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Gravity Of Love

von

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Kapitel 9: Can Love Live With A Secret? - Part 2

Auri:
 

Bei Jonne angekommen, geleitete er mich direkt ins Wohnzimmer. „Ähm setz dich doch auf die Couch Schatz und warte bitte hier“, meinte er und drückte mich auf das weiche Sofa. Ich hatte gar keine andere Wahl als mich fallen zu lassen und zu gucken, was als nächstes passierte.

„Äh ja sicher… aber warum?“, wollte ich wissen. Meine Neugierde war zu groß als dass ich warten konnte.

„Überraschung“, war das einzige, was Jonne dazu zu sagen hatte. Da war ich nun aber wirklich gespannt... Zumal mein Freund mich allein ließ und für eine gute Viertelstunde in der Küche stand. Dann kam er wieder, mit einem Küchenhandtuch in der Hand. Noch bevor ich fragen konnte, was er damit wollte, hatte er es mir um die Augen gebunden und führte mich vorsichtig in die Küche.

Kaum, dass wir den Raum betreten hatten, nahm er mir die provisorische Augenbinde ab. Ich dachte, meine Augen täuschten mich und ich musste mehrmals blinzeln um sicherzugehen, dass ich nicht träumte. Es war das romantischste, was ein Mann je für mich getan hatte: In der Mitte des Tisches stand eine brennende weiße Kerze, drum herum lagen Rosenblätter, auch der Boden war mit ihnen übersät worden. Akkurat gefaltete Stoffservierten und korrekt angeordnete und polierte Gläser schienen für ihn eine Selbstverständlichkeit zu sein.

„Wow, Schatz hast du das ganz allein für mich gemacht?“, fragte ich völlig perplex.

„Erstens, es ist für uns beide und zweitens, habe nicht ich es gemacht, sondern mein guter alter Freund Snack, war sozusagen mein Weihnachtsgeschenk“, grinste er.

„Ah ja, ich verstehe“, erwiderte ich, auch wenn ich es nicht wirklich tat. Es wollte nicht in meinen Kopf, dass dieser komische Kerl so etwas fabrizieren konnte. Ich setzte mich hin.

„Und wo ist dein kleiner Helfer?“

„Schon weg Schatz. Der hatte noch eine Verabredung!“

Ich fragte besser nicht nach, wie die Verabredung aussah. Nicht, dass ich Snack nicht mochte, er schien ein wirklich netter Kerl zu sein, aber etwas Merkwürdiges, Hippieartiges hatte er schon an sich.

Jonne servierte mir ein Stück Schweinebraten mit Kartoffeln, Erbsen und Babymöhren. Ich hatte selten so etwas Leckeres gegessen. Okay, bei Arho als Mitbewohner und als Student nichts Ungewöhnliches.

Als wir aufgegessen hatten, gingen wir zurück ins Wohnzimmer. Jonne legte eine DVD ein, die den Namen „Liebe braucht keine Ferien“ trug. Der Film sagte mir nichts.

Doch ich musste zugeben, dass er trotz Jack Black in der Hauptrolle ziemlich gut war. Jack Black konnte ich nicht leiden, ich weiß selbst nicht wieso. Jude Law war schon besser, auch wenn er in diesem Film einen absoluten Softie spielte. Na ja, wem so etwas gefällt...

Der Film dauerte nicht so lange, weshalb wir uns noch einige Zeit unterhielten. Nach einigen Stunden waren wir müde und entschieden uns, schlafen zu gehen. Jonne ließ mich zuerst ins Bad, wo ich mich soweit fertig für die Nacht machte. Dann ging ich ins Schlafzimmer, legte mich ins Bett und wartete auf meinen Liebsten, der sich auch gehörig Zeit lies.

Ich lies den Tag noch einmal Revue passieren. Es war wunderbar gewesen, viel besser als ich erwartet hatte. Ich hatte selten so viel Spaß gehabt wie heute und ich konnte die nächsten Tage kaum abwarten.

Jonne kam zu mir ins Bett und ohne viel zu reden, schliefen wir ein.
 

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Jonne schlief noch tief und fest und ich beobachtete ihn einige Minuten bevor ich ihn durch ein sanftes Streicheln weckte.

„Guten Morgen Schatz“, flüsterte ich in sein Ohr, als er sich rührte.

Als Erwiderung zog er mich vorsichtig an sich heran, streichelte meine Hand und gab mir einen leichten Kuss auf diese. Schöner konnte ein Tag nicht beginnen. Sobald seine Lippen sich von meiner Hand gelöst hatten, sagte er: „Dir auch einen guten Morgen, Liebste.“ Kaum hatte er dies gesagt, zog er mich noch ein Stück näher an sich heran und gab mir einen langen, sinnlichen Kuss auf den Mund. Nein, einen schöneren Start in den Tag gab es wirklich nicht. Ich war die glücklichste Person auf der Welt.

