Intuition - die Sechste
Disclaimer : Projekt Weiß - cu123 und tough
Erklärung : Intuition ist der Dreh- und Angelpunkt
Warnung : Machtmenschen unter sich
Widmung : kissos
Intuition – die Sechste
‚Und nun her mit dem Arm.’
Er ist nur noch einige Meter entfernt. Und wir scheinen allein auf diesem Planeten.
Kimíko steht völlig still, ohne Regung, ohne Reaktion.
Die Entfernung zum einzigen Durchlass. Zu weit. Er ist zu nahe. Und zu schnell. Da könnte ich drauf wetten. War es das…?
Er lässt sich Zeit, näher zu kommen. Wickelt unterwegs das Spritzenbesteck aus….
„Hier, Sai. Hopp. Hoch mit dem hübschen Hintern.“
Rechts baumelt plötzlich ein dickes Tau vom Lagerschuppen. Knoten garantieren guten Halt. Farfarello zieht mich mit einem einzigen Ruck hoch. Neben Schuldig. Der Ire platziert sich wieder auf seinem Stammplatz. Neben Crawford geht er sprungbereit auf ein Knie. Schneider sollte jetzt keinen Fehler machen.
Der schaut nur einmal von Schuldig und mir zu Crawford. Nickt dem großen Amerikaner zu. „Lange nicht gesehen, Crawford.“
Das nenne ich mal Selbstbeherrschung.
„Kyokos Gang braucht nicht aufmarschieren. Ich weiß, wann Schluss ist. Wir müssen reden.“
Das klingt nicht nach Niederlage, nicht nach Verhandlung. Nicht mal nach gleichberechtigtem Partner. Er scheint immer noch im Befehlston bleiben zu wollen.
Crawford gegenüber? Interessant.
Ich atme innerlich ein paar Mal ruhig durch. Schuldig schiebt mir ein Grinsen rüber.
‚Relax, Baby. Wir waren doch rechtzeitig da.’ Rechtzeitig…? Kann man so sehen. Zwei Sekunden vor einem Megagau ist natürlich rechtzeitig… wenn man die Maßstäbe eines Schuldig anlegt. Alles reine Nervensache.
Crawford wirkt nicht im Geringsten beeindruckt. Warum sollte er auch? Er ist in der besseren Position. Verhandelt von oben nach unten. Mit einem Farfarello zu Füßen, Schuldig mit mir zur Linken und rechts von ihm wartet die ultimative Waffe. Nagi.
Mittlerweile hat es sich Kyoko nicht nehmen lassen, ihre Aufwartung zu machen.
Auf dem Schuppen gegenüber, inmitten einer ansehnlichen Menge Pistoleros. Alle mit Macs, wie in einem guten, alten, amerikanischen Gangsterfilm. Nun, es ist ihr Gebiet, da lässt sie schon aus Gewohnheit die Chefin raushängen.
„Worüber sollen wir denn reden, Schneider? Möchtest Du mir erklären, warum Du versucht hast, meine Strukturen zu infiltrieren? Warum Du nicht einfach Kontakt aufgenommen hast? Und warum Du geglaubt hast, Du könntest auch nur ansatzweise Erfolg haben?“
Knallharte Fragen. Beiläufig gestellt. Beide Männer haben so viel gemein.
Der Kerl unten hat sein Pendant hier auf dem Dach. Nur bevorzugt Crawford die hellen Anzugfarben, wenn es der Anlass erlaubt. Heute trägt er makelloses Eierschalweiß. Seine dunklen Augen kontrastieren noch schärfer als sein Haar.
Der ganze Mann ist….
Meine Überlegungen werden von Schuldig gestört. Er zeigt auf Kimiko runter.
‚Sie steht völlig im Stand By. Alles, was Recht ist. Das hat er drauf. Hätte ich selber nicht besser machen können….’
Seine selbst verliebte Art macht mich rasend. Es hat vollkommen ausgereicht, dass ich auf sein Können angewiesen war. Er nutzt jede Gelegenheit, um seine Spielchen zu treiben…. Und so dicht an einer Katastrophe war ich ewig nicht mehr.
