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Quo vadis?

von

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trapacear

Nachdem Farin seinen letzten Chemozyklus erfolgreich überstanden hatte, war er erst einmal zur Entspannung in den Urlaub gefahren. Immer noch konnte er es nicht ganz glauben, dass die vielen Krankenhausbesuche nun zu Ende waren. Natürlich wusste er von der hohen Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls, aber er hoffte, dass dieser ausblieb. Und sollte der Tumor doch wieder zurückkommen, dann würde dieser durch die regelmäßigen Untersuchungen sicher frühzeitig erkannt werden.
 

Nun war es wieder soweit: Das Farin Urlaub Racing Team ging auf Tour, um die abgesagten Konzerte nachzuholen. Schon im Vorfeld hatte der Gitarrist seinen Körper durch regelmäßiges Laufen wieder in Form gebracht. Auch die Haare, die wegen der Chemotherapie etwas dunkler und an den Schläfen grauer geworden waren, hatte er geschnitten und gefärbt.

„Na, bist du bereit?“, fragte Robert fröhlich, als er gemeinsam mit dem Blonden in den silbernen Tourbus stieg.

„Ich doch immer“, gab dieser grinsend zurück und ging in den oberen Bereich des Nightliners, wo die Betten und zwei gemütliche Sitzecken untergebracht waren. Er stellte seine Reisetasche in den dafür vorgesehenen Stauraum gegenüber der Treppe ab und platzierte seine Jacke auf dem Bett, in dem er bei Nachtfahrten schlafen würde. Dann ging er wieder nach unten und begrüßte die restlichen Musiker und die Tourmanagerin. Da nun alle Fahrgäste anwesend waren, startete der Busfahrer den Motor und wenig später fuhren sie auch schon vom Parkplatz.

Um die Einzelheiten der Tour noch einmal zu besprechen, versammelten sich die zwölf im unteren Teil des Busses, und verteilten sich auf die neun schwarzen Ledersitze oder lehnten sich an die Wand. Die Zetteln auf dem Klemmbrett durchblätternd, ging Patty, die Tourmanagerin, die einzelnen Informationen durch und beantwortete etwaige Fragen. Anschließend verteilten sich die zwölf auf die verschiedenen Sitzgelegenheiten im Bus und quatschten, sahen einen Film, telefonierten oder lasen – wie in Farins Fall – ein Buch.
 

Fünf Stunden später war die Band in der Stadt angekommen, in der sie am nächsten Abend ein Konzert spielen würden. Als die Musiker ihre Zimmer bezogen, wartete auf den großen Blonden eine kleine Überraschung.

„Hey“, wurde er von der auf dem Bett sitzenden Lisa begrüßt, als er seine Unterkunft betrat.

Erfreut ging der Hüne auf die Braunhaarige zu, setzte sich neben sie und küsste sie leidenschaftlich.

„Hey“, grinste er, nachdem sie sich gelöst hatten.

„Ist mir die Überraschung gelungen?“, fragte die Frau scheinheilig.

„Und wie! Wie hast du das angestellt?“, wollte Farin wissen, während er ihr verliebt durch die Haare strich.

„Hab Patty angerufen, damit sie ein Doppelzimmer reserviert. Alles andere hat sich dann von selbst ergeben“, antwortete die Krankenschwester und ließ sich zurück sinken, sodass sie nun im Bett lag. „Und…was haben wir jetzt vor?“, fragte sie dann.

„Ich wüsste da schon was“, entgegnete der Hüne grinsend, stand auf und ging zur Tür, um sie abzusperren. Als er sich umdrehte und wieder zum Bett zurückging, sah er, wie sich Lisa ihre dunkelviolette Bluse auszog.

„Ich glaube, wir haben denselben Gedanken“, flüsterte der Blonde, als er sich über sie beugte und sanfte Küsse auf ihrem Gesicht verteilte. Seine Hände wanderten ihren Oberkörper entlang und waren schon bald am Bund ihres schwarzen, knielangen Rocks angekommen. Bevor er aber noch etwas machen konnte, musste er seine Arme heben, damit Lisa ihm das schwarze Shirt ausziehen konnte. Schnell landeten auch die restlichen Kleidungsstücke auf dem moosgrünen Teppichboden und die zwei fielen lüstern übereinander her.
 

„Was hast du heute noch so vor?“, fragte Lisa, nachdem sich ihr Atem wieder beruhigt hatte.

„Bis jetzt ist noch nichts geplant, warum?“, erwiderte der Musiker, der sich zu ihr drehte, seinen Kopf auf den abgewinkelten Arm stützte und ihr eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht strich.

„Ach, ich frag nur“, meinte diese abwehrend und Farin bildete sich ein, einen Anflug von Enttäuschung in ihrem Blick ablesen zu können.

„Wir könnten in ein Restaurant essen gehen“, schlug er daraufhin vor.

„Ich wär’ dafür, dass wir hier im Zimmer bleiben, vielleicht noch das ein oder andere machen und später dann hier im Hotel essen“, wehrte Lisa lächelnd ab.

„Verstehe einer die Frauen“, seufzte der Hüne und ließ sich zurück auf den Rücken gleiten.

„Was?“, wollte die Krankenschwester verwirrt wissen und drehte sich nun ihrerseits auf die Seite, um ihren Freund besser betrachten zu können.

Farin wandte seinen Blick von der Decke ab, sah zu ihr und schüttelte lächelnd den Kopf.

„Ach nichts“, wehrte er ab, gab ihr einen Kuss und sank mit geschlossenen Augen tiefer unter die weiße Bettdecke.

„Müde?“, fragte die Braunhaarige fürsorglich.

„Etwas“, nuschelte er und blickte sie mit schläfrigen Augen an.

„Dann lass uns doch etwas schlafen“, schlug Lisa vor, die ebenfalls spürte, wie die Müdigkeit ihren Körper einnahm. Sie kuschelte sich eng an ihren Freund und wenige Minuten später waren beide eingeschlafen.
 

Als Farin das nächste Mal seine Augen aufschlug, lag er alleine in dem, für seinen Geschmack zu weichen, Hotelbett. Verwirrt ließ er seinen Blick durch das Zimmer gleiten, aber Lisa war nicht zu sehen. Dem Chaos aus herumliegender Kleidung nach zu urteilen, war sie mit Unterwäsche und Bluse bekleidet gegangen. Da hörte er ihre Stimme aus dem Bad.

„Er schläft gerade…nein, ich kann heute nicht mehr…ja, find ich auch…bis morgen dann…ja, ich dich doch auch“, drang es gedämpft zu ihm vor. Der Hüne hörte noch, wie sie sich verabschiedete und dann scheinbar zur Badezimmertür ging. Schnell schloss Farin seine Augen wieder und tat so, als würde er noch schlafen. Wenig später spürte er einen zärtlichen Kuss auf seiner Stirn und Finger, die durch seine Haar fuhren.

„Hey, aufwachen“, flüsterte Lisa ihm ins Ohr. Erneut öffnete er langsam seine Augen und blickte direkt in die seiner Freundin.

„Wir sollten langsam essen gehen“, meinte sie lächelnd.

Ein Blick zur Uhr zeigte Farin, dass es wirklich schon Zeit für ein Abendessen war. Ächzend richtete er sich auf, schwang sich aus dem Bett und ging mit einem „Ich geh schnell duschen“ ins Bad.

Während er unter dem warmen Wasserstrahl stand, überlegte er, was Lisas Telefongespräch wohl zu bedeuten hatte. Auf welche Aussage konnte man mit „Ich dich doch auch“ antworten? Ich brauche dich. Ich vermisse dich. Ich liebe dich.

„Ich liebe dich“, wiederholte der Musiker flüsternd seinen Gedanken. Wen hatte sie bloß angerufen?
 

Der nächste Tag wurde ein anstrengender für Farin. Vormittags musste er ein paar Interviews geben, nach dem Mittagessen musste die Band einen Soundcheck durchführen und dann hieß es warten auf den Abend und das Konzert. Wie beim letzten Tourstart – es war erst die zweite richtige Tour, die das Racing Team veranstaltete – wuselten die Musiker etwas aufgeregter als vor anderen Auftritten im Backstagebereich herum. Trotzdem hatten sie noch genug Ruhe, um den Chef der Band nach seinem Wohlergehen zu fragen.

„Und…du meinst, du schaffst das?“, fragte Simone, als sie noch eine Kleinigkeit zu sich nahmen. Verstohlen richteten auch die restlichen Bandmitglieder ihre Aufmerksamkeit auf dieses Gespräch. Leicht genervt atmete Farin tief durch, bevor er ihr antwortete. Wie oft hatte er diese Frage in den letzten Tagen beantworten müssen?

„Ich war jetzt ein Jahr auf Urlaub, hab mich regelmäßig untersuchen lassen, ich gehe jeden Morgen laufen. Also ja, ich meine, dass ich das schaffe, danke der Nachfrage. Aber das hätte euch eigentlich auch nach den letzten zwanzig Mal klar sein sollen, als ihr mich danach gefragt habt. Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich brauch etwas Ruhe“, entgegnete der blonde Hüne mehr oder weniger ruhig, nahm sich eine Wasserflasche und ging in seinen eigenen Backstage-Raum, um etwas für sich sein zu können.
 