Trotzdem löste ich mich von ihm und fragte grinsend: „Wollen wir aufstehen?“

„Ist wohl besser. Die anderen bringen mich um wenn ich zu spät komme“, antwortete er, weshalb ich ihn fragend ansah.

„Wieso? Triffst du dich denn heute mit ihnen?“

„Oh ja, dass habe ich vergessen dir zu sagen. Tut mir leid. Ja ich treffe mich heute mit ihnen. Um drei um genau zu sein“, meinte er. Ich war traurig, dass wir den heutigen Tag nicht zusammen verbringen konnten, ließ es mir aber nicht anmerken. Doch dann meinte Jonne, dass er auch am 28., 29., und 30. keine Zeit hätte, da er etwas Wichtiges zu tun hätte. Ich ging nicht genauer darauf ein, sondern verabredete mich mit ihm für den 1. Januar. Das war zwar noch eine halbe Ewigkeit hin, aber Jonne versprach mir, dass wir jeden Abend telefonieren würden. Das stimmte mich wieder einigermaßen glücklich, sodass wir in die Küche gingen, um gemeinsam zu frühstücken. Die Aufbackbrötchen, die Jonne in den Ofen warf, waren fantastisch, was nicht zuletzt an der Selbstgemachten Marmelade lag, die Jonne, wie er sagte, ebenfalls von seinem Freund Snack bekommen hatte.

Nachdem wir fertig waren, packte ich meine wenigen Sachen zusammen und fuhr nach Hause.

Dort angekommen, fand ich einen fernsehenden Arho vor.

„Na, wie war’s gestern? Hattet ihr einen schönen Tag?“, wollte er wissen.

„Ja, total wunderbar!“ Ich begann zu erzählen und Arho hörte mir interessiert zu.

Nachdem ich fertig war, schauten wir für eine Weile fern. Dann ging ich in mein Zimmer, um Tiia anzurufen. Ich wollte sie fragen, ob sie mit mir zum Helldone fahren würde, wo Jonne keine Zeit hatte.

„Warum nimmst du nicht Arho mit? Der freut sich bestimmt!“, lachte sie, als ich ihr die Situation geschildert hatte.

„Der? Nein, da muss man ja Angst haben, dass er einschläft. Das Konzert ist schließlich abends“, erwiderte ich ebenfalls lachend. Die Vorstellung eines schlafenden Arhos während eines Silvesterfestivals war einfach göttlich.

„Außerdem möchte ich sowieso lieber dich mitnehmen. Mit dir ist es erstens lustiger und zweitens hast du mir die Karte geschenkt.“ Nicht, dass man mit Arho keinen Spaß haben konnte, aber eben auf andere Weise.

„Ja, ich habe dir die Karten geschenkt und genau deshalb kann ich doch auch nicht mitgehen. Das ist doch ein bisschen blöd, oder? Obwohl ich natürlich gern mitkommen würde...“, fügte sie hinzu.

„Dann komm doch mit! Ich hol dich dann gegen Nachmittag ab.“ Damit war es beschlossene Sache.

Ich kehrte zu Arho zurück, der sich allerdings in der Zwischenzeit ein Buch geschnappt hatte und nun lesend auf dem Sofa lag. Da es nicht den Anschein erweckte, dass er sich rühren und mir ebenfalls etwas Platz auf dem Sofa überlassen würde, ging ich wieder in mein Zimmer und setzte mich an den Laptop. Ich überlegte, ob ich mir die Bands, die beim Festival spielen würden, ebenfalls anhören sollte, entschied mich aber dafür, mich überraschen zu lassen.

Mein E-Mailordner sagte mir, dass ich sechs ungelesene Nachrichten hatte, doch vier davon waren Werbung. Die anderen zwei waren von einer Freundin von der Uni, die sich noch mal mit mir treffen wollte, um etwas zu besprechen. Ich antwortete ihr, dass sie jederzeit vorbeikommen könnte.

Es hatte begonnen zu schneien, wie ich mit einem Blick durchs Fenster feststellte. Ich mochte den Winter nicht, ich war ein typischer Sommermensch und liebte die südeuropäischen Länder. Der Schnee zog meine Laune etwas herunter, weshalb ich mich vom Fenster losriss.