Danke, Schuldig.
‚Da nada, Kleines. Ich hatte schon ewig nicht mehr so viel Spaß. Schneider, der betrogene Betrüger… und meine kleine Sai als Köder’.
Sein Grinsen ist durchdringend. Wie gern würde ich mich abschirmen, aber ich bin jetzt wirklich platt. Die vorsichtigen, aber energischen Versuche Schneiders abwehren, während Harada mir Schmerz als Ablenkung gab… und dann die Gemeinschaftsarbeit mit Mastermind. Ihm mein Hirn zu öffnen… und ihn filtern zu lassen, was Schneider wahrnehmen sollte… ich bin völlig ausgelaugt.
Eingeloggt war Mastermind schnell und routiniert.
Er hat mich in Kyokos Privaträumen schon erwartet, unbemerkt von ihren Leuten.
Crawford hat anscheinend sofort auf meinen Warnanruf reagiert. Sein Plan war perfekt…. Schuldig lockt unter meiner Signatur Schneider an, bis der in der Falle ist.
Nur der Teil bis dahin war… nicht so amüsant.
Meine Rolle spielen, als Ahnungslose. Und erst mal selber in der Falle sitzen. Schneider mit der Spritze immer näher kommen zu sehen…. So einen Job brauche ich nicht öfter.
„Ich hielt es für eine gute Vorgehensweise. Erst mal einen Brückenkopf einrichten, dann die Übernahme. Wir hatten ja lange kein Geschäft mehr miteinander. Ihr habt damals auftragsgemäß gehandelt und wir ließen Euch wie versprochen von der Leine.…“
„Und jetzt? Was hat sich geändert?“
„Nun, die Lage spitzt sich zu. Alte Vereinbarungen müssen überdacht werden, im Interesse aller. Und jedenfalls weiß ich jetzt genau, dass meine Reise nach Japan nicht vergebens war. Du hast ein perfektes Team, Crawford. Seit wann wusstest Du Bescheid?“
Weiß Schneider das nicht? Hat er nicht den Durchblick, ab wann Crawford das Heft in der Hand hielt? Er hat seit meinem Warnanruf keine Zeit verloren….
Schuldig neben mir kichert böse. Warum schaut er dabei zu mir?
„Schneider, Du müsstest mich gut genug kennen. Aber wahrscheinlich warst Du zulange in der geschützten Atmosphäre der Akademie. Die Welt hier draußen ist schmutzig und gemein. Hier lernt man besser laufend dazu… oder stirbt schnell.
Meine Fähigkeiten sind nicht mehr auf einem Level, das irgendwer bei Rosenkreuz auch nur annähernd ermessen könnte.“
Crawford teilt mit der großen Kelle aus. Innerlich applaudiere ich ihm. Die Momente der Panik, Schneider könnte mich in eine Art Zombie verwandeln….
‚Freu Dich nicht zu früh, Süße.’ Wieder kichert Schuldig laut. Und ein ganz böses Gefühl will sich in meinem Magen einnisten.
„Ich wusste Bescheid, seit Du einen Fuß auf japanischen Boden gesetzt hast.“
Mit voller Wucht schlägt sie ein, die Gewissheit. Die leise Unruhe, die unklare Intuition, war der Vorgeschmack auf das miese Gefühl nur eine Schachfigur zu sein, benutzt zu werden. Egal, von welchem der Spieler….
„Gratuliere Crawford. Du hast nicht nur Deine Fähigkeiten verbessert, auch Dein Stil ist unverwechselbar. Aber was, wenn ich Sais Widerstand geknackt hätte? Du hast sie in voller Absicht in meine Hand gespielt….“
„Was sollte schon passieren? Ihren Widerstand haben Schuldig und ich schon getestet… unter harten Bedingungen. Sie kann eine Menge vertragen, das war gut kalkulierbar.“
Schneider lässt nicht locker, stellt meine Fragen, während Schuldig neben mir unablässig kichert.
