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Stumme Tränen

Darfst du mich denn lieben, Inuyasha?!
von

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Ein ungewöhnlicher Arbeitstag

„Oh, ich hab kaum geschlafen“, beklagte sich Anjaani am nächsten Morgen, als sie das Frühstück richtete. „Und jetzt bin ich hundemüde, obwohl ich gerade Sport gemacht habe und geduscht habe!“

„Pech für dich“, schnaubte Inuyasha, der frisch geduscht und mit noch feuchten Haaren aus dem Badezimmer kam. Er funkelte sie vorwurfsvoll an... und sah dabei so hinreißend aus!

Anjaani wandte das gerötete Gesicht von seinem nackten Oberkörper ab und bemühte sich um eine normale Stimme. „S-sag bloß, du bist immer noch beleidigt, Saajan?“

„Pf!“ Er drehte nur den Kopf weg und setzte sich mit verschränkten Armen an den Esstisch.

„Bist du so nachtragend?“

„Ja.“

„War es denn so schlimm? Sie haben sich doch nur ein wenig deine Ohren angesehen.“

Zornig sprang er auf, seine Augen loderten. Doch er besann sich sofort anders und setzte sich wieder hin, um weiterschmollen zu können. „Ich bin kein Spielzeug, merk dir das endlich!“

„Komm, Saajan. Verzeih mir.“ Ihre Stimme war so lieblich und wohltuend wie ein Sonnenstrahl im Frühling. Wollen wir doch sehen, ob sie ihn nicht milde stimmen kann!

Inuyasha blieb hart. „Darauf kannst du lange warten!“

„Bitte, Saajan.“

„Nein!“

„Nun mach schon!“

„Das kannst du vergessen! Und erst recht nicht, wenn du mich so ankeifst!“

„Das werden wir gleich sehen.“ Ihre Hand glitt an seinem Oberarm hinauf zu seiner Schulter, das Gesicht war nah an seines gerückt. Ihre Augen glänzten flehend unter den dichten Wimpern. Erschrocken rutschte er weg von ihr.

„Lass das! Geh weg von mir! Ich habe nein gesagt!“

„Ich will nur nicht, dass du noch böse auf mich bist“, hauchte sie mit zuckersüßer Stimme, die einen Stein hätte erweichen können.

„Guck nicht in ihre Augen! Lass dich bloß nicht von diesen Augen verzaubern!“ „Ich bin es aber!“

„Bitte nicht…“ Ihre Hand bahnte sich ihren Weg zu seinem Kopf und begann die empfindlichste Stelle zwischen seinen Ohren zu kraulen. Ein wohliger Schauer durchrieselte ihn, den er nur mühsam unterdrücken konnte. „Komm, sei wieder lieb.“

„Geht es dir noch gut?! Ich verzeih dir ja, nur lass mich endlich los!“

„Geht doch!“ Zufrieden setzte sie sich an ihren Platz. „Und nebenbei kannst du dich auch noch anziehen. Ich habe deinen roten Kariginu gewaschen. Irgendwie stehen dir deine Klamotten viel besser, als die von Raj.“

„Du bist sowas von nervig“, maulte er.

„Du willst doch nur überspielen, dass du es liebst, wenn ich dich kraule“, lachte sie.

Ein beleidigtes Kopfdrehen war das einzige, was sie als Antwort bekam. Anstalten, sich anzukleiden, machte er auch keine. Wenn sein Anblick sie so störte, sollte sie ruhig leiden!

Da sie es, aufgrund seiner Nacktheit, mied, ihn anzusehen, konnte er sie unbemerkt beobachten. Ganz im Gegensatz zu sonst, war sie komplett schmuckfrei. Keine klirrenden Armreifen und keine klingenden Fußketten. Sie war ganz schlicht und elegant in einen dunkelroten Sari aus blickdichtem Stoff gekleidet. Das Haar war glatt und zu einem eleganten, hohen Knoten geschlungen, der Pony mit Haarnadeln nach hinten gesteckt. Allein auf die lackierten Fingernägel, farblich passend zum Outfit, hatte sie nicht verzichtet. Was wäre Anjaani ohne die jeden Morgen frisch lackierten Nägel?

„Warum bist du eigentlich so angezogen?“, fragte er kauend.

„Du meinst so langweilig? Ich muss zur Arbeit“, antwortete sie, nachdem sie ihren Bissen hinuntergeschluckt hatte. Der Blick ruhte auf ihrem Teller. „Dort darf ich nicht so quietschbunt antanzen. Zum Glück muss ich keinen Anzug tragen. Aber ich mag diesen schlichten Sari nicht, der gehörte meiner Mutter.“

Seine Ohren zuckten. „Und in so einem engen Sari willst du dann tanzen?! Geht das überhaupt?“

Anjaani musste herzlich lachen. „Wie kommst du denn darauf? Schön wär‘s! Ich bin nur die Sekretärin vom Chef, keine Tanzlehrerin. Dazu brauche ich mindestens eine Ausbildung.“

„Und als Sekretärin nicht?“

Jetzt röteten sich ihre Wangen und sie schloss beschämt die Augen. „Nun ja… Ich weiß auch nicht warum das so ist… Aber ich mache meine Sache gut.“

Inuyashas Blick verriet eindeutig, dass er ihr nicht glaubte. „Ich weiß genau, du hast diesem Chef den Kopf verdreht. Du musst erst gar nicht versuchen, es zu leugnen!“ Klangen seine Worte vorwurfsvoll?

„Aber ich habe nichts getan“, verteidigte sie sich hitzig. „Er hat mich angesehen und wollte mir unbedingt einen Job geben! Er kannte anscheinend meine Mutter.“

„Wer‘s glaubt wird selig.“ Er lehnte sich im Stuhl nach hinten und fixierte sie eingehend.

„Das war aber so!“ Vor Verzweiflung wurde ihre Stimme schrill. „Ich habe nichts gemacht! Ich bin nicht so eine! Ich bin doch keine Schlampe!“

„Ist ja gut, beruhige dich“, beschwichtigte er sie. „Ich weiß, dass du das nicht bist. Ich wollte dich doch nur ärgern. Menno, du verstehst auch echt keinen Spaß!“

„Verstehst du es denn nicht?“, fragte sie geknickt.

Mit großen Augen sah er sie an.

