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The quest for the mandrake

von

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Kapitel 8 - In den Wald

Kapitel 8

In den Wald
 

Achtung: Ich habe es geschafft! Diesmal gibt es keine Rückzieher. Nein, keine Störung romantischer Situationen. Da sag ich nur: Einfach lesen und genießen.^-^
 

Tharas war nervös. Je näher sie den Wäldern der Elfen kamen, desto bewusster wurde er sich seiner eigenen Schwäche. Zwar waren seine magischen Kräfte groß, doch bei weitem nicht so hoch entwickelt wie die der Elfen.
 

Von dem Augenblick an, als sie nebeneinander in das Dickicht des Waldes geritten waren, fühlte er sich bedrückt und er glaubte, überall die Blicke feindlicher Augen zu spüren. Obwohl er noch so oft zwischen die Äste und Zweige der Bäume spähte, konnte er dort nichts erkennen als tanzende Schatten. Er wusste, dass die Elfen nicht sonderlich gut auf Angehörige der schwarzen Zunft zu sprechen waren und schon gar nicht auf seinen Vater, dessen Ebenbild er nun einmal war. Was würden sie mit ihm tun? Würden sie ihn überhaupt anhören? Was würde mit Rean geschehen, wenn sie getrennt wurden? Die Anspannung wurde immer größer je weiter sie ins Herz des Waldes vordrangen.
 

Soley saß auf Reans Schulter und musterte ihn unverhohlen.

"Was glotzt du so, Glühwürmchen?", fragte er mürrisch.

"Ich dachte gerade darüber nach, was meine liebe Verwandtschaft alles mit dir anstellt, wenn sie ebenso auf dich reagieren wie ich. Weißt du, irgendwie habe ich das Gefühl, dir geht’s da ganz ähnlich, Tharas." Ihr Gesicht war zwar auf den ersten Blick besorgt, doch Tharas entging das kleine spöttische Funkeln in ihren Augen nicht.

"Halt die Klappe. Es geht dich einen feuchten Dreck an, wie's mir geht. Außerdem trau' ich dir zu, dass du am allerwenigsten traurig wärst, wenn sie mir das Fell über die Ohren ziehen würden."

"Gib's zu: Du hast die Hosen gestrichen voll.", stichelte die Fee weiter.

"Rean, würdest du dem Flügelding auf deiner Schulter bitte von mir ausrichten, dass ich von nun an kein Wort mehr mit ihr reden werde und dass sie sich besser mit ihren völlig haltlosen und unerhört unhöflichen Vermutungen zurückhalten soll."

Rean verdrehte die Augen. "Oh, Tharas, nun komm schon. Das ist doch so was von kindisch. Du bist ein erwachsener Mann, also lass dich nicht von so einer frechen Fee aufziehen. Im Übrigen finde ich, dass sie gar nicht so Unrecht hat."

"Sag mal, auf wessen Seite stehst du überhaupt?", fragte Tharas gereizt.

"Auf niemandes Seite. Aber ganz ehrlich, du siehst schlecht aus seit wir den ersten Schritt in den Wald gemacht haben. So hast du auch ausgesehen, als ich dich damals gefragt habe, ob du mich begleitest. Was ist los?" Er blickte seinen Freund besorgt an.

Tharas schaffte es einfach nicht, dem Blick dieser faszinierenden blauen Augen auszuweichen. Schließlich antwortete er: "Also gut, ja, du hast Recht. Ich mache mir Sorgen. Wir haben die ersten Baumreihen vor Stunden passiert und noch immer ist kein Zeichen von den Bewohnern des Waldes zu sehen. Ich hatte mit wenigstens einem Wächter gerechnet, einer Falle oder einem Hinterhalt. Aber so gar nichts… das sieht den Elfen nicht ähnlich."

"Vielleicht wissen sie, dass wir ihnen nichts Böses wollen und erwarten uns?", vermutete Rean.

"Kann ich mir nicht vorstellen.", antwortete Tharas.

"Dann haben sie uns vielleicht noch gar nicht bemerkt?", überlegte der junge Prinz weiter.

"Auch das ist unwahrscheinlich. Fürst Aures bemerkt alles und jeden und wenn nur ein Blatt vom Baum fällt. Glaub mir, die wissen, dass wir da sind."

"Aber warum zeigen sie sich dann nicht?", fragte Rean verdutzt.

"Das gilt es herauszufinden.", erklärte sein großer Freund.
 

