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Planet in Weiß (Arbeitstitel)

Kapitel 10 hochgeladen
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Verloren unter der Kuppel

Wir schreiben das Jahr 2556.

In über 500 Jahren hat sich viel getan.

Leider muss man hinzufügen, dass es sich hier nicht um positive Entwicklungen handelte.

Im Jahre 2026 ergab es sich, dass China die USA seit mehreren Jahrzehnten ausspionierte, um sich in einem bevorstehenden Krieg Vorteile zu erhaschen. Die USA wollte einen möglichen Konfilkt möglichst vermeiden, aber China lies nicht mit sich reden.

So nahm der Dritte Weltkrieg seinen Lauf, und er sollte mehr Opfer fordern als die Kriege zuvor. Zunächst war es nur USA gegen China, aber die beiden Kontrahenten zogen immer mehr Länder in den Krieg hinein, sodass bald fast alle Industriestaaten an dieser sinnlose Konfrontation beteiligt waren. Immer größer wurden die Gefechte, immer höher die Anzahl der Toten.

Schließlich hatte die USA den Punkt erreicht, in dem diese dank einiger Fehler in der chinesischen Strategie kurz davor war, das Kriegsende zu erzwingen. Doch fast ausschließlich aus reiner Verzweiflung wurde Washington, D. C. in die Luft gesprengt, um den Krieg weiter am Laufen halten zu können. Darauf ließen sich die Staaten nicht ein und beendeten den Krieg durch die Sprengung des Regierungssitzes in Peking am 19. September 2031. China war dazu gezwungen, einen Waffenstillstand zu unterschreiben und der Krieg fand endlich sein Ende.

Die schreckliche Bilanz: Durch den häufigen Einsatz von nuklearen Waffen wurde das Leben an der Oberfläche so schwer, dass ein gesichertes Überleben nur in Bunkern möglich war. Viele Leute verendeten während und nach dem Krieg an der Strahlung oder mutierten.

Nun musste die Menschheit, oder das, was nun noch von ihr übrig geblieben ist, über 200 Jahre in Bunkern hausen, bis ein Team von Wissenschaftlern im Jahr 2253 ein neues Element entdeckte, das in der Lage war, Radioaktivität zu absorbieren und neutralisieren. Drei Jahre später waren sie zudem in der Lage, dieses Element beliebig zu reproduzieren, um die noch vorhandene Strahlung noch schneller zu beseitigen.

Abhängig von den Bunkergemeinschaften wurden die Staatskuppeln zwischen 2282 und 2307 rund um den Globus gebaut. Ein Leben außerhalb der Kuppeln war für die Menschen inzwischen unvorstellbar, da sie ihr ganzes Leben in abgegrenzten Räumen verbrachten. Außerdem war das Vertrauen in das Absorbtionselement nicht allzu hoch, was de ganzen Sache auch nicht weiterhalf.

Im Jahr 2381 fand ein Geschichtsforscher den Ausschlaggeber für den Dritten Weltkrieg: Die Unberechenbarkeit von Emotionen. Alle wichtigen, zum Krieg führenden Aktionen hingen mit Neid, Angst, Wut, Verzweiflung zusammen. Es war bei weitem nicht das einzige, was diesen Krieg verursachte, aber alle anderen möglichen Kriegsgründe waren mit dem Neuaufbau eliminiert. Man konnte zu diesem Zeitpunkt nicht riskieren, dass ein weiterer Krieg ausbrechen konnte. Da war es fast schon ein Wunder, dass man fast zeitgleich feststellte, dass das Element, das die Radioaktivität neutralisierte, bei hohen Dosen auch Menschen gefühllos machen konnte. Es dauerte nicht lange, bis man beschloss, das Element zu Nutzen, um die letzte mögliche Gefahr zu neutralisieren.

Der Imperator, der nur zu repräsentativen Zwecken gewählt wurde, rief dazu auf, die eigenen Emotionen des Frieden willens aufzugeben, was für viel Aufregung sorgte. Die meisten machten es jedoch freiwillig, sodass im Jahre 2394 ein Gesetz erlassen wurde, das besagte, dass es nur Soldaten, die vertrauenswürdig schienen war, und dem Imperator gestattet war, Emotionen zu besitzen, denn sie waren in ihren Augen etwas, das man beherrschen musste, um mit ihnen leben zu können, jeder andere wäre eine potentielle Gefahr für den Frieden und könnte jederzeit einen Krieg provozieren. Jeder, der sich dieser Regelung widersetzte, wurde als Außenseiter bezeichnet, von den Soldaten gejagt und, je nach Situation, der Prozedur entzogen oder gleich hingerichtet.

Nun schreiben wir also den 14. Juni 2556, eine Woche vor der 250-Jahr-Feier zur Erbauung der Staatskuppel CX-29...
 

Und es möge beginnen...
 

Die Feier war in wenigen Tagen, doch dennoch wirkte CX-29 wie an jedem anderen Tag auch. Kahle, strahlend weiße Blockhäuser standen dicht gepackt hinter- und nebeneinander, während auf den Straßen kein einziger Mensch sein Dasein fristen. Würde man es nicht besser wissen, könnte man denken, dies wäre in Wirklichkeit eine Geisterstadt. Egal wo man auch hinblickte, alles, was man zu Gesicht bekam war weiß. Blankes, kahles, seelenloses Weiß.

Und obwohl es ziemlich merkwürdig wäre, hier irgendeine andere Farbe zu blicken, fand sich auf dem Boden ein bewusstloser junger Mann im roten Oberteil wieder, ähnlich wie ein roter Tropfen Blut, der auf ein sauberes Blatt Papier fiel.

Wie er hierher kam, woher er kam, oder dass er überhaupt auf dem Weg lag, wusste in diesem Moment keiner. Aber man hätte ihn leicht bemerken müssen, ob an dem mit Nieten gespickten, roten Oberteil, der dunkelblauen Hose mit Träger, den roten Stiefeln oder den wilden, braunen Haaren. Es hätte nur noch ein Schild gefehlt, auf dem „Bemerk mich“ stand, und er wäre selbst einem Blinden aufgefallen.

Langsam erwachte er und hielt sich, noch leicht benommen, seine rechte Hand an die Stirn. „Bin ich schneeblind oder warum sieht hier alles so hell aus?“

Schlagartig realisierte er, dass er nicht dort aufgewacht ist, wo er einschlief. Während er aufstand, dachte er sich: „Hier sieht es ja noch eintöniger aus als in meiner Birne!“

„Stehengeblieben!“

Er erschrak, drehte sich und sah einen Trupp Soldaten, die ihre Waffen auf ihn richteten. Fast hätte man sie nicht erkennen können, denn ihre Rüstungen und Helme hatten die gleiche Farbe wie alles in dieser Gegend: Weiß.

Ihr vermeintlicher Anführer sagte: „Wer hätte gedacht, dass es hier noch einen Außenseiter gibt. Ich dachte, wir hätten den letzten vor drei Jahren ausgerottet...“

„HEY!“ meldete sich der junge Mann zu Wort. „Ich weiß weder, wo ich bin, noch wer ihr seid, und erst recht nicht, was ihr von mir wollt. Aber wenn ihr kämpfen wollt...“

Er zog seine Schwerter hervor und zielte mit ihnen auf den Anführer. Während eines rot glühte, ging von dem anderen eine Eiseskälte aus.

„...dann versucht es doch.“

Der Anführer wirkte sehr selbstsicher. „Gut. Der erste Angriff gehört dir.“

Der junge Mann stürmte nach vorne, bereit, den Anführer mit seinen Schwertern aufzuspießen. „SONIC THRU-“

Zwischen seinen Schwertern und der Rüstung seines Gegners stand gerade mal ein Haarbreit Luft, als er von einer unsichtbaren Macht gehalten stehen blieb, ihm seine Schwerter aus den Händen glitten und sich gerade noch auf den Beinen halten konnte.

Ein wenig überrascht meinte der Anführer: „Ich bin beeindruckt, dass du trotz des Anti-Combat-Codes noch stehen kannst. Nur zu schade, dass du ein Außenseiter bist, ansonsten würde ich dich am Leben lassen!“ Er richtete seine Waffe auf den Kopf des jungen Mannes, bereit zu schießen, als...

„HALT!“

Verwirrt sah er nach oben. Ein Mann im weißen Mantel mit stacheligen, braunen Haaren mit Schwert an der Seite und matten Augen stand hinter dem Jungen.

„Sergeant Double X!“

Ohne darauf zu reagieren, anwortete er:

„Deaktiviere ihn.“

„Äh, was?“

„Den Anti-Combat-Code. Ich will, dass du ihn deaktivierst.“

„Das können wir nicht verantworten! Er kann trotz des Anti-Combat-Codes noch stehen!“

„Genau deswegen.“

Nach einer kurzen Pause antwortete der Anführer leise:

„Wollen Sie... mit ihm kämpfen?“

Double X nickte. „Endlich hast du es begriffen.“

Knapp zehn Sekunden danach rappelte der Junge sich auf, griff nach seinen Schwertern, sprang hinter Double X und hielt ihm seine Schwerter an die Kehle.

Er wirkte aber nicht beeindruckt. „Du kannst mich nicht töten. Ich habe dir soeben das Leben gerettet.“

Langsam entspannte sich sein Griff, nahm die Schwerter und steckte sie weg.

„Wie heißt du eigentlich?“

Es verwirrte ihn, schließlich hatte er ihm gerade damit gedroht, ihn zu töten, da er zu unberechenbar schien, aber er antwortete ihm dennoch, ohne ihm in die Augen zu schauen:

„Lloyd. Lloyd Irving.“

Double X seufzte.

„In heutigen Zeiten ein undenkbarer Name...“

Er ging ein paar Schritte von Lloyd und dem Trupp weg und legte seine rechte Hand auf den Schwertgriff.

„Zieh deine Schwerter.“

Lloyd reagierte schwerfällig. „Was willst du?“

„Zieh sie. Ich will mit dir kämpfen und feststellen, ob du wirklich so gut bist, wenn du dem ACC widerstehen konntest.“

Lloyd zog sie zunächst zaghaft aus der Scheide, wirkte kurz darauf aber voller Kampfeswillen.

Double X fragte ihn dann: „Lässt du mir bitte den ersten Angriff?“

Lloyd antwortete ihm: „Gut, aber nur noch dieses Mal...“

Double X zog sein Schwert hervor, was eigentlich nur ein Schwertgriff war.

„Äh, willst du mich veralbern?“

„LOAD!“

Innerhalb weniger Sekunden manifestierte sich eine Klinge am Griff, die ein wenig grün glühte, war etwa zwei Meter lang und erinnerte an ein Katana. Sie war nicht aufwendig verziert, aber Schwerter wie diese wurden nicht geschaffen, um als Kunstwerke betrachtet zu werden.

Langsam brachte er sein Schwert in Position, bereit, Lloyd anzugreifen.

„Soldaten, wenn ihr nicht verletzt werden wollt, entfernt euch von dem Jungen...“

Nachdem sie sich zögerlich etwa zehn Schritte von Lloyd entfernt hatten, stürmte Double X auf Lloyd zu, sprang etwa zehn Meter in die Luft und rief: „FALLING THORN!“ Dann warf er sein Schwert in Richtung Lloyd.

Er konnte seinem Schwert nur sehr knapp ausweichen. Während Double X wieder auf dem Boden landete, warf Lloyd einen Blick auf das Schwert, das fast ganz im Boden steckte.

„Autsch...“

Double X zog sein Schwert aus dem Boden und sagte:

„...ich bin beeindruckt.“

Lloyd erwiderte leicht überrascht: „Wieso das denn?“

„Noch nie hat es jemand geschafft, meinem Falling Thorn auszuweichen. Nun gut, es gab bis jetzt nur fünf Leute, die überhaupt die Chance hatten, diese Technik zu sehen.“

„Heißt das, dass...“

Double X nickte.

„Genau. Du bist der erste, der diesen Angriff überlebt hat.“

Lloyd lief es eiskalt über den Rücken, während Double X sein Schwert zurücksteckte.

„Jetzt bist du dran. Ziel auf mich und greif an.“

Lloyd rannte auf Double X zu, doch auf halber Strecke blieb er stehen und ließ seine Schwerter fallen, bevor er selbst stürzte.

Double X sah nur ausdruckslos auf seinen Körper.
 

Lloyd ging es wirklich gegen den Strich, dass er zweimal heimtückisch beim Angreifen unterbrochen wurde und dann während seines unfreiwilligen Mittagsschläfchens ins nächstgelegene Gefängnis gesperrt wurde. Minuten, Stunden, Tage, er hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange er geschlafen hat und wie lange er schon in dieser Zelle versauerte.

Es schien, als hätte eine einzige Person die ganze Stadt designt, denn auch die Gefängniszelle war komplett weiß bis auf eine Tür an einer Seite mit einem kleinen Fenster.

Als er dann Schritte hörte, die sich der Tür näherten, stellte Lloyd sich leise neben die Tür.

„Und wir können Sie wirklich mit ihm alleine lassen?“

„Natürlich.“

„Ohne Waffen?“

„Er hat doch auch keine, nicht?“

„Schon, aber-“

„Schließ die Tür auf und gib mir den Schlüssel. Deine Schicht ist eigentlich schon seit einer halben Stunde vorbei...“

„Jawohl, Sergeant.“

Als sich die Tür öffnete, sprang Lloyd von der Tür weg.

Es war Double X, der die Zelle betrat und hinter sich abschloß.

Lloyd reagierte empört und zeigte auf ihn. „DU! Du hast mich reingelegt!“

Double X schien das Kühle in seinem Gesicht nicht zu verlieren, als er ihm entgegnete: „Hör mir zu, es ist nicht meine-“

„SEI STILL!“

Lloyd sprang ihn an und wollte ihn schlagen, vergaß aber den Anti-Combal-Code und stürzte zuckend auf den Boden.

„Besser für dich, wenn du dich nicht bewegst...“ sagte Double X, während er eine Spritze aus seinem Mantel zog. „Dann wird das für uns beide ein wenig leichter.“

Er kniete sich zu Lloyd und stach mit der Spritze in seinen Oberarm.

Voller Wut sprang Lloyd auf und schlug Double X in den Bauch, welcher dann gegen die Wand flog.

Double X schien nicht beeindruckt. „Bemerkst du denn gar nichts?“

Lloyd war noch immer außer sich. „Was denn bitte? Ich habe dich gesch-“

Nun stellte er fest, dass er angreifen konnte, ohne blockiert zu werden.

„Aber wie-“

„Das Serum, das ich dir gespritzt habe, neutralisiert den Effekt des ACC. Es wird eigentlich nur Soldaten verabreicht, aber bei dir mache ich eine Ausnahme.“

Double X richtete sich wieder auf.

Lloyd verstand noch weniger. „Wie jetzt? Du rettest mir das Leben?“

„Nun, du kannst es ja nicht wissen, darum sollte ich dich aufklären, was passiert ist, nachdem du umgekippt bist...“
 

Double X´s Blick war noch immer auf Lloyds regungslosen Körper gerichtet. Langsam erhob er sein Haupt und blickte auf den Trupp. Monoton rief er ihm zu:

„Wer von euch hat geschossen?“

Einer der Soldaten trat kurz darauf nach vorne.

Double X fragte ihn: „Deine Codenummer?“

Der Soldat antwortete ihm, ohne ihn jedoch in die Augen zu schauen:

„Drei sieben sechs null null sechs.“

Double X war diese Nummer vertraut. Er ging auf ihn zu und fragte ihn:

„Bist du etwa dieser Fanatiker?“

Der Soldat zog seinen Helm aus. Sein Haar war schwarz und glatt, während seine braunen Augen sehr konzentriert wirkten.

„Sie verstehen nicht, Sergeant-“

„Was soll ich nicht verstehen?“

„Dieser Außenseiterabschaum muss ausradiert werden, bevor ihretwegen noch ein weiterer Krieg ausbricht!“

Double X verschränkte seine Arme.

„Du weißt schon, dass du gerade so gehandelt hast, wie du es von einem Außenseiter erwartest, nicht?“

„Das ist etwas völlig anderes!“

„Nein, das ist es nicht.“

Double X sah in Richtung Lloyd.

„Was für einen Schuss hast du verwendet?“

„Ich wollte ihn eigentlich umbringen, aber ich hatte nur Betäubungsmunition dabei...“

„Gnade dir Gott, wenn du ihn umgebracht hast.“

„Aber das ist doch nur ein Außensei-“

Eher sich der Soldat versah, hatte er eine riesige Kerbe in seiner Rüstung.“

„Man hätte dich nie zu einem Soldaten machen sollen. Du bist eine Schande für uns alle...“
 

„...nun, so ist es passiert.“

„Ich weiß trotzdem nicht, ob ich dir vertrauen kann...“

Lloyd und Double X befanden sich immer noch in der Zelle. Lloyd beobachtete Double X, denn vielleicht war die Spritze nur ein Trick.

„Lloyd, was würde dir mehr zusagen? Mit mir zu kommen und dich dort eine Woche lang zu verstecken, um dann zur 250-Jahr-Feier zur Errichtung dieser Kuppel von hier zu flüchten, oder morgen früh aufgrund deines Außenseiterverhaltens hingerichtet zu werden?“

Lloyd erschrak.

„Dann ist es wohl eindeutig, wofür du dich entscheidest...“

Double X ging zur Tür und schloß sie auf.

„Und wie willst du mich hier rauskriegen? Ich meine, auffälliger als ich geht es in dieser Stadt gar nicht!“

Double X drehte sich zu ihm.

„Mach dir darum keine Sorgen. Es ist inzwischen Ausgangssperre, selbst für die Soldaten. Und die Nachtsichtkameras kann ich leicht für diese Nacht ausschalten. Wenn sie fragen, wo du bist, werde ich ihnen einfach erzählen, dass du so schnell verschwunden bist, wie du erschienen bist. Das glauben die mir auf jeden Fall, schließlich bist du ein Sonderfall und ich einer der Dienstältesten.“

„Woher weißt du eigentlich, wie ich aufgetaucht bin?“

Doch Double X ist schon durch die Tür verschwunden.

„Hey! Warte auf mich!“
 

Double X hatte recht: Keiner außer den beiden gingen durch die Straßen. Lloyd konnte auch verstehen, warum: Von nirgendwo schien Licht. Hätte Double X keine Taschenlampe gehabt, könnten die beiden sich auch in einem Keller befinden.

„Ähm...“

„Ja, Lloyd?“

„...danke.“

„Keine Ursache, Junge.“

Lloyd blieb stehen, sein Blick auf den Boden gerichtet.

„Ist irgendwas?“

Lloyd sah ihn wütend an.

„Ob irgendetwas ist? Du rettest mir zweimal das Leben und es ist dir scheißegal?“

Double X legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen.

„Leise, oder du weckst noch jemanden...“

Während Double X weiterging, dachte Lloyd sich nur:

„Was für ein komischer Kerl.“

Double X drehte sich um.

„Bist du fest gewachsen?“

„Äh, natürlich nicht...“

„Dann beeil dich.“
 

Nun war Lloyd sich sicher: Alles hier wurde von einer einzigen Person designt. Kaum schaltete Double X das Licht ein, sah er ein komplett weiß gestrichenes Zimmer, in dem nur ein Glastisch mit zwei Sesseln und eine Couch standen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass jemals jemand zu Besuch kommen würde. Womöglich waren alle Wohnungen hier einheitlich eingerichtet, was Lloyd noch mehr das Bedürfnis gab, zu kotzen, um der Umgebung wenigstens ein bisschen Farbe zu verleihen.

Double X ging durch die Tür in der linken Hälfte des Raumes in die Küche, während Lloyd sich auf die Couch setzte. Dass sie nicht wirklich bequem war, wunderte ihn nicht mehr. Hier schien überhaupt niemand Wert auf ein wenig Atmosphäre zu legen.

„Etwas zu trinken?“

„Bitte...“

Double X setzte sich neben ihn und stellte die Gläser auf den Tisch.

„Dürfte ich dich etwas fragen?“

Double X nickte.

„Wieso hast du mich gerettet?“

„...du schuldest mir noch einen Kampf.“

„Das ist alles? Ein Kampf?“

„Genau.“

Lloyd dachte sich:

„Er ist wirklich durchgeknallt, wenn er mich nur deswegen rettet, um mit mir zu kämpfen...“

Double X riss ihn seinen Gedanken.

„Und du bist anders als die anderen Außenseiter...“

„Nur weil ich deinem Angriff ausweichen konnte?“

Double X schüttelte den Kopf.

„Nein. Nur deswegen jemanden zu retten ist kein guter Grund...“

Lloyd verwirrte das nur noch mehr und dachte sich:

„Weiß der Kerl überhaupt, wovon er redet?“

Double X stand wieder auf.

„Nun, ich lege mich schlafen. Morgen bringe ich dir Kleidung mit, in der du hier nicht auffällst.“

Double X verließ das Zimmer und schaltete das Licht aus.

„Gute Nacht, Lloyd.“

Lloyd legte sich auf der Couch hin. Alles hier verwirrte ihn: Sein Aufenthalt hier, das Benehmen der Leute, im Grunde genommen alles.

Doch am meisten verwirrte ihn Double X. Alles an ihm erschien ihm unlogisch und merkwürdig, allerdings hat er ihn auch gerettet.

Er konnte nur darauf vertrauen, dass er ihn nicht reinlegt.

Es wird brenzlig

Am nächsten Morgen. Lloyd lag noch immer schlafend auf der Couch, während Double X schon in der Küche saß und frühstückte.

„Der hat wirklich einen gesunden Schlaf...“

Er sah auf seine Uhr.

„Nun, Zeit, mich zu melden...“

Er ging zurück in sein Zimmer, und setzte sich auf sein Bett, neben dem ein Funkgerät stand.

„Hier Soldat zwei drei neun sieben eins sieben, Sergeant Double X.“

„Morgen, Sergeant.“

Die Stimme aus dem Lautsprecher hatte einen hinterlistigen Unterton.

„Wir haben heute noch einen Außenseiter...“

„Schon wieder?“

„Genau. Apropos Außenseiter... Was ist mit dem von gestern passiert? Der ist nicht mehr in seiner Zelle.“

„Der hat sich in Luft aufgelöst. Von einem Moment auf den anderen.“

„Verstehe...“

„Ich bräuchte dann noch die Koordinaten.“

„Mal sehen... Ah, hier haben wirs. Quadrant L17.“

„Ich mache mich dann auf den Weg. Double X Ende.“

Er verließ das Zimmer wieder, und sein Blick fiel auf den noch immer schlafenden Lloyd.

„Das ist wirklich zu viel des Guten...“

Er schnappte sich ein Zettel und einen Stift.

„Lloyd, es ist noch ein Außenseiter aufgetaucht. Komme so schnell wie möglich wieder. Bedien dich ruhig in der Küche.“

Er klebte den Zettel an die Küchentür und verließ daraufhin die Wohnung.

Kaum war die Tür zu, wachte Lloyd auch schon auf.
 