Ich griff mir ein Buch, welches ich aus der Bibliothek ausgeliehen hatte und begann zu lernen. Ich hatte zwar noch Semesterferien, aber ich wollte meine Lernflaute so schnell wie möglich überwinden. Außerdem war es auch nur von Vorteil, wenn ich ebenfalls ein paar Informationen beisteuern konnte, wenn meine Studienfreundin und ich uns trafen. Unser Professor hatte uns aufgegeben, uns in den Ferien mit der Geschichte der Fotografie zu beschäftigen. Ein Thema, was mir ganz gut gefiel. Zumal ich Arho immer um Hilfe bitten konnte, wenn ich irgendwelche Zusammenhänge nicht verstand. Wer konnte so etwas besser als er? Historiker, Geschichtslehrer und Professoren ausgeschlossen, natürlich.

Ich las mir das Kapitel sorgfältig durch, betrachtete Bilder der ursprünglichen Kamera, ein dunkler Raum oder Büchse, durch deren Loch in der Mitte Licht einfiel. Auf der gegenüberliegenden Seite konnte man dann das Abbild betrachten und abzeichnen. Faszinierend, wenn man bedachte, dass die erste Lochkamera bereits im frühen Mittelalter gebaut wurde.

Doch nun kam der physikalische Part: Die Funktionsweise. Ich war zwar keine Niete in diesem Gebiet, aber trotzdem schreckten mich die Variablen und Wurzelzeichen ab. Da bevorzugte ich das Kapitel über die ersten „Fotografien“ mit dieser Kamera. Es bestand nur aus Abbildungen mit beschreibendem Text. Ziemlich leichte Kost also. Das Komplizierte hob ich mir lieber für den Schluss auf.

Als ich die entsprechenden Kapitel zur „Camera obscura“ durchgeackert hatte, gönnte ich mir eine kleine Pause. In der Küche warteten frische, brasilianische Bananen auf mich. Ich schnappte mir eine und ging ins Wohnzimmer, wo Arho sich wieder für das Fernsehprogramm entschieden hatte. Er war eben ein wechselhafter Kerl, jedoch ohne jemals die Beherrschung zu verlieren. Das war wieder eine der vielen Sachen, die ich an ihm mochte. Kauend setzte ich mich neben ihn.

„Wusstest du“, begann ich, „Dass bereits Aristoteles die Funktionsweise der Kamera in einer seiner Schriften dokumentiert hatte?“

„Jepp, schließlich habe ich mich lange genug mit dem antiken Griechenland auseinander gesetzt. Da kommt man an so was nicht vorbei. Aber kann ich jetzt NCIS zuende gucken?“

„Klar“, erwiderte ich und schaute ebenfalls gespannt zu, wie Special Agent Gibbs wieder einmal einen spektakulären Mord an der Ehefrau eines US- Marines löste.

„War klar, dass der Gärtner das war“, stellte ich fest, als die Sendung vorbei war. Auf einen fragenden Blick Arhos hin, erklärte ich: „Erstens ist der Gärtner immer der Mörder und zweitens war diese Person absolut überflüssig. Man hätte ihn ohne Probleme weglassen können. Das sind in den meisten Fällen die Täter.“

Mein Mitbewohner lachte.

„Stimmt. Ist mir noch nie aufgefallen.“

Ich grinste nur. Tja, so ist das eben.

Inzwischen war es früher Abend. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie die Zeit verging.

Arho hatte die grandiose Idee, etwas vom Pizzaservice zu bestellen. Ich stimmte natürlich sofort begeistert zu, auch wenn ich mir insgeheim Sorgen um meine Figur machte. Zweimal so reichhaltig und fettig hintereinander essen war nicht gut für die Hüften. Aber ich schwor mir, dass im Frühling, sobald es wieder warm wurde, durch Radfahren und Schwimmen abzutrainieren. Überhaupt hatte ich vor, mehr Sport zu machen. Es war mein größtes Hobby, doch seit sich meine Handballmannschaft vor einem Monat aufgelöst hatte, habe ich mich kaum bewegt. Beachvolleyball konnte man nur im Sommer spielen und Radfahren war bei diesem Wetter auch nicht gerade spaßig. Ich überlegte, ob Jonne auch so gut Inline skaten konnte wie Schlittschuh laufen. Wenn ja, würde ich ihm so schnell wie möglich meine Lieblingstrecke zeigen und mit ihm noch weitere erkunden.

Nach einer Viertelstunde wurde die Pizza geliefert. Wir ließen sie uns schmecken während wir uns über den Kochkurs unterhielten. Er hatte nun schon dreimal stattgefunden, doch für Arho war es immer noch eine Qual dorthin zu gehen. Eigentlich auch kein Wunder nach dem Desaster mit der Kartoffel. Trotzdem betonte er immer wieder, dass auch er eine Pizza backen könne. Schließlich müsse man sie ja nur belegen und in den Ofen schieben. Dass man den Ofen aber richtig einstellen musste und dass der Pizzateig sich auch nicht von allein herstellte, ignorierte er gekonnt.