„Es ist das allerschlimmste für mich, als leichtes Mädchen gesehen zu werden. Ich ertrage es nicht! Ich bin unrein und ehrlos, ohne es zu wollen. Und diese Schande kann ich nicht loswerden.“ Glitzernde Tränen hatten sich in ihren langen Wimpern verfangen. „Weißt du, wie es ist, ehrlos zu sein, ohne es selbst verschuldet zu haben?“

„Es tut mir leid“, meinte er und durch sein Gesicht zuckte ein schmerzlicher Ausdruck. „Ich weiß das. Ich lebe mit der Schande ein Hanyou zu sein.“

„Warum ist das eine Schande?“

„Ach!“ Er drehte den Kopf weg. „Ich bin kein vollwertiger Dämon und deshalb von den Youkais verpönt. Ich bin auch nicht genug Mensch, um von den Sterblichen geachtet zu werden. Ich habe mich daran erinnert, dass ich als Kind immer unglücklich war, weil ich von allen verstoßen wurde. Ich gehöre nirgends hin, weil ich nichts bin. Ein dreckiges, wertloses Halbblut.“

„Oh, Inuyasha!“ Er schreckte zusammen, weil er nicht bemerkt hatte, wie sie zu ihm getreten war- und erstarrte, als sie die Arme um seinen Nacken legte. Ihr berauschender Duft legte sich um seine Sinne.

„Das ist nicht wahr“, flüsterte sie, das Gesicht an seine Wange gelehnt. „Du bist wundervoll so wie du bist. Für mich bist du das wertvollste Wesen der Welt, weil du mir mein Leben zurückgegeben hast. Ich bin diejenige, die dich am meisten verehrt und bewundert. So vieles verdanke ich dir und würde jederzeit alles für dich geben.“

Sie sah ihn an. Der Blick voll hingebungsvoller Zärtlichkeit drang ihm bis tief ins Herz. Und plötzlich glaubte er ihr. In ihren Augen war er wundervoll, er sah es ganz deutlich. Waren ihre Augen irgendwie verändert? Sie sahen so anders aus...

„Saajan, ich liebe dich für das, was du bist. Weil du wundervoll bist.“

Er blinzelte errötend und sie richtete sich mit einem Schwung auf und nahm ihre Handtasche.

„Meine Güte, ich bin spät dran. Mittagessen habe ich dir gestern gemacht, du kannst es im Backofen aufwärmen. Lass den Tisch so, wie er ist, ich räume ihn heute Abend ab, wenn ich zurück komme. Bis heute Abend. Tschüss!“

Der rote Schleier wehte aus der Tür, diese fiel ins Schloss und weg war sie. Inuyasha saß wie gelähmt da. Hatte er sich verhört? Hatte sie gerade wirklich gesagt, dass sie ihn liebte? Sie liebte ihn dafür, wie er war... Ja, sie hatte das Wort „Liebe“ benutzt.

Wieso nahm ihn das so mit? Wieso bewegten ihre Worte ihn so sehr und machten ihn so glücklich? Weil sie es ehrlich und aus tiefstem Herzen gesagt hatte. Sie hatte ihm in ihren riesigen Augen das ganze Ausmaß ihrer Bewunderung gezeigt.

Immer wieder ließ er sich ihre Worte durch den Kopf gehen. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Dieses Gefühl breitete sich in seinem ganzen Bauch aus. Es war so warm und erfüllend.

Und er merkte, dass er sich für das, was er ist, nicht mehr schämte. Mit fröhlicher Miene, begann er, den Frühstückstisch aufzuräumen.

Anjaani hingegen dachte darüber gar nicht nach. Sie hatte ohne zu überlegen gesagt, was sie fühlte. Auf ihre Wortwahl hatte sie nicht geachtet.

Ihr Kopf war momentan bei der Arbeit. Sie hasste ihren Job! Aber die Freude, die ihr Chef ihr entgegenbrachte, wenn er sie sah, löste dann ein schlechtes Gewissen bei ihr aus. Akiyoshi Zuma begrüßte sie wie immer herzlich. Er war ein fröhlicher, runder Mann Anfang 50. Seine Freundlichkeit rührte sie.

Es gab keinen japanischen Mann, der nicht angetan von ihr war. Doch alle japanischen Frauen behandelten sie abfällig. Selten wurde sie auch gemobbt. Hier war sie eine Ausländerin und viele Frauen in ihrer Umgebung schienen sich zu bemühen, ihr das in jeder Art und Weise verständlich zu machen. Sie hatte sich an die offensichtliche Abneigung der Japanerinnen gewöhnt. Die Drillinge behaupteten, sie sei zu schön. So ein Schwachsinn!

So viele vernichtenden Blicke, die sie von Frauen bekam, so viele bewundernde Blicke erntete sie von Männern. Anjaani jedoch war herzlich zu jedem. Sie hatte viele Freundinnen, die jedoch nur zu ihr kamen, wenn sie Hilfe benötigten. Allein den Drillinge konnte sie vertrauen. Die Halbjapanerinnen hatten ihr stets zur Seite gestanden. Alle anderen verachteten sie heimlich. Anjaani war zu anders. Sie war eine Individualistin und deswegen verpönt. Ihr Hang, sich möglich indisch zu präsentieren, war auch so etwas wie eine Trotzreaktion.

Akiyoshi-sama jedoch war herzlich, im Gegensatz zu seinem kühlen Sohn Akira, der jeden fast erwürgte, der es wagte, ihn mit seinem verhassten Vornamen anzureden. Er war der Grund, warum sie ihre Arbeit hasste. Deshalb mied sie Akiyoshi-samas Sohn so gut wie möglich. Leider war das ziemlich schwer, denn er schien es auf sie abgesehen zu haben. Irgendwie konnte er sie nicht leiden und das ließ er sie spüren. Dabei wusste er nicht, dass sie Yokos Freundin war. Akira Zuma hatte vor einiger Zeit was mit dem Drilling zu tun gehabt, was gescheitert war, da er keine feste Bindung mit einer Frau wollte, die fast acht Jahre jünger war. Trotz Yokos hilfreichen Tipps, kam sie mit Zuma nicht gut klar.