Double X irrte nun schon eine Stunde umher, aber von einem Außenseiter oder Soldaten keine Spur.

„Vielleicht haben sie mir den falschen Quadranten gegeben...“

Er griff nach dem Funkgerät an seinem Gürtel.

„Hier Sergeant Double X.“

Es dauerte 3 Minuten, bis sich jemand meldete.

„Sergeant? Wo bleiben Sie?“

„Wie, wo ich bleibe? Ich bin auf der Suche nach dem Außenseiter.“

„In welchem Quadranten sind Sie denn?“

„L 17.“

„Da muss Ihnen jemand falsche Koordinaten gegeben haben. Der richtige Quadrant wäre B 9.“

„Aber wie-“

Da fiel ihm ein, was sein könnte.

„Wer hatte heute Morgen Funkdienst?“

„Das wären... zwei neun neun vier eins sechs und drei sieben sechs null null sechs.“

„... ich glaube, ich weiß, was das sollte. Ich komme so schnell wie möglich. Double X Ende.“

Kurz nachdem er das Funkgerät wegsteckte, hörte er ein leises Wimmern. Es klang hilflos und verzweifelt.

Double X seufzte.

„Der Außenseiter hat noch Zeit. Von hier aus brauche ich vielleicht fünfzehn Minuten nach B 9. Und im Notfall gibt es ja noch den ACC.“

Langsam näherte es sich der Quelle des Wimmerns, welches nach und nach einen schluchzenden Unterton entwickelte.

„...ganz bestimmt ein Kleinkind...“

Seine Schritte wurden immer langsamer, das Schluchzen immer lauter. Normalerweise würde man sich in dieser Situation so weit wie möglich von dort zurückziehen, oder man wäre wenigstens ein wenig irritiert. So einer war Double X nicht. Niemand konnte sich erklären warum, aber er war weder ein Feigling, der bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr wegrannte, noch einer, der sich ohne an die Konsequenzen denkend in den Kampf stürzt. Seine Art, direkt und doch überlegt, waren technisch gesehen sogar einer der Hauptgründe, weshalb er es so weit in der Armee gebracht hatte.

Er konnte es nicht identifizieren. Es sah aus wie ein kleiner, grüner Dinosaurier mit einer verhältnismäßig großen Nase. Es lag zusammengekauert und weinend am Boden. Immer und immer wieder schluchzte es Mama.

Double X beugte sich langsam zu Boden und nahm es vorsichtig in den Arm.

„Gut, dass die sich im Moment um den anderen kümmern, ansonsten hätte es ihn auch erwischt...“

Mit dem Kleinen im Arm, rannte er zurück zu seiner Wohnung.
 

Lloyd war in diesem Moment in der Küche und mit Essen beschäftigt, als Double X mit dem Kleinen, der inzwischen eingeschlafen war, die Wohnung betrat.

Als Lloyd ihn sah, stand er auf und verließ die Küche.

„Und wegen dem hier habt ihr euch den Hintern aufgerissen?“

Double X schüttelte den Kopf.

„Nein, da ist noch ein anderer.“

Während er den Kleinen in sein Zimmer legte, murmelte er:

„Zwei an einem Tag... ich mache das schon fast zwanzig Jahre lang, und es gab noch nie zwei am selben Tag...“

Er war schon halb durch die Tür verschwunden, als er sich umdrehte.

„Lloyd, pass bitte auf es auf, während ich nach dem anderen Ausschau halte.“

„Verstanden.“

Daraufhin ging Double X wieder. Lloyd hingegen setzte sich zum Kleinen aufs Bett. Es schien nicht zu wissen, dass es nun in Sicherheit war, denn es zitterte noch immer sehr stark.

Lloyd streichelte ihm über den Kopf. „Ganz ruhig, ich tu dir nichts...“
 

Double X rannte unentwegt Richtung Quadrant B 9, mit dem Funkgerät in der Hand. Er versuchte, Kontakt mit der zugewiesenen Einheit herzustellen, aber es meldete sich keiner.

„Ich höre nichts. Was ist hier los?“

Plötzlich kam ihm ein schwer verwundeter Soldat entgegen.

Double X hielt inne.

„Was ist mit dir passiert?“

Der Soldat fiel geschwächt zu Boden. Double X rannte auf ihn zu und bückte sich.

„Es... hat keinen... Sinn...“

„Was?“

„Der ACC... zeigt keine... Wirkung... Es hat... alle erwischt...“

Nach diesen Worten hörte der Soldat auf zu atmen.

Double X sprang auf und rannte weiter.

„Wie konnte das passieren? Der ACC war doch aktiv, und wenn Lloyd noch Probleme damit hatte, wie stark wird der erst sein?“

Schließlich erreichte er seinen Bestimmungsort. Es bat sich ihm ein schrecklicher Anblick. Überall lagen die Leichen der Soldaten. Einige waren verbrannt, andere halbiert, wiederum andere wiesen Kratzwunden auf. Man konnte sich sicher sein, dass sie es nicht überlebt hatten.

Und inmitten all der toten Soldaten stand eine Frau. Sie war blass violett, ihre Haare waren lang und wild und die Krallen, die sie an Händen und Füßen hatte, wirkten sehr scharf.

Double X brachte es nur zu einem „Oh mein Gott.“.

Dies führte dazu, dass sie ihn bemerkte und auf ihn mit rasanter Geschwindigkeit zuraste. Double X konnte nur knapp ausweichen.

„Was für eine Kraft.“

Schon flog sie wieder auf ihn zu. Dieses Mal jedoch blockte er ihren Angriff mit seinem Schwert, das jedoch kurz davor war, dem Angriff nachzugeben. Double X musste nach hinten ausweichen, um das Schwert nicht zu sehr zu belasten, doch sie schnellte immer und immer wieder auf ihn zu.

Es hätte nicht viel gebraucht, um sein Schwert zu zerstören, als sie plötzlich schwächelte und ohnmächtig zu Boden stürzte. Auf einmal begann sie sich zu verwandeln. Double X machte ein paar Schritte zurück und beobachtete ihre Metamorphose aus größerer Entfernung.

Als ihre Verwandlung vorbei war, näherte er ihr sich vorsichtig. Nun war sie eine grünhaarige Frau im schulterfreien, farbenfrohen Kleid, die einen Degen bei sich trug.

Double X ging noch näher auf sie zu und blickte auf sie herab.
 

Einige Stunden später, im Gefängnis. Double X hatte die Frau sicherheitshalber in eine Zelle gesperrt. Es war im Moment noch zu gefährlich, sie zu ihm nach Hause zu bringen. Schließlich hatte sie einen ganzen Trupp auseinandergenommen und getötet. Zudem war es unmöglich, sie tagsüber zu sich zu schmuggeln.

Es wurde spät, und als Double X alleine in der Station zu sein schien, ging er zur Zelle der Frau und schloss die Tür auf. Sie war noch nicht erwacht.

„Hmm... bevor ich sie zu mir bringe, sollte ich sie vielleicht noch untersuchen. Jetzt ist ihre Kraft noch zu gefährlich...“

Er hob sie auf und trug sie zum Labor der Station. Man konnte sich denken, in welcher Farbe dieses

gehalten war. Er legte sie vorsichtig auf den Labortisch, als...

„Ich wusste es.“

Double X drehte sich um. Der Soldat, der einen Tag zuvor Lloyd umbringen wollte, stand unter dem Türrahmen.

„Du?“

Er nickte und schritt langsam Richtung Double X.

„Du hast also wirklich den Außenseiter zu dir nach Hause geschmuggelt. Du hast ihnen geholfen!“

Er richtete ein Gewehr auf ihn.

„Was denkst du dir dabei, Soldat?“

„Ich versuche nur, den Frieden zu erhalten. Deshalb habe ich Ihnen auch die falschen Koordinaten gegeben, damit Sie sich nicht einmischen.“

Double X zog sein Schwert.

„Deine Einstellung hat zwanzig Soldaten das Leben gekostet. Nennst du das etwa Frieden?“

„Alles hat seinen Preis, und zwanzig Leben sind relativ günstig.“

„Du bist wahnsinnig.“

Der Soldat feuerte einen Wahnschuss auf ihn ab.

„Wenn es sein muss, bin ich eben wahnsinnig. Nun werde ich Sie auch umbringen, Sergeant. Sie sind mir nur eine Hürde...“

Double X stürmte auf ihn zu und schlug ihm mit seinem Schwert das Gewehr aus der Hand.

„Und ich werde dich töten müssen.“

Der Soldat grinste fies.

„Sie denken wirklich, dass es wirklich so einfach wäre?“

Er schlug Double X ins Gesicht, der daraufhin gegen den Labortisch knallte. Er nahm sein Gewehr wieder an sich und zielte auf Double X's Kopf.

„Sobald ich Sie los bin, werde ich die beiden anderen gleich mit ausradieren...“

„FIRAGA!“

Plötzlich stand der Soldat lichterloh in Flammen und stieß grauenerregende Schmerzensschreie aus. Völlig entmächtigt stürzte er und brannte aus, bis er nur noch ein Haufen Asche war.

Double X sah seinem Sterben gebannt zu. Er wusste nicht, was seine Selbstentzündung verursacht haben könnte. Da blickte er nach oben und sah eine Hand, die sich in Richtung des Soldaten streckte. Er stand auf und sah, dass sie bereits wach war.
 

Nachdem Double X ihr erklärt hatte, wo sie sich befand und wie sie von hier wegkäme, war es an der Zeit, dass er sie befragte. Die Frau saß noch auf dem Labortisch, während Double X mit verschränkten Armen vor ihr stand.

„Wie lautet Ihr Name?“

„Terra Branford.“

„Was haben Sie vorher angewandt, um ihn zu töten?“

„Feuermagie.“

„Und wieso haben Sie vorher die Soldaten umgebracht?“

„Es geschah allein aus Notwehr. Kaum fand ich mich in den Straßen dieser Stadt wieder, da wurde ich schon von ihnen attackiert.“

„Und da haben Sie sich in dieses... Ding verwandelt.“

„Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Es ist seit über zwei Jahren nicht mehr vorgekommen...“

„Sind Sie... überhaupt ein Mensch?“

Terra senkte ihr Haupt.

„Zur Hälfte.“

Double X seufzte.

„Die nächsten Tage werden sehr gefährlich... Bald wird sich nicht nur herausstellen, dass ich Außenseiter verstecke, sondern auch, dass einer von ihnen einen Soldaten umgebracht hat.“

„Die Leute haben also ein Problem mit Andersdenkenden...“

„Eher mit Leuten, die überhaupt denken und sich nicht unter ihrer Kontrolle befinden.“

Es wurde still im Labor.

„Nun, es wird Zeit. Wir müssen uns ausruhen, bevor mir morgen von hier flüchten... Außerdem muss ich euch beiden noch Kleidung besorgen, damit ihr hier nicht so auffallt...“
 

Später, in Double X´s Wohnung. Double X saß in der Küche und war dabei, die Flucht zu planen, während Terra und Lloyd auf der Couch saßen.

„Er scheint eigentlich ein ganz netter Kerl zu sein...“ meinte Terra.

„Lass dich da mal nicht täuschen. Mit dem stimmt irgendetwas nicht.“ erwiderte Lloyd.

„Wie kommst du auf die Idee?“

„Als er mich gerettet hatte, gab er als einzigen Grund an, dass er noch einen Kampf mit mir wollte. Außerdem finde ich sein generelles Verhalten merkwürdig.“

„Ja, das ist mir auch aufgefallen. Irgendwie scheint ihn nichts aus der Ruhe zu bringen.“

„Ich will ja nicht abstreiten, dass wir erledigt wären, wenn er uns nicht gerettet hätte, aber irgendwie macht er mir Angst.“

Stille kehrte ins Zimmer.

„Double X hat vorher gesagt, dass du gesagt hättest, du wärst nur zur Hälfte ein Mensch...“

Terra senkte ihr Haupt.

„Ja, das stimmt...“

„Wie ist es denn dazu gekommen?“

„Ich rede nicht gerne darüber. Alles, was ich dazu sagen will, ist, dass ich auch in meiner Welt ein Außenseiter bin.“

„Verstehe.“

In diesem Moment betrat Double X den Raum.

„Hört mir mal zu.“

Lloyd erwiderte: „Wir sind ganz Ohr.“

Double X setzte sich in einen Sessel.

„Lloyd, erinnerst du dich daran, dass ich dir gesagt habe, dass ich dich in cirka einer Woche hier raus schmuggeln wollte?“

Lloyd nickte.

„Wir müssen das Ganze höchstwahrscheinlich vorverlegen. Ich habe versucht, die Asche des Soldaten zu verstecken, aber wenn sie feststellen, dass er nicht mehr auftaucht, wird es brenzlig.“

Terra konnte sich den Rest schon denken. „Und darum willst du uns schon früher hier wegbringen...“

„So ist es. Das Blöde an der Sache ist, dass es nur einen Weg gibt, das Tor zu öffnen, und das ist die Schlüsselkarte. Und die befindet sich in der Station, aus der ich euch rausgeholt habe.“

Lloyd hielt sich seine Hand an die Stirn. „Nur um das zusammenzufassen: Entweder verschanzen wir uns die nächsten paar Tage bei dir zu Hause und laufen Gefahr, dass sie hier eindringen und uns festnehmen, oder du handelst dir Ärger wegen uns ein musst auch flüchten.“

Terra schüttelte den Kopf. „Nur wegen uns hat Double X jetzt all diese Probleme...“

„Es ist nicht so, dass mich noch irgendetwas hier hält, Terra.“

Lloyd war überrascht. „Wieso das denn?“

Double X schien keine Lust zu haben, diese Frage zu beantworten. „Es ist spät. Ich versuche morgen, an die Karte zu kommen, und wir werden flüchten. Uns bleibt keine andere Wahl.“

Lloyd fiel in diesem Augenblick etwas ein. „Da wäre noch eine Sache...“

Double X wusste nicht, wovon Lloyd redete. „Was ist denn?“

„Na, wir sind zu viert hier. Ich habe die Couch, du die Küche, der Kleine das Bett... und wo bringen wir Terra für die Nacht unter?“

Terra wusste natürlich nicht, wer mit dem Kleinen gemeint war. „Der Kleine?“

„Ein dinoähnliches Vieh, das im Moment auf seinem Bett schläft.“

„Da gibt es kein Problem.“ erwiderte Double X. „Ich bleibe die ganze Nacht in der Küche, um den Plan noch ein wenig auszuarbeiten. Terra kann mein Bett für die Nacht haben, den Kleinen legen wir auf meinen Sessel und du bleibst du der Couch.“

Er sah auf die Uhr. Inzwischen war es fast Mitternacht.

„Nun, ich will euch und euren Schlaf nicht mehr stören. Gute Nacht.“

Er ging in die Küche und schloss die Tür zu.

Lloyd sah Terra an. „Und du bleibst dabei, dass er normal ist?“

Terra schüttelte den Kopf.

Der weiße Tod

Es war 3 Uhr morgens. Der Kleine lag schlafend auf dem Sessel in Double X's Schlafzimmer. Ein sanftes, entspanntes Lächeln zierte sein Gesicht und sein Körper war ruhig, doch plötzlich begann er, ruckartig zu verkrampfen.

„...nein...nein...bitte nicht...“

Mit einem lauten Schrei wurde er wach und fiel vor Schreck vom Sessel. Er war völlig außer Atem, schweißgebadet und stand unter Schock. Langsam realisierte er, dass alles nur ein furchtbarer Traum war, nur um festzustellen, dass er nicht wusste, wo er sich nun eigentlich befand.

Vorsichtig erklomm er wieder den Sessel, von dem er gefallen war und legte sich wieder zurecht. Als er versuchte, ruhig zu atmen, um den Schreck zu verdauen, hörte er ein leises Knarzen. Er musste sich zusammenreißen, um nicht wieder aufzuschreien und wieder von Sessel zu fliegen. Leise Schritte näherten sich dem Sessel. Je näher die Schritte kamen, desto mehr begann er vor Angst zu zittern und zu schwitzen.

Als er nichts mehr hörte, seufzte er erleichtert, als...

„Ist alles in Ordnung?“

Viel hätte nicht mehr gefehlt, und er hätte mit seinem Schrei die gesamte Stadt geweckt. Er sah nach oben und bemerkte die Umrisse eines erwachsenen Mannes.

„Tut mir Leid. Habe ich dich erschreckt?“

Der Kleine sah an sich runter. Kurz darauf nickte er zaghaft.

„Jaaa...“
 

„Geht es wieder?“

Double X saß mit dem Kleinen in der Küche, der im Moment ein Glas Milch trank.

„Mhmm...“

„Entschuldige, dass ich dir Angst gemacht habe. Da war es in Ordnung, dass du mir auf den Sessel gepinkelt hast.“

Der Kleine wurde schlagartig rot.

„Mach dir darum keine Sorgen. Wir werden sowieso in ein paar Stunden von hier verschwinden.“

Der Kleine stellte das Glas wieder auf den Tisch und wischte sich den Milchbart vom Gesicht.

„Könntest du mir bitte eine Frage beantworten?“

Er drehte sich langsam zu Double X und nickte zögerlich.

„Was bist du?“

Der Kleine schien die Frage nicht ganz zu verstehen.

„Wie, was ich bin?“

„Nun, ein Mensch bist du auf jeden Fall nicht.“

„Ach so...“

Die folgenden Minuten kamen dem Kleinen wie eine Ewigkeit vor, die nicht zu enden schien, außer wenn er seine Frage beantwortete.

Schließlich schien er bereit zu sein.

„...ich bin...ein Yoshi.“

Double X schüttelte den Kopf.

„Tut mir Leid, kenne ich nicht.“

„Und bestimmt auch der Letzte.“

Double X verstand nicht ganz, was der Kleine damit meinte.

„Der letzte?“

Auf einmal begann der Kleine wieder zu zittern.

„Da kam dieses Luftschiff... alles begann zu brennen... meine Eltern haben sie auch mitgenommen...“

Weiter kam er nicht, bevor sein Schluchzen ihn daran hinderte, weiterzureden.

Double X stand auf und nahm den Kleinen vorsichtig in den Arm.

„Ganz ruhig. Jetzt ist es ja vorbei.“

Es brauchte seine Zeit, bis die Angst wieder wich, doch schließlich hörte er auf zu zittern und schlief sanft ein. Als Double X sich sicher war, dass der Kleine nicht mehr aufwachen würde, legte er ihn auf den Küchentisch und schaltete das Licht aus.

Als er wieder auf seinem Stuhl saß, verfinsterte sich sein Blick deutlich.

„Was habe ich mir damals nur dabei gedacht, als ich das getan habe...“
 

Drei Stunden später. Lloyd wachte auf und ging in die Küche, wo er einem schlafendem Double X begegnete. Als er sich setzte, fiel ihm etwas an seinem Gesicht auf.

Double X wirkte nicht im Geringsten gefühlsneutral, wie er ihn sonst bis jetzt erlebt hatte, sondern viel gelassener und entspannter. Es war, als befände sich in diesem Moment eine andere Person in seinem Körper.

Doch es sollte nicht lange halten, denn schon wachte er auf und blickte mit seinem üblichen Gesicht auf Lloyd.

„Lloyd? Seit wann bist du hier?“

„Ach, ich bin gerade erst rein gekommen...“

„Verstehe.“

Double X stand auf.

„Ist Terra schon wach?“

Lloyd zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Ich kann ja mal nachsehen.“

Als Lloyd zu Terra ins Zimmer gehen wollte, blickte er zufällig auf den Sessel, auf dem der Kleine zuvor gelegen hatte. Der riesige Fleck fiel besonders auf.

Lloyd ging zurück in die Küche.

„Ähm, Double X, kann es sein, dass der Kleine nicht ganz stubenrein ist?“

„Um ehrlich zu sein, war es gewissermaßen meine Schuld.“

Lloyd blickte verdattert mehrere Male abwechselnd auf den Sessel und auf Double X, bevor er sich auf den Sessel zeigend wieder zu Wort meldete.

„D-d-du hast auf den Sessel-“

„Nein, ich habe dem Kleinen ein wenig zu viel Angst gemacht.“

„Ach so.“

Lloyd ging daraufhin zu Terras Zimmer und klopfte leise an.

„Terra? Bist du schon wach?“

Es dauerte ein paar Minuten, bis die Tür aufging und Terra herauskam. Sie wirkte ein wenig verschlafen.

„Schlecht geträumt?“

„Nicht wirklich. Ich habe mitten in der Nacht einen Schrei gehört und brauchte meine Zeit, um wieder einzuschlafen?“

„Ein Schrei? Davon habe ich nichts bemerkt...“

„Den habe ich mir dann sicher eingebildet.“

Double X betrat mit dem Kleinen im Arm den Raum und setzte sich auf den Sessel.

„Würdet ihr beiden euch bitte kurz setzen? Es ist wichtig.“

Als die beiden dann auf der Couch saßen, begann Double X mit der Erklärung des Fluchtplanes.

„Wir machen das so: Ich muss zunächst zur Station, um die Schlüsselkarte zu besorgen, mit der wir das Tor öffnen können. Ihr beiden gebt mir Rückendeckung, während wir eindringen. Es sollte allerdings nicht sehr schwer werden. Die erste Schicht beginnt erst um 8 Uhr, damit haben wir noch etwa zwei Stunden.“

Terra unterbrach ihn. „Gibt es etwa nur einen Schlüssel? Sonst könnten sie uns doch verfolgen...“

„Mach dir darum keine Sorgen, Terra. Es gibt zwar ein Backup, aber da der Schlüssel äußerst komplex codiert ist, dürfte es ein paar Tage dauern, bis sie uns wieder verfolgen können. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie uns dann auch noch finden, ist sehr gering.“

Genau in diesem Moment klopfte es an der Tür.

Double X drückte Terra den Kleinen in die Hand und flüsterte ihnen zu:

„Versteckt euch in meinem Zimmer, bis er wieder weg ist.“

Lloyd und Terra waren ein wenig verwirrt, da das ziemlich plötzlich kam, aber es dauerte nicht lange, bis sie in Double X's Zimmer verschwanden. Dann ging Double X zur Tür und öffnete sie. Ein Soldat stand vor ihm, mit der Waffe auf Double X gerichtet.

„Sergeant, soeben wurde im Labor der Station eine verkohlte Leiche gefunden.“

„Und wieso sind Sie jetzt hier?“

„Sie waren der Einzige, der sich gestern Nacht auf der Station aufgehalten haben soll. Außerdem sind die Außenseiter immer nachts verschwunden.“ Er legte seinen Finger um den Abzug. „Wollen Sie etwa noch mehr Beweise?“

Ohne mit der Wimper zu zucken schlug Double X den Soldaten K.O. und schleifte ihn in seine Wohnung. Dann ging er zu seinem Zimmer und öffnete die Tür.

Lloyd fragte ihn: „Ist etwas passiert?“

„Wir sind aufgeflogen. Wir müssen die Kuppel schnellstmöglich verlassen.“

Ohne zu zögern verließen sie die Wohnung.
 

