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The Wild Child

von

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Das Kind

Das Kind
 

Als mein Onkel Calmach auf die Burg meines Großvaters zurückkehrte, war ich erst vier Jahre alt. Jener Tag im Spätfrühling ist eine sehr bewusste Erinnerung geblieben.

Es war außergewöhnlich warm. Ich war draußen im Garten und fütterte die kleinen Affen - Tiere aus einem Land weit im Süden, von dem uns zwei Ozeane trennten. Ein Freund meines Großvaters hatte sie ihm zum Geschenk gemacht, noch bevor ich geboren wurde.

Vor den Lieblingsgemächern des Königs lag eine Terrasse, und von dort aus führte eine Treppe hinunter in den Garten. In der Mitte stand ein Brunnen, alles war mit grün bewachsen, Apfel-, Feigen-, Pfirsich- und sogar Affenbrotbäume standen dort. Eigentlich hätte ich mich dort gar nicht aufhalten dürfen, aber ich dachte, mein Großvater sei an diesem Tag im Dorf und würde erst am späten Nachmittag wieder zurückkommen und außer ihm hatte niemand etwas dagegen, dass ich mich dort aufhielt.

Fünf oder sechs Affen kamen heran gelaufen, als ich sie fütterte. Sie hatten alle lange Leinen um ihren Hals, die verhindern sollten, dass sie davonliefen. Die ganze Anlage war von einer hohen Steinmauer umgeben. Hinter dieser Mauer erklangen plötzlich Hufgeräusche. Die Affen wedelten mit ihren langen Schwänzen. Überrascht lief ich zum Tür am anderen Ende des Gartens, um in den Hof sehen zu können.

Etwa ein Dutzend Pferde erblickte ich dort; sie trugen eine Standarte mit einem Banner, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ein hoch gewachsener Mann stieg von einem der Pferde. Ich konnte mich an diesen Mann erinnern, obwohl ich ihn auch so an seinem Aussehen als meinen Onkel Calmach erkannt hätte, denn er war genau so breitschultrig wie mein Großvater und hatte das gleiche rotblonde Haar wie er und meine Mutter. Und der Mann, der ihm nun gegenübertrat, um ihn zu begrüßen war der König, mein Großvater.

Erschrocken darüber, dass er doch nicht im Dorf war, versteckte ich mich hinter der Mauer. Ich hörte, wie die beiden Männer sie begrüßten und dann in den Palast hineingingen.

Ich sah die Affe, die sich mir näherten, um gefüttert zu werden; sie versuchten nie, ihrem Gefängnis zu entkommen und an ihren Fesseln zu zerren.

Ich war mir sicher, dass ich mich an ihrer Stelle wehren und davonlaufen würden

Calmach war der zweitälteste Sohn meines Großvaters gewesen, doch sein älterer Bruder, mein Onkel Dyved, war an schrecklichen Magenschmerzen und unter Krämpfen gestorben. Und da seine Witwe kinderlos war, stand nun Calmach an erster Stelle der Thronfolge, auch wenn ein paar Sklaven einmal gemunkelt hatten, Dyved sei vergiftet worden - und zwar von Calmach.

Plötzlich rief eine wütende Stimme meinen Namen und riss mich damit aus meinen Gedanken: "Myrlin!"

Bevor ich mich richtig umgesehen hatte, stand mein Großvater hinter mir, packte mich am Ohr und zerrte mich zur Terrasse.

"Ich hab dir doch gesagt, dass du die Affen nicht füttern sollst. Und hier hast du auch nichts verloren, was machst du hier?"

"Ich dachte, du seiest im Dorf, Großvater!"

"Nein, ich gehe erst heute Abend, weil ich meinen Sohn willkommen heißen muss!", sagte er. Als wir endlich bei meiner Mutter und meinem Onkel auf der Terrasse standen, ließ er mich wieder los. Ich kniete mich nieder und legte meine Stirn auf die Steinplatten und erst nach einem weiteren Augenblick hob ich meinen Kopf wieder, blieb aber weiterhin auf den Knien.

Ich sah Calmach an. Er sah tatsächlich aus, wie ein jüngeres Abbild meines Großvaters. Meine Mutter blickte mich mit einem durchdringenden Blick an, als wollte sie mich davor warnen, wieder etwas Falsches zu sagen und meinen Großvater zu verärgern. Mein Großvater kam mir immer vor, wie Riese und er war auch furchtbar jähzornig, Calmach hingegen lächelte mich an und bedeutete mir, näher zu kommen.

"Das ist sie, der Bankert deiner Schwester. Kaum vier Sommer alt, aufgeschossen wie ein Kraut und keinem von uns ähnlicher als des Teufels höchster Brut. Dunkel und so voll Furcht vor kaltem Eisen wie ein Wechselbalg aus den hohen Hügeln. Sag mir, dass der Teufel selbst dieses Kind gezeugt hat, und ich glaube dir."

Mein Onkel richtete seine Frage an meine Mutter: "Wer?"

"Narr!", zischte mein Großvater, "Gepeitscht wurde sie, bis die Frauen jammerten, sie würde das Kind verlieren. Ihr selbst war kein Wort zu entreißen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätte eine Todgeburt gehabt."

Calmach blickte zu mir herab und lächelte immer noch. An seinen Rehfellstiefeln haftete getrockneter Schlamm. Stehenden Schmutzes und ohne sich nach der Reise zu erfrischen war er gekommen, um mich zu sehen? Irgendetwas daran kam mir unheimlich vor.

Er starrte gutmütig auf mich, während meine Mutter aufrecht stand und mein Großvater mit rasselndem Atem, bebendem Kinn und zuckender Stirn grollte, wie immer, wenn er erregt war.

"Wie heißt du?", fragte mein Onkel. Auch er schien riesig zu sein.

"Myrlin Llaw."

"Llaw? Strahlendes Kind? Das scheint kaum der Name für einen Dämonenspross."

"Sie nennen mich Myrlin, wie den Flaken, den Conwalch."

"Ein sehr ängstlicher Vogel", warf mein Großvater ein.

"Ein eben noch kleiner Vogel", erklärte ich trotzig.

"Weißt du auch, wer ich bin?", wollte nun mein Onkel wissen.

"Natürlich! Ich weiß noch, wie ihr letzten Sommer aus Niederbritannien zurückgekehrt seid und der Hohe König hat euch in Deva einen Empfang bereitet. Ihr hattet die Schlacht verloren, deshalb trugen Eure Krieger die Speere nach unten gerichtet. Als Ihr vor dem Hohen König niederknietet, hob er Euch wieder auf und nannte Euch Aegnus - seinen besonderen Feldherrn."

"Das weißt du noch?", rief Calmach beeindruckt, "Aber das ist doch schon ein Jahr her! Ja, richtig, der Hohe König nannte mich Aegnus, wie er alle Krieger aus unserer Sippe nennt, denn das war der Name unseres Urvaters."

Mein Großvater schnaubte verächtlich. "Myrlin weiß vieles, mehr, als sie wissen sollte. Wer auch immer diesen Balg zeugte, hat sich die letzten drei Jahre nicht gemeldet und auch die nächsten drei mal drei Jahre wird er nicht kommen. Und selbst wenn sie das Kind des Hohen Königs Vortigern wäre, hätte der König an diesem Spross sicher keine Freude; ein verstocktes Kind, das sich in Ecken und Winkeln herumdrückt, anstatt mit den anderen Kindern zu spielen - aus Angst vermutlich. Ein Kopf voller Streiche, Unfug und Blödsinn."

Die beiden wandten sich wieder von mir ab und ich hoffte, bald wieder gehen zu können. Meine Mutter winkte mich zu sich heran und wollte mir gerade etwas sagen, als mein Großvater wieder zu reden begann: "Ich muss mich beeilen, wenn ich rechtzeitig im Dorf sein will. Halt mir den Bankert aus den Gärten fern, Niniane, und am besten auch aus meinem Blick." Mit diesen Worten verschwand er ins Haus und rief nach einem seiner Diener.

Meine Mutter hatte meine Hand genommen und drückte sie, während Calmach sie wissend lächelnd ansah, als wisse er von einem Geheimnis.

"Niniane, hast du etwas dagegen, wenn ich mich eine Weile mit dem Mädchen unterhalte. Immerhin sollten wir uns doch kennen lernen."

Meine Mutter nickte wortlos und so bedeutete mir Calmach, ihm zu folgen.
 

An diesem Abend hatte ich mich fortgeschlichen, um wieder in mein Versteck zu gehen. Unser Zuhause war eine alte Römervilla, die von unseren Handwerkern wieder restauriert und neu aufgebaut worden war. Aber kaum noch etwas von den alten Anlagen der Römern wurde noch verwendet, allem voran das Hypokaustum. Die Fußbodenheizung war äußerst baufällig.

Der unterirdische Tunnel war mein geheimer Platz; mein Großvater hatte schon Recht, als er meinte, ich würde mich in Ecken und Winkeln herumdrücken. Doch ich tat es nicht aus Furcht - auch wenn die anderen Kinder mich bei ihren Kriegsspielen gerne zum Prellbock machten, wenn sie meiner habhaft werden konnten.

Ich versteckte mich nicht, ich wollte nur allein hier unten meine Spiele spielen. Die unterirdischen Tunnel wurden nur noch von ein paar Pfeilern gehalten, doch man konnte geräuschlos hindurch kriechen. Außerdem diente mir das Hypokaustum nicht nur als geheimer Spielplatz, obwohl ich den Erdgeruch, die verzweigten, unterirdischen Tunnel liebte, war dies auch die Quelle zu einem geheimen Wissen. Man konnte alles und jeden im Palast belauschen und so kannte ich die dunkelsten Geheimnisse der Ratsherren, Höflinge und aller, die am Hof meines Großvaters verkehrten.

Hätte man mich dabei erwischt, wäre die Strafe wahrscheinlich nicht nur einfaches Auspeitschen gewesen.

Meist kroch ich zu einem Raum, den ich Höhle nannte, ein kleiner leerer Kesselraum, wo ich meine Sachen verstecken konnte, die andere besser nicht entdecken sollten. Dort hatte außerdem die Decke ein Loch und ich konnte in den Sternenhimmel blicken.

Ich ließ mich in der Höhle in das gestohlene Stallstroh sinken und sah hinauf zu den Sternen. Meist beobachtete ich sie und redetet mit ihnen, stellten ihnen Fragen über die Zukunft und lauschte ihrer Musik. Die Sterne blinkten meist nur still vor sich hin und dann erklang diese leise Musik, die man nur hören konnte, wenn es ganz ruhig war und man geduldig genug lauschte.

Auf dem Rückweg kroch ich unter einem Gemach vorbei, das bislang leer gewesen war. Ich vernahm Stimmen und lauschte: mein Onkel musste nun dort wohnen.

Der Mann, mit dem er sich unterhielt gehörte dem Akzent nach zu seinem Gefolge, dass er am Nachmittag mitgebracht hatte. Möglichst geräuschlos kroch ich unter den Pfeilern näher. Ich war darauf bedacht, kein Geräusch zu machen, doch da stieß ich mit dem Knie hart gegen einen Stein, der auf dem Boden lag. Ich biss mir auf die Unterlippe, um einen Schmerzensschrei zu verhindern. "Der Palast fällt nach und nach in Stücke", vernahm ich die wohlklingende Stimme meines Onkels. Der andere Mann sprach mit einem starken südländischen Akzent. Ich verstand nicht alles, da ich mich nicht näher traute, in Erinnerung an den Zorn meines Großvaters, und so vernahm ich zuerst nur Bruchstücke und das Eingießen eines Getränks.

Aber dann sprach mein Onkel: "... ob sie ihn abweißt oder nicht, das spielt keine Rolle. Sie geht ins Kloster, das Los hat sie selbst gewählt. Nach seinem Tod, spätestens."

"Und ihr Kind?"

"Das Kind?", wiederholte Calmach und ging langsam im Zimmer auf und ab. Ich musste um jeden Preis hören, was er sagte.

"Ja!", seine Stimme klang überraschend sanft, "Ja, richtig, das Kind. Ein sehr gescheites Kind, wie mir scheinen will, viel klüger, als alle Welt hier glaubt... und zugänglich, wenn man sie anständig behandelt." Fast war ich mir sicher, dass er in diesem Moment lächelte: "Keiner einzigen Seele hat meine Schwester erzählt, wer der Vater ihres Kindes ist. Aber es verhält sich..." Ich verstand nicht, was er sagte, denn er flüsterte nur. Auch, als ich behutsam näher kroch, konnte ich nichts verstehen, bis er wieder laut redete: "Ich werde seine Tochter nicht aus den Augen lassen... aber vergiss nicht, Alun: ich mag sie!"

Als ich in dieser Nacht wieder in mein Bett gekrochen war, konnte ich nicht einschlafen, weil eine Frage in meinem Kopf brannte: Wusste Calmach, wer mein Vater war?

Meine Mutter hatte tatsächlich niemand den Namen meines Vaters je genannt - auch mir nicht und Calmach sicher auch nicht. Woher konnte er es dann wissen?

In den nächsten Tagen versuchte mein Onkel tatsächlich, sich mit mir anzufreunden. Tagelang folgte ich ihm überall hin und er duldete, ermutigte mich sogar. Dass ein vierjähriges Kind einem neunundzwanzigjährigen Prinzen nicht immer willkommen war, begriff ich nicht, doch Moravik, und sie schalt mit mir. Aber meiner Mutter schien es nichts auszumachen und sie gebot meiner Amme, mich in Ruhe zu lassen.
 

Maridunum lag nicht weit vom Meer entfernt und der Geruch des Salzwassers wurde vom Wind bis in den Gesindegarten getragen. In diesem Teil des Gartens gab es keine Feigen- oder Pfirsichbäume, sondern nur Äpfel. Das Gras war an den meisten Stellen nicht saftig grün, sondern gelb und bräunlich und auch keine Affen turnten herum, nur ein paar Vögel und Insekten gab es. Ich durfte auch nicht auf die Apfelbäume hinaufklettern, sondern musste mich mit dem Fallobst begnügen.

Moravik saß auf der Sonnenterrasse und stickte etwas, während ich auf der Steinmauer saß, die den Garten umgab. Dort hinauf durfte ich, denn man konnte auf die Straßen sehen, die vom Meer her zum Haus, nach Carleon oder ins Dorf führten; von dort oben konnte ich nämlich meiner Amme von allem erzählen, was auf den Straßen vor sich ging.

Ab und zu kam ein Händler über die Brücke am Fluss unterhalb von Maridunum. Es herrschte kein Krieg oder Aufstand in Wales, nur in Niederbritannien und an der südlichen Küste.

Als sich auf der Straße nichts mehr tat, wandte meinen Blick ab und sah auf den Apfelbaum neben mir, den besten Weg hinauf ins Geäst zu suchen. Ich wusste, Moravik würde schimpfen, aber das war nicht weiter schlimm für mich. Um den untersten Ast zu erreichen richtete ich mich auf, jedoch bekam ich nur die weiche, nachgebende Spitze der Knospe zu fassen. Ich streckte mich noch mehr, fuhr mit den Händen weiter den Trieb entlang. Mit einem kleinen Sprung wie eine Berggämse, oben, auf dem Snowdon, hing ich an dem Ast. Ich schlang meine nackten Füße darum und zog und ruderte so lange mit Armen und Beinen, bis ich auf dem Ast oben saß. Von dort aus griff ich nach dem nächsten Ast, drückte mich mit den Füßen am Stamm ab und kam immer höher. Da hörte ich Pferdehufe und mein Kopf fuhr herum zur Straße. Eine ganze Gruppe von Reitern. Allen voraus ritt ein barhäuptiger Mann auf einem riesigen, braunen Ross. Es war weder Calmach noch mein Großvater und auch die übrigen Reiter hatte ich zuvor noch nie gesehen. Sie trugen Farben, die ich nicht kannte. Als sie, näher kommend, die Brücke fast schon hinter sich gelassen hatten, sah ich, dass Kopf- und Barthaar des Anführers schwarz waren. Seine Kleidung wirkte ausländisch. Auf seiner Brust schimmerte es golden. Die Schar, schätzte ich, zählte etwa fünfzig Mannen.

König Gorlan von Lanascol.

Was mir, deutlich und unverwechselbar, den Namen eingab, wusste ich nicht. Vielleicht etwas, dass ich in meinen Labyrinth erlauscht hatte? Oder ein achtlos dahingeworfenes Wort eines Erwachsenen, in meiner, des Kindes, Gegenwart? Von Schilden und Speerspitzen glänzte mir widerglänzendes Sonnenlicht in die Augen. Gorlan von Lanascol. Ein König. Gekommen, um meine Mutter zu heiraten und mich mit zu nehmen, in ferne Lande. Meine Mutter: eine Königin. Und ich...

Schon war sein Ross am Fuß des Hügels.

"Und wenn sie ihn ablehnt?", hörte ich Aluns Stimme von neulich Nacht. Und dann meinen Onkel: "Selbst wenn sie's tut... Ich habe nichts zu fürchten, und käme er selbst..."

Die Reiterschar war bereits bei der Brücke. Ich hörte das Klirren der Waffen und das Stampfen der Hufe. Er war gekommen, er war hier!

Ich kletterte ein paar Äste tiefer, die Männer kamen näher. Vor Aufregung hätte ich ein paar Mal fast den Halt verloren und wäre gestürzt. Noch bevor ich auf dem vorletzten Ast stand rief ich: "Moravik! Moravik!" Meine Amme war eingeschlafen und fuhr hoch.

"Myrlin! Myrlin, wo steckst du schon wieder?"

Ich hatte keine Zeit, mich zu rechtfertigen, er kam!

"Hier, Moravik, ich komme schon." Da fiel ich vor Unachtsamkeit ein Stück nach vorn, glitt mit dem nackten Fuß ab und fiel zwei Meter hinunter.

"Oh, mein Gott!", lautete Moraviks schriller Aufschrei.

Ich hatte keine Zeit, mich um irgendwelche Schmerzen zu kümmern: "Moravik! Sie kommen!"

"Wer denn? Ich habe Pferdehufe gehört? Was geht da draußen vor? Da kommt ja eine ganze Schar, wie mir scheinen will. - Bei allen Heiligen, Kind, wie sehen deine Kleider aus! Erst diese Woche habe ich sie wieder geflickt! Da, der Riss! Eine Faust könnte man hindurch stecken! Und schmutzig von Kopf bis Fuß wie ein Bettlerkind."

Schnell wich ich ihrer ausgestreckten Hand aus.

"Ich bin gefallen. Beim Hinabklettern, als ich dir berichten wollte. Ja, eine ganze Reiterschar - Fremde! Moravik, es ist König Gorlan von Lanascol! Er hat ein rotes Gewand und einen schwarzen Bart!" "Gorlan von Lanascol? Das ist ja kaum zwanzig Meilen von meinem Geburtsort! Was mag er nur hier wollen?"

Ich starrte sie an. "Ja, weißt du nicht? Er ist gekommen, um meine Mutter zu heiraten."

"Unsinn!"

"Es ist wahr!"

"Unsinn, sage ich! Denn dann wüsste ich bestimmt etwas. Rede also nicht so daher, Myrlin, sonst gibt es nur wieder Ärger. Wo hast du denn das aufgeschnappt?"

"Weiß ich nicht mehr. Jemand muss es mir erzählt haben... meine Mutter, glaube ich."

"Das ist nicht wahr, und das weißt du auch."

"Dann hab ich's irgendwo gehört."

"Irgendwo gehört, irgendwo gehört! Junge Schweine haben lange Ohren, sagt man. Und deine sind wohl besonders lang, wo du so viel hörst. Was lächelst du so?"

"Ach nichts."

Sie stützte die Hände auf die Hüften. "Du hast deine Ohren überall. Immer wieder habe ich dir gesagt, du sollst dich in Acht nehmen. Kein Wunder, dass die Leute so über dich reden."

Ich war zu erregt, um mich wie sonst in vorsichtiges Schweigen zu hüllen. "Es ist wahr, das wirst du noch sehen! Wo ich's gehört habe, weiß ich nicht mehr, aber das ist doch auch egal. Moravik?"

"Was?"

"König Gorlan ist mein Vater, mein wirklicher Vater!"

"Was?" Wie ein scharfer Dorn stieß das Wort gegen mich.

"Hast nicht einmal du das gewusst?"

"Nein und auch du weißt ja nichts, gar nichts. Wehe dir, wenn du zu anderen davon... Woher kennst du überhaupt seinen Namen?" Sie packte mich bei den Schultern und schüttelte mich heftig.

"Wie willst du wissen, dass es König Gorlan von Lanascol ist? Keine Menschenseele sonst konnte ahnen..."

"Das habe ich dir doch gesagt, ich habe es irgendwo gehört. Jemand muss seinen Namen genannt haben, und ich weiß auch, dass er wegen meiner Mutter zum König kommt. Dann geht's nach Lanascol, und natürlich kannst du bei uns bleiben, Moravik. Wäre das nicht schön? Dort ist doch deine Heimat, und vielleicht..."

Ihr Griff spannte sich härter und ich verstummte.

