Ich musste ihm zu dem Zeitpunkt wirklich etwas bedeutet haben.
Ich habe mich so oft gefragt, warum er mich damals vor Hakus Nadellanzetten beschützt hat.
Ich muss ihm in dem Moment wirklich wichtig gewesen sein, dass er mich mit seinem Körper geschützt hat.
Und als er dann in meinen Armen zusammenbrach, sagte er , dass er mich nie gemocht hatte und ich glaube , dass sich das ab dem Zeitpunkt, als er es aussprach, geändert hat.
Es ist so .. es ändert sich alles, egal , ob man etwas schon immer im Stillen gedacht hatte, den einen Gedanken schon immer im Kopf gehabt hatte, es ändert sich alles schlagartig, sobald man es ausspricht.
Und ob zum Guten, oder zum Schlechten, oder zu nichts von beiden, das weiß man vorher nicht und das ist das Problem. Deswegen sagt man oft erst nichts.
Sogar ich, auch wenn ich sonst nie meine Klappe halten kann..
Sakura schaut mich fragend an, als ich beim Gehen leicht in mich hineinlächle. Ich schüttel nur den Kopf, als ich ihren Blick bemerke und sie wirft mir ein trauriges Lächeln zu.
Wir gehen nebeneinander durch die stillen Straßen von Village of the Hidden Leaf, die wie ausgestorben wirken.
Es werden wohl die meisten auf dem Friedhof sein.
In ihren Armen hält Sakura einen Strauß von weißen Blumen, die beim Gehen mit den Köpfen wippen, als ob sie uns aufmuntern und davon abhalten wollen sofort umzukehren und diesen Ort nicht aufzusuchen, zu dem wir unterwegs sind.
Oh ja, ich frage mich wirklich oft, warum Sasuke mich damals mit seinem Leben beschützt hat.
Ich habe ihn später nie danach gefragt, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich mir immer etwas darauf eingebildet.
Für jemand anderen hat er schließlich nie in unseren Kämpfen sein Leben eingesetzt, oder?
Vielleicht hätte er dasselbe für Sakura getan, wenn so eine Situation entstanden wäre, aber das ist sie nie. So bleibt es Tatsache, dass er sich vor mich geworfen hatte, um mich zu schützen und nie vor Sakura. So.
Und davor hat er mich nie gemocht, hat er gesagt.
Ich glaube manchmal, dass er seit dem Ereignis erst richtig begonnen hat mich wahrzunehmen und zu beachten.
Sakura und ich hatten danach immer mehr Fortschritte gemacht und ich denke, er empfand uns nicht mehr als Klötze an seinen Beinen. Ich glaube damals hat er angefangen uns zu mögen, auch wenn nur ein bisschen.
Wir beide, er und ich, hatten das niemals ausgesprochen, denn es wusste keiner wie unsere Worte alles verändern würden, aber ab dem Zeitpunkt waren wir so etwas wie Freunde.
Wir beschimpften und ärgerten uns und prügelten uns manchmal auch, aber ich wollte es nicht anders.
Ich wollte ihn gar nicht anders haben.
Ich, und auch er, wussten, dass sich unter der Oberfläche alles verändern hatte, ohne das in unserem Verhalten zeigen zu müssen; wir mussten nicht die Oberfläche aufwirbeln, um das sehen zu können. Wir verstanden einander ohne Worte.
Wir stritten uns im gegenseitigen stillen Einverständis und ich war glücklich keine Häme mehr, sondern Belustigung aus seinen Augen heraus zu lesen, wenn er mich Trottel nannte.
Und ich schrie ihm "Idiot" entgegen und er verdrehte die Augen und wir waren beide völlig zufrieden mit der Welt.
Aber die Veränderungen in uns schritten weiter vor, bis auch die Oberfläche gezwungen war etwas von dem Sturm der in uns und in unserer Beziehung zu einander tobte, preis zu geben.
"Naruto."
Ich schaue Sakura fragend an, die nervös zurücklächelt.
"Ich .. ich habe Angst, Naruto."
Ich habe auch Angst.
Ich habe Angst dorthin zu gehen, wo jetzt vermutlich alle Dorfbewohner versammelt sind, um Abschied zu nehmen.
Es ist wie die Sache mit dem Aussprechen.
Es verändert alles und macht es so endgültig.
"Hey, es wird schon, Sakura-chan. Hab keine Angst", ich lächel sie aufmunternd an und versuche den großen Mann und Beschützer zu spielen.
"Ich bin bei dir."
Wenn Sasuke das vor einem Jahr zu ihr gesagt hätte, hätte sie ihn wahrscheinlich sofort und auf der Stelle entjüngfert ...
Aber ich bin nicht Sasuke und es ist nicht vor einem Jahr, als sie ihn immer noch verzweifelt einseitig liebte, deshalb nimmt sie nur meine Hand und lächelt mich nun etwas tapferer an.