Nachdem wir fertig waren mit Essen, räumte ich auf und verschwand wieder in meinem Zimmer um noch das Kapitel über die Nutzung der Kamera im 17. Jahrhundert zu lesen. Danach schlief ich ein und träumte von Jonne und mir beim Karaoke singen und dass ich gegen ihn nicht die leiseste Chance hatte.
 

Am nächsten Morgen erwachte ich wie immer ziemlich früh. Da ich aber noch keine Lust hatte, aufzustehen, blieb ich liegen und döste etwas vor mich hin. Dann nahm ich mir meinen Krimi und las weiter. Inzwischen war ich auch hier schon bei der Hälfte angelangt, aber im Winter konnte man nicht viel machen außer Lesen.

Auf einmal piepte mein Handy. Leicht erschrocken legte ich das Buch zur Seite. Ein Anruf in Abwesenheit. Oh, verdammt!, dachte ich. Jonne hatte mich angerufen und ich hatte es nicht mitbekommen. Zum Glück hatte er auf die Mailbox gesprochen: „Hey Schatz! Wo treibst du dich denn rum, dass du nicht ans Handy gehen kannst? Vermisse dich jetzt schon! Ciao“ Er hatte auch noch einen Kuss hinterhergedrückt. Um ihn nicht zu stören, schickte ich nur eine SMS: Es tut mir ganz, ganz doll Leid, dass ich das Handy nicht gehört hab. Kannst du mir verzeihen? Vermisse dich auch! Bis zum 1.1. :-) :-*

Prompt hatte ich die Nachricht verschickt, bekam ich auch schon eine neue Mitteilung. Es war meine Freundin vom Studium, die fragte, ob sie heute Nachmittag vorbeikommen könnte. Ich antwortete, dass es ginge, weshalb sie um halb drei bei mir auf der Matte stand.

„Hei“, begrüßte sie mich. Ich ließ sie hinein und zusammen bereiteten wir uns auf das folgende Semester vor.

Abends telefonierte ich kurz mit Jonne. Da er aber nicht viel Zeit hatte, fiel das Gespräch nur kurz aus.

Auch die nächsten beiden Tage liefen ähnlich unspektakulär ab. Tuuli war in der Zwischenzeit wieder entlassen worden, weshalb ich einmal einen kleinen Abstecher zu meinen Eltern machte. Doch natürlich begann meine Mutter, wieder merkwürdige Fragen zu stellen, was mich zu einem Aufbruch verleitete. Den Tag danach verbrachte ich im Kino.
 

Dann kam der Tag des Konzertes. Ich überlegte, was ich wohl anziehen könnte und entschied mich für eine enge Jeans und dazu einen schlichten, aber dennoch eleganten schwarzen Rollkragenpullover. Dazu zog ich meine Winterstiefel an, schminkte mich etwas und fuhr wie vereinbart zu Tiia.

Dort erwartete mich eine frisch Erblaute mit skeptischem Blick.

„Was ist?“, fragte ich.

„Was ist, fragst du?? Du willst nicht echt in diesem Spießeroutfit zum Helldone, oder?“ Sie schien wirklich geschockt zu sein.

„Nun ja...“, meinte ich, hoffend nichts Falsches zu sagen, „Für ein Konzert macht man sich doch schick, oder?“ Jetzt erst fiel mir auf, was meine Freundin trug: Ein pinkfarbenes Top im Leopardenstyle, dazu eine neongrüne Netzstrumpfhose und einen schwarzen Rock. Hinzu kamen die ebenfalls schwarzen Plateaustiefel. Zwei Sachen waren klar: Dass ich Glück hatte, nicht hinter ihr stehen zu müssen, und dass ich anscheinend absolut falsch gekleidet war.

„Ja, aber das ist ein Rockkonzert, Auri! Weißt du was, du kriegst Sachen von mir!“, sagte sie und schob mich in ihre Wohnung. Jussi grinste mir nett zu.

Als sie im Schlafzimmer ihren Schrank öffnete, wurden all meine Befürchtungen wahr: BUNT!

„Was willst du?“, fragte sie mich, „Eher so in Richtung Glam oder doch lieber mehr Gothic? Ich weiß nicht, vielleicht könnte dir Metall auch ganz gut stehen. Von Punk würde ich aber eher abraten. Da haben wir zu wenig Zeit für. Und deine Haare möchtest du wohl auch behalten, zumindest die Farbe...“

„Ähm...“ war mein einziger Kommentar. Ich hatte keine Ahnung wovon sie sprach.