Erleichtert sah ich, wie einer des Königs Leibdienern durch den Garten rannte und auf uns zu eilte. Keuchend blieb er vor uns stehen. "Sie soll zum König. Das Mädchen. In die große Halle, rasch!"

"Wer ist es?", fragte Moravik.

"Rasch doch, rasch! Ich habe euch schon überall gesucht."

"Wer ist es?"

"König Gorlan von Aquitanien."

Sie ließ ein überraschendes Zischen hören. Ihre Hände gaben meine Schultern frei.

"Was hat er mit dem Mädchen hier zu schaffen?"

"Woher soll ich das wissen?", entgegnete der Mann atemlos und barsch, "Das Kind und seine Mutter sollen vor dem König erscheinen, und wenn das nicht bald geschieht, dann lässt er seinen Zorn an uns aus. Seit die fremden Reiter hier sind, ist er in großer Erregung."

"Schon gut, schon gut, geh zurück und sage, dass wir in wenigen Minuten kommen."

Der Mann eilte davon. Moravik griff nach meinem Arm.

"Bei allen Heiligen im Himmel!", obschon Christin schwor meine Amme auf tausenderlei Talismane, von denen sie eine ganze Sammlung besaß; und nie ging sie an einem Götzenschrein vorbei, ohne ihm ihre Ehrfurcht zu zeigen. Doch in den Minuten der Not wurde sie wieder gläubig und fromm.

"Süßer Cherub! Ausgerechnet heute läuft dieses Kind in Lumpen herum. Rasch doch, rasch! Jetzt nur keine Sekunde verloren!"

Unentwegt ihre Heiligen rufend und mich zur Eile treibend, drängte sie mich auf das Haus zu.

"Gnädiger St. Petrus, warum habe ich nur die Aale gegessen und bin dann eingeschlafen? Ausgerechnet heute!"

Sie schob mich vor sich her in mein Gemach. "Zieh diese Lumpen aus und lege dein gutes Gewand an. Bald werden wir wissen, was der König von dir will. Rasch doch, Kind!"

Das Gemach war eigentlich nur eine dunkle Kammer neben den Räumen für das Gesinde, doch ich hatte es für mich allein. Stets roch es dort nach den Dünsten der nahen Küche. Trotzdem, mir gefiel das, und ich mochte auch den alten Birnenbaum vor dem Fenster, wo morgens die Vögel sangen. Mein Bett stand unmittelbar unter diesem Fenster. Eine Pritsche aus nackten Brettern, ohne jede Verzierung, ja, ohne eigentlich Abschluss am Kopf- oder Fußende. Der Enkelin eines Königs gar nicht angemessen, wie Moravik den anderen Bediensteten erklärte, wenn sie mich außer Hörweite glaubte. Mir jedoch betonte sie, das könne mir sehr lieb sein, so nahe beim Gesinde zu sein.

Und zweifellos: Ich war zufrieden, denn sie sorgte für eine Strohmatratze und eine Wolldecke, die nicht schlechter war, als die im Gemach meiner Mutter, nahe den Räumlichkeiten meines Großvaters.

Moravik selbst hatte ein paar Zimmer weiter ihr Lager, das sie nicht nur mit den sich kratzenden und Flöhe suchenden Wolfshunden teilte, sondern auch mit Cynric, einem Angelsachsen, der vor Jahren in Gefangenschaft geraten war und seither als Knecht diente. Er hatte hier geheiratet, doch Frau und Kind waren bei der Niederkunft gestorben. Die Hunde in den Zimmern duldete Moravik, trotz des Gestanks und der Flöhe, offenbar, weil sie vor Eindringlingen geschützt sein wollte (außer natürlich Cynric, den die Hunde immer schwanzwedelnd willkommen hießen).

In gewisser Weise nahm Cynric eine ähnliche Funktion ein, wie die der Wachhunde. Und noch andere dazu. Da aber Moravik über ihn nie sprach, hielt auch ich wohlweißlich den Mund. Von einem Kind nimmt man an, dass es tief und fest schläft, doch so jung ich auch war - oft wachte ich mitten in der Nacht auf und beobachtete, still daliegend, durch das Fenster die Sterne, die wie funkelnde Silberfische im Netz des Baumgeäst gefangen waren.

Meine Kleider wurden in einer Holztruhe aufbewahrt, die an der Wand stand. Uralt war sie, bemalt mit Bildern von Göttern und Göttinnen, und ich glaubte, dass sie aus Rom stammte. Die Farbe, schmutzig und verwischt, blätterte teilweise ab, doch auf dem Deckel erkannte man noch, schattengleich, eine Szene, die in einer Höhle zu spielen schien: Ein Stier war zu sehen, und ein Mann mit einem Messer, der eine Garbe oder etwas ähnliches hielt; und darüber, fast verwischt, eine Gestalt mit Sonnenstrahlen um das Haupt und einem Stab in der Hand. Die Truhe war mit Zedernholz gesäumt und Moravik, die meine Kleider selbst wusch, legte immer süße, duftende Kräuter aus dem Garten dazu.

Jetzt hob sie den Deckel so energisch hoch, dass er gegen die Wand prallte. Dann zog sie eines meiner guten Gewänder hervor. Es war eine knielange Tunika, blau mit silberner Borte. Sie nestelte an mir herum und versuchte meine Haare in Ordnung zu bringen. Ich zupfte an meiner Tunika herum, bis Moravik mich anzischte und sagte, ich sollte damit aufhören.

Der fettleibige Bedienstete, der uns im Garten aufgestöbert hatte, tauchte auf, um uns erneut zu Eile zu drängen. Und Moravik fuhr ihn unsanft an. Doch kaum hatte ich meine Sandalen angezogen, fand ich mich den Säulengang entlang gezerrt, durch das große, gewölbte Kernstück des Hauses.

Die Halle, in der der König Besucher empfing, war ein hoher, lang gestreckter Raum. Auf dem Fußboden säumten weiße und schwarze Steine ein Mosaik, das einen Gott mit einem Leoparden darstellte. Gut erhalten war es allerdings nicht. Das Verrücken schwerer Möbel und das ständige Stampfen von Stiefeln hatten verheerenden Schaden angerichtet. An einer Seite, zum Säulengang hin, war die Halle offen, und im Winter wurde dort, in einem losem Steinring, auf dem Boden ein Feuer gemacht. Was sich an den Steinen und Säulen in der Nähe befand, war dementsprechend rauchgeschwärzt. Am anderen Ende der Halle stand der Thronhimmel, mit einem Stuhl für meinen Großvater und einen für seine Königin.

Und dort saß er jetzt, Olwen, seine junge Gemahlin, zur Linken, während Calmach rechts von ihm stand. Olwen war bereits seine dritte Gemahlin, jünger als meine Mutter und ein eigentümlich einsilbiges und recht törichtes Geschöpf. Sie hatte dunkles Haar, das ihr in Flechten bis zu den Knien hinab hing, und milchweiße Haut. Auch konnte sie vogelgleich singen und verstand sich auf schöne Stickereien, doch zu viel mehr langte es bei ihr nicht. Meine Mutter, glaube ich, mochte und verabscheute sie gleichermaßen. Wie dem auch immer sein mochte: Beide kamen recht gut miteinander aus, und Moravik behauptete, dass meine Mutter ein leichteres Leben habe, seit Gwynneth, des Königs zweite Frau, vor einem Jahr gestorben und bald darauf Olwen an ihre Stelle getreten war. Auch wenn ich mich nicht mehr an Gwynneth erinnern konnte, nahm ich an, dass es stimmte, wenn Cynric mir erzählte, dass ich es mit Olwen besser erwischt hatte. Sie behandelte mich in ihrer vagen Art stets freundlich, und ich liebte sie, wegen ihrer Musik. War der König nicht in der Nähe, lehrte sie mich Noten lesen und ließ mich sogar an ihre Harfe, so dass ich schon ein wenig spielen konnte. Sie meinte sogar, ich habe Talent, doch da wir beide wussten, was der König von solchen Narrheiten hielt, betrieben wir es heimlich, und selbst meine Mutter wusste nichts davon.

Jetzt bemerkte sie mich nicht. Niemand bemerkte mich, außer meinem Vetter Dinias, der neben Olwens Stuhl stand.

Dinias war ein Bankert, den mein Großvater mit einer Sklavin gezeugt hatte; sechs Jahre alt, groß für sein Alter, rothaarig und jähzornig wie sein Vater, auch verfügte er über große Kraft und schien sich vor nichts zu fürchten. Vor einem Jahr hatte er sich auf ein Pferd seines Vaters geschwungen, ein wildes braunes Füllen, mit dem er durch die Stadt gesprengt war. Erst am Flussufer hatte es in abwerfen können. Seitdem stand Dinias in Großvaters Gunst, auch wenn dieser ihm zuerst eine kräftige Tracht Prügel verabreicht hatte, nicht ohne ihn anschließend mit einem Dolch mit goldenem Griff zu belohnen. Von da an nahm Dinias, wenigstens den übrigen Kindern gegenüber, den Titel eines Prinzen für sich an Anspruch und behandelte mich, der ein Bastard war wie er, mit äußerster Verachtung.

Jetzt starrte er mich mit steinerner Miene an, machte jedoch mit der Linken Hand verstohlen ein höhnisches Zeichen.

Unwillkürlich war ich im Eingang stehen geblieben. Moraviks Hand zupfte mein Gewand zu Recht und gab mir anschließend einen Stoß zwischen die Schultern.

"Geh schon. Und halte dich gerade. Er wird dich schon nicht auffressen." Doch schien dies selbst in ihren Augen ein frommer Wunsch zu sein. Sie begann ein Gebet zu murmeln und ich hörte das leise Klicken eines Amuletts.

Die Halle war voller Menschen. Viele von ihnen kannte ich. Die anderen schienen zu jener Schar zu gehören, die vor kurzem über die Brücke geritten waren. Ihr Anführer, von vielen seiner Mannen umgeben, saß nahe zur Rechten des Königs. Er war baumlang und dunkelhaarig. Kühn sprang seine Adlernase vor. Das scharlachrote Gewand schien kraftvolle Gliedmaßen zu verbergen.

Auf der anderen Seite des Königs, noch unterhalb des Thronhimmels, stand meine Mutter mit zwei ihrer Damen. Ihr Anblick gefiel mir sehr. Wie aus frischem Holz geschnitzt fiel ihr langes, lichtes Kleid bis zum Boden. Auch sonst trug sie sich wie eine Prinzessin. Ihr geflochtenes Haar wallte tief über den Rücken. Eine kupferne Spange hielt das blaue Übergewand zusammen. Ihr Gesicht jedoch war blutleer und wirkte sehr still.

Allerlei Ängste durchrannen mich. Die höhnische Geste von Dinias; die niedergeschlagenen Augen meiner Mutter; das Schweigen der Menge hier in der Halle; die Leere des Mosaikbodens, über den ich schreiten musste; und furchtsam mied ich jeden Blick zu meinem Großvater. Immer noch unbemerkt hatte ich einen zaghaften Schritt gewagt, als er plötzlich mit einem Krach wie von Pferdehufen beide Arme auf die Lehnen seines Stuhls schmetterte und so heftig hochsprang, dass sein Thronsessel, ein schweres, wuchtiges Möbel, mit schnurrenden Füßen ein Stück zurücksauste.

Ich zuckte zusammen und biss mir erschrocken auf die Unterlippe, als er schrie: "Beim Himmel!"

Dunkel verfleckt schimmerte sein Gesicht. Zornig zogen sie die roten Brauen über seinen wilden Augen zusammen. Ein funkelnder Blick traf meine Mutter. Dann schnaubte er laut durch die Nase. Doch ehe er etwas sagen konnte, begann sein Gast zu sprechen. Was er sagte, verstand ich nicht. Zur gleichen Zeit flüsterte auch Calmach auf seinen Vater ein. Der König schien sich zu besinnen. Schließlich sagte er: "Wie ihr wollt. Später. Schafft sie mir endlich aus den Augen." Dann zu meiner Mutter, sehr laut und sehr deutlich: "Das ist noch nicht das Ende, Niniane, das verspreche ich dir. Vier Jahre, das ist wahrlich genug. Kommt, Sir."

Mit einem Arm raffte er seinen Umhang hoch, warf seinem Sohn einen Blick zu und stieg vom Thronhimmel herab. Dann nahm er den Bärtigen beim Arm und zog ihn dem Ausgang zu. Innerlich flehte ich, er möge mich wenigstens dieses eine Mal übersehen. Olwen folgte ihnen mit ihren Frauen, denen sich lächelnd Dinias anschloss.

Bitte, mach, dass er mich in seinem Zorn nicht bemerkt, betete ich, zu welchem Gott war mir egal, so lange er meine Bitte erhörte. Meine Mutter verharrte starr, wenigstens schien mein Großvater sie nicht zu sehen. Bereitwillig machten alle dem König Platz.

Allein und verängstigt stand ich, drei Schritte von der Tür entfernt. Sah dann, wie der König näher und immer näher kam, versuchte mich hastig davon zu stehlen, und war doch zu langsam. Ein Stück vor mir wirbelte er mit einer schwungvollen Geste herum und ein Zipfel seines blauen Umhangs traf mich ins Auge, so dass es tränte. Blinzend schaute ich zu ihm auf. Gorlan, neben ihm, schien gleichfalls zornig, doch nicht auf mich.

Überraschend fragte er den König: "Wer ist dieses Mädchen?"

"Das ist ihre Tochter, der Ihr habt einen Namen geben wollen, Sir", war die Antwort meines Großvaters, als er seine mächtige Hand vorschnellen ließ und mich angewidert, als sei ich ein lästiges Insekt, zu Boden schlug. Dann rauschte der blaue Umhang an mir vorbei. Gorlan folgte. Olwen beugte sich besorgt über mich, doch ein wütender Ruf des Königs ließ ihre ausgestreckte Hand zurückzucken. Rasch eilte sie mit ihren Frauen hinter ihm her.

Ich raffte mich vom Boden hoch. Moravik stand bei meiner Mutter und hatte den Vorfall gar nicht gewahrt. Ich versuchte, zu ihnen durch zu kommen, doch bevor ich sie erreichen konnte verließ meine Mutter in Mitten der schweigenden Schar ihrer Frauen die Halle durch die andere Tür. Niemand blickte sich zu mir um. Irgendjemand sprach auf mich ein. Ich antwortete nicht. Rasch lief ich durch den Säulengang, über den Haupthof, und war dann endlich wieder im stillen Sonnenschein des Obstgartens.
 

Mein Onkel fand mich auf Moraviks Terrasse. Den Blick auf eine Eidechse gerichtet lag ich mit dem Bauch auf den heißen Steinen, und von allem, was an jenem Tag geschah ist diese Erinnerung die eindringlichste geblieben: die Eidechse, flach, auf Glut getränktem Grund, kaum eine Handbreit von meinem Gesicht entfernt und bis auf das Pulsieren in ihrer Kehle starr wie schimmernde Bronze. Kleine, dunkle Augen hatte sie, schieferfahl, und die Innenseite ihres Mauls glänzte melonenfarben. Peitschengleich zuckte da die lange, schwarze Zunge hervor. Und dann lief das Tier mit raschelnden Füßen über meine Finger und verschwand in einem Spalt zwischen den Steinen.

Ich wandte den Kopf. Mein Onkel Calmach kam durch den Garten herbei. In seinen eleganten Flechtsandalen stieg er die drei flachen Stufen hinab und blieb dann, auf mich herabblickend, stehen. Ich schaute fort.

Das zwischen den Steinen aufblühende Moos trug weiße Blüten, nicht größer als Eidechsenaugen, und jede in sich vollkommen wie ein kleiner, geschnitzter Becher.

"Lass mal sehen", sagte er. Ich bewegte mich nicht. Er trat zur Steinbank und setzte sich, Gesicht zu mir gewandt, Hände zwischen den Knien.

"Sieh mich doch an, Myrlin."

Ich gehorchte. Eine Zeit lang betrachtete er mich stumm.

"Alle behaupten, dass du vor rauen Spielen zurückschreckst und vor Dinias Angst hast. Aber den Schlag des Königs, den selbst einer seiner größten Hirschhunde zum Winseln gebracht hätte, hast du weggesteckt, ohne mit der Wimper zu zucken."

Ich schwieg.

"Mir will scheinen, dass man dich wahrscheinlich nicht ganz richtig einschätzt, Myrlin."

Ich schwieg auch jetzt.

"Weißt du, warum Gorlan heute gekommen ist?"

Ich hielt es für klüger, zu lügen: "Nein."

"Er hat um die Hand deiner Mutter angehalten. Hätte sie eingewilligt, wäre Aquitanien deine neue Heimat geworden."

Mit dem Zeigefinger berührte ich eine der Moosblüten. Sie zerfiel. Ich streckte den Finger nach einer weiteren Blüte aus, Calmach fragte scharf: "Hörst du mir überhaupt zu?"

"Ja. Aber wenn sie ablehnt, so spielt das kaum eine Rolle", ich blickte auf, "Nicht wahr?"

"Du möchtest also gar nicht mit Gorlan ziehen. Dabei hatte ich gedacht..." Er knetete seine hellen Augenbrauen. "Man würde dir alle Ehren erweise, und du wärst eine Prinzessin."

"Eine Prinzessin bin ich ja schon. Und mehr Prinzessin kann ich niemals sein."

"Wie meinst du das?"

"Wenn sie ihn zurückgewiesen hat", sagte ich, "dann ist er auch nicht mein Vater. Und das hatte ich eigentlich geglaubt. Ich dachte, deswegen sei er gekommen."

"Und woher willst du wissen, dass er dein Vater ist?"

"Ich weiß nicht. Aber..", ich unterbrach mich. Wie sollte ich Calmach erklären, dass Gorlans Name vor mir wie ein Blitz aufgetaucht war. "Ich habe es eben geglaubt."

"Weil du schon so lange auf deinen Vater wartest, Myrlin", sagte er mit ruhiger Stimme, "Doch Hoffen und Harren machen manchen zum Narren. Du musst endlich die Wahrheit begreifen. Dein Vater ist tot."

Meine Faust krampfte sich in das Moos. Ich sah, wie die Knöchel weiß wurden. "Hat sie dir das gesagt?"

"Nein", er hob die Schultern, "Aber wenn er noch lebte, wäre er schon längst gekommen. Da gibt es gar keinen Zweifel."

Ich schwieg.

"Lebt er noch, ohne sich um deine Mutter und dich zu kümmern", fuhr er fort, "so ist es für alle Teile wohl das Beste."

"Vielleicht. Vielleicht auch nicht", meinte ich und zog meine Hand aus dem Moos, das sich sofort wieder entfaltete. Nur die kleinen Blüten waren fort.

"Er hätte meiner Mutter viel ersparen können, und mir auch."

Mein Onkel nickte: "Es wäre gewiss klüger von ihr gewesen, Gorlan oder einen anderen König zum Gemahl zu nehmen."

"Was wird geschehen?", fragte ich.

"Deine Mutter möchte in das Kloster von St. Johannes eintreten. Und du - nun, du bist nicht dumm und kannst auch schon lesen, wie ich hörte. Du müsstest natürlich mit und..."

"Nein!"

Er runzelte die hellen Brauen. "Hör mir zu, Myrlin", sagte er, "du kannst keine Kriegerin werden und..."

"Nein! Nein! Ich möchte frei sein! Ich möchte in kein Kloster eingesperrt werden und...", rief ich hitzig und verstummte, weil mir die rechten Worte fehlten. Wie sollte ich ihm erklären, was ich nur selbst ahnte? Meine Augen suchten in seinem Gesicht.

"Ich möchte bei dir bleiben. Und wenn du mich nicht gebrauchen kannst, dann - dann laufe ich fort, um einem anderen Prinzen zu dienen."

"Nun", seufzte er schließlich, "für solche Dinge ist es noch zu früh. Du bist noch sehr klein." Er musterte mich. "Schmerzt dein Gesicht?"

"Nein."

"Man wird sich darum kümmern müssen. Komm jetzt."

Er nahm mich bei der Hand und wir gingen. Als ich sah, dass er mich auf den Privatgarten meines Großvaters zuführte, blieb ich stehen.

"Er hat mich doch neulich schon dort erwischt... Das ist für mich verboten."

"Nicht, wenn ich bei dir bin. Außerdem ist dein Großvater noch bei seinen Gästen und kann dich nicht sehen - und du fütterst ja auch keine Affen dieses Mal. Ich habe etwas Besseres für dich, als deine angefaulten Äpfel hier. Man hat Aprikosen gepflückt und ich habe aus einem Korb die besten herausgesammelt."

Mit federndem, katzenweichem Schritt ging er auf eine Stelle an der Mauer zu, wo Aprikosen- und Pfirsichbäume standen. Der betäubende Duft von Kräutern und Obst lag über dem Garten. Drüben, in ihrem Schlag, gurrten die Tauben und die kleinen Affen, die an langen Leinen angebunden waren, turnten auf den Bäumen herum. Eine Aprikose lag zu meinen Füßen wie Samt in der Sonne. Ich stieß mit den Zehen dagegen, sie rollte herum. Auf der Rückseite war ein großes, fauliges Loch, in dem Wespen krochen. Ein Schatten fiel darüber. Mein Onkel Calmach stand an meiner Seite, in jeder Hand eine Aprikose.

