Es war eine dieser sternenklaren Nächte von denen in den bekannten Liebesgeschichten immer geschwärmt wird als ich um den Häuserblock bog. Nur die Kälte im Nacken und ein paar Glühwürmchen begleiteten mich als ich ihm begegnete. Er ging etwa fünfzig Meter vor mir und umhüllt von der Nacht war ich mir nicht sicher, ob er nun real war oder nur eine meiner Hirngespinste. Misstrauisch meiner eigenen Wahrnehmung gegenüber beobachtete ich ihn weiter. ,,Er war doch wirklich da, oder? Ich sehe doch seinen Atem und höre wie er seine Schuhe über den Asphalt zieht." Schwermütig, als trage er das Kreuz Christi auf den Schultern. In gebeugter Haltung dachte ich erst einen alten Mann vor mir gehen zu sehen; wie man sie in den kalten Wintermonaten immer sieht: auf einen Stock gestützt und misstrauisch jedem gegenüber.
Ich ging schweigend hinter ihm her - Nicht ahnend, dass er etwas anderes sein könnte als ein älterer Herr. Und doch begleitete mich ein mulmiges Gefühl, als ich mit mir selbst stritt, ob er nicht manchmal doch vor mir verschwinden würde. Doch dann war er plötzlich wieder da; so real wie es nicht anders sein könnte.
Ich bemerkte nicht, dass meine Schritte schneller wurden, bis ich plötzlich dicht hinter ihm stand.
,,Ich muss sein Gesicht sehen!"
Immer und immer wieder gingen mir diese Worte durch den Kopf. >>Aber warum? Warum will ich in das Gesicht eines alten Mannes gucken, der mir wahrscheinlich Vorträge darüber halten wird, dass ich doch nicht mehr um 3 Uhr nachts in der Kälte herumlaufen sollte.<<
Das ich seltsam bin war mir schon immer klar gewesen, doch kam es mir in diesem Moment nicht so vor, als wäre an diesen Worten etwas Abnormales.
Ich wollte mich an ihm vorbei drängen, mich anschließend umdrehen und mich entschuldigen - ein genialer Plan, wie ich fand. Aber das Schicksal kam mir zuvor.
Wohl bemerkend, dass er seinen Schritt verlangsamte, blieb ich stehen. Er drehte sich um und ich sah in sein von der Nacht umhülltes Gesicht. Nicht einmal das Licht der Straßenlaternen fiel auf ihn. Ich erkannte nichts; keine Umrisse, keine Gesichtszüge. Alles was ich mit Schrecken bemerkte, waren seine klaren blauen Augen. Mir war klar, dass dies nicht die Augen eines alten Mannes sein konnten, vielmehr waren es die kristallklaren Augen eines Wesens, dass es normalerweise nicht geben sollte und vor dem sich jeder Mensch fürchten würde. Und doch konnte ich nicht von ihm lassen. Ich starrte ihn weiter an, bis mir auffiel, dass ich ins Leere schaute. Denn genauso schnell wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden.