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Tango

Das Rosa Cama in Buenos Aires
von

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Der vierte Tanz

Nun folgt also auf das dritte Kapitel das vierte; welch unerwartete Wendung des Geschehens xD

Sorry, ich hab wieder meine fünf Minuten (Die sich bei mir auch oft auf den Rest des Tages ausdehnen können) Aber mit sowas unwichtigen möchte ich euch ja nicht nerven^^

Zum Kapitel:

Es gibt tatsächlich eine kleine Wendung und ich hoffe, ihr steinigt mich nach dem kapitel nicht >__<"

Dieses Kapitel wurde sogar Beta-gelesen, von meinem lieben Höllenfeuerengelchen *es an dieser Stelle grüßt und sich bedankt* Also wenn ihr noch Fehler entdeckt, dann lyncht sie, nicht mich :D (Btw, wenn das irgendwer wagt, bekomt es mit mir zu tun!! Ò__Ó)

Viel Spaß also mit dem vierten Tanz!

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Ein Abend wie jeder; eine Nacht wie jede.

Als sie so nah neben diesem ihr doch so fremden Mann lag, dachte sie, wie so oft, an jene Nacht, in der Julio sie in seinen Armen gehalten hatte und sie seinen Herzschlag gespürt hatte. Seit diesem Erlebnis waren nun fünf Wochen vergangen, in denen sie Julio Sangre nicht mehr gesehen hatte. Sie seufzte bitter und erinnerte sich nur zu gut daran, wie er sie auf der Tanzfläche geführt hatte und wie seine geschmeidigen Bewegungen ihr imponiert hatten.

Aber er hatte es nicht für notwendig befunden, sie darüber zu unterrichten, dass er ein Prinz war. Es machte sie zornig. Hätte sie das gewusst, wäre sie ganz anders mit ihm umgegangen, aber er hatte sie in dem Glauben gelassen, er sei lediglich ein Mann der oberen Mittelschicht; für sie zwar auch nicht zu erreichen, aber immer noch greifbarer als der Sohn des Herzogs von Palermo.

Der Mann neben ihr erhob sich und drückte ihr, als er zu seinen Kleidern gegangen war, ein Säckchen mit Geldstücken darin in die Hand. Schnell warf sie einen Blick hinein und als sie es für genug befand, begann auch sie sich wieder zu bekleiden.
 

Seufzend saß sie neben Emilie und starrte abwesend aus dem Fenster, gegen das dicke Regentropfen trommelten. Hin und wieder durchzuckte ein Blitz die dichte Wolkendecke, dem ein grollender Donner folgte.

„Was ist denn eigentlich mit dir los? Seit über einem Monat bläst du nun schon Trübsal und weist fast jeden zweiten Freier ab. Nein, nein, meine Liebe, so kann das mit dir nicht weitergehen!“ Die Französin runzelte die Stirn und sah ihre Freundin durchdringend an. Erstaunt hob Carmen die Augenbrauen und entgegnete gezwungen lächelnd: „Weswegen sollte ich denn niedergeschlagen sein? Mir geht es nur gerade gesundheitlich nicht so gut; ich bin etwas angeschlagen, musst du wissen.“ Ihre Freundin schüttelte nur den Kopf darüber, dann schwiegen sie erneut.

Nach einiger Zeit wandte sich Carmen erneut vom Sturm ab und schluchzte, sich gegen Emilies Brust werfend: „Ach, ich vermisse ihn so sehr!“

„Na endlich.“ Hörte sie ihre Freundin mit warmer Stimme seufzen.

„Aber das ist so töricht!“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und dicke, heiße Tränen flossen ihre Wangen hinunter. „Ich habe einmal mit ihm getanzt, ihn noch nie zuvor in meinem Leben gesehen! Außerdem hätte ich bei einem Prinzen niemals auch nur den Hauch einer Chance, wieso vermisse ich diesen Mann dann so sehr?“ Die Französin hatte die Arme um sie gelegt und streichelte ihr beruhigend über den Rücken, sagte aber nichts darauf, weil Carmen sich im nächsten Moment aus der Umarmung befreite, Emilie fest in die Augen sah und sich ihre Frage selbst beantwortete: „Warum muss ich mich ausgerechnet in diesen reichen Schönling verlieben? Das ist so unsinnig!“