Als sie sich auf der Straße befanden, wunderte sich Lloyd, dass keine Soldaten in Sicht waren.

„Warum ist hier keiner?“

„Ganz einfach, Lloyd“, antwortete Double X. „Sie ahnen unseren Plan.“

„Klingt logisch“, meinte Terra. „Wenn der einzige Weg aus dieser Stadt darin besteht, zur Station zu gelangen und die Karte in die Finger zu kriegen, werden sie uns dort auflauern und abfangen.“

„Korrekt, Terra.“

Auf einmal wachte der Kleine in Terras Armen auf. Verschlafen rieb er sich die Augen und wunderte sich darüber, dass die drei am Rennen waren. „Wasishierlos?“

„Verdammt! Was machen wir jetzt mit dem Kleinen?“, fragte Lloyd. „Ich meine, wir können schlecht mit dem Kleinen im Arm kämpfen!“

„Einer von uns muss auf ihn aufpassen, während die anderen beiden kämpfen“, sagte Double X.

„Und wer soll das übernehmen?“

Double X ahnte, dass diese Frage kommen würde. „Ich werde das machen, keine Sorge.“

Kurz vor der Station blieben sie stehen.

„Terra, gib mir den Kleinen“, befahl Double X.

Terra nickte und gab den Kleinen an ihn weiter, bevor sie schließlich die Station betraten.
 

Um genau zu sein, hatten die drei mit mehr Widerstand gerechnet, eher überhaupt mit Widerstand. Die Station sah genauso aus, wie Double X sie gestern mit Terra verlassen hatte.

„Das ist sicher eine Falle“, flüsterte Double X. „Haltet eure Augen offen und seid wachsam.“

Langsam drangen sie in die Station ein, aber egal wie weit sie kamen, nirgendwo schienen sie jemandem zu begegnen.

Lloyd schüttelte sich. „Das ist ja richtig unheimlich... Und die Einrichtung macht es auch nicht viel besser.“

„Ich kann dieses Weiß auch langsam nicht mehr ertragen...“ meinte Terra.

„Macht euch darum keine Sorgen“ entgegnete Double X ihnen. „Wir sind da.“

Lloyd und Terra blickten auf. Ein Tresor mit Eingabepanel befand sich vor ihnen. Double X setzte den Kleinen ab und stellte sich vor das Panel. Während er den Code eingab, murmelte er vor sich hin, bis sich der Tresor öffnete.

Doch die Überraschung war groß.

Lloyd blickte in den Tresor. „Da ist ja gar nichts drin...“

„Was sollte da auch drin sein?“

Die drei drehten sich um. Ein stämmiger Mann in weißer Rüstung mit Vollbart versperrte ihnen den Weg nach draußen.

„Ts, ts, ts... Sergeant, ich bin enttäuscht von Ihnen.“ Der Mann zog einen Schwertgriff hervor, der dem von Double X ähnlich war. „Ich dachte, Sie wären gerissen und der Regierung loyal. Und jetzt stellt sich heraus, dass Sie Außenseiter in Schutz nehmen. LOAD!“

Aus seinem Schwertgriff materialisierte sich ein Schwert. Es war länger und größer als das von Double X.

„Loyal? Ich euch gegenüber?“ Double X griff nach seinem Schwert und tat es dem Mann gleich. „Bloß weil ich hier seit 20 Jahren bin, muss ich euch gegenüber nicht loyal sein. Ich hatte von Anfang an nicht vor, eurer Hetzjagd beizuwohnen.“

Lloyd und Terra sahen sich leicht verwirrt an. Irgendwann wurde es Lloyd zu blöd.

„Double X, wer ist der Kerl?“

„Er ist der Ranghöchste in CX-29. Mein, jetzt ehemaliger, Vorgesetzter, White Death.“

Lloyd blickte zu Terra. „Geht es nur mir so, oder haben die hier in der Zukunft wirklich keine richtigen Namen mehr?“

„Junge“, meldete sich White Death zu Wort, „in einer Welt wie dieser braucht man nicht mehr so etwas wie „Namen“. 99 Prozent der Weltbevölkerung haben kein Bewusstsein, und selbst unter uns Soldaten brauchen nur Ranghohe einen. Alle anderen sind nur Marionetten, die denken, bloß weil sie Gefühle haben einen freien Willen besitzen...“

Er zeigte mit seinem Schwert auf Double X.

„Ich werde Ihnen nicht die Gelegenheit geben, zu desertieren... Aber ich mache Ihnen ein Angebot.“

„Und was wäre das für eins?“

„Händigen Sie mir die Außenseiter aus, und wir werden das alles hier vergessen.“

Double X ging in Kampfstellung.

„Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich sie Ihnen nach alldem überlasse?“

„Nun ja, es war einen Versuch wert. Aber denken Sie daran: Das war Ihre letzte Entscheidung. Lebend kommen Sie hier nicht raus, auch wenn Sie mich besiegen.“

„Wenn er alleine kämpfen würde, wäre bestimmt der Fall...“

Lloyd und Terra stellten sich kampfbereit neben Double X.

„Ihr beiden kennt wohl kein Benehmen? Drei zu eins... das ist für mich zu einfach.“

„Sie scheinen etwas zu vergessen“ entgegnete Terra ihm, „ich habe unvorbereitet gegen zehn Soldaten gekämpft und haushoch gewonnen.“

White Death lachte.

„Das, was du als Soldaten bezeichnest, ist nichts im Vergleich zu mir.“ White Death stellte seine Klinge quer. „Ich bin nicht umsonst der-“

„Bla, bla, bla... Langweilig.“ unterbrach ihn Lloyd. „Kannst du auch etwas anderes als große Reden zu schwingen und endlich kämpfen?“

„Ungezogener Bengel“, erwiderte White Death wütend. „Dich knöpfe ich mir als erstes Opfer vor!“

White Death stürmte auf Lloyd zu und holte aus. Lloyd sah sich nicht in der Lage, die Wucht des Angriffes zu blocken, daher sprang er zur Seite und setzte zum Gegenangriff an, indem er mit seinem Schwert vorstoß. „Sonic Thrust!“

White Deaths Lächeln wirkte, als könnte Lloyd ihm nichts anhaben, doch von einem Moment auf den anderen schien seine Siegessicherheit zu verschwinden und er konnte den Angriff nur knapp mit seinem Schwert blocken. Aber dennoch war Lloyds Stoß stark genug, um White Death fünf Meter nach hinten fallen zu lassen.

„Wie... wie kann das sein?“ stotterte White Death. „Wieso bist du nicht stehen geblieben?“ Er richtete sich mithilfe seines Schwertes wieder auf.

„Redest du von diesem ACC-Ding? Double X hat mich dagegen immun gemacht. Als ob ich noch einmal darauf reinfallen würde...“

Terra fiel in diesem Moment etwas auf. „Also deswegen dachte er, dass der Kampf gegen uns einfach werden würde...“

Double X drehte sich zu ihr. „Jetzt wird es nicht mehr so schwer. White Death war schon immer einer, den man leicht aus der Fassung bringen konnte, wenn es ums Kämpfen geht. Wenn man ihn einmal so richtig überrascht, kann er sich nicht mehr wehren.“

Währenddessen sprintete Lloyd auf White Death zu. „Tiger Blade!“

Er riss ihn mit einem seiner Schwerter nach oben und schlug ihn mit dem anderen wieder zu Boden. White Death blieb zunächst liegen, in der Hoffnung, dass sie ihn in Ruhe lassen würden.

Lloyd schulterte seine Schwerter und ging auf Terra und Double X zu. „Große Klappe, nichts dahinter.“ Er sah zu Terra. “Er gehört dir. Mach ihn fertig.“

Sie nickte und streckte ihren rechten Arm in Richtung White Death. „BLIZZARA!“

Prompt war White Death in einem riesigen Eiskristall gefangen, der wenige Sekunden wieder zerbrach. Bibbernd blieb dieser am Boden liegen.

Terra sah zu Double X. „Und du bist dir sicher, dass er hier der Stärkste war?“

„Der Stärkste ist nicht unbedingt der beste Kämpfer.“

„Nun, Kraft hatte er allemal“ meinte Lloyd. „Aber halt keinen Plan, was er damit machen sollte.“

„Lloyd, Terra, wir hatten nur Glück. Hätte er gewusst, dass ich euch gegen den ACC immun gemacht habe, hätte er gewinnen können.“

Double X ging auf White Death zu.

„Wie viele Soldaten sind in der Station?“

White Death schwieg.

Double X drehte sich um. „Geht schon mal vor und kümmert euch um die Soldaten.“

Lloyd sah hinter sich. „Sollen wir den Kleinen auch gleich mitnehmen?“

Double X nickte. Lloyd nahm den Kleinen huckepack und verließ mit Terra den Raum.

Als Double X sich sicher war, dass die drei nicht mehr in der Nähe waren, bückte er sich zu White Death runter.

„Ich weiß, dass Sie noch leben, also spielen Sie mir nicht den Toten vor.“

White Death blickte auf.

„Was wollen Sie denn noch von mir? Ich wurde gedemütigt. Reicht Ihnen das etwa nicht?“

„Ich will nur noch die Schlüsselkarte, dann werde ich auch schon gehen. Keine Sorge.“

White Death lachte.

„Nun, wieso sollte ich sie Ihnen übergeben?“

„Deshalb.“

Double X riss ihn mit seiner linken Hand nach oben und hielt ihm mit seiner rechten Hand sein Schwert an die Kehle.

„Überzeugt? Wenn Sie mir die Karte sofort aushändigen, lasse ich Sie am Leben.“

White Death lachte erneut.

„Jetzt werden Sie aber lächerlich...“

„Vielleicht sehen Sie nicht, wie ernst ich das meine. Kann das ihre Meinung ändern?“

Double X holte mit seinem Schwert aus und schlug ihm den linken Arm ab. White Death blickte geschockt dorthin, wo vor kurzem noch sein Arm hing.

„Ich hoffe, dass Sie nun sehen, dass ich es sehr ernst meine. Also, wo ist die Schlüsselkarte?“

White Death konnte nichts mehr riskieren. „Wenn Sie mich runterlassen, übergebe ich sie Ihnen.“

„Keine faulen Tricks.“

„Wie könnte ich auch...“

Double X ließ White Death langsam runter. Daraufhin drückte White Death einen Knopf an seiner Rüstung, welche sich schließlich öffnete und abfiel. Double X blickte nach unten und entdeckte die Karte im Brustbereich der Rüstung. Er steckte sie ein und wollte den Raum verlassen, als White Death zu ihm hinüber blickte und sagte:

„So leicht kommt ihr uns nicht davon. CX-29 könnt ihr verlassen, aber was danach kommt, könnt ihr nicht wissen...“

Double X blieb kurz stehen, aber antwortete ihm nicht. Er drehte sich nicht mehr um und ging einfach.
 

„Jetzt frage ich mich langsam ernsthaft, wieso er dachte, dass es für uns gefährlich werden würde, wenn sie uns erwischt hätten...“

Lloyd und Terra waren inzwischen fertig, die Soldaten zu besiegen, die vor der Station auf sie lauerten.

„Wenn die diesen ACC nicht hätten, wären die bei Leuten wie uns aufgeschmissen!“ Lloyd war verwirrt und wütend zugleich.

„Da kann ich dir nur beipflichten, Lloyd. Das ist äußerst verwirrend.“

„Vielleicht ist es doch, wie er es gesagt hat. Wir haben wahrscheinlich nur viel Glück.“

Lloyd schaute nach hinten und sah, dass der Kleine schon wieder eingeschlafen war.

„Kann es sein, dass er wirklich nur 24 Stunden am Tag schläft?“

„Der ist noch klein, da sollte er ruhig viel schlafen.“

„Schon, aber nicht während einem Kampf!“

In diesem Moment verließ Double X die Station.

„Ich habe die Schlüsselkarte. Wir können gehen.“

„Na endlich!“ schrie Lloyd erleichtert auf. „Endlich raus aus dieser geschmacklos weißen Hölle!“

„Lloyd, wir wissen nicht, ob es draußen genauso aussieht.“ sagte Terra.

Lloyd schielte zu ihr hinüber. „Musstest du mir meine Vorfreude verderben?“

„Entschuldige.“

Lloyd steckte seine Schwerter weg.

„Können wir dann los?“

Double X antwortete ihm: „Ja. Wir müssen nur die Straße zum Tor entlang und es mit der Karte öffnen, dann lassen wir CX-29 hinter uns.“

„Ehrlich gesagt kann ich es gar nicht mehr erwarten“, sagte Lloyd mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Auch wenn-“

„Terraaa...“

„Ja, entschuldige...“
 

„Hallo? Hier White Death, Ranghöchster in CX-29.“

„Reden Sie.“

„In wenigen Minuten wird ein Deserteur mit drei Außenseitern die Kuppel verlassen. Wir waren nicht imstande, sie aufzuhalten.“

„Ich habe immer gewusst, dass Sie kein guter Kämpfer sind, aber das ist wirklich erbärmlich von Ihnen.“

„Verstehen Sie doch, Sie hatten ACC-Blocker!“

„Na und? Glauben Sie etwa, ich mache Sie aus Spaß zum Ranghöchsten Ihres Gebietes? Wieso lassen Sie ihre Soldaten überhaupt in die Nähe des ACC-Blockers?“

„Es war kein normaler Soldat.“

„Ach nein?“

„Der Deserteur war Sergeant Double X. Er hat sie immun gemacht.“

„...“

„...sind Sie noch da?“

„...um ihre Bestrafung kümmern wir uns später. Höchste Priorität hat von diesem Moment an die Festnahme des Deserteurs und der Außenseiter.“

„Ich werde alle unverletzten Soldaten sofort nach CX-00 schicken!“

„Nein, White Death, Sie halten sich da raus. Sie und CX-29 im Allgemeinen haben versagt.“

„Aber-“

„Wagen Sie es nicht, mir zu widersprechen. Sie werden auf weitere Befehle warten.“

„J-Jawohl.“

Der Traum, den er nicht verstand

„Terra, was meinst du... Wie lange es wohl noch dauert, bis wir draußen sind...?“

Lloyd und Terra liefen ein paar Meter hinter Double X, um sich in Ruhe über die Ereignisse der vergangenen Tage unterhalten zu können.

„Sicher nicht mehr allzu lange. So groß kann diese Kuppel nicht sein...“

„Na hoffentlich. Von diesem Weiß werde ich ganz wahnsinnig...“

„Lloyd, ich will es nicht mehr wiederholen, aber wir wissen nicht, was uns außerhalb dieser Kuppel erwartet...“

„Ach komm, Terra. Sei ein wenig optimistisch...“

„Glaube mir, Lloyd, ich wäre wirklich gerne optimistisch, aber die Situation erlaubt es einfach nicht. Nach allem, was bis jetzt passiert ist, könnte uns da draußen sonstwas auflauern...“

Lloyd zuckte mit den Schultern.

„Man weiß ja nie. Hier zu bleiben ist jedenfalls keine gute Idee.“

Terra seufzte.

„Da muss ich dir leider Recht geben.“

„Terra, Lloyd... wir sind da.“

Die beiden sahen auf. Double X stand vor einem riesigen und kompliziert aussehenden Eisentor, dass mit der Umgebung zu verschmelzen schien. Er näherte sich dem Tor und zog die Schlüsselkarte aus seinem Mantel.

„Seid ihr beide bereit? Ich weiß genauso wenig wie ihr beide über die Außenwelt, also zieht sicherheitshalber eure Waffen...“

Lloyd legte seine rechte Hand um den Schwertgriff. „Öffne das Tor.“

Double X schob die Karte in den Schlitz. Kurz darauf begann es im Tor ununterbrochen zu klicken, bis es sich langsam endlich öffnete. Das Licht, das hindurch schien, blendete die drei, also warteten sie ab, bis sie sich an das Licht gewöhnten.

Umso erstaunter waren sie, als sie wieder sehen konnten.
 

„Wow.“

„Allerdings, Lloyd. Wow.“

Lloyd und Terra konnten ihren Augen nicht trauen. Sie schritten langsam aus dem Tor, immer noch verwirrt darüber, ob das, was sie im Moment sahen, auch wirklich echt war. Aber es brauchte nicht mehr lange, bis sie wussten, dass sie sich nicht täuschten.

Egal, wie sie es drehten und wendeten, sie sahen einen riesiger Wald, der die Kuppel umringte.

Lloyd war überwältigt. „Gleich ein ganzer Wald... Das ist der Jackpot!“

Terra sah zu ihm herüber. „Ich wette mit dir, dass dir in ein paar Tagen von der Farbe Grün schlecht wird und du dir wünscht, dass du in der Kuppel geblieben wärst...“

Lloyd grinste frech zu Terra und entgegnete ihr: „Keine Chance. Ich bin sozusagen mitten im Wald aufgewachsen.“ Er drehte sich nach hinten zu Double X. „Auf was wartest du noch? Komm endlich raus und genieße die frische Luft!“

Es dauerte eine Weile, bis Double X sich mit langsamen Schritten nach draußen begab.

„Schön, dass du auch mal kommst. Willst du den Kleinen wieder tragen?“

„Er schläft immer noch?“

„Ich weiß auch nicht, was er hat. Vielleicht sollte ich ihn mal wecken...“

Lloyd setzte den Kleinen auf den Boden und kitzelte ihn sanft an der Nase, bis er mit einem lauten Niesen aufwachte und sich leicht verschlafen die Nase rieb.

„Guten Morgen. Gut geschlafen?“

Der Kleine nickte vorsichtig und ließ sich von Lloyd wieder huckepack nehmen, bevor er bemerkte, dass sich die Umgebung drastisch verändert hatte.

„Wow...“

Terra und Lloyd antworteten einstimmig: „Wissen wir.“

Der Kleine sah den Wald fasziniert an.

„So viel Grün... erinnert mich an zu Hause...“

Terra fiel in diesem Moment etwas auf.

„Sagt mal, wie wollen wir eigentlich zurück?“

Lloyd fragte ein wenig verwirrt: „Wie... zurück?“

„Wir wissen doch gar nicht, wie wir hergekommen sind. Wie wollen wir dann wieder in unsere Welten zurückkehren?“

Lloyds Gesichtsausdruck wurde schnell sehr düster. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht...“

Double X brach sein Schweigen: „Ich kann euch da leider auch nicht helfen. Das einzige, was ich weiß, ist, dass wir hier auf keinen Fall bleiben können. Wenn wir uns zu viel Zeit lassen, wird eventuell Verstärkung aus anderen Kuppeln anrücken.“

Terra sah Double X nachdenklich an. „Also willst du damit sagen, dass wir erst einmal ein Versteck suchen sollten, bevor wir darüber nachdenken, wie wir nach Hause zurückkehren können?“

Er nickte.

„Wir haben schon genug Zeit damit verschwendet, den Wald anzusehen. Wir sollten uns so schnell wie möglich von der Kuppel entfernen.“

So gingen die vier auf den Wald zu. Als sie jedoch die Grenze erreichten, hörte Double X eine ihm nicht bekannte Stimme:

„Schnappt ihn euch!“

Er drehte sich um, aber niemand stand hinter ihm.

„Ist etwas?“ fragte Lloyd ihn.

„Habt ihr das nicht gehört?“

„Was sollen wir gehört haben?“ fragte Terra.

„Das habe ich mir dann sicher nur eingebildet.“
 

Die drei irrten den halben Tag durch den Wald, ohne die geringste Ahnung, wohin sie eigentlich wollten. Die einzige Bedingung lautete ja nur, dass sie sich von der Kuppel entfernen wollten.

Lloyd war überrascht darüber, dass der Wald so groß war. „Wie lange kann es denn eigentlich dauern, diesen Wald zu durchqueren?“

Terra verlor langsam die Motivation und lehnte sich, erschöpft vom stundenlangen Laufen, an einen Baum. „Das wird mir langsam zu anstrengend...“

Double X wirkte recht gelassen. Das Kühle in seinem Gesicht schien nicht zu weichen, aber dann hörte er wieder die Stimme:

„Wenn wir ihn nicht erwischen, war das ganze Projekt für die Katz!“

Double X sah sich um, aber außer Lloyd, Terra und dem Kleinen konnte er keinen erspähen.

Terra spürte, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmte. „Ist alles in Ordnung?“

Und da hörte er die Stimme schon wieder:

„Und denkt daran: Wir brauchen ihn lebend!“

Double X verkrampfte schlagartig und stützte sich an einem Baum ab, bevor er kurz darauf das Bewusstsein verlor und lautstark zu Boden fiel. Er zuckte impulsartig zusammen und sein Gesicht verkrampfte. Lloyd bückte sich zu ihm runter und sagte:

„Schon wieder.“

„Schon wieder was?“

„Als ich ihn heute Morgen schlafen gesehen habe, wirkte er auf eine natürliche Art entspannt. Als er dann wieder aufgewacht ist, sah er wieder so aus wie sonst.“

„Meinst du, er verheimlicht uns etwas?“

Lloyd schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, Terra. Wirklich nicht.“
 

Double X wusste nicht, was mit ihm los war. Er sah sich unaufhaltsam durch einen Wald rennen, aber er hatte keine Kontrolle darüber. Immer wieder hörte er diese Stimmen:

„Sie haben jetzt auch noch eine Belohnung auf ihn ausgesetzt! Wer ihn erwischt, wird befördert!“

„Lange wird er sowieso nicht mehr von uns weglaufen können! Wir kommen bald zu einer Klippe!“

„Und wer kriegt ihn dann? Die Beförderung können wir uns ja nicht teilen...“

„Wer ihn als erster bewegungsfähig macht, darf ihn abliefern!“

Schließlich blieb er an einer Klippe stehen und drehte sich um. Drei Soldaten, deren Rüstungen er nicht erkannte, richteten ihre Waffen auf ihn.

Der Soldat, der links stand, rief: „Du hast drei Sekunden, dich freiwillig auszuliefern, ansonsten schießen wir! Eins... zwei...“

Weiterhin ohne Kontrolle über seinen Körper, sprang Double X vor und trat ihm ins Gesicht, fing seine Waffe und richtete sie auf die beiden. Sie begannen auf ihn zu schießen, doch er wich sprunghaft nach rechts aus und schoss den beiden in die Kniescheiben. Dann ließ er die Waffe fallen. Er hatte bei alldem nur fassungslos zugesehen, ohne Möglichkeit, einzugreifen.

Plötzlich hörte er jemanden langsam klatschen. Er sah um sich. Aus dem Wald trat ein Mann mit Laborkittel und Brille.

„Dieser Testlauf lief ja noch besser, als ich gedacht hatte. Dabei dachten die Soldaten, dass du wirklich abhauen wolltest“, sagte er in einem euphorischen Ton. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir dich so schnell hochpowern können... Und jetzt zurück mit dir ins Labor. Ich muss noch ein paar Tests an dir durchführen.“

Double X hob die Waffe wieder auf und richtete sie auf den Mann, doch dieser lächelte nur müde.

„Das hast du jetzt schon so oft versucht, aber dir wird davon immer noch nicht langweilig?“

Er legte seinen Finger um den Abzug.