Ein leises Pfeifen wie von einem kleinen Vogel erklang hinter ihnen und Tharas fuhr erschrocken herum. Doch es war zu spät und in weniger als einem Atemzug war um sie herum die Hölle los. Wie aus dem Boden gewachsen oder aus den Bäumen gefallen waren sie plötzlich von dutzenden von Elfen umringt. Doch nicht nur das. Wie aus dem Nichts erschien zwischen ihnen eine undurchdringliche, hohe, grün belaubte Hecke. Sie waren getrennt.
 

Tharas riss sein Pferd herum, doch wie er sich auch drehte und wendete, er war gefangen. Die Elfen hatten ihre Bogen gespannt und zielten auf ihn. Kurz überlegte er, ob er einfach über sie hinwegsetzen sollte, doch er konnte den Gedanken nicht zu ende denken, denn plötzlich fiel aus einem Baum ein Netz aus verzauberten Seilen über ihn und lähmte ihn. Einer der Elfen löste sich aus dem Kreis seiner Kameraden und trat gelassenen Schrittes auf ihn zu.

"Es war sehr unvorsichtig von dir, einfach so hierher zu kommen, schwarzer Teufel. Aber jetzt hast du ein für alle mal ausgespielt.", sagte er mit ruhiger und eiskalter Stimme in der Sprache der Elfen, welcher Tharas, Dank seines Vaters, mächtig war. An seine Begleiter gewandt sagte er: "Holt ihn da runter. Der Fürst will Gericht über ihn halten."

Tharas wurde vom Pferd gehievt und mit einem Schlag betäubt. Das alles geschah innerhalb weniger Augenblicke.
 

Rean erwachte von einer kühlen Berührung auf seinem Gesicht. Er blinzelte vorsichtig und dachte, er wäre bei Tharas. Ein kleines Lächeln stahl sich über sein Gesicht. Doch plötzlich wurde ihm klar, dass sie von den Elfen überfallen und getrennt worden waren. Blitzartig fuhr er hoch, sodass der Elf, der neben ihm auf den Knien hockte, erschreckt zusammenfuhr.

"Habe ich dich geweckt, Menschenkind?", fragte er vorsichtig. "Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.", entschuldigte er sich.

Rean schaute die Gestalt neben sich fasziniert an. Sie war groß und zierlich und jede ihrer Bewegungen war so leicht und fließend wie Wasser. Langes hellblondes Haar fiel wie Seide über den Rücken bis zu den Hüften hinab und himmelblaue Augen schauten ihn besorgt an. Doch dann riss er sich zusammen und fragte endlich, was ihm auf der Seele brannte: "Wo sind Soley und Tharas?"

Der Elf blickte ihn verständnislos an. "Wenn du die Fee meinst, sie schläft, wie du gerade noch. Doch wen meinst du mit Tharas?"

"Den Mann, der bei mir war. Den großen, hübschen mit den langen schwarzen Haaren."

Verstehen erschien in den Augen seines Gegenübers. Dann ein sanftes Lächeln. Er versuchte, Rean mit sanfter Gewalt in die Kissen, auf denen der Junge bisher gelegen hatte, zurückzuschieben. Ein wenig tadelnd sagte er: "Es hat dich schlimmer erwischt, als ich dachte. Du stehst völlig in seinem Bann. Es ist eine Schande, dass er sich jetzt schon an jungen Männern vergreift, die noch fast Kinder sind."

"Wie meint Ihr das?", fragte Rean und wurde merklich lauter. Er wehrte sich gegen die Fürsorge des Elfen und stemmte sich wieder hoch.

"Oh je.", stöhnte der Elf. "Jetzt halt doch still, Menschenkind, dann erkläre ich es dir."

Rean gab seinen Widerstand zögernd auf.

"Na also, es geht doch.", meinte der Blonde mit einem Lächeln. "Also. Der schwarze Magier Llandon hat dich verzaubert. Er hat dich dazu gezwungen, ihm zu gehorchen. Wenn nicht sogar noch mehr, was nach den blauen Flecken an bestimmten Stellen nicht auszuschließen ist. Aber das ist jetzt vorbei. Wir haben dich gerettet. Du bist jetzt in Sicherheit."

"Seid Ihr verrückt?", fuhr Rean auf. Jetzt konnte ihn nicht einmal der Elf unten halten. "Das ist nicht Llandon! Das ist mein bester Freund Tharas, Llandons Sohn! Er ist unschuldig!"

Der Elf starrte ihn fassungslos an. "Sein Sohn?", murmelte er ungläubig. "Das kann nicht wahr sein. Wenn das stimmt, haben wir vielleicht ein Problem."

"Wieso?", fragte Rean. "Wo ist er?"

"Unten auf dem Dorfplatz. Dort wird er in wenigen Minuten hingerichtet."