Leise summend setzte sie sich an ihren Schreibtisch. Schon war auch Akiyoshi-samas Sohn da. Mit verschränkten Armen lehnte er in der Tür und bedachte sie mit seinen kalten Augen. Wäre seine Ausstrahlung nicht so abweisend und kalt, würde sein umwerfendes Aussehen bestimmt hunderte von Frauen anlocken. Er hatte umwerfende, stechende, silbergraue Augen. Der krasse Gegensatz zu Inuyashas warmen, brennenden Glutaugen und dennoch waren sie wunderschön.

In seinen hellen, silbernen Augen sah sie nun eine dunkle Begierde, die ihr Angst machte. „So fröhlich heute, Arora?“

Sie schenkte ihm ein kurzes, liebliches Lächeln. „Guten Morgen, Zuma-san. Heute ist ein schöner Tag.“

„An deiner Stelle hätte ich nichts zu lachen. Auf dich wartet Arbeit, die deinen kleinen, hübschen Hintern bis heute Nacht an den Stuhl fesseln wird“, spottete er.

„Tja, dann muss ich jetzt anfangen, oder“, erwiderte sie höflich. „Ich kann mir keine Trödelei leisten. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, Zuma-san?“

Wortlos ging er fort, auf seine geschmeidige, elegante Art, ohne die Türe zu schließen. Wäre dieser aufgeblasene Kerl nicht, wäre ihr Job um einiges erträglicher.

Sie dankte dem Himmel, dass er danach nicht mehr bei ihr auftauchte. So musste sie seine grimmigen Augen nicht ertragen, in denen immer dieses dunkle Verlangen brodelte.

Die Arbeit ließ ihr kaum Zeit für eigene Gedanken. Allein Akiyoshi-sama lenkte sie hin und wieder ab. Je mehr Zeit verging, desto müder wurde sie. So müde, dass sogar die Haarnadeln sie störten, die ihren Pony festhielten. Also entfernte sie die nervigen Dinger. Heute Nacht würde sie so gut schlafen. Oh, wie sie sich drauf freute! Um 19 Uhr war Feierabend, nur noch eine Stunde! Zuma-san müsste selbst bald fertig sein mit seinem letzten Tanzkurs.

Die plötzlich erklingende Musik, die zu ihr drang, stellte ihre Konzentrationskraft auf eine harte Probe. Es war der Bauchtanzkurs, der gerade abgehalten wurde. Und irgendjemand hatte die Tür zum Tanzsaal offen gelassen. Alle Müdigkeit war mit einem Mal verflogen. Sie konnte so heißer Rhythmik nie widerstehen!

Der Rhythmus drang durch ihren Körper und ihre Hüfte konnte nicht mehr stillhalten. „Es ist eh fast 18 Uhr. Und mit der Arbeit bin ich auch fast fertig. Was soll's!“

Das einzig gute an diesem Sari war, dass der Stoff nicht fest war und somit nicht eng anlag. Sie konnte also mühelos tanzen. Kaum hatte sie sich von ihrem Stuhl erhoben, war sie nicht mehr zu halten. Die Musik erfasste sie. Ort und Zeit völlig vergessend gab sie sich den Klängen hin. Es tat so gut durch das kleine Zimmer zu wirbeln. Ihre Hüften schwangen voller Hingabe im Takt der wilden, hemmungslosen Rhythmen. Es war so befreiend!

Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr und erstarrte. Akiyoshi-sama stand in der Tür.

Anjaani wurde von Scham ergriffen und sie verbeugte sich demütig, begann eine Entschuldigung zu stammeln. Ihr Vorgesetzter machte einige Schritte auf sie zu. Als sie langsam den Blick hob, las sie tiefe Bewunderung und kaum zu unterdrückende Euphorie in den gütigen, braunen Augen.

„Seit wann tanzt du, mein Kind?“, fragte er freundlich.

„M-mein ganzes L-Leben“, stotterte sie. „Also seitdem ich denken kann.“

„Liebst du das Tanzen?“

„Ja. Ich kann nicht ohne“, antwortete sie ehrlich. „Wenn ich mich im Rhythmus verliere, ist alles wunderschön.“

„Woher kannst du Bauchtanz?“ Er redete normal und höflich, doch die Freude in seiner Stimme war deutlich zu hören. Anjaani Gefühlsradar schlug heftig aus.

„Anfangs durch Zusehen und dann habe ich es selbst perfektioniert. Ich höre die Klänge und mein Körper folgt. Ich denke gar nicht darüber nach.“

„Was kannst du noch?“

„Wie bitte?“

„Welche Tänze beherrschst du noch?“

„Ich beherrsche alle Standarttänze und lateinamerikanischen. Orientalische und indische Tänze ebenfalls. Sowie Hip-Hop, Freestyle…“

„Unfassbar!“, unterbrach er sie und verbeugte sich. „Würdest du mir bitte eine Kostprobe geben?“

Im ersten Moment glaubte sie, sich verhört zu haben. Doch er meinte das tatsächlich ernst.

In einem leeren Proberaum musste sie ihr Können unter Beweis stellen. Akiyoshi-sama bat sie, zu bestimmten Bauchtanz-Melodien zu tanzen. Die Musik war feurig, sinnlich, schon erotisch, doch sie bestand mit Bravour.

Anjaani wusste nicht, worauf Akiyoshi-sama hinaus wollte, doch der Test nahm kein Ende. Auch traditionelle indische Tänze musste sie ihm vorführen. Zu modernen Pop und Hip-Hop- Melodien gab sie ebenfalls ihr bestes. Ihr ganzes Können musste sie ihm zeigen. Am Ende war Anjaani völlig erschöpft. Jeder Muskel tat ihr weh, der feine Saristoff schabte über ihre feuchte Haut und die Kontaktlinsen brannten in ihren Augen.

Akiyoshi-sama jedoch war begeistert. Er habe noch nie so viel Leidenschaft gesehen. Mit leuchtenden Augen bat er sie, als Tanzlehrerin zu arbeiten.

Anjaani glaubte, sich verhört zu haben. So plötzlich? Doch sie hatte ihn richtig verstanden und ihr blieb die Spucke weg. Das meinte er doch nicht ernst?!

„Das meinst du doch nicht ernst, Vater?“

Ein kalter Schauer lief über ihren erhitzten Körper, als sie Zumas Stimme hinter sich hörte.

„Doch, das meine ich ernst“, bestätigte er. „Du hättest sie sehen sollen. So etwas habe ich noch nie gesehen!“

Dieses Kompliment ließ Anjaani erröten.

Zuma trat mit schmalen Augen auf sie zu und bedachte sie eiskalt. Er war groß, ungefähr so groß wie Inuyasha. „Davon muss ich mich selbst überzeugen.“

„Das ist nicht nötig, mein Sohn. Ich-“

„Ich will es mit eigenen Augen sehen. Wenn sie mir standhält, ist sie gut.“ Zuma war Weltmeister und mehrfacher Goldmedaillengewinner im Tanzen. „Einen Tanz verlange ich nur. Wer weiß, ob es nicht einfach nur ihr Aussehen ist, dass dich blendet.“

„Ich muss doch bitten“, rief Anjaani verärgert. „Ich blende hier niemanden. Mein Können allein überzeugt und nicht mein Aussehen.“

„Ach ja?“ Er beugte sich zu ihr und sie schreckte vor ihm zurück. „Wenn du so gut bist, dann beweise es. Tanze mit mir.“

Jetzt bekam sie wirklich Angst. Er wollte ihr sicher eins auswischen. Sie betete, dem zu entkommen, doch Akiyoshi-sama war einverstanden und legte eine heiße Salsa-Melodie auf. Anjaani steckte den Sari an ihrer Hüfte fest, die sich wie automatisch in den ersten Takten zu wiegen begann.

Mit dem Blick eines hungrigen Raubtieres, zog Akiyoshi-samas Sohn sie an sich. „Zeig, was du drauf hast“, raunte er in ihr Ohr. Im selben Moment begannen ihre Körper sich zu bewegen.

„Vergiss deine Scham“, beschwor sich Anjaani. „Das ist nur ein Tanz. Denke nicht an ihn. Es ist egal, dass sein Körper gegen deinen reibt. Es ist ein Duell. Wessen Leidenschaft siegt? Du bist die Siegerin. Er unterliegt dir. Er ist dein Spielzeug! Zeig ihm deine Leidenschaft!“

Perfekt passten ihre Bewegungen sich an seine an. Seine Hände führten sie, sie folgte. Sie flogen schon fast übers Parkett. Schnell und feurig, keiner gab nach. Sinnlich, hingebungsvoll.

Sie hatte Feuer, das musste Zuma zugeben. In so perfektem Einklang hatte er mit niemanden getanzt. Sie schienen eins zu sein, als wären ihre Seelen verschmolzen. Nie hatte er so perfekt mit jemanden getanzt. Nie hatte ihn jemand so fühlen lassen... Verdammt, was war nur los?

Der Tanz riss ihn mit, berauschte seine Sinne. Er lebte, atmete diesen Tanz, gemeinsam mit ihr. Er empfand doch sonst kein solch unerträgliches Verlangen bei Tanzen. Nie hatte eine Frau ihn bei einem Tanz so verzaubert.

Aber diese Frau hier war brennende Leidenschaft, lohende Begierde, sprühende Sinnlichkeit, sie war die reine Sünde! Solch eine fast greifbare Erotik hatte er noch nie beim Tanzen erlebt. Er hatte sie gefunden, seine perfekte Partnerin. Doch er schwor sich, sie nicht siegen zu lassen. Plötzlich gab er die Führung auf. Anjaani bemerkte es im selben Moment und reagierte sofort. Sie übernahm die Führung, ohne dass es einem aufgefallen wäre. Kein Fehler, kein Zögern, der Tanz ging fließend weiter. Mit dem letzten Klang drehte er sie aus seinen Armen, das Ende des Saris löste sich, wehte auf wie eine blutiger Nebel.

Zumas Blick war undurchdringlich. „Beachtlich“, sagte er kühl. „Ich führe dich und trotzdem bist du die Überlegene.“

„Was sagst du, mein Sohn?“, meldete sich Akiyoshi-sama neugierig.

„Welche Tänze würde sie unterrichten?“ Zuma ließ Anjaani nicht aus den Augen.

„Nun ja…“ Sein Vater überlegte kurz. „Dies zu entscheiden, läge in deinem Aufgabenbereich. “

„So? Dann orientalisch oder lateinamerikanisch. Wilde, feurige Tänze. Mit anderen Worten: Erotisch.“

Anjaani zuckte bei diesem einen Wort verschreckt zusammen.

„So schüchtern?“, spöttelte Zuma. „Tja, so sind diese Tänze nun mal. Nichts für eine verstockte Jungfrau.“ Er trat ganz nah an sie heran, ein boshaftes Grinsen um den Mund. Seine Hand glitt zu ihrer linken Schulter. „Den richtigen Körper dafür hast du ja. Zeig mir, wie erotisch du sein kannst. Schwer muss es der Hure meines Vaters ja nicht fallen.“ Seine Hand löste mit einer ruckartigen Bewegung den Sari von ihrer Schulter und strich über ihren entblößten Bauch.

Reflexartig stieß sie ihn von sich, ihre Augen loderten auf vor Hass. „Was erlauben Sie sich?!“, schrie sie erbost. „Wie können Sie es wagen, mich so respektlos zu behandeln? Fassen Sie mich nie wieder an! Ich bin kein Objekt! Ich habe meine Würde und die werden Sie nicht mit Füßen treten!“

Zumas helle Augen weiteten sich vor Erstaunen. Ein zufriedenes Lächeln machte sich in seinem schönen Gesicht breit.

„Ich weiß, für was Sie mich halten“, fuhr Anjaani nun etwas ruhiger fort. „Sie glauben, ich erkaufe mir alles mit meinem Aussehen. Ich bin nicht so eine! Ich habe meinen Stolz. Und Sie verletzen mit Ihren Vorurteilen mein Ehrgefühl.“ Anjaani richtete sich drohend auf. Die Wut kochte heiß in ihren Adern.

Eine brennende Hitze überkam Zuma. Wütend war sie noch anziehender. Diese Seite an ihr gefiel ihm. Sie war in ihrem Zorn so sexy, dass er sich vergessen konnte. Und die sah dieses Verlangen in seinen stechend kalten Augen. Er drehte ihr den Rücken zu und ohne sich noch ein Mal umzudrehen, sagte er: „Sie ist eingestellt.“

Erschöpft sackte Anjaani zusammen und hatte nur noch einen Gedanken: die Drillinge würden ihr das nicht glauben! Und wie würde Inuyasha reagieren? Sie sehnte sich so nach seiner Nähe. Es war schon nach zehn Uhr abends, er machte sich wahrscheinlich Sorgen.

