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Open Frontier

Wettbewerb des KouKou-Zirkels
von

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Es gibt Dinge, die sollte man im Zuge des Erwachsenwerdens lernen, so möchte man meinen.

Hierzu gehört einen gewissen Gelassenheit gegenüber gewissen Menschen und Äußerungen genauso, wie dass man ab und zu vielleicht doch mal Socken und Klobürste(wobei letztere eindeutig im Flur fehl am Platz war) wechseln sollte oder dass man wichtige Sachen doch lieber selbst tat, anstatt sich nachher zu beschweren wenn andere es versaut hatten. Kleine Alltagfertigkeiten, keine übermäßigen Herausforderungen.

Doch offenbar scheiterte Kouichis Bruder schon daran. ..oder er war so ignorant, dass er gar nichts mehr mitbekam.
 

Anders konnte er sich nicht erklären, wie Kouji in einer solchen Müllhalde leben konnte, ohne selbst anzufangen zu schimmeln.

In dem Appartement, dass jener mit seinem besten Freund Takuya bewohnte waberte das absolute Chaos von Raum zu Raum.

Kleine Türme von halbleeren Pizzakartons, scheinbar getragene Socken, grünschimmlig überzogenen Schachteln mit etwas, dass wohl mal gebratene Nudeln gewesen waren, leicht verknickte Unterlagen über die Sowjetunion, Bonbonpapiere und leere Bierdosen raschelten unter seinen Füßen, als Kouichi sich durch den Flur kämpfte.

Stumm überlegte er, dass er die Schuhe vielleicht doch besser hätte anlassen sollen. Wer weiß, was hier noch für Bestien in diesem Dschungel lauerten?

Sein Bruder, der vor ihm in die Küche gegangen war, wusste es sicher nicht.

Mutierte Kakerlaken vielleicht? Oder Mörderspinnen?
 

Apropos Spinne.

Im Türrahmen zur Küche hatte es sich ein besonders fettes, schwarzes Exemplar häuslich eingerichtet, wovon nicht nur das Tier selber, sondern auch circa ein halbes Dutzend vertrockneter Fliegen im Netz zeugten.

Kouichi bückte sich um nicht damit zu Kollidieren und trat in die Küche.

Er weigerte sich einen Blick auf die Kaffeemaschine zu werfen, an der Kouji gerade herum werkelte, ansonsten, so seine Befürchtung, konnte er den angebotenen Kaffee, oder was das auch immer für koffeinhaltige Pampe war, wohl nicht trinken.

Und er brauchte den Kaffee. Seine zitternden Finger erinnerten nur zu deutlich daran, dass die letzte Tasse schon zulange her war.
 

„Tut mir leid, wir haben nur saubere Tassen ohne Henkel…“ informiert Kouji seinen Bruder und drückte ihm ein königsblaugemustertes Exemplar samt Inhalt in die Hand.

Im Stillen bemerkte dieser, dass die Tasse sogar tatsächlich sauber war. Beeindruckend.

Er grinste schief und hielt Kouji die Tasse zum Anstoßen hin. „Prost, Kleiner.“ säuselte er so süßlich, dass der Angesprochene es nur als ironisch annehmen konnte.

Der gespielt grantige Gastgeber grummelte, er sei nicht klein und versuchte verzweifelt nicht zu lachen.

Erst als Kouichi amüsiert in seine Tasse prustete, und sich dadurch einige Tropfen der darin enthaltenen Flüssigkeit in die Augenbrauen katapultierte, gab er auf und grinste ebenfalls.

Sie schwiegen und grinsten hilflos und wussten nicht recht, was sie sagen oder tun sollten.
 

So war es immer, wenn sie sich eine längere Zeit nicht gesehen hatten.

Sie standen voreinander und hatten keine Ahnung wie sie mit diesem Menschen umgehen sollte, der einem so ähnlich war und doch so anders war.

Niemand hatte sie gelehrt, was man mit einem Bruder so machte und die Möglichkeit des „Learning by doing“ war nun mal erst recht spät und dann auch ziemlich sporadisch gegeben.

Nachdem sie sich mit sechzehn kennengelernt hatten, hatten sich die Zwillinge zwar regelmäßig alle paar Wochen getroffen, trotzdem hatte aber jeder der beiden sein eigenes Leben, seine eigene Familie, seine eigenen Freunde und Verpflichtungen.
 

Kouichi hasste diese dröhnende Stille, die sich in solchen Fällen zwischen sie legte, versuchte sie deshalb das eine oder andere Mal durch spontane Bemerkungen zu zerreißen.

Doch Kouichi war unkreativ, wenn er spontan sein musste. Sie Sprüche klangen scheppernd und falsch in seinen Ohren.

Manchmal fragte sich Kouichi, ob sein Bruder dachte, dass er dumm war. In solchen Momenten kam er sich schlecht vor im Vergleich zu Kouji.

