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Mein ist die Rache

von

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Ludwig XIII. von Frankreich war von Geburt an von schwacher Gesundheit gewesen. Bereits in den ersten Monaten seines Lebens schrieb sein Leibarzt von Flechten und suppenden Schorfwucherungen, die auf mangelnde Sauberkeit zurückzuführen waren. So war es nicht verwunderlich, dass er auch heute, als Folge des feuchten Wetters der letzten Wochen, unter starken Hustenanfällen litt. Es verging kein Satz, an dessen Ende nicht mindestens ein schwaches Hüsteln stand. Athos hoffte, dass seiner Majestät unter diesen Umständen die schwerfälligen Atemgeräusche des Musketiers entgingen. Aramis hatte Recht behalten. In der vergangenen Nacht hatte sich die Erkältung endgültig seines Körpers bemächtigt und raubte ihm nun zusätzlich Schlaf und Kraft. Er stand in der Mitte des königlichen Arbeitszimmers und ließ seinen Blick durch eines der Fenster in die Ferne schweifen. Ohne genau zu wissen, wonach er suchte, wanderten seine Augen über die sandigen Wege, die zwischen den Grünanlagen des Parks verliefen. Es war schon fast Mittag und dennoch war die gesamte Anlage wie leer gefegt. Sie würde sich vermutlich erst nach der Mahlzeit mit Menschen füllen. Dann aber sah er eine kleine Menschengruppe hinter einer Hecke auftauchen. Es dauerte keinen Atemzug zu erraten, um wen es sich dort handelte. Athos erkannte das Honigblond auf eine Entfernung von hundert Fuß und heute schien es besonders intensiv. Oder es war sein schlechtes Gewissen, dass ihm soetwas einreden wollte. Er musste mit ihr reden. Ihr sagen, dass es ihm leid tat dass er ihr gegenüber so laut geworden war. Aber die Möglichkeiten waren immer noch gering. Athos überlegte. Um diese Zeit gab es nur einen Grund, warum sie im Park unterwegs war: Ihre Majestät machte einen Spaziergang. Die Königin, dass musste er sich schmerzlich eingestehen, hätte er ohne ihre Begleitung immer noch nicht erkannt. Vielleicht hatte er im Anschluß an das Gespräch mit seiner Majestät noch einen Augenblick Zeit, sein Gewissen zu erleichtern.

"Warum ich euch habe rufen lassen", der König holte ihn in sein Arbeitszimmer zurück, "ist Folgendes: Euch ist sicherlich schon zu Ohren gekommen, dass sich der Kurfürstliche Gesandte aus Bayern, Hanns Friedrich Graf von Rosenbaum, in Paris aufhält. Der Gesandte hat es abgelehnt, hier im Louvre zu wohnen..." Ludwig verzog das Gesicht zu einer abwertenden Fratze. "Wir haben ihm dies gestattet. Monsieur wohnt nun in der Place Royale, wodurch ihm einige unschöne Dinge, die in dieser unserer Hauptstadt Paris vorgefallen sind, natürlich nicht verborgen blieben. Ihm ist bereits vor einigen Wochen etwas über einen Mord zu Ohren gekommen, in dem meine Leibgarde, die Musketiere, erfolglos ermittelt haben. Gestern sprach er mich erneut auf einen solchen Vorfall hin an, in dem meine Musketiere ebenfalls scheinbar erfolglos ermitteln. Jetzt frage ich euch, Monsieur Athos, da ihr zur Zeit die Leitung über meine Leibgarde habt wie man mir mitteilte, was gedenkt ihr dagegen zu unternehmen?" Athos überlegte lange, was er sagen sollte. Der König schien derartig in seinem Stolz verletzt dass er darüber sogar das Husten vergaß. Der Ruf Frankreichs und der seiner vielgerühmten Leibgarde stand auf dem Spiel, und der König würde dieses Spiel nicht verlieren.

"Wir versuchen unser Möglichstes, Majestät, allerdings gestalten sich die Nachforschungen als sehr schwierig. Wir haben keine Spuren und die Verwandten der Opfer sind auch nicht in jedem Fall hilfreich. Niemand will etwas gesehen oder gehört haben, was meiner Meinung nach sehr unwahrscheinlich ist. Und mehr als Verdächtige zu verhören und Angehörige zu befragen können wir derzeit nicht tun." Der König nickte. Dann wies er Athos an, sich zu setzen.

"Wäret ihr bereit, dem Grafen dass gleiche zu erzählen?" Verschwörerisch faltete er die schlanken Hände vor dem Gesicht.

"Selbstverständlich!" Athos hatte eine unangenehme Vorahnung davon, was jetzt folgen würde.

"Und wäret ihr vielleicht bereit, diese Geschichte noch ein kleines bisschen....nun ja, sagen wir auszuschmücken?"

"Ich denke ich verstehe nicht ganz, Euer Hoheit?" Er verstand sehr wohl. Er konnte es nur nicht glauben.

"Ihr versteht mich Athos. Ich weiß dass ihr wesentlich intelligenter seid als die meisten an diesem Hof. Vielleicht sogar intelligenter als ich. Oder als Richelieu. Ihr zeigt es nur nicht." Ludwig machte eine lange Atempause, die durch ein gequältes Husten beendet wurde. "Ihr würdet einen sehr guten Diplomaten abgeben, wißt ihr? Ihr wißt genau, wann ihr eurem Gegenüber überlegen seid, aber ihr zeigt es nie. Manchmal glaube ich, ihr seid ein Mensch völlig frei von Emotionen." Athos schwieg. Er war voller Emotionen, derer er gerne habhaft geworden wäre. In einem Punkt jedoch hatte sein König Recht. Er verstand es, seine Emotionen für sich zu behalten. Auch jetzt.

"Werdet ihr Frankreich diesen Dienst erweisen?" Ludwigs Stimme ertrank in Pathos.

"Ich werde darüber nachdenken..."

"Ich bin mir sicher, das ihr das werdet. Lasst uns über etwas anderes reden: Wie kommt es, dass ihr seit einiger Zeit in der Rolle des Kapitäns auftretet?"
 

Gedankenverloren beobachtete Aramis, wie eine Spinne ihre Fäden zwischen zwei Ästen einer Rose sponn. Das war das schöne an Spaziergängen mit der Königin. Sie waren sowohl körperlich als auch geistig verhältnismäßig anspruchslos. Weder ihre Majestät noch Constanze machten sich Gedanken über Politik oder die Abgründe des menschlichen Handels. Bei genauerer Betrachtung, dachte sie, lagen beide Dinge oft beunruhigend nah bei einander. Aber hier schien nichts von alledem zu existieren. Keine Kriege, keine Morde, kein Hunger und keine Krankheit. Nicht einmal Sorgen gab es hier. Die Welt im Garten des Louvre glich dem Paradies. Bis zum Mittag. Dann würden sie wieder in Scharen hier flanieren, um zu sehen und, was viel wichtiger war, gesehen zu werden. Nach einer ausgedehnten Mahlzeit wurden hier große und kleine Intrigen geplant, wurde hinter vorgehaltener Hand getuschelt und wurden höfische Karrieren zerstört. Dann verwandelte sich das Paradies in eine gepuderte Hölle, die Aramis nicht selten anwiderte. Doch noch waren sie unter sich. Die Königin, die Zofe und die Leibgardistin. Aramis lachte leise auf.

"Was ist so unterhaltsam?" Constance trat einen Schritt näher an sie heran.

"Nichts..." Sie winkte ab.

"Momentan scheint euch Musketiere sehr viel Nichts zu interessieren. D'Artagnan gibt mir immer die gleiche Antwort wenn ich ihn etwas frage"

"Vielleicht kommt das ja auch auf die Frage an."