Zuma-Senior dachte noch nicht dran, sie aus seinem Büro zu entlassen. Gewisse Formalitäten mussten geregelt werden. Morgen solle sie wieder kommen, um alles Nötige zu besprechen. Sein Sohn würde alles in die Hand nehmen. Na toll! Jetzt war Zuma ihr Chef.

Anjaani verließ völlig erschöpft und ausgehungert das Tanzstudio.

Und jetzt auch noch nach Hause laufen! Furchtbar. Normalerweise machte ihr dieser halbstündige Spaziergang nichts aus, da sie Busfahren hasste. Aber sie war so erschöpft! Jedoch tat ihr die kühle Nachtluft gut. Endlich konnte sie auch ihr Haar lösen. Der spielerische Wind erfasste ihre schwarzen Strähnen sofort.

Ein ebenso schwarzes Cabrio hielt plötzlich neben ihr. Akira Zuma lehnte sich aus der Tür. Er hatte sie noch nie mit offenen Haaren gesehen. Kurz blitzte etwas in seinen Augen auf, dann wurde sein Blick geringschätzig wie immer.

„Erschöpft?“ Hohn lag in seiner Stimme.

„Es war ein langer Tag“, meinte sie betont freundlich.

„Am Ende hast du gekriegt, was du wolltest.“

„Es war nicht meine Absicht und ich habe es mir ehrlich erarbeitet“, knirschte sie.

„Oh, du wirst arbeiten“, drohte er leise. „Und wie du arbeiten wirst, Schönheit. Jetzt wird dein verwöhnter Arsch arbeiten müssen.“ Er brauste davon, ohne ihr eine Antwort zu gönnen.

Sie hasste ihn. Woher nahm er sich die Frechheit, sich eine Meinung über sie zu bilden? So ein arroganter Mistkerl! „Dem werde ich es zeigen!“

Mühsam legte sie den Heimweg zurück. Alles tat ihr weh, als sie endlich in der Wohnung ankam.

Ausgehungert und frierend betrat sie die Wohnung. Sie war so fertig, dass sie sich gar nicht wunderte, dass die Drillinge mit einem wütenden Inuyasha und leeren Pizzakartons in der Küche saßen.

„Na endlich, mein Herz“, rief ihr Yuki zu.

Zitternd, die wirren Haare ins Gesicht hängend, lächelte sie schwach. Die Freunde eilten ihr besorgt entgegen, von denen Inuyasha als erster bei ihr war. „Was ist passiert?“

Sie betrachtete eingehend seine Augen. Genauso stechend und klar, wie Zumas Augen, nur so unendlich warm... „Zu viel getanzt“, seufzte sie dann.

„Getanzt?!“, riefen die Drillinge überrascht.

Stöhnend ließ sie sich ins Sofa sinken, bevor sie zu erzählen begann. Inuyasha hockte sich sofort neben sie. Kaum saß sie, wurden ihre Augen schwer und sie sank gegen seine starke Schulter.

„Ist sie jetzt ernsthaft eingeschlafen?“, hauchte Yoko fassungslos.

„Das sieht so süß aus“, kicherte Yuki. „Inuyasha, ich komm auf die andere Seite.“

„Verschon mich“, brummte er und schüttelte sie von sich.

„Och, lass mich“, beschwerte sich Yuki. „Du siehst nun mal so gut aus in diesem roten Kariginu!“

„Du nervst, hat dir das schon mal einer gesagt?“

„Ja du. Heute allein schon 20 Mal.“

Inuyasha rüttelte Anjaani unsanft. „Hey, wach auf!“

„Lass mich“, nuschelte diese und schlang die Arme um seinen Oberkörper. Die Drillinge lachten über Inuyashas errötendes Gesicht.

„Erzähl uns, was war, dann lassen wir dich sofort in Ruhe“, versprach Yami.

Da Anjaani wusste, dass sie nicht drum rum kommen konnte, erzählte sie unter verzückten und teilweise auch empörten Kommentaren, was sich heute ereignet hatte. Als sie verbittert berichtete, dass Akira Zuma sie eine Hure genannt hatte, verdüsterten sich die Gesichter der vier Zuhörer. Sie wussten alle, was es für Anjaani bedeutete, so genannt zu werden.

Ihre Erzählung und die darauffolgende Diskussion weckten Anjaanis Lebensgeister neu.

Alle waren sich einig, dass Akira Zuma ein Problem für sie darstellen könnte.

„Inuyasha bringt dich jeden Tag hin und holt dich wieder ab“, entschied Yoko grollend. „Dann bist du sicher vor dem Schneekönig.“

„Moment mal! Wer fragt mich?“, regte Inuyasha sich auf.

„Keine Sorge, Inuyasha“, meinte Anjaani mit eisiger Stimme und stieß ihn von sich. „Ich will nicht, dass du das tust.“

„Wieso bist du jetzt sauer“, knurrte er und sprang auf.

„Bin ich nicht, du Blödmann!“, rief sie grollend.

„Wir gehen lieber mal“, meinte Yami nervös, als Anjaani mit zornesblitzenden Augen aufstand. Dass Anjaani die Hände in die Hüfte stemmte, war an sich ein schlechtes Zeichen. Aber sobald sie anfing, Schimpfwörter zu benutzen, war es besser, das Weite zu suchen. Dann war sie wirklich sauer.

„Danke, dass ihr da wart und gute Nacht“, sagte Anjaani dumpf, ohne Inuyasha aus den Augen zu lassen.

„Es ist entschieden“, meinte er nur und setzte sich hin. Doch sie packte ihn am Haar und zog ihn wieder hoch.

„Aua, was soll das? Das tut weh!“

„Ich will nicht, dass du dir die Mühe machst“, knurrte sie.

„Keiner fragt dich, verstanden?!“

„Natürlich fragt mich jemand! Es ist mein Leben, über das du nicht zu bestimmen hast!“

„Ich will dich doch nur beschützen, du blöde Gans!“

Drohend und mit geballten Fäusten standen sie sich gegenüber.

„Ich will nicht, nicht so“, meinte sie plötzlich traurig und senkte den Blick. „Nicht, wenn es gegen deinen Willen ist. Ich mag es nicht, wenn ich eine Last für dich bin.“

„Anjaani…“ Kurz entspannten sich seine Gesichtszüge, dann wurde er wieder wütend. Er packte sie an den Schultern und blickte ihr fest in die grünen Augen. Moment! Grüne Augen? Seit wann hat sie denn grüne Augen?