„Das Herz wählt, wen es wählt, auch wenn es dir noch so unsinnig erscheint. Einmal, in Frankreich, da habe ich mich auch in einen jungen Edelmann verliebt.“, erzählte Emilie und ein melancholisches Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Carmens Augen blitzten auf und sie fragte hoffnungsvoll: „Und? Hast du ihn bekommen?“ Traurig schüttelte Emilie den Kopf. Die Augen der Jüngeren füllten sich erneut mit Tränen. Bitterlich heulte sie auf und barg das Gesicht mit gekrümmten Rücken in ihren Händen. Hastig nahm die Französin sie wieder in ihre Arme und sagte: „Nun wein doch nicht gleich wieder, Chérie, ich wollte dir damit nur sagen, dass das vorbeigeht; es schmerzt nur für den Moment.“

„Aber es tut so weh! Es ist, als zerreiße es mir mein Herz. Obwohl es doch so dumm von mir ist… Ich kenne ihn nicht, ich habe ihn einmal gesehen und weiß nichts von ihm, außer dass er der Prinz Julio Sangre ist, Sohn und Erbe des Herzogs von Palermo.“
 

Am selben Abend war Julio im Zimmer seines Bruders, stand vor der Balkontür und sah auf das Gewitter. Ramón saß auf seinem riesigen Bett, hatte sich eine Pfeife angezündet und fragte übellaunig: „Warum musste ich das hübsche Mädchen jetzt wegschicken, wenn du doch ohnehin nur aus dem Fenster starrst; das hättest du auch in deinem Zimmer tun können und ich hätte mich hier mit dem Mädchen amüsieren können.“ Der Dunkelhaarige verschränkte die Hände hinter dem Rücken und drehte sich mit todernstem Gesicht um. Er sog die Luft ein und sagte: „Ich glaube, ich habe mich verliebt.“ In dem Moment erhellte ein Blitz den Himmel und der Donner grollte gefährlich.

Im nächsten Augenblick musterte Ramón ihn ungläubig, dann schüttelte er den Kopf und schließlich lachte er schallend. „Du hast dich verliebt? Na das ist ja wunderbar; lass es uns gleich Mutter und Vater erzählen!“

„Nein!“, rief Julio hastig, als sein Bruder schon aufgesprungen war. Der Hellhaarige drehte sich zu ihm um, bedachte ihn mit einem skeptischen Blick und endlich fragte er: „Warum?“ Julio scharrte nervös mit der Ferse auf dem Fußboden, dann druckste er: „Nun ja, ich glaube, dass sie den Vorstellungen unserer Eltern nicht ganz entspricht.“

„Du glaubst heute Abend ja ziemlich viel.“ Ramón hob die Augenbrauen und wartete auf eine Erklärung. Julio war um diese jedoch sehr verlegen und suchte nach den richtigen Worten. Nachdem Ramón ihn aber nur auffordernd ansah, setzte er sich in einen Sessel und seufzte schwer.

„Weißt du noch, als wir vor ein paar Wochen vor der Kirche standen und du mir von den Huren erzählt hast?“, begann der Dunkelhaarige und sein Bruder nickte stumm. „Diese eine, die sich so geräkelt hat, dass man sogar ihre Waden sehen konnte; erinnerst du dich an sie?“ Erneut nickte Ramón mit ernstem Gesicht. „Die ist es.“ Als hätte er gerade einen 800-Meter-Lauf absolviert lehnte er sich zurück und atmete tief durch.

Ramón starrte ihn einige Sekunden mit offenem Mund an, dann begann er schallend zu lachen und prustete: „Nein! Ich hätte dir das gerade fast geglaubt! Du bist doch wirklich einer…“ Als Julio ihn jedoch weiterhin ernst ansah und keine Miene verzog, stockte der Größere und fragte leise: „Das war dein Ernst? Du nimmst mich nicht auf den Arm?“ Nun war Julio derjenige, der schweigend nickte.