"Nimm nur", er reichte mir eine, "Und wenn sie dich wegen Diebstahls prügeln, müssen sie mich mitprügeln." Lächelnd biss er in seine Frucht. Im Garten war es sehr heiß und sehr still. Das Summen der Insekten war der einzige Laut. Mit der Aprikose in der Hand, stand ich da, ohne mich zu rühren. Sie glänzte wie Gold und roch nach Sonnenschein und süßen Säften. Ihre Haut war weich wie Samt. Ich fühlte, wie mir das Wasser im Mund zusammenlief.

"Was ist denn?", fragte mein Onkel ungeduldig. Der Saft seiner Aprikose lief ihm über das Kinn. "Steh doch nicht so da, Myrlin! Beiß schon hinein! Oder gefällt dir die Aprikose etwa nicht?"

Ich schaute auf. Die blauen Augen starrten mich grimmig an. Ich hielt ihm die Aprikose hin.

"Nein, sie gefällt mir nicht. Denn sie ist innen schwarz. Schau doch. Man kann ja hindurch sehen."

Er atmete tief. Plötzlich erklangen auf der anderen Seite der Mauer Stimmen. Wahrscheinlich die Gärtner mit leeren Körben. Mein Onkel griff nach der Frucht in meiner Hand und schleuderte sie von sich. Das goldene Fleisch zerplatzte an der Mauer, Saft rann herab. Eine aufgescheuchte Wespe summte zwischen uns.

Calmach schlug nach mir mit einer schroffen Geste, plötzlich klang seine Stimme voller Hass: "Bleib mir vom Leibe, du Teufelsbrut! Hörst du? Lass dich nie wieder vor mir blicken!" Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und ging mit großen Schritten auf das Haus zu.

Ich blieb, wo ich war, Augen unverwandt auf der Aprikose, deren Saft die weiße Mauer herab rann. Eine Wespe ließ sich darauf nieder, kroch klebrig und torkelnd, dann summend zu Boden. Zuckend wand sich der winzige Körper. Das Summen schwoll zum Winseln. Dann streckte sich das Tier und lag still.

Doch all dies gewahrte ich nur undeutlich, weil ein Würgen in meiner Kehle saß, bis ich glaubte, ersticken zu müssen. Der goldene Tag verschwamm glitzernd in Tränen. Es war, soweit ich mich erinnerte, das erste Mal in meinem Leben, dass ich weinte.

Mit leeren Körben auf den Köpfen tauchten die Gärtner hinter dem Brunnen auf. Ich wandte mich um und rannte davon.

Die Namen der Vögel

II. Die Namen der Vögel
 

Niemand war in meiner Kammer. Ich kroch auf mein Bett und stütze die Ellbogen auf das Fenstersims. So verharrte ich lange Zeit, während draußen im Birnenbaum eine Drossel sang und vom Hof der das monotone Hämmern des Schmieds tönte.

Irgendwann machte mir der Lärm aus der Küche bewusst, dass das Abendessen bevorstand. Cynric, der Knecht, trat herein und starrte verdutzt, als er mein Gesicht sah.

"Der Herr sei uns gnädig! Was hast du denn getrieben? Bist du etwa einem Stier vor die Hörner gelaufen?"

"Nein, nur hingefallen."

"Hingefallen, ja? Dann möchte ich mal wissen, warum es ausgerechnet dich immer so schlimm erwischt. Wer hat dir dieses Mal wieder so böse mitgespielt? Etwa Dinias, das kleine Raubein? Oder die angehende Kriegerprinzessin? Hast du geweint? Du siehst mich ja an, als wäre der Himmel über uns eingestürzt."

Als ich nicht antwortete, trat er näher heran. Er war ein kleiner Mann mit krummen Beinen und verwittertem, braunem Gesicht. "Hör mir mal gut zu", erklärte er, "Irgendwann wirst du mal was ganz Besonderes, Myrlin-bach. Jetzt bist du noch ein Kind, aber du hast schon jetzt etwas an dir. Doch darüber reden wir ein anderes Mal, denn ich fürchte, es ist weniger Christlich." Er zwinkerte mir zu und ich müsste unwillkürlich lächeln.

"Aber um dein Gesicht sollte sich jemand kümmern. Sieht aus, als ob eine Narbe bleiben könnte. Wo ist Moravik?"

"Bei meiner Mutter."

"Na, dann komm mal mit mir mit, Myrlin-bach."
 

Und so wurde der Riss auf meiner Wange mit Pferdeliniment behandelt. Später aßen wir dann zusammen, im Stall auf Stroh hockend, während mich eine braune Stute beschnüffelte und mein eigenes Pony, an seinem Strick zerrend, gierig jeden Bissen beäugte. Augenscheinlich verfügte Cynric über beste Beziehungen zur Küche. Es gab Hühnerkeulen, Speck und frischen Kuchen, das Bier war schmackhaft und kühl. Vom Gesinde schien er erfahren zu haben, was vorgefallen war, das verriet mir sein ernster Gesichtsausdruck. Doch er schwieg und setzte sich, mir mein Essen reichend, zu mir.

"Sie haben's dir erzählt?", fragte ich.

Er nickte und sagte dann kauend: "Er hat eine schwere Hand."

"Er war wütend, weil sie Gorlan abgewiesen hat", erklärte ich, "Er möchte, dass sie meinetwegen heiratet, aber bisher hat sie das immer verweigert. Und weil mein Onkel Dyved jetzt tot ist, und nur noch Calmach und sie als Thronerben bleiben, haben sie Gorlan aufgefordert, sich mit ihr zu vermählen. Wahrscheinlich hat Calmach meinen Großvater dazu aufgefordert, weil er fürchtet..."

Überrascht und erschrocken starrte Cynric mich an: "Beim Allmächtigen! Kind, woher hast du das alles? Wer hat dir das erzählt? Deine Verwandten doch sicher nicht. Sollte etwa Moravik ihren Mund nicht halten können..."

"Ich hab's nicht von Moravik. Aber ich weiß auch so, dass es stimmt."

"Aber woher denn, woher, in Thors Namen? Vielleicht Sklavengeschwätz?"

Ich steckte der Stute den letzten Bissen zu und beäugte einen Augenblick lang ihre fleischfarbenen Nüstern.

"Zu heidnischen Göttern schwörst du, Cynric. Lass das ja nicht Moravik hören."

"Ach was, mit der werd' ich schon fertig. Aber nun heraus mit der Sprache: Wer hat dir das erzählt?"

"Niemand. Ich weiß es eben. Woher - das kann ich dir nicht erklären... Jedenfalls war mein Onkel Calmach genau so zornig, als sie Gorlan abgewiesen hat. Er fürchtete nämlich, dass eines Tages mein Vater kommt, um sie zu heiraten, und ihn dann vertreibt. Aber davon sagt er meinem Großvater natürlich wohlweißlich nichts, denn ich glaube... dass Calmach weiß, wer mein Vater ist."

"Hm", er starrte mit halboffenem Munde. "Mögen die Götter - ich meine, mag Gott wissen, wo du das alles her hast. Aber es könnte wahr sein. Na, sprich nur weiter."

Das weiche Maul der braunen Stute stieß sacht gegen mich. Aus geblähten Nüstern strich Luft über meinen Nacken.

"Das ist alles. Gorlan schäumt natürlich, aber sie werden ihn schon irgendwie beschwichtigen, du wirst schon sehen."

Einen Augenblick schwiegen wir beide. Cynric biss in das Fleisch und schleuderte den abgenagten Knochen durch die offene Stalltür hinaus. Sofort stürzte sich eine Meute von Hofkötern darauf und schleppten ihn kläffend fort.

"Myrlin, woher sollte Calmach deiner Meinung nach wissen, wer dein Vater ist?", fragte Cynric ruhig.

"Ich weiß nicht genau... meine Mutter hat es ihm natürlich nicht erzählt. Aber..." Meine Kehle schmerzte auf einmal, ich konnte nicht mehr weiter sprechen.

Cynric sah mich eine Weile verständnisvoll schweigend an, bevor er sagte: "Es wäre klug von dir, zu niemandem darüber zu sprechen, hörst du?"

Ich antwortete nicht.

"Das sind Dinge, die ein Kind noch nicht versteht. Dinge von höchster Wichtigkeit. Sicher, über dies und das wird allgemein gesprochen... aber was du da eben über Prinz Calmach gesagt hast..", er packte mein Knie mit kräftiger Hand und schüttelte es, wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. "Glaub mir, Myrlin, er ist gefährlich, dein Onkel. Rühr nicht daran und bleib ihm aus den Augen. Ich werde keiner Menschenseele ein Wort verraten, das schwöre ich dir. Aber auch du darfst zu niemandem davon sprechen. Wenn Calmach auch nur glaubt, mehr zu wissen als deine Mutter allen erzählt, dann musst du sehr, sehr vorsichtig sein, Myrlin-bach". Wieder schüttelte er mein Knie. "Hörst du? Für dich ist es das Beste, den Mund zu halten und deiner Wege zu gehen. Und jetzt sage mir endlich, wer dir all das erzählt hat."

Ich dachte an die Höhle im Hypokaustum und an dem Himmel, hoch oben über dem Schacht, an das Flüstern der Sterne am Firmament.

"Niemand. Das schwöre ich dir."

Und als er mich musterte, gleichermaßen unwillig und besorgt, rückte ich mit der Wahrheit heraus, soweit sie unverfänglich war:

"Ja, es stimmt schon. Hier und dort habe ich etwas gehört. Manchmal unterhalten sich die Leute über meinen Kopf hinweg, als ob ich gar nicht da wäre oder nichts verstünde. Doch oft...", ich zögerte unwillkürlich, "ist es auch, als ob etwas zu mir spräche und ich Dinge sehen könnte... Manchmal reden die Sterne zu mir... und Stimmen und Musik klingen zu mir im Dunkeln. Wie bei Träumen."

Seine Hand hob sich wie zum Schutz. Er schien sich bekreuzigen zu wollen. Aber dann sah ich, dass er ein Zeichen machte: gegen den bösen Blick. Doch beschämt ließ er die Hand wieder sinken.

"Träume, ja, das wird's sein, du hast Recht. Wahrscheinlich hast du in irgendeinem Winkel geschlafen und mit angehört, was die Leute so reden. Fast hätte ich vergessen, dass du ja noch ein so kleines Kind bist. Aber wenn du einen mit diesen Augen ansiehst...", er brach ab und zuckte mit den Schultern, "Versprich mir, dass du niemandem etwas von dem sagst, was du gehört hast."

"Gut, Cynric. Ich verspreche es. Aber dafür musst du mir auch etwas sagen."

"Und das wäre?"

"Wer mein Vater ist."

Das Bier schwappte aus dem Trinkhorn in seiner Hand. Er wischte sich den Schaum vom Mund, setzte das Gefäß dann an und blickte mich beschwörend an.

"Wie bei allen guten Geistern kommst du darauf, dass ich das wissen könnte?"

"Vielleicht hat Moravik dir etwas verraten."

"Weiß sie es denn?" Seine Frage klang so überrascht, dass es keinen Zweifel geben konnte: er sprach die Wahrheit.

"Ich habe sie danach gefragt, aber sie meinte nur, es gäbe Dinge, über die man besser nicht spricht."

"Da hat sie Recht. Wahrscheinlich wollet sie dir damit auch nur zu verstehen geben, dass sie nicht mehr weiß, als andere. Und das bring mich auf noch etwas, was ich dir sagen will. Myrlin-bach, stell' niemandem mehr diese Frage. Wenn deine Mutter wollte, dass du es erfährst, dann hätte sie es dir gesagt. Du wirst es schon zur rechten Zeit erfahren. Und denk ja nicht daran, Calmach danach zu fragen, das wäre das aller gefährlichste, was du tun konntest."

Ich sah, wie er, halb von mir abgewandt, wieder dieses Zeichen machte. Schon wollte ich ihn fragen, ob er denn jene Schauermärchen glaubte, als er nach dem Trinkhorn griff und aufstand.

"Ich habe also dein Versprechen, ja?"

"Ja!"

"Ich habe dich beobachtet, Myrlin-bach. Du gehst deine eigenen Wege und manchmal habe ich das Gefühl, dass du der wilden Natur näher bist, als wir anderen Menschen. Weißt du, dass sie dich nach dem Falken benannt hat?"

Ich nickte.

"Nun ja. Dann lass dir durch den Kopf gehen, was ich dir gesagt habe und vergiss' für einen Augenblick die Falken, es gibt sowieso viel zu viele von ihnen. Hast du schon einmal die Ringeltauben beobachtet, Myrlin?"

"Natürlich. Das sind doch die, die mit den weißen Tauben immer am Brunnen trinken und dann frei davon fliegen. Ich habe sie letzten Winter zusammen mit den anderen Tauben gefüttert."

"In meinem Vaterland sagt man, dass die Ringeltaube viele Feinde hat, weil ist Fleisch süß ist und ihre Eier gut schmecken. Aber sie lebt und gedeiht, weil sie vor der Gefahr flieht. Und du, Myrlin-bach, bist noch kein Falke, auch wenn deine Mutter dich so genannt hat. Du bist nur eine Taube, vergiss das nicht. Verhalte dich still wie sie und begib dich nicht in Gefahr. Merk' dir meine Worte", er nickte zur Bekräftigung seiner Worte und fuhr strich mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sofort wieder zurückfielen.

"Schmerzt der Riss noch?"

"Es brennt."

"Dann beginnt es zu heilen. Mach dir darüber also keine Sorgen. Bald wirst du nichts mehr davon sehen."
 

Tatsächlich verheilte die Wunde sehr sauber und ließ keine Narbe zurück. Doch in der ersten Nacht brannte und biss es so wild, dass ich kaum schlafen konnte. Schließlich schlich ich mich an meinem Wolfshund vorbei zum Hypokaustum. Aber in dieser Nacht hörte ich nichts von Wichtigkeit. Nur Olwens Stimme sang, lieblich wie das zwitschern einer Amsel, ein Lied, das ich noch nie gehört hatte: von einer Wildgans und einem Jäger mit goldenem Netz.
 

Nach diesen Ereignissen verlief das Leben wieder in gewohnten Bahnen. Die Weigerung meiner Mutter, sich zu vermählen, schien mein Großvater als unabänderlich hinzunehmen. Ein oder zwei Wochen noch maß er sie bei jeder Bewegung mit zornigem Blick, aber dann legte sich sein Unmut. Schließlich war sein Sohn Calmach wieder da und außerdem begann die große Jagdsaison für den Winter bald.

Nur mit meinem Verhältnis zu Calmach stand es nicht zum Besten. Nach dem Vorfall im Obstgarten hatte ich seine besondere Gunst verwirkt. Aber er war nicht etwa unfreundlich zu mir, und einige Male nahm er mich gegen die anderen Kinder in Schutz, sogar gegen Dinias, der jetzt an meiner Stelle sein Liebling war.

Doch ich bedurfte seines Schutzes nicht mehr. Mit Dinias konnte ich alleine fertig werden, ich war gewitzter und schlauer als er. Calmach hielt es vor der großen Jagdsaison für die Zeit, uns Kindern lesen und schreiben beibringen zu lassen.

Der Sommer und seine süßen Düfte wichen dem Herbst und seinen absterbenden Farben, was mich als Kind zum Druidenfest in feierliche Stimmung versetzte. Das Tal, die Hügel und die Ebenen wurden rot, braun und gelb. Die Vögel zogen gen Süden, die Ernte wurde eingebracht und abends wurde es früher dunkel. Maridunum lag im Herbst genau so friedlich da, wie im Frühling und Sommer, nur die kalten Winde vom Meer her bliesen durch das Laub, bewegen die kahlen Äste wie tote Glieder.

Calmach hatte einen Lehrer aufgetrieben. Er war ein griechischer Sklave, ein Gelehrter, der mir anvertraute, dass er nur durch die Verstrickung in Schulden in die Sklaverei hinabgerutscht war. Oft lag er betrunken da, schlief seinen Rausch aus. Die anderen merkten bald, dass er sie nicht verriet, wenn sie ihn nicht verrieten, wenn er nach einem nächtlichen Trinkgelage mit surrendem Atem seinen Rausch ausschlief. Er verzieh uns unsere Schwänzerein und wir behielten sein Geheimnis für uns.

Dinias, seine Zwillingsschwester Briga, die ihm ähnelte, wie aus dem Gesicht geschnitten, und der Rest der Bande, hatten so bald wieder ihre alte Freiheit erlangt, denn so lange sie niemand während der Unterrichtszeit sah, konnten sie tun, was sie wollten. Ich hingegen mochte Demetrius. In den zahlreichen Stunden, in denen er nüchtern und ich allein anwesend war, erzählte er viel aus seiner Heimat, Geschichten und Sagen, die sich jenseits des Meeres abgespielt hatten und die ich noch nie zuvor gehört hatte. Und schließlich auch die griechische Schrift.

Ich stellte Fragen darüber, ob es in seiner Heimat auch Feen und Elfen gab, ob seine Götter wirklich alle auf einem Berg und nicht auf der Erde, in der Natur, dem Meer und den Flüssen lebten. Ich wollte wissen, ob sie auch Könige hatten und ob sich ihre Stämme und Clans bekriegten. Er erklärte mir, dass es in Rom und in Athen anders war, als bei uns und ich begriff, dass jenseits des Meeres eine vollkommen andere Welt lag, die ich noch nicht ganz zu begreifen vermochte.

Leider wurden Dinias und einige seiner Anhänger einmal im Wald bei der Kaninchenjagd entdeckt - während sie eigentlich hätten in der Schulstube sitzen sollen. Als mein Großvater sie entdeckte hatte, hatte er zwar Verständnis, doch eine Prügelstrafe tat ihm nie leid und so wurden die fünf Herumtreiber ordentlich versohlt.

Daher kam es, dass ich die meiste Zeit, wenn neben mir Dinas versuchte, zu lesen und Briga ihre Finger zählte, unbemerkt vor mich hinträumte, von den fremden Landen und den Feen und der Apfelinsel. Während ich Stunden lang dasaß, kam mir so manche Geschichte in den Sinn. Ich malte mir in meiner Phantasie die nächtlichen Feste der Feen in den Wiesen aus. Sie würden den süßen Saft aus den Blütenblättern trinken und die Sterne würden für sie Musik machen, wie sie es auch für mich in meinem Versteck taten.

Irgendwann kam mir auch das Wassertier in den Sinn. Ich stellte mir vor, dass es unter der Brücke des Flusses vor Maridunum lebte. Es schwamm im Wasser und wartete, dass jemand an der Brücke vorbeikam und seinen silbernen Kopfschmuck zurückbrachte. Einst hatte nämlich ein Bauernjunge, der das Herz einer Prinzessin gewinnen wollte, in der Hoffnung, sein tristes Bauernleben hinter sich lassen zu können, den Kopfschmuck des Wassertiers gestohlen und ihn seiner Liebsten zu Füßen gelegt. Aber die Prinzessin hatte keinen armen Bauern gewollt, und sie glaubte ihm nicht, dass der Kopfschmuck des Wassertiers magisch war und hielt ihn für gewöhnlichen Silberschmuck, wie sie ihn selbst trug. Der König war sogar sicher, der Bauernjunge habe den Silberkopfschmuck gestohlen und ließ ihn einsperren. Aber da der Kopfschmuck doch verzaubert war, kamen die Feen herbei und hörten das jämmerliche Weinen des armen Jungen in seinem grausigen Verließ. Weil die Feen gerecht waren, ließen die den Bauernjungen frei, denn er hatte keinem irdischen Wesen etwas gestohlen und konnte deshalb von keinem irdischen Wesen bestraft werden; aber weil er einem magischen Wesen etwas gestohlen hatte, durften ihn die Feen bestraften und seither musste der Bauernjunge unter ihnen leben - er war kein Mensch mehr, aber auch keiner aus dem Feenvolk. Doch schließlich hatte er erreicht, was er in gewisser Weise erreichen wollte, indem er die Prinzessin heiratete: er war etwas Besonderes geworden und musste sein Leben nicht mehr als Bauer fristen.

Aber nur das arme, arme Wassertier hatte nie seinen Kopfschmuck zurückbekommen, denn die Feen wollten damit spielen. Deshalb wartete das Wassertier noch immer unter der Brücke.

Mit fiel die Geschichte und je öfter ich über sie nachdachte, desto mehr Einzelheiten ließ ich mir einfallen und jedes Mal, wenn ich bei der Brücke vorbeikam, sah ich hinunter, ob das Wassertier zu sehen war.

Einmal erzählte ich Cynric davon, doch er tat meine Geschichte nur als Kindergeplapper ab und meinte, dass bestimmt kein Wassertier auf mich lauere, um mich mit Haut und Haaren zu verschlingen, sobald ich ins Wasser fiele.