Sie wusste wieder sofort, was er dachte. „Das sind farbige Kontaktlinsen“, erklärte sie kühl. „Ich mag meine Augenfarbe nicht.“

„Das interessiert mich nicht die Bohne! Dieser Kerl ist es, der mich beschäftigt. Willst du, dass der Typ dir etwas antut? Wenn ich bei dir bin, bist du vor ihm sicher.“

„Was sollte er mir denn antun?“ Mit einem abwertenden Schnaufen drehte sie ihm den Rücken zu und ging Richtung Bad. „Ich kann mich gut alleine wehren.“

Inuyashas Augen blitzten auf. Mit einem Satz war er bei ihr, wirbelte sie herum und presste sie gegen die Wand. Der Sari löste sich von ihrer Schulter. Erschrocken keuchte sie auf. Ihre Augen weiteten sich entsetzt. Die Stimme versagte ihr.

Er drückte sich fest gegen sie und hielt ihre Handgelenke eisern umklammert. Sein Gesicht war finster, seine Augen glühten. Sie konnte sich gar nicht rühren. Ihre wackeligen Knie gaben nach und sie wäre zusammengesunken, würde Inuyashas Körper sie nicht gefangen halten.

„So, du kannst dich also wehren“, raunte er tief und dunkel. Sie war wie gelähmt. „Versuche doch, dich zu wehren.“

Sein Knie zwängte sich zwischen ihre Beine. Panisch bemerkte sie, dass es ein leichtes für ihn war, sich dazwischen zu drängen. Stumm starrte sie ihm in die bedrohlichen Augen.

„Und jetzt verrate mir mal, wie du dich nun wehren kannst!“, knurrte er wütend. Sein heißer Atem trieb ihr die Schwindel erregende Hitze ins Gesicht. Ihre Brust pochte an seiner. Ihr Atem ging unkontrollierbar schnell. Sie konnte den Blick nicht abwenden.

„Sobald er das geschafft hat, gibt es kein Entkommen mehr für dich!“

„Bitte…“ Ihre Stimme war nur sehr schwach und zitterte. „Bitte lass mich los.“

„Was, wenn er das hier macht?“

Inuyashas eiserner Griff löste sich und er umfasste ihr Gesicht. So musste sie in diese gefährlichen, brennenden Augen sehen. Sie wollte den Kopf drehen, wollte ihn mit ihren freien Händen weg stoßen, doch er stand unbeweglich wie ein Fels. Seine Lippen waren ihren so nah, dass sie die Hitze spürte, die von ihnen ausging. Sein brennender Atmen benebelte ihre Sinne. Er konnte mit ihr machen was er wollte, sie konnte sich keinen Zentimeter rühren. Langsam legte sich die freien Finger an ihre bebende Brust, die Krallen schabten ihr Choli hinab. Ein Zucken und er würde es zerreißen.

„Jetzt kann ich alles machen, was ich will“, knurrte Inuyasha leise. „Und du könntest es nicht verhindern.“

„Geh weg von mir“, flehte sie leise. Seine festen Finger an ihrem Kiefer schmerzten.

„Siehst du es endlich ein?“ Er drückte sich von der Wand weg und musterte sie mit zornesblitzenden Augen. Sie sah ihn nicht an. Ihre Hand krallte sich an der pochenden Stelle in ihrer Brust fest.

„Er ist dir zu nahe gekommen. Er hat dich praktisch entblößt und dich berührt. Er ist eine Gefahr für dich.“

„Und du?“, flüsterte sie und hüllte sich wieder in ihren Sari. „Bist du es nicht?“

Der Zorn in seinem Gesicht wich Verwunderung und dann Panik. „Nein“, rief er. „Ich hatte nichts vor, ich-“

Sie kam ganz nah an ihn heran. Ihre Fäuste ballten sich vor Wut. „Tu das nie wieder! Ich bin doch keine Beute, die man bedrängt und in die Enge treibt!“

„Aber ich wollte dir nur zeigen, dass-“

„Ich habe es verstanden. Bist du nun zufrieden? Warum bist du nur so grob?“

„Ich will dich doch nur beschützen! Wieso verstehst du das nicht?“

„Du hast meine Brüste-“ Doch mitten im Satz erstrahlte ihr Gesicht. „Ich habe noch gar nichts gegessen“, meinte sie ausgelassen. „Mein Magen hängt mir in den Kniekehlen.“

Er hasste es, wenn sie die Stimmung plötzlich wechselte, aber anscheinend wollte sie diese Sache jetzt auf sich beruhen lassen. Will sie einfach alles ungeklärt hinunterschlucken?

„Habe ich dir Angst eingejagt?“, fragte er zögerlich.

„Ein wenig“, log sie fröhlich und hüpfte hinüber in die Küche. „Weißt du, von einem gefährlichen Dämon unentrinnbar an die Wand gepresst zu werden, der droht, dir die Kleider am Leib zu zerreißen, kann einem schon ein mulmiges Gefühl verpassen. Noch nie habe ich so deutlich den Dämon in dir gesehen, wie jetzt.“ Sie verschwieg, dass es sie zum größten Teil durcheinander gebracht hatte und Verlangen nach ihm geweckt hatte. Sein Körper, so stark, so fest…

„Ich hätte dir nichts getan. Das weißt du doch...“

„Oh, ihr habt mir auch eine Pizza gekauft“, freute sie sich. „Wie lieb, dankeschön!“

„Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?!“

„Willst du jetzt Stunden darüber diskutieren, dass du mir zu nahe gekommen bist“, lächelte sie heiter. „Du warst derjenige, der solche Situationen vermeiden wollte. Also, was ist so schlimm daran, es zu vergessen? Ich weiß doch, dass du nichts für mich empfindest. Aber damit irritierst du mich nur.“

Das nahm ihm den Wind aus den Segeln. Anjaani hatte recht. Eines ließ ihn erleichtert aufatmen, sie hatte nicht gemerkt, wie sehr es ihn erregt hatte, ihr auf diese Weise nah zu sein, die Finger an ihrem weichen, vollen Busen... Hatte sie nicht bemerkt, wie sehr er um seine Beherrschung hatte ringen müssen? Hatte sie seinen Herzschlag nur deshalb nicht gespürt, weil ihres genauso schnell geschlagen hatte? Er hätte gerne gesehen, ob ihre Augen sich golden gefärbt hatten. Die grünen Kontaktlinsen verdeckten alles.