„Ich würd’ ja Glam sagen“, meinte sie und zog einige äußerst interessante Sachen aus ihrem Schrank. Dann betrachtete sie mich. Zuerst reichte sie mir eine pinke Perlonstrumpfhose, dazu ebenfalls schwarze Plateaustiefel, die jedoch noch einen zehn Zentimeter hohen Absatz hatten. Nach einigem Kramen fand sie noch ein extrem knappes, lilafarbenes Kleid, welches sie mir nach kurzem Zögern ebenfalls in die Hand drückte. Ein pinker Gürtel sollte noch als Betonung hinzukommen.

„Oh! Mein! Gott!!“, war das einzige was ich sagen konnte, als ich in diesen Klamotten das Bad verlassen und mich im Spiegel gesehen hatte.

„Ja, mir gefällt’s auch super! Aaaber jetzt kommen die Highlights!“, sagte sie voller Euphorie, welche mir gehörig Angst einjagte. Tiia holte etwas aus ihrem Kulturbeutel hervor.

„Hier, Glitzermascara in pink!“ Ohne, dass ich mich wehren konnte, schmierte sie mir das Zeug dick auf die Wimpern. Dann holte sie irgendetwas raus, was ich nicht erkennen konnte. Doch es war auch pink. „Kunsthaarsträhnen, dann sieht deine Frisur nicht so langweilig aus.“

Sie wollte gerade die noch verschlossene Packung aufreißen, doch ich rief: „Nein! Bitte nicht, ich seh’ schon schlimm genug aus.“

„Okay, dann mach ich sie rein. Zu blau passen die glaub ich ganz gut...“, meinte meine Freundin und knotete die Strähnen ins Haar. Als sie fertig war, machten wir uns auf den Weg nach unten. Tiia lief voran, ich folgte ihr etwas wackelig auf den Beinen. Jussi kam uns entgegen. „Wow!“, meinte er überrascht und betrachtete mich von oben bis unten, „Du siehst toll aus, solltest immer so rumlaufen.“

„Ja, find ich auch“, stimmte Tiia zu.

Ich verzog die Stirn und schüttelte den Kopf.

Beim Auto angekommen, zog ich als erstes diese Horrorschuhe aus, damit ich wenigstens einigermaßen sicher fahren konnte.

Doch zum Glück waren die Straßen so gut wie leer, sodass wir schnell nach Helsinki kamen. Dort wurde es dann jedoch zusehends voller, weshalb wir den erstbesten Parkplatz nahmen, den wir fanden und den restlichen Weg zum Tavastia liefen. Was in den Schuhen nicht gerade ein Vergnügen war.

Obwohl es erst halb sieben, also eine gute halbe Stunde vor Einlass, war, war die Schlange vor dem Club bereits extrem lang. Die meisten Fans waren weiblich, ich schätzte sie zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig. Das Erschreckende jedoch war, dass alle so aussahen wie Tiia und ich. Ich fragte mich, ob sie sich extra so aufgesylt hatten, oder ob das ihre alltäglichen Klamotten waren. Die Tatsache, dass einige Sachen schon ziemlich ramponiert aussahen, ließ auf letzteres schließen. Das konnte ja was werden. Ich hörte, wie einige Fans über eine der Bands redeten: „Was meinst du?“, sagte die eine, „Ob sie heute wohl ‚Still Alive’ spielen?“

„Hoffentlich“, erwiderte die andere, „Obwohl das ja nicht so ganz in die Partystimmung passt. Aber weißt du, was ich gehört habe?“

„Nein, was denn?“, fragte wieder das erste Mädchen.

„Heute soll Christus wieder mitpielen!!!!!“

Ich dachte, ich hätte mich verhört. Wer soll denn bitteschön Christus sein?

„Das ist wahrscheinlich wieder nur irgendein Gerücht. Wieso sollten sie Sir erst rausschmeißen und dann wieder aufnehmen? Ergibt doch keinen Sinn.“

„Wir werden sehen.“ Damit war das Gespräch der Mädchen beendet.

Auf einmal brach aufgeregtes Gemurmel los. Dank der Schuhe konnte ich sehen, dass sich am Eingang etwas tat. Ein Securitymann trat nach draußen und bat um etwas Platz. Nun konnte es wohl nicht mehr lange dauern.