Denn Kouji war alles andere als dumm.
 

Kouji war wohl dass, was man einen Lebenskünstler nannte. Er war Dichter und Denker und Musiker und bildender Künstler, alles in einem und doch nichts so ganz. Er hielt sich mit dem einen oder anderen Job über Wasser und verdiente ab und zu tatsächlich etwas mit seinen Drucken. Nebenher schrieb er als freischaffender Journalist für verschiedene Zeitungen.

Alles in allem war Kouji jemand den sein Bruder sehr bewunderte, manchmal auch etwas beneidete.

Kouji hatte viele Eigenschaften, die er gerne hätte.

Er war mutig genug „seiner Berufung zu folgen“, wie Kouji es selbst nannte, und zog dieses unsichere Leben einem Leben mit Bürojob und Kegelclub vor.

Außerdem war Kouji redegewandt, wenn er seine Sturheit überwunden und den Mund aufgemacht hatte.

Und dann war da noch die dritte große Eigenschaft, die Kouichi an seinem Bruder schätzte. Diese unglaubliche Sturheit, welche es ermöglichte, dass jener sich trotz seines unsteten Lebens, der viele verschiedenen Berufe und Menschen die ihn umwaberten, sich selbst treu zu bleiben.

Konstant und unabänderlich und wenn auch Tokyo um ihn herum zusammenpurzelte wie ein Kartenhaus, Kouji würde Kouji bleiben.
 

„Gut, dass du schon da bist.“ Kouji dirigierte mit einer energischen Kopfbewegung eine störrische Haarsträhne aus seiner Stirn. Seine Stimme klang ein bisschen rau, als habe er die letzten Tage wenig geschlafen.

„Ich hatte die letzten Tage viel zutun und heute Abend haben sich ein paar Freunde angesagt. Wir wollen schließlich standesgemäß in unseren Geburtstag `reinfeiern, ne?“ der Sprechende grinste, schaute wie ein kleiner Lausejunge aus seinen strahlendblauen Augen und Kouichi merkte, wie seine anfängliche Verärgerung dahin schmolz.

Er fand es zwar ein bisschen verletzend, dass sein Bruder sich noch Gäste einlud, obwohl er sich schon vor Wochen angesagt hatte und sie sich seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen hatten.

Doch was sollte er machen?

Kouji war nun mal so. Er dachte über sowas nicht nach und wenn dann hatte er wahrscheinlich gedacht Kouichi würde sich freuen, seine Freunde kennen zu lernen.

Und natürlich würde er auch auf die unausgesprochene Bitte seines Gegenübers positiv reagieren und ihm bei der Vorbereitung der Feier helfen.

„Lass uns erstmal aufräumen. Bei aller Freundschaft, aber in dem Chaos können wir nicht feiern, Kleiner.“
 

„Oh Mann! Manchmal könnten man meinen du wärest höchstens vierzehn und nicht sechsundzwanzig!“ stöhnte Kouichi wenig später in leichter Verzweiflung auf.

„Fünfundzwanzig, 364 Tage und 19 Stunden…“ ließ Kouji recht kläglich verlauten während sein älterer Bruder ihm die Reste einer ehemals überladenen Mülltüte aus der Hand nahm.

Nachdem er die irdischen Überreste der Ex-Mülltüte in einen neuen Plastiksack gefüllt hatte, riss er seinen Bruder aus der Entgeisterung und wies ihn an Scheuerbesen und Eimer zu holen.

Und Kouji wuselte tatsächlich in die Küche um dort nach Verlangtem zu fahnden, während Kouichi schon mal Schuhe, Socken, die sozialhistorische Studie über die Sowjetunion und einen leicht angegammelter Fußball, welcher unter einem halben Dutzend Pizzakartons hauste, in hohem Bogen in das Zimmer gegenüber Küche beförderte.

Offenbar ein Schlafzimmer, denn es Stand ein Bett darin. Kouichi vermochte nicht zusagen, ob es Takuya oder Kouji gehörte.
 

Ein plötzliches Kreischen ließ ihn herumfahren, im nächsten Moment wurde sein Bruder von einem solchen Lachanfall geschüttelt, dass er sich am Scheuerbesen festhalten musste um nicht umzufallen.

Die dicke schwarze Spinne, die über sein Kopftuch kroch ließ Kouichi schauern.

Doch da er neugierig war, wanderten seine Augen von seinem Bruder, dessen Blick folgend, zur Haustür.

Diese stand sperrangelweit offen und ihre Klinke diente Takuya, Koujis besten Freund seit Kindertagen, als letzer Halt vor dem endgültigen Aufprall.

Neben dem Fuß des Heimkehrers lag ebenso unschuldig wie klischeehaft eine Bananenschale.



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