„Hast du großen Hunger?“, fragte er, um das unangenehme Schweigen zu brechen.

Sie schreckte mit einem leisen Schrei zusammen.

„Was ist los“, rief er.

„Oh, Saajan, es tut mir so leid!“ Sie kam auf ihn zu und legte die Hände auf seine Schultern.

„Hä? Was ist jetzt los mit dir?“ Verunsichert machte er ein paar Schritte nach hinten.

„Ich wollte nicht so spät Heim. Ich habe gar nicht ans Abendessen gedacht und-“

„Jetzt reg dich mal ab. Du kannst doch nichts dafür. Ich- hey, pass auf!“

Seine Hüfte stieß an den Küchentisch und er schwankte. Sie prallte gegen ihn und sein Oberkörper kippte nach hinten. Aus einem Reflex heraus, packten seine Hände ihre Oberarme, doch damit zog er sie nur auf sich. Stumm sahen sie sich in die Augen. Anjaanis tiefen, großen Augen... dieser unschuldige Blick. Röte überzog seine Wangen. Sie war ihm so nah. Ihre Wärme, ihr Duft... Ihre Lippen zogen ihn magisch an...

„An...jaa...ni...“

Ihr herzhaftes Gähnen löste den Zauber und er schubste sie hastig von sich runter. „Tut mir leid.“ Träge schüttelte sie den Kopf. „Ich bin nur so müde.“

Unglaublich! Fast hätte er sie geküsst! Er ärgerte sich maßlos über seine Schwäche. Er wollte ihr doch widerstehen! Und sie schien es nicht einmal bemerkt zu haben. Dafür war sie viel zu müde.

Anjaani legte sich ihre Pizza in den Backofen und schlurfte ins Bad, um zu duschen. Sie hatte den Zauber der Situation, der Inuyasha erfasst hatte, gar nicht bemerkt.

Das Wasser tat ihren Muskeln gut, doch ihre Müdigkeit war kaum zu vertreiben. Im Nachthemd setzte sie sich neben Inuyasha auf das Sofa und kaute langsam ihre Pizza.

Da sie nicht alles aufessen konnte, bediente er sich ebenfalls. Inuyasha konnte es nicht verhindern, auf ihre wohlgeformten, nackten Beine zu schielen, vermied es aber etwas zu sagen. Sonst würde sie noch denken, ihr Anblick mache ihm etwas aus. Erst das an der Wand, dann das in der Küche und nun saß sie kaum bedeckt neben ihm! Sie brachte seine Standhaftigkeit ganz schön ins Wanken.

Er zwang sich, ihr nicht hinterher zu schauen, als sie ins Bad ging, um sich die Zähne zu putzen.

„Inuyasha, bitte massiere mich“, bat sie gähnend, als sie zurück kam. Ihre nun wieder dunkelbraunen Augen blickten ihn flehend an. Er mochte ihre natürliche Augenfarbe am liebsten, so war sie schöner. Für den Moment hatte er sich in dem vertrauten Braun verloren. Dann wurde ihm bewusst, um was sie ihn gebeten hatte.

„Bitte, was soll ich tun?“, fragte er entgeistert.

Sie war zu müde für lange Diskussionen. „Bitte nur ein bisschen die Schultern und Arme, mir tut alles weh.“

„Ich weiß doch gar nicht, wie das geht.“

„So drücken“, meinte sie und vollführte skurrile Handbewegungen in der Luft.

„Ich kann das nicht! Ich werde dich nur zerkratzen.“

„Ich bitte dich doch nur, die Schultern zu massieren und nicht irgendwas anderes! Meine Beine tun mir nämlich mehr weh.“ Den Kopf missbilligend schüttelnd, setzte sie sich vor ihm hin und schob das lange, noch feuchte Haar zur Seite.

Langsam begann er ihren Nacken zu kneten. Natürlich waren seine Krallen nicht im Weg. Ihre Haut war zart wie feinste Seide, doch ihre Muskeln waren steinhart. Die Arme musste sich heute wirklich verausgabt haben. Verwundert bemerkte er, dass sich die feinen Härchen in ihrem Nacken bei seiner Berührung aufrichteten. Woher kam diese plötzliche Gänsehaut? Seltsam, seine Hände waren doch warm...

Anjaani schien seine Massage zu genießen, denn ihr Körper entspannte sich und ihr Atem wurde tiefer und gleichmäßiger. Als er sich seinen Weg zu ihren Schultern bahnte, bemerkte er, dass sie keinen BH trug. Hitze wallte in ihm auf und er wurde nervös. Unter dem dünnen Hemdchen hatte sie rein gar nichts an! Jetzt richteten sich seine Nackenhärchen auf und seine Hände wurden schwitzig.

„So, das reicht“, meinte er unangenehm berührt. „Ich habe keine Lust mehr.“

Sie antwortete nicht.

„Anjaani?“ Er hob ihr Gesicht an und sah, dass sie eingeschlafen war.

Was jetzt? Leicht schüttelte er sie, doch das hatte nur zur Folge, dass sie nach hinten kippte und direkt in seinem Schoß landete.

Geschockt riss er die Augen auf. Himmel, nein! Solche Situationen wollte er doch vermeiden. Doch sie drehte sich zur Seite und umschlang ihn mit den Armen. Ihr Gesicht lag auf seinem verbotenen Körperteil und schmiegte sich an seinen Bauch.

Inuyasha saß stocksteif da. Was jetzt? Sie zog die Beine an und rückte näher zu ihm, da rutschte ihr Nachthemd hoch und entblößte ihre Hüfte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den weißen Slip an, der ihren Po bedeckte. Sein Gesicht begann zu brennen. Wenn sie das jetzt mitkriegen würde, würde sie vor Scham sterben. Und ihn vorher umbringen.

Immerhin war sie unter dem Hemd nicht vollkommen nackt. Mit zitternden Fingern langte er nach dem Hemd und zog es vorsichtig herunter. Sie schlug nach seiner Hand.

„Lassen Sie mich los, Zuma-san, ich bin keine Hure“, murrte sie im Schlaf und zerrte sich das Nachthemd über den Po.

