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Geheimnisse

Aramis/Athos
von

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Le Mans

Vorwort: So, ich glaube, das wird jetzt zur Gewohnheit, dass ich meinen lieben Lesern, die hoffentlich noch immer Interesse an dieser Story haben und mir dieses auch in einem Kommi mitteilen, ein kurzes Vorwort hinterlasse. Ihr müsst net viel schreiben, aber lasst mich wissen, was ihr denkt! Ich bin für Vorschläge immer offen!

Den ersten Teil der Story bis zu den ersten Sternchen hab ich am 7. April in einer günstigen Phase innerhalb einer guten Stunden zu Papier gebracht. Manchmal fällt das Schreiben einem eben leichter. ^-^ Auch wenn ich erst um 22.00 Uhr mit dem ersten Teil fertig wurde.

Und jetzt zum eigentlichen Thema dieses Vorwortes: Ich würde in der Chara-Beschreibung gerne ein paar Illustrationen dieser Story hochladen, hab aber kein Zeichentalent und bin auf der Suche nach jemandem, der die Story in ein paar Bildern wiedergeben kann. Ein Bild für jedes Kapitel würde ja schon reichen. ^-^ Interesse? Schickt mir einfach ne ENS!
 

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Obwohl die Gaststube ein wenig verraucht und düster war, erschien es den Musketieren samt Phillippe dennoch als ein annehmbarer Handel, das Regenwetter gegen diese, wenn auch leicht heruntergekommene, Herberge einzutauschen.
 

Aramis Wangen glühten noch immer, fühlte sie sich doch plötzlich in eine Zeit zurück versetzt, die sie so lange Zeit über hatte vergessen wollen. Urplötzlich war sie wieder die junge Frau, der man Komplimente machte und den Blick scheu senkte. Doch der Augenblick ging vorüber und als sie sich an einem der Tische niederließen, während D'Artagnan über den Preis der Zimmer für eine Nacht verhandelte, war sie schon wieder sie selbst.
 

Stirnrunzelnd musterte sie die verschrammte Tischplatte. Das Holz war alt, fleckig von vergossenem Rotwein und wurmstichig, aber was kümmerte das die frierenden Reisenden, die für den warmen Eintopf dankbar waren, den die freundliche, rundliche Wirtin ihnen servierte. Mochte die Einrichtung auch nicht sehr einladende wirken - das Essen zumindest war gut und deftig, das Brot frisch.
 

An den anderen Tischen wurde laut gelacht, man spielte Karten und auch die neuesten Gerüchte wurden verbreitet - und wie Aramis nicht zu Unrecht vermutete, entsprangen wohl einige dieser Gerüchte nicht zuletzt den wabernden Vorstellungen der angetrunkenen Männer. An einem Tisch in der Nähe waren einige Männer in einen Streit über den Betrug bei ihrem Kartenspiel ausgebrochen und Aramis spürte, wie es ihr in den Fingern juckte.
 

Sie hätte diese halbbetrunkenen Männer an diesem Abend allesamt ausnehmen können; aber an diesem Abend würde ihr dieser Spaß kaum gegönnt sein. Hatte sie doch als Frau jegliches Recht verloren, an dem ausgelassenen Kartenspiel zwischen Männern teilzunehmen. Seufzend rollte sie die Augen und starrte ein wenig wohlgestimmter auf das Glas, das die Wirtin jetzt vor ihr auf den Tisch gestellt hatte.
 

Der Farbe nach zu urteilen, auch wenn sie in dem Dämmerlicht schlecht zu erkennen war, handelte es sich um Rotwein. Ihr Verdacht erhärtete sich, als sie vorsichtig an dem Getränk roch und schließlich nippte sie sogar vorsichtig daran. Überrascht starrte sie das Glas an; zu ihrem Erstaunen war auch der Wein mehr als genießbar, wenn auch nicht ganz so gut wie die milden Rotweine, die man in Paris erstehen konnte. Vorausgesetzt natürlich, man besaß genügend Geld, um diese auch zu bezahlen.
 

"Wer hat das eigentlich bestellt?", fragte sie plötzlich, als ihr bewusst wurde, dass SIE nicht nach diesem Getränk verlangt hatte. Aramis warf einen kritischen Blick in die Runde, bis schließlich Athos resignierend die Hand hob und sich schuldig bekannte.
 

"Wenn es dir nicht schmeckt..." Er hatte die Hand schon halb nach dem Glas ausgestreckt, als sie es vor ihm in Sicherheit brachte und entrüstet schnaubte.
 

"Finger weg!" Misstrauisch beäugte sie ihn über die Tischplatte hinweg, als rechnete sie damit, er würde erneut versuchen, den Alkohol an sich zu nehmen.
 

Er lachte herzhaft auf, als er den Schmollmund sah, den sie zog und verschluckte sich beinahe an seinem eigenen Getränk. "Du müsstest dich genau in diesem Augenblick sehen!"
 

Und wieder entstand auf ihrer Stirn eine schmale Falte, die von unterdrücktem Zorn herrührte. "Treib es nicht auf die Spitze, Athos. Ich laufe seid heute Morgen in diesen dämlichen Schuhen herum, von denen die Männer glauben, sie wären ein schönes Geschenk für jede Frau und meine Füße bringen mich um!" Sie schnaubte verärgert und sah sich missmutig in dem Raum um, sodass sie Athos Antwort beinahe überhört hätte. Sie klang irgendwie genuschelt, leicht gedämpft...
 

"Ja, schöne Schuhe."
 

Überrascht blickte sie auf und wunderte sich, da Athos Platz ihr gegenüber scheinbar plötzlich vollkommen leer zu sein schien. Sie blinzelte. Einmal. Zweimal. Sah dann auf das noch immer halbvolle Glas Wein vor sich auf dem Tisch und fragte sich, ob sie denn vollkommen übergeschnappt sei, als ihr plötzlich etwas klar wurde.
 

Aufs Geratwohl streckte sie eines ihrer Beine in einer ruckartigen Bewegung und traf ins Schwarze. Wie ein kleines Kind hätte sie jubeln können, reduzierte ihre Siegesbekundung allerdings auf ein unterdrücktes Kichern.
 

Und auf der anderen Seite des Tisches tauchte auch ein etwas mitgenommen aussehender Athos wieder aus der Versenkung auf, eine Hand auf die blutende Nase gepresst.
 

"Womit hab isch denn dasch verdient?", grummelte er. "Isch hab nur die Schuhe mal schehen wollen, die scho schlimm schein schollen."
 

"Du hättest nur fragen müssen.", erwiderte Aramis gelassen, griff unter den Tisch und zog einen der bestickten Schuhe hervor, die ihr das Leben schwer machten. Sie musste schon ein absonderliches Bild abgeben, für jemanden, der genauer hinsah. Unter dem ausladenden Saum ihres Kleides lugten nicht etwa die bestickten Prachtwerke hervor, sondern ihre bloßen Füße. Selbst die feinen Söckchen hatte sie abgestreift.
 

"Keine Frau von Adel würde ausch nur daran denken, in Gegenwart anderer ihrer Schuhe auschzuziehen.", kommentierte Athos noch ein wenig gereizt, während er nach einem Taschentuch kramte.
 

"Das geschieht dir ganz recht.", gab sie unbeteiligt zurück und ließ ihren Schuh quer über den Tisch auf ihn zuschlittern.
 

"Bitte? Was soll ich den mit dem Schuh?"
 

"Da du doch so versessen darauf warst, ihn zu sehen, kannst du ihn gerne behalten. Ich brauche ihn nicht und wenn ich morgen nicht die weichen Lederstiefel meiner Uniform tragen darf, dann werde ich eben überhaupt keine Schuhe tragen, bevor ich zulasse, dass diese Folterinstrumente meine Füße vollends verstümmeln."
 