Offenbar suchte Ramón nach den richtigen Worten, denn immer wieder öffnete er den Mund, als wollte er etwas sagen, schloss ihn dann aber wieder unverrichteter Dinge. Als ihm scheinbar nichts anderes einfiel, fragte er: „Und nun?“ Julio zuckte unschlüssig mit den Schultern.

„Darum bin ich hier: Wie kann ich sie aus meinen Gedanken verbannen?“ Die nächste Minute schaute sich Ramón nachdenklich im Zimmer um, schließlich sah er wieder zu Julio und sagte zögerlich: „Geh wieder zu ihr.“

„Was?“ Die Augen Julios weiteten sich und er schüttelte ungläubig den Kopf. „Was meinst du denn damit?“

„Na dass du sie noch einmal ran nehmen sollst…“

„Aber warum das denn?“ Ramón rollte mit den Augen und entgegnete: „Na warum wohl? Weil du es kannst!“

„Aber das geht doch nicht!“

„Wieso sollte das nicht gehen? Dich zu lieben ist ihr Beruf.“ Einen Moment lang überlegte Julio, es wirklich so zu machen, doch er schüttelte vehement den Kopf und sagte: „Das bringt mir aber nichts, da könnte ich mir jedes Weib nehmen.“

„Das ist ja gerade das Schöne am Mann-Sein, du kannst dir jederzeit ein Weib nehmen und dann auch noch wählen.“

„Im heiligen Bund der Ehe wird das aber auch anders…“

„Ach, sei doch ruhig! Dir ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Wenn du nicht zu der Hure willst, dann bleib ihr halt fern und nun lass mich in Frieden, ich will schlafen.“ Seufzend verließ der Ältere den Raum. Das Gespräch hatte ihm rein gar nichts gebracht, schließlich hatte er das nun schon fünf Wochen lang versucht und es hatte damit geendet, dass sie jede Nacht in seinen Träumen erschien.

Vor der Tür ging eine Sklavin unruhig auf und ab. Julio hielt inne, sah sie einen Moment lang an und fragte schließlich: „Was machst du hier? Hast du nichts zu tun?“ Der Hochmut in seiner Stimme, als er mit ihr sprach, war nicht zu überhören. Das Mädchen schrak auf, lächelte ihn dann an und sagte: „Don Julio, welche glücklicher Zufall; zu Euch wollte ich gerade. Eure Mutter verlangt nach Euch.“ Verwundert hob er die Augenbrauen und fragte: „Meine Mutter? Was will die denn schon wieder von mir?“ das Mädchen zuckte nur mit den Schultern und begleitete ihn, als er schnellen Schrittes in das Schlafzimmer seiner Mutter lief. Um diese Uhrzeit war ihre Migräne immer am schlimmsten und für gewöhnlich hasste sie es, wenn irgendjemand sie störte. Vorsichtig klopfte er an und wunderte sich, als er mit einem herzlichen „Herein“ willkommen geheißen wurde. Die Vorhänge waren zurückgezogen und die Fenster geöffnet, sodass ein kühler Windhauch hineinströmte und der Geruch des Regens das Zimmer erfüllte und die Flammen der Kerzen in den Haltern zum Flackern brachte.

An dem kleinen Tisch in der hinteren Ecke saß seine Mutter bei einem Glas Wasser mit einer jungen Frau beisammen. Die beiden Frauen drehten sich zu ihm um und den fast schon ängstlichen Blick der Fremden ignorierend, verbeugte er sich und fragte mit geneigtem Haupt: „Ihr ließt nach mir rufen, Mutter?“ Diese winkte ihn zu sich heran und erklärte freudestrahlend: „Julio, mein liebster Sohn, endlich bist du da. Ist es nicht ein scheußliches Wetter heute?“

„Ja Mutter, da habt Ihr vollkommen Recht.“ Wenn seine Mutter trotz des schlechten Wetters so gut gelaunt war, konnte das nichts Gutes für ihn verheißen. Und was hatte es mit dieser jungen Frau, die ihn so schüchtern anlächelte, auf sich?