Calmach heiratete noch vor der Wintersonnwende die Tochter des Großkönigs. Er tat sich als Anführer und Krieger hervor und auch sonst schien er seinen Vater zufrieden zu stellen, denn bald war seine junge Frau schwanger.

An Dinias rächte ich mich noch einmal. Eines Nachts kroch ich auf dem Weg zu meiner "Höhle" unter seiner Schlafkammer vorbei und vernahm lautes Lachen. Mit Brys, einem seiner Anhänger, sprach er über einen Streich, den sie sich geleistet hatten: Heimlich waren sie Alun, Calmachs Freund, zu seinem Stelldichein mit einer Magd gefolgt und hatten alles beobachtet.

Als mir Dinias am nächsten Tag auflauerte, fragte ich ihn, einige Sätze aus seiner Unterhaltung wörtlich zitierend, ob er schon Alun über den Weg gelaufen sei. Er starrte mich an. Blitzschnell wechselten Blässe und Röte in seinem Gesicht. Seine Furcht, vom jähzornigen Alun durchgeprügelt zu werden, war offenkundig. Er schien sich zu fragen, woher ich meine Weisheit hatte und drückte sich dann scheu an mir vorbei, hinter seinem Rücken das Zeichen machend. Er glaubte also, dass hinter meinem schlichten Trick Zauberei steckte. Von da an ließen mich die anderen Kinder in Frieden.

Gerade noch rechtzeitig, denn in jenem Frühling stürzte ein Teil des Badeshauses ein und mein Großvater ließ die Löcher zuschütten und Rattengift auslegen. Der geheime Zugang zu meinem Wissen war mir also versperrt und ich musste auf andere Weise mein Haupt retten. Doch auch in dieser Hinsicht zeigte ich mich erfindungsreich.
 

Eines Tages im frühen Frühling, stahl ich mich nach dem Unterricht davon und ritt hinaus in die Hügel hinter der Stadt. Es war nicht das erste Mal, dass ich diesen Weg einschlug. Ein Umweg eigentlich. Doch hätte mich der kürzere Weg durch die Stadt geführt, wo neugierige Blicke und Fragen unausweichlich gewesen wären. So zog ich es vor, am Flussufer entlang zu reiten, am Kloster und an der Mühle, wo die Schiffe ihre Lasten abluden, vorbei. Und dort, jenseits der Stadt, lag ein Tal, durch das ein Bach floss, der in einem Fluss mündete.

Es war ein heißer, schläfriger Tag. Adlerfarn duftete schwer. Über dem Wasser zuckten blau schimmernde Libellen hin und her. Dicke Wolken summender Fliegen hockten auf Sträuchern und Bäumen. Es würde Stunden dauern, ehe man meine Abwesenheit bemerkte. Dem Flusslauf folgend schlängelte sich der Pfad in engen Windungen dahin, ehe er schließlich durch Dorngestrüpp in einem Bogen den offenen Hang hinaufstrebte.

Die Sonne stand steiler. Leichter Windhauch strich durch die Sträucher. Ich trieb das Pony an. Jetzt sah ich auch die ersten Kiefern, deren Stämme rötlich in der Helle schimmerten. Der Boden wurde rauer und härter. Kahles, graues Gestein kroch durch die dünne Erdkruste. Wohin der Pfad mich führte wusste ich nicht, ich wusste nur eines: Ich war allein, ich war frei. Nichts verriet mir, was für ein Tag dies war oder was mich führte. Die Hitze sengte sich und ich spürte Dunst. Der Pfad lief nun unter einer niedrigen Felsnase dahin. Irgendwo über mir hörte ich das Geplätscher von Wasser zwischen den Steinen. Ich hielt das Pony an, stieg ab und führte es ins Gehölz, wo ich es anband. Dann machte ich mich auf die Suche nach dem Wasser. Der Fels neben dem Pfad war trocken. Auch unterhalb des Pfades deutete nichts daraufhin, dass hier irgendwo ein Rinnsal seinen Weg zum Bach suchte. Und doch hörte ich, stetig und unverkennbar, das Plätschern von Wasser. Kurz entschlossen klomm ich die mit Büschel bewachsene Anhöhe seitlich des Felsens empor und gelangte auf einen Grasüberwucherten Absatz, über dem sich, ein wenig zurückgesetzt, eine weitere Felswand erhob. Und plötzlich entdeckte ich sie, die Höhle mitten in dieser Wand. Eine enge und regelmäßig gerundete Öffnung, fast einem Torbogen gleich, führte ins Innere. Rechts diesem Eingang lag eine kleine Kuppe - Felsgestein, das vor Jahren einmal herabgestürzt sein musste. Und dort wuchsen Eichen und Ebereschen, deren Schatten die Höhle überschatteten. Links, und nur wenige Schritte vom Eingang entfernt, fand sich die Quelle. Ich näherte mich ihr. Ein winziges Glitzern nur zeigte an, wo das Wasser aus dem Felsspalt drang, ehe es sich mit stetem Plätschern in ein Steinbecken ergoss. Einen Abfluss konnte ich nirgends entdecken. Vermutlich fand das Wasser durch einen zweiten Felsspalt den Weg hinunter zum Bach. Durchsichtig klar war es und ich konnte jeden Kiesel, ja selbst jedes Sandkorn auf dem Grund des Beckens erkennen. Oberhalb der Steinschale wucherte Zungenfarn, an ihrem Rand wuchs Moos und unterhalb breitete sich saftiges Gras.

Hier kniete ich nieder und wollte eben den Mund zum Wasser beugen, als ich den Becher entdeckte, der in einer winzigen Nische zwischen den Farnen stand. Er war etwa eine Handspanne hoch und bestand aus braunem Horn. Ich griff danach und sah plötzlich, zwischen den Farnen halb verborgen, die kleine, aus Holz geschnitzte Figur eines Gottes. Ich erkannte ihn: Unter der Eiche bei Tyr Myrddin hatte ich ein solches Bildnis schon gesehen. Hier nun stand er in seinem Reich unter freiem Himmel.

Ich füllte den Becher und trank. Dann betrat ich die Höhle.

Sie war viel größer, als sich von außen vermuten ließ. Wenige kurze Kinderschritte nur und sie öffnete sich zu einem weiten Gewölbe, oben von Schatten umhüllt. Sie schien dunkel und was doch (auch wenn ich dies zuerst nicht wahrnahm noch nach dem Grund dafür fragte) von einer unnennbaren Helle, so dass ich deutlich den glattgeebneten, völlig leeren Boden unter mit erkannte. Angestrengt spähend, bewegte ich mich langsam voran, und tief in mir wurde jene wogende Erregung wach, die der Anblick von Höhlen stets in mir erweckte. Anderen Menschen geht es beim Anblick von Wasser oder Feuer so, oder auch bei hohen Gipfeln. Ich fühle mich immer von der Tiefe der Wälder oder auch der Erde gepackt.

Ich hatte etwas Neues entdeckt: etwas, das ich mir in einer Welt, in der nichts mein eigen war, zu eigen machen konnte. Plötzlich durchzuckte mich ein Schreck und ich blieb stehen. Nicht weit weg von hier hatte ich im Halbdunkel eine Bewegung gewahrt. Ich stand wie erstarrt. Spähte mit zusammengekniffenen Augen. Und sah nichts.

Ich hielt den Atem an. Kein Geräusch. Prüfend sog ich die Luft ein. Es roch weder nach Tier, noch nach Mensch. Nur der Geruch von Erde, Rauch und feuchtem Fels wurde spürbar. Und ein eigentümlich muffiger Geruch, den ich nicht identifizieren konnte. Instinktiv wusste ich, dass niemand in meiner unmittelbaren Nähe war.

Leise sagte ich auf walisisch: "Zum Gruß!", doch in raschen Echo kamen die Worte vom wahrscheinlichen nahen Felswall zurück und verloren sich dann zischend in der Höhle.

Und aus dem Widerhall meines Flüsterns schien es zu steigen, ein Rauschen, das wuchs, wie das Rascheln von Gewändern oder das Flattern eines Vorhangs in bewegter Luft. Dann fuhr mit schrillem, schier tonlosem Schrei etwas an meinem Kopf vorüber. Und mehr, immer mehr, Flocken zerrissener Schatten gleich, herabregend aus der Höhle wie windgepeitschtes Laub: Fledermäuse, die aufgescheucht von ihren Schlupfwinkeln hinausströmten ins lichte Tal. Ich stand bewegungslos da. Dieser muffige Dunst, den ich wahrgenommen hatte, stammte er vielleicht von ihnen? Nein. Der Geruch, den die vorbei fliegenden Tiere ausströmten war anders. Immer noch stoben sie dahin, doch kein Flügelschlag berührte mich. In Tageshelle wie Nachtschwärze weichen Fledermäuse jedem Hindernis aus. Wie federleichte Blütenblätter scheint sie der Wind um jedes Hemmnis herumzutragen. In dichter Flut bewegte es sich zwischen der Felswand und mir und in kindlicher Neugier trat ich näher. Schon teilte sich die Flut und schoss weiter voran, während sachter Lufthauch gegen meine Wangen prallte. Und im gleichen Moment sah ich es; mit mir hatte es sich bewegt, ein Wesen wie ich. Ich tastete mit ausgestreckter Hand. Meine Finger trafen nicht auf Fels, sondern auf Metall, und ich begriff, dass jenes fremde Wesen mein Spiegelbild war. An der Wand hing eine matt glänzende Metallplatte, und ganz offensichtlich war sie die Quelle des diffusen Lichts in der Höhle. Die seidige Spiegelfläche fing vom Eingang her die Helle ein und sandte sie ins Höhleninnere. Unwillkürlich zuckte ich vor meinem geistergleichen Abbild zurück. Und sah, wie meine Hand, schon am Dolch in meinem Gürtel, sich erleichtert von der Waffe löste. Die Flut der Fledermäuse war verebbt. Die Höhle lag still. Aufmerksam betrachtete ich mich im Spiegel. Ich erinnerte mich, dass meine Mutter einmal einen gehabt hatte, ein altes Stück aus Ägypten, bald wieder außer Gebrauch, da solche Dinge sie eitel dünkten. Natürlich hatte ich mein Gesicht schon oft im Wasser gesehen, doch hier erblickte ich mich erstmals ganz: ein dunkelhaariges Mädchen, das aus aufgerissenen Augen neugierig und erregt starrte. Schwarz wirkten meine Pupillen hier, im trüben Licht, fast schwarz auch mein sauberes, nackenlanges Haar, das durch die Locken schlechter geschnitten aussah als die Mähne meines Ponys. Auch mein Gesicht spottete jeder Beschreibung. Ich lächelte, und bereitwillig warf der Spiegel mein Lächeln zurück. Plötzlich verwandeltes Bild: nicht mehr gehetztes Tier, bereit zur Flucht oder Gegenwehr, sondern ein Gesicht voll Offenheit und Zutraulichkeit. Und schon damals wusste ich, dass nur wenige Menschen mich so kannten.

Ich ließ meine Hand über das Metall gleiten. Es war kalt und glatt und frisch geputzt. Es musste also erst kürzlich jemand hier gewesen sein. Vielleicht lebte er immer noch in der Höhle. Jeden Augenblick konnte er zurückkehren.

Doch ich hatte kaum Angst. Auch in friedlichen Zeiten, wie sie in unserer Gegend herrschten, lernte man schon früh auf der Hut zu sein vor herumstreunenden Verbrechern und Vagabunden. Wer gerne auf eigene Faust handelte, wie ich, musste sich seiner Haut zu wehren wissen. Für mein Alter war ich recht kräftig, zudem vertraute ich meinem Dolch und meinem Bogen. Dass ich kaum fünf Lenze zählte, das kam mir gar nicht in den Sinn. Ich hieß Myrlin, und ob nun Bastard oder nicht: Ich war die Enkelin des Königs. Ich drang weiter vor. Als nächstes spürte ich eine Truhe nahe der Wand auf. Darauf entdeckten meine tastenden Finger Feuerstein, Eisen und Zunderbüchse. Dann stieß sie gegen eine große, ungefüge Kerze aus Schafstalg - und auf einen gehörnten Schafsschädel. Hier und dort in der Truhe staken Nägel, die durch Fetzen von Leder getrieben schienen. Doch als meine Finger die Formen befühlten, glitten sie über winzige Knochenskelette, von verschrumpfter Lederhaut umhüllt. Es waren tote Fledermäuse. Ausgestreckt auf das Holz genagelt.

Eine Schatzhöhle fürwahr. Weder die Entdeckung von Gold oder Waffen hätte mich mehr erregen können. Neugierig langte ich nach der Zunderbüchse.

Dann hörte ich, dass er zurückkam.

Mein erster Gedanke war, dass er mein Pony gesehen hatte. Doch offenbar näherte er sich der Höhle von oben. Kleine Steine prasselten herab, ein oder zwei klatschten ins Wasserbecken draußen. Und dann war es zu spät. Er sprang herab ins flache Gras neben dem Wasser. Keine Zeit für falsche Tapferkeit: der Falke verwandelt sich in die Taube. Rasch lief ich tiefer in die Höhle hinein.

Eine Hand bog die Zweige beiseite, die den Eingang überschatteten und für einen Augenblick wurde es lichter. Im Hintergrund der Höhle erkannte ich einen Hang mir vorspringender Felsnase und breitem, nicht allzu hohem Absatz. Funkelndes Sonnenlicht, vom Metallspiegel her, glitt über ein schattiges Loch dort oben. Lautlos klomm ich empor und verbarg mich in dem Spalt, der zu einer weiteren, kleineren Höhle führte. Wie ein Fischotter schlängelte ich mich hindurch. Er schien nichts gehört zu haben. Das Gezweig am Eingang schnellte zurück, und die Helligkeit verlosch. Ruhige und feste Männerschritte näherten sich. Zielsicher strebten sie auf die Truhe zu, wo die Kerze stand. Missbehaglich verharrte ich in der winzigen Höhle, in die ich gekrochen war. In Form und Ausdehnung schien sie jenen Bottichen zu gleichen, die am Hofe zum Färben benutzt wurden. Ich stak wie im inneren einer Kugel, deren Wände mit Nadeln gespickt schienen, mit kantig hervorspringendem, scherbengleichem Gestein, das auch keine Handbreit glatter Fläche freiließ, und es war wohl auch nur mein geringer Körpergewicht, das mich vor Schaden bewahrte, als ich blind nach einer freien Stelle tastete, wo ich mich hinlegen konnte. Ich fand sie schließlich, leidlich glatt, und kauerte darauf nieder, Blick durch den trüb umrissenen Spalt in die Großhöhle gerichtet, Dolch schon in der Hand.

Ich vernahm das Gegeneinanderschlagen von Feuerstein und Eisen. Dann flammte der Zunder grell ins Dunkel. Und schließlich schimmerte der sanfte Schein der Kerze auf. Schimmerte auf? Oh, nein. So hätte es wohl sein sollen: das langsame Anwachsen matten, milden Kerzenscheins. Statt dessen loderte es empor wie eine Flammen sprühende, Flammen speiende Fackel. Helle blinkte und blitzte weiß und rot und golden. Feuergarben blendeten mich. Furchtsam zuckte ich davor zurück und presste mich gegen die dornenscharfen Wandlungen meiner Höhle. Das ganze Verlies schien in Flammen zu stehen. Und tatsächlich, jetzt sah ich es genau, war es ein kugelartiges Gewölbe, ausgekleidet mit Kristallen, fein und glatt wie Glas, doch klarer, als ich's je gesehen, und leuchtend wie Diamant. Und genau so empfand es mein kindliches Gemüt: ich hockte in einer Diamanten bestückten Kugel, funkelnd Edelstein in Edelstein, millionenfach hin und her geschleuderte Strahlenbündel, glänzende, gläserne Lichtflut, regenbogenfarbig und sternengleich - die Umrisse eines blutrot hochgereckten Drachen an der Windung und darunter, mit geschlossenen Augen und verschwommen nur, ein Mädchengesicht. Sengend brannte sich das Licht in mir in den Leib, als müsse ich zerbersten. Ich presste die Augen zusammen und verharrte so sekundenlang.

Als ich sie wieder öffnete war das Licht dahingeschrumpft. Nur an einer Stelle an der Wand lagerte ein heller Kegel, kaum größer als mein Kopf. Und von dort, ohne jedes Bildnis, ohne jede Erscheinung jetzt, sprühten wie zersplittert vereinzelte Strahlen. In der großen Höhle unten war alles still. Keine Bewegung, kein Laut, nicht einmal das Rascheln von Kleidern. Dann begann das Licht zu wandern. Langsam glitt der helle Kegel über die Kristallwand. Zitternd drückte ich mich gegen die spitzen Steine. Doch es gab kein Entkommen. Schritt für Schritt glitt der Strahlenfinger über die Rundung vor und berührte meine Schulter, meinen Kopf. Ich duckte mich, krümmte mich zusammen. Wie in aufgewirbelter Wasserlache jagte mein Schatten über die Hohlkugel hinweg.

Das Licht verharrte glitzernd auf der Stelle. Und erlosch plötzlich. Das Glühen der Kerze blieb: ein stetes, gelbes Glimmen auf der anderen Seite der Fellspalte.

"Komm heraus", klar und deutlich klang der Befehl.

Und gehorsam kroch ich über die scharfen Kristalle hinweg durch den Spalt. Draußen, auf dem Felsabsatz in der eigentlichen Höhle, richtete ich mich auf und lehnte mich mit dem Rücken an die Wand, in der Hand meinen Dolch.

Er stand zwischen mir und der Kerze, eine, wie mir schien, riesige Gestalt in grobgewebtem Gewand. Die Kerze wob einen hellen Kranz um sein Haupt. Das Haar wirkte grau und er trug einen Bart. Sein Gesicht war nicht zu erkennen. Die rechte Hand hielt er in der Falte seines Gewandes. Ich wartete angespannt...

Er sprach im gleichen Ton wie zuvor: "Lass deinen Dolch und komm herab."

"Zeigt mit erst Eure rechte Hand", sagte ich. Er zog sie hervor und streckte sie aus. Sie war leer.

"Dann geht mir aus dem Weg", sagte ich und sprang.

Mit wenigen Sätzen war ich an ihm vorbei und strebte auf den Ausgang zu, ehe er auch nur eine Bewegung machen konnte. Aber er versuchte es auch gar nicht. Als ich schon an der Öffnung die Zweige beiseite bog, hörte ich hinter mir sein Lachen. Unwillkürlich blieb ich stehen und drehte mich um. Und von hier, im Licht, das jetzt die Höhle füllte, sah ich ihn deutlich. Er war ein alter Mann mit grauem Haar, das ihm von oben schon dünn strähnig über die Ohren fiel. Grau war auch sein gerader, grob gestutzter Bart. Seine Hände wirkten schwielig mit eingefressenen Schmutzspuren, doch waren die Finger früher offensichtlich wohlgeformt gewesen. Jetzt krochen, wurmgleich gebläht, knotige Adern über sie hinweg.

Doch es war sein Gesicht, das mich gefangen nahm: schmal, ausgehöhlt, fast wie ein Totenschädel, mit hoher, gewölbter Stirn und buschigen grauen Brauen, jäh hervorspringend über die Augen, die ihn altlos erscheinen ließen. Dicht beieinanderliegend, schauten sie mit großem und klarem Blick aus schwimmendem Grau. Seine Nase war messerscharf. Der Mund, lippenlos fast, dehnte sich in breitem Lächeln über erstaunlich gute Zähne. "Kommt zurück. Ihr braucht keine Furcht zu haben."

"Ich habe keine Furcht", ich ließ die Zweige los und ging mit gespielter Tapferkeit zurück. Wenige Schritte vor ihm blieb ich stehen.

"Warum sollte ich mich vor Euch fürchten, wisst Ihr denn, wer ich bin?" Grübelnd betrachtete er mich einen Augenblick.

"Lasst mich nachdenken. Dunkle Haare, dunkle Augen, den Kopf hoch in den Wolken, die Knie von der Erde geschunden, die Statur eines Knaben und das benehmen eines jungen Wolfes... oder sollte ich besser sagen, eines jungen Falken?"

Ich ließ meinen Dolch sinken. "Dann kennt Ihr mich also?"

"Nun, vielleicht ahnte ich, dass Ihr eines Tages kommen würdet. Vielleicht wusste ich sogar, dass heute jemand in der Höhle war. Und vielleicht war es das, was mich so früh zurückkehren ließ."

"Ihr habt gewusst, dass jemand in der Höhle war? Ach, natürlich, Ihr habt ja die Fledermäuse gesehen."

"Das kann schon sein."

"Fliehen die immer davon?"

"Nur wenn ein Fremder kommt. Euer Dolch, kleine Lady."

Ich steckte ihn in den Gürtel zurück. "Niemand nennt mich Lady. Ich bin ein Bastard. Also gehöre ich keinem, außer mir selbst. Ich heiße Mynona Odry, oder einfach nur Myrlin. Aber das wisst Ihr ja schon."

"Ich heiße Galapas. Habt Ihr Hunger?"