„...dann muss ich dich wohl wieder daran erinnern, oder?“

Der Mann zog eine Fernbedienung aus seiner Tasche.

„Wenn ich auf den Knopf drücke, ist Schluss mir dir. Also sei ein braver Junge und leg die Waffe weg.“

Double X's Griff entspannte sich, bis er die Waffe schließlich fallen ließ.

„Sehr gut. Jetzt lass uns gehen.“

Der Mann ging wieder in den Wald, doch entgegen seines Befehles setzte er sich an die Klippe und beobachtete den Fluss, der in dem Tal zu seinen Füßen langsam an ihm vorbei floss.

„Double X! Aufwachen!“

Ehe er sich versah, lag er auf dem Boden, während Lloyd und Terra neben ihm knieten und der Kleine auf seinem Bauch lag. Die drei sahen ihn ein wenig verdattert an.

„Ist etwas?“ fragte er.

„Ob etwas ist?“ fragte Terra ihn rhetorisch. „Du bist einfach umgekippt!“

„Habe ich es dir nicht gesagt?“ meinte Lloyd. „Sobald er aufwacht, ist er wieder so wie immer.“

„Wie meinst du das, Lloyd?“

„Äh, vergiss es...“

Lloyd nahm den Kleinen von Double X's Bauch und half ihm auf die Beine. Double X klopfte sich den Dreck von der Jacke, während er bemerkte, dass der Wald für ihn nun viel bekannter wirkte und ging wie in Trance einfach los. Lloyd und Terra sahen sich kurz verwirrt an, bevor sie realisierten, dass sie ihn bald aus dem Blickfeld verlieren würden und rannten ihn hinterher.

„Double X! Warte doch!“ rief Lloyd ihm zu. Doch Double X schien ihn nicht zu hören. „Verdammt! Was hat er denn?“

„Wieso fragst du mich das, Lloyd?“

Auf einmal stellten die beiden fest, dass der Wald sich mehr und mehr lichtete. Es lag weniger Gestrüpp auf dem Boden als zuvor, und die Sonne durchdrang mehr und mehr die dicht zusammengedrückten Baumkronen.

„Irgendwas verheimlicht er uns“ sagte Terra. „Da bin ich mir sicher.“

„Und darauf kommst du erst jetzt?“

„Denk doch mal nach. Wir irren mehrere Stunden durch den Wald und kommen nicht weiter. Dann verliert er das Bewusstsein, wacht wieder auf und scheint den Weg nach draußen zu kennen. Wir sollten ihn auf jeden Fall diesbezüglich fragen, wenn wir ihn endlich erwischen.“

Endlich lag der Wald hinter ihnen. Double X stand an einer Klippe und blickte auf das Tal, das vor ihm lag.

„Double X, wir müssen reden.“

Er drehte sich um, nur um Lloyds Schwert an die Kehle gedrückt zu bekommen.

„Wir wollen eine Erklärung. Du bist uns eine schuldig.“

Double X schob Lloyds Schwert mit seiner linken Hand sanft zur Seite.

„Lloyd, du übertreibst. Ich kann dir versichern, dass ich mit diesen Leuten nichts mehr am Hut habe.“

„Woher sollen wir das wissen? Wir haben es doch nur rausgeschafft, weil du nach deiner Ohnmacht anscheinend einen Geistesblitz hattest. Vielleicht wären wir tagelang umhergeirrt!“

„Lloyd, du musst mir glauben. Ich weiß genauso wenig wie du, woher ich auf einmal wusste, wie ich es hierher geschafft habe.“

„Also hatte deine Ohnmacht damit nichts zu tun?“

Double X blickte schräg nach unten.

„Nein. Ich hatte nur einen merkwürdigen Traum, das war alles.“

„Das hoffe ich für dich“ sagte Lloyd in einem bedrohlichen Ton und steckte das Schwert weg. „Sobald wir uns sicher sind, dass du uns etwas verheimlichst, bist du Geschichte.“

Double X nickte. „Verstanden.“ Daraufhin setzte er sich an die Klippe und beobachtete, wie die Sonne langsam unterging.

„Heute kommen wir nicht mehr weiter. Der Wald hat uns zu viel Zeit gekostet. Wir sollten uns hier ein Lager aufbauen und morgen weitergehen.“
 

Es war bereits tief in der Nacht, als die vier an einem Lagerfeuer saßen. Ein drückendes Schweigen hatte sich in der Gruppe ausgebreitet, und es sah nicht so auf, als ob es bald gebrochen werden würde. Der Kleine lehnte sich eingeschlafen an Double X, welcher wie besessen ins Feuer starrte. Lloyd und Terra taten es ihm gleich.

So schien es ewig weiterzugehen, bis Lloyd seufzte und zu Double X sagte:

„Es gäbe da etwas, was ich gerne wissen würde...“

„Frag einfach, Lloyd.“

„Als ich in der Kuppel „gelandet“ bin, hast du mich nach meinem Namen gefragt. Aber heute Morgen hat White Death gemeint, dass ihr hier so etwas wie Namen nicht mehr kennt. Wieso hast du mich dann überhaupt gefragt? Bei Terra waren es ja die Umstände, aber ich hätte genauso gut von hier stammen können...“

„...CX-29 war schon seit über fünf Jahren außenseiterfrei.“

„Und?“

„Es wäre zu merkwürdig gewesen, wenn es sich jemand nach so langer Zeit anders überlegt hätte.“

„Das beantwortet aber immer noch nicht meine Frage...“

„Der Punkt ist, dass ich einmal gehört habe, dass es außerhalb der Kuppeln unabhängige Städte geben soll, bei denen Emotionen und Individualismus noch erwünscht seien. Sie haben die Kuppeln hinter sich gelassen und aus dem verfügbaren Material neue Städte gebaut.

Es war mir schleierhaft, wieso jemand in die Kuppel eindringen wollte, mit der Gefahr, erwischt zu werden, aber das schien mir in dem Moment die einzige Möglichkeit.“

„Vielleicht haben wir Glück und kommen in so eine Stadt“ meinte Terra.

„Ich weiß nicht, ob es solche Städte überhaupt gibt. Ich habe es nur irgendwann einmal gehört, und da niemand seit der 200-Jahr-Feier vor fast 50 Jahren die Kuppel verlassen haben soll, sind die einzigen Informationen, die wir haben, von Leuten aus anderen, unter Kontrolle stehenden Kuppeln.“

„Also könnte es genauso gut ein Gerücht sein...“

„So ist es, Terra.“

Lloyd blickte in die Glut, die bald zu erlöschen schien.

„Wir sollten uns schlafen legen. Morgen wird wieder ein langer Tag...“

Terra stand auf und nahm den Kleinen in den Arm.

„Er schläft heute bei mir, einverstanden?“

Lloyd und Double X nickten. Terra entfernte sich vom Feuer und lehnte sich gegen einen Baum, bevor sie den Kleinen neben sich absetzte und die Augen schloss.

Lloyd stand ebenfalls auf. „Ich geh dann auch mal schlafen. Passt du noch auf die Glut auf?“

„Werde ich, Lloyd.“

Er entfernte sich dann auch vom Feuer und legte sich ins Gras.

Double X wartete noch, bis die Glut erlosch, bevor er sich wieder an die Klippe setzte und den Vollmond betrachtete.

„Was war das eigentlich vorher nur für ein Traum?“ dachte er. „Und wieso wusste ich dann den Weg aus dem Wald heraus?

Ich fange wirklich an, den Verstand zu verlieren.“

Schließlich schlief er, noch immer an der Klippe sitzend, ein.

Ablehnung

Es war eine sternenklare Nacht. Terra lag neben dem Baum, gegen den sie sich zuvor gelehnt hatte, und schlief, als sie von einem lauten Schrei aus ihrem tiefen Schlaf gerissen wurde. Als sie um sich sah, bemerkte sie den Kleinen, wie er schweißdurchtränkt und mit aufgerissenen Augen neben ihr saß und lautstark und panisch atmete.

„Schon wieder... dieser Traum...“

Er drehte sich zusammengekauert und wimmernd zur Seite. Da sie anfing, sich Sorgen um ihn zu machen, näherte sie sich ihm vorsichtig und fragte:

„Schlecht geträumt?“

Der Kleine nickte zaghaft, schien aber Angst davor zu haben, sich zu ihr zu drehen. Langsam hob sie den Kleinen auf und setzte ihn auf ihren Schoss.

„Vielleicht geht es dir besser, wenn du mir erzählst, was passiert ist...“

Der Kleine senkte seinen Kopf.

„Es fängt ganz harmlos an... ich bin mit meinen Eltern zusammen, als...“

Er schluckte an dieser Stelle schwer.

„...erst fängt alles an, zu brennen... dann kommt ein riesiges Luftschiff... jemand kommt auf uns zu... meine Eltern stellen sich dazwischen, damit ich flüchten kann... und sie sind weg.“

„Ist das wirklich passiert?“

„...ja.“

Er wollte wieder anfangen, zu weinen, als Terra ihn mit ihren Armen umschloss.

„Ich habe meine Eltern auch verloren, als ich klein war.“

Der Kleine drehte sich zu ihr.

„Wirklich?“

„Es hat lange gedauert, bis ich erfahren habe, was mit ihnen passiert ist. Meine Mutter habe ich nie kennen gelernt, und meinen Vater erst viele Jahre später. Es war ein schrecklicher Leidensweg...“

Sie atmete tief ein, bevor sie fortfuhr.

„Jahrelang wurden ich und meine Fähigkeiten für das Böse missbraucht. Sie kontrollierten mich und nahmen mir meinen Willen.“

Der Kleine drehte sich betroffen von ihr weg. Sanft legte Terra ihre Hand auf seine Schulter und blickte in den klaren Nachthimmel.

„Ich will nicht, dass dir etwas Ähnliches passiert. Was mir widerfahren ist, sollte niemanden sonst passieren.“

Sie legte ihren Arm wieder um ihn.

„Ich will dir helfen nach Hause zu kommen.“

Still betrachteten die beiden die Sterne, bis der Kleine in ihren Armen einschlief. Ein zufriedenes und sanftes Lächeln zierte sein Gesicht, als Terra ihn neben sich absetzte und sich wieder schlafen legte.

„Warum nur... Warum ist die Welt nur so ungerecht?“
 

Die nächsten zwei Tage über verbrachten sie die Zeit damit, ziellos durch die Gegend zu wandern, ohne Anhaltspunkte oder gar ein Ziel. Die einzige Bedingung lautete im Moment, so weit weg wie möglich von CX-29 zu kommen.

Es war ein unerträglich heißer Tag. Die Mittagssonne brannte auf sie herunter, nirgendwo ein Schatten, unter den sie sich kurz hätten stellen können, und der Grund, auf dem sie liefen, war uneben, was die Flucht weiter erschwerte.

Lloyd wischte sich den Schweiß von der Stirn. Schwer atmend sagte er:

„Diese Hitze bringt mich noch um...“

„Spar dir die Energie, die du noch hast“ entgegnete ihm Terra, die mit ihrer Hand versuchte, sich ein wenig Luft zuzufächern.

„Hätten wir doch nur noch etwas von CX-29 als Proviant mitnehmen können...“ murmelte er vor sich hin.

Double X, der aufgrund der Hitze bereits seinen Mantel ausgezogen hatte, tupfte sich mit diesem den Schweiß vom Gesicht, als er in der Ferne etwas erspähte.

„Rauch.“

Lloyd sah ihn überrascht an.

„Äh, wie bitte?“

Double X zeigte nach vorne. Eine dünne Rauchsäule war zu erkennen.

„Hey, vielleicht ist das eine von den Städten, von denen du uns vor kurzem erzählt hast...“

„Das wäre mal zur Abwechslung eine positive Überraschung.“ sagte Terra, die sich inzwischen an Lloyd festhielt, um nicht umzukippen. Dieser wurde hochrot im Gesicht.

„Beeilen wir uns lieber. Ich glaube, sie hat schon einen Sonnenstich. Nicht, dass wir auch noch einen kriegen...“
 

Die Sonne war fast untergegangen, als sie bei der „Stadt“ ankamen. Es war mehr eine Straße, an die man Häuser gebaut hatte, als eine richtige Stadt. Sie wirkte zudem viel schmutziger als CX-29 mit ihrem rostbraunen Farbton. Offensichtlich wollten sie sich von der unnatürlichen Sauberkeit der Kuppeln so weit wie möglich distanzieren. Sie haben die Stadt kaum betreten, als eine Stimme sie rief:

„STEHEN BLEIBEN!“

Double X blickte um sich. Auf den Häusern standen Männer, die ihre Waffen auf ihn richteten.

„Nur ein Schritt und du bist tot!“

Double X drehte sich zu Lloyd. „Nimm mein Schwert und wirf es auf den Boden“ flüsterte er ihm zu.

„Wieso das denn?“

„Tu es einfach.“

Deutlich verwirrt griff Lloyd nach dem Schwertgriff, der sich an Double X's Gürtel befand und warf ihn zu Boden. Dann breitete Double X seine Arme und sagte:

„Wir wollen nicht kämpfen. Wir sind vor ein paar Tagen aus einer der Kuppeln entkommen und sind auf der Flucht.“

Einer der Männer sprang von dem Haus runter und ging auf Double X zu. Während er ihn bemusterte, fragte er ihn:

„Diese Kleidung würde ich aus zwanzig Kilometer Entfernung wiedererkennen... Es steht außer Frage, dass Sie der Weltarmee untertan sind!“

„Das stimmt nicht ganz. Ich WAR ihnen untertan.“

Der Mann unterbrach seine Inspektion und sah ihm ins Gesicht.

„Was wollt ihr hier?“

„Alles was wir wollen ist Proviant und hier heute Nacht übernachten. Morgen bei Sonnenaufgang sind wir schon wieder weg.“

Der Mann sah sich kurz Terra und Lloyd an, bevor er sich wieder zu Wort meldete.

„Für die beiden haben wir noch eine Unterkunft frei. Aber dich schließen wir heute Nacht sicherheitshalber ins Gefängnis.“

„Ist vielleicht besser so“ flüsterte Terra Lloyd unauffällig zu. „Seit der Sache im Wald ist er mir ziemlich suspekt.“

„Ich versichere Ihnen, dass ich mit der Weltarmee nichts mehr zu tun habe. Sie müssen mich nicht wegsperren“ versuchte Double X sich zu rechtfertigen.

„Selbst wenn, es ist uns viel zu unsicher. Orte wie diese sind oft Ziele der Weltarmee. Ihre geisteskranke Einstellung und Definiton von „Frieden“ lässt sie alles versuchen, um auch die letzten umzustimmen. Es passiert oft, dass Soldaten versuchen, sich hier reinzuschleichen, um herauszufinden, wie sie uns am besten überrumpeln können.“

„Ich sehe schon, worauf Sie hinaus wollen.“

„Nehmen Sie es nicht persönlich. Es ist eine reine Sicherheitsmaßnahme. Jedenfalls... Jemand wird sich darum kümmern, dass die beiden in die Unterkunft kommen, während Sie mich jetzt ins Gefängnis begleiten...“
 

Die Unterkunft, die man den beiden zugeteilt hatte, ließ Lloyd aufatmen. Die doch recht rustikale Einrichtung war für sein Gemüt viel angenehmer als das viele Weiß in CX-29. Auf dem Bett liegend blickte er aus dem Fenster, die Sterne beobachtend, während der Kleine neben ihm lag und bereits schlief. Als Terra das Zimmer betrat, sagte Lloyd zu ihr, während sein Blick noch immer auf das Fenster gerichtet war:

„Ich habe euch gehört.“

Terra setzte sich neben ihn aufs Bett und fragte ihn:

„Wovon redest du?“

„Du hast mit dem Kleinen in der ersten Nacht unserer Flucht einen kleinen Mitternachtsplausch gehabt, oder?“

„Haben wir dich geweckt?“

„Nein, schon gut. Ich habe in dieser Nacht sowieso kaum geschlafen...“

Plötzlich lachte er verlegen.

„Unsere Vergangenheiten ähnlichen sich frappierend...“

„Was?“

„Sagen wir es mal so... Ich habe meine Mutter verloren, als ich drei war. Und meinen Vater habe ich erst mit siebzehn wieder getroffen.“

„Sag bloß nicht...“

Er grinste verschmitzt.

„Genau. Er war auch kein Mensch, als ich geboren wurde."

Leicht geschockt ließ sich Terra auf das Bett fallen.

„Das sind wirklich merkwürdige Zufälle...“

„Ja, nicht?“

Terra atmete hörbar ein.

„...Lloyd, glaubst du, dass wir jemals aus dieser Welt flüchten können?“

„Irgendwie sind wir hierher gekommen, also müsste es auch in die andere Richtung funktionieren...“

„Und bis dahin sollen wir einfach nur flüchten? Wer weiß, wie lange es dauert, bis wir auch nur die geringste Idee haben, was uns nach Hause bringen könnte...“

„Wir können nur hoffen, Terra. Etwas anderes bleibt uns im Moment nicht übrig.“
 

Die Zelle, in der Double X saß, konnte man schlecht als bequem bezeichnen. Sie war nur mit dem Wichtigsten ausgestattet, und das Mondlicht schien durch ein kleines Fenster.

Auf einmal fing er an, in Trance zu flüstern:

„Zwanzig Jahre. Ganze zwanzig Jahre. Wieso hat es nur so lange gedauert?“

Da stand er auf und blickte aus dem Fenster auf den Mond.

„Es ist, als hätte ich in diesen zwanzig Jahren gar nicht gelebt. Als hätte ich einfach nur zugeschaut.“

Leise seufzend setzte er sich wieder hin.

„Habe ich überhaupt gelebt seit dem, was damals passiert ist?

Das wäre wenigstens eine gute Strafe für meine Schandtat gewesen.“

Schließlich legte er sich auf der kleinen Holzbank hin und schloss seine Augen.
 

Als er aus seinem Schlaf erwachte, fand er sich im Staub vor der Stadt liegend wieder. Die Sonne war kaum aufgegangen, und eine tiefe Stille lag auf der Umgebung. Als er aufstand und sich den Staub von seinem Mantel klopfte, bemerkte er Lloyd und Terra, die dabei waren, die Stadt zu verlassen. Der Kleine wurde von Lloyd getragen, und Terra trug ein Paket bei sich.

Als Lloyd ihn bemerkte, lief er auf in zu und fragte ihn:

„Und, gut geschlafen?“

„War bequemer als ich erwartet habe. Merkwürdig finde ich allerdings, dass sie mich aus der Stadt befördert haben.“

In diesem Moment erreichte Terra die beiden. Sie setzte das Paket vor ihren Füßen ab und fragte ihn:

„Wie meinst du das mit „aus der Stadt befördert“?“

„Als ich aufgewacht bin, lag ich hier auf dem Boden. Sie sehen Leute wie mich wirklich nicht sehr gerne in der Nähe ihrer Stadt.“

„Das ist ja wirklich lächerlich! Wir vertrauen dir auch nicht zu hundert Prozent, aber deswegen schleifen wir dich nicht sonstwo hin, während du schläfst.“

„Ihr würdet es aber tun, oder?“

Terra schreckte zurück.

„W-wie bitte?“

„Ich kann verstehen, dass ihr mir nicht vertraut und euch dazu zwingt, mich zu akzeptieren.“

„Zu behaupten, dass wir dir gar nicht vertrauen, ist auch nicht ganz richtig“ sagte Lloyd. „Aber seit der Sache im Wald wirkst du auf uns ein wenig... komisch.“

„Erst dann?“ entgegnete ihm Terra überrascht.

„Okay, okay, eigentlich hattest du schon die ganze Zeit auf mich einen merkwürdigen Eindruck. Aber als du den Weg aus dem Wald gefunden hast, wurde das erst richtig deutlich.“

Double X drehte sich schweigend zu der in diesem Moment aufgehenden Sonne.

„Wir sollten uns beeilen. Wer weiß, wann und wie viele von ihnen uns erwischen werden...“

Er senkte sein Haupt und sah aus dem Augenwinkel zu Terra.

„Wie viel haben sie euch mitgegeben?“

„Nun, wenn wir sparsam damit umgehen“ sagte Terra, „werden wir auf jeden Fall eine Woche damit durchhalten.“

„Dann müssen wir also darauf hoffen, dass wir bis dahin wieder eine Stadt finden?“ fragte Lloyd ein wenig besorgt. Terra antwortete ihm mit einem subtilen Nicken.

„Bevor wir allerdings losgehen, möchte ich den Proviant aufteilen. Alleine schleppe ich das ganze Paket nicht durch die Gegend.“

„Jetzt noch nicht, Terra“ befahl Double X. „Wir haben schon genug Zeit verschwendet, indem wir hier stehen und reden. Wir können den Inhalt während einer Rast zwischen uns aufteilen.“

Ohne mit der Wimper zu zucken ging Double X Richtung Sonnenaufgang.

„Es ist unglaublich, wie oft er einfach vorausläuft, ohne uns vorzuwarnen...“ dachte Lloyd.

CX-00

Es nieselte, als die vier zur Mittagszeit eine kurze Rast unter einem Baum einlegten, um den Proviant aufzuteilen. Der Regen wirkte beruhigend auf Lloyd, nachdem der Tag zuvor eine solche Tortur war. Der Kleine hatte es unter dem Baum bequem gemacht und schien das kühle Nass auch zu genießen.

Terra setzte das Paket ab und setzte sich ins Gras.

„Es sieht schwerer aus, als es aussieht... Können wir jetzt bitte den Inhalt aufteilen?“

„Natürlich, Terra“ sagte Double X und zog seinen Schwertgriff.

„Ähm, ich glaube nicht, dass du damit das Paket aufmachen solltest“ stammelte Lloyd und zeigte auf den Schwertgriff, mit dem sich Double dem Paket näherte.

„Deine Schwerter sind aber auch nicht dafür geeignet, oder?“

„Ja schon, aber-“

„LOAD!“

Vorsichtig nahm er die Schwertspitze in die Hand und schnitt damit die Decke des Pakets heraus. Stumm blickte er in die Kiste, nur um kurz darauf aufzustehen und das Paket wegzutreten.

Wütend schrie Lloyd: „Double X! Was soll-“

„Sieh hin, Lloyd.“

Aus dem Paket kullerten mehrere faustgroße Steine.

„Sie haben uns gar nichts zum Essen mitgegeben.“

„Aber das kann gar nicht sein!“ meinte Terra verwirrt. „Ich habe gesehen, wie sie das Essen eingepackt haben!“

„Wann haben sie denn den Proviant verpackt?“ fragte Double X sie, während er noch immer auf das Paket blickte.

„...gestern Abend“ antwortete Terra ihm leise.

„Ich dachte, dass sie nur Double X nicht vertrauen!“ sagte Lloyd immer noch in Rage. „Wieso werden wir alle vier da reingezogen?“

„Ich denke, dass du übertreibst, Lloyd“ versuchte Double X ihn zu beruhigen. „Wir haben schon ein paar Tage ohne Proviant ausgehalten. Ein paar weitere fallen da nicht ins Gewicht.“

Auf einmal zerriss ein lauter Knall die Ruhe und der Baum gab ein wenig nach.