"So schlimm kann es doch nicht sein.", warf Athos noch ein, der nicht einmal bemerkte, wie die anderen die Unterhaltung zwischen ihm und Aramis belustigt beobachteten.
 

"Ja, so schlimm kann es doch nicht sein.", mischte sich jetzt auch Porthos ein und grinste, was ihm jedoch einen zornigen Blick von Aramis einbrachte. Er liebte es einfach, sie zu reizen und einen Wutausbruch zu verursachen.
 

"Dann probier den Schuh doch mal selbst an, Athos. Mal sehen, wie lange du auf solchen Absätzen marschieren kannst." Sie lächelte bittersüß, wohl wissend, dass er sich in der Gaststube voller Männer nicht die Blöße geben würde, einen Damenschuh anzuprobieren.
 

"Ich geh jetzt auf mein Zimmer.", verkündigte Aramis plötzlich und erhob sich. Hoch erhobenen Hauptes marschierte sie auf die Treppe zu. Es sah schon komisch aus, wie sie auf bloßen Füßen durch den halben Raum marschierte, aber die meisten der Anwesenden waren ohnehin zu betrunken, um davon etwas zu bemerken.
 

Einzig Athos und Porthos zuckten leicht zusammen, als sie die Treppe halb erklommen hatte und zischend vor sich hin fluchte. Dem Wortlaut folgend hatte sie sich einen Splitter eingefangen.
 

"Die Kleine kann sich wohl in fast jeder Beziehung mit einem Mann messen.", kicherte Phillippe und warf Aramis einen bewundernden Blick nach, die ihren Weg fortsetzte.
 

"Wir sollten vielleicht auch versuchen zu schlafen.", meinte D'Artagnan, der ahnte, dass der nächste Tag wohl kaum weniger anstrengend sein würde als der ausklingende.
 

***
 

Fluchend ließ sich Aramis auf ihr Bett fallen, wobei die durchgelegene Matratze, die wie alle Teiler der Einrichtung schon weitaus bessere Tage gesehen hatte, sich selbst unter ihrem verhältnismäßig geringen Gewicht bog und eine feine Staubwolke aufstieg.
 

Aber sie hatte im Moment keine Zeit, sich um den Zustand ihres Quartiers für diese eine Nacht zu sorgen, denn ihr Fuß pochte und ein stechender Schmerz fuhr ihr durch Mark und Bein, als sie den Schaden begutachtete, den ein aus den Brettern ragender Nagel an ihrem rechten Fuß verursacht hatte. Dem Schmerz nach zu urteilen war es auch noch ein gut durchgerosteter, schmutziger Nagel gewesen und seufzend humpelte sie zu ihrer Kleidertruhe hinüber, die der Wirt überraschenderweise schon in ihrem Zimmer platziert hatte, ohne dass man ihn dazu hatte auffordern müssen.
 

Angespannt wühlte sie darin herum, nachdem sie das Schloss geöffnet und den massiven Deckel hochgestemmt hatte. Zwischen all den Kleidern, für die sie in dieser Situation keinen Blick übrig hatte, fand sie schließlich, was ihr in dieser Situation am nützlichsten erschien. Es war eine kleine Flasche und als sie den Korken zog, stieg ihr schon der scharfe Geruch des hochprozentigen Alkohols in die Nase.
 

Noch immer vor sich hin schimpfend machte sie sich auf den Weg zurück zu ihrem Bett, auch wenn ihr der Weg mit der zerbrechlichen Fracht einer Hand plötzlich doppelt so lang erschien. Mit einem unterdrückten Seufzer ließ sie sich erneut auf dem zumindest frisch bezogenen Bett nieder und starrte die kleine Flasche beinahe zweifelnd an.
 

Selbst der trinkfesteste unter den Männern dort unten in der Schankstube würde sich an diesem Alkohol nicht versuchen. Der stechende Geruch allein genügte, um von dem Genuss dieser Flüssigkeit abzuraten und Aramis runzelte die Stirn, als sie die Zähne zusammenbiss und mit einer geschickten Drehung ihres Handgelenks den gesamten Inhalt über ihren schmerzenden Fuß ausgoss.
 