"Ja", sagte ich und stockte bei dem Gedanken an den Schafschädel und die toten Fledermäuse.

Er begriff. Die grauen Augen zwinkerten belustigt. "Früchte und Honigkuchen? Und süßes Wasser von der Quelle? Selbst in des Königs Haus wird man kaum besser speisen."

"Dort wäre ich zu dieser Stunde bestimmt schlechter dran", sagte ich offen, "Seid gedankt, Sir. Ich will gerne mit Euch essen."

Er lächelte. "Auch mich nennt niemand Sir. Und genau wie Ihr gehöre ich niemandem außer mir selbst. Geht hinaus und setzt Euch in die Sonne. Ich bringe, was wir brauchen."

Die Früchte waren Äpfel, die genau so schmeckten wie jene, aus meines Großvaters Obstgarten. Unwillkürlich warf ich meinem Gegenüber einen verstohlenen Blick zu. Hatte ich ihn vielleicht schon einmal irgendwo gesehen, am Flussufer oder in der Stadt? "Habt Ihr eine Frau?", fragte ich, "Wer hat die Honigkuchen gemacht? Sie schmecken ausgezeichnet."

"Nein, ich habe keine Frau. Wie ich schon sagte: Ich gehöre keinem außer mir selbst. Ihr werdet noch sehen, Myrlin, wie Euer ganzes Leben lang Gitter um Euch errichtet werden. Aber Ihr werdet ihnen auch nach Blieben entkommen, bis Ihr sie aus freien Stücken selbst errichtet, um in ihrem Schatten zu schlafen... Die Honigkuchen bekomme ich von der Frau des Hirten, die genug für drei macht, und sie sind ja so gut, dass man auch Gäste damit bewirten kann."

"Dann seid Ihr ein Eremit? Ein heiliger Mann?", rief ich etwas aufgeregter, als ich eigentlich wollte. Aber das Leben eines Einsiedlers beflügelte sofort meine Phantasie.

"Sehe ich wie ein heiliger Mann aus?"

"Nein." Er sah wirklich nicht so aus. Jene heiligen Einsiedler zogen oft predigend und bettelnd durch die Stadt, die einzigen Menschen, vor denen ich mich damals fürchtete. Merkwürdige, hochmütige und anmaßende gestalten mit verrückten Augen. Der Geruch, den sie verbreiteten schien mit dem Abfall der Schlachthäuser verwandt, und oft genug wusste man überhaupt nicht, welchem Gott sie überhaupt dienten. Einige, so flüsterte Mann, seien geächtete Druiden, die ihrem Amt nicht mehr nachgehen durften.

"Aber da draußen am Quell war doch ein Gott", warf ich ein.

"Ja, Mynona, er leiht mir seinen Quell und seinen heiligen Hügel und ich zeigte ihm den schuldigen Dank. Es ist immer ratsam, der Gottheit eines Ortes Verehrung entgegenzubringen. Am Ende sind sie noch alle ein und derselbe."

"Wenn Ihr kein Eremit seid, was seid Ihr dann?"

Meine Mutter, Cynric und Moravik hatte mich schon unzählige Male gewarnt, vor Vagabunden und anderen Gestalten ja fern zu bleiben, doch bei Galapas war mir gar nicht in den Sinn gekommen, er könne irgendjemandem (ausgenommen den Fledermäusen) Gewalt antun.

"Im Augenblick Lehrer."

"Ich habe einen Lehrer. Er kommt aus Massilia, was aber auch schon in Rom. Er unterrichtet auch meinen Cousine und meine Cousine - die mag ich aber nicht. Wen lehrt Ihr denn?"

"Bis jetzt niemanden. Ich bin alt und müde und möchte hier ganz für mich studieren."

"Was sollen die toten Fledermäuse dort drinnen auf der Truhe?" "Ich studiere ihren Körperbau und die Art, wie sie fliegen und sich paaren und sich ernähren. Wie sie leben. Und das nicht nur bei Fledermäusen, sondern bei allen Tieren und Pflanzen. Auch bei Vögeln und bei Fischen."

"Aber das ist doch kein Studieren!", rief ich überrascht, "Demetrius, mein Lehrer, sagt, es sei nur Zeitverschwendung Vögel, Fische und Eidechsen zu beobachten. Unsinnige Träumerei. Und mein Großvater findet sowieso, das Lernen Blödsinn ist. Aber mein Großvater findet auch, dass ich zu viel rede. Nur Cynric, ein Freund von mir, hat mal gesagt, ich soll die Ringeltauben studieren."

Galapas lächelte belustigt. "Warum?"

"Weil sie so still sind und so flink und vor allem davon flüchten. Zwei Eier legen sie nur und werden von allen gejagt, und trotzdem überstehen sie alles."

"Und man sperrt sie auch nicht ein", er trank etwas Wasser und sah mich dann an: "Ihr habt also schon einen Lehrer. Könnt Ihr auch lesen?"

"Natürlich."

"Auch Griechisch?"

"Ja, ein wenig."

"Dann folgt mir."

Wir betraten die Höhle, wo er die Kerze wieder anzündete und dann in die Hand nahm. Er hob den Deckel der Truhe. Darin sah ich eine große Anzahl an Schriftrollen. Er nahm eine, schloss die Truhe wieder und entrolle das Papier. Voller Entzücken sah ich, was es war: die etwas zittrige und dennoch deutliche Zeichnung einer Fledermaus. Am Rande standen griechische Wörter, die ich, für den Augenblick selbst Galapas' Gegenwart vergessend, sofort zu buchstabieren begann.

Bald spürte ich seine Hand auf meiner Schulter.

"Gehen wir nach draußen."

Er zog die Nägel heraus, mit denen einer der trockenen, lederartigen Körper auf dem Truhendeckel befestigt war, und hob die tote Fledermaus vorsichtig hoch.

"Blas die Kerze aus. Wir werden uns dies zusammen anschauen." Und so, ohne weitere Fragen und ohne weitere Umstände begann meine erste Unterrichtsstunde bei Galapas.
 

Erst als die Sonne, tief über dem Flügel des Tals lange Schatten den Hang hinauf schickte, erinnerte ich mich an jenes andere Leben, das auf mich wartete und den weiten Heimweg.

"Ich muss aufbrechen. Wenn ich zum Abendessen zu spät komme, schöpft man gewiss Verdacht."

"Und du wirst ihnen nichts erzählen?"

"Nein, sonst dürfte ich gewiss nicht wieder herkommen."

Er lächelte still. Und obwohl ich mir sicher war, er würde es mir nicht abschlagen, fragte ich aus Höflichkeit: "Ich darf doch wiederkommen, nicht wahr?"

"Natürlich."

"Wann das sein wird, weiß ich leider nicht. Ich meine, es lässt sich schwer sagen, bei welcher Gelegenheit ich wieder unbemerkt verschwinden kann."

"Mach dir keine Sorgen. Ich werde rechtzeitig wissen, wann du kommst. Und hier sein."

"Wissen? Aber wie denn?"

Er rollte das Papier mit langen, schlanken Fingern zusammen. "Genauso wie heute."

"Ach ja, richtig. Wenn ich die Höhle betrete flüchten die Fledermäuse."

"So wird es sein."

Ich lachte vergnügt. "Du bist schon ein sonderbarer Mensch, Galapas. Rauchzeichen mit Fledermäusen! Niemand würde mir das glauben, nicht einmal Cynric."

"Du wirst auch ihm nichts verraten?"

Ich nickte. "Ihm nicht und auch sonst niemandem. Aber jetzt muss ich aufbrechen. Auf Wiedersehen, Galapas."

"Auf Wiedersehen."

Und so geschah es dann auch in den folgenden Tagen und Monaten...
 

Wann immer ich konnte ritt ich ein- bis zweimal die Woche das Tal hinauf zur Höhle. Er schien recht genau zu wissen, zu welchem Zeitpunkt ich kam, denn meist wartete er mit ausgebreiteten Schriftrollen vor der Höhle auf mich; und war er einmal nicht da, so rief ich ihn durch die davon flatternden Fledermäuse herbei. Mit der Zeit jedoch gewöhnten sich die Tiere an mich, und ich musste sie erst durch ein oder zwei gezielte Steinwürfe hinausscheuchen. Später dann erübrigte sich dies.

Im Palast nahm man den ganzen Sommer über meine häufige Abwesenheit mehr oder weniger ungefragt hin und ich konnte mit Galapas von Tag zu Tag feste Verabredungen treffen.

Seit Ende Mai Olwens Sohn geboren war, hatte Moravik mich in zunehmendem Maße mir selbst überlassen; und als dann im September auch Calmachs Tochter zur Welt kam, machte sie sich zur Herrin über das königliche Kinderzimmer und ließ mich gleichsam völlig fallen.

Meine Mutter schien es zufrieden, ihre Zeit in Gesellschaft ihrer Frauen zu verbringen; ich sah kaum noch etwas von ihr.

Cynric war mein Freund. Und als solcher stellte er beim Absatteln meines Ponys keine neugierigen Fragen sondern scherzte höchstens augenzwinkernd, wo ich mich denn nur herumtriebe.

Cynric war zwar der Meinung, ich verwaise den ganzen Sommer über, doch auch er hatte tagsüber nie viel Zeit. Nur ab und an, wenn ich wieder einmal zu Galapas reiten wollte und Cynric fand, dass ich die letzten Tage all zu oft alleine im Wald herumgestromert sei, schickte er mich in den Palast zurück, um dort meine Zeit damit zu verbringen, mich zu den Weberinnen zu setzten, und von dem Wassertier, den Feen und Elfen und Drachen zu träumen. Moravik hatte angefangen, Briga und ihre Freundinnen Handarbeiten zu lehren, doch nachdem ich mich von Mal zu Mal ungeschickter angestellt hatte, musste ich wie ein kleines Kind zu ihren Füßen sitzen und ab und an Wollfäden aufwickeln und Flachs bürsten.

War ich gerade nicht bei Galapas in der Höhle ritt ich durch die Hügel, um allein zu sein. Im Tal traf ich nie auf einen Menschen. Der Schafhirte wohnte nur im Sommer dort, in einer armseligen Hütte am Waldrand. Andere Behausungen gab es nicht, und der Pfad unterhalb von Galapas' Höhle wurde nur von Hirten und Schafen benutzt. Er führte nirgendwohin.

Galapas war ein ausgezeichneter Lehrer. Dennoch empfand ich die Zeit bei ihm nie als Unterricht. Unterricht war das, was ich bei Demetrius und den Priestern meiner Mutter erfuhr (Sprachen und Geometrie beim einen, Religion bei den anderen) erfuhr.

Im Grunde schien er nur Geschichten zu erzählen, denen ich gebannt lauschte. Als junger Mann war er viel auf der anderen Seite der Erde gereist, in Äthiopien und Griechenland und Germanien und um das ganze Mittelmeer und er hatte viele fremdartige Dinge gesehen und gelernt. Oft waren sie von praktischem Nutzen und er unterwies mich darin: wie man Kräuter sammelte und trocknete und als Heilmittel verwandte und wie man gewisse Pulver und Säfte, auch giftige, gewann. Er ließ mich Vögel und anderes Getier studieren (oft fanden sich tote Kreaturen am Wege: Vögel und Schafe und einmal sogar ein Hirsch) und ich lernte viel über Körperorgane und Knochengerüst. Er zeigte mir auch, wie man blutende Wunden stillte und Knochenbrücke behandelte, wie man schlechtes Fleisch wegschnitt und die Wunde so säuberte, dass sie ordentlich verheilte, ja sogar (obschon dies erst später kam) wie man Fleisch und Sehnen nähte, während das Tier mit Dünsten betäubt wurde. Und ich weiß noch: Der erste Zauber, den er mich lehrte, war das Besprechen von Warzen - eine so mühelose Verrichtung, dass jeder sie vornehmen konnte.

Eines Tages entnahm er der Truhe eine Schriftrolle, die er mit besonderer Sorgfalt ausbreitete.

"Weißt du, was dies ist?"

Ich hatte schon viele Skizzen gesehen und kannte mich gut mit ihnen aus. Diese Zeichnung jedoch sagte mir nichts. Sie war lateinisch beschriftet, und ich erkannte die Wörter Äthiopien und Glücksinseln und, links in einer Ecke, Britannien. Die Linien schienen wirr durcheinander zu laufen, und überall fanden sich, winzigen Maulwurfshügeln gleich, gewölbte Kurven.

"Das - das sind wohl Berge."

"Ja."

"Dann ist dies ein Bild der Welt?"

"Eine Landkarte."

Es war das erste Mal, dass ich so etwas sah, und obschon mir anfangs alles dunkel und verschlüsselt schien, begriff ich bald, dank Galapas' Erklärungen, wie man Zeichen zu sehen hatte: Wie ein Vogel aus großer Höhe blickte man hinab auf die Erde mit ihren Straßen und Strömen, weit verzweigt wie die Fäden eines Spinnwebs. Mühelos konnte man von Rom nach Massilia oder von Londinium nach Camelot reisen, ohne auch nur einmal nach dem Weg zu fragen. Diese Kunst wurde von dem Griechen Anaximander entwickelt, obwohl manche behaupteten, dass die Ägypter sie als erste beherrschten. Diese Karte hier war eine Kopie eines Werkes von Ptolemäus von Alexandrien, und Galapas trug mir schließlich auf, meine Schreibtafel zu holen und eine Skizze von meinem Land anzufertigen.

Als ich den letzten Strich getan hatte, warf er einen Blick darauf.

"Was ist dies hier in der Mitte?"

"Maridunum", sagte ich überrascht, "Erkennst du es denn nicht, Galapas? Schau doch, hier ist die Brücke und der Fluss und hier die Straße, die über den Marktplatz führt."

"Das sehe ich. Aber ich habe dich gebeten, dein Land zu zeichnen, nicht deine Stadt."

"Ganz Wales? Aber wie soll ich wissen, was dort oben liegt? Ich war noch nie dort!"

"Warte, ich will es dir zeigen." Er legte die Schreibtafel beiseite, nahm einen spitzen Stock und begann, jeden Strich und jeden Punkt erläuternd, in die nackte Erde zu kerben. Was unter seinen Händen entstand, war ein lang gestrecktes Dreieck, das nicht nur Wales wiedergab, sondern ganz Britannien, das raue Land jenseits des Hadrianwalls, wo die Wilden lebten, mit eingeschlossen. Er zeigte mir Berge und Flüsse und Straßen und Städte und, Londinium und Caleva und die dicht gedrängten Ortschaften unten im Süden bis hin zu jenen Städten und Festungen am Ende des Straßennetzes, Segontium, und Carleon und Eboracum und die Städte unmittelbar am Wall. Und er sprach, als sei es ein einziges Land, obschon ich ihm doch wenigstens ein Dutzend Könige hätte nennen können, die in verschiedenen Landstrichen herrschten.

Als er fertig war, stand die Sonne gerade im Zenit und Galapas meinte, ich sollte nach Hause gehen.

"Du wolltest nicht immer so lange wegbleiben, das weckt nur Verdacht", erklärte er.

"Wieso denn? Mich vermisst im Palast ohnehin niemand."

"Es ist trotzdem besser, wenn du jetzt aufbrichst, Myrlin. Im Palast trifft heute eine Gesandtschaft ein."

Ich fragte nicht, woher er es wusste; ich glaubte ihm einfach und so ritt ich nach Hause. Auf dem Weg dachte ich daran, was das wohl für eine Gesandtschaft sein konnte. Sie wollten bestimmt zu meinem Großvater, dachte ich mir und es war mir nicht klar, was ich dann mit ihnen zu schaffen hatte.

Auf der Suche

Als ich Maridunum sah, war die Sonne noch nicht einmal den halben Nachmittagshimmel entlanggewandert. Die Tore standen weit offen, fremde Pferde standen im Hof. Alles war so, wie damals, als König Gorlan um die Hand meiner Mutter angehalten hatte. Wenn es wieder ein König oder ein Fürst war, der mit dieser Absicht gekommen war, brauchte ich mich nicht zu sorgen, denn sie würde ihn genau so wegschicken, wie alle anderen auch.

Doch als ich mich nach hinten mit meinem Pony in den Stall schlich, wartete Cynric bereits auf mich.

Ohne etwas zu sagen sattelte er mein Pony ab und half mir, es mit Stroh abzureiben. Ich wagte nicht, nach dem Besuch zu fragen, der gekommen war, sondern schwieg.

"Geh jetzt in die Küche und hol' dir was zu essen", sagte Cynric schließlich.

Ich nickte. "Ja, gut." Doch anstatt zu gehen, fragte ich: "Wer ist gekommen, Cynric?"

"Vortigerns Wölfe haben das Königreich Lothian überfallen und ausgeschlachtet...", er schüttelte den Kopf, "Ein weiterer König ohne Königreich. Vortigern hat Agravain von Lothian in seinen Rat berufen. Dein Großvater und er sind alte Freunde und deshalb hat er die Gemahlin und die jüngsten Kinder des Königs aufgenommen. Nichts, was dich kümmern sollte."

"Wieso nicht?"

"Weil das Dinge sind, mit denen sich Erwachsene beschäftigen - Könige und so... Dein Großvater reitet morgen auch zum Rat des Hochkönigs. Und jetzt geh Abendessen!"

Als ich mich auf den Weg in die Küche machte, dachte ich darüber nach, was Cynric gesagt hatte.

standen Pferde und Reiter im Hof; doch die meisten Soldaten und Tiere gehörten zu meinem Großvater. Es war offensichtlich, dass er seine Abreise plante.

So weit ich mich erinnern konnte, hatte mein Großvater Maridunum nicht mehr verlassen, nur Boten und seine Edlen hatten Nachrichten überbracht und waren an den Hof des Hohen Königs gegangen, um dort zu berichten. Ich konnte mir Maridunum ohne die Anwesenheit des Königs einfach nicht vorstellen, denn er hatte immer hier her gehört.

Es gab Dinge, über die niemand sprach, aber über die jeder bescheid wusste. Der Hohe König Vortigern hatte seinen Thron nur aus einem Grund halten können: nachdem er König Arthur getötet hatte, heiratete er die Schwester des sächsischen Häuptlings Hegal und um auf die sächsische Unerstützung gegen alle Feinde zusätzlich zählen zu können, ließ er die Sachsen nun in Großbritannien wüten, wie es ihnen gefiel - Vortigern selbst hatte sie nicht mehr unter Kontrolle. So hatten die Sachsen in den letzten Jahren ganze Königreiche geplündert und Könige heimatlos gemacht.

Cynric hatte Recht, es ging mich wirklich nichts an, mit der sich Könige beschäftigten, aber keine Kinder.

Doch ich wurde hellhörig, als ich das Gelächter von Dinias, Briga und ihrer Bande hörte, die anscheinend im Säulengang irgendein Spiel spielten. Es überraschte mich, dass sie bei der Dunkelheit noch so nahe an der königlichen Halle solchen Lärm veranstalteten; wahrscheinlich war der König mit seinen Gästen beschäftigt und Dinias und seine Anhänger feierten ihr persönliches Fest.

Ich dachte daran, dass Cynric mir indirekt zu verstehen gegeben hatte, dass ich mich nicht im Palast sehen lassen sollte. Deshalb wollte ich lieber in die Gesindeküche gehen, um mir mein Abendessen zu holen, denn inzwischen machte sich der Hunger bemerkbar. Ich warf noch einen letzten Blick auf Dinias, Briga und die anderen Kinder; sie rannten in alle Richtungen davon, wahrscheinlich spielten sie Verstecken und Suchen. Es tat mir nicht wirklich leid, dass ich nicht mitspielen konnte; ich hatte schon immer alleine meine eigenen Spiele gespielt. Mit anderen Kindern zusammen, dachte ich, könnte man bestimmt nicht die Feen und Elfen suchen und an schönen Sommertagen das Wassertier unter der Brücke sehen und den Geistern in den Bäumen lauschen.

Niemand bemerkte mich, als ich zu den Gesinderäumen schlich und darüber war ich froh. Der Schein der Fackeln im Säulengang richte nicht bis dorthin, deshalb sah ich kaum, wohin ich lief, aber ich kannte mich so gut aus, dass ich mich auf Maridunum fast überall blind zu Recht fand.

Der Gesindetrakt war ein flaches, einstöckiges Gebäude aus Stein und Lehm, das ein Stück entfernt vom Eingang des Säulengangs lag.

Gerade wollte ich hineingehen, als ich einen sich bewegenden Schatten in meiner Nähe entgegen. Ich hielt den Atem an und drehte mich langsam um. So hatte ich mir immer vorgestellt, dass sich eine Fee an Menschen anschlich. Es war keine Fee, sondern ein Mensch; ein Kind - ein bisschen größer als ich mit großen, bernsteinfarbenen Augen - starrte mir entgegen. Niemand von uns sagte ein Wort, bis Briga rief: "Dian! Wo bist du?"

Das Mädchen, das Briga Dian gerufen hatte, drehte sich um und rannte zum Säulengang zurück.

Ich kannte niemanden, der Dian hieß; wahrscheinlich war sie mit der Königin von Lothian gekommen, schätzte ich.