"Nein, das dürft ihr nicht!", rief Rean und noch bevor sich sein Bewacher versah, war er aus der Tür gestürzt, durch die helles Sonnenlicht hereinflutete, welches ihn zuerst blendete, und fand sich auf einer Art Balkon wieder.
 

Von dort aus hatte er einen guten Blick über eine ganze Ansammlung von Häusern, insgesamt etwas über zwanzig, die dem, in dem er sich selbst gerade noch befunden hatte, nicht unähnlich waren. Sie alle waren auf Ästen und zwischen Astgabelungen von Bäumen, die um eine Lichtung herum standen, gebaut und mit weißer Farbe angemalt worden. Sie waren unterschiedlich groß, doch alle hatten sie Balkone mit kunstvoll geschnitzten Geländern und waren untereinander mit Brücken verbunden.
 

Doch Rean hatte keinen Sinn für ihre Schönheit. Sein Blick fiel nach unten auf den Dorfplatz. Dort kauerte Tharas mit auf den Rücken gefesselten Armen auf den Knien und blickte trotzig zu einem erhobenen Podest hinauf, auf dem eine Anzahl edler, ganz in weiß gekleideter Gestalten stand. Sein Gesicht wies eine Schramme und eine unschöne Beule am Haaransatz auf und seine Lippe blutete. Sein Zopf hatte sich aufgelöst und sein Haar floss wie eine schwarze Welle um sein Gesicht und über seinen Rücken hinab. Über ihm ragte bedrohlich eine große Gestalt mit einem Schwert auf. Rean begriff, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. Der Henker hob auf ein Zeichen der imposantesten der Gestalten auf dem Podest hin das Schwert.

"Halt!", schrie Rean so laut er konnte.

Der Henker hielt sofort inne und alle Blicke richteten sich nun auf ihn.
 

Der Anführer der Elfen, den Tharas vorhin Aures genannt hatte, blickte ihn durchdringend an. Dann schweifte sein Blick von Rean ab und hin zu dem Elfen, in dessen Obhut der Junge gerade erwacht war.

"Was soll das?", fragte er in der Sprache der Menschen, wahrscheinlich, damit Rean ihn verstand. Er hatte eine angenehme, tiefe Stimme, die Rean ein wenig erschaudern ließ und die gut zu seinem Äußeren passte. Er hatte langes, weißes Haar, eine hohe Stirn, ein edles Gesicht mit gerader Nase, hohen Wangenknochen und dunkle, fast schwarze Augen und Augenbrauen.

"Verzeiht, Herr, ich konnte ihn nicht zurückhalten. Aber er sagt, dass das dort, " und er deutete auf Tharas, "gar nicht Llandon ist."

Die Augen des Fürsten richteten sich wieder auf Rean. "Stimmt das, Menschenkind? Wenn dem so ist, dann komm zu mir herüber und erkläre es mir." Er machte eine einladende Geste und Rean setzte sich automatisch in Bewegung, allerdings fand er keinen Weg hinab auf die Lichtung. Sein Bewacher zeigte ihm mit einem leichten Schmunzeln eine Leiter, auf der er hinuntersteigen konnte. So schnell er es vermochte, jedoch ohne zu rennen, ging er über die Lichtung zu dem Podest hinüber. Tharas Blick war beunruhigt, doch auch hoffnungsvoll. Rean beachtete ihn jedoch nicht. Vor dem Podest machte er eine höfische Verbeugung vor dem Herrn der Elfen und beugte dann das Knie. Anscheinend war der Fürst von dieser Geste beeindruckt, denn er sagte: "Erhebe dich, Menschenkind." Als Rean das getan hatte, schaute ihm der Fürst fest in die Augen und fuhr fort: "Nun, erzähle mir, was du zu sagen hast."

"Großer Herr der Elfen. Ich bin Rean von Eredrion, dritter Sohn des Königs Feorn und dieser Mann dort, " er wandte sich kurz zu Tharas um, "ist Tharas, Sohn König Llandons und Königin Liawens von Arc und Thronerbe des Königreichs. Er ist nicht der, für den Ihr ihn haltet und ihn hinzurichten wäre ein großer Fehler."

Aures sah ihn mit einer nicht zu deutenden Miene an. "Nun, das hat er uns auch erzählt, doch woher sollten wir wissen, ob es nicht eine weitere List von ihm ist? Doch auch, wenn er nicht Llandon ist, so ist er doch immer noch sein Sohn. Woher wissen wir, dass er nicht wie sein Vater das Bestreben hat, die Elfen zu vernichten? Vielleicht stehst auch du nur unter seinem Bann?"

