Schatten der Wahrheit I
5. Schatten der Vergangenheit
Auch wenn Bulma so müde wie selten zuvor war, so konnte sie doch nicht einschlafen. Sie lag seitlich eingerollt auf der Couch in ihrem Büro, eine warme Fleece-Decke über sich ausgebreitet.
Dank des Saiyajin hatte sie eine Einnahmensteigerung von mindestens 25 % in den nächsten fünf Jahren gesichert. Wenn mit der Produktion der Raumkapseln alles glatt ging würde sie vielleicht gar nicht mehr arbeiten müssen und sich nur noch auf 'Forschung' beschränken.
Vielleicht ließe sie ihn sogar leben. Zumindest ein wenig.
Der Wind heulte unerbittlich und brachte die Scheiben in ihrem Büro zum Klirren. Wahrscheinlich musste sie für die höheren Stockwerke neue Fenster einsetzen lassen, wenn das so weiterging. Das Glas, das sie zurzeit benutzten, war der Belastung höchstwahrscheinlich nicht gewachsen.
Es war ein ungewöhnlich kalter Winter.
#No one knows what it's like
To feel these feelings
Like I do
And I blame you#
Ja, sie würde Vegeta leben lassen, denn sein Tod wäre seine Erlösung. Isolation, Einengung, egal was, Bulma würde sich alles mögliche ausdenken, um den Saiyajin leiden zu sehen.
Er hatte ihr Leben zerstört. Also würde sie das seine zur Hölle machen.
=-=
Vegeta ließ seine Wut an der nachgiebigen Wand aus, die sich nicht beschwerte und dabei noch trotz der Polsterung ungewohnt schmerzhaft war. Aber Schmerz war schon immer das Mittel gewesen um sich von einem Problem abzulenken, das einen wahnsinnig zu machen drohte.
Seine ... Erniedrigung war umsonst gewesen! Abgesehen von - zugegeben - ausreichendem aber kurzzeitigem 'Stress Relief' hatte ihm das kleine Abenteuer keinerlei Vorteil gebracht. Nein, eher im Gegenteil. Wusste sie denn jetzt nicht was für eine Wirkung sie auf ihn hatte? Und konnte sie die nicht zu ihrem Vorteil einsetzen?
"F!" Und dieser Fluch war nur der erste von einer wahren Flut, die allesamt Vegetas aufgestaute Frustration etwas dämpfen sollten. Er konnte nicht glauben, wie dumm er gehandelt hatte, indem er sich auf sie eingelassen hatte.
Nachdem die Wand und auch seine Fäuste genügend Dellen hatten und ausreichend aufgeschlagen waren ließ sich der Saiyajin zu Boden sinken und atmete tief durch. Bevor er sich seine blutigen Knöchel an seiner neuen Menschenkleidung abwischte, zog er ein angewidertes Gesicht und kam wieder auf die Beine. Egal, wie hässlich oder unpraktisch das undehnbare Zeug war, so war es doch sauber und noch zu gebrauchen. Und da Vegeta weder nackt noch schmutziger als nötig herumlaufen wollte, wusch er sich das Blut in dem kleinen Becken mit kaltem Wasser ab, das gleichzeitig zur Kühlung des pulsierenden Fleisches diente.
#No one bites back as hard
On their anger#
Mit zusammengekniffenen Zähnen und trainiert ausdruckslosem Gesichtsausdruck beobachtete Vegeta wie das mit Wasser verdünnte Blut spiralenförmig im Abfluss verschwand. Wie so viel zwischen seinen Händen einfach zu nichts zerrann, unaufhaltsam.
Aber so einfach würde er sich nicht besiegen lassen. Nicht, wenn er noch seinen Verstand hatte, und wenn noch die geringste Chance bestand, seine Rache auszuführen.
#None of my pain and woe
Can show through#
Die Emotionslosigkeit war eine Fähigkeit, die sich Vegeta in Jahren härtesten Trainings angeeignet hatte und die er wie kein zweiter beherrschte und einzusetzen wusste. Und von einem einzigen Rückschlag ließ sich ein wahrer Saiyajin noch lange nicht entmutigen.
Der Sieg würde sein sein.
=-=
Langsam zerging das Stück Zucker auf ihrer Zunge, und sein süßer Geschmack übertünchte den unangenehmen des Beruhigungsmittels, ohne welches Bulma nicht mehr schlafen konnte. Es war schon länger so, dass ihr Schlaf weder gesund war noch regelmäßig kam. Meistens reichte es aber aus, wenn sie einfach so lange arbeitete, bis sie schließlich buchstäblich im Stehen einschlief. Doch trotz ihrer augenscheinlichen Müdigkeit klappte es an diesem Tag nicht so, deswegen half sie ein wenig nach.
Als die Wirkung nach und nach einsetzte spürte die Wissenschaftlerin, wie ihre Augen immer träger wurden und der Schlaf sich ihres Geistes bemächtigte. Dankbar ließ sie die Lider sinken, um endlich Erholung zu finden, doch die wollte sich nicht einstellen.
#But my dreams
They aren't as empty
As my conscience seems to be#
Die Fluterbeleuchtung verströmte blassweißes Licht über den Rasen, der von der Bewässerungsanlage noch feucht war. Die Luft war noch warm, was im Sommer nicht ungewöhnlich war, vielleicht aber zu warm.
Obwohl Bulma in der Westlichen Hauptstadt lebte war es abgesehen von der Gartenbeleuchtung nicht sehr hell, dass man die Sterne ausgesprochen gut sehen konnte. Wachsam überquerte die Wissenschaftlerin den Rasen, als sie plötzlich ein Geräusch zum Erstarren brachte. Ein Brummen, tief und gleichmäßig, wie das Starten einer gut geölten Maschine.
Es war zu nah um ein Auto von der Straße zu sein, außerdem konnte Bulma direkt Druckwellen spüren, die mit den Geräuschen einhergingen. Was konnte das sein? Führte ihr Vater etwa ein außerplanmäßiges Experiment durch, von dem er sie nicht informiert hatte? Und wenn ja, wo ...?
Bevor Bulma die Frage zu Ende denken konnte, schoss ein Luftzug an ihr vorbei Richtung Himmel. Ihre Haare wirbelten durcheinander und ausgewachsene Haarspitzen versperrten ihre Sicht, die sie daran erinnerten, dass ein Besuch beim Friseur anstand. Doch da keine Zeit für irgendwelchen Schönheitsticks war, raffte sie ihre Haare kurzerhand zusammen und blickte hinauf in die zum Glück klare Nacht. Sterne blinkten, das Flutlicht blendete, aber all das lenkte sie nicht von dem Objekt ab, das ihre Aufmerksamkeit gefesselt hatte.
Ein kugelförmiges Objekt raste mit unglaublicher Geschwindigkeit davon, und wenn Bulma keine Wissenschaftlerin gewesen wäre, hätte sie es vielleicht für einen Satelliten gehalten, aber dem war nicht so.
Konnte es sein? War es tatsächlich möglich, dass sie gerade ein ... UFO gesehen hatte? Als Anhänger der Wissenschaften und der logischen Erklärung aller Phänomene lag ihr zwar die Idee von Aliens, die die Erde besuchten, so wenig wie allen anderen renommierten Erdenbürgern, die Erich von Däniken für einen Spinner hielten, aber ... Hatte sie eben nicht mit eigenen Augen gesehen, wie diese überdimensionale Mozartkugel von den Bäumen in ihrem Garten weg ins All gestartet war? Diese Art von Technologie war ihr fremd, und die C.C. war in der Innovation stets Marktführer.
Bulmas Sinne waren noch bis aufs Äußerste geschärft, als sie wieder ins Haus gehen wollte. Das feuchte Gras quietschte leise unter ihren Gummisohlen, doch das war es nicht, was ihre Aufmerksamkeit kurz darauf auf sich lenkte.
"Mom? Dad?", flüsterte sie zögerlich. Ihre Stimme zitterte beträchtlich als sie sich den zwei Gestalten näherte, die von ihrer derzeitigen Position aus neben einem Gebüsch liegend sichtbar wurden.
=-=
"Hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren?!"
Bulma, die mit gesenktem Kopf ihrem Freund Yamchu gegenübersaß, bereute schon längst, ihre Vermutungen geäußert zu haben. Sie hatte gehofft, dass wenigstens er ihr glauben würde. Der Mann, der ihr einst ewige Liebe und Treue geschworen, und keines der Versprechen gehalten hatte.
Niemand hatte ihr glauben wollen - und das obwohl sie eine der anerkanntesten Persönlichkeiten der Welt war. Aber irgendwie konnte sie es auch nachvollziehen. Sie hätte bestimmt auch niemandem ein offenes Ohr geschweige denn Glauben geschenkt, dessen Eltern unlängst verstorben waren und der dann mit einer Geschichte über ein UFO und irgendwelchen Aliens ankam, die die beiden umgebracht haben sollten - weswegen auch immer. Es machte überhaupt keinen Sinn.
Die Klatschpresse hätte die Wissenschaftlerin in der Luft zerrissen und bis auf den letzten Groschen ausgeschlachtet, mit der Geschichte hätten sie mehr Geld machen können, als Bulma mit all ihren Erfindungen zusammen. Doch glücklicherweise war es dazu nie gekommen. Die Polizei hatte Diskretion walten lassen - auch wenn sie sie bestimmt hinter vorgehaltener Hand als Verrückte bezeichneten.
Aber von Yamchu hätte sie sich doch ein wenig mehr - wenn auch nur - Loyalität erhofft.
"Ver-vergiss es einfach, ja?", murmelte Bulma. Sie wollte nur noch allein sein.
Doch Yamchu ging nicht darauf ein. "Es einfach vergessen? Bulma, hast du dir in letzter Zeit vielleicht mal zugehört? Du redest absoluten Schwachsinn! Aliens! Um Himmels Willen!"
"Sei still", knurrte Bulma jetzt gefährlich leise. "Sei einfach still und verpiss dich endlich."
"Was?" Yamchu wurde aus seiner Rede gerissen. "Was hast du gesagt?"
"Du sollst dich verpissen! Verschwinde! Schau, dass du abhaust! ICH WILL DICH NICHT MEHR SEHEN!!"
Und das tat sie dann auch nicht mehr. Dieser Tag war der letzte, dass Bulma etwas von Yamchu gesehen oder gehört hatte, und das war auch gut so. Er hatte ihr das Herz gebrochen. In im kitschigen romantischen Sinne, dass er sie mit einer anderen betrogen hätte, nein, sein Betrug war weitaus schlimmer gewesen. Er hatte an ihrem Wort gezweifelt.
#I have hours, only lonely#