Es war ein seltsames Treffen gewesen mit dem Mädchen namens Dian. Als ich an diesem unter dem Fenster bei meinem Birnbaum saß, suchte ich in der Dunkelheit nach den Wesen aus dem Feenvolk, die ich dort draußen vermutete.
 

Am nächsten Morgen war ich wach, noch bevor die Sonne am nebligen Himmel vollkommen aufgegangen war. Der Himmel in der Ferne färbte sich sanft rosa rötlich und orangefarben. Die ersten Vögel zwitscherten auf den Bäumen ihren morgendlichen Gruß und fiepten aus ihrer kleinen Kehle heraus. Ich war hinaus in den Gesindegarten gegangen. Unter meinen Füßen spürte ich das vom Morgentau nasse Gras, die Luft war noch kühl. Ich beugte mich hinunter, um das Gras näher zu betrachten; ich sah keine Elfen, nur ein Spinnennetz, das der Morgentau sichtbar gemacht hatte und einen organfarbenen Käfer. Vorsichtig ließ ich den Käfer auf meinen Finger krabbeln und war so beschäftigt damit, dass ich nicht bemerkte, wie jemand hinter mich trat.

Ich drehte meinen Kopf abrupt um und sah in das Gesicht eines Mädchens, das etwas älter war als ich. Sie hatte ein schmales Gesicht, lange haselnussbraune Haare mit einem hellen Schimmer.

Ich musterte die Fremde. "Du heißt Dian, nicht?"

"Ja." Sie nickte. "Und dein Name ist Mynona, oder? Sie haben's mir gestern Abend erzählt."

Wenn meine Base ihr etwas über mich erzählt hatte, dann erwartete ich, dass sie mich genau so mied, wie alle anderen auch, weil sie glaubte, ich hätte den bösen Blick. Doch sie sah mir direkt in die Augen und hielt meinem Blick stand.

"Ich komme aus Lothian; ich bin die Tochter von König Agravain."

"Dann... dann seid Ihr eine Prinzessin?"

Moravik hatte mir immer schon seit ich denken konnte Manieren eingebläut, wie ich mich gegenüber Königen, Königinnen, Prinzen, Prinzessinnen, Fürsten, Lords und Ladies und dergleichen verhalten sollte und deshalb versuchte ich mich aufzurichten, doch ich verlor auf den Fußballen das Gleichgewicht und fiel zurück auf den weichen Boden.

Dian lachte mich an. "Ach, meine Amme hat gesagt, Prinzessin nennen kann man sich leicht. Deshalb muss man darauf achten, dass man sich wie eine Prinzessin benimmt. Sie haben gesagt, dein Vater sei ein Dämon. Stimmt das? Meine Amme hat mir von dem Blick erzählt und von Wesen mit Zauberkräften."

Als ich nichts darauf sagte, sprach sie weiter: "Sie mögen mich auch nicht; aber ich hab ihnen wohl auf wenig Grund dazu gegeben. Glaubst du, sie denken bald auch, dass ich Zauberkräfte habe? Kannst du zaubern?"

"Wenn sie wissen, dass dein Vater ein König ist, werden sie dich bestimmt mögen."

Dian winkte ab. "Aber ich mag sie nicht. Ich bin eine Prinzessin und ich habe gelernt, mich anders zu benehmen. Sie nennen sich nur so. Meine Amme hat gesagt, ich soll mir die Natur genau ansehen. Hast du das Zweite Gesicht?"

"Ich weiß nicht." Morgens ließ ich mich schwer für etwas begeistern, und so verstand ich auch nicht recht, was in diesem Moment vor sich ging.

"Du siehst viele Dinge, die andere nicht sehen, weil du sie sehen willst, nicht? Hast du schon mal eine Fee gesehen? Einmal, als ich Fieber hatte, dachte ich, dass ich eine gesehen hätte. Meine Stiefmutter hat aber gemeint, das sei nur ein Fiebertraum gewesen."

"Im Wald kannst du sie sehen, behaupten die Leute im Dorf. Aber die Feen zeigen sich nicht jedem. Ich glaube, die Angelusglocken im Dorf machen ihnen Angst. Und die Kruzifixe und Kreuze - ich fürchte mich zumindest vor ihnen."

"Wirklich? Ich finde es auch ein bisschen unheimlich, was der Priester immer murmelt, und fürchte mich davor."

"Ich fürchte mich nicht vor vielen Dingen."

"Das dachte ich mir."

"Wieso?"

"Deine Base hat gesagt, du seiest ein Dämon aus den Hügeln." Sie zog den Ärmel ihrer blassgrünen Tunika nach oben und zeugte mir ein seltsames Armband mit Verziehrungen.

"Wozu ist das?"

Sie streckte mir den Arm mit dem Schmückstück entgegen und ich berührte mit meinen Fingerspitzen vorsichtig die Zeichen.

"Meine Amme hat es mir gegeben, um mich vor den Dämonen zu schützen; sie sagt, dass sie sich vor Eisen fürchten. Du aber nicht, also kannst du kein Dämon sein."

"Findest du das etwa schade, dass ich kein Dämonenspross bin?" Ich musste lachen.

"Nein, den..." Sie sah Richtung Palast und meinte dann: "Ich muss gehen. Bis später, Mynona."

Gerade hatte sie kehrt gemacht und wollte zurück zum Palast laufen, das rief ich: "Myrlin."

"Wie?"

"Man nennt mich Myrlin, wie den Falken."

"Gut, Myrlin!"

Dian musste noch viel lernen. Doch das traf auch auf mich zu und in mancher Hinsicht gab es einige Dinge, die wir einander zeigen konnten; eigentlich kannten wir beide diese Welt voll mystischer Wesen und Märchen, aber man kann immer mehr von ihr entdecken und über sie erfahren.
 

Als ich ein paar Tage danach wieder zu Galapas reiten wollte, standen zwei Sänften und ein paar Pferde im Hof. Meine Mutter und Olwen wollten zur Ostermesse in die Klosterkapelle von St. Petrus gehen.

Und obwohl es nur ein Besuch war, wäre ich trotzdem lieber in Maridunum geblieben. Ich war früher schon ein paar Mal mit meiner Mutter dort gewesen und damals hatte ich es immer so gut wie möglich vermieden, lange in der Kapelle zu bleiben. Nicht nur die Kreuze, sondern auch der Priester, die Schwestern und all das andere waren für mich Grund genug, den Ort zu meiden. Doch dieses Mal war ich wohl zu alt, um mich zu verstecken.

Ich wollte nicht eingesperrt und angekettet werden, wie die Affen im Garten meines Großvaters.

Die letzten Tage war ich Dian nicht mehr begegnet, sondern war früh morgens zu Galapas gegangen und erst spät abends wiedergekommen, weil ich immer noch Cynrics Warnung in Erinnerung hatte.

Doch als wir am Ostermorgen ins Kloster ritten, erzählte sie mir von Lothian und den Orkney-Inseln - ihrer Heimat.

"Dort wird es im Winter fast nie hell und im Sommer geht die Sonne kaum unter", erzählte sie.

"Das stelle ich mir seltsam vor. Und was ist im Herbst und um Frühling?"

Olwen und die Königin von Lothian - Dians Stiefmutter - reisten in einer Sänfte, zusammen mit den anderen Edelfräulein, aber zu meiner Überraschung ritt meine Mutter selbst auf einem Pferd und unterhielt sich so angeregt mit einem der Männer aus Lothian, dass sie mich kaum wahrnahm.

Ich wünschte mir, dass wir nie ankommen würden, denn ich wusste, was alles folgen würde: zwei schier endlose Messen, Predigten und dergleichen, die strengen Blicke der Äbtissin und der anderen Schwestern des Ordens. Aber ich konnte mich nicht verstecken, auch wenn meine Angst vor diesem Gefängnis unerträglich war und beinahe jeden Knochen in meinem Leib zum Bersten zu bringen schien.

Die Reise dauerte natürlich nicht ewig. Als wir ankamen, läuteten die Glocken gerade zur Nachmittagsmesse, auch Leute aus den umliegenden Dörfern waren gekommen.

Der Priester las zuerst lateinisch aus der Bibel vor, doch ich hörte nicht hin, was er sagte, sondern rutschte unruhig auf der harten Kirchenbank hin und her, bis Moravik mich wieder zwang, still zu sitzen. Meine Mutter, Olwen, Königin von Lothian und auch Calmachs Frau knieten direkt vor dem Altar, Olwens Sohn wurde von einer Kinderfrau gehalten, genau so wie Calmachs Tochter, die beide noch zu klein waren, um lange niederknien oder stehen zu können. Auch Dian war bei ihnen, so saß ich bei Moravik und ein paar anderen Sklaven, die mitgekommen waren.

Als der Priester anfing, die Ostergeschichte aus walisisch zu erzählen, schnitt die Holzkante der Bank in meine Schenkel, weil ich zu klein war, um meine Füße auf den Boden zu stellen. Zuerst schob ich meine Hände dazwischen und fing dann wieder an, zu zappeln.

"Myrlin, bleib sitzen und hör zu, jetzt sollst du einmal deine Ohren aufsperren, also tu es auch!", zischte Moravik.

So gut es ging, versuchte ich den Schmerz zu ignorieren und an etwas anderes zu denken. Die Zeit kroch zäh dahin. Ich dachte an Galapas und Demetrius, dann an Cynric und den König, die gerade bei Vortigern, dem Hohen König waren - und überall dort wäre ich lieber gewesen als in der Klosterkapelle.

Die Bilder vor meinen Augen verschwammen, ich wurde müde und obwohl es mitten am Tag war hörte ich die leise Musik der Sterne, die ich im Hypokaustum gehört hatte. Neue Bilder begannen vor meinen Augen aufzuflammen, wie in Galapas Kristallhöhle.

Zuerst hörte ich Stimmen. Sie kamen von draußen. Draußen? Nein, ich war nicht mehr in der Kapelle, sondern an einem anderen Ort. Ich war auch nicht wirklich da, aber ich sah diesen Ort. Das Meer rauschte dort, Wellen schlugen gegen eine Steinklippe. Und oben auf dieser Klippe standen Menschen. Sie standen alle um einen Haufen Holz herum. Dann erkannte ich etwas Weißes auf dem Holzhaufen liegen und wusste, was es war: eine Beerdigung. Der Leichnam lag in weiße Tücher gehüllt da; ein Mann in einem blauen Umhang trat mit einer Fackel vor und entzündete das Feuerholz damit. Ein paar der Umstehenden begannen zu schluchzen und laut zu klagen. Ich hörte Stimmen undeutlich wispern, die Gesichter dieser Menschen wurden etwas deutlicher, aber dann verschwamm wieder alles vor meinen Augen, auch alle Geräusche um mich herum verklangen...

Gerade empfingen die Königin und ihr Gefolge die Kommunion, als ich wieder klar denken konnte. Ich fühlte mich zu schwach, um auch nur einen meiner Knochen zu bewegen, ich fühlte mich seltsam leer. In diesem Moment ließ der Priester den Silberkrug mit Wein fallen; der rote Saft durchtränkte das weiße Tuch auf dem Altar. Olwen und Calmachs Frau stießen schrille Schreie aus, Dianas Gesicht nahm einen seltsam amüsierten Ausdruck an und nur meine Mutter drehte sich einen Augenblick um und sah mich überrascht an, wandte ihren Kopf dann aber schnell wieder ab, so als hätte sie irgendetwas erschreckt.

Plötzlich fühlte ich mich, als müsse ich mich übergeben. Niemand achtete auf mich, also stand ich vorsichtig auf und ging nach draußen, ohne dass mich jemand aufhielt. Und kaum hatte ich die Kappelle verlassen, musste ich mich übergeben.
 

Erst, als die Sonne unterging und den Himmel in tiefes Rot tauchte, verschwand das Gefühl wieder und stattdessen wurde es abwechselnd heiß und kalt. Trotzdem wollte mir nichts anmerken lassen, als wir zurückritten, denn je weiter das Kloster wieder hinter uns lag, desto sicherer fühlte ich mich wieder. Es war für mich schon immer kein besonders schöner Ort gewesen, und in gewisser Weise fühlte ich mich dort gehetzter, als in Maridunum, die Blicke der Nonnen, die ständige Wispern der Gebete und das unabbrechende Widerhallen der Choräle schienen seltsam unheimlich.

Als die Sonne untergegangen war, wurden Fackeln angezündet, damit die Königin und ihr Gefolge ihren Weg fortsetzen konnten und noch so bald wie möglich den Hof erreichen würden. Ich sah an den Himmel und beobachtete den Mond; dem zufolge, was Galapas mir erzählt hatte, wurde er wieder zu einer Sichel.
 

Sobald wie möglich ritt ich wieder zu Galapas und erzählte ihm von meinem Traum während der Messe. Er hörte mir zu und schien mir zu glauben, aber als ich wollte, dass er es mir erklärte und mir sagte, was es bedeuten könne, schwieg er zuerst und meinte dann, er wisse nichts. Er gab sich nicht einmal besondere Mühe, mich überzeugend anzulügen, aber die Tatsache, dass er mir nicht sagen wollte, was er wusste, war eine Art Warnung für mich und ich fragte auch nicht weiter, obwohl der Traum nachts wiederkam und ich in meinem Kopf ständig sah, wie er sich überholte. Manchmal kam es mir vor, als erkenne ich mehr Gesicht, als seien die Farben deutlicher, aber er verflog jedes Mal wieder auf dieselbe Weise. Wahrscheinlich war es doch nur ein Traum; nichts weiter.

Ich versuchte gar nicht erst, meiner Mutter davon zu erzählen. Je länger die Tage wurden, desto öfter ritt sie wieder nach St. Johann und da mein Großvater nicht da war, hielt sie niemand auf.

Dinias und Briga begannen währenddessen, wilde Pferde zähmen zu wollen und jagen zu gehen.

Im Gegensatz zu den beiden oder gar mir hatte Dian weniger Freiheiten. Morgens musste sie bei ihrer Stiefmutter und ihren Damen in der Halle sitzen und spinnen, nachmittags durfte sie den Palast nicht ohne angemessene Begleitung (ihre Amme und zwei Soldaten) verlassen. Einmal blieb auch, aber noch bevor die Sonne im Zenit stand, scheuchte mich Moravik aus der Halle, mit der Erklärung, ich sei zu alt, um wie ein Kind im Sommer dort zu spielen.
 

Oft stellen Kinder über jene Dinge, die ihnen am wichtigsten sind, keine Fragen. Instinktiv scheinen sie zu wissen, dass hier etwas ist, das ihr Begriffsvermögen noch übersteigt. Doch insgeheim nähren sie ihre Phantasie, bis jenes Unfassbare alle Grenzen sprengt und wie Zauber oder auch ein Nachtmahr über ihrer Seele liegt.

So war es bei mir mit der Kristallhöhle. Nie hatte ich zu Galapas von meinem ersten Erlebnis dort gesprochen. Ja, fast verschwieg ich mir selbst, was dann und wann in Licht und Feuer vor mir auftauchte. Träume, beschwichtigte ich mich: Erinnerungen jenseits aller Erinnerungen, ein eigentümliches Spiel der Phantasie - wie jene Stimme, die mir Gorlans Namen verraten hatte oder jener Blick, dem das Gift in der Aprikose nicht verborgen geblieben war, und auch jene Erscheinung in der Kapelle während der Ostermesse.

An einem frostklirrenden Wintertag ritt ich wieder einmal den gewohnten Weg. Vor dem Maul meines Ponys wölbte sich die Atemluft wie Drachenhauch. Das Tier, kleiner, walisischer Grauschimmel, den ich stolz Raven nannte, trottete rasch dahin und verfiel schließlich in Trab. Er gehörte zu jener Rasse von Gebirgsponys, die wild in den Hügeln leben und sich manchmal mit Pferden römischer Herkunft kreuzen. Sie sind zäh und schnell und sehr schön mit ihrem schmalen Kopf, den kleinen Ohren und dem kräftig gebogenen Hals. Raven war von meinem Vetter Dinias gefangen und gezähmt worden. Nach anderthalb Jahren schonungslosen Reitens hatte Dinias dann genug gehabt und wollte lieber einen richtigen Hengst. Unter mir benahm sich Raven zuerst recht störrisch, aber bald verlor sich seine Furcht vor mir und nach dem harten, ruckenden Zuckeltrab, den ich von meinem früheren Pony gewohnt war, schien seine Gangart geradezu seidenweich.

Inzwischen hatte ich hier im Tal auch einen Unterschlupf für mein Tier gefunden. Am Felsen unterhalb der Höhle wuchs ein Weichdorndickicht, in dessen Mitte Galapas Steine aufgeschichtet hatte. Die Rückwand bildete der Fels selbst. Äste und Adlerfarn formten ein dichtes Dach, und dieser kleine Stall bot dem Tier, zumal im Winter, eine warme Zuflucht, auch blieb es fremden Augen verborgen.

Ich führte Raven in den Verschlag, nahm ihm Sattel und Zaumzeug ab und warf ihm das Futter aus der Satteltasche vor. Dann zog ich einen kräftigen Ast vor den Eingang und klomm rasch den Weg zur Höhle empor.

Galapas war nirgends zu sehen, konnte jedoch noch nicht lange fort sein, denn in dem offenen Metallofen, der innen beim Eingang stand, lag noch Glut. Ich schürte sie, bis die Flammen emporzüngelten, und ließ mich dann ganz in der Nähe mit einer Schriftrolle nieder. Eine Verabredung hatte ich mit Galapas für heute nicht getroffen, aber da mir viel Zeit blieb ließ ich die Fledermäuse in Frieden und las eine Weile still für mich.

Im Laufe der Zeit war ich schon oft allein in der Höhle gewesen, so konnte ich nicht sagen, warum mich gerade an diesem Tag Neugierde trieb. Jedenfalls legte ich die Schriftrolle beiseite, ging an dem verdeckten Spiegel vorbei und spähte hinauf zu dem Felsspalt, durch den ich bei meinem ersten Besuch in Galapas' Höhle geflüchtet war. Ob sie wirklich so aussah, wie ich sie in Erinnerung hatte? Ob die Kristalle und die in ihnen funkelnden Bilder (der Drache und das Mädchen) wohl nichts waren als Ausgeburten meiner erregten Phantasie? Irgendetwas Unnennbares, Neugier und doch mehr als Neugier, trieb mich jetzt. Rasch kletterte ich auf den Felsabsatz und spähte, mich auf Hände und Knie niederlassend, durch den Spalt.

Die innere Höhle war tot und kalt. Nicht der geringste Schimmer vom gezüngelten Feuer fing sich darin. Vorsichtig kroch ich vorwärts, bis meine Hände auf die scharfen Kristalle trafen. Ja, es gab sie. Sie waren nur allzu wirklich. Mit wachsamen Augen und Ohren gegen Galapas' überraschende Rückkunft gewappnet, glitt ich rasch wieder hinaus, griff nach meinem Umhang, den ich neben dem Feuer abgelegt hatte und kletterte und kroch eilends durch den Spalt in die innere Höhle zurück, wo ich den Umhang ausbreitete.

Und so ließ es sich hier verharren. Still lag ich und lauschte auf das vollständige Schweigen ringsum. Allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Mattes graues Glimmern kam von den Kristallen, doch von jenem zauberischen Licht, dass damals geglüht hatte, fand sich keine Spur.

Plötzlich spürte ich einen leichten Hauch kalter, bewegter Luft, die selbst bis zu mir in dieses Verlies drang. Und dann hörte ich Schritte, die sich über eisiges Felsgestein näherten...

Als Galapas wenige Minuten später in die Höhle trat, saß ich beim Feuer, in der Hand mein Lehrbuch, der Umhang lag neben mir ausgebreitet.

Erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit legten wir unsere Bücher beiseite. Doch immer noch machte ich keine Anstalten zu gehen. Das Feuer loderte jetzt. Wärme und flackerndes Licht erfüllten die Höhle. Eine Zeit lang saßen wir schweigend.

"Galapas, ich möchte dich etwas fragen."

"Ja?"

"Erinnerst du dich an den Tag, an dem ich das erste Mal herkam?"

"Sehr deutlich."

"Du wusstest, dass ich kam. Du hattest mich erwartet?"

"Habe ich das gesagt?"

"Ja, das hast du, und du weißt es auch. Aber wie konntest du nur

von mir wissen?"

"Ich sah dich ja in der Kristallhöhle."

"Oh, gewiss. Du hattest den Spiegel so gedreht, dass das Kerzenlicht auf mich traf, und du sahst meinen Schatten. Aber das meine ich nicht. Woher wusstest du, dass ich an jenem Tag das Tal heraufkam?"

"Eben diese Frage habe ich dir beantwortet, Myrlin Llaw. Ich wusste es, weil ich dich, ehe du zur Höhle kamst, im Spiegel sah."

Wir sahen einander schweigend an. Zischelnd flackerten die Flammen zwischen uns. Ich nickte stumm. Es war ein Geheimnis, dass ich längst schon geahnt hatte. Nach einer Weile sagte ich: "In der Kirche, da habe ich den Spiegel nicht gehört, um sehen zu müssen. Aber es war ein anderes Gefühl... Wirst du's mir zeigen?" Er musterte mich einen Augenblick und erhob sich dann: "Es wäre wohl schon vor einer Weile an der Zeit gewesen Komm mit!"