Das Konzert wurde ein voller Erfolg. Man konnte deutlich spüren, wie sehr Band und Publikum diesem Auftritt entgegengefiebert hatten und dementsprechend war auch die Stimmung großartig. In den Pausen zwischen den Liedern konnte Farin es sich nicht nehmen lassen und ein paar sarkastische Bemerkungen über seinen Gesundheitszustand und die Sorge seiner Bandkollegen zum Besten zu geben. Als die zwölf Musiker von der Bühne gingen, konnte ihnen niemand mehr das euphorische Grinsen aus den Gesichtern nehmen.
 

Erst fünf Tage später hatten sie wieder einen Off-Tag und dementsprechend Zeit zum Ausschlafen und Entspannen. Farin stand an diesem Tag wie jeden Morgen, noch vor acht Uhr auf. Er brauchte sich nicht einmal einen Wecker zu stellen, er wachte von selbst um diese Zeit auf, egal wann er zu Bett ging. Meistens fand er diese Veranlagung ziemlich praktisch, aber manchmal war sie einfach nur störend. Vorsichtig schlüpfte er aus dem Bett, um Lisa nicht zu wecken. Ebenso zärtlich küsste er sie auf die Stirn, vergewisserte sich, dass sie noch schlief und zog sich sein Laufgewand an. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte dem Gitarristen, dass seine Freundin sich nicht bewegt hatte. Er hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, da öffnete Lisa lächelnd ihre Augen, schnappte sich ihr Handy und wählte eine, ihr wohl bekannte, Nummer.
 

Keuchend kam der blonde Hüne an einer Parkbank zum Stehen. Er wusste nicht, wie lange oder wie weit er gelaufen war, eine Uhr hatte er nicht. Auch sein, vor seiner Reise erworbenes, Handy hatte er nicht bei sich. Tief in Gedanken versunken hatte er sich von seinen Beinen hierher bringen lassen. Seine Überlegungen kreisten seit einigen Tagen um dasselbe Thema: Betrog Lisa ihn? Während er wartete, dass sich sein Puls wieder etwas verlangsamte, machte er ein paar Dehnungsübungen.
 

Als Farin wieder ins Hotel zurückkam, fand er heraus, dass er knapp über drei Stunden weg war. Er begab sich in sein Zimmer, wo er seine Freundin nicht vorfand. Auch bildete er sich ein, den Duft eines Aftershaves zu riechen. Er selbst verwendete keins. Schnell sprang er unter die Dusche, und wusch sich den Schweiß vom Körper. Das kühle Wasser beruhigte ihn, aber es half ihm nicht, auf andere Gedanken zu kommen. War dieser Geruch nun wirklich präsent oder nur Einbildung? Sollte er sie zur Rede stellen? Was, wenn sie ihm treu war, würde sie ihm dann sein Misstrauen verzeihen? Und vor allem: Wo war Lisa? Der Gitarrist trat aus der Duschkabine, trocknete sich ab und schlüpfte in frische Kleidung.

Erneut verließ er sein Zimmer, mit der Hoffnung, seinen knurrenden Hunger stillen zu können. Er ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss, wo das Restaurant des Hotels untergebracht war. Er hatte gerade ein Stockwerk hinter sich gebracht, als er einen übelgelaunten Robert über den Weg lief.

„Guten Morgen“, grüßte Farin ihn überschwänglich.

„Morgen, Jan“, erwiderte der Posaunist müde und blieb stehen.

„Na, schlecht geschlafen?“, hakte der Größere nach, der eine Stufe tiefer ebenfalls in seiner Bewegung inne gehalten hatte und seinen Freund ansah.

„Das müsstest du doch am besten wissen“, zischte der Jüngere und sah Farin unverwandt an. „Ich freu mich wirklich für dich, dass deine Beziehung mit Lisa so toll funktioniert, aber eure Popperei hat mich seit drei Stunden nicht mehr schlafen lassen. Und es gibt durchaus noch Menschen, die diese Nacht noch etwas länger aufgeblieben sind.“

Der Gitarrist zog scharf Luft ein. Da hatte er seinen Beweis. Lisa betrog ihn! Beschämt kratzte er sich am Hinterkopf.

„Das…das tut mir Leid…aber…ich kann da wirklich nichts dafür“, entschuldigte er sich.

„Jan…ich weiß, was ich gehört hab und ich weiß, woher es kam.“ Robert lachte auf. „Hey, so was ist doch ganz normal und du brauchst dich auch nicht…schämen dafür…nur das nächste Mal, bitte etwas leiser“, fügte er noch hinzu.

„Ich sag’s noch mal: Ich war es nicht“, erwiderte Farin und ging weiter. Der Posaunist holte ihn an der nächsten Kurve ein und hielt ihn an der Schulter zurück.

„Jan, du –“

„Ich war laufen, okay?“, fuhr der Hüne den Schwarzhaarigen an. Gleich darauf bereute er seinen kleinen Gefühlsausbruch, entschuldigte sich bei Robert und lief weiter. Der Kleinere blieb erstaunt stehen. Als er das eben Gehörte mit dem, was an diesem Tag noch geschehen war, kombiniert hatte, kam er zu einem Schluss, der ihm weniger gefiel.

„Fuck“, stieß er aus und eilte ins Restaurant.
 

Er fand Farin alleine an einem Tisch sitzend vor. Als er sich zu ihm setzte, kam eine Kellnerin an den Tisch, servierte dem Älteren eine Tasse Tee und fragte ihn nach seinen Wünschen. Kaum war sie verschwunden, beugte sich Robert vor.

„Jan, es tut mir Leid. Ich wollte nicht –“, begann er leise.

„Schon okay, du konntest es ja nicht wissen“, unterbrach der Blonde ihn und grinste ihn verlegen an. „Aber es wär mir lieber, wenn das unter uns bleiben würde.“

„Ist doch selbstverständlich“, beruhigte ihn der Jüngere. Sie unterbrachen ihr Gespräch, da die Kellnerin mit dem Kaffee für den Posaunisten wiederkam. Währenddessen begann Farin, sein Brötchen zu schmieren.

„Du wusstest es also schon?“, hakte Robert nach, als sie wieder alleine waren.

„Ich hatte eine Ahnung“, erwiderte der Hüne und biss von seiner Mahlzeit ab.

„Und…was wirst du jetzt machen?“, wollte der Schwarzhaarige wissen, während er seine Semmel halbierte und mit Butter beschmierte.

„Ich werde sie zur Rede stellen, sobald sie wiederkommt“, erklärte Farin seinen schlichten Plan. Der Posaunist wollte noch etwas erwidern, als er Celina kommen sah, die sich auch gleich zu ihnen setzte.

„Na, hattet ihr eine angenehme Nacht?“, fragte sie gut gelaunt.

„Gut“, erwiderten Robert mit vollem Mund. Ein kurzer Blick zu Farin zeigte ein leichtes Grinsen auf dessen Gesicht.
 

Als Lisa wieder zurück ins Hotel kam, wurde sie von ihrem Freund im Zimmer erwartet. Farin saß auf dem Bett und las in seinem Buch, als er hörte, wie die Tür aufgemacht und kurz darauf wieder geschlossen wurde. Gleich darauf trat die Braunhaarige auch schon in sein Blickfeld.

„Hey Schatz! Ich war etwas einkaufen“, begrüßte sie ihn überschwänglich und tapste auf ihn zu. „Ich hab vergessen, frische Unterwäsche mitzunehmen. Also hab ich mir gedacht, ich kauf mir welche“, fügte sie kichernd hinzu. Sie wollte sich gerade auf seinen Schoß setzen, als er sie bestimmt von sich wegdrückte und durch wütende Augen ansah.

„Was ist los?“, fragte sie besorgt.

„Verschwinde. Ich kann dich nicht mehr sehen“, fauchte er sie an.

„Was hast du?“, wollte die Krankenschwester wissen.

„Was ich habe? Hast du ehrlich gedacht, ich würde es nicht merken?“, zischte der blonde Hüne, stand auf, ging zum Fenster und blickte hinaus. Er brauchte nicht zu erläutern, wovon er sprach, Lisa konnte es sich schon denken.

„Jan…es –“, begann sie verzweifelt.

„Spar’s dir einfach, hörst du. Ich möchte einfach, dass du jetzt dein Zeug packst und gehst“, unterbrach er die Braunhaarige, ohne seinen Blick vom Fenster abzuwenden.

„Okay“, hörte er ihre tränenerstickte Stimme. Während sie ihre Sachen packte, bewegte er sich nicht ein Stück, sondern starrte mit leeren Augen auf die Straße, die schräg unter ihm verlief. Mit einem leisen „Es tut mir Leid“ verabschiedete sich die Krankenschwester.



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