Und so war es auch: Zehn Minuten später, pünktlich um acht Uhr öffneten sich die Türen für das Publikum. Das große Drängeln ging los. Nach ein paar Minuten hatten auch wir es in den Club geschafft. Wir sicherten uns einen Platz im mittleren Bereich, bevor Tiia sich auf den Weg machte und den Club erkundete. Nach zehn Minuten kam sie wieder, auf ihrem Kopf saß eine Weihnachtsmannmütze. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich den Schriftzug „*Negative*“. Auch ein T-Shirt hatte sie sich gekauft: Es war schwarz, darauf ein Klecks in lila, genau konnte ich es in der Dunkelheit nicht erkennen, über dem der Schriftzug „Let’s F*uck!“ prangte. Da hatten diese Negative wohl einen neuen Fan bekommen... Langsam war ich auch gespannt, was sie für Musik machen würden.

Kaum hatte ich das gedacht, wurde es im Raum noch dunkler, wieder brach unruhiges Gemurmel aus. Dann ertönte Musik, erst leise, doch mit der Zeit immer lauter werdend. Vier Männer betraten die Bretter, zwei von ihnen hatten ein Instrument in der Hand, der dritte setzte sich hinters Schlagzeug und der letzte stellte sich hinter die Keyboards. Einer der Männer, ob er Gitarrist oder Bassist war, konnte ich nicht erkennen, erinnerte mich entfernt an Antti. Er hatte ebenfalls rotes Haar, jedoch von einem Kopftuch bedeckt und auf seiner Nase saß eine Sonnenbrille.

Kaum standen sie auf der Bühne, begann die Show! Aus dem Backstagebereich sprang eine weitere Person hervor, das Mikro ließ darauf schließen, dass er der Sänger war. Er trug einen weißen Hut, seine Augen verschwanden darunter vollkommen. Sein Haar hatte er, soweit ich es erkennen konnte, zusammengebunden. Sein Shirt mit den abgeschnittenen Ärmeln erlaubte einen Blick auf die nicht gerade kleinen Muskeln.

„Na, hab ich zu viel versprochen? Der Kerl ist doch die reinste Kanone!“, rief Tiia gegen die Musik an. Ich musste ihr zustimmen.

Der Sänger hob sein Mikro und die ersten Worte verließen seinen Mund. Die Menge flippte aus, jeder sang lauthals mit. Ihm schien es sichtlich zu gefallen, er zwinkerte immer wieder den Fans in der ersten Reihe zu, ergriff ihre Hände und flirtete auf andere Weise mit ihnen.

Auch wenn es erst der erste Song war, gefiel mir die Show. Der Sänger hatte eine sehr kraftvolle Stimme, was man ihm auf den ersten Blick nicht zutrauen würde.

Das Lied war vorbei und der Sänger kündigte das nächste Stück an. Ich stockte. Diese Stimme... Ich betrachtete die Person genauer. Das Tattoo am linken Oberarm... Mein Verdacht bestätigte sich, als Jonne seinen Hut in die Ecke warf und ich sein Gesicht erkannte. Ich starrte ihn entsetzt an.

„Ja, da staunst du, was?“, rief Tiia, doch ich nahm sie kaum wahr, „Bei diesen Augen kann Frau nur schwach werden.“

Wie hypnotisiert schüttelte ich den Kopf. Das konnte doch nicht... Wieso...? Ich konnte mich nicht regen. Um mir herum tanzten die Leute, jubelten, sangen und hatten Spaß, nur ich stand da und rührte mich nicht. Jetzt erkannte ich auch Antti und Snack.

Dann kündigte Jonne das letzte Stück an. „Gravity of Love“ sollte es heißen. Ich konnte mich nicht mehr halten. Schon beim vorigen Lied fiel es mir schwer, die Tränen zurückzuhalten, doch nun verlor ich vollkommen die Fassung. Das Lied beschrieb zu gut die Beziehung zwischen Jonne und mir, wie stark unsere Liebe doch war, dass sie uns trotz all der Komplikationen zusammengebracht hatte. Doch nun begann all das zusammenzubrechen. Am liebsten wollte ich jetzt allein sein, doch es ging nicht. Ich war gefangen. Gefangen in der Hölle, im wahrsten Sinne des Wortes. Weinend hielt ich mir die Hände vors Gesicht, damit Tiia nichts von meinen Tränen mitbekam. Ich wollte ihr den Abend nicht verderben.

Doch kurz vor Ende des Stückes meinte sie: „Der Song ist toll, oder?“ Fragend sah sie mich an. „Auri? Ist alles in Ordnung mit dir?“

Ich rührte mich nicht, deshalb riss sie meine Hände weg und sah mich an. Ich schaute weg, blickte auf meine Hände, die nun voller Glitzer waren. Symbolisch für meine kleine, heile Welt, die gerade zerstört wurde.