„Komm doch und setz dich zu uns, Julio, ich muss dir jemanden vorstellen.“

„Es wird sich wohl um die Señorita handeln; einen schönen Tag wünsche ich, mein Name ist Julio Sangre, es ist mir eine Ehre Eure Bekanntschaft zu machen.“ Er kam auf sie zu und ergriff ihre Hand, diese zu küssen und sich zu verbeugen. Hastig stand sie auf und knickste verlegen. Seine Mutter lachte herzhaft auf und sagte: „Julio, das ist Esperanza Maladie, deine Verlobte.“ Die Gesichtszüge des jungen Mannes entgleisten und fassungslos starrte er auf seine Mutter. „Meine… was?“, fragte er und sah wieder zu der jungen Frau, deren Hand er immer noch hielt.

„Deine Verlobte, mein Lieber, komm und setz dich zu uns, dass ihr euch ein wenig näher kennen lernen könnt. Und gib Acht, dass du ihre Hand nicht zerdrückst.“ Wie von der Tarantel gestochen ließ er die Hand Esperanzas los und ließ sich, noch immer fassungslos, auf den dritten Stuhl sinken.

„Meine Verlobte.“, sagte er abwesend zu sich selbst und starrte auf den Tisch.

„Ach, mein lieber Junge“, begann seine Mutter. „Sie ist eine reizende junge Dame. Nun wirst du doch noch heiraten, bevor du 25 wirst, dein Vater und ich hatten uns schon Sorgen gemacht, ob wir noch eine geeignete Frau für dich finden und Esperanza ist geradezu perfekt. Am Besten setzt ihr euch jetzt in den Salon und lernt euch näher kennen. Ich möchte mich hinlegen, denn meine Migräne kommt zurück und droht meinen Kopf zu sprengen…“ Prompt erhob sich Esperanza und knickste höflich. „Jawohl, Doña Sangre.“

„Oh, nenn mich ‚Mutter’. Julio? Was ist mit dir?“ Der Angesprochene schien aus einer Trance zu erwachen, schüttelte leicht den Kopf, erhob sich aber und verbeugte sich tief. „Wie Ihr wünscht, Mutter. Erholt Euch gut.“ Damit drehte er sich um und verließ, Esperanza im Schlepptau, das Zimmer geradezu fluchtartig.

„Wie alt seid Ihr?“, fragte er, als sie auf dem Flur waren.

„20.“, sagte sie kurz angebunden und als er gerade etwas darauf erwidern wollte, fiel sie ihm hastig ins Wort: „Es macht mir aber wirklich nichts aus, dass Ihr fast fünf Jahre älter seid als ich, Don Julio. Um ehrlich zu sein sind mir die Männer in meinem Alter viel zu kindlich.“

„Woher wollt Ihr wissen, dass ich reifer bin?“, unterbrach er sie, als sie in den Salon eintraten.

„So etwas sieht man.“, erklärte sie und ließ sich auf das Sofa nieder, als er es ihr anbot.

„Ach?“ Auch er setzte sich auf dasselbe Sofa, allerdings sehr darauf bedacht so viel Platz wie möglich zwischen ihnen zu lassen.

„Ja.“, fuhr sie fort. „Man sieht es an Euren Gestiken, der Eleganz Eurer Schritte und den klaren Zügen in Eurem Gesicht.“

„Habt Ihr das alles eben bemerkt?“, fragte er und war etwas erstaunt, ob ihrer Schwärmerei. Daraufhin kicherte sie leicht und erwiderte: „Aber nein, ich sah Euch schon auf dem Ball vor einigen Wochen. Und schon da…“ Sie brach ab und errötete kaum merklich, was sie dazu bewegte ihren Fächer zu zücken und ihre Wangen elegant dahinter zu verstecken. Verwundert blinzelte Julio und forderte sie auf: „Bitte, sprecht doch weiter. Was war schon auf dem Ball?“ Er merkte nicht, dass er sie damit noch mehr in Bedrängnis brachte. Ungeschickt druckste sie herum, doch schließlich brachte sie auf seinen fragenden Blick hin heraus: „Schon da habe ich mich ein klein wenig in Euch… verliebt.“

„In mich verliebt?“, wiederholte er ihre Worte ungläubig, seinen Ohren nicht ganz trauend. Erlaubte sich dieses Fräulein etwa einen Spaß auf seine Kosten? Skeptisch musterte er sie. Sie nickte verlegen, sagte aber nichts darauf, woraufhin eine unangenehme Stille zwischen den Beiden ausbrach.