„...das sind sie bereits, richtig?“ flüsterte Lloyd und legte seine rechte Hand um den Schwertgriff.

Double X nickte. „Sie sind schnell. Macht euch bereit zu kämpfen.“

„Aber... von wo kommen sie?“ fragte Terra. „Das Gelände ist offen und es wäre uns aufgefallen, wenn ein Trupp uns gefunden hätte...“

Lloyd sah um sich. Er sah nichts vom Horizont auf sie zukommen, egal wohin er auch blickte. Spontan blickte er kurz in den Himmel und bemerkte einen schwarzen Punkt, der sich auf sie zu bewegte. Er kam immer näher und näher, bis Lloyd etwas realisierte, den Kleinen vom Baum wegzerrte und Terra und Double X zu Boden warf.

„Lloyd!“ regte sich Terra auf. „Was ist denn in dich-“

Mit einem lauten Knall krachte etwas in den Baum und spaltete ihn in der Mitte. Behutsam erhoben sie sich und zogen ihre Waffen.

„Sergeant Double X, nehme ich an?“

Neben dem Baum stand ein Mann mit weißer Panzerung. Das Visier an seinem Helm verdeckte seine Augen, und an seinen Armen und Beinen waren kleine Triebwerke angebracht.

„Ja, der bin ich. Und wer sind Sie, wenn ich bitten darf?“

„Ich bin Eagle, einer der ranghöchsten Soldaten aus CX-00. Ich wurde geschickt, um eure Flucht zu beenden.“

„Denen können wir gar nicht so wichtig sein, wenn sie nur einen schicken“ entgegnete Terra ihm.

„Da irrt ihr euch gewaltig. Noch nie in der Neuen Geschichte hat einer, der sich der Weltarmee verpflichtet hat, so unverfroren gegen unsere Ideale gehandelt.“

„Leute mit Emotionen und eigenen Willen umzustimmen oder gar umzubringen, nur um den „Frieden“ zu erhalten, ist für euch ein Ideal?“ fragte Double X.

„Man muss Gewalt anwenden, um den Frieden herbeiführen zu können. Es existieren ohnehin nicht mehr viele Außenseiter in dieser Welt. Es fehlen nur noch ein paar unabhängige Städte, und wir als Soldaten werden unsere Emotionen und unseren Verstand ebenfalls aufgeben.“

„Da könnt ihr genauso danach Suizid begehen. Leben ohne Willen kann kein Leben sein.“

„Und ihr wart der Weltarmee wirklich 20 Jahre untertan? Unglaublich, dass ihr es dann noch nicht begriffen habt!“

„Wollt ihr das alles am Ende wirklich aufgeben?“

„Man muss Opfer bringen, Sergeant.“

Er zog eine Waffe hervor und entsicherte sie.

„Ich würde Ihnen ja gerne die Wahl lassen, ihre Freunde jetzt sterben zu sehen oder sie später bei ihrer Hinrichtung sterben zu sehen, aber man besteht darauf, dass man sie kontrolliert tötet, also fällt ersteres aus.“

Ohne zu zögern streckte Terra ihren rechten Arm aus und rief „FIRAGA!“

Eagle ging augenblicklich in einer lodernden Flamme auf, doch er lachte nur hämisch und das Feuer verschwand kurz darauf.

„Aber... wie... wie ist das möglich?“

„Ihr glaubt doch nicht tatsächlich, dass das so einfach gehen würde, oder? Wir haben die Informationen von den Ereignissen in CX-29 analysiert und kennen eure Tricks. Diese Panzerung leitet keinen Strom, und ist feuer-, frost-, hieb- und stoßfest.“

Lloyd zog sein Bein zurück, um zu flüchten, doch Eagle beschleunigte mit seinen Triebwerken und versperrte Lloyd den Weg. Er zog seinen linken Arm und rief: „SONIC PUNCH!“ Sein Arm wurde von dem Triebwerk nach vorne geschossen und schlug Lloyd bewusstlos.

„Flucht ist zwecklos. Dank meiner Triebwerke erreiche ich Schallgeschwindigkeit und meine Schläge und Tritte werden durch sie auch verstärkt.“

„...eine Gerichtsverhandlung, sagten Sie?“ Double X entlud sein Schwert und befestigte den Griff wieder am Gürtel. Terra sah ihn fassungslos an.

„So ist es. Für ein solches Vergehen wird man eigentlich vogelfrei erklärt und bei der nächstbesten Gelegenheit getötet. Unglücklicherweise waren Sie Sergeant, also treten mildernde Umstände ein. Genaueres erfahren Sie in CX-00.“

„Verstehe.“

„Erwarten Sie aber nicht zu viel. Auch mit ihrem Sergeant-Status erwarten Sie mindestens 30 Jahre Hochsicherheitsgefängnis. Das einzige, was Ihnen garantiert erspart wird, ist die Hinrichtung.“
 

Weiß. Lloyd dachte, dass er es nach der Flucht aus CX-29 endlich hinter sich hätte, diese Farbe überall sehen zu müssen. Leider hatte er nicht mehr das Glück, aus der Ohnmacht zu erwachen, bevor sie in das Zentrum der Neuen Welt, CX-00, verschleppt wurden. Das erste, was er sah, war ein Soldat, der im ins Gesicht schlug, um ihn wachzukriegen.

„Hey! Aufwachen!“ schrie er. „Der Prozess beginnt in wenigen Minuten.“ Nach diesen Worten entfernte sich der Soldat von ihm.

Lloyd sah noch leicht benommen um sich. Nur Weiß, soweit er blickte. Ihm war danach, sich ins Gesicht zu schlagen, doch seine Arme und seine Beine waren gefesselt.

Schließlich bemerkte er Terra, die neben ihm saß und sehr betroffen wirkte.

„Terra?“

„Gut geschlafen, Lloyd?“

„Ich glaube nicht, dass jetzt der richtige Moment für Smalltalk ist. Hab ich was verpasst?“

„Die Strafe für uns steht auf jeden Fall fest. Morgen früh werden wir drei hingerichtet. Der Prozess ist nur da, um den Vorgang zu bestätigen.“

„Wenn du es schon mit „drei“ hast... wo ist der Kleine?“

Terra fing an, zu zittern. „Den haben sie schon in unsere Zelle für heute Nacht eingeschlossen.“

Lloyd sah sie an. „Für ihn ist es immer noch am Schlimmsten...“

„G-genau. Und weißt du, was an alldem das Schlimmste ist?“

Sie fing an zu weinen.

„Ich habe ihm versprochen, dass seine Kindheit nicht so furchtbar wird wie meine. Und jetzt wird er nicht einmal mehr eine haben...“

„RUHE IM GERICHTSSAAL!“

Durch den Haupteingang trat ein stämmiger Mann ein. Seine Rüstung war schwarz mit goldenen Umrandungen und sein eiskalter Blick jagte Lloyd eine Gänsehaut ein. Die Soldaten im Raum salutierten, als er an ihnen vorbeiging. Er nahm Platz auf dem Richterstuhl und wies einen der Soldaten an:

„Holt mir den Angeklagten rein.“

„Jawohl, Imperator!“ meinte der Soldat und salutierte erneut vor ihm, bevor er den Raum verließ und kurz darauf mit Double X wieder eintrat. Kommentarlos nahm er auf der Angeklagtenbank Platz.

„Guten Tag, ihr beiden.“

„Jetzt wäre es unpassend, das Wort „gut“ zu verwenden, Double X“ flüsterte Lloyd und deutete auf Terra, die noch immer trauerte. „Sag mal... wer ist dieser Imperator? Haben die hier keine normalen Richter dafür?“

„Der Imperator ist nur repräsentativ in seinem Amt. Er ist hauptsächlich dazu da, damit die Leute nicht zu aufmüpfig werden.“

„Und wieso mimt er dann den Richter?“

„Er kontrolliert das Militär und führt auch das Kriegsgericht.“

„Jemandem zur Flucht verhelfen wird vom Kriegsgericht geahndet?“

„Exakt, Lloyd. Sie glauben, auf diese Weise für eine Welt ohne Kriege oder andere Gefahren garantieren zu können.“

Der Richter unterbrach ihr Gespräch.

„Soldat zwei drei neun sieben eins sieben, Sergeant Double X, vortreten.“

Double X stand auf und bewegte sich auf das Pult des Richters zu. Der schüttelte fassungslos mit dem Kopf.

„Zwanzig Jahre haben Sie uns laut White Death treu gedient, sind nie negativ aufgefallen, waren einer der zehn kampferprobtesten Soldaten in CX-29... und jetzt ändern Sie einfach ihre Meinung und verhelfen gleich drei Außenseitern zur Flucht? Was haben Sie sich dabei gedacht?“

Double X schwieg und senkte sein Haupt.

„Sie gefährden unsere Zukunft! Sie widersetzen sich unserer jahrzehntelangen Arbeit im Kampf für den Frieden!“

Terra sprang entsetzt in die Luft und entgegnete ihm entsetzt, noch immer mit Tränen im Gesicht:

„Frieden? Das nennt ihr Frieden? Wir wurden grundlos angegriffen! Und weshalb? Nur um euren bescheuerten „Frieden“ rechtfertigen zu können!“

„RUHE!“

Langsam und mit empörtem Blick nahm Terra wieder Platz, bevor der Richter fortfuhr.

„Nun, für ein solches Verbrechen sollte man Sie eigentlich lebenslang wegsperren, aber... ich gebe Ihnen eine Chance, sich der Haftstrafe zu entziehen.“

Er deutete auf die Bank, auf der Terra und Lloyd saßen.

„Ihre Strafe ist bereits beschlossen. Hinrichtung bei Sonnenaufgang. Wenn Sie sie morgen richten, lassen wir Sie am Leben.“

Double X rührte sich nicht.

„Lebenslange Haft oder Freiheit. Mit einer so simplen Entscheidung sollten Sie nicht zu viel Zeit verschwenden. Vor allem nach dem Einführungsritual...“

„Erwähnen Sie nicht das Ritual.“

Der Richter blickte ihn erstaunt an.

„Äh, wie war das?“

Double X hob seinen Kopf und blickte ihm in die Augen.

„Ich sagte, dass Sie nicht das Ritual erwähnen sollen. Meine Entscheidung steht fest.“

Er drehte sich um.

„Terra, Lloyd, ich werde morgen bei der Hinrichtung wohl nicht dabei sein. Sagt dem Kleinen lebe Wohl von mir.“

„Das ist ja wohl nicht zu glauben!“ brüllte der Richter entzürnt. „Führt ihn ab!“

Zwei der Soldaten gingen auf Double X zu und packten ihn an den Armen.

„Sperrt ihn irgendwo in die hinteren Zellen! Dorthin, wo ich ihn nie wieder zu Gesicht kriege!“

„Jawohl, Imperator Ganadox!“

Nachdem die Soldaten ihn aus dem Raum beförderten, meinte Lloyd verwirrt:

„...Ganadox?“
 

Er konnte hier drin nichts erkennen. Die Zelle, in der er saß, hatte kein Fenster an der Tür, sodass er in Dunkelheit verharren musste. Zusammengekauert saß er an die Wand angelehnt, und das einzige, was man hören konnte, war sein Atmen. Es war langsam und leise, aber dennoch zu hören. Sein Zeitgefühl ließ ihn auch im Stich. Er wusste nicht, ob er schon jahrelang in dieser Zelle saß oder die drei noch nicht einmal hingerichtet wurden.

Doch auf einmal wurde die Tür aufgerissen, eine Gestalt betrat die Zelle und schloss die Tür wieder zu.

„Sind Sie noch wach?“

Double X kam diese Stimme bekannt vor. „Eagle? Was wollen Sie hier?“

„Ich will Ihnen zur Flucht verhelfen.“

Überrascht von dieser Antwort entgegnete er ihm: „Ist das kein Trick?“

Eagle seufzte. „Ist mir klar, dass Sie mir nicht vertrauen, aber als ich Ihnen das erste Mal begegnet bin, wurde ich vom Imperator per Mikrofon überwacht, damit auch nichts schief geht.“

„Und wieso haben Sie dann Lloyd geschlagen?“

„Es sollte authentisch wirken, damit Ganadox keinen Verdacht schöpft.“

Double X dachte kurz darüber nach, bevor er Eagle fragte:

„Wie wollen Sie mir denn überhaupt helfen, zu entkommen?“

„...die Außenseiter, mit denen Sie gekommen sind, sind aus ihrer Zelle verschwunden.“

„Wie bitte?“

„Wenn die drei von dort entkommen können, dann Sie auch!“

„Gibt es dort etwa einen Tunnel?“

„Die Zelle sah so aus wie immer, als ich das letzte Mal einen Blick reingeworfen habe.“

„Aber wie sind sie denn dann entkommen?“

„Das müssen Sie selber herausfinden, solange keiner außer uns beiden darüber Bescheid weiß.“

Eagle näherte sich der Tür und öffnete sie leise.

„Wenn Sie mich nun begleiten würden, ich bringe Sie dann in die andere Zelle.“

Double X stand noch immer in der Zelle, woraus Eagle schloss, dass er ihm immer noch nicht vertraute.

„Ich verstehe ja, dass Sie mir gegenüber misstrauisch sind, aber ich will Ihnen unbedingt helfen. Ich bitte Sie, geben Sie mir eine Chance.“

Überzeugt davon, dass Eagle ihn nicht belog, sah er im ins Gesicht und sagte:

„In Ordnung. Bringen Sie mich in ihre Zelle.“

Daraufhin trat er aus dieser hinaus, woraufhin Eagle die Tür schloss und die Dunkelheit wieder einkehrte.
 

Es überraschte ihn, dass die Gefängnisabteilung von CX-00 so gigantisch war.. Es dauerte zwanzig Minuten, bis er und Eagle die Zelle erreichten, in die die drei für die Nacht eingesperrt wurden.

Eagle legte seine Hand auf Double X's Schulter und entgegnete ihm:

„Viel Glück. Nehmen Sie die hier besser mit.“ Er gab ihm die Schwerter, öffnete die Tür und ließ hin hinein.

„Leben Sie wohl, Eagle.“

Dann schloss er die Tür zu und Double X fand sich erneut in tiefer Finsternis wieder. Vorsichtig tastete er die Wände und den Boden ab, doch egal wie gut er den Raum überprüfte, fand er keinen Tunnel oder sonstige Fluchtmöglichkeiten aus der Zelle.

Er setzte sich mit den Schwertern auf den Boden und schloss die Augen. Tief atmete er durch und überlegte.

„Das ergibt doch alles keinen Sinn. Wenn er mich reinlegen wollte, wieso hat er mir dann die Schwerter gegeben?“

Als er seine Augen öffnete, fand er sich nicht in der Zelle wieder, sondern in einem dichten Wald. Ungläubig rieb er sich die Augen und dachte, dass er halluzinierte. Doch der Wald verschwand nicht.

„Wie ist das möglich? Die Zelle hatte doch bis auf die Tür keinen Ausgang. Habe ich vielleicht etwas übersehen?“

So saß er eine Weile auf dem Boden am Überlegen, bis er zu dem Schluss kam, das das „Wie“ im Moment nicht wichtig war. Wichtiger war es nun, sich in der neuen Umgebung zu orientieren und Lloyd, Terra und den Kleinen wiederzufinden. Also stand er auf und ging mit den Schwertern am Gürtel befestigt von dannen.

Verschollen in Gensokyo, Teil 1

Wenig Licht drang bis zum Boden des Waldes durch, als Double X immer noch darin herum irrte. Es schienen Stunden vergangen zu sein, seitdem er ihr grundlos aufgetaucht ist. Die Luft war schwer zu atmen und ziemlich feucht, was die Suche nach einem Weg aus dem Wald heraus nicht wirklich vereinfachte. Zudem hatte er ununterbrochen das Gefühl, verfolgt zu werden.
 

„Noch einer von denen... diese Weißmäntel gehen mir langsam auf die Nerven. Aber die kommen doch normalerweise in Gruppen...? Wird wahrscheinlich ein Späher sein. Dann muss ich mich nicht zu sehr anstrengen...“
 

Double X war nun völlig verloren. Sein Zeitgefühl war dahin, der Wald schien nicht aufzuhören und die schwere Luft machte ihn nach wie vor zu schaffen. Erschöpft stützte er sich an einem Baum ab und atmete lautstark ein und aus, während der Schweiß an seinem Gesicht hinab lief. Langsam wischte er ihn sich mit seiner Jacke ab, die er sich um den Bauch gebunden hatte, als jemand ihn zu rufen schien.

„HEY!“

Erledigt blickte er um sich und entdeckte eine Frau, die in der Luft schwebte. Ihr weißes Haar hing ihr bis zu den Knien und war mit ein paar rot-weißen Papierschleifen versehen. Die rote Latzhose, die sie trug, war in rot mit Amuletten bestückt. Ihre roten Augen sahen ihn voller Zorn an.

„Ihr werdet wohl nicht müde, oder? Euch müssen doch auch einmal die Kämpfer ausgehen!“

„Ich weiß gar nicht, wovon sie re-“

„Vielleicht sollte ich dich rösten und deinem Anführer abliefern, damit ihr aufhört, immer Nachschub zu liefern!“

Sie schrie laut auf und Feuer schoss ihr aus dem Rücken, das sie so aussehen ließ wie einen Phönix.

„Keine Sorge, ich passe schon darauf auf, das ich nicht den Wald abfackele... was ich von dir nicht behaupten kann. FLYING PHOENIX!“

Ein riesiges Feuer, das aussah wie ein Phönix schoss auf Double X hinab. Er sprang zur Seite, doch als das Feuer auf dem Boden aufschlug, explodierte es und stieß ihn zu Boden. Seine Jacke löste sich von ihm und fiel zu Boden.

„Für einen Späher kannst du ja ziemlich gut ausweichen“ meinte sie spöttisch. „Machen wir es doch ein wenig schwerer!“

Sie beschwor noch mehr phönixförmige Feuerbälle, die mit atemberaubender Geschwindigkeit auf ihn zuflogen. Obwohl er sich von ihnen weg rollte, schienen sie immer näher an ihm aufzuschlagen. Er versuchte ihnen zu entkommen, doch in einem Moment der Unachtsamkeit bemerkte er einen der Phönixe nicht und wurde frontal von ihm getroffen.
 

„Was ist passiert?“, fragte er sich, als er wieder zu Bewusstsein kam. Die Frau lag tot mit seinem Schwert in der Brust auf dem Boden, doch er konnte sich nicht daran erinnern, wie das möglich sein konnte. Zaghaft bewegte er sich auf sie zu und zog ihr das Schwert aus dem Brustkorb.

„Ich werde wohl nie erfahren, was genau passiert ist...“

Als er sich wieder auf den Weg machen wollte, hörte er das Knistern eines Feuers hinter sich. Als er sich umdrehte, um herauszufinden von woher das Knistern kam, stand die Frau unverletzt und mit verschränkten Armen vor ihm.

„Guter Wurf. Wäre ich noch sterblich, würde ich jetzt nicht mehr mit dir reden...“

„Wovon reden Sie?“

„Als ich versucht habe, dich noch einmal gut durchzugrillen, bist du mit einem Satz fünf Meter in die Luft und hast mich mit deinem Schwert einfach so durchbohrt.“

„Ich weiß davon gar nichts. Als hätte ich einen Filmriss.“

Die Frau wollte wieder zum Angriff ansetzen, doch Double X fragte sie wie aus der Pistole geschossen:

„Wo bin ich, und wieso haben Sie mich überhaupt angegriffen?“

Sie zog ihren Arm wieder zurück. „Du bist hier im Bambuswald von Gensokyo, und Leute wie du tauchen hier seit ein paar Monaten ständig auf.“

„Gensokyo? Nie davon gehört.“

„Überrascht mich auch nicht wirklich. Es ist ja auch nicht Teil der Außenwelt.“

„Außenwelt?“

Die Frau seufzte leicht genervt, bevor sie fort fuhr: „Ich weiß zwar nicht, wie du das nicht wissen kannst, aber ich wiederhole es gerne:

Du stammst nicht aus dieser Welt.“

Eine Weile später, die der Frau wie eine Ewigkeit vorkam, antwortete er ihr:

„Verstehe.“

„Es scheint dich nicht wirklich zu stören...“

„Ich habe im Moment größere Probleme. Immerhin bin ich im Moment auf der Suche nach jemandem.“

„Etwa nach einem Jungen, einer Frau und einem kleinen, grünen Dino?“

„Woher-“

„Die fallen zwischen all den Weißmänteln ziemlich auf. Ich habe ihnen aus dem Wald geholfen. Es ist ziemlich leicht, sich hier zu verirren.“

Nachdem sie diesen Satz vollendete, bewegte sie sich von Double X weg, tiefer in den Wald. Dann blieb sie kurz stehen und rief ihm hinterher:

„Willst du jetzt aus dem Wald raus oder nicht?“

Nachdem er realisierte, was sie tun wollte, griff er nach dem noch auf dem Boden liegenden Mantel, sprintete er in ihre Richtung, bis er sie erreichte und passte sich an ihre Geschwindigkeit an.

„Ich hätte übrigens noch eine Frage.“

„Ja?“

„Wie heißen Sie?“

„Wenn es dich wirklich so brennend interessiert...

Fujiwara no Mokou.“
 

Die Sonne knallte den beiden ins Gesicht, als sie den Wald verließen und am Waldesrand standen. Eine weite Ebene breitete sich vor ihnen aus und das Gras wog mit dem Wind.

„Die drei habe ich zum Schrein geschickt. Geh einfach geradeaus, und du solltest sie bald finden.“

„Komme ich von dort wieder zurück in die... wie haben Sie das genannt... Außenwelt?“

„Nicht direkt, aber es ist der beste Ort dafür. Was ist eigentlich mit deinen Verbrennungen?“

Double X tastete seinen Körper ab. „Jetzt, wo Sie das erwähnen... ich habe gar keine.“

„WAS? Das kann nicht sein! Das war pures Feuer, mit dem ich dich abgeschossen habe! Ich werde sicherheitshalber eine Ärztin zum Schrein schicken lassen!“

„Danke, aber das ist nicht notwendig. Wirklich.“

„Das ist mir zu unnatürlich, um es dabei zu belassen! Keine Sorge, DIE Ärztin versteht etwas von ihrem Handwerk.“

„Nun, wenn Sie wirklich so darauf bestehen, dass ich untersucht werde, nehme ich ihr Angebot an.“

Langsam bewegte er sich auf die Wiese zu.

„Wie lange muss man denn zum Schrein laufen?“

„Zum Abend solltest du dort sein, wenn du nicht trödelst.“

Er hatte schon viel Abstand von Mokou genommen, doch plötzlich drehte er sich um und rief ihr noch zu:

“Ach, bevor ich es vergesse – danke.“

Mokou blickte ihm nur noch verwundert hinterher, bevor er am Horizont verschwand.
 