Wieder fragte Tiia, was los sei und wieder antwortete ich nicht. Doch die Fans beantworteten ihre Frage mit ihren Rufen: „Jonne! Jonne! ZU-GA-BE! Jonne!“

„Nein, oder?“, sagte sie entsetzt, „Sag, dass das nicht wahr ist.“

Auf mein leises „Doch“ meinte sie nur: „Dieses Arsch! Und ich unterstütz die auch noch!“ Wütend riss sie sich die Mütze vom Kopf.

Zur selben Zeit hatten Negative wieder die Bühne betreten, um die geforderte Zugabe zu spielen.

„Möchtest du gehen?“, fragte Tiia führsorglich, doch ich schüttelte den Kopf. Die letzten paar Minuten würde ich auch noch aushalten, dachte ich.

Als Jonne den letzten Satz gesungen hatte, schaute er erleichtert ins Publikum und direkt in mein Gesicht. Ich schaute ihn enttäuscht an, wartete auf irgendeine Reaktion von ihm, doch nichts geschah. Er sah mich einfach nur an. Wieder liefen Tränen meine Wangen herab. Das war zu viel für mich. Ich drehte mich um und kämpfte mich heulend durch die Menge nach draußen. Tiia lief mir hinterher, doch ich wollte einfach nur allein sein. Weg von allem, was mich an Jonne erinnerte.

Draußen angekommen, rannte ich einfach los. Ich kannte mich in Helsinki nicht aus, wusste nicht, wo ich war. Auch die Straßen waren fast menschenleer. Ich lief immer weiter; Tiia schien verstanden zu haben, dass ich allein sein wollte, zumindest folgte sie mir nicht mehr.

Wie konnte Jonne mich nur so anlügen? War ich ihm nicht gut genug? Ich dachte an das Shirt, dass Tiia sich gekauft hatte. „Let’s F*ck“. War es das, was er wollte? War ich für ihn nur ein einfacher Groupie, eine von Hunderten? Bedeutete ich ihm denn gar nichts? War alles, was wir zusammen erlebt hatten, für ihn ohne Bedeutung?

Ich stolperte und fiel auf den Bürgersteig. Mit aufgeschürften Ellenbogen blieb ich liegen, Tränen fielen in den grau-braunen Schneematsch unter mir. Doch mir war alles egal, solange ich nur allein war.

Auf einmal hörte ich Schritte hinter mir. Ich blickte auf und sah, wie Jonne auf mich zu rannte. Als er bei mir angekommen war, blieb er stehen.

„Geh weg!“, schrie ich unter Tränen, „Ich hasse dich!“

„Auri...“, setzte er an, doch ich schrie ihn weiter an: „Sei ruhig! Du hast alles kaputt gemacht, ich will dich nie wieder sehen!“

Ich sah, dass meine Worte ihn verletzten. Gut so, er hatte nichts anderes verdient.

„Lass es mich erklären...“, versuchte er erneut, sich zu rechtfertigen.

„Und mich noch mehr verletzten? Gib’s zu, ich bin für dich nur ein Betthäschen, eins von vielen. Du hast mich nie geliebt!“ Ich sprach das aus, wovor ich mich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Diese Erkenntnis brachte mich wieder zum Weinen. Ich stand vom Boden auf und wollte wieder wegrennen. Doch die Schuhe hinderten mich daran und Jonne hielt mich am Arm fest. Ich riss mich los.

„Fass mich nicht an, Lügner!“

Ich schien ihn getroffen zu haben, langsam lief eine Träne seine rechte Wange herab. Es war mir egal.

„Bitte...“, sagte er leise. Weiter kam er nicht, seine Stimme brach ab.

„Bitte mich nicht um etwas! Du bist für mich gestorben!“, schrie ich. Ich ließ alle meine Gefühle raus, etwas was ich noch nie getan hatte.

Nun konnte auch Jonne sich nicht mehr halten und begann zu weinen. Ich entschloss, ihm eine Chance zu geben und seiner fadenscheinigen Erklärung zu lauschen.

„Es...“, brachte er hervor, „Es tut mir so Leid, Auri. Ich wünschte, ich könnte das alles ungeschehen machen.“ Er schaute mir in die Augen, doch ich wendete meinen Blick ab.

„Es war alles so perfekt zwischen uns und ich wollte es nicht zerstören.“

„Ach? Wie sozial von dir! Hast du jemals an mich gedacht und wie ich mich fühle? ‚Your lies will destroy her’! Das hast du eben noch gesungen, oder habe ich mich verhört?“ Wütend schaute ich ihn an.