Dieses Mädchen sollte er heiraten. Mit diesem Mädchen sollte er den Rest seines Lebens verbringen. Es war ihm nahezu unheimlich, wenn er daran dachte, dass er in nicht allzu langer Zeit Morgen für Morgen neben ihr aufwachen würde; seine Gedanken schweiften zu Carmen. Wäre es ihm lieber, wenn es sich um sie drehen würde? Wenn auch nur um ein Geringes, er kannte Carmen besser als das brave, schüchterne Mädchen, das hier neben ihm saß. Die beiden Frauen schienen sich zu gleichen wie Nacht und Tag. Esperanza war ein hübsches Mädchen, das stets tat wie ihr geheißen; Carmen dagegen war heißblütig und konnte schon mal aufbrausend werden, wenn ihr etwas nicht gefiel. So schätzte er die beiden zumindest ein.

„Mein Vater spricht gerade mit Eurem Vater die Details der Hochzeit ab. Ich hoffe, dass die Vermählung so schnell wie möglich eintrifft.“, riss ihn Esperanza aus den Gedanken. Ihre Stimme war so anders als die Carmens. Sie hatte etwas Unschuldiges, Kindliches an sich, wohingegen Carmens sinnlich tief lag. Julio nickte nur, immer noch nicht wieder fähig zu sprechen. Die Details? Was verstand man unter den ‚Details’? So Sachen wie Mitgifts, Daten der Bekanntgabe der Verlobung, der Verlobungsfeier und der Hochzeit? Oder waren es andere Dinge? Vielleicht wie viele Kinder sie mindestens haben sollten?

Kinder? Eine Ehe erforderte Kinder von ihm! Schreiende kleine Bälger, die dieses unschuldige Wesen, das hier neben ihm saß, ihm gebären sollte…

Er steigerte sich weiter in diese panischen Gedanken hinein und merkte so gar nicht, wie Esperanza ihn beobachtete und dass sein immer weiter entgleisender Blick ihr natürlich nicht entging. Mit traurigem Gesicht fragte sie ihn schließlich: „Ist es Euch so zuwider mich zu ehelichen? Ist es für Euch eine solch grausame Vorstellung mit mir ein Bett zu teilen? Dann tut es mir leid, dass ich meinen Vater dazu überredete.“ Als er in ihre traurigen, großen Augen sah, schämte er sich etwas.

„Nein, nein… So ist es wirklich nicht, es ist nur, dass mich diese Botschaft so überraschend trifft und schließlich verändert das mein- unser ganzes Leben.“ Unser. Würde er von jetzt an immer ‚unser’ sagen müssen?

Sie seufzte, schien aber nicht erleichterter sondern sagte: „Ich muss mich wirklich bei Euch entschuldigen. Ich hätte wissen sollen, dass ein Mädchen wie ich Euch nicht interessiert. Ich bin weder besonders schlau, noch besonders hübsch; an mir ist wahrlich nichts, was auf Männer anziehend wirken könnte.“ Sie wollte aufstehen und aus dem Zimmer stürzen, doch er hielt sie am Handgelenk fest. Durch diese so persönliche Geste errötete Esperanza und versteckte das Gesicht gleich darauf wieder hinter ihrem Fächer. Julio ließ sich dadurch nicht einschüchtern, und entgegnete, ihr fest in die Augen schauend: „Ihr versteht mich völlig falsch. Es liegt nicht an eurem Gesicht, das nebenbei bemerkt sehr hübsch ist, oder gar an Euren weiblichen Rundungen.“ Julio errötete leicht, weil er damit zugegeben hatte, dass er sie auf eine lüsterne Art gemustert hatte und auch auf Esperanzas Wangen legte sich ein Hauch Rot an. „Es überrumpelt mich gerade wirklich. Und Ihr? Seid Ihr Euch denn sicher, dass Ihr den Rest Eures Lebens mit einem Mann wie mir verbringen wollt?“ Die junge Frau nickte bestimmt und erklärte: „Ich verbringe lieber mit einem Mann wie Euch mein Leben, als mit einem ungehobelten Flegel oder niemandem.“

