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Zwiegespalten

Duo cum faciunt idem, non est idem.
von

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Step 1

Kapitel 1
 

Den Kopf in die Hände gestützt und mit geschlossenen Augen saß Teiou an seinem großen Schreibtisch in dem Büro, das ihm als Generalfeldmarschall in der Kaserne zustand. Vor sich hatte er sämtliche Unterlagen ausgebreitet, die ihn und Keika in den letzten Tagen und Wochen beschäftigt hatten. Zwar oblag ihm nunmehr nur noch die Überwachung des Vergnügungsviertels in der Hauptstadt – eine der unrühmlicheren und undankbareren Aufgaben – aber damit hatte er schon mehr als genug zu tun. In letzter Zeit waren immer wieder gefährliche und fragwürdige Hehlerwaren aufgetaucht und bisher war es ihm nicht gelungen auch nur einen der Hauptdrahtzieher zu erwischen. Nur einige der kleinen Fische gingen ihm ins Netz. Die wussten über ihre Auftraggeber jedoch nichts zu sagen. So langsam deprimierte ihn das wirklich.

Mit einem leisen Klicken wurde die Tür geöffnet und scharrte dabei leise über den Boden. Jemand trat ein, dessen Schritte, trotz der relativ schweren Stiefel, kaum zu hören waren. Teiou machte sich nicht einmal die Mühe seinen Kopf zu heben, geschweige denn aufzusehen. Zu gut kannte er die eintretende Person, war sich jeder ihrer Eigenheiten nur zu genau bewusst.

„Geht es dir nicht gut, oder schläfst du?“ Behände schob der Dämon mit einem Fuß die Tür hinter sich zu, während er einen ganzen Stapel Bücher und Unterlagen vor sich her balancierte.

„Kopfschmerzen“, brummte Teiou vor sich hin. Keikas Stimme drang seiner Meinung nach viel zu laut zu ihm durch, auch wenn der Dämon wahrscheinlich gar nicht lauter gesprochen hatte als sonst auch.

Einen Moment war es still. Leise beschlich den Prinzen die Hoffnung, dass Keika nichts mehr dazu sagen würde und sie einfach so zur weiteren Tagesordnung würden übergehen können. Vorsichtig blinzelte er um sich dessen zu versichern.

„Du hättest gestern Nacht nicht so übertreiben sollen. Selbst Schuld!“

Er hatte sich getäuscht und der spitze Unterton in dieser Bemerkung war ihm trotz des dumpfen Hämmerns in seinem Kopf nicht entgangen. Der hochgewachsene Dämon stand nun vor seinem Schreibtisch, ließ den Papierstapel auf die dunkle Holzplatte fallen - Teious Meinung nach verursachte dies einen unsäglichen Lärm, den Keika mit Sicherheit beabsichtigt hatte – und stand nun mit verschränkten Armen da, um Teiou tadelnd zu mustern.

„An gestern liegt das nicht“, murmelte dieser nun, während er sich die dunklen Haare aus dem Gesicht nach hinten strich und sich endlich wieder aufrecht in seinen Sessel setzte. Keikas Blick konnte er eindeutig entnehmen, dass er wenig glaubwürdig wirkte. Gleich würde er sicher wieder den Spruch mit dem Spaß und der Arbeit zu hören kriegen.

Er seufzte leise. Warum war Keika nur so unerbittlich?

Der Dämon schien auf sein Gemurmel nicht weiter eingehen zu wollen.

„Was hast du schon gemacht, während ich weg war?“

Richtig. Keika war den ganzen Vormittag unterwegs gewesen, um Unterlagen und Berichte zusammen zu suchen, die ihnen vielleicht weiterhelfen konnten. Des Weiteren hatte er in Teious Auftrag einigen Feldmarschällen Anweisungen überbracht.

Und er, Teiou? Was hatte er mit der Zeit angefangen?

Sein Blick fiel auf einen Zettel, wo er einige Sätze draufgeschmiert und den einen oder anderen Kringel aus Langeweile gemalt hatte. Mehr nicht, dabei war genug zu tun. Seufzend zog er den Zettel unter einigen anderen hervor und hielt ihn Keika kommentarlos hin, bereit sich eine weitere Moralpredigt anzuhören.