"Ich stelle ihm so viele verschieden Fragen, und jedes Mal bekomme ich die gleiche Antwort. Das kann doch nun wirklich nicht mehr normal sein..." Trotzig schob sie die Unterlippe vor. "...wozu sind wir denn verheiratet frage ich dich? Mit mir kann er doch jederzeit reden. Manchmal denke ich, er geht morgens gar nicht zur Arbeit sondern treibt sich irgendwo herum!"

"Wenn es nur das ist, da kann ich dich beruhigen. Gestern war er jedenfalls da, und die Tage davor auch..." Aramis hatte Mühe sich zu beherrschen. D'Artagnan und Constance waren gerade seit zwei Monaten verheiratet und die junge Frau vor ihr führte sich auf als wäre all das schon eine Ewigkeit her.

"Mach dich nicht lustig über mich, Aramis. Du kannst dir ja gar nicht vorstellen was das für ein Gefühl ist, wenn der eigene Ehemann nicht mit einem reden will..."

"Athos redet momentan auch nicht sehr viel..."

"Das ist doch etwas völlig anderes. Ihr beide seid ja nicht mal ein Paar, geschweige denn verheiratet. Ihr seid Freunde! Und Athos war sowieso noch nie ein Freund vieler Worte..." Warum sollte er auch, ging es Aramis durch den Kopf. Er braucht nicht viele Worte um seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen.

"Trotzdem reden wir zur Zeit kaum mit einander. Vielleicht ist D'Artagnan einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wir haben momentan alle ziemlich viel zu tun. Und du kennst ihn doch, er zerbricht sich über jede Kleinigkeit den Kopf. Das geht vorbei, glaub mir!" Constance nickte mißmutig. Eigentlich hatte sie gehofft, dass Aramis ihren Mann unauffällig ausfragen würde, aber diese verschwendete keinen Gedanken an etwas Vergleichbares.

"Du hältst mich für hysterisch, oder?"

"Was?" Wieder musste Aramis lachen. "Nein, wieso?"

"Weil ich mir so viele Gedanken über unsere Ehe machen..."

"Ich würde es beunruhigender finden wenn du dir keine machen würdest!" Sie machte eine kurze Pause. "Nachdem ihr geheiratet habt, habe ich ziemlich viel nachgedacht. Über mich und Francois und wie naiv ich damals gewesen bin. Ich habe mir niemals Gedanken über unsere Beziehung gemacht, als er noch gelebt hat. Ich war blind und habe immer die Augen vor den Problemen verschlossen, die früher oder später auf mich zukommen mussten. Ich war mit einem Mann verlobt, von dem mein Vormund nicht einmal wußte, dass er existierte, der vorgab katholisch zu sein obwohl er Protestant war und der mir niemals erzählt hat, dass er den Zwillingsbruder des Königs versteckt hält. Es gab soviel, was ich nicht wußte oder nicht wissen wollte. In solchen Momenten habe ich mir immer gesagt, dass es schon irgendwie werden wird, und dass sich alle Probleme von selber lösen werden. Irgendwann, irgendwie. Es ist völlig in Ordnung, wenn du dir Gedanken machst..." Ihr Blick folgte der Spinne, die sich langsam abseilte.

"Das tut mir leid."

"Was?"

"Das du wegen uns soviel darüber nachdenken musstest."

"Nein. Es war bitter nötig."
 

Zufrieden lauschte Ludwig, wie sich die Schritte des Musketiers rasch entfernten. Er war sich sicher, dass er zu seiner vollsten Zufriedenheit handeln würde. Bevor Athos sich von ihm verabschiedet hatte, hatte er einen letzten Blick in den Garten geworfen, um sich zu vergewissern, dass die Königin noch immer spazieren ging. Sie ging nicht nur immer noch spazieren, sie stand sogar immer noch an der selben Stelle. Jetzt übersprang er einzelne Stufen, um nicht noch mehr seiner wertvollen Zeit zu vergeuden; das Gespräch mit Seiner Majestät war ohnehin unnötig lang gewesen. Warum ließ er sich die Leidensgeschichte des Kapitäns nicht von jemandem erzählen der Zeit dafür hatte. Zum Beispiel von Treville persönlich. Der hatte schließlich schon seit Wochen nichts anderes zu tun als stillzusitzen und Tee zu trinken. Prüfend sah er ein letztes Mal in die Richtung, in der er das kleine Grüppchen vermutete, dann verlangsamte er seine Schritte. Man musste nicht sehen, dass er es eilig hatte. Es genügte vollkommen, dass man es hörte. Seine Lunge tat ihren Unmut über soviel Stress mit schmerzhaften Stichen kund, sein Herz schlug deutlich schneller als noch vor einer Minute. Sein gesamter Körper schrie nach einer Pause. Athos jedoch zog es vor, ihn zu überhören.

