“Lass dich auf ein bisschen Chaos ein”, sagte er bei der Übergabe und ein breites Grinsen zog sich über Konohas Lippen.
 

“Alles oder nichts, hm?”, fragte er mit etwas Unsicherheit in der Stimme.
 

“Alles”, nahm ihm Semi später jegliche Zweifel. Mit ganz viel Nähe.
 

Ohne jegliche Distanz.
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Sorry für das wirklich kurze Kapitel, aber wer den Wordcount sieht und das Thema dieses Kapitels berücksicht, erkennt sicher auch, dass ich nicht anders konnte xD Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
20 Kapitel wilde Reise einer Beziehung oder nicht Beziehung. Wie seht ihr das? Was hatten die zwei?

Und haben sie vielleicht doch eine Chance, wenn Sakusa etwas dazu lernt?
Lasst mich euch nächste Woche noch mit einem Extra überraschen und schauen, ob ich eines happy Ends fähig bin ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Überraschung <3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (34)
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Von:  Ookami-Inu_Ruffy
2024-03-29T10:54:38+00:00 29.03.2024 11:54
Das kam überraschend xD
Antwort von:  Hypsilon
29.03.2024 12:10
XD that's the Plan
Von:  Tasha88
2024-03-29T05:28:13+00:00 29.03.2024 06:28
Uhh, erst dachte ich: epilog?:/
Und dann das.
Okay, so lange am Ende alle happy sind, bin ich dabei :D

Nett wars ;p
Antwort von:  Hypsilon
29.03.2024 06:38
Dachtest, ich mach es noch trauriger? ^^'

Ne, also Konoha hat auch sein happy end verdient <3 und ich mag ihn sehr mit Semi^^

Danke. Freut mich echt sehr, dass du so treu dabei warst und dich von einem weiteren ungewöhnlichen Pairing hast mitreißen lassen <3
Antwort von:  Tasha88
29.03.2024 10:30
ich trau dir vieles zu XD
Von:  Tasha88
2024-03-22T07:22:30+00:00 22.03.2024 08:22
Was? Ernsthaft? Zu Ende? Hier? Also gut, ich kann mit atsumu und sakusa leben... Aber dass es so so Ende hatmachtmich traurig :(
War wieder sehr gut geschrieben 👍
Antwort von:  Tasha88
22.03.2024 08:24
Und sie hatten eigentlich das. Eine Beziehung, die nie als Beziehung bezeichnet wurde. Das sehe ich wie akinori. Dass sakusa immer noch in die Apotheke geht, wo akinori arbeitet, fand ich krass... Würde man da nicht Abstand halten wollen? Jeder normalsterbliche vermutlich. Aber nicht ein sakusa 🙈
Antwort von:  Hypsilon
22.03.2024 08:34
ja... ernsthaft... so ist das hier^^'
Danke dir <3

ich finds schön, dass du es wie Konoha und auch wie ich siehst. Die beiden hatte eine Beziehung. Eine ziemlich liebevolle sogar.
Und ja bezüglich der Apotheke. Sakusa ist ein Gewohnheitstier. Konoha ist halt "leider" der Apothekar seines Vertrauens. Außerdem seh ich es für ihn auch gewisser Weiser als Teil seines Abschlusses. Dass sich das normalisieren kann, weil wegen Gefühlen was ändern? Sicher nicht Sakusa ^^'
Von:  Tasha88
2024-03-15T09:22:37+00:00 15.03.2024 10:22
Ohhh...
Okay, jap, kohona geht kyomi mehr unter die haut, als dass der es zugeben will. Erst wollte ich "als dass kyomi weiß" schreiben, aber wir beide wissen, dass das gelogen ist. Er weiß es sehr wohl...

Das "wir müssen reden" verbinde Ich tatsächlich auch sehr negativ. Da kam bei mir auch meist nichts gutes bei raus.

Aber das Ende 🙈🙈🙈
Antwort von:  Hypsilon
15.03.2024 10:32
Ja... zugeben will bzw auch akzeptieren will/kann/sich traut.
Es ist halt... ja... ne richtig miese Situation

"Wir müssen reden" ist wirklich selten gut behaftet.
Das führt dann auch hier zu einem unschönen Ende, obwohl Konoha ja eindeutig was Schönes sagen will QQ
Von:  Tasha88
2024-03-13T06:20:14+00:00 13.03.2024 07:20
Ah, vergiss es. Es wurde mir nicht angezeigt 😱😱😱

Okay, krass.
Wo.fang ich an?
Ich stelle mir ja immer vor, dass man nach so nem dinner im dark komplett bekleckert rauskommt 🤣🤣

Und dann das... Hmm, schade, dass sakusa sich trotzdem so anstellt (es ist verständlich) er kann halt nicht aus seiner haut.