„Also bin ich eine Art Notlösung?“, fragte Julio verwirrt und hatte die Hand Esperanzas, die noch immer in seiner lag, schon wieder vergessen - schon das zweite Mal. Erschrocken schüttelte sie den Kopf und sagte hastig: „Nein, ganz und gar nicht, Don Julio. Bitte versteht mich nicht falsch. Wie ich bereits sagte, habe ich Euch das erste Mal auf dem Ball Eurer Eltern vor einigen Wochen gesehen. Damals traute ich mich nicht, Euch anzusprechen, schließlich ward Ihr zu jeder Zeit von Damen umringt und später fand ich Euch nicht mehr.“ Er wusste, warum sie ihn nicht hatte finden können, schwieg aber und hörte sie zu Ende an. „Euer charmantes Lächeln hat mich wahrlich betört und es stört mich kaum, dass ihr keine Perücke tragt, oder Euch nicht schminkt, auch wenn ich sehr konservativ erzogen wurde und meine Eltern es bemängelten, als ich Ihnen von meiner Bitte erzählte. Bitte weist mich nicht zurück, ich werde Euch ein gutes Weib sein, das verspreche ich.“

„Das glaube ich Euch gerne, Señorita Maladie, nur gibt es da das Problem, dass ich…“

„Bruderherz!“ Die Flügeltüre des Salons wurde aufgerissen und Ramón platzte herein, Julio unterbrechend. „Wie hast du das angestellt? Vater hat es mir gerade erzählt! Dass du es schaffst unsere Eltern von einer Hochzeit mit einer…“ Er stockte und sah auf Esperanza.

„Wer ist das denn?“, fragte er ungehobelt. Nun griff Julio ein und tadelte seinen Bruder: „Ramón, ich bitte dich! Wo ist deine gute Erziehung? Die reizende junge Dame hier neben mir ist Esperanza Maladie; die zukünftige Doña Sangre.“ Er konnte sehen, wie sie errötete, aber es zu leugnen hatte ohnehin keinen Zweck gehabt und so machte er gute Miene zum bösen Spiel.

„Das ist deine Verlobte? Aber ich dachte…“, setzte Ramón an, doch der Dunkelhaarige räusperte sich warnend. Dass seine Liebe zu dieser Hure ans Tageslicht kam, war das Letzte, was ihm lieb war. Ramón sah enttäuscht aus, doch er fasste sich schnell wieder und trat auf die junge Frau zu.

„Wenn ich wohl um ihre Hand bitten dürfte.“, sagte er an Julio gewandt, der sich erst jetzt wieder gewahr wurde, dass er Esperanzas Hand noch immer hielt. Dieser ließ die Hand abrupt los und seine Ohren wurden leicht rötlich, woraufhin ihn sein Bruder angrinste, bevor er die Hand Esperanzas selbst ergriff, sie beinahe mit seinen Lippen berührte und sich verbeugte, als er sagte: „Es ist mir eine außerordentliche Ehre die Bekanntschaft einer solch wunderschönen Frau zu machen, die mein Bruder bald sein Eigen nennen kann; er ist wahrlich zu beneiden.“

„Ramón!“, rief Julio empört aus. Er wusste genau, dass sein Bruder sich einen Spaß daraus machte, junge, unbefleckte Frauen auf diese doch sehr galante Weise zu verführen und war jedoch sehr entrüstet, dass Ramón nicht einmal vor seiner Verlobten Halt machte. „Ich bitte dich! Halte deine Hormone im Zaum, wenigstens im Angesicht meiner Verlobten.“ Er betonte es, als hätte er Angst, Ramón hätte sie wirklich verführen können. Dieser lachte allerdings auf und entgegnete, sich wieder aufrichtend: „Mein lieber Bruder, ich werde meiner Schwägerin doch noch ein Kompliment machen können. Außerdem bin ich nur hergekommen, weil ich eigentlich noch einmal mit dir reden wollte.“

„Ach?“ Er sah seinen Bruder verwundert an und fragte: „Was gibt es denn?“

„Unter vier Augen.“, raunte Ramón ihm zu, einen Seitenblick auf Esperanza werfend. Etwas erstaunt nickte der Dunkelhaarige.