"Kann ich dich kurz sprechen? Unter vier Augen?" Athos konnte ein leichtes Schnaufen nicht unterdrücken, als er an ihr vorüberging. Er blieb nicht stehen, um auf eine Antwort zu warten, er setzte ganz einfach voraus, dass Aramis ihm folgen würde. Und wurde nicht enttäuscht.

Als sie ausser Hörweite waren, warf Aramis einen letzten prüfenden Blick über die Schulter, mehr auf Gewohnheit als auf Vorsicht begründet.

"Ich wollte mich für mein Benehmen gestern entschuldigen. Es tut mir leid dass ich dich angebrüllt habe..."

"Schon vergessen!" Sie konnte sich nur schwerlich vorstellen, dass das seine größte Sorge war. "Ich weiß ich sage dir das nicht zum ersten Mal, aber du siehst fürchterlich aus. Noch schlimmer als gestern..." Erneut warf sie einen Blick über die Schulter. Constance und die Königin hatten sich einige Schritte entfernt und waren mit den ersten Frühblühern beschäftigt. Diese Chance galt es zu nutzen. Bevor Athos wußte wie ihm geschah, hatte Aramis den rechten Handschuh ausgezogen und die Hand auf seine Stirn gelegt. "Du hast Fieber..."

"Halb so wild. Ich muss nur wieder hinter meinen Schreibtisch, dann beruhigt sich das von selbst."

"Du musst nirgendwohin! Du wirst jetzt nach Hause gehen, dich in dein Bett legen und schlafen. Und heute Nachmittag komm' ich vorbei und seh' nach, wie es dir geht. Haben wir uns verstanden?" Ihr Tonfall erstickte jeden Widerspruch schon im Keim. Athos versuchte es trotzdem:

"Und was ist mit der Arbeit, die auf mich wartet?"

"Die wird dir schon nicht weglaufen..."

"Ausserdem hatte ich gerade eine Unterredung mit dem König. Er meinte ich solle so schnell wie möglich den Ruf der Musketiere wiederherstellen und -"

"...so wie du im Moment aussiehst wird dir das sicherlich auch gelingen. Der Stolz der königlichen Leibgarde, ein kurzatmiger Kerl mit glasigen Augen, der sich kaum auf den Beinen halten kann. Ja, ich denke du hast Recht. Du wirst unseren Ruf völlig ändern...vermutlich nicht in Ludwigs Sinne, aber immerhin!"

"Wer sonst sollte es denn tun, wenn nicht ich?" Athos' Stimme wurde leiser. Sie hatte Recht. Aber der Gedanke, tatenlos herumzuliegen hatte ihm noch nie gefallen und jetzt, da einige Straßen weiter so viel Arbeit auf ihn wartete, gefiel er ihm noch um Einiges weniger.

"Ich zum Beispiel! Sag mir einfach wo ich hingehen muss und was ich zu tun habe. Den Rest schaffe ich dann auch allein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fastcaranbethrem
2005-03-24T21:23:26+00:00 24.03.2005 22:23
haha sie war also verheiratet. jetzt wirds interessant, aber den armen könig einfach so mit krankheiten und schorf zu bedenken ist ganz schön hart, findest du nicht :-) nun sei mal nett zu ihm
fazit: weiter so! immer brav und fleißig weiterschreiben


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