„Das ist alles, mehr nicht?“ Skeptisch betrachtete Keika das Papier, dann Teiou, der demonstrativ zur Seite sah und in seinem Sessel immer kleiner wurde, dann wieder das Papier. „Das ist jetzt nicht dein Ernst!“

„Ich habe Kopfschmerzen. Irgendwie konnte ich mich nicht konzentrieren.“

Mit einer Hand fuhr er unter das Stirnband, welches er immer trug, und rieb über die Narbe, die es verdeckte. Ein Dämon hatte sie ihm zugefügt. Das war jetzt schon einige Jahre her. Er hatte damals einen Generalfeldmarschall töten müssen. Seijun-Shogun, der illegal Dämonen in die Himmelswelt gebracht hatte, war durch sein Schwert gestorben und er hatte seinen Platz eingenommen.

Er vermied es Keika anzusehen. Dass der Dämon sauer war, konnte er irgendwie nachvollziehen, zumal es Menschen gab, die sogar mit Kopfschmerzen mehr zustande brachten als er ohne. Keika war so ein Mensch bzw. Dämon.

„Erstens: Wer Feiern kann, kann auch Arbeiten, Teiou!“ Da war er, dieser Spruch. Teiou seufzte leise, er hatte ihn ja erwartet. „Zweitens: Du warst heute Morgen länger zu Hause als ich und du weißt genau, wo die Kräuter stehen. Und die Tropfen für Kopfschmerzen findest du im Schlaf, das weiß ich genau. Drittens: …“ Gerade war Keika dabei ihm den dritten Finger seiner Hand hinzuhalten, als er ihn unterbrach.

„Das Zeug war leer“, brummte er leise. Für einen kurzen Moment schien diese Aussage Keika zu überraschen. „Hat dich das je aufgehalten heiliges Wasser zu nehmen? Davon ist noch da. Da bin ich mir sicher.“

Eigentlich hatte Keika gewonnen, wie fast jedes ihrer Wortgefechte. Dennoch wollte er sich nicht ohne Antwort geschlagen geben: „Heute Morgen war es noch nicht so schlimm. Außerdem hättest du mir sonst einen Vortrag gehalten, dass ich heiliges Wasser sinnlos vergeude. Dabei kannst du selbst es nicht einmal benutzen.“

„Phhh…“, kam es nur von Keika, der sich nun wieder den Dokumenten zuwendete und sich einige raussuchte, bevor er sich auf seinen Stammplatz auf der Fensterbank niederließ und im hereinfallenden Sonnenlicht die Zettel studierte.

Teiou seufzte leise und schloss die Augen wieder. Heute würde Keika sicher kein Wort mehr mit ihm reden, solange sie hier waren. Dabei sollte er ihm eigentlich dankbar sein: Keika hatte ihm schon oft genug aus der Patsche geholfen, indem er Teious Arbeiten kontrolliert oder übernommen hatte, so dass seine Brüder keinen Grund fanden ihn in seinem Amt anzuzweifeln, obwohl sie ihm jede Menge Steine in den Weg legten.

Wieder einmal hatte er es geschafft, dass Keika sauer auf ihn war und das wegen …

… wegen dieser verfluchten Kopfschmerzen.

Er wusste genau, dass es nicht an seinem kleinen Gelage gestern Abend mit einigen der Feldmarschälle lag. Mit Sicherheit nicht. Das fühlte sich anders an und er hatte schon mehr als einmal Erfahrungen mit zu viel Alkohol gemacht und kannte die daraus resultierenden Folgen, vor allem die Kopfschmerzen, obwohl er schon relativ abgehärtet war. Diese waren anders, fühlten sich ganz anders an. Aber konnte er Keika das sagen?

Es war völlig klar, was Keika dachte, und er konnte es ihm wohl kaum verübeln, da die Sachlage von außen gesehen völlig klar war: Es war seine eigene Schuld, dass er einen „Kater“ hatte.