„Meine liebe Señorita Maladie, aber ich entführe Euch meinen Bruder für diesen Abend, denn er hat mir schon vor geraumer Zeit versprochen, ihn mit mir zu verbringen.“, sagte Ramón mit einem galanten Lächeln an Esperanza gewandt. Was sollte das denn? Wann hatte Julio ihm denn versprochen, den Abend mit ihm zu verbringen? Insofern er sich erinnern konnte, hatte er ihm eher versprochen, ihn diesen Abend nicht mehr zu nerven. Dennoch erhob sich der Ältere und verabschiedete sich gebührend von der jungen Dame, die er nun noch so oft in seinem Leben sehen sollte.

Als Ramón die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, herrschte er seinen Bruder kurz angebunden an: „In dein Zimmer!“ und ohne drauf zu warten, dass dieser sein Einverständnis gab setzte sich der Größere in Bewegung.

Hinter ihnen schlug er die Tür ins Schloss und brüllte Julio an: „Verlobt? Ich glaub es ja nicht! Wie kommst du auf die Idee dich mit einem Mädchen zu verloben, nur weil du die Hure nicht kriegst? Bist du denn völlig von Sinnen?“ Er schritt zornig im Zimmer auf und ab und fuhr seinen Bruder weiterhin an: „Du kannst nicht mehr bei Sinnen sein! Dieses Frauchen, das da im Salon sitzt, woher kennst du sie?“

„Mein lieber Ramón.“, begann der Angesprochene auf ihn einzureden und setzte sich auf einen der drei Polsterstühle. „Als allererstes frage ich mich wirklich, warum du dich so aufregst, schließlich ist es mein Leben. Und des Weiteren kann ich dich teilweise beruhigen. Diese Verlobung war keineswegs mein Entschluss, sondern der Esperanzas, sie hat ihren Vater gebeten, um meine Hand anzuhalten.“ Ihn ungläubig musternd blieb Ramón stehen und fragte: „Sie hat um deine Hand angehalten?“ Er schüttelte den Kopf. „Was ist das denn für ein Mädchen? Ich weiß nicht, ob das noch als avantgardistisch oder einfach nur noch als verquer durchgeht, wenn die Frau um die Hand des Mannes anhält. Stell dir vor, das würde publik! Mein Gott, was hat Vater nur dazu gebracht, diese Verlobung zu bewilligen? Die größte Mitgift der Welt hätte mich nicht so tief sinken lassen. Wäre ich dein Vater, Julio…“ Nun konnte Julio sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Und auf Ramóns entgeisterten Blick hin, erklärte er, immer noch kichernd: „Jetzt verkündet mein wohlgemerkt jüngerer Bruder schon, was er täte, wäre er denn mein Vater. Mein lieber Bruder, mach dir keine Sorgen um mich, das Mädchen ist doch eigentlich sehr nett.“ Auch Ramón lachte auf und entgegnete: „Gut, du magst Recht haben, dass ich übertreibe, wenn ich dir sage, was ich täte, wäre ich unser Vater, aber ich kann dir sagen, was ich als dein jüngerer Bruder tue.“ Er kam langsam auf Julio zu. „Weißt du, was ich schon immer von dir wollte?“ Er kam immer näher und als er kurz vor ihm stehen blieb, beugte er sich zu seinem Bruder hinunter und hauchte in dessen Ohr: „Und was du mir bisher nie gegeben hast?“ Der Atem des Dunkelhaarigen stockte und sein Herz raste in seiner Brust. Was sollte das werden? Was würde Ramón ihm jetzt sagen?