Ich gehorchte. Galapas zündete eine Talgfalke an; das Licht erhellte den hinteren Teil der Höhle.

"Enthülle den Spiegel."

Ich zog am darüber gebreiteten Tuch. Wolligweich fiel es mir in die Arme und ich legte es auf Galapas' alte Truhe an der Wand.

"Jetzt klettere auf den Felsabsatz und lege dich hin."

"Auf den Felsabsatz?"

"Ja. Leg dich auf den Bauch mit dem Kopf zum Spalt, so dass du hineinsehen kannst."

"In die Kristallhöhle selber soll ich nicht?"

"Nimm deinen Umhang, damit du nicht auf dem kalten Stein verharren musst."

Halb schon auf dem Fels drehte ich mich um und sah, dass er lächelte.

"Du weißt also bescheid, Galapas?"

"Ja, ich weiß, dass du vorhin in der Kristallhöhle warst. Aber eines Tages werde ich dir selbst mit dem Blick nicht mehr folgen können. Ein größerer Geist als der meine wird dich dann leiten müssen. Jetzt lege dich hin und beobachte still."

Ich streckte mich auf dem flachen, breiten Felsstück aus, Kopf auf den gebeugten Arm gestützt, Blick auf den Spalt gerichtet.

Galapas sagte leise: "Schalte deine Gedanken aus. Ich halte die Zügel in der Hand. Noch ist dies nicht für dich. Beschränke dich aufs Schauen."

Ich hörte, wie er zur Wand ging: Er trat zum Spiegel.
 

Die innere Höhle war größer, als ich angenommen hatte. Sie streckte sich so weit empor, dass mein Blick der Windung nicht mehr folgen konnte. Der Boden wirkte glatt, wie flachgeschliffen durch langen Gebrauch. Und selbst mit den Kristallen hatte ich mich getäuscht. Das Glimmern, das den Schein der Fackeln widerspiegelte, kam von Wasserlachen auf dem Boden und von einer feuchten Quelle an der Wand, über die ein riesiger Quell zu rieseln schien.

Die Fackeln: In Felsrisse waren sie gezwängt, billiges Zeug, minderwertiger Plunder, der trübe in stickiger Luft brannte. Und obwohl es eisig kalt war, arbeiteten dunkle, große Männer bis auf einen schmalen Lederschurz, mit nackten Leibern. Schweiß strömte ihnen über Schultern und Rücken, während sie auf den Felsen loshackten, stetes, unablässiges Pochen, das nicht den leisesten Laut hervorrief. Muskeln spannten und ballten sich. Auf dem Boden, mit dem Rücken lang in die Wasserlachen gestreckt, lagen zwei Männer, die mit kurzen, kräftigen Hieben nach oben auf den tief überhängenden Fels einhämmerten. Auf dem Handgelenk des einen sah ich die schweißglänzende Narbe eines Brandmals.

Von hartem Husten geschüttelt, krümmte sich einer der Arbeiter zusammen und raffte sich, einen scheuen Blick über die Schulter werfend, sofort wieder hoch. Heller wurde es in der Höhle. Von einer quadratischen Öffnung, hinter der ein gewundener Tunnel aufschimmerte, näherte sich Fackellicht.

Schmutzverkrustet und halbnackt erschienen vier Knaben, die große Körbe trugen. Hinter ihnen kam ein Mann in braunem, feucht verflecktem Gewand. Er war es, der die Fackel trug. In der anderen Hand hielt er eine Schreibtafel, auf die er mit gerunzelten Brauen starrte, während die Knaben mit ihren Körben zu der Felswand liefen und abgehauenes Geröll hineinfüllten. Der Mann, Vorarbeiter offenbar, trat zu ihnen und betrachtete die Felswand mit hocherhobener Fackel. Dankbar für die kurze Atempause bildeten die Arbeiter einen Kreis um ihn. Einer der Männer sprach. Er deutete auf die behauene Wand und dann auf jene Stelle am anderen Ende der Höhle, von der unablässig Wasser rieselte.

Die Knaben schleppten ihre gefüllten Körbe fort. Der Mann im braunen Gewand zog achselzuckend eine Silbermünze hervor und schleuderte sie mit geübter Bewegung in die Luft. Die Arbeiter reckten die Hälse. Und fügsam nahm der Mann, der mit dem Vorarbeiter gesprochen hatte, wieder seine Hacke in die Hand und schwang sie gegen den Fels. Unter seinen Hieben öffnete sich ein Spalt und klaffte auf, weiter und weiter. Wirbelnd stürzte Erde hinein und das Licht erlosch. Und nach dem herabrasselnden Staub kam das Wasser.
 

"Hier, trink das," sagte Galapas, "Ein Gebräu von mir. Wird dir gut tun. Trink nur."

"Danke Galapas. Die Höhle ist ja wirklich aus Kristall. Im - im Traum sah ich sie eben ganz anders."

"Denk jetzt nicht daran. Wie fühlst du dich?"

"Eigenartig. Ich kann's nicht erklären. Bis auf die Kopfschmerzen fehlt mir nichts, aber ich fühle mich ausgesogen. Wie ein leeres Schneckengehäuse. Oder nein. Wie ein Schilfrohr ohne Mark. Aber mir ist nicht so schlecht, wie nach dem Traum in der Kirche."

"Ein Spielzeug der Winde. Ja. Komm jetzt ans Feuer."

Als ich wieder auf meinem Platz saß, einen Becher heißen Wein in der Hand, fragte er: "Wo warst du?"

Ich berichtete ihm, was ich gesehen hatte, aber als ich ihn dann um eine Erklärung dafür bat, schüttelte er den Kopf. "Ich fürchte, dass ich dir damit nicht dienen kann. Ich weiß selbst nicht, was es zu bedeuten hat. Aber du musst jetzt aufbrechen. Du hast wahrscheinlich keine Ahnung, wie lange du dort gelegen und geträumt hast. Der Mond steht bereits am Himmel."

Ich erhob mich. "Schon? Dann wird man im Palast wohl nach mir suchen. Sicher ist das Abendessen schon vorbei."

"Noch sucht niemand nach dir. Denn inzwischen ist einiges geschehen, wie du selbst herausfinden wirst. Sorge dafür, dass du nichts versäumst."

"Wie meinst du das?"

"So, wie ich's sage. Setze alles daran, den König zu begleiten. Hier, nimm deinen Umhang." Er warf ihn mir zu.

"Der König verlässt Maridunum wieder? Er ist doch gerade erst zurückgekommen!"

"Ja, doch er gehr nur für eine Weile. Wann er zurückkehren wird weiß ich allerdings nicht."

"Er wird niemals bereit sein, mich mitzunehmen."

"Nun, das ist deine Sache. Deine Geister, Myrlin Llaw, werden dich nur begleiten, wenn du ihren Weg wählst und was du suchst wirst du erst wissen, wenn du's am richtigen Ort gefunden hast. Und dazu gehört Mut. Wickle dich in deinen Umhang ein, ehe du gehst. Draußen ist es kalt."

"Mut," murmelte ich. Davon hatte ich, bei den Göttern, nicht sehr viel. Trotzdem gehorchte ich. "Galapas, während ich mir bei meinem Traum von Sklaven in einem dummen Bergwerk Kopfschmerzen geholt habe, hast du gesehen, was wirklich geschieht. Wann bringst du mir endlich bei, zu sehen, was du siehst?"

"Nun, deine erste Probe kannst du gerne haben. Wenn du dich mit deinem Pony nicht beeilst, sehe ich, dass dich die Wölfe fressen."

Er lachte wie über einen gutgelungenen Scherz. Ich lief rasch aus der Höhle, um Raven zu satteln.
 

Die Sichel des Mondes warf nur ein fahles Licht über den Pfad. Ungeduldig tänzelte Raven und strebte mit gespitzten Ohren heimwärts, so dass ich Mühe hatte, das Tier im Zaum zu halten, denn der Weg war vereist und ich hatte Angst vor einem Sturz. Doch Galapas' Warnung drang mir immer noch in den Ohren und so ließ ich mein Pony geschwinder traben, als eigentlich ratsam war - bis wir dann bei der Mühle auf den Treidelpfad gelangten.

Doch endlich hatte ich freie Sicht und trieb Raven zu vollem Galopp an. Als wir uns der Stadt näherten sah ich, dass irgendetwas im Gange war. Hinter der Stadtmauer, mit ihren längst geschlossenen Toren, flammte überall Licht. Fackeln loderten, Stimmen und Schritte hallten. Vor dem Tor, das zu den Stallungen führte, glitt ich aus dem Sattel. Doch wenn ich erwartet hatte, mich ausgesperrt zu finden, so fand ich mich angenehm getäuscht. Denn kaum stand ich, als schon das Tor aufschwang und Cynric, eine abgedunkelte Laterne in der Hand, mich hineinwinkte.

"Ich habe dich kommen hören. Den ganzen Abend liege ich schon auf der Lauer. Wo hast du bloß gesteckt, du wildes Wechselbalg. Hast heute wohl ganzen besonderen Schabernack ausgeheckt, was?"

"Oh, natürlich. Hat schon jemand nach mir gefragt? Hat man mich schon vermisst?"

"Nicht, dass ich wüsste. Die haben heute etwas anderes im Kopf als dich. Gib mir den Zügel, damit ich Raven erst einmal in der Scheune unterstelle. Im großen Hof herrscht mir jetzt zu viel Treiben."

"Wieso, was ist denn los? Der Lärm ist ja meilenweit zu hören... Ist ein Krieg ausgebrochen?"

"Nein, aber dazu kann er durchaus noch kommen. Heute Nachmittag traf die Botschaft ein, dass der Großkönig sich auf dem Weg nach Segontium befindet, wo er ein oder zwei Wochen lagern wird. Morgen wird dein Großvater zu ihm reiten. Und daher ist hier alles in heller Aufregung."

"So ist das also." Ich folgte ihm in die Scheune, wo er das Pony absattelte, während ich aus einem Haufen einen Strohwisch zog, damit er das Tier abreiben konnte. "König Vortigern in Segontium? Wozu?"

"Um Köpfe zu zählen, heißt es." Er lachte heiser auf und begann das Pony mit Stroh zu bearbeiten.

"Dann spricht man also von Krieg?"

"Von Krieg spricht man, seit Mordred in der Bretagne sitzt. Die Jahre kann man an dir abzählen, Myrlin-bach. Mordred soll jetzt auch noch Truppen von der Kaiserin in Byzanz im Rücken haben. Abertausende Krieger aus Ostrom heißt es... Es gibt Dinge, über dir man besser nicht spricht."

Ich nickte. Auch wenn niemals laut davon gesprochen wurde, wusste doch jeder, wie der Hohe König auf den Thron gelangt war: Während König Arthus mit seinem Sohn Mordred Krieg führte und die Tafelrunde immer machtloser wurde, sammelte Vortigern Gefährten, allen voran die barbarischen Sachsen, um sich und griff schließlich in den Krieg ein. Zwar vertrugen sich Vater und Sohn wieder, um den verräterischen Vortigern in seine Schranken zu weisen, doch dieser tötete Arthus, und Mordred und der klägliche Rest treuer Ritter mussten fliehen. Seit dem flammte Jahr für Jahr erneut das Gerücht auf, er und seine Gefährten säßen in Benwick, und der edle Lancelot, der einst der treueste und tapferste Ritter Arthus' war, bewaffne sie; dass Mordred nach Athen gegangen sei; dass er Mietling des Ostkaisers sei oder sein Freund Percival den Gral gefunden habe; dass er mit einer viertausend Mann starken Streitmacht die britische Insel erobern und brandschatzen würde, oder dass er friedlich wie ein Erzengel käme, um die Angelsachsen ohne einen Schwertstreich von den Ostküsten zu vertreiben.

Doch über fünf Jahre waren nun inzwischen vergangen und nichts war geschehen. Alles Gerede vom Kommen des neuen Pendragon glich jetzt eher einer Legende - so, wie man etwa vom zweiten Erscheinen Jesu Christi sprach, obschon meine Mutter, als mich diesen Vergleich wiedergab, vor Zorn außer sich geriet.

"Oh ja", sagte ich, "Mordred kommt wohl wieder einmal, nicht wahr? Aber im Ernst, Cynric: Was will der Großkönig in Nordwales."

"Das habe ich doch gesagt. Um vor dem Frühjahr seine Verbündeten zusammen zu trommeln, er und seine angelsächsische Königin", sagte Cynric und spuckte aus.

"Warum tust du das? Du bist doch selbst ein Angelsachse."

"Das ist lange her. Jetzt lebe ich hier. Schließlich war es doch dieses flachsköpfige Luder, dass Vortigern zu seinem Verrat angestiftet hat. Aber wie dem auch sei. Du weißt do gut wie ich, dass die Nordmänner wie die Heidefeuer über das Land schwärmen, seit sie im Bett des Hohen Königs liegt. Wenn sie so ist, wie man sagt, dann wird keiner seiner erstgeborenen Söhne lange genug am Leben bleiben, um nach ihm den Thron zu besteigen." Leise sprechend warf er bei seinen letzten Worten einen verstohlenen Blick über die Schulter. Dann spuckte er wieder aus und machte das Zeichen. "Nun, all dies weißt du ja - oder solltest du wissen. Aber wenn man natürlich seine ganze Zeit in den Wäldern oder bei den Geistern der Hohen Hügel verbringt..."

"In den Hohen Hügeln?"

"Ja, so sagt man allgemein. Aber mich interessiert das nicht. Nur eines lass dir gesagt sein, du wildes Kind: jeder Vater würde die das ausprügeln - sogar ich." Er lachte. "Herum mit dir!", befahl er dem Pony und begann, es auf der anderen Seite mit Stroh trocken zu reiben, "Es heißt, dass die Angelsachsen wieder im Norden von Rutupiae gelandet sind, und diesmal sind ihre Forderungen selbst für Vortigern zu hoch. Im kommenden Frühjahr wird ihm nichts übrig bleiben, als zu kämpfen."

"Und mein Großvater an seiner Seite?"

"Darauf hofft er natürlich. Lauf jetzt, wenn du noch etwas zu essen möchtest. Niemand wird dich bemerken. Als ich vor einer Stunde was wollte, war in der Küche der Teufel los."

"Wo ist mein Großvater?"

"Keine Ahnung", er blickte mich schräg über den Pferderumpf hinweg an, "Warum möchtest du das denn wissen?"

"Weil ich mir ihm ziehen will."

"Hah!", machte er und warf dem Pony ein paar Häcksel hin. Es klang nicht gerade ermutigend.

"Was ist denn dabei, wenn ich mit nach Segontium möchte?"

"Gar nichts, möchte ja selber mal gerne dort hin. Aber wenn du mit dem Gedanken spielst, den König darum zu bitten, dass er dich...", er brach ab und fuhr dann fort: "Natürlich ist es langsam an der Zeit, dass du aus den Wänden hier hervorkriechst und dich ein wenig im Lande umschaust. Und vor allem, dass du das nicht ganz alleine machst und andauernd ausreißt. Bloß wie? Da liegt der Hase im Pfeffer. Den König würde ich an deiner Stelle lieber nicht fragen."

"Warum denn nicht? Er kann ja nicht mehr tun, als es mir abschlagen."

"Beim Jupiter, was für ein kleiner Grünschnabel. Nicht mehr tun...? Wenn ich dir einen Rat geben darf, dann lass die Finger davon. Und versuch's auch nicht bei Calmach. Zwischen ihm und seiner Frau hat's gerade gekracht - das ist mit ihm nicht gut Kirschen essen. Außerdem meinst du das ja auch nicht im Ernst."

"Ich werde nur Antworten finden, wenn ich am richtigen Ort suche."

"Schon recht. Aber manchmal sollte man sich überlegen, ob man diese Antworten auch wirklich will. Möchtest du ein christliches Begräbnis?"

"Mal sehen... ich bin noch nicht getauft, ich kann's mir noch aussuchen."

Er lachte. "Du scheinst ja zu allem entschlossen. Na gut. Aber stärk dich erst, bevor du zum König gehst."

"Das will ich tun", sagte ich und ging, um etwas zu essen aufzutreiben. Später schlüpfte ich in meine beste Tunika und machte mich auf die Suche nach meinem Großvater...
 

Ich fand ihn in seinem Schlafgemach, wohlig auf seinem Stuhl ausgestreckt, vor einem prasselnden Holzfeuer, seine beiden Jagdhunde lagen zu seinen Füßen. Zu meiner Erleichterung war Calmach nicht bei ihm. Aber auf einem zweiten Stuhl sah ich eine Frau, Olwen, wie ich zuerst glaubte. Doch dann sah ich, dass es meiner Mutter war. Überrascht lächelte sie mich an. Einer der Wolfshunde pochte mit dem Schwanz auf den Boden, der andere öffnete glotzend ein Auge und schloss es wieder. Mein Großvater musterte mich mit zusammengezogenen Brauen, sagte jedoch freundlich: "Komm doch schon herein. Es zieht ja erbärmlich. Mach die Tür zu."

Ich gehorchte und trat näher ans Feuer. "Darf ich Euch sprechen, Sir?"

"Nun, was möchtest du denn? Hol dir einen Schemel und setz' dich." Ich rückte den Schemel, der bei meiner Mutter stand zwischen die beiden Stühle und nahm Platz.

"Nun, ich habe lange nichts mehr von dir gesehen. (Er meinte damit, ich hatte mir lange keine Dummheiten mehr erlaubt) Studierst du immer noch fleißig?"

"Ja, Sir." Und da es heißt, dass Angriff die beste Verteidigung ist, kam ich ohne Umschweife zur Sache: "Ich ritt heute Nachmittag aus, und..."

"Wohin?"

"Den Fluss entlang, ohne besonderes Ziel, nur um mich im Sattel zu üben."

"Was ja auch nichts schaden kann."

"Ja, Sir. Aber dadurch habe ich erst später erfahren, dass ein Bote hier war. Es heißt, dass Ihr Maridunum morgen wieder verlasst, Sir?"

"Weshalb fragst du?"

"Weil ich mit Euch reiten möchte."

"Ja, höre ich recht? Warum denn auf einmal?"

Ein wahrer Wirbel von Antworten schoss mir durch den Kopf, aber welche war die richtige? Aus dem Augenwinkel gewahrte ich, dass meine Mutter mich mitleidig beobachtete. Mein Großvater wirkte gleichermaßen ungehalten, wie belustigt. Ich entschloss mich, die Wahrheit zu sagen: "Weil ich noch nie von Maridunum weg war und gerne mehr von Britannien sehen möchte."

"Weißt du denn auch, dass es nach Segontium geht? Das ist kein fröhliches Jagdtreiben, sondern ein langer und harter Ritt, bei dem schlechte Reiter nichts zu suchen haben."

Nur mit Mühe hielt ich dem durchdringenden Funkeln seiner Augen stand. "Ich habe viel geübt Sir. Und ich habe jetzt auch ein besseres Pony."

"Ja, Dinias' abgelegter Schinder. Ha! Das zeigt doch, wie du einzuschätzen bist. Nein, ich nehme keine Kinder mit!"

"Dann bleiben also auch Dinias und Briga hier?" Meine Mutter schien zusammen zu zucken. Der Kopf meines Großvaters fuhr zu mir herüber, seine Faust ballte sich um die Armlehne des Sessels doch er schlug nicht zu. "Dinias kann ich dort gebrauchen."

"Und Briga? Darf sie Euch begleiten?"

Atemlos begann meine Mutter auf mich einzureden, doch eine Handbewegung meines Großvaters brachte sie zum Schweigen. Er musterte mich mit wachem, aufmerksamem Blick. "Briga ist mir als Braut von großem Nutzen, und der Gemahl auch, den ich für sie dort finden werde. Und du?"

Ich sah ihn an. Einen Trumpf hatte ich noch und den musste ich nun ausspielen.

"Bis jetzt war ich Euch wohl nie sehr nützlich, Sir", begann ich langsam, "Aber hat man Euch nicht gesagt, dass ich Angelsächsisch genau so spreche wie Walisisch, und dass ich Griechisch lesen kann und dass mein Latein besser ist, als das Eure?"

"Myrlin...", hob meine Mutter an, doch ich achtete nicht auf sie. "Ich hätte auch noch Bretonisch und Cornisch hinzufügen können, doch dafür werdet Ihr in Segontium wohl kaum Verwendung haben."

"Nun", sagte mein Großvater sarkastisch, "dann nenne mir doch einmal einen Grund, warum ich mich mit König Vortigern in einer anderen Sprache als Walisisch unterhalten soll? Schließlich kommt er doch aus Guent."

Aber der Klang seiner Stimme verriet mir, dass ich gewonnen hatte. Ich senkte den Blick vor den erbarmungslosen blauen Augen und fühle mich wie nach einer siegreichen Schlacht. Dann holte ich tief Luft und sagte sehr ergeben, sehr bescheiden: "Ich wüsste keinen, Sir." Er lachte schallend auf und stieß mit dem Fuß spielerisch gegen einen der beiden Jagdhunde zu seinen Füßen.