Der Himmel war schon dunkelrot und der Himmel klar, als er den Schrein erreichte. Als er die Treppe zum Schrein hoch hinter sich ließ, erblickte er den Schrein. Er wirkte sehr baufällig und verfallen. Oft schien er nicht Besucher zu haben, sonst würde der Besitzer ihn besser pflegen.

„Hey, das ist doch- Double X! Hier!“

Völlig unerwartet für ihn liefen Lloyd und Terra auf ihn zu.

„Wir sind überrascht, dich hier zu sehen“ sagte Terra zu ihm. „Wie bist du denn hierher gekommen?“

„Eagle hat mir zur Flucht verholfen. Irgendwie zumindest.“

„Was? Eagle?“ fragte ihn Lloyd erzürnt. „Wegen dem sind wir doch erst in diesem Schlamassel gelandet!“

„Ja, ich weiß, Lloyd. Aber als wir ihm das erste Mal begegnet sind, wurde er von Ganadox persönlich überwacht. Er konnte uns in diesem Moment nicht die Wahrheit sagen.“

„Wirklich?“ Lloyd war die Sache nach wie vor nicht geheuer.

„Sehen wir es mal so: Hätte er uns nicht belogen, wäre ich jetzt nicht hier.“

Resigniert stimmte er ihm zu. „Ja, da hast du wohl Recht...“

„Wisst ihr beide eigentlich schon, wie wir wieder zurückkommen?“

„Reimu meinte, dass wir frühestens morgen wieder in die „Außenwelt“ kommen“ entgegnete ihm Terra. „Diejenige, die uns zurückbringen soll, schläft angeblich ziemlich viel und ist ziemlich faul. Bis morgen Abend sind wir sicherlich noch hier.“

„Reimu?“

„Du wirst sie gleich kennen lernen“ antwortete Lloyd. „Sie sitzt im Schrein und kocht gerade Tee.“
 

„Du gehörst also zu den beiden... Richtig?“ wurde Double X von einer braun haarigen Frau gefragt, deren Kleidung in Rot-Weiß in gehalten war.

„Genau.“ antwortete Double X ihr, bevor er an seinem Tee nippte. Er setzte seine Tasse ab und fragte sie: „Sagen Sie, wenn Sie wissen, wie wir wieder zurück kommen können, wissen Sie dann eigentlich, wie das alles passieren kann?“

Reimu trank einen Schluck aus ihrer Tasse, bevor sie antwortete: „Ich habe es nicht selber in Erfahrung gebracht, aber Yukari – diejenige, die euch wieder in die Außenwelt bringen kann – weiß einiges darüber, und weil die Weißmäntel in letzter Zeit so oft hier auftauchen, war ihr danach, mir das Wichtigste zu erklären.“ Sie nippte an an ihrem Tee, bevor sie fort fuhr:

„Ihr seid höchstwahrscheinlich durch einen dimensionalen Riss gerutscht, der entsteht, wenn jemand die Grenze zwischen zwei Dimensionen überbeansprucht. Sie funktionieren immer in die Richtung, durch die das Hauptportal das letzte Mal benutzt wurde.“

„Macht ihr euch keine Sorgen darüber, dass ihr hier selbst durch einen dieser „dimensionalen Risse“ rutschen könnt?“ fragte Terra leicht besorgt.

„Glücklicherweise kann ich die Barriere in eine Richtung aufrecht erhalten. Das bedeutet allerdings, dass keiner durch einen dimensionalen Riss raus, aber dafür rein kann. Für das Schließen von dimensionalen Rissen in beide Richtungen oder gar der Hauptportale reicht meine Kraft leider nicht aus.“

„Warum greifen euch die „Weißmäntel“ überhaupt an?“ fragte Lloyd sie recht verwirrt.

„Das wissen wir selbst nicht. Sie scheinen bisher noch kein System zu haben und irren die ganze Zeit herum. Wir nehmen an, dass sie noch versuchen, sich hier in Gensokyo zurecht zu finden.“

„Merkwürdig, dass ich nie von solchen Manövern gehört habe“ sagte Double X recht nachdenklich. „Ich war immerhin zwanzig Jahre Teil dieser „Weißmäntel“ und auch nicht von niedrigem Rang. Zudem sind Lloyd, Terra und der Kleine sind alle innerhalb von zwei Tagen in CX-29 aufgetaucht. Mir wären derartige paranormalen Aktivitäten sicher aufgefallen.“

Auf einmal schien Lloyd etwas aufzufallen: „Moment mal! Dann hätten wir auch in CX-29 warten und darauf hoffen können, dass wir wieder in unseren Welten landen!“

„Lloyd, erstens hätten wir das nicht wissen können,“ versuchte Terra ihn zu korrigieren „und zweitens wäre es allerhöchstens eine eins-zu-drei-Chance, wieder bei uns zu landen. Wir wissen ja nicht, ob diese Kerle auch noch in andere Welt eindringen.“

Lloyd senkte sein Haupt. „Da hast du Recht.“

Reimu stellte währenddessen ihre Tasse ab und stand auf. „Wir sollten uns schlafen legen“ sagte sie gähnend. „Es ist schon spät und ich muss morgen sowieso früh aufstehen.“

Double X wollte sich ebenfalls erheben, als er und die anderen einen lauten Knall hörte, dessen Ursprung nicht weit vom Schrein entfernt sein konnte. Binnen dem Bruchteil einer Sekunde schoss eine Kugel durch die dünne Papierwand und bohrte sich in seinen rechten Oberarm. Dort, wo die Kugel in seinem Arm steckte, wurde der Mantel vom Blut dunkelrot getränkt. Reflexartig drückte er seine linke Hand auf die Wunde.

Reimu stand nur gelassen auf und sagte:

"Sie haben es also bis hierher geschafft, diese Bastarde."

Verschollen in Gensokyo, Teil 2

Es war ein schockierendes Bild. Trotz der Versuche seitens Terra, die Wunde zu schließen, verheilte sie nur langsam und das Blut quoll nach wie vor aus ihr heraus..

„Wie können sie bis hierher gekommen sein?“ wunderte sich Lloyd. „Das müsste bedeuten, dass sie Mokou besiegt haben. Und sie ist doch unsterblich!“

„Das stimmt zwar“ antwortete Reimu ihm „aber sie ist nicht unempfindlich dem Schmerz gegenüber. Wenn sie oft genug umgebracht wird, kann sie sich kaum mehr rühren.“

Plötzlich drang ein lautes Brüllen von außen in den Schrein:

„ICH WEIß, DASS IHR EUCH DA DRIN BEFINDET! JETZT KOMMT ENDLICH RAUS UND STELLT EUCH!“

Lloyd und Terra erschraken augenblicklich. Diese Stimme war ihnen mehr als nur vertraut.

„Das ist doch White Death...“ stammelte Lloyd. „Das ergibt immer weniger Sinn!“

Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah Reimu ihn an. „Ihr kennt ihn?“

„Ist eine lange Geschichte. Ich gehe raus und knöpfe ihn mir vor.“

„Davon würde ich dir abraten“ versuchte Double ihn davon abzubringen. „Hast du vergessen, was ich euch in CX-29 gesagt habe? Ihr habt ihn nur besiegt, weil er nicht wusste, dass ihr gegen den ACC immun seid und er, wenn überrascht, nicht in der Lage ist, zu kämpfen. Dieses Mal steht der Überraschungseffekt auf seiner Seite.“

„Und hier bleiben und darauf warten, dass er uns auch noch abknallt, ist die bessere Alternative, oder was?“

Double X senkte sein Haupt.

„Gut, du kannst es wenigstens versuchen. Aber sei vorsichtig.“

Wieder ertönte ein Brüllen:

„ICH WARTE! WENN ES NOCH LÄNGER DAUERT, WERDE ICH WIEDER SCHIEßEN!“

Lloyd wusste, dass er den Schrein sofort verlassen musste, also nickte er Terra und Double X ein letztes Mal zu, bevor er nach draußen trat.

Es war inzwischen Nacht geworden. Der Vollmond stand am Himmel und spendete spärliches Licht, welches die Umgebung im unpassendsten Zeitpunkt entspannt wirken ließ. White Death stand auf der Mitte des Platzes, mit einem Nachtsichtgerät, dass nach oben verschoben war und einem Gewehr zu seinen Füßen. Seine verbliebene Hand schien nur darauf zu warten, das Schwert hervorzuziehen und anzugreifen.

„Wo ist der Rest?“ fragte Lloyd ihn, ebenfalls bereit, ihn zu attackieren.

„Ich bin der einzige hier. Mehr als mich braucht es ohnehin nicht, um euch zurück nach CX-00 zu bringen“ meinte White Death äußerst selbstsicher. „Jetzt stelle ich die gleiche Frage an dich.“

„Terra versorgt die Wunde, die du Double X zugefügt hast, und der Kleine ist auch bei ihnen. Wie hast du uns hier überhaupt gefunden?“

„Ich wollte Imperator Ganadox beweisen, dass der Vorfall in CX-29 nur ein Ausnahmefall war. Also bin ich entgegen seiner Anweisungen nach CX-00 gereist, nur um zu erfahren, dass ihr dort verschwunden seid. Eagle hat uns sofort erzählt, dass er euch zur Flucht verholfen hat, weil er die Zelle gründlichst untersucht hat und selber nicht wusste, wie ihr entkommen konntet. Weil wir ihm nicht vertrauen konnten, bin ich mit ihm zu der betreffenden Zelle gegangen, um sie erneut zu untersuchen. Und während ich dabei war, die Räumlichkeiten genau unter die Lupe zu nehmen, schlug er die Tür hinter mir zu und rannte davon. Kurz darauf fand ich mich im Wald wieder und begegnete dieser weißhaarigen Frau, die mich ohne Vorwarnung attackierte.“

„Aber das ergibt nicht den geringsten Sinn!“ erhob Lloyd Einspruch. „Wenn man dich überrascht, bist du so gut wie kampfunfähig! Wie konntest du Mokou dann besiegen?“

White Death lächelte verschmitzt. „In CX-29 wurde ich überwältigt, weil ich nicht wusste, dass euch Double X ACC-Blocker verabreicht hatte und ihr mich deswegen ungestört attackieren konntet. Als die Frau das erste Mal wiederauferstanden ist, war das zwar nicht gewöhnlich, da ich mich aber zuvor gut gegen sie behaupten wurde, war er am Ende sie, die überrumpelt wurde.“ Sein Lächeln verwandelte sich in ein wahnsinniges Grinsen. „Außerdem... war ich so besessen davon, meinen Ruf bei Ganadox wieder reinzuwaschen, dass der Effekt auch so schon deutlich gemindert war.“ Binnen dem Bruchteil einer Sekunde zog er seinen Schwertgriff und lud die Klinge.

„Und jetzt hol mir diesen Verräter Double X her, damit ich über ihn richten kann. Was man mit euch machen wird, ist mir egal, aber ER wird von mir persönlich bestraft!“

„Wollen Sie etwa mit mir kämpfen, White Death?“

Er sah zum Schrein herüber. Double X stand im Türrahmen, mit der linken Hand dagegen gelehnt.

„Du solltest dich schonen!“ ermahnte Terra ihn. „Du hast viel Blut verloren und mit dem Arm kannst du dein Schwert nicht schwingen!“

„Darum müssen Sie sich keine Sorgen machen. Für das, was ich mit ihm tun werde, muss er sein Schwert nicht benutzen.“

Mit einem Satz sprang White Death nach vorne und hielt sein Schwert bereit. Lloyd wollte es noch verhindern und rannte auf die beiden zu, doch es war bereits zu spät.

White Death's Rache an Double X war nun vollzogen.
 

Lloyd konnte nicht fassen, was er da sah. Das Blut lief an White Death's Klinge hinab und tropfte zu Boden, während Double X sich bewusstlos noch immer am Rahmen hielt. Wie in Rage stürmte er auf den unaufmerksam wirkenden White Death zu und hoffte, einen Treffer zu landen, doch dieser machte einen Schritt nach rechts und sein Angriff ging ins Leere.

„Du bist so ein kleiner Vollidiot“ sprach White Death ihn mit einer unheimlichen Stimme an. „Denkst du tatsächlich, dass ich so unvorsichtig wäre? Bloß, weil ich mit ihm fertig bin, werde ich euch nicht verschonen.“ Mit einer gelassenen Bewegung steckte er sein Schwert in den Boden und platzierte seine geballte rechte Hand auf dem Schwertgriff. „Und um euch zu zeigen, wie viel Angst ihr wirklich vor mir haben solltet, zeige ich euch eine Technik, die ich in CX-29 nicht benutzen durfte.“ Er hob seine Faust und schlug mit dieser das Schwert in den Boden. „FORCED EARTHQUAKE – LEVEL ONE!“

Lloyd fing an, eine Vibration zu spüren, die immer stärker und stärker wurde. Er realisierte schnell, was das bedeutete, und brüllte in den Schrein:

„REIMU! TERRA! RAUS MIT EUCH!“

Dann griff er nach Double X's verbliebenen Arm und zog ihn außer Reichweite des Schreins, welcher wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel.

Lloyd dachte kurz, dass die beiden es nicht mehr rechtzeitig hinaus schafften, doch dann entdeckte er die beiden, wie sie hinter dem Trümmerhaufen, der früher den Schrein darstellte, standen, der Kleine auf Terras Schulter sitzend. Er wirkte erleichtert, dass sie sich nicht verletzt hätten, doch der von Zorn erfüllte Blick von Reimu verwirrte ihn.

„Was denkst du dir dabei, meinen Schrein in Schutt und Asche zu legen!“ schrie sie White Death an. „Der Schrein wurde erst vor kurzem wieder aufgebaut! Weißt du, wie lange es dauert, bis ich ihn wieder bewohnen kann?“

„Zu lange auf jeden Fall nicht“ antwortete er ihr hämisch. „So schnell wie er zusammengefallen ist, glaube ich kaum, dass sie lange obdachlos sind.“

„ARGH!“

Ohne zu zögern erhob sie sich in die Lüfte und fixierte White Death. Dieser blickte sie leicht verwirrt an, bis sie anfing, ihn mit Amuletten zu beschießen. Diese schienen jedoch kein Hindernis für ihn darzustellen, da er sie mit wenigen Hieben zerschnitt.

„War das etwa schon alles?“ Seine Stimme hörte sich von Mal zu Mal herablassender an, fast schon arrogant.

„Von wegen!“ Sie zog viele Amulette hervor, warf sie in die Luft und rief: „FANTASY SEAL – CONCENTRATE!“ Die Amulette schlugen auf ihn ein und warfen ihn ein wenig zurück.

Doch noch immer war er nicht sonderlich beeindruckt. Gelassen wischte er sich den Mund ab und meinte: „Das ist schon mehr nach meinem Geschmack! Wenn der restliche Kampf auch so aussieht, werde ich mich auf jeden Fall nicht langweilen!“

„Ob es dir auch Spaß machen würde, wenn wir mitmischen?“

White Death drehte sich um. Lloyd sprang ihn mit seinem Schwert an und versuchte, mit einem Sonic Thrust einen Treffer bei ihm zu landen, doch White Death konnte dem Angriff, wenn auch nur sehr knapp, ausweichen.

„Tss, da hatte das fliegende Mädchen aber mehr drauf...“

„BLIZZGA!“

Wie erstarrt stand White Death auf einmal regungslos da.

„Lloyd! Greif ihn an, bevor er sich wieder bewegen kann!“ kam er von Terra.

Lloyd nickte ihr lächelnd zu und setzte erneut zu einem Sonic Thrust an, doch White Death fing auf einmal an, sich wieder zu bewegen. Er fing an, böse zu kichern. Es steigerte sich mehr und mehr, bis sein Lachen furchteinflößende Ausmaße annahm.

„Und erneut bin ich euch voraus! Nach dem Vorfall wurden die Rüstungen mit Upgrades versehen und sind gegen diese Art von Angriff immun! Und da ihr dieses Mal nicht den Überraschungseffekt auf eurer Seite habt, seid ihr so gut wie chancenlos gegen mich! Wenn ich mit euch fertig bin, wird Ganadox mir wieder den nötigen Respekt zuweisen!“ Erneut ließ er sein krankes Lachen ertönen.

Lloyd versuchte, sich nicht einschüchtern zu lassen und versuchte erneut, ihn anzugreifen. „SWORD RAIN!“ Seine Schwerter prasselten auf White Death ein, doch er parierte den Angriff mühelos. Als sein Angriff endete und White Death eine Lücke in seiner Verteidigung entdeckte, stellte dieser wieder die Klinge in den Boden und rammte sie mit einem gezielten Schlag rein. „FORCED EARTHQUAKE – LEVEL TWO!“

Der Druck, der sich auf Lloyd ausübte, war so stark, dass er von ihm weg gestoßen wurde und mit dem Rücken voraus auf dem Boden landete.

Während er versuchte, wieder aufzustehen, fragte er sich gut hörbar: „Wieso war es jetzt so viel stärker?“

„Dummer Junge“ antwortete White Death ihm. Der Forced Earthquake hat drei Stufen, die in ihrer Stärke variieren. Die erste ist nur zum Einschüchtern, während die zweite hauptsächlich für den Kampf da ist.“

„Und was ist dann mit der dritten?“

„Mit der kann man einen Berg in sich zusammenfallen lassen.“ Wieder stellte er die Klinge in den Boden. „Soll ich es euch demonstieren?“

„Was? Damit kannst du uns umbringen!“ rief Terra ihm empört zu.

„Nein, EUCH wird es umbringen. Es wirkt sich nämlich nur auf alles außerhalb eines Radius von zwei Metern aus. In anderen Worten: Ich kann seelenruhig dabei zusehen, wie ihr in euer Verderben stürzt.“

Terra seufzte. „Ich tue es nicht gerne, aber ich habe keine andere Wahl.“ Sie setzte den Kleinen auf dem Boden ab und schickte ihn zu Lloyd herüber. „MORPH!“

Ihr Körper begann, sich zu verändern. Ihre Haut färbte sich blass violett und ihren zarten Händen entsprangen scharfe Krallen, so wie damals, als sie Double X zum ersten Mal begegnete.

Ohne ein weiteres Wort schoss sie auf White Death zu und attackierte ihn mit ihren Krallen. Es schien ihm mit der Zeit schwerer und schwerer zu fallen, ihre Angriffe abzublocken, bis er nach hinten kippte und auf dem Boden aufschlug. Schnell sprang sie von ihm weg, streckte ihren rechten Arm aus und rief: „METEOR!“

Völlig benommen blickte White Death in den Himmel. Ein zwei Meter großer Gesteinsbrocken flog schnurstracks auf ihn zu. Sich der Gefahr bewusst versuchte er von dem zukünftigen Einschlagspunkt wegzurollen, musste aber feststellen, dass er nicht in der Lage war, sich zu bewegen. Nur ein panisches Schreien konnte ihm entfleuchen, bevor der Komet ihn traf.

Als sie sich sicher war, dass White Death keine Gefahr mehr darstellte, verwandelte sie sich wieder in einen Menschen zurück. Reimu, Lloyd und der Kleine gafften sie mit aufgerissenen Augen und offenen Mündern an.

„T-Terra...“ stammelte Lloyd. „Wieso hast du uns damit nicht in CX-00 gerettet?“

„Ich verwandle mich nicht gerne“ antwortete sie ihm mit gesenkten Haupt. „Es erinnert mich an eine finstere Zeit. Außerdem hätte ich die Lage dort nur noch verkompliziert, anstatt uns damit zu helfen. So nervös, wie die auf „Außenseiter“ reagieren, hätten sie sicher geschossen, bevor ich auch nur die Chance gehabt hätte, uns zu retten.“

„Du bist nun mal die Besonnenere von uns beiden“ antwortete Lloyd ihr mit einem sanften Lächeln. Doch plötzlich fiel ihm ein, dass sie fast etwas vergessen hätten. „Reimu! Wir brauchen dringend einen Arzt für Double X, sonst verblutet er uns hier endgültig!“

Sofort rannten sie auf seinen regungslosen Körper zu.

„Hmm, lange können wir ihn auf jeden Fall nicht mehr hier lassen“ diagnostizierte Terra. „Reimu! Wo ist hier der nächste Arzt?“

„EINEN MOMENT MAL!“

Sie drehten sich um. White Death stand plötzlich wieder auf den Beinen, mit dem Schwert in der Hand und einem wahnsinnigem Blick, mit dem er sie anvisierte.

„ICH WERDE GANADOX NICHT ENTTÄUSCHEN! ICH DARF IHN NICHT ENTTÄUSCHEN! HIER WERDET IHR NICHT MEHR LEBEND WEGKOMMEN! GARANTIERT NICHT!“

Er wollte auf sie zu rennen und zum Verzweiflungsschlag ausholen, doch dann spürte er, dass sich im etwas in den Rücken bohrte. Erschocken blickte er an sich hinab und sah eine Pfeilspitze aus seiner Bauchgegend ragen. Er blickte zaghaft zum Himmel und sah die Silhouette einer Frau vor dem Mond stehen, die einen Bogen in den Hand hielt und erneut auf ihn zielte. Sein Gesichtsausdruck war voller Angst und Panik, bevor er durch den nächsten Pfeil sein Leben aushauchte.

Reimu blieb bei diesem Anblick recht gelassen. „...wenn man vom Teufel spricht.“

Lloyd und Terra sahen sie merkwürdig an.

„Hey, ich weiß auch nicht, warum sie bereits hier ist, aber besser als nichts!“

Die Frau schwebte elegant zu Boden. Ihr weißes Haar war zu einem Zopf geflochten und ihre Kleidung war in rot-blau gehalten.

„Eirin? Woher wusstest du-?“

„Mokou hat mich gebeten, bei dir vorbeizukommen. Ich soll einen Mann im weißen Mantel untersuchen...“
 

Double X glaubte, langsam seinen Verstand zu verlieren. Erst schlug White Death ihm den rechten Arm ab, dann wurde ihm schwarz vor Augen und schon stand er bedrohlich vor einem Mann, der winselnd auf dem Boden kniete und um sein Leben flehte. Die Hitze eines riesigen Feuers, das hinter ihm loderte, strömte ihn in den Rücken.

„Diesen Mann kenne ich doch.“ überlegte Double X. „Das war doch der aus dem letzten Traum.“

„Wie... wie konnte das passieren?“ wusste dieser nicht weiter. „Wir hatten dich bis jetzt doch gut unter Kontrolle...“

„Du möchtest also wissen, wie es dazu kommen konnte?“ antwortete Double X ihm, ohne es zu wollen, bevor er ihn wütend anschrie: „Ich habe endlich begriffen, dass ihr mich nur für eure scheußlichen Experimente missbraucht! Ihr spielt mit dem Leben anderer zu eurem eigenen Vorteil!“

„Es ging nicht nur um uns... es sollte der ganzen Welt helfen.“ verteidigte sich der Mann hilflos.

„Mich zum Kämpfer heranzüchten? Das soll der Welt nützen?“ fragte er ihn mit angewiderter Stimme. „Ihr seid krank.“

„Das, was wir mit dir getan haben, war nicht das, was wir ursprünglich vorhatten.“

„Und... was hattet ihr dann vor?“ redete Double X sich in Rage.