Erleichtert betrachtete er ihr schlafendes Gesicht. Ein Anflug von Zärtlichkeit überkam ihn und er strich vorsichtig die kurzen Haarsträhnen aus ihrem Gesicht, die sich auf ihren rosigen Wangen ausgebreitet hatten. Sanft schob er ihren Kopf auf seine Schenkel.

Er durfte sie nicht lieben. Aber er musste sie beschützen. Das zumindest war er ihr schuldig.

„Ich wollte das nicht“, nuschelte sie leise im Schlaf. „Saajan, ich wollte das nicht.“

Hm? Sie redet im Schlaf? Und selbst da nannte sie ihn bei diesem seltsamen Spitznamen. Sollte er antworten?

„Was wolltest du nicht?“, fragte er leise.

„Ich schäme mich so. Besonders vor Saajan.“

„Wer ist Saajan?“

„Das ist Inuyashas Name. Seine indische Bedeutung für mich.“

Bedeutete sein Name auf indisch „Saajan“? „Und wieso schämst du dich vor mir?“

„Was Saajan jetzt von mir denkt?“

„Ich denke nichts.“

„Er muss mich für eine Schlampe halten“, jammerte sie und drückte das schöne Gesicht wieder an seinen harten Bauch.

„Nein, tue ich nicht“, antwortete er so liebevoll wie möglich, ertrug jedoch ihr Gewicht auf seiner harten Männlichkeit nicht. Wenn sie jetzt aufwachte... Sacht hob er ihren Oberkörper auf seinen Arm. Nun kuschelte sie sich an seine Brust.

„Ich bin nicht so, ich mache so was nicht. Das muss er mir glauben. Ich will nicht angefasst werden.“

„Das tue ich“, versicherte er. „Es war Zumas Schuld. Aber ich beschütze dich vor ihm.“

„Inuyasha kann ich trauen, nicht wahr? Er hält mich nicht für schamlos.“

„Nein, er weiß wie rein und unschuldig du bist.“

„Aber ich habe mich ihm gegenüber schamlos verhalten.“

Er kam sich komisch vor, hier mit einer Schlafenden zu reden. Er unterhielt sich mit ihr, während sie schlief. Irgendwie war das seltsam. Aber er konnte das ausnutzen.

„Das warst nicht du, das war der Alkohol. Du kannst dich ja an nichts erinnern.“ Nach leichtem Zögern fügte er hinzu: „Oder?“

„Nein kann ich nicht.“

„Bereust du es?“

„Ja. Ich habe hauptsächlich Angst, was er von mir denkt. Wie war es denn?“

Diese unerwartete Frage trieb ihm die Röte ins Gesicht. „W-wieso willst du d-das wissen?“, stammelte er.

„Ich will wissen, wie ich mich verhalten habe. Ich habe Angst davor.“

„Hemmungslos“, war das erste, was ihm einfiel. Nervös schluckte er den Kloß in seinem Hals hinunter. „Würdest du dich gerne daran erinnern?“ Er wusste nicht was er sagen sollte. Es war so peinlich!

„Ich bin neugierig, aber die Scham ist zu groß. Ich ekel mich vor der körperlichen Vereinigung, weißt du? Aber vielleicht war es ja schön. Inuyasha ist nicht wie Raj. Ich kenne sowas nur im Zusammenhang mit Demut, Erniedrigung und Schmerzen. S-S-...Sex ist für mich der Alptraum schlechthin. Aber vielleicht war es schön mit ihm. War er zärtlich?“

Inuyasha biss sich vor Schreck auf die Zunge. „Ja“, presste er dann beschämt hervor.

„Ist es dann schön? Ich weiß nicht, wie es ist, wenn Liebe dabei ist.“

„Liebe?!“

„Ich will nicht, wenn es nur um Lust ging. Es muss Hingabe… muss… Lie…be… dabei… sein… oh…ne… geht… ni…“ Ihre Stimme erstarb vollkommen.

Nachdenklich betrachtete er sie. „Du gehörst ins Bett“, entschied er dann.

Es kostete ihn Mühe, sie so auf zu heben, ohne dass das Nachthemd hoch rutschte. Doch sie wachte nicht auf. Auch dann nicht, als er sie so vorsichtig wie möglich ins Bett legte.

Ohne sie noch einmal anzusehen, drehte er sich um und wollte das Zimmer verlassen.

„Inuyasha ist mein Herz. Und er darf nicht wissen, dass ich ihn liebe.“

Wie erstarrt blieb er stehen und lauschte. Sie schlief immer noch.

„Sag es ihm nicht, denn wenn er es weiß, wird es noch schwieriger für ihn. Schließlich liebt er mich nicht.“

Er wollte gehen, ihren leisen Worten entrinnen, aber er konnte nicht.

„Er soll sich bei mir wohl fühlen, das bin ich ihm wenigstens schuldig. Wir werden nie zusammen sein. Aber ich will immer für ihn da sein. Sag ihm nur, dass ich bei ihm bin, bis er sein Gedächtnis wieder erlangt und dann geht. Ich bin bei ihm, bis ich ihn gehen lassen muss. Sagst du ihm das bitte?“

„Ja“, flüsterte er leise und schloss die Tür.

Bis sie ihn gehen lässt… Sie akzeptierte es. Das war das, was er wollte. Und es war gut so. Aber warum störte es ihn? Weil er ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte? Es tat ihm leid, ihre Gefühle nicht erwidern zu dürfen und irgendwie kam ihm das bekannt vor. Es hatte mit diesem unbekannten Mädchen zu tun. Das Mädchen, das er liebte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-03-30T10:13:22+00:00 30.03.2010 12:13
mir gefällt die geschichte ungemein gut u ich bin gespannt auf das nächste kapitel...freue mich auf den nächsten upload


lG
Shady
Von: abgemeldet
2010-03-09T19:58:03+00:00 09.03.2010 20:58
Oh ja, ein neues Kapitel! Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor XD
Es war mal wieder total schön, und ich find es toll, dass Anjaani jetzt Tanzlehrerin wird :) und dass sie Inuyasha gesagt hat, dass sie ihn liebt, und dass er sie ja eig auch liebt und .. so romantisch und tragisch. Ich hoffe mal, dass Inuyasha mal über seinen eigenen Schatten springt!

LG
Jazz


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