Udn es tut mir für akinori so leid...
Vielleicht wäre er mit jemand anderem besser dran 😢😢😢
Dabei verstehe ich, warum sakusa so ist. Warum er nicht mit ihm gesehen werden will, gerade in Japan...
Aber armer akinori... 😢

Antwort von:  Hypsilon
13.03.2024 07:41
XD passiert hihi

Ich kann mir Dinner in the Dark einfach gar nicht vorstellen, weil für mich das Auge total mitisst. Auch dieses mit verbundenen Augen füttern geht gar nicht xD

Aber ja, mit Sakusa muss man bisschen in die Trickkiste greifen.

Was mir an deinem Kommi richtig gut gefällt ist, dass du beide Charaktere verstehst und dass beide Ansichten nachvollziehbar sind. Denn darum geht's mir bei den beiden. Dass man unterschiedliche Dinge will, verdient und braucht und dass das total legitim ist. Man muss halt rausfinden, ob man es als Paar passend machen kann.

Wie sie ihre Situation lesen, werde ich schon bald aufklären können =)
Von:  Ookami-Inu_Ruffy
2024-03-01T13:47:49+00:00 01.03.2024 14:47
Awww
Das macht neugierig auf so viel mehr
Herz Herz herz
Antwort von:  Hypsilon
01.03.2024 15:22
Drei Kapitel mehr wirds auf jeden Fall noch geben^^ (+Extra)
Herz Herz Herz
Von:  Tasha88
2024-03-01T08:25:24+00:00 01.03.2024 09:25
Ach ja, es gibt zu viele Gründe, die dagegen sprechen. Ich verstehe kiyomis Bedenken, Sorgen schon fast.
Doch sein Herz sieht das wohl anders, denn sonst hätte er die Ablehnung aussprechen können ;)
Dinner in the darm - super Alternative :D
Antwort von:  Hypsilon
01.03.2024 10:27
Ja, es ist schon richtig kompliziert für den Armen ^^'
Dieser Vertipper ist aber auch einfach Gold. Dinner in the darm 😅 bei ner BL FF. Hach.
Aber ja. Andererseits Hintergrund dazu ist auch, dass Sakusa Konoha mal die Augen zu gebunden hat, das ist auch so bisschen die Retoure dafür. ^^
Antwort von:  Tasha88
01.03.2024 10:57
🤣🤣🤣🤣🤣 Okay, der war wirklich passend 😂😂😂
Von:  Tasha88
2024-02-23T16:46:21+00:00 23.02.2024 17:46
uh, kurz dachte ich, das endet nicht so schön und mit einem gebrochenen herzen
gut die Kurve bekommen :D
Antwort von:  Hypsilon
23.02.2024 17:48
Grad noch so gekriegt xD
Von:  Tasha88
2024-02-16T08:13:23+00:00 16.02.2024 09:13
Hach, da verliebt sich jemand 🥰
Ob er will oder nicht 😂😂
Dass sakusa tatsächlich an dem joint zieht, hätte ich nicht erwartet. Aber kohona bringt ihn da wohl zu Sachen 😜
Und dann schläft er bei ihm ein. Ich bin auf das aufwachen gespannt 🤣
Antwort von:  Hypsilon
16.02.2024 10:02
Hach, indeed ^^
Du sagst es, man merkt nämlich wohl ziemlich gut, dass Sakusa nicht will.
Und hey, auch unser verkrampfter Einsiedler muss mal was Neues ausprobieren ;)

Das direkte Aufwachen danach wird es nicht geben. Ich hab ja noch bisschen was vor und plane nur noch 5 Kapitel. Aber es geht hoffentlich trotzdem spannend weiter ^^
Von:  Tasha88
2024-02-09T08:29:03+00:00 09.02.2024 09:29
Ohh da passiert also was in akinori.
Ich finde diese s Kapitel mit am besten von allen. Es hat so eine tiefe! Gefällt mir gut 💖
Antwort von:  Hypsilon
09.02.2024 09:57
Jaaa Konoha verliebt sich <3
Bin echt positiv überrascht, dass dieses Kapitel zu den Besten gehört. Danke ^^


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