Der Mann senkte seinen Kopf.

„Das... das eigentliche Ziel dieses Projektes ist aufgeflogen und man hat uns daraufhin den Krieg erklärt.“

Double X packte ihm am Kragen und zog ihn hoch: „Und was war das ursprüngliche Ziel des Projektes?“

„...die Eliminierung sämtlicher Emotionen.“

Er sah den Mann kurz ausdrucklos an. Ein fieses Lächeln drang in sein Gesicht, und der Mann wusste, dass das nichts Gutes heißen konnte.

„So, so, das soll der Menschheit also nützen...“ sagte Double X zu ihm, während er eine Waffe auf die Schläfe des Mannes richtete.

„Ihr widert mich an! Die ganze Welt widert mich an! Ihr versucht, mit der Kontrolle über andere den Frieden herbeizuführen, habt aber keine Ahnung von den Konsequenzen!

Ich werde mit dem Leben spielen, wie ihr mit meinem gespielt habt, denn wenn sich jeder so wie ihr verhält, verdient kein Mensch den Frieden!“

Kaum betätigte er den Abzug der Waffe, blickte er an eine kahle Decke.
 

Unwissend darüber, wo er sich befand, blickte er um sich. Das einzige, was er klar feststellen konnte, war, dass er auf einem Bett lag. Die Dunkelheit wurde nur von Licht unterbrochen, das aus einem Türspalt entwich. Er näherte sich vorsichtig der Tür und hörte ein paar Leute reden.

„Die Operation ist geglückt“ meinte eine ihm unbekannte Frauenstimme. „Er ist außer Lebensgefahr.“

Er hörte jemanden erleichtert aufseufzen. „Gut zu hören“ sagte ein junger Mann, den Double X als Lloyd identifizieren konnte. „Und... was ist mit seinem Arm?“

Es wurde kurz still. „Seinen Arm habe ich nicht mehr retten können. Es sind zu viele Nerven abgestorben, als dass es sich noch gelohnt hätte, ihn wieder anzunähen.“

Erneut sagte niemand etwas. Wie benommen fasste er sich an die rechte Schulter und tastete nach seinem Arm. Tatsächlich. Sie hatte Recht.

„Wir sollten froh sein, dass er noch lebt“ unterbrach Terra die Stille, wie Double X vermutete. Ihm war noch immer recht mulmig, daher war er sich nicht wirklich sicher, ob es wirklich sie war. „Nachdem er so viel Blut verloren, ist es das mindeste, das wir erwarten können.“

„Ich habe aber immerhin eine gute Nachricht den Arm betreffend“ sagte die unbekannte Frauenstimme. „Ich kenne eine gute Mechanikerin, die ihm eine Prothese bauen könnte.“

„Wie lange wird das dauern?“ fragte Lloyd.

„Das weiß ich selber nicht, aber leider nicht, bevor ihr wieder in seine Welt zurückkehrt.“

„Und wann sollen wir den Arm abholen?“

"Ich werde Yukari darum bitten, sich bei euch zu melden, wenn er fertig ist."

Double X glaubte, genug gehört zu haben und legte sich wieder ins Bett.

„Es ist eindeutig: Ich habe mich nicht geirrt. Es ist tatsächlich passiert.“

Rückkehr

Es war bereits wieder Abend geworden, als Double X wieder erwachte. Die Abendsonne erfüllte den Raum mit warmen Gelb- und Rottönen, wodurch dieser weitaus gemütlicher und angenehmer wirkte. Es war für ihn fast so, als wäre er in einem anderen Zimmer aufgewacht. Leise klopfte es an der Tür.

„Herein“ bat Double den Klopfenden einzutreten. Die Tür öffnete sich, und Terra und Lloyd betraten den Raum. Der Kleine saß auf Lloyds Schulter.

„Na, Double X?“ fraget Lloyd mit einem frechen Grinsen im Gesicht, während er sich am Hinterkopf hielt. „Gut geschlafen?“

„Ja, danke, es geht“ antwortete Double X und erhob sich aus dem Bett.

Terra störte etwas an seinem Tonfall. „Du weißt bestimmt schon Bescheid, oder?“

„Wenn du von meinem Arm redest, ja, ich habe es schon mitgekriegt“ antwortete er, während er nach seinem Mantel griff und etwas unbeholfen versuchte, ihn anzuziehen.

„Brauchst du vielleicht Hilfe?“ kam es von Lloyd.

„Ich kriege das schon hin, danke.“

Als er damit fertig war, fragte er Terra: „Ist diese Yukari schon aufgetaucht?“

„Sie wartet seit ein paar Minuten vor der Eingangstüre. Wir wollten dich gerade aufwecken.“

„Nett von euch.“

Er nahm den Schwertgriff, der neben dem Bett lag und ging auf die Türe zu, als er auf einmal inne hielt.

„Habt ihr auch alles? Wer weiß, wie lange es dauert, bis wir wieder hierher kommen.“

„Wir haben alles dabei. Mach dir darum keine Sorgen.“
 

Draußen kam die Abendröte noch besser zur Geltung. Die entspannte und ruhige Atmosphäre ließ einen fast vergessen, dass die vier vor der kranken Einstellung der Neuen Welt fliehen mussten. Eine blonde, langhaarige Frau saß mit einem Sonnenschirm vor dem Eingang und beobachtete, wie die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand. Ihr Blick wirkte ein wenig verschlafen und unaufmerksam, was bei ihr aber eine Gewohnheit zu sein schien. Hinter ihr öffnete sich die Tür und Double X trat hinaus.

„Guten Abend“ begrüßte er sie und setzte sich neben sie. „Ich nehme an, dass sie Yukari sind, richtig?“

Die Frau drehte sich zu ihm und blickte ihn mit ihren goldfarbenen Augen an. „Ja, die bin ich. Sie gehören bestimmt zu den beiden mit dem kleinen, grünen Dino, oder?“

„So ist es.“

Sie blickte zur Tür. „Wo bleiben sie denn?“

„Ich vermute, dass es etwas mit dem Ersatzarm zu tun hat, den sie mir besorgen will.“

Yukari sah ihn unverständlich an. „Wieso machst du es dann nicht selbst?“

Sein Blick näherte sich der Sonne, die schon fast verschwunden war. „Ich musste meinen Kopf so schnell wie möglich frei kriegen. Es gibt da ein paar Dinge, die mich seit einiger Zeit beschäftigen, die ich nicht verstehe. Außerdem habe ich fast einen ganzen Tag am Stück geschlafen, da tut einem die frische Luft gleich doppelt so gut.“

Ein wenig verständnislos schüttelte sie den Kopf. „Ihr Menschen seid manchmal ziemlich komisch...“

In diesem Moment kamen Lloyd und Terra mit dem Kleinen nach draußen. Double X drehte sich zu ihnen.

„Und?“

„Sie hat uns keinen genauen Zeitpunkt genannt“ meinte Terra. „Sie konnte zwar alle Maße ermitteln, die sie für deinen neuen Arm braucht, aber es wird schwer sein, die passenden Teile zu finden.“

„Wir dürfen uns hier ohnehin fürs Erste nicht mehr blicken lassen“ sagte Double X. „Sie werden bald bemerken, dass White Death nicht mehr wiederkommt und dann werden sie hier verschärft nach uns suchen.“ Er stand auf und richtete seine Jacke. „Wir können los, nehme ich an?“

Yukari erhob sich nun ebenfalls und schloss ihren Schirm. „Haltet euch daran fest.“

Lloyd sah sie verwirrt an. „Äh, wieso?“

„Das, was sich zwischen den Welten verbirgt, kann den Verstand eines Menschen in den endlosen Wahnsinn treiben. Darum müsst ihr euch am Schirm festhalten, damit ich euch zurück in die Außenwelt bringen kann.“

„Moment! Wieso bringst du uns nicht direkt in unsere Welten zurück, wenn du Portale aus dem Nichts erschaffen kannst?“

Sie seufzte ein wenig genervt. „Ich kann mich nur zwischen der Außenwelt und Gensokyo frei bewegen. Wenn ich in andere Welten reisen will, muss ich mich wie ihr auf fremde Portale verlassen.“

„Und wenn du uns direkt zu so einem Portal bringen könntest?“

Man konnte Yukari ansehen, dass sie allmählich ihre Geduld verlor, aber sie versuchte trotzdem ruhig zu bleiben. „Zwischen Portalen muss ein großer Abstand bestehen, ansonsten läuft man Gefahr, dass die Dimensionen sich vermischen könnten.“ Sie pausierte kurz und sah ihn bedrohlich an. „Noch irgendwelche Fragen?“

Lloyd wich erschrocken zurück. „N-nein, ich glaube, das wars.“

Nachdem er das gesagt hat, wurde ihr Gesichtsausdruck wieder entspannt und verschlafen. „Also dann, haltet euch am Schirm fest und schließt die Augen.“

Ohne weiteren Worte taten sie das, worum Yukari sie gebeten hatte. „Ich werde nun ein Portal öffnen. Öffnet eure Augen erst wieder, wenn ich es euch sage.“

Nachdem sie das gesagt hatte, ging sie los und zog die vier mit sich mit. Die Stille, die daraufhin eintrat, zehrte deutlich an ihren Nerven. Auch wenn dies nur eine Minute dauern sollte, wirkte es auf sie, als würden sie mehrere Stunden blind umherirren.

Schließlich blieb Yukari ohne Vorwarnung stehen, was sie ein wenig aus dem Rhythmus brachte. „Wir sind da. Ihr könnt eure Augen jetzt öffnen.“

Als sie ihre Augen öffneten, fanden sie sich am Rande eines Waldes wieder. Die Nacht hatte sich bereits auf das Land gelegt, und bis auf eine kleine Ansammlung von Häusern, die vor ihnen stand, war es stockdunkel.

Lloyd kamen diese Häuser bekannt vor. „Sagt mal, waren wir nicht schon einmal hier?“

Nachdem Double X und Terra einen genaueren Blick auf die Häuser warfen, mussten sie feststellen, dass auch ihnen diese Gegend nicht unbekannt war.

„Ist das nicht... die Stadt der Außenseiter?“

„Ja, tatsächlich Lloyd. Wir sind wirklich wieder hier gelandet“ meinte Terra. „Sollen wir vielleicht fragen, ob sie uns-“

„AUF KEINEN FALL!“ entgegnete Lloyd Terra, die erschrocken ansah. „Entschuldige, Terra, aber diese Schweine haben uns mehrere Stunden einen Haufen Steine rumtragen lassen, in dem Glauben, dass das Proviant wäre! Wer weiß, was mit uns geschehen wäre, wenn Eagle uns nicht gefunden hätte!“

„Lloyd, bitte beruhige dich“ versuchte Double X ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen.

„Vielleicht will ich mich nicht beruhigen! Vielleicht will ich mich aufregen!“

Beleidigt und angewidert von dem, was vor ein paar Tagen geschehen war, rannte er in den Wald.

„Lloyd!“ rief Terra ihm hinterher und wollte ihm hinterherrennen, doch Double X versperrte ihr den Weg mit seinem Arm.

„Überlass das nur mir, Terra. Ich wollte sowieso schon seit kurzem mit ihm unter vier Augen sprechen.“
 

Mitten im Wald saß Lloyd an einen Baum angelehnt. Er weigerte sich, nach einer Unterkunft zu fragen, weil er sich von den Leuten dort hintergangen fühlte. Es war ihm immer noch schleierhaft, warum sie alle bloß wegen Double X keinen richtigen Proviant bekamen. Fast war ihm danach, Double X zu beschuldigen, aber warum seine Wut an jemandem rauslassen, dem er sein Leben verdankte?

„Lloyd?“

Er sah hinter sich. Eine Silhouette, die er als Double X idenifizierte, stand hinter ihm.

„Ich möchte kurz mit dir reden, wenn es dir recht ist.“

„Nur zu.“

Double X setzte sich nun ebenfalls an den Baum.

„Weißt du noch, was ich dir geantwortet habe, als du mich gefragt hast, warum ich dich gerettet habe?“

„Du... wolltest doch einen Kampf.“

„So ist es. Ich muss zugeben, dass ich mich ein wenig ungenau ausgedrückt habe.“

Lloyd beschlich eine leise Vorahnung. „Was meinst du mit ungenau?“

„Ich brauchte jemanden, der mich an meine Grenzen bringen kann, jemand, der mich fordert, verstehst du?“

Lloyd sah ihn entsetzt an. Er konnte doch nicht tatsächlich das meinen! Andererseits... die beiden waren alleine mitten im Wald, und er sollte Double X „an seine Grenzen bringen“ und fordern. Er wollte doch nicht wirklich-

Reflexartig sprang Lloyd auf und rannte von ihm weg. Der entsetzte Blick schien nicht von seinem Gesicht zu weichen, da ihn eine furchtbare Vorahnung nach der anderen heimsuchte.

Double X dagegen blieb gegen den Baum angelehnt sitzen und sah ihm mit einem leicht irritierten Blick hinterher.
 

Terra wartete immer noch am Rande des Waldes. Sie wollte es nicht noch komplizierter machen, indem sie sich in das Gespräch einmischte. Lloyd wirkte auf sie sehr angespannt und entnervt, im Gegensatz zu dem Kleinen, der auf ihrer Schulter saß und schlief.

Leise vernahm sie ein Schnaufen, das aus dem Wald kam und sich auf sie zubewegte. Als sie in den Wald schaute, um herauszufinden, was in dem Wald vor sich ging raste Lloyd aus dem Wald hervor und atmete tief durch. Vor Sorge ging sie auf Lloyd zu und fragte: „Was ist passiert? Haben sie uns etwa wieder gefunden?“

Er packte ihre Schultern. „Terra, wir müssen so schnell wie möglich weg von hier! Double X hätte sich im Wald beinahe an mir vergangen!“

„Wie bitte?“

„Er hat mir im Wald gesagt, dass er jemanden brauche, der ihn an die Grenze bringen würde!“

„...und das wars?“

„Ich wollte einfach nichts riskieren!“

„Das ist sicher nur ein Missverständnis, Lloyd. Man kann ihn nicht wirklich sagen, dass er sich normal verhält, aber wie einer von der Sorte wirkt er nicht.“

„Wie einer von welcher Sorte?“

Die beiden blickten Richtung Wald und sahen Double X, wie er ihn gerade verließ.

„Mach dir darum keine Sorgen“ versuchte Terra davon abzulenken. „Lloyd hat dich sicher nur missverstanden.“

„Äh, ja, hoffentlich“ meinte Lloyd immer noch ein wenig. „Wenn du „Kampf“ sagst, dann meinst du doch sicher ein Duell mit unseren Waffen und nicht das, was ich gedacht habe, als du sagst, dass ich dich an deine Grenzen bringen sollte... oder?“

Double X fasste sich nachdenklich ans Kinn. „Ich weiß zwar nicht, was du gedacht hast, aber dass ich von dir ein Duell wollte, ja, das stimmt.“

Lloyd seufzte erleichtert, nur um zu realisieren, dass es auf das Gleiche hinauslief wie in CX-29: dass er wieder nicht das „Warum“ kannte. „Dürften wir dann wissen, WARUM du mit mir kämpfen wolltest?“

Double X antwortete zunächst nicht, doch andererseits hätte er wissen müssen, dass er es ihnen irgendwann erklären müsse. „Hat einer von euch vielleicht ein Messer?“

Ratlos sahen sich Lloyd und Terra an. „Nicht dass wir wüssten.“

„Es wäre zumindest praktischer gewesen. Dann muss ich halt mein Schwert nehmen.“

Ohne weitere Worte zu verlieren zog er seinen Schwertgriff hervor und lud die Klinge, bevor er Terra das Schwert gab. „Lloyd, würdest du bitte meinen Ärmel hochziehen?“

„Warum bitte?“

„Tu es bitte einfach.“

Verwirrt zog Lloyd den Ärmel hoch, immer noch ohne die geringste Ahnung, was Double X eigentlich demonstrieren wollte. Dieser sah zu Terra. „Ich möchte nun, dass du mir eine möglichst tiefe Wunde zufügst.“

„...ich muss Lloyd zustimmen. Ich frage mich inzwischen auch, was das eigentlich werden soll...“

„Terra, bitte tu es einfach. Du wirst schon noch verstehen, warum ich euch darum bitte.“

Zögerlich legte sie die Klinge auf seinen Arm, drückte sie nach unten und zog sie ruckartig zurück. Sie traute sich nicht aufzusehen, bis Lloyd völlig entsetzt meinte:

„VERDAMMT!“

Das erste, was sie sah, war Double X's tiefe Wunde am Arm. Sie dachte eigentlich, dass sie tiefer wäre, daher fragte sie sich auch, weshalb Lloyd sich so aufrege. „Lloyd, das ist zwar eine tiefe Wunde, aber nichts, was ich mit Heilmagie nicht beheben ka-“

„Davon rede ich auch nicht! Sieh ihm nur ins Gesicht!“

Jetzt sah sie es auch. Sein Blick war so kühl und unberührt von jeglichem Schmerz wie sonst auch.

„Versteht ihr es jetzt?“

„Was sollen wir verstehen?“ entgegnete Lloyd ihm, für den es nur noch verwirrender wurde. „Du kannst von uns nicht erwarten, dass wir es auf einmal verstehen! Wie wäre es damit, dass du uns erklärst, was eigentlich los ist!“

Double X näherte sich langsam der Klippe und setzte sich auf den Boden mit dem Blick auf die Siedlung. „Setzt euch zu mir. Ich werde es euch erklären.“

Lloyd und Terra zögerten nicht lange und setzten sich zu ihm.

„Es begann alles vor zwanzig Jahren in CX-29...“
 

„Worauf wartest du denn noch?“

Nervös das Schwert in der Hand haltend stand Double X mit einem anderen Soldaten vor einem alten Mann mit zerzaustem Bart und zerrissener Kleidung, der bewegungsunfähig auf dem Boden lag und völlig wehrlos auf den Gnadenstoß. Der Schweiß lief an seinem Gesicht hinab und seinem Gesicht nach zu urteilen war er nicht in der besten seelischen Verfassung.

„Wieso müssen wir ihn... überhaupt umbringen? Er ist vollkommen wehrlos!“

„Soldat, ein Außenseiter ist immer eine Gefahr!“ brüllte der Soldat ihn an. „Man sollte erwarten, dass du das inzwischen weißt! Menschen sind schwache Wesen, die sich von ihren Gefühlen manipulieren lassen und spontan gegen uns rebellieren!“

„Und wieso haben wir als Soldaten dann welche?“

„Das ist ein Privileg, Soldat. Du wurdest inmitten von vielen anderen ausgewählt, um uns zu helfen, der Welt ewigen Frieden zu bringen. Wenn du keine Gefühle hättest, wärst du nutzlos für diese Mission!“ Der Soldat näherte sich Double X's Ohr und flüsterte ihm zu: „Wenn du dich weigerst, ihn zu beseitigen, können wir dir gerne wieder deine Gefühle entziehen. Dann verbringst du den Rest deines Lebens damit, dir Vorwürfe zu machen, dass du dich nicht für das Richtige entschieden hast. Und er wird so oder so sterben, also kannst du ihn auch gleich von seinem Leiden erlösen. Aber wenn du nicht willst...“

Double X schluckte schwer. „Nein! Nein, ich... erledige das schon.“

Langsam zog er seine Klinge zurück, um zuzustechen. Noch immer plagten ihn Zweifel, ob er diesen Mann, den er zuvor nie gesehen hatte, einfach umbringen oder es von anderen erledigen lassen sollte. Doch er wusste, was mit Außenseitern bei Hinrichtungen angestellt wurde, und das war bei weiten schlimmer als ein einfacher Stich durchs Herz. Es wirkte wie eine klare Sache, doch er wusste, dass er das irgendeines Tages vielleicht bereuen würde.

„...es tut mir Leid.“

Ein reflexartiger Stich machte dem Leben des Mannes ein rasches Ende, ehe er die Hand des Soldaten auf seiner Schulter spürte, welcher ihm entgegnete:

„Ich wusste, dass du das tun wirst. Möchtest du Bericht erstatten oder soll ich das übernehmen?“

Doch es erfolgte keine Antwort. Vorsichtig tippte er mit dem Finger auf seiner Schulter und fragte: „Soldat?“

„...mach nur, ich will ein wenig alleine sein.“

Mit einem verständnislosem Blick im Gesicht ließ der Soldat von ihm ab und bewegte sich weg von ihm, während Double X weiterhin auf den leblosen Körper hinab blickte.
 

Immer noch saßen die drei auf der Klippe, als Double X aufhörte zu erzählen.

„Ich verstehe immer noch nicht ganz“, sagte Terra, die sich die Erzählung noch einmal durch den Kopf gehen ließ. „Wie führte das dazu, dass du immun gegenüber von Schmerzen bist?“

„Es geht hier nicht nur um Schmerzen, Terra. Ich fühle überhaupt nichts mehr.“

Erstaunt blickte Lloyd ihn an. „Wie ist es denn dazu gekommen?“

„Es hat nicht lange gedauert, bis ich in Depressionen versank, weil ich diesen Mann umgebracht habe, und das teilweise sogar aus selbstsüchtigen Gründen. Ich weiß wirklich nicht mehr, warum ich ihn doch umgebracht habe: um ihm weiteres Leid zu ersparen oder nicht sofort meine Emotionen zu verlieren.“

Etwas störte Lloyd an dieser Antwort ganz gewaltig. „Also hast du ihn umgebracht, um deine Emotionen zu behalten, nur um sich kurz darauf zu ignorieren?“ Er starrte ihn irritiert an. „Das scheint nicht wirklich viel Sinn zu ergeben.“

„Ich weiß, dass es komisch klingt, aber das entspricht der Situation, ja. Allerdings wollte ich meine Emotionen nicht für immer aufgeben, sondern wieder ausleben, sobald ich es geschafft hatte, einen anderen Außenseiter zu retten.“

Terra wurde immer stutziger über seine Aussagen. „Du willst doch nicht wirklich behaupten, dass du zwanzig Jahre gebraucht hast, um jemandem aus der Kuppel zu befreien?“

„Nein, so ist das nicht. In der Tat ist es mir mehrere Male gelungen, Außenseiter aus der Kuppel zu schmuggeln.“

Langsam fing Lloyd an zu glauben, dass Double X nur mit ihnen spiele. „Und wieso bist du dann so... entschuldige diesen Ausdruck... kalt?“

„Das erste Mal, als ich es schaffte, geschah etwa sieben Jahre nach dem Vorfall. Kurz nachdem es ausgestanden war, versuchte ich, wieder zu fühlen, aber-“

Er pausierte in diesem Moment, bevor er fortfuhr.

„Ich spürte zwar, dass ich wieder fühlen konne, aber ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmte. Als ich schließlich in einen Spiegel blickte, sah ich auch warum.“

Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und achtete darauf, dass das Blut nicht auf seinen Mantel tropfte.