"Ich stehe unter niemandes Bann, Herr. Doch kann ich Euch auch nicht beweisen, was ich sage. Alles was Ihr habt, ist das Wort eines Prinzen königlichen Geblüts. Ich hoffe, das genügt Euch."

"Nun, da du dich als Prinz und somit als Edelmann bezeichnest, dürfte es dir nicht schwer fallen, für diesen Mann zu bürgen, nicht wahr?", sagte Aures in ruhigem Ton, doch Tharas Blick war nun eindeutig alarmiert. "Rean.", sagte er mit heiserer Stimme.

"Jetzt nicht, Tharas.", sagte Rean ohne sich umzudrehen. In Gedanken fügte er hinzu: /Ich versuche hier gerade, dein Leben zu retten./ Mit fester Stimme sagte er zu Aures: "Herr der Elfen, ich bin bereit, Euch jeden Eid zu schwören, den Ihr von mir verlangt."

"Gut. Dann bürgst du also dafür, dass dieser Mann, den du Tharas nennst, kein Feind der Elfen ist?"

"Ja, dafür bürge ich.", bestätigte der Junge. Was war es, das er in diesem Moment in Aures Augen sah? Mitleid? Schließlich gab der Fürst dem Henker den Befehl, Tharas Fesseln zu lösen.
 

Rean atmete erleichtert auf. Seine Hände hatte er unbewusst zu Fäusten geballt. Er schloss kurz die Augen und drehte sich dann zu seinem Freund um. Dieser stand schwankend auf und rieb sich die Handgelenke, die jedoch nicht einmal wund gescheuert waren, wie Rean überrascht feststellte. Langsam ging er auf ihn zu und schob ihm eine dicke Strähne schwarzen Haars aus dem Gesicht.

"Alles in Ordnung?", fragte er besorgt.

"Du musst verrückt sein…", murmelte Tharas. Seine Stimme war schwach. Anscheinend hatten ihm die Elfen schlimmer zugesetzt, als Rean bisher angenommen hatte. In einem Anflug von Erleichterung und dem Wunsch, seinen Freund zu trösten, nahm Rean ihn in die Arme. Sofort hob unter den Elfen erstauntes Getuschel an, weshalb sich der Junge wieder von ihm löste. Dann lächelte er ihn strahlend an. "Weißt du, ich glaube, damit sind wir quitt."

Aures räusperte sich vernehmlich, woraufhin ihm wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit aller zukam.

"Vorläufig, " wandte er sich an die beiden Prinzen, "werdet ihr von uns als Gäste angesehen. Doch nun möchte ich erfahren, was ihr in diesen Wäldern, von denen ihr eigentlich hättet wissen müssen, dass sie für einen von euch tödlich sein könnten, zu suchen habt. Folgt mir."
 

Er verließ das Podest und ging voraus zu einem Haus direkt dem gegenüber, in dem Rean erwacht war. Es war größer als die anderen und im Gegensatz zu ihnen zweigeschossig. Im großen Hauptraum, von dem noch zwei kleinere abzweigten und der außer einem weichen, weißen Teppich, einigen Kissen und einem niedrigen Tisch keine Möbel enthielt, hieß er sie, sich an dem Tisch niederzulassen und verschwand dann kurz in einem der angrenzenden Räume. Sie hörten ihn mit jemandem reden, dann kam er zurück und nahm ihnen gegenüber platz. Noch bevor einer von ihnen ein Wort sagen konnte, erschien aus dem Zimmer, in dem Aures gerade gewesen war, eine Gestalt.
 

Beiden, Rean sowie auch Tharas, stockte der Atem. Sie war wunderschön. Ihr grob gewelltes Haar war wie dunkler Honig und umrahmte ihr feines Gesicht. Auch sie hatte hohe Wangenknochen. Ihre sinnlichen Lippen umspielte ein leichtes Lächeln und ihre klugen Augen hatten eine Farbe wie ausgeblichenes Türkis, ja sie wurden zur Pupille hin fast weiß. Ihre Bewegungen waren so geschmeidig und von natürlicher Eleganz, dass Rean ein wenig neidisch wurde. Das schlichte weiße Gewand ließ eine schlanke Figur erahnen, zeigte und betonte jedoch nichts.
 

"Guten Abend und willkommen in unserem Haus.", sagte sie. Wieder lief Rean ein Schauer über den Rücken und als er Tharas ansah, erkannte er, dass es ihm ähnlich ergangen war. Die Stimme war freundlich und wohlklingend aber etwas tief für eine so zierliche Frau.

"Das ist Melean.", stellte Aures vor. "Das Licht meines Lebens."