Leise seufzend angelte sich Teiou einen der Berichte, den er durchgehen sollte. Wenn Keika schon sauer war, wollte er es nicht noch schlimmer machen und wenigstens einen kleinen Beitrag leisten. Bis zum Abend würde er sicher noch was Gescheites hinbekommen, wenn er sich zusammenriss.

Teiou atmete tief durch, bevor er versuchte das dumpfe Pochen in seinem Kopf zu ignorieren und sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, wie er besser schon heute Morgen getan hätte …
 

*~*~*~
 

„Ist es immer noch nicht besser?“

Teiou hing mehr auf dem Sofa, als er saß. Mit einem Becher in der rechten Hand trat Keika um das Sofa herum, das mitten im Raum mit einem Sessel vor einem Kamin stand, und fuhr währenddessen mit seiner linken kurz durch Teious rabenschwarzes Haar.

Leise stellte er den Becher auf das kleine Tischchen, auf dem eine Öllampe flackerte und Teious Stirnband lag.

Draußen war es bereits seit einiger Zeit dunkel. Es war spät geworden. Sie hatten länger arbeiten müssen als sonst. Normalerweise hatte Teiou kein Problem damit, mal die ein oder andere Stunde früher zu Hause zu sein, aber heute war nachmittags noch einiges passiert was ihnen viel Arbeit brachte. Außerdem hatte Teiou wohl auch ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er am Vormittag nichts zu Stande gebracht hatte, die Dinge aber fertig werden mussten, weil Shoou als Tenno von oben Druck machte. Keika war erstaunt gewesen, dass Teiou, trotz des anfänglichen Gequängels wegen seines Katers straff bis zum Abend durchgearbeitet hatte.

Das Seltsame war, dass der Prinz auf dem Heimweg immer noch über Kopfschmerzen geklagt hatte. Normalerweise war er nur bis mittags nicht zu gebrauchen und erholte sich dann so schnell, dass er abends schon wieder auf Zechtour gehen konnte, wenn Keika ihn denn ließe. Heute war das anscheinend nicht der Fall.

„Du wirst nicht ernsthaft krank, oder?“, fragte der Dämon leise, während er ein Kissen vom Sessel nahm, sich darauf niederließ, die Beine anzog und Teiou genauer betrachtete.

Eigentlich konnte man fast davon ausgehen, dass Teiou irgendetwas ausbrütete, wenn er so seltsam drauf war.

Wirklich krank hatte Keika den Schwarzhaarigen noch nicht erlebt. Verwundet, ja. Auch schon schwer verletzt, aber krank in dem Sinne noch nicht. Bisher hatte er noch keinen Menschen getroffen, der so krankheitsresistent war wie Teiou. Dafür hatte er zwei Erklärungen: Entweder Teiou nahm beim kleinsten Anzeichen heiliges Wasser, ohne dass er, Keika, es bemerkte, oder aber er überspielte Krankheiten, so wie er es bei Verletzungen oft genug tat. Aber beides war nicht sehr wahrscheinlich, wie Keika sich eingestehen musste.

Einen Spalt weit öffnete Teiou die Augen und brummte etwas Unverständliches vor sich hin. Mittlerweile lag er fast auf dem Sofa und verdeckte die Narbe auf seiner Stirn mit seinem rechten Handrücken.

Mit einer Hand angelte der Dämon nach dem mitgebrachten Becher und hielt ihn Teiou hin. „Es ist jetzt einigermaßen durchgezogen und müsste wenigstens ein bisschen wirken. Aber morgen früh ist der Rest fertig.“

Auch wenn es schon angefangen hatte zu dämmern, hatte Keika sich nach der Arbeit noch auf den Weg gemacht einige Kräuter zu sammeln, die er für den Trank gegen Kopfschmerzen brauchte. Die meisten wuchsen in seinem Kräuterbeet neben dem Haus, aber einige fand man nur auf den großen Wiesen, die ihr Haus umgaben, in der Nähe des Waldrandes.