Er schüttelte den Kopf, wollte jedoch schon die nächste Entschuldigung abliefern. Ich kam ihm dazwischen.

„Was hast du gedacht, als du das gesungen hast? Sag’s mir!“

„Ich weiß, ich bin kein Deut besser als diese Person im Song. Aber glaub mir: Ich liebe dich. Ich habe noch nie jemanden so geliebt wie dich.“ Ich sah die Verzweiflung in seinen Augen und die Tränen, die immer noch hinab liefen.

„Und deshalb lügst du mich an?“, flüsterte ich. Ich wollte ihm meine Enttäuschung spüren lassen.

„Ja... nein... Es ist...“, fing Jonne an. Es schien ihm schwer zu fallen, die richtigen Worte zu finden, „Meine bisherigen Freundinnen sind nicht damit zurecht gekommen, dass ich Musiker bin. Entweder war ich ihnen zu oft weg, oder sie benutzten mich als Fahrkarte um an ihre Lieblingsstars ranzukommen. Verstehst du? Ich wollte das nicht schon wieder erleben, wollte nicht schon wieder enttäuscht werden. Aber wahrscheinlich habe ich dadurch jetzt alles verloren...“ Traurig sah er zu Boden.

„Ich bin aber nicht wie alle anderen, Jonne. Kennst du mich etwa so schlecht, dass du denkst, ich würde nicht zu dir stehen?“

„Ich wollte es dir sagen, ehrlich. Doch bisher hatte ich einfach nicht den Mut dazu. Ich versteh, wenn du Zeit brauchst, aber bitte verzeih mir. Du bedeutest mir alles.“ Er sah mir tief in die Augen, diesmal wich ich seinem Blick nicht aus.

„Ich weiß es nicht, Jonne“, erwiderte ich, „Ich weiß es wirklich nicht.“

Mit diesen Worten wendete ich mich ab und machte mich auf die Suche nach meinem Auto.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  KeiKirjailija
2010-08-07T13:47:18+00:00 07.08.2010 15:47
So... Es hat zwar unglaublich lange gedauert, und das tut mir echt leid, aber jetzt hab ich es endlich geschafft^^
Also zum Anfang da hat Snack ja ordentlich was geleistet *lach* In ihrer Sicht klingt das echt prunkvoll^^ Die Gläser auch noch poliert^^ Oder standen die so bei Jonne im Schrank? *kicher* Ab er ihre Meinung von Jonnes Freunden *lach* Erinnert mich an meine Cousine... und ich glaube zu dem FIlm habe ich jetzt schon oft genug was gesagt^^
Und sie hat ja so recht, ich glaube auch viel schöner kann ein Tag nicht beginnen *grins*
Die Beschreibung ihrer Lernversuche fande ich echt spaßig^^ Ich lerne anderes, aber es war gut beschrieben^^
Und oh mein Gott... Ist die sportlich, was die alles macht und vor hat... Da kommt man sich daneben schlecht vor *lach* ^^
Dann kurz zu ihrem Traum: Der Hammer *Lach* Kurz beschrieben aber die Idee ist echt genial^^
Zu Tiias Geschmack möchte ich an dieser Stelle nicht mehr sagen^^
Und dann kommen wir schon zu dem traurigen teil... zum Konzert... Oh man die beiden können einem echt leid tun, dass ist so gemein... aber ich muss zu geben dass ich sie beide nicht 100%ig verstehen kann, aber dafür sind Menschen ja unterschiedlich und ich glaube dieses Problem gehört einfach zu ihrer Gesichte und ihrer Beziehung... also können wir nur hoffen, dass sie es schaffen^^
Aber ein echt tolles Kapitel^^
Liebe Grüße, Vivi^^
Von:  nojiko-sensei
2009-12-07T19:30:17+00:00 07.12.2009 20:30
Jetzt sitze ich hier seit mehr als einer Minute und weiß nicht, was ich schreiben soll. Es ist so abgrundtief traurig, dass ich heulen könnte. Ich mein, zum Glück hat sie ihm zugehört und wird ihm ganz sicher verzeihen, aber dennoch... Was machen die bloß? Hach diese Geschichte ist so schön gefühlvoll^^
Besonders schön fand ich ja z.B. dieses: Irgendwie erinnerte mich der Bassist an Antti xDDD super !!! ^^ Oder auch, wie Tiia Auri geschminkt hat *hihi* Diese Beschreibung war total süß, wie entsetzt sie war^^
Also alles in allem, ein weiterer wundervoller Teil einer wundervollen Fan-Fic^^ Ich freu mich auf das Nachfolgende!
Macht weiter so!!!
*freu*
Viele Liebe Grüße an dich Rehchen^^

~~noji~~


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