„Eine Kneipentour! Und heute Abend kommst du mit, Brüderchen! Da gibt es keine faulen Ausreden und am Schluss gehen wir zusammen ins Rosa Cama, dann kannst du es der Hure die ganze Nacht lang besorgen.“

„Herrgott, Ramón! Du hast mich zu Tode erschreckt!“, blaffte Julio seinen Bruder an und stieß ihn von sich, stand auf und fuhr fort, wenn auch etwas ruhiger: „Außerdem bin ich jetzt verlobt.“

„Na und?“, fragte dieser und zuckte die Achseln. „Nur weil du verlobt bist, heißt das noch lange nicht, dass du keusch sein musst, wie der Pfaffe, den ich letzte Woche übrigens auch in einem dieser Häuser getroffen habe.“ Ein Grinsen umspielte seine Mundwinkel, als er das sagte. Julio schüttelte nur den Kopf, seufzte aber schließlich resignierend: „Ich habe es dir ja wirklich schon oft versprochen und noch nie gehalten also lieber, wenn ich noch verlobt bin, als wenn ich schon verheiratet bin.“

„Das ist die richtige Einstellung, Bruderherz!“ Er klopfte dem Dunkelhaarigen auf die Schulter. „Aber pass auf, dass du nicht zu viel säufst, sonst kriegst du nämlich keinen mehr hoch…“

„Danke für den Tipp.“, murmelte Julio. Die Offenherzigkeit mit der sein Bruder mit solchen Dingen umging, machte ihn immer verlegen.

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Hat Esperanza euch überrascht? Mich auch... Dass das schüchterne Ding es sich traut einfach jegliche Regeln des 'um die Hand anhaltens' zu jener Zeit auf den Kopf stellt...

OMG, da bemerke ich auch wieder, dass ich meine Geschichte nicht mehr schreibe, sondern mehr lese und die Charaktere ihr eigenleben entwickeln u__u

Also danke für's Lesen, lG Terrormopf^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2007-10-19T20:56:12+00:00 19.10.2007 22:56
oh, ich muss mich wohl Pluie anschließen...
Ist relativ schwierig...
Ja, was soll ich sagen, außer dass ich mich ärgere, nicht früher zum Lesen gekommen zu sein...
Und du hast soviel geschrieben...
Es ist alles toll, was ich bisher von dir gelesen hab: Der Stil fällt nicht, schwankt nicht, die Storyline samt Setting bleibt authentisch... Nicht schlecht, nicht schlecht...
Von:  Allmacht
2007-09-12T16:31:04+00:00 12.09.2007 18:31
Esperanza hat mich wirklich überrscht.
Sie ist ja ziemlich abgebrüht.
Aber wenn Julio den Rat seines Bruders ernst nimmt, dann bekommt er mit mir Schwierigkeiten. *schwör*
Ramon hätte irgendwie Esperanza verdient, so wie der sich aufführt.
lg
Von: abgemeldet
2007-09-12T15:24:13+00:00 12.09.2007 17:24
Bevor ich zum eigentlich Kommentar komme, muss ich mich noch kurz über etwas beschweren: *räusper* Es ist echt ätzend, dass man während des Kommentareschreibens den Text dazu nicht mehr lesen kann. -.- Die Hälfte von dem, was ich mir während des Lesens denke, hab ich am Schluss schon wieder vergessen. >.>

Jetzt, aber: ^__^ Mir ist doch tatsächlich ein Rechtschreibfehler auf gefallen. *g* Allerdings nur ein einziger und ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich einer war... Ich weiß dummerweise nciht mehr genau, WO das jetzt war... (genau deshalb will ich den Text zum Kommentieren noch mal durchlesen!) Es war ziemlich am Anfang, als die Passage von Emilie und Carmen auf Julio und Ramón wechselte. Da steht mitten im Satz dann eine Wörtliche Rede und ich denke, nach dieser müsste groß weitergeschrieben werden. also statt ." das Mädchen ( ich denke, so ging der folgende Satz los) ." Das Mädchen...
Joah, für einen einzigen Fehler hab ich ja ganz schön viel geschrieben... >.>" Meine Herrn.

Und Julios Eltern sind bescheuert. So, das musste mal gesagt werden. -.- Wie können sie ihn einfach, ohne sein Wissen, verloben? Vor allem, wo er und Carmen doch dasselbe füreinander fühlen. Klar, beide stehen auf ziemlich verlorenem Posten und Esperanza (schöner Name, btw) wäre wohl die beste Partie für Julio, aber irgendwie, ihr Mut in allen Ehren, gefällt mir das nicht. -.- Und darf ich jetzt davon ausgehen, dass Ramón-in-Action diesmal geschildert wird? *g* Das wäre die angemessene Entschädigung für die Verlobte.

lG Pluie


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