Zögernd nahm Teiou das Gefäß und musterte das dampfende Gebräu darin skeptisch, bevor er es ohne ein Wort der Widerrede trank. Keika hatte ihn dabei genau im Auge behalten und war erstaunt, dass der Prinz, der in Sachen Medizin von seiner Freundschaft zum Shuten profitierte und vom heiligen Wasser ziemlich verwöhnt war, keine Äußerung zum Geschmack des Mittels machte, wie er es sonst üblicherweise tat. Anscheinend ging es ihm wirklich nicht sonderlich gut.

„Ich glaube ich geh schlafen“, murmelte Teiou und richtete sich langsam auf. Schweigend nickte Keika und sah Teiou nach, der durch den im Dunkeln liegenden Durchgang zum Schlafzimmer verschwand.

Nachdenklich betrachtete Keika noch eine Weile die Schatten, die über die Wand tanzten. Aus ihrem Zimmer drang ein leises Fluchen zu ihm. Teiou war anscheinend im Dunkeln irgendwo gegen gestoßen, was schon fast typisch war. Meistens ging Teiou abends ohne Licht in das dunkle Schlafzimmer rüber, vermutlich um zu beweisen, dass er genauso gut im Dunkeln sehen konnte wie der Dämon. Allerdings konnte sich Teiou die Zimmerstrukturen nicht wirklich einprägen und stieß ständig irgendwo an. Meist war Keika dann verantwortlich, der die Truhen und Schränkchen dort angeblich heimlich umräumte.

Ein kurzes Grinsen huschte über Keikas Züge als er daran dachte, wie Teiou ihm schon öfters Moralpredigten deswegen gehalten hatte. Dabei konnte er doch gar nichts dafür und lachte eigentlich die ganze Zeit, wenn Teiou wieder damit anfing.

Ein dumpfer Knall riss ihn aus seinen Gedanken, gefolgt von einer weiteren Verwünschung. Dann kehrte wieder Ruhe ein.

Um nicht gleich der nächste zu sein, an dem Teiou seine üble Laune ausließ, die vermutlich auf seine Kopfschmerzen zurückging, blieb er noch eine Weile sitzen, bevor er die Lampe vom Tisch nahm und ihm fast lautlos ins Nachbarzimmer folgte.

Es war still. Nur die regelmäßigen Atemzüge des bereits schlafenden Prinzen waren zu hören.

Keikas Blick fiel auf den Boden, wo verstreut etliche Dinge lagen, die er eigentlich in einer Kiste aufbewahrte. Die Kiste lag daneben. Anscheinend war sie der Ursprung des Lärms eben gewesen. Teiou musste sie dorthin geworfen haben, denn er war sich sicher, dass die Kiste vorher im Regal gestanden hatte.

Leise bückte er sich und sammelte die umherliegenden Dinge rasch ein. Morgen würde er Teiou mal darauf ansprechen. Es konnte ja nicht sein, dass der einfach mit Dingen um sich warf, auch wenn er sauer auf sich selbst war, oder die Kopfschmerzen, oder was auch immer. Bisher hatte er das noch nie gemacht.

Er schob die Kiste zurück ins Regal und stellte die Lampe auf das Tischchen neben dem Bett.

Vorsichtig kniete er sich vor das Bett und betrachtete Teiou, der schon fest zu schlafen schien.

Er wirkte blasser als sonst. Vielleicht lag es an dem wenigen Licht und den vielen Schatten die auf seinem Gesicht lagen, aber Keika war der Überzeugung, dass Teiou deutlich blasser war und irgendwie krank wirkte.

„Schlaf gut“, murmelte er leise und strich dem Schlafenden sachte über die Wange, bevor er sich selbst auch hinlegte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2008-11-04T13:08:15+00:00 04.11.2008 14:08
Oho, es geht weiter! Na wenn das mal keine guten Neuigkeiten sind :D
Ich habe ja fast ne vage Idee, was da laufen könnte... lass mich aber überraschen :D Bin sehr gespannt und harre ungeduldig der Fortsetzung!
Von:  Silverslayer
2008-10-30T20:57:27+00:00 30.10.2008 21:57
Ups, da wird sich doch nich die alte Wunder wieder bemerktbar machen? Na ich will auf jeden Fall wissen, wie es weitergeht.


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