Außerdem hab das mit dem Entjünfern schon ich erledigt ....
Bei der Erinnerung wird es in meinem Bauch ganz warm, wie damals, als Sasuke mit seiner Hand darauf eingeschlafen ist, als wir die ganze Nacht zusammen waren und uns fast bis zur Besinnungslosigkeit geküsst hatten.
Wir haben nie etwas von dem, was in uns vor geht ausgesprochen, als wir uns küssten, oder berührten, oder einfach nur zusammen waren und das genug war.
Aber manchmal verändern Dinge sich auch, wenn man es nicht ausspricht, sondern seine Gedanken nicht mehr nur denkt, sondern tut.
Wie Sasuke es getan hat vor ein paar Monaten, als ich bei einem Kampf in einer Mission verletzt wurde und sich meine Wunden später am Lager entzündeten und ich Fieber bekam.
Wir hatten keine Medikamente mehr und waren weit weg von zu Hause in einem abgeschiedenen Gebiet, nur wir , die errungene Schriftrolle, die unsere Mission darstellte und das Lagerfeuer, das nicht schaffte mich in meinem Fieber zu wärmen.
Ich kann mich nicht sonderlich gut an diese Tage erinnern, weil das Fieber mich fast dahin gerafft hätte, aber als ich nach dem 3. Tag oder so aufwachte, lag Sasuke schlafend und ziemlich erschöpft aussehend neben mir und hatte, wahrscheinlich aus Versehen, einen Arm um mich gelegt .. und ich erinnere mich besonders an seine Körperwärme, die so nah war und mich einhüllte und wieder schläfrig werden ließ.
Was soll ich sagen, ich werde nicht oft umarmt.
Ich bin ein Waisenkind und dank dem Fuchsdämon bin ich wirklich selten krank. Und wenn ich es mal bin, weigere ich mich das zu sein und geh noch mit 39° Fieber aus dem Haus.
Es zählt einfach nicht krank sein, wenn man keine Mutter hat, die einem die Entschuldigung für die Schule schreibt und einen zu Hause verhätschelt und sich um einen sorgt und gesund pflegt.
Aber dieses eine Mal, war jemand da , der sich um meine Krankheit und mich gekümmert hatte. Es war jemand für mich da, dem nicht egal war, ob ich verschwinden würde, oder nicht.
Sakura drückt meine Hand fester, als wir in die schmale Straße, die zum Friedhof unseres Dorfes führt, einbiegen. Nun sehen wir auch die vermissten Dorfbewohner, die mit betretenen Gesichtern, viele auch weinend durch die Friedhofstore gehen.
Ich wünschte Sasuke wäre jetzt hier.
Wir drei waren doch immer zusammen, warum gilt das jetzt plötzlich nicht mehr? Warum kann er nicht hier sein? Warum musste er uns verlassen?
Nach der Fieber-Sache und nachdem wir in Hidden Leaf wieder zurück waren, haben wir wochenlang nicht mehr miteinander gesprochen.
Wir haben uns noch nicht mal mehr gestritten.
Wir nahmen nur wahr, dass der andere auch da war, aber wir redeten einfach nicht miteinander.
Ich wüsste auch gar nicht, was ich ihm hätte sagen sollen.
Ich wollte ihm eigentlich danken, dass er .. dass er einfach da war. Dass er so war, und genau das sagte, was er sagte und das tat, was er tat.
Ich war einfach plötzlich so froh ihn zu kennen, aber er sagte nichts, also sagte ich auch nichts.
Außerdem .. sowas konnte ich ihm gar nicht sagen. Es war unlogisch, total peinlich und für ihn wahrscheinlich überhaupt nicht wichtig.
So dachte ich zumindesten und mit der Zeit normalisierte sich unsere Beziehung wieder.
Bis wir irgendwann im Training gegeneinander kämpften und schlussendlich beide nach einem Unentschieden total erschöpft und keuchend nebeneinander im Gras liegen blieben und schweigend in den Himmel stierten.
Er hatte nichts angedeutet , nichts gesagt, er ist einfach nur irgendwann aufgestanden, sich vor mich gekniet und mich geküsst, als ob er nie etwas anderes vorgehabt hätte.
Und ich küsste ihn zurück, als ob ich nie etwas anderes von ihm erwartet hätte.
Keine Ahnung ehrlich gesagt, wie das alles kam, aber von da an, waren wir irgendwie zusammen.
Wir verhielten uns beim Training oder bei Missionen wie immer, wie man das von uns erwartete, aber wenn wir wieder in Hidden Leaf waren und keine Missionen in anderen Orten anstanden, tauchte er nachts an meinem Fenster auf, oder ich an seinem und in einem stummen Einverständnis ließen wir den anderen ein und küssten uns und berührten uns und flüsterten einander leise zu , was wir niemals im Sonnenlicht gesagt hätten, weil es im Dunkel der Nacht nicht galt, weil das Aussprechen im Dunkeln nicht die Macht hatte etwas, das dem Tageslicht angehörte, zu ändern.
Sakura wusste von uns.
Ich weiß nicht, wie sie es erfahren hatte, aber ich glaube Mädchen fühlen so etwas einfach.
Eine Zeitlang hatte sie morgens beim Training immer gerötete Augen und vermied es mit uns zu sprechen, oder uns auch nur anzusehen, aber dann wurde es immer weniger und eines Tages lud sie uns beide zum Essen ein, mit der Aussage, wir bräuchten auch mal ein erstes offizielles Date.
Sogar Sasuke ist bei ihrem belustigten Grinsen etwas rot geworden, hat aber dann mit den Schultern gezuckt und gemeint, dass er mich nur nie zu einem Date eingeladen hätte, weil ich ihm dann die Haare vom Kopf gefressen hätte .. Weiß gar nicht, was er gemeint hat. So viel esse ich auch nicht.
Aber es war ausgesprochen.
Es war endlich da, im Tageslicht und es schien niemanden besonders zu stören, wenn er ab und zu meine Hand nahm, oder wir uns etwas länger als nötig ansahen.
Und dann vor etwas mehr als 2 Monaten ist er in ein verstecktes Dorf am Rande des Landes aufgebrochen, in dem es jemand geben sollte, der auch Sharingan hat und ein Meister in der traditionellen Uchiha Technik ist.
Unnötig zu sagen, dass Sasuke Feuer und Flamme war diesen Mann kennen zu lernen und von ihm dazu zu lernen.
Er ist sofort aufgebrochen, ohne auf irgendjemandes Einwände zu hören und hat mir nur gesagt, dass ich warten soll.
Ich habe gewartet.
Aber er ist nicht zurückgekehrt.
Und jetzt stehen wir hier auf dem Friedhof unseres Heimatdorfes, wo die Helden ihre Ruhestätten finden und Sasuke ist ...
Plötzlich spüre ich eine Berührung an meiner linken Hand, mit der ich nicht Sakura halte und als ich aufblicke , sehe ich schwarze Augen von dunklem Haar umrahmt auf mich herunter sehen.
"Sasuke!"
Er lächelt und ich bemerke plötzlich , dass er erwachsener wirkt, als vor 2 Monaten, als ich ihn das letzte Mal gesehen hab.
"Ich bin wieder da. Hast du auf mich gewartet?"
Ich nicke eifrig und sehe aus den Augenwinkeln, wie Sakura nach Luft schnappt, als sie ihn sieht.
"Sasuke-kun!", ich weiß, dass sie sich sehr freut ihn zu sehen, besonders an diesem Tag. "Du bist endlich zurück!"
"Du bleibst jetzt aber doch hier, oder?", verlange ich zu wissen und drücke seine Hand etwas fester.
Er lächelt mich an und ich weiß, dass er heute Nacht zu mir kommen wird .. oder ich zu ihm.
"Sasuke-kun .. der Hokage, er ..", beginnt Sakura plötzlich aber verstummt und ich sehe, wie sie Tränen in den Augen bekommt.
"Ich weiß", er nickt und schaut wieder ernst.
Wir sehen wieder alle nach vorne, wo jetzt der weiße Sarg des Hokages in die Erde heruntergelassen wird.
Mein Hals wird eng und für einen Moment verschwimmt meine Sicht.
Ich erinnere mich daran, wie ich diesen Mann immer geärgert hatte, als ich jünger war und er sich niemals aus der Ruhe bringen ließ und nur verständnisvoll lächelte.
Es ist so seltsam .. dass so etwas reales, was ich immer noch so gut in Erinnerung hab, mit dem Moment des Todes nicht mehr gilt. Dass alles so alltägliche , was einem so selbstverständig erschien mit dem Tod einfach nicht mehr an seinem Platz steht.
Dass sich andere daran erinnern, es aber niemals wieder geschieht.
Ich blicke auf, als ich Sasukes Daumen an meiner Wange spüre, der mir sanft eine Träne wegstreicht.
Seine Fingerkuppen fühlen sich rau an. Er muss viel trainiert haben in den letzten Monaten.
Ich bin so froh, dass er wieder da ist.
Ich habe ihn wirklich vermisst.
"Hey, Naruto", sagt er leise zu mir und lächelt wieder leicht. "Vielleicht wirst du ja jetzt der nächste Hokage."
"Bestimmt", flüstert Sakura an meiner rechten Seite und lächelt mich auch durch Tränen an. "Das wirst du ganz sicher."
Ich kann nicht wirklich aufhören zu heulen, aber trotzdem lächele ich meine Freunde durch meine Tränen an und seh wieder nach vorne wie der weiße Deckel des Sarges für immer in der schwarzen Erde versinkt, die mit weißen Blumen gepflastert ist.
~owari