"Nun, vielleicht rollt trotz deines Aussehen noch etwas von unserem Blut in deinen Adern. Immerhin hast du den Mut, dem alten Löwen sogar in seiner Höhle die Stirn zu bieten. Also gut, du darfst mitkommen. Wer ist dein Knecht?"

"Cynric."

"Der Angelsachse? Befiehl ihm, alles zum Abritt vorzubereiten. Wir brechen beim ersten Morgengrauen aus. Nun, worauf wartest du noch?"

"Ich möchte meiner Mutter nur gute Nacht sagen." Rasch erhob ich mich von meinem Schemel und trat zu ihr. Als ich sie küsste, schaute sie überrascht auf. Es geschah selten genug.

Hinter mir sagte mein Großvater schroff: "Du ziehst nicht in den Krieg. In drei Wochen bist du wieder zurück. Und nun mach, dass du fort kommst."

"Ja, Sir, Vielen Dank. Und gute Nacht."

Draußen stand ich, gegen die Wand gelehnt, fast eine volle Minute, wahrend mein wild hämmerndes Herz sich allmählich beruhigte und der Knoten von Übelkeit nach und nach aus meiner Kehle wich. Ich werde nur Antworten finden, wenn ich am richtigen Ort suche... und dazu gehören Mut und Verstand. Ich schluckte hart, wischte mir den Schweiß von den Händen und lief davon, um Cynric zu suchen.
 

Und so verließ ich Maridunum zum ersten Mal. Ein einzigartiges Abenteuer, wie mir damals schien: Inmitten der Schar, die Calmach und dem König folgte hinauszureiten in frostiger Frühe, während die Sterne noch am Himmel blinkten. Ein eigentümlich schweigsamer Zug von Männern und Frauen, die noch halb im Schlaf schienen, während in eisiger Luft der Atem vor ihrem Munde wölkte und die Hufe der Pferde auf den steinigen Straßen Funken schlugen. Kalt klang selbst das Klirren des Zaumzeugs, und ich war so durchgefroren, dass ich kaum die Zügel in meinen Händen fühlte. Erregt tänzelte mein Pony, und ich glaubte, das einzige, was mich im Sattel hielt, war die Angst, in Schmach und Schande zurückgeschickt zu werden.

Mein Großvater hatte offensichtlich keine Verwendung für mich, und so blieb ich wieder einmal mir selbst überlassen, inmitten der großen Schar von Kindern und Bediensteten. Einzelgänger, der ich war, hatte ich unter Gleichaltrigen keine Freunde. Gelegentlich mischte ich mich unter die Menge, welche die beiden Könige umdrängte. Später sollte ich dankbar dafür sein, dass sich weder Calmach noch mein Großvater an meine Existenz erinnerten und ich Vortigern somit nie vorgestellt wurde.

Segontium, von den Walisern Caer-yn-ar-Von genannt, weil es gegenüber der Meerenge von Mona, der Druideninsel, liegt, erstreckt sich ähnlich wie Maridunum um die Mündung eines Flusses, des Seint Rivers. Eine halbe Meile entfernt lag eine alte Römerfestung, die Vortigern wieder instand gesetzt hatte.

Unterhalb dieser Festung befand sich eine zweite Wehr. Diese hatte, soweit ich weiß, Macsen, der Großvater des Ermordeten Constantinus erbaut. Jenem Constantinus war damals ein sächsischer Wolf namens Uriens auf den Thron gefolgt, nachdem er den rechtmäßigen Erben, Constantinus' Bruder Ambrosius, vertrieben hatte. Jedoch hatten die wilden irischen Stämme aus Eriu Britannien danach so schlimm heimgesucht, dass Vortigern der Sachse und Ambrosius Aurelius sich damals verbündeten. Ambrosius überlebte Vortigern und behauptet sich gegen dessen Söhne und bestieg letztlich den Thron des Großkönigs von Britannien. Als er starb wurde der Feldherr der Stämme, der Pendragon, Ambrosius' Neffe, Uther zum Großkönig. Was danach geschah, die Geburt des großen König Arthus von Camelot und die Geschichte der Ritter der Tafelrunde wurde Legende. Doch die Legende endete mit der Schlacht bei Salsbury, als Arthus ermordet wurde. Und schließlich gewann Vortigern mit dem Blutbad bei Ynis Witrin den Herrscherthron.

Die Landschaft war in Segontium großartiger als in Südwales, doch in meinen Augen wirkte sie eher abstoßend denn schön. Möglich, dass sie sich im Sommer in sanftes Grün kleidete, doch als ich sie in jenem Winter zum ersten Mal sah, stiegen hinter der Stadt die Hügel wie Sturmwolken hervor mit schieferblauen, schneebedeckten Kämmen und grau gesäumten Rändern aus kahlem und winddurchtostem Gehölz. Und hinter ihnen und über sie hinweg ragte der riesige umwölkte Gipfel des Moel-y Wyddfa, den die Angelsachsen jetzt den Schneeberg nennen, die höchste Erhebung ganz Britanniens und die Heimstatt der Götter. Vortigern residierte in Macsens Turm, während sein Heer (und in jenen Tagen hatte er stets um die tausend Krieger bei sich) oben in der Festung untergebracht waren. Die edlen meines Großvaters befanden sich beim König im Turm. Der Tross, zu dem ich gehörte, fand ein gutes, wenn auch etwas kaltes Quartier beim Westtor der Festung. Über mangelnde Rücksichtnahme konnten wir uns nicht beklagen. Vortigern, mit meinem Großvater entfernt verwandt, schien tatsächlich darauf aus ,Verbündete zusammenzutrommeln'.

Er war ein großer Mann mit breitem, fleischigem Gesicht und dichtem, borstigem Schwarzhaar, in dem sich erste graue Strähnen zeigten. Und schwarze Härchen wuchsen ihm auch auf den Händen und aus den Nasenlöchern. Seine Königin hatte er wohlweißlich nicht bei sich - aus wohlerwogenen Gründen, wie Cynric meinte, Angelsachsen seien hier nicht willkommen.

Die Tage verliefen recht gleichförmig. Meistens jagten die Könige mit ihrem Gefolge bis zum Sonnenuntergang und kehrten dann zu zur Festung zurück. Nichts geschah, ich hörte nichts, was mir in irgendeiner Form auch nur das geringste gebracht hätte. Später begannen die Könige und ihre Ratgeber dann ihre Unterredung, während die Trosse sich mit Würfelspiel die Zeit vertrieben. Dann kam der Tag, an dem wir wieder zur Heimkehr rüsteten, und der Hohe König begleitete uns ein Stück des Weges mit einer hundertköpfigen Schar.

Als die Sonne ihren Gipfelpunkt erreicht hatte, kamen wir zu der Stelle, wo der Großkönig von uns scheiden sollte. Hier trafen sich zwei Flüsse und die Schlucht öffnete sich zu einem weiten Tal, das von hohen, schneeüberkrusteten Felswänden flankiert wurde. Der große Fluss schleppte hochgeschwollene, braune Fluten von geschmolzenem Schnee in Richtung Süden. Dort, wo die beiden Wasserläufe sich vereinigten liegt eine Furt und auf der anderen Seite führt eine gute Straße nach Tomen- y- Mur.

Nördlich von dieser Furt hielten wir und unsere Anführer strebten auf eine geschützte Mulde zu, die von drei Seiten von dich bewaldeten Hängen umschlossen war. Hier blieben wir um zu essen und zu rasten. Die Könige, ihre Edlen nicht weit von sich, saßen ein Stück abseits. Und so überließ ich es Cynric, ein Auge auf Raven zu haben und kletterte ich zwischen den Bäumen, außer Sichtweite der anderen, zu einer Senke, wo ich ganz allein für mich sitzen konnte. Einen sonnenwarmen Felsbrocken im Rücken, hörte ich von der anderen Seite her gedämpfte Männerstimmen und gelegentliches Lachen, das klirrende Geschirr der grasenden Pferde, das rhythmische Schweigen und Murmeln der Krieger, die sich mit Würfelspielen die Zeit vertrieben, während ihre Könige voneinander Abschied nahmen. Über mir kreiste ein Falke durch die kalte Luft, und bronzefarben schimmerte die Sonne von seinen Schwingen wider.

Ich dachte an Galapas und das Funkeln seines bronzenen Spiegels. Und abermals tauchte die Frage in mir auf: Warum hatte er darauf bestanden, dass ich mit meinem Großvater nach Segontium zog?

Plötzlich hörte ich dicht hinter mit Vortigerns Stimme: "Hier entlang. Und sagt mir doch, was Ihr denkt."

Verdutzt fuhr ich herum und sah nur den Fels und begriff, dass Vortigern und der Mann, mit dem er sprach, sich auf der anderen Seite befanden.

"Fünf Meilen, heißt es, in jede Richtung..." Die Stimme des Hohen Königs klang jetzt leiser. Er schien sich zu entfernen. Ich hörte Schritte auf vereistem Untergrund: raschelndes Laub und das Knirschen benagelter Stiefel auf Stein. Rasch erhob ich mich und spähte vorsichtig über den Fels. Ins Gespräch vertieft schritten Vortigern und mein Großvater langsam durch den Wald davon. Unwillkürlich zögerte ich. Was konnten sie einander noch Wichtiges zu sagen haben, nachdem in der Abgeschlossenheit von Macsens Turm zu vertraulicher Aussprache ausgiebig Gelegenheit gewesen war? Dass Galapas mich geschickt hatte, um die beiden jetzt zu belauschen, konnte ich mir nicht recht vorstellen. Warum aber sonst? Oder hatte mich etwas ganz anderes hier her geschickt?

Widerstrebend entschloss ich mich, ihnen zu folgen. Doch schon beim ersten Schritt packte mich eine harte Hand. "Wo, zum Teufel, willst du hin?", zischte Cynric zu mir. Ich schüttelte ihn von mir ab.

"Verdammt Cynric, du hast mich zu Tode erschreckt. Was geht es dich an, wo ich hinwill?"

"Ich habe auf dich auszupassen."

"Niemand hat mehr auf mich aufzupassen. Oder hat dir jemand den Auftrag dazu gegeben?", ich sah ihn scharf an, "Bist du mir schon früher gefolgt?"

Er lächelte."Die Mühe hab ich mir nie gemacht. Oder hätt' ich's etwa tun sollen?"

Ich ließ nicht nach. "Hat dir jemand den Auftrag gegeben, mich heute zu beobachten?"

"Nein. Aber hast du nicht gesehen, wer hier gerade entlang gegangen ist? Vortigern und dein Großvater! Und falls du dich Absicht haben solltest, ihnen ein wenig nachzuspionieren, so überleg dir das lieber noch einmal."

"Ich will ihnen doch nicht nachspionieren", log ich, "Ich möchte mich hier nur ein bisschen umsehen."

"Tu das lieber woanders. Sie haben ausdrücklich angeordnet, dass das Gefolge unten wartet. Und das wollte ich dir sagen, weiter nichts. Offenbar liegt ihnen viel daran, miteinander unter vier Augen zu sprechen."

Ich setzte mich wieder. "Also gut, du hast mir's gesagt. Und jetzt geh bitte. Wenn's Zeit zum Aufbruch wird, kannst du mich ja rufen."

"Ich soll gehen? Damit du ihnen nachschleichen kannst, sobald ich dir den Rücken zudrehe?"

Ich fühlte, wie mir das Blut in die Wangen stieg. "Hast du nicht gehört, Cynric? Du sollst mich allein lassen!"

Er sagte trotzig: "Ich kenne dich doch, Myrlin-bach. Wenn du so dreinschaust wie jetzt, dann liegt irgendetwas in der Luft. Bloß nichts Gutes. Und schon gar nicht für dich. Was hast du vor?"

"Gehorche!", sagte ich wütend.

"Kehr nicht die Königsenkelin gegen mich heraus, Myrlin-bach. Ich will dich nur vor einer Tracht Prügel bewahren. Sonst nichts."

"Ich weiß, Cynric. Tut mir leid - mir ging da etwas durch den Kopf." Genau in diesem Moment schoss ein Vogel - eine Taube - dicht an meinem Kopf vorbei, gefolgt von einem Falken Die Taube flog über das dichte Gestrüpp, der Raubvogel ihr nach. Plötzlich schlug die Taube einen Haken, schwebte nur eine Handbreit über dem scharfen Gestrüpp, doch der Falke stürzte sich auf sie und stürzte mit seiner Beute zu Boden.

"Komm, Cynric!", rief ich und lief den Vögeln nach. Cynrics Widersprüche verstand ich nicht, da ich sofort losrannte und so blieb ihm nichts anderes übrig, als mir zu folgen. Barfuss sprang ich über den Waldboden, schnitt mir die Fußsohlen an Dornen und spitzen Steinen auf, doch kümmerte mich nicht darum. Ich war es gewöhnt und das Auftauchen des Falken hatte mein Gemüt so sehr erregt, dass ich es gar nicht wahrnahm.

Den Falken und die Taube lagen dicht neben einer Felswand, die Ringeltaube in einer Blutlache, der Falke unbeweglich daneben, doch noch lebendig. Cynric ging auf die Tiere zu, während ich die Felswand mit den Augen absuchte. Da lag er, von dichtem Gestrüpp verborgen und kaum mehr erkennbar: der Eingang in die Höhle!

"Du kannst die Vögel hier lassen, Cynric. Sie liegen auch später noch hier. Mach jetzt bitte eine Fackel und komm' mir dann nach."

"Ich hoffe, du weißt, was du tust, Myrlin-bach."

Vorsichtig kletterte ich in die kleine Mulde und schlug mit Hilfe meines Dolches einen Weg durch das Gestrüpp vor dem Eingang.

Die Höhle selbst war kleiner, als ich gedacht hatte. Ein schmaler Gang nur, aber er schien in einem größeren Hohlraum zu münden. In der Dunkelheit erkannte ich nicht mehr, mit meinen nackten Füßen merkte ich, dass der Boden nicht nur feucht, sondern auch schlammig und schmierig war. Cynric folgte mir, mit einer Behelfsfackel aus altem Tuch und Waldgeäst. Ich war für mein Alter inzwischen gewachsen, konnte aber noch in dem niedrigen Gang aufrecht gehen, Cynric war nicht wesentlich größer, musste sich aber schon leicht bücken. Wir liefen schweigend weiter in die Höhle hinein, der Boden wurde feuchter und ich musste darauf achten, nicht auszurutschen. Bald schon wurde der Gang höher und breiter und schon nach einer Weile war es ein wahrer Tunnel, durch den wir schritten. Schweigend gingen wir voran, doch nach ein paar Metern im Inneren wurde unser Weg von einem Haufen Geröll und Steine blockiert.

"Hier kommen wir nicht weiter!" Cynric hielt seine Fackel höher.

"Lässt du dich davon etwa aufhalten?"

"Wenn der Schacht einstürzt..."

"Er ist all die Jahre nicht eingestürzt... Wieso dann jetzt? Wenn du gehen willst, dann geh Cynric, ich werde dich nicht zwingen, hier zu bleiben. Aber lass mir die Fackel da!"

"Nein, Myrlin-bach", war alles, was er sagte und begann, ein paar Felsbrocken aus dem Weg zu schieben.

Ich kletterte über das Geroll, wobei ich mir an spitzen Kanten und Ecken die Füße aufschnitt, und was dahinter lag war mir nur allzu bekannt.

Sie war genau so, wie ich sie in Galapas' Spiegel gesehen hatte, die Höhle. Nur brannten jetzt keine Fackeln mehr an den Wänden, kein einziger Mann arbeitete mehr. Als Cynric mit der Fackel näher trat, erkannte ich auch den Quell. Die Wände waren feucht und anders als in meiner Vision hatte sich der kleine unterirdische See schon ausgebreitet. So stand ich eine Weile da, betrachtete wortlos diesen Ort. Es war für mich der Beweis, dass ich wirklich noch diesen anderen Blick hatte, doch was es bedeutete blieb mir verborgen.

Draußen lag immer noch die Taube, um sie herum ihr Blut. Der Merlinfalke saß ein Stück weiter im Geäst, bewegungslos und betäubt. Sein Gefieder hatte er aufgeplustert, um sich warumzuhalten.

"Pass auf, Myrlin-bach, der Falke ist schon ausgewachsen. Er wird dich mit seinen Krallen verletzten."

"Ja, Cynric." Ich schob den Ärmel meiner Tunika so gut es ging über meinen Handknöchel und setzte den Falken darauf. Er war nicht schwer verletzt, soviel konnte ich dort schon feststellen. Nur die Schwanzfedern waren etwas eingeknickt.

Dann sagte Cynric etwas, das er noch nie gesagt hatte: "Komm, Myrlin Llaw."
 

Der Falke machte bei der Heimreise keine Anstalten, davonzufliegen und auch in Maridunum fand er einen Platz auf dem Baum vor meinem Fenster, nachdem ich ihn gesund gepflegt hatte. Ich rief ihn Merlinus, schließlich war er ein Merlinfalke.

Im Palast herrschte nach der Rückkehr des Königs eine seltsame Stimmung: alle spekulierten und tuschelten darüber, was mein Großvater und Vortigern besprochen hatten, als sie alleine in den Wald hinaufgelaufen waren.

Ein offenes Geheimnis war allerdings Calmachs Streit mit meinem Großvater: nachdem der älteste Sohn von Vortigern gestorben war (wahrscheinlich hatte ihn seine sächsische Stiefmutter vergiftet, weil sie ihre eigenen Söhne auf den Thron setzen wollte), hatte sich sein zweitältester Sohn Vortimer gegen seinen Vater gestellt und rüstete nun zum Kampf, um die Sachsen endgültig zu bekämpfen, anstatt mit ihnen Geschäfte zu machen, wie es sein Vater tat, und dann selbst Großkönig zu werden.

Vortimer war natürlich um einiges jünger als Vortigern, und das und noch einiges andere schien Calmach nun davon zu überzeugen, sich mit unseren Soldaten auf Vortimers Seite zu schlagen.

Mein Großvater jedoch lehnte diese Idee strickt ab und bestand darauf, Vortigern den Rücken zu schützen - auch gegen Vortimer, wenn es sein musste.

Und genau darüber lagen die beiden nun im Zwist. Calmach wollte sich Vortimer anschließen, mein Großvater aber Vortigern treu bleiben.

Auch wenn es riskant war, versteckte ich mich oft in Nischen und Winkeln, während die beiden und ihre Berater sich besprachen und lauschte ihren Plänen und ihren Ideen. Mit fast schierer Verzweiflung saugte ich alles auf, was ich mir merken konnte, ständig mit der Angst, erwischt zu werden.

Aus irgendeinem Grund war mir bewusst, wie wichtig diese Entscheidung sein würde. Aber ich wusste dafür nicht, warum gerade für mich.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  paladin
2005-02-15T18:03:42+00:00 15.02.2005 19:03
Deine FF ist echt genial!
*sich überlegt,was sie noch sagen könnte*
Naja, weiß nicht, sie ist einfach komplett gut...
Von: abgemeldet
2004-09-08T06:11:24+00:00 08.09.2004 08:11
Hallihallo!

*reinhüpf*
Da bin ich! ^^ (aus deinem Lesezirkel)

Normalerweise schrecken mich ja so lange Kapitel immer ab...*hüstel*
Ich hab nicht so viel Zeit...Aber nun sind ja noch Ferien - es lebe das Studium!! *g* - und schon die ersten zwei Sätze...
Ich finde deinen Stil stark!!!!
Der satzbau, die Wortwahl...ganz toll!! *nick*
Hat auch sowas episches finde ich....^^ Und das liebe ich!! Genau wie Fantasy und diese spezielle Thematik!! *freu*

Was die Rechtschreibung angeht: Ich konnte keine Fehler entdecken!
Respekt!!
Ich hab immer Buchstabendreher oder fehlende Buchstaben, weil ich so schnell tippe.

Die Einleitung des Kapitel hat mir auch sehr gut gefallen. man rutschte so richtig schön in alles hinein.
Und es passierte ja schon so einiges, und das im ersten Kapitel!! Es war richtig interessant!
Ich bin schon gespannt, wie es weiter geht! *nick*

Was noch...hmm...die namen gefallen mir! ^.^
Auch die Dialoge klingen gut und vor allem natürlich...und wie schon gesagt, vor allem deine Art zu schreiben an sich..

Bis dann!

Pitri
Von:  Starlight
2004-08-30T21:22:19+00:00 30.08.2004 23:22
Ciao!!!

Ummm... erinnert mich an das erste Kapitel von Mary Stewarts Merlin-Trilogie, einem meiner Lieblingsbücher... aber ich lese erst einmal weiter!

Cya!!!

Neli
Von: abgemeldet
2004-07-19T17:10:30+00:00 19.07.2004 19:10
huhu
*staun ich bin die 1.*
also ih find deine Ff super bitte schreibe schnell weiter

cu anne


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