„Und doch, wenn ich sie geknackt hätte, was dann?“
Crawford schenkt mir nicht mal einen Seitenblick.
„Nichts. Dann wäre sie als Sicherheitsrisiko deklariert worden. Schuldig hätte sich des Problems angenommen.“
Und für eine Sekunde schweigt alles. Ich habe absolute Ruhe. Langsam sickert die Erkenntnis durch. Als perfekter Köder war ich ahnungslos… und chancenlos.
Standhalten, oder aussortiert werden. Crawford gnadenlos, wie erwartet.
Beweise Dein Können oder stirb.
‚Nun wenigstens hätte er Dich nicht selbst erschossen. Das hätte ich übernommen, meine Kleine. Premiumbehandlung.’ Und das meint Schuldig völlig ernst.
Crawford lacht kurz und freudlos auf.
„Jetzt bin ich wieder dran. Warum bemühst Du Dich persönlich hierher?“
Schneider ist das Plaudern anscheinend leid. „Nicht hier und jetzt. Zu viele Subalterne anwesend. Nur so viel… alte Widersacher aus grauer Vorzeit haben ihr Versteck verlassen. Besondere Vorzeichen zeugen von größerer Gefahr denn je.
Wir müssen sprechen. Ich werde Dich anrufen.“
Grußlos dreht er ab, geht auf das Taxi zu.
Siedendheiß fällt mir etwas ein.
„Schneider. Du hast da was vergessen.“
Ich zeige auf Kimiko. Egal, was hier gerade abgeht, aber eine junge Frau in mentaler Dauerabhängigkeit… das ist mir zu gruselig.
Er lächelt kurz hoch zu mir. Nicht mal unsymphatisch. Nickt seine Zustimmung.
Braucht nur einen kurzen Augenkontakt mit Kimiko, ist Sekunden später wirklich weggefahren.
Und die Kleine wirkt, als käme sie nach langer Ohnmacht zu sich. Sie schaut sich um, als sei sie gerade erst eingetroffen. Dann blinzelt sie hoch zu uns. Und ihr Blick bleibt an meinem Gesicht hängen. „Sai. Endlich.“
Sie scheint mich als einzigen Orientierungspunkt zu sehen, in einer Umgebung, die sie verwirrt, zwischen Menschen, die mehr als nur bedrohlich wirken….
Ausgerechnet mich. Überreizt, übermüdet…. Sie muss weg hier.
Ich schaue, wer sie nach Hause schaffen könnte, bevor…. Zu spät.
Kyoko hat ein paar schlaue Schlüsse gezogen. Oder wurde mit der Nase drauf gestoßen. Schuldig kichert immer noch.
„Kleine, was machst Du hier? Suchst Du einen Job? Ich hätte da was für Dich.“
Ihre Stimme trieft vor Gift. Wahrscheinlich schneidet sie in ihrer Fantasie kleine Scheibchen von der Süßen….
Ich springe mit einem Satz runter. Lande federnd neben Kimiko und fasse sie fest am Oberarm. „Komm, Du musst weg hier.“
Ihre schwachen Versuche, sich zu wehren, ignoriere ich. Sie hat mir kräftemäßig nichts entgegen zu setzen. Und meine Geduld ist am Ende. Ich stoße und zerre sie relativ grob zu einem von Kyokos smarten Japan-Boys. „Nimm Dir einen Kollegen und fahrt sie nach Hause. Und auf dem Rückweg bringt mir meine Karre mit.
Und beide bekommen besser keinen Kratzer ab, wenn Euch Euer Leben lieb ist.“
Ich drehe mich abrupt auf dem Absatz um.
Ich brauche Ruhe, eine Pause, wenn ich kann, Schlaf. Ich brauche keine weiteren Probleme. Und so schalte ich ab, während ich von hinten ihre Rufe leiser werden höre. „Sai, warte. Was habe ich falsch gemacht? Warum gehst Du einfach? Kann ich Dich wieder sehen? Sai….“