Melean blickte ihn überrascht und ein wenig belustigt an. "So hast du mich seit Jahrhunderten nicht mehr genannt. Bist du krank oder hast du etwas angestellt? Was auch immer. Du hast ein unheimlich gutes Gespür für den falschen Zeitpunkt. Zurück zu euch…" Die hellen Augen richteten sich wieder auf Rean und Tharas. Mit flinken Schritten durchquerte Melean das Zimmer und ließ sich neben Aures nieder.

"Also. Wie mein Gatte ja bereits sagte ist mein Name Melean. Ich würde sagen, wir belassen es einfach dabei, ohne höfliche Anreden und das Ganze. Nennt mich einfach nur bei meinem Vornamen."

"Aber das können wir doch nicht einfach.", wandte Rean ein.

"Warum denn nicht? Ich bin nur die Person, die zufällig irgendwann einmal das Interesse des zukünftigen Fürsten erweckt und ihn geheiratet hat. Ihr seid wenigstens königlichen Geblüts im Gegensatz zu mir. Mein gesellschaftlicher Rang ist weit unter dem eueren. Also keine Widerrede."

"Gut, wie Ihr wollt.", räumte Rean ein. "Ich bin Rean von Eredrion. Es ist mir eine Ehre, Euch kennen zu lernen."

"Die Ehre ist ganz auf meiner Seite.", erwiderte Melean.

Tharas sah Melean mit zweifelndem Blick an, doch dann sagte er: "Mein Name ist Tharas. Ich bin Thronfolger des Königreiches Arc. Es ist mir eine Ehre, die Zierde des Elfenvolkes von Argaye kennen zu lernen."

Melean lachte glockenhell auf. "Fürwahr, Ihr habt eine Zunge aus Gold, Tharas von Arc. Ich freue mich über Euer Kompliment. Doch so schön auch Euere Worte sind, Euer Zustand ist, vergebt mir, bemitleidenswert. Ich würde vorschlagen, dass Ihr euch, bevor Ihr uns von Euerer Reise und dem Grund Eueres hier seins berichtet, erst einmal wascht. Dort in dem linken Zimmer steht eine Schüssel mit Wasser und es sind auch frische Tücher dort. Lasst Euch Zeit. Wir haben keine Eile."

"Ich würde vorschlagen, Ihr befolgt diesen Rat.", sagte nun auch Aures und Tharas raffte sich auf, um sich vom Schmutz der letzten Tage - waren es wirklich Tage gewesen? - zu befreien.
 

In dem kleinen Zimmer war es ziemlich dunkel und seine Augen mussten sich erst daran gewöhnen. Mit gespreizten Fingern schob er sich das Haar aus dem Gesicht und trat an die Waschschüssel. Rean, dieser dumme Junge. Er hatte keine Ahnung, was er da getan hatte. Und doch wäre er ohne ihn jetzt nicht mehr am Leben. Er würde sich noch bei ihm bedanken. Später.

Das Wasser war kühl, tat aber unheimlich gut. Die Elfenseile hatten ihn zwar nicht wund gescheuert, jedoch trotzdem geschmerzt, wie sie das mit jedem Geschöpf der Finsternis taten und wenn es nur ein halbes war.

Als sich die Wasseroberfläche nach dem Waschgang wieder beruhigt hatte, blickte er einen Moment fassungslos auf sein Spiegelbild. Er war wieder heil! Die Schramme, die geplatzte Lippe und die Beule waren verschwunden. Das einzige, was noch nicht wieder in Ordnung war, war seine Frisur. Er kämmte sein Haar grob mit den Fingern durch und erwog nicht zum ersten Mal, ob er es nicht vielleicht doch einmal abschneiden sollte. Dabei stieß er auf sein Haarband, das sich irgendwo in seiner Mähne verfangen hatte. Er zog es heraus und band seinen Zopf neu. Mit einem erneuten kritischen Blick in die Wasserschüssel befand er sich für tauglich und schloss sich wieder den Wartenden im Hauptzimmer an.
 

Mittlerweile hatte sich auch Soley dazu gesellt. Sie wirkte noch ein wenig verschlafen. Anscheinend war sie eben erst geweckt worden. Tharas hörte gerade, wie Melean zu Rean sagte: "Sie haben mir erzählt, dass Ihr ein hübscher Junge seid. Ich finde, sie haben nicht Recht." In Tharas wallten Mordgelüste auf. Rean blickte enttäuscht. "Wirklich nicht?", fragte er kleinlaut. "Nein. Ich finde…" Melean berührte sanft Reans Wange, "… dass Ihr eine echte Schönheit seid, junger Prinz." Nun errötete der Junge bis in die Haarspitzen. Ein anderes Gefühl machte sich in dem Prinzen von Arc breit: Eifersucht. "Verzeihung.", sagte er leichthin, als er Melean kurz aber nichtsdestoweniger beabsichtigt unsanft anstieß und sich wieder an Reans Seite niederließ. Dann wartete er, dass entweder Aures oder Melean einem von ihnen das Wort erteilen würde.
 