Sie hatte erwartet, dass es brennen würde. Hatte mit dem Schmerz gerechnet. Hatte damit gerechnet, scharf den Atem durch zusammengebissene Zähne einziehen zu müssen. Aber sie hatte ganz bestimmt nicht mit dieser Art von Schmerz gerechnet. Die Wunde hatte schlimm ausgesehen - und sie war sich beinahe sicher, dass sie der Wirtin eine unwillkommene Blutspur von dem Treppenabsatz bis zu ihrem Zimmer hinterlassen hatte.
 

Ihr Blick verschleierte sich für wenige Sekunden und durch den Nebel hindurch hörte sie eine junge Frau erstickt aufschreien. Ihr selbst war nicht bewusst, dass sie selbst es war, die den Schmerzensschrei nicht hatte unterdrücken können, bis die Tür zu ihrem Zimmer aufgestoßen wurde und Athos in der Tür stand. Ein alarmierter Ausdruck lag auf seinen blassen Zügen, den Degen hielt er in der Hand.
 

"Was zum...", setzte er an, während Aramis in mehr als verwirrt anblinzelte. Ihre Augen wirkten glasig und als der Schmerz nachließ, legte sich ein abwesendes Lächeln auf ihr Gesicht, dass in dem flackernden Kerzenschein unnatürlich blass wirkte.
 

"Aramis! Was ist denn los?", bestürzt ließ er den Dolch zu Boden gleiten, schloss die Tür hinter sich und setzte sich neben sie auf das Bett, während er eine Hand vor ihrem Gesicht hin und her wandern ließ. Erneut blinzelte sie und dieses Mal schien sich ihr Blick zu klären, bis sie ihn verwirrt ansah.
 

"Was hat dich nur...", setzte er erneut an und bemerkte dann etwas, dass ihm bei dem gehörigen Schrecken, den sie ihm eingejagt hatte, entgangen war. Der scharfe Geruch des Alkohol hing noch immer in der Luft und er zog die Stirn kraus. "Bist du etwa betrunken?" Sein Blick wanderte zu der kleinen Flasche, die geleert auf dem Boden lag, nachdem sie Aramis aus der Hand geglitten war.
 

Sein Blick streifte ihren rechten Fuß, der von einer durchsichtigen Flüssigkeit bedeckt wurde, die sich mit einer roten Substanz vermischte. ,Blut...', schoss es ihm durch den Kopf und Aramis' Protest geflissentlich ignorierend, zog er ihren an sich und musterte die Wunde, aus der noch immer ein dünner Blutstrom sickerte.
 

Die Wunde war frisch und ihm dämmerte, dass sie sich, als sie wütend auf ihr Zimmer gestürmt war, wohl eine schlimmere Verletzung zugezogen hatte, als einen bloßen Splitter. Sie hatte die Wunde mit Alkohol gereinigt, um einer Entzündung vorzubeugen. Er schluckte. Die Wunde war zwar nicht großflächig, aber dafür tief.
 

Diese sture Frau trieb ihn noch in den Wahnsinn! Sie hätte nur ein Wort sagen müssen und er oder D'Artagnan hätten ihr bei der Versorgung der Wunde zu helfen, aber stur und bockig wie sie war, hatte sie das natürlich auch ganz alleine durchziehen müssen!
 

"Is' halb so wild.", nuschelte Aramis, noch immer benommen, nachdem der stechende, schneidende Schmerz zu einem dumpfen Pochen und Brennen abgeflaut war.
 

"Halb so wild?!", empörte sich Athos und starrte sie an, als wäre sie ein Gespenst. "Du hast geschrieen, als würde man dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen und du sagst, es sei halb so wild?!"
 

Stirnrunzelnd betrachtet er ihren Fuß, ließ den Blick dann zu ihrem Gesicht wandern und schließlich murmelte er vor sich hin, während er sich erhob und ihr über die Schulter noch zurief, dass er gleich zurück wäre.
 

Erleichtert ließ sie sich zurücksinken und sie wäre beinahe schon tief ins Traumland gesunken, als Athos zurückkehrte, ein Bündel Verbände über dem Arm. "Du bist aber auch unvernünftig. Man gießt doch keine ganze Flasche Alkohol über eine blutende Wunde... aber eine Entzündung müssen wir wahrscheinlich nicht mehr befürchten."
 

"Heb dir die Standpauke für morgen auf, dann macht's noch mehr Spaß.", murmelte sie, die Augen geschlossen.
 

Diese Verletzung wäre normalerweise nicht schwerwiegend, aber mit diesem Fuß würde sie in den nächsten Tagen zurechtkommen müssen, ohne sich schonen zu können. In Paris hätte sie Treville für einige Tage vom Dienst befreit und sie hätte widerwillig die Zeit verstreichen lassen, bis sie wieder ohne Schmerzen auftreten konnte. Ganz zu schweigen davon, dass sie einen richtigen Arzt die Wunde hätte reinigen lassen - damit hätte sie sich vermutlich einiges an Schmerz erspart, aber sie hatte eben keine andere Wahl gehabt.
 

Sie spürte, wie Athos erneut ihren Fuß begutachtete und dann straffe Verbände anlegte. Zum einen würden die straffen Lagen aus reinem Leinen die Blutung stillen, zum anderen das Auftreten am nächsten Morgen erträglicher machen.
 

Ihr war nicht bewusst gewesen, wie lange die Stille zwischen ihnen andauerte, als Athos erneut das Wort an sie richtete. Entgegen ihrer Erwartungen klangen seine Worte nicht mehr ganz so vorwurfsvoll. "Diese Reise scheint wirklich nicht unter einen glücklichen Stern zu stehen, was?"
 

"Was du nicht sagst?", kicherte sie zu ihrer eigenen Überraschung. Diese Reise hatte sie bisher von einer Misere in die nächste geführt und irgendwie gelang es ihr trotzdem, das Ganze mit Humor zu nehmen. Wäre es anders, hätte sie wahrscheinlich schon längst die Flinte ins Korn geworfen oder den Verstand verloren.
 

Verwundert zog er die Augenbrauen in die Höhe. "Was ist denn daran so lustig?"
 

"Ich weiß es eigentlich auch nicht!", stieß sie noch immer kichernd hervor und richtete sich auf, lehnte sich gegen die Wand hinter ihrem Bett und streckte die Beine aus. Ja, seit sie diesen Auftrag angenommen hatten, schien sie wahrlich vom Pech verfolgt zu sein. Erst zwang Treville sie, eine doppelte Maskerade zu spielen, indem sie die Frau mimen sollte, die sie in Wahrheit ja auch war, dann musste sie ihre Beweggründe und ihre wahre Identität auch noch vor ihren engsten Kameraden und Freunden darlegen und schließlich hatte sie sich dazu breitschlagen lassen, an einem Komplott gegen den französischen König mitzuschmieden.
 

Sie starrte beinahe abwesend vor sich hin, als würde sie irgendetwas sehen, dass den Augen anderer verschlossen blieb, während das Kichern erstarb und ein undefinierbarer Ausdruck über ihre noch immer blassen Gesichtszüge huschte. Zu lang, als dass es Athos Wahrnehmung hätte entgehen können, zu kurz, um bestimmt zu sagen, ob es Wehmut, Kummer oder bloße Verwirrung war, die sich für kurze Zeit so offen in den beinahe stetig verschlossenen Gesichtszügen präsentiert hatte.
 

Und nie hätte der stolze Musketier, der in diesem Moment nicht neben dem Musketier Aramis, sondern neben der jungen Frau Renée saß, auch nur im Traum daran gedacht, dass es der Schatten des Liebeskummers war, auf den er einen Blick hatte werfen können.
 

Nur für einige, wenige kostbare Sekunden erlaubte sie sich, diese Gefühle an die Oberfläche treten zu lassen, bevor sie jegliche Erinnerung an Renée verdrängte und wieder die Wände zu errichten begann, die sie vor Schmerz und Zurückweisung beschützen würden. Ein Lächeln, das ihre Augen nicht ganz erreichte, legte sich auf ihre Lippen und sie scheuchte Athos betont fröhlich aus dem Zimmer. "Jetzt lass mich endlich schlafen!", lachte sie und schloss die Tür hinter ihm, den verwirrten Blick, den er ihr dabei zuwarf, ignorierend.
 

***
 

Der nächste Morgen brachte eine freudigere Überraschung mit sich. Die schweren Regenwolken des vergangenen Abends hatten sich verzogen und strahlender Sonnenschein weckte Aramis, die ein wenig zu enthusiastisch die Beine aus dem Bett schwang und sofort aufstand. Eine Fehler, den sie besser vermieden hätte. Ihr Fuß machte sich erneut bemerkbar, auch wenn die straffen Verbände ihn für den Moment noch ruhig stellten.
 

Seufzend begann sie die weichen Lederstiefel ihrer Uniform aus der Truhe zu graben und streife beinahe wehmütig die Uniform, die unter den Kleidern aus den edelsten Stoffen für sie den größten Wert hatte. Der Degen lag ganz unten und ihre Finger berührten beinahe zärtlich das kühle Metall. Ja, sie konnte es kaum noch erwarten, endlich wieder in Paris zu sein und dort endlich sie selbst zu sein.
 

,Ich selbst?' Wer war sie eigentlich? Weder Aramis, noch Renée... Ein verwirrender Gedanke, mit dem sie sich für den Augenblick nicht länger beschäftigen wollte. Kopfschüttelnd stand sie auf, ein dunkelblaues Kleid über einem Arm, die Stiefel in der anderen Hand. Sollte Athos sich doch aufregen, wenn ihm der Sinn danach stand. Sie würde garantiert nicht versuchen, ihren ohnehin in Mitleidenschaft gezogenen Fuß in diese Schuhe, die sie eher als Folterinstrumente bezeichnen würde, zu zwängen.
 

***
 

Nach einem herzhaften Frühstück machten sie sich daran, die Reise möglichst rasch fortzusetzen. Auch wenn Aramis sich inzwischen damit abgefunden hatte, diese Reise nicht auf dem Rücken eines Pferdes fortsetzen zu können, so bedeutete das noch lange nicht, dass sie auch nur versuchte, ihren Unmut zu verbergen.
 

Mehr als einmal hatte Phillippe versucht, sie in eine Unterhaltung zu verwickeln, aber sie hatte immer nur verneinend und bejahend geantwortet und so hatte er seine fruchtlosen Bemühungen letztendlich eingestellt.
 

Dafür fiel es ihr umso schwerer, die Bemühungen von Porthos zu überhören, der sie immer und immer wieder bis aufs Blut reizte. Mal mit einer unflätigen Bemerkung, dann wieder mit einem Witz über das Gesicht, das "sie zog".
 

Nach einer Stunde gab sie es auf, sich auf seine Sticheleien einzulassen und zog es vor, den Rest der Fahrt in einem leichten Halbschlaf zu verbringen. Und auch wenn sie sich eher die Zunge abgebissen hätte, als es zuzugeben, sie war von Herzen erleichtert, als sie endlich in Le Mans eintrafen. Sie warf der Kutsche einen letzten, hasserfüllten Blick zu, bevor sie sich lächelnd in der Straße umsah, in der sie gehalten hatten.
 

"Was jetzt?", fragte sie und wartete nur auf eine Antwort. "Wir sind hier - was jetzt? Sag mir bitte, dass es von hier weiter nach Paris geht! Bitte!"
 

Athos warf ihr einen belustigten Blick zu. In diesem Moment sprang die Tatsache, dass sie tatsächlich eine Frau war, ihn förmlich an.
 