"Also, Tharas, " sagte Melean freundlich, "Nachdem Ihr anscheinend darauf brennt, uns alles zu erzählen, fangt doch einfach an."

Tharas begann, zu erzählen. Er erzählte von den versteinerten Menschen, dem Basilisken, den Banditen und dem Troll. Manchmal wurde seine Erzählung von Rean oder Soley ergänzt, doch Aures und Melean unterbrachen ihn kein einziges Mal und hörten sich alles sorgfältig an. Nachdem er geendet hatte, schwiegen sie noch eine Weile nachdenklich. Dann sagte Aures kopfschüttelnd: "So eine Geschichte kann man sich nicht ausdenken. Wie es scheint, haben wir Euch tatsächlich Unrecht getan. Doch Ihr müsst auch unsere Situation verstehen. Wir haben es nicht zum ersten Mal mit schwarzer Magie zu tun und ihre Folgen sind uns allgegenwärtig. Ich hoffe, Ihr nehmt unsere aufrichtige Entschuldigung an.

Doch zu Euerem Problem mit der Mandragora: Ich fürchte, ich muss Euch enttäuschen." Er seufzte schwer. Tharas und Rean blickten sich verständnislos an.

"Wie meint Ihr das?", hakte Tharas nach.

"Nun, " erklärte Aures weiter, "es ist so, dass wir diese doch so wundersame Pflanze nicht mehr haben. Unglücklicherweise habt ihr den weiten Weg umsonst gemacht."

"Das kann nicht wahr sein.", sagte Rean unglücklich und blickte hoffnungsvoll zu Melean, erhielt zur Antwort jedoch nur ein trauriges Kopfschütteln.

"Leider doch.", bestätigte Aures. "Doch ich hoffe, dass ihr als geringen Ausgleich wenigstens unsere Gastfreundschaft annehmt. Wir werden euch eine Hütte zur Verfügung stellen, in der ihr so lange bleiben könnt, wie ihr wollt. Außerdem werden wir euch frische Kleidung und Verpflegung zukommen lassen."
 

Rean hatte das Gefühl, innerlich leer zu sein. Seine Augen wurden feucht und er musste sich beherrschen, nicht loszuweinen. Alles war umsonst gewesen. Wozu hatte er das alles auf sich genommen? Wie sollte er denn nun seine Familie retten? Tharas bemerkte seinen Zustand und drückte unter dem Tisch sanft seine Hand.

"Wir danken Euch, Fürst Aures.", sagte er höflich. "Gerne nehmen wir Euere Freundlichkeit an. Wobei Rean sie schon etwas länger genießen kann als ich."

"Es tut uns wirklich Leid was geschehen ist, Tharas, dessen seid versichert.", erklärte Aures bedauernd. "Doch nun… " Er klatschte kurz in die Hände und ein Diener erschien. Rean und Tharas fragten sich, ob er schon die ganze Zeit da gewesen war oder nicht.

"… Er wird euch in eure Hütte bringen. Ruht aus, so gut ihr könnt. Ich hoffe, ihr gewährt mir die Bitte, morgen mit mir zu speisen." Die beiden nickten. Damit waren sie entlassen. Melean wünschte ihnen noch eine gute Nacht und dann folgten sie dem Elf über die Brücken zu der Hütte, in der Rean bisher untergebracht gewesen war. Dort waren zwei große Bettstätten und eine kleine Schlafgelegenheit für Soley aufgebaut worden. Auf jeder Bettstatt lagen sauber zusammengefaltete Kleidungsstücke, welche sie sogleich anzogen. Sie passten perfekt.

"Was ist denn eigentlich passiert während ich geschlafen habe?", fragte Rean plötzlich.

"Was passiert ist? Sie haben mich für drei Tage eingesperrt und verhört. Dann haben sie beschlossen, dass ich eine Gefahr für die Allgemeinheit bin und wollten mich hinrichten. Das war's.", erklärte Tharas nüchtern und wandte sich von Rean ab, doch dieser merkte, dass das nicht alles war.

"Was noch? Was haben sie mit dir gemacht, Tharas?", fragte er besorgt, doch Tharas weigerte sich, ihn anzusehen. Vorsichtig berührte Rean ihn an der Schulter, doch sein Freund zuckte wie unter einem Hieb zusammen. Der Junge zog erschrocken seine Hand zurück. "Sie haben dich gefoltert, oder?", fragte er bestürzt.

"Nicht direkt…", erklärte Tharas stockend. "Es reicht schon, dass sie mich berührt haben. Weißt du, ich bin ein Wesen der Finsternis, sie sind Wesen des Lichts. Wenn sie mich berühren und sei es nur ganz leicht, schießt ein Schmerz durch meinen Körper wie tausend Nadeln. Das gleiche gilt für die Seile, mit denen ich gefesselt war. Sie fügen jemandem wie mir automatisch Schmerzen zu. Du hast keine Ahnung, wie sich das anfühlt."

"Oh, Tharas, es tut mir Leid. Hätte ich auch nur geahnt, dass…" Er kam ihm wieder näher, doch in dem Moment erschienen zwei Elfen in der Tür, die ihnen zu Essen und zu Trinken brachten. Eine stellte in der Mitte des Raumes ein kleines Tischchen ab und darauf eine Schüssel mit verschiedenen Früchten. Die andere trug eine Schüssel mit Fisch, einen Krug, der mit Wasser gefüllt war und zwei Becher. Als sie ihre Arbeit verrichtet hatten, verabschiedeten sie sich mit einem Nicken wieder. Kurz darauf erschien ein Elf und brachte Kerzen, um das einbrechende Dunkel zu vertreiben. Tharas, Rean und Soley ließen sich an dem Tisch nieder und nahmen ihre Mahlzeit ein. Rean warf Tharas immer wieder verstohlene Blicke zu. Es war ihm bisher nicht aufgefallen, doch nun sah er, dass das Gesicht seines Freundes tatsächlich etwas mitgenommen wirkte. Warum hatten ihn die Elfen nur so lange schlafen lassen? Tharas hätte tot sein können. Gott sei Dank war er rechtzeitig erwacht. Ihre Blicke trafen sich und Rean glaubte, einen stillen Vorwurf in Tharas Augen zu erkennen. Er konnte es nicht ertragen und sah schnell weg.
 

Nach dem Essen stand er auf und ging nach draußen, um sich den warmen Sommerwind um die Nase wehen zu lassen. Der Mond ging am Horizont auf und die Sterne leuchteten so hell, wie er es noch nie gesehen hatte. Außerdem schienen sie hier im Reich der Elfen viel größer zu sein. Verträumt lehnte er sich mit dem Rücken gegen das Geländer der Brücke und blickte nach oben.

Tharas trat lautlos zu ihm. Da entdeckte Rean etwas am Firmament. "Schau mal, da war eine Sternschnuppe.", sagte er leise und lächelte.

"Wünsch dir was.", antwortete Tharas.

Rean schloss die Augen und überlegte einen Moment. "Willst du wissen, was ich mir gewünscht habe?", fragte er, nachdem er die Augen wieder geöffnet hatte und blickte Tharas mit einem unschuldigen Lächeln an.

Dieser musste unwillkürlich auch schmunzeln. "Nein. Weißt du, wenn du über deinen Wunsch sprichst, geht er nicht in Erfüllung."

"Oh. Na, wenn das so ist. Dann eben nicht." Er zuckte die Achseln. Eine Weile standen sie schweigend da und betrachteten den Himmel.

"Sie ist schön, nicht wahr?", stellte Rean plötzlich fest.

"Wen meinst du?", fragte Tharas.

"Melean. Sie strahlt von innen heraus. Ich glaube, ich habe noch nie eine schönere Frau gesehen."

Der Prinz von Arc lächelte. "Stimmt. Sie ist wirklich wunderschön. Was ich ihr vorhin gesagt habe, war nicht gelogen. Sogar für eine Elfe ist ihre Schönheit außergewöhnlich."

Rean schluckte. "Dann ist sie also die Art Frau, die dir gefällt?"

Tharas horchte auf. Dann zuckte er die Achseln. "Weißt du, ich lasse mich nicht gerne auf irgendeinen Typ festlegen. Natürlich, ich werde nicht wegsehen, wenn mir eine schöne Frau über den Weg läuft, aber in Meleans Fall ist das noch einmal etwas ganz anderes. Immerhin ist sie Aures Frau und somit unerreichbar."

"Und Aures ist unser Freund." Rean seufzte.

"Ich weiß nicht, ob ich ihn als Freund bezeichnen würde. Wir sind seine Gäste, ja. Aber zwischen Gast und Freund ist ein großer Unterschied. Zumal ihm dein Leben gehört."

"Was? Wie meinst du das, mein Leben gehört ihm?", fragte der Junge verwirrt.

"Du hast keine Ahnung, was du heute getan hast, indem du für mich gebürgt hast, nicht wahr?" Tharas blickte ihm ernst in die Augen.