"Wir sollen hier für einige Zeit bleiben und auf weitere Instruktionen warten. Treville sagte, er habe hier unter deinem Namen ein kleines Haus gemietet.", meinte er schulterzuckend und Aramis zuckte zusammen.
 

"Unter meinem Namen?", fragte sie misstrauisch und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. "Unter welchem Namen?"
 

"Deinem Namen, Dummerchen.", lachte Porthos. "Eine junge Komtesse, die für einige Zeit mit einigen Bediensteten in Le Mans verbringt. Wir werden wohl für einige Zeit in Zivil rumlaufen müssen."
 

"Hah! Und das heißt wohl, ich soll schön weiter in diesem Aufzug rumlaufen?" Noch immer misstrauisch. Athos hätte es kommen sehen müssen. Ihre Stimme klang einfach zu teilnahmslos.
 

Athos nickte und sie warf einen wütenden Blick in die Runde, bevor sie den Kopf in den Nacken legte, und dann auf das Haus zumarschierte, das man unter ihrem Namen angemietet hatte.
 

Das Schlimmste befürchtend stieß sie die Tür auf und starrte in ein zu ihrer Überraschung recht zweckmäßig eingerichtetes Zimmer. Die Möbel waren noch nicht abgenutzt, aber von einer dicken Staubschicht bedeckt.
 

"Da haben wir ja einiges zu tun...", hörte sie Porthos hinter sich murmeln.
 

,Von wegen "wir"...', dachte sie und schüttelte den Kopf.
 

"Wie war das noch mal... eine junge Komtesse mit ihren Bediensteten?" Sie drehte sich auf dem Absatz herum und verließ das Haus.
 

"Wo willst du denn hin?"
 

"Du glaubst doch nicht, dass die "Komtesse" dieses Haus in Ordnung bringen wird, oder?" Sie lächelte und einer plötzlichen Eingebung folgend, ergriff sie Phillippes Arm. "Wollen wir, Eure Hoheit?"
 

"Aramis!", rief ihr Porthos noch hinterher, doch die Tür war schon hinter ihr und dem Zwilling des Königs ins Schloss gefallen.
 

"Ich glaube, ihr habt es nicht anders verdient.", meinte D'Artagnan lachend, während er in die bedrückten Gesichter seiner Freunde sah.
 

***
 

^-^



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2005-08-08T11:22:40+00:00 08.08.2005 13:22
Sehr schön, dass das Kapi so lang ist!
Aramis ist ziemlich brutal, zynisch, srakastisch... gefällt mir, erinnert mich in gewisser Weise an mich selbst *schulbewusstsein sei Still!*.
Den Fehler mit dem Gasthaus hab ich schon erwähnt, nicht wahr?
Wie niedlich, dass Athos sofort mit Degen ins Zimmer stürzt! Du hast übrigens ein Mal Degen und ein Mal Dolch geschrieben, wobei ich bezweifeln möchte, dass der Degen so schnell schrumpft...
Irgendwie ist ihr Leben ganz schön kompliziert geworden, oder? Sie wird wohl kaum wieder ein Musketier werden können, oder? Ich verstehe ihre Selbstzweifel.
Sag mal, fängt sie jetzt etwas an sich für den smarten Phillipe zu interessieren? Also bitte, das wird langsam zu übel für meinen Geschmack... Athos ist doch so ein lieber Kerl. wie ein Teddy! Aber wenner sauer ist, wird er zu einem Grisly-Bren *fg*.
Dass sie sich auch immer in die Haarekriegen müssen. aber was sich neckt, das liebt sich, nicht wahr?
LG

Ari
Von: abgemeldet
2005-04-30T16:44:46+00:00 30.04.2005 18:44
Weiter,weiter,weiter,weiter!!!Biiiitte...Kanns kaum abwarten bis du wieder was dazu schreibst :)
Von:  Tach
2005-04-13T09:10:02+00:00 13.04.2005 11:10
x] Extrem unterhaltsam,mehr fällt mir dazu nich ein. ach doch: In Zukunft immer in dieser Länge =]


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