Rean schüttelte den Kopf.

"Als du dafür gebürgt hast, dass ich ein Freund der Elfen bin, bist du mit den Elfen einen bindenden Vertrag eingegangen. Was auch immer ich tue, ich darf niemals etwas tun, das gegen die Elfen ist und sei es nur, dass ich offen anderer Meinung bin. Wenn das der Fall sein sollte, dann werden sie dich gnadenlos jagen und töten. Ja, dich und nicht mich, denn du hast mit deiner Bürgschaft meine Schuld auf dich genommen. Bist du immer noch so überzeugt, dass es richtig war, für mich zu bürgen?"

Rean überlegte einen Moment. Schließlich sagte er: "Ja, das bin ich."

"Du hast damit dein Leben aufs Spiel gesetzt.", wandte Tharas ein.

"Aber es war die einzige Möglichkeit, dir das Leben zu retten. Weißt du, ich hätte dich nicht einfach sterben lassen können und hätte dann weiter gelebt, als wäre nie etwas geschehen. Du bist der einzige Mensch auf der ganzen Welt, der mir wirklich etwas bedeutet. Ohne dich hätte ich nicht mehr weiterleben wollen. Nein, ich bereue es nicht. Und ich würde es jederzeit wieder tun. Selbst wenn mich dann Horden von Elfen verfolgen."

"Oh, Rean…", murmelte Tharas und blickte ihn zärtlich an.

"Schau mal." sagte Rean plötzlich und zeigte nach oben. "Da war noch eine Sternschnuppe. Aber weißt du was? Ich schenke dir den Wunsch. Na los, wünsch dir was."

Plötzlich waren sie sich nah. Sehr nah. Tharas zog ihn am Arm vorsichtig näher an sich heran. Die andere Hand legte er unter Reans Kinn und hob sein Gesicht langsam an.
 

Rean hatte das Gefühl, in diesen tiefen grünen Augen zu ertrinken. Sein Herz begann, schneller zu schlagen. Tharas Gesicht kam näher…
 

Die Sterne spiegelten sich in Reans großen blauen Augen wider und brachten sie auf wundersame Art zum Leuchten. Tharas konnte sich beim besten Willen nicht mehr beherrschen. Langsam senkte er sein Gesicht und legte seine Lippen sanft auf Reans. Sie waren so warm und weich und unheimlich süß. Wohlige Wärme und ein aufregendes Kribbeln schossen durch seinen Körper.
 

Rean war so verwirrt, dass er nicht einmal die Augen schließen konnte. Tharas war so zärtlich und die Gefühle, die er in ihm auslöste waren so schön. Als er die Lider senkte, löste sich Tharas von ihm und murmelte leise: "Danke." Dann wandte er sich ab, ging in die Hütte und ließ einen völlig verwirrten Rean zurück.
 

Rean berührte vorsichtig seine Lippen mit den Fingerspitzen, wie um den zarten Kuss festzuhalten. Waren das Tharas wirkliche Gefühle oder nur der Zauber des Augenblicks gewesen? Er wusste es nicht. Seine Knie waren weich und er musste sich kurz am Geländer festhalten weil ihn vor Glück schwindelte. Sein Herzschlag beruhigte sich allmählich wieder, das Kribbeln, das seinen Körper durchflutet hatte, hielt jedoch an.
 

In der Hütte musste Tharas breit grinsen. Er hatte das Gefühl, vor Glück zerspringen zu müssen. Soley blickte ihn verwirrt an. "Was grinst du so?"

"Ach, nur so. Ich bin einfach glücklich."

"Moment mal. Ihr habt die Mandragora nicht gekriegt, das eigentliche Ziel euerer Reise, du wärst heute beinahe gestorben, Rean hat für dich sein Leben förmlich weggeschmissen und du bist einfach nur glücklich?!?"

"Das verstehst du nicht, Glühwürmchen.", sagte Tharas, legte sich hin, wünschte ihr noch eine gute Nacht und zog sich die Decke über den Kopf.

"Allerdings…", murmelte Soley und schüttelte resigniert den Kopf.
 

Auf der anderen Seite des Dorfes löste sich Melean lächelnd aus dem Schatten und murmelte: "So ist das also…"

"So ist was?", fragte Aures.

"Ach nichts.", antwortete Melean und grinste. "Ich glaube, da könnte jemand bald ein wenig Hilfe meinerseits brauchen."

"Gut, aber nicht mehr heute. Komm ins Bett.", bat Aures.

"Mit dem größten Vergnügen, Geliebter.", stimmte Melean zu und kroch zu ihm unter die Decke.



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