„Ich blickte so kalt drein wie zuvor. Mir wäre danach gewesen zu weinen, aber ich musste schnell feststellen, dass ich auch dazu nicht mehr in der Lage war. Ich versuchte auf jede mögliche Weise, meinem Körper eine Reaktion auf meine Gefühle zu entlocken, aber es blieb erfolglos. Schließlich habe ich es aufgegeben.“

„Zumindest bis ich mich bei euch mitten auf der Straße gefunden habe“ stellte Lloyd schließlich fest. „Dann würde das bedeuten, dass du mit mir kämpfen wolltest, damit ich dich an deine Grenzen treibe und dein Körper endlich reagiert?“

Stumm nickte Double X. „Aber ich musste feststellen, dass nicht einmal der Verlust meines rechten Armes mir auf die Sprünge half.“

Er stützte sich vom Boden ab und stand auf. „Es tut mir Leid, dass ich euch da mit reingezogen habe. Ich möchte kurz alleine sein und gehe dafür in den Wald. Legt euch ruhig schon schlafen, wenn ihr wollt. Gute Nacht.“ Und schon war er im Wald verschwunden.

Lloyd und Terra hingegen blickten von der Klippe auf die Siedlung hinab, in der nach und nach ein Licht nach dem anderen ausging.

„Double X ist schon ein komischer Kauz“, meinte Lloyd, während er sich am Kopf kratzte. „Wieso hat er uns nicht schon vorher davon erzählt?“

„Er ist sicher daran gewöhnt, alleine zu sein“, sagte Terra. „Das kann ich gut verstehen. Ich wurde fünfzehn Jahre lange von korrupten Leuten gegen meinen Willen manipuliert, und es fällt mir bis heute ein wenig schwer, etwas zu empfinden.“

Lloyd sagte nichts mehr, sondern sah einfach nur weiter hinab auf die Siedlung, in der schon fast alle Lichter ausgegangen waren. Er konnte verstehen, was Terra meinte, auch wenn es ihm nicht persönlich widerfahren war. „Es ist fast so, als wäre es eine beliebte Methode, Menschen zu manipulieren, indem man ihnen ihre Gefühle raubt“, dachte er, während das letzte Licht in der Siedlung erlosch.

Warum?

Es war sicherlich keine ruhige Nacht für Double X, denn seit er sich zum Nachdenken in den Wald zurückgezogen hat, waren bereits mehrere Stunden vergangen und der Morgen war inzwischen auch angebrochen. Er konnte sich über seine derzeitige Situation den Kopf zerbrechen, solange er wollte, er fand keinerlei zufrieden stellenden Antworten darauf – sei es seine künstliche Emotionslosigkeit, die Geheimnisse, die die Weißmäntel zu verbergen versuchen oder ihre verworrenen und absurden Ideale, die er, obwohl er selbst Teil von ihnen war, nach zwanzig Jahren weder wirklich verstanden noch verinnerlicht hatte.

Mit seinem Gesicht in seinen Händen vergraben saß er auf dem Boden umstellt von Bäumen, deren Kronen das Sonnenlicht nur spärlich durch ließen, ähnlich wie er nicht in der Lage war, etwas zu fühlen oder es gar auszudrücken. Er hatte noch nicht bemerkt, dass die Nacht bereits geendet hatte, was im Moment allerdings kein Problem darstellte, da die Weißmäntel im Moment nicht wissen konnten, wo er und die anderen sich im Moment aufhielten. Nun wäre der Zeitpunkt gekommen, nach CX-29 zurückzukehren und dort nach den Portalen zu suchen, die für die derzeitige Lage von Lloyd, Terra und des Kleinen verantwortlich waren. Wer weiß wie lange es dauern würde, bis man sie wieder entdeckt?

Er blickte von seinen Händen auf, feststellend, dass er lange genug im Wald gesessen hatte. Es dauerte eine Weile, bevor er bemerkte, wie lange er bereits hier saß und seine Gedanken kreisen ließ. Schließlich klopfte er sich mit den Händen den Dreck von seinem Mantel, der inzwischen von Weiß zu einem Grau-Braun übergegangen war, und machte sich auf den Weg zurück zur Klippe, wo sie gestern Abend von Yukari hergebracht wurden.
 

Terra und Lloyd saßen immer noch an der Klippe, aneinander gelehnt und eingeschlafen. Es war nach den vergangenen Tagen ein Segen, sich einfach nur in Ruhe irgendwo hinzusetzen, ohne sich Sorgen darüber zu machen, dass die Weißmäntel wieder auftauchen und zurück nach CX-00 verschleppen. Außerdem wussten sie nun, wohin sie als nächstes gehen sollten anstatt weiter in der so gut wie unbewohnten Welt umher zu irren. Wenn das, was sie von Reimu erfahren haben, stimmen sollte, müssten sie die Portale zurück in ihre eigenen Welten in CX-29 finden. Es würde zwar auf keinen Fall einfach werden, aber wenigstens war ihr Ziel in Sicht.

Die Sonne stand schon einige Stunden am Himmel, was die beiden allerdings nicht daran hinderte, weiterzuschlafen. Und wäre es nicht für einen ohrenbetäubenden Schrei gewesen, hätte es wahrscheinlich noch länger gedauert, bis sie endlich aufgewacht wären.

Terra wachte durch den Schrei schlagartig auf, während Lloyd noch leicht benommen und verschlafen fragte, ob etwas passiert sei. Double X schien den Schrei auch gehört zu haben, denn in diesem Moment kam er aus dem Wald gerannt und fragte Terra: „Seid ihr in Ordnung?“

„Ja, alles in Ordnung. Aber was war das für ein Schrei-“

Plötzlich realisierte sie, was los sein könnte. Sie sah zu dem Baum hinüber, unter dem der Kleine geschlafen hatte. Seine Augen waren weit aufgerissen und das Atmen schien ihm äußerst schwer zu fallen. Der Schweiß tropfte fast schon wasserfallartig zu Boden und es sah so aus, als würde er sich bald weinend zusammenkrümmen.

Daraus achtend, nicht von der Klippe zu stürzen, stand sie auf und ging zu dem Kleinen hin und bückte sich zu ihm hinunter. „Alles ist jetzt in Ordnung. Hab keine Angst“ versuchte sie ihn zu beruhigen, während sie ihre Hand schützend auf seine Stirn legte.

„Nein. Nichts ist in Ordnung“ schluchzte er ziemlich leise. „Er wird jedes Mal schlimmer...“

Terra sah ihn fragend an. „Was meinst du damit, er wird schlimmer?“

Er schniefte auf bevor er ihr antwortete. „Als ich ihn das erste Mal hatte, war es nur die Flucht. Beim zweiten Mal habe ich noch meine Eltern schreien gehört, und beim dritten Mal...“ Unkontrolliert wimmerte er, bevor er fortfahren konnte. „...habe ich es mit ansehen müssen, wie sie-“

Stille. Es war nicht so, dass er es nicht sagen konnte, weil er wieder anfing, zu weinen, es war eher so, als ob er es nicht sagen wollte. Er war einfach zu entsetzt darüber, um er über die Lippen kommen zu lassen.

Lloyd war inzwischen ebenfalls aufgestanden und gesellte sich zu den beiden. Er sah den Kleinen einige Minuten an, wie er betroffen auf den Boden starrte, in Hoffnung, dass das alles nur ein böser Traum war und er jeden Moment aufwachen könnte. Völlig unerwartet bückte er sich zu ihm hinunter und schlug ihm leicht auf die Wange, was den Kleinen aus dem Gleichgewicht brachte und zur Seite fallen ließ.

Terra sah ihn wütend an. „Lloyd! Was sollte das bitteschön?“

„Ganz ehrlich: der Kleine deprimiert mich inzwischen“ kam es aus ihm heraus. „Ich kann verstehen, was er durchmacht, aber wenn er nicht schläft, dann heult er!“

„Und das berechtigt dich dazu, ihn zu schlagen...“

„Ich wollte ihn nicht schlagen, nur wachrütteln! Es würde mir sicher leichter fallen, ihm zu helfen, wenn er nicht immer so eine miese Laune verbreiten würde.“

Das war Terra nun zu viel. „Lloyd!“

„Nein, es ist schon in Ordnung. Er hat ja Recht.“

Erstaunt blickten die beiden zum Kleinen, der immer noch seitwärts auf dem Boden lag und bedrückt dreinblickte. Lloyd, der bemerkte, dass er zu ungehobelt reagierte, fing bereits an, es zu bereuen. „Mir ist ja klar, dass es schwer für dich sein muss, aber das muss nicht bedeuten, dass du es die ganze Zeit auslässt, oder?“

Äußerst verwirrt sahen Terra und der Kleine ihn an, während er fortfuhr: „Was ich damit meine ist, dass du nicht immer um deine Eltern weinen solltest.“ Tief blickte er ihm in die Augen. „Na, wie wärs? Lächle doch mal.“

Der Kleine sah ihn verständnislos an.

„Ach komm, so schwer kann das doch nicht sein. Muss ich es dir erst vormachen?“ meinte Lloyd scherzhaft, bevor er sich ein Grinsen entlockte. Es dauerte nicht lange, bevor der Kleine langsam, aber sicher anfing, zu lächeln. Es schien seine Stimmung deutlich zu heben, da er kurz darauf auf dem Boden lag und einfach drauflos lachte. Sowohl Lloyd als auch Terra fanden diesen Anblick äußerst amüsant, worauf sie ebenfalls ein wenig lachten.

Nachdem der Kleine sich ein wenig beruhigt hatte, hob Lloyd den Kleinen hoch und setzte ihn auf seine Schulter, bevor sie sich zu Double X gesellten, der mit einem eigenartig penetranten Blick zur Siedlung hinunter starrte. Irgendetwas schien ihn zu bedrücken.

„Ist irgendwas?“ wurde er von Terra gefragt.

„Ich finde es ein wenig komisch, dass ich da unten bis jetzt noch niemanden gesehen habe.“

Lloyd sah ihn an, als würde ihn nicht daran stören. „Na und? Als wir das erste Mal hierher gekommen sind, haben sie sich auch erst blicken lassen, als wir nur noch wenige Meter entfernt waren!“

„Einen so vorsichtigen Eindruck haben die nicht auf mich gemacht, dass sie ihre Häuser nur dafür verlassen müssten. Wir sollten vielleicht vorbei schauen.“

Terra gefiel die Idee nicht wirklich. „Ich weiß nicht, ob wir uns überhaupt bei jemandem blicken lassen sollten, sonst könnten die Weißmäntel uns wieder finden...“

„Erinnerst du dich nicht mehr an das, was wir in Gensokyo in Erfahrung bringen konnten?“ verteidigte Double X sich. „Wenn diese Informationen stimmen, müssen wir so oder so nach CX-29 zurück. Und wenn wir Glück haben, bekommen wir dieses Mal richtigen Proviant anstatt einen Haufen Steinen, wenn wir ihnen unsere Situation erklären.“

„Entweder das oder du solltest dich dort überhaupt nicht blickten lassen“ entgegnete Lloyd ihm.„Um ehrlich zu sein, scheint mit zweiteres ein wenig einleuchtender.“
 

Weniger Minuten später betraten Lloyd und Terra die Stadt, während Double X in sicherer Entfernung abwartete. Es war komisch, dass sie dieses Mal nicht ins Fadenkreuz von einigen Einwohnern gerieten, was nicht zu schwer war, weil sie niemanden entdecken konnten. Als sie sich wirklich sicher waren, dass sich niemand in ihrer Umgebung aufhielt, gab Lloyd Double X ein Handzeichen, damit dieser sich ihnen nähern konnte.

Es war ein fast schon beängstigendes Bild. Die Stille wurde unerträglich, während die Umgebung immer mehr wie eine Geisterstadt wirkte. Nachdenklich kratzte Lloyd sich am Kopf.

„Was ist denn hier passiert? Gestern Nacht schienen sie noch da zu sein...“

„Sieht auch nicht so aus, als hätten sie die Siedlung verlassen. Zumindest nicht freiwillig“ sagte Terra, bevor sie auf ein Fenster deutete, hinter dem es noch ziemlich aufgeräumt schien. Erst auf dem zweiten Blick realisierte sie etwas schreckliches. Die Angst in ihrem Blick, der starr vor Schreck weiterhin auf das Fenster gerichtet war, ließ Lloyd sie schließlich fragen:

„Was ist denn...?“

„...Blut...“ stammelte sie nur, während sie weiterhin mit zitternder Hand auf das Fenster deutete.

Lloyd ließ nur ein lautes „WAS!?“ aus, bevor er auf das Fenster zurannte und einen genaueren Blick in das Haus warf. Auf dem Boden lag die Leiche eines Mannes, der dem Augenschein nach zu Tode geprügelt wurde. Von einem Moment auf den anderen hatte er eine äußerst böse Vorahnung.

„Wir müssen hier weg...“ murmelte er ziemlich leise. „Oder sie erwischen uns wieder...“

„Dazu ist es leider zu spät.“

Double X sah zum Dach des Gebäudes. Es war Eagle, der absprungbereit auf diesem stand.

„Fantastisch. Zwei Fliegen mit einer Klappe“ kam es von ihm mit einem sadistischen Unterton, während er weiter auf sie hinab blickte. „Eigentlich war ich nur hier, um die Bewohner dieser Siedlung auf Ganadox's Befehl auszurotten, da sie ihm nach so vielen Jahren ein Dorn im Auge waren, und jetzt taucht ihr auch noch hier auf!“

Lloyd konnte es nicht fassen. Auf welcher Seite stand er nun eigentlich, auf ihrer oder die der Weißmäntel? „Sag mal, kannst du dich auch einmal entscheiden, ob du uns helfen oder umbringen willst? Das würde uns wirklich helfen, danke!“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stürzte er sich auf Double X hinab und versetzte ihm einen Schlag in die Magengrube, woraufhin er nach hinten flog und gegen eine Wand krachte. Nur schwer konnte er sich wieder aufrappeln.

„Du solltest dich schämen, uns so dreist hintergangen zu haben“ brüllte Eagle ihn an. „Man kann sich nicht oft genug fragen, was für gestörte Motive du haben könntest!“ Und schon versetzte er ihm weiter Schläge und Tritte, mit denen er ihn schließlich durch die Wand beförderte. Bewusstlos lag er nun auf dem Boden, offen für jegliche Angriffe. Gelassen ging Eagle auf ihn zu und beugte sich zu ihm runter, um ihn den Gnadenstoß zu versetzen.

„Schmor in der Hölle, du dreckiger Deserteur...“ flüsterte er, bevor er das Triebwerk an seinem rechten Arm einschaltete und seine Faust Richtung Double X's Gesicht schießen ließ.

„Da sehnt sich jemand aber sehr danach, früh zu sterben.“

Ohne mit der Wimper zu zucken hielt er mit seiner Hand ab. Eagle konnte das überhaupt nicht verstehen. Der Druck, den er so auf seinen Arm ausübte, müsste ihn ohne wenn und aber zerbersten lassen. Wieso trat dieser Fall nicht ein?

Ein kurzer Blick auf sein Gesicht verriet ihm alles. Das war nicht der kalte, gefühlsneutrale Double X, dem er zuvor begegnet war. Seine Augen sahen ihn mit einer Mischung aus Wut und Bedrohlichkeit an, während das teuflische Grinsen in seinem Gesicht ebenfalls äußerst beunruhigend wirkte. Was war denn nur auf einmal mit ihm passiert?

Mit enormer Kraft schubste Double X ihn von sich weg, um gefahrlos aufstehen und seine Klinge laden zu können. Gerade noch rechtzeitig, denn Eagle sprang ihn erneut an, um ihn mit einer harten Schlagfolge außer Gefecht zu setzen. Schlagartig hielt er sein Schwert vor sich und machte sich auf den Angriff gefasst.

Schon prasselten die Schläge auf ihn ein, und er hatte sichtliche Probleme, ihnen allen auszuweichen oder sie abzuwehren. Eagle schien sich schon äußerst lange auf seine Arme und Beine zu verlassen, wenn er kämpfte, und die Art, wie er seinen Kampfstil mit seiner Rüstung verband, indem er die Triebwerke in den richtigen Momenten benutzte, zeigte seine Erfahrenheit in direkten Konfrontationen.

Eagle hingegen fing an, nervös zu wirken. Irgendetwas stimmte für ihn an der Sache nicht. Wenn sein Gegner noch vor Sekunden in der Lage war, einen seiner verstärkten Schläge mit nur einem Arm abzuwehren, wieso tat er sich jetzt nur so schwer daran, weitaus schwächere Schlägen zu kontern?

Konnte es etwa sein, dass er nur mit ihm spielte?

„Glaub mir, du kommst hier nicht lebend weg“ brach Double X sein Schweigen schließlich, immer noch dabei, Eagles Schlägen möglichst aus dem Weg zu gehen. „Ich lass dich erst in Ruhe, wenn du tot auf dem Boden liegst! Erst dann werde ich wieder verschwinden, aber das wirst du nicht mehr erleben!“

Voller Entsetzen sah Eagle ihn an. Wovon zum Geier redete er da bitte? Kämpfte er überhaupt noch mit dem gleichen Kerl, den er vor ein paar Minuten zu Boden warf.

Ein herablassendes Seufzen kam schließlich von seinem Gegenüber, der ohne Vorwarnung durch eine Angriffslücke brach und einen Schwertstreich nach dem anderen vom Stapel ließ. Der Panzer, den Eagle trug, hielt zwar mehr Schaden ab als der verdreckte Mantel seines Gegenübers, aber dennoch spürte er deutlich, dass sein Gegner nicht log, als er behauptete, dass er hier sterben würde. Schließlich war er nicht mehr in der Lage, einen weiteren Schlag zu kontern und wurde von Double X mit einem gezielten Schlag zurück auf die Straße befördert, wo Terra und Lloyd immer noch starr vor Schreck standen.

Auf eine arrogante Weise ging dieser nun auf ihn zu, bereit, ihn ins Jenseits zu befördern. „Irgendwelche letzten Worte, bevor du stirbst?“

Keuchend antwortete er ihm: „Nein. Tu es einfach.“

Mit einem gehässigen Lächeln auf den Lippen bohrte er sein Schwert in Eagles Seite und hob ihn langsam hoch, bevor er es mit einem Ruck durch seinen halben Körper zog. Eagle stieß noch einen markerschütternden Schrei aus, bevor er verblutend zusammensackte.

Langsam aus der Schockstarre erwachend, bot sich den übrigen Anwesenden ein grauenhaftes Bild. Wie ein Geisteskranker stand Double X vor der entstellten Leiche seines Gegners, das Schwert immer noch mit festem Griff in der Hand. Zwar hatten sie nie das Gefühl, dass er ein normaler Mensch gewesen wäre, aber dass er zu solchen grauenhaften Taten fähig wäre, hätten sie wirklich nicht erwartet.

„Was ist denn hier passiert?“

Entsetzt brüllte Lloyd ihn an. „Was passiert ist? Du hast Eagle getötet! Wenn du ihm nur den Gnadenstoß gegeben hättest, wäre es nicht so widerlich gewesen, aber-“

Weiter kam er nicht, denn als er ihm ins Gesicht blickte, sah er nicht mehr das diabolische Grinsen, sondern nur das ihm bereits bekannte, emotionslose Gesicht. Er wusste nun wirklich nicht, was er unheimlicher finden sollte.

„Ich habe Eagle getötet? Das letzte, woran ich mich erinnern kann, war, dass er dabei war, mir das Lebenslicht auszublasen.“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging Lloyd zu Terra, um mit ihr unter vier Augen zu reden.

„Terra, wir müssen weg von ihm. Sofort.“

„Lloyd, ich habe selbst gesehen, wie er ihn gerade abgeschlachtet hat, aber-“

„Wenn es nur das wäre“ seufzte Lloyd. „Er ist ein Pyschopath, Terra! Er hat anscheinend nichts mitbekommen, während er mit Eagle gekämpft hat! Wir dürfen nicht riskieren, dass er uns ohne jegliche Vorwarnung angreift!“

„Aber Lloyd, wir sind inzwischen eine Woche mit ihm unterwegs und er hat sich in unserer Gegenwart nicht auffällig benommen“ versuchte Terra ihn zu beruhigen. „Außerdem hast du gesehen, in was für einer Situation er sich gerade befunden hat. Wahrscheinlich war es nur Notwehr.“

„Ach, ich weiß nicht...“ Er wirkte nicht gerade zuversichtlich.

„Lloyd, wir sind kampferprobt und zu zweit. Wenn er uns wirklich einmal attackieren sollte, sind wir sicher in der Lage, uns zu verteidigen. Außerdem müssen wir ohnehin noch nach CX-29 züruck, und wer weiß, ob wir ihn nicht noch wegen etwas brauchen.“

Lloyd seufzte erneut auf. „Da hast du wohl Recht...“ Er ging zurück zu Double X, der aus irgendwelchen Gründen immer noch auf Eagles Leiche starrte.

„War das... wirklich ich?“

„Hey!“ versuchte Lloyd ihn aus diesem hypnoseähnlichen Zustand herauszubringen. „Da es ohnehin hier niemanden zu geben scheint, der uns noch helfen kann, würden wir gerne nach CX-29 aufbrechen.“

Double X sah ihn kurz mit diesem glasigen Blick an, bevor er schließlich seine Klinge entlud. „Du hast Recht. Wenn wir zu lange hierbleiben, haben wir mehr von denen am Hals.“

Stumm verließen die vier die Siedlung und versuchten dabei, das gerade Geschehene verstehen zu können.
 

Es war ein überaus leeres Zimmer. Imperator Ganadox saß auf einem weißen Sessel – dem einzigen Einrichtungsgegenstand in diesem Raum – und regte sich über die Nachricht auf, dass jeglicher Kontakt zu Eagle seit einigen Stunden abgebrochen war. Er sollte doch nur diese kleine Siedlung einen Tagesmarsch entfernt von CX-00 ausradieren, da diese Leute einfach nicht kooperieren wollten und eine potentielle Gefahr darstellten.

Desertieren konnte er schon einmal nicht: Nachdem er drei Außenseiter und einen Abtrünnigen habe entkommen lassen, während er wahrscheinlich auch noch für das spurlose Verschwinden von White Death verantwortlich war, ließ er ihn höchstpersönlich einer Gehirnwäsche unterziehen, damit er nicht wieder auf dumme Gedanken kommen konnte.

Auch dass er von den Einwohnern der Siedlung getötet werden konnte wäre nicht möglich gewesen. Die Panzerung, die er trägt, hält den Schrott, den sie Munition nannten, problemlos ab, außerdem hätten sie bei seiner Geschwindigkeit sicher nicht einmal genug Zeit gehabt, die Waffe durchzuladen.

Er hätte auch noch Stunden darüber grübeln können, hätte nicht eine Stimme seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen:

„Machen Sie sich keine Sorgen, dass er sich gegen Sie wendet, Ganadox. Er ist bereits tot.“

Ganadox schreckte auf. In dem verschlossenen Raum stand auf einmal ein Junge mit zerzausten Haaren und äußerst eigenartiger Kleidung. Dass er auf keinen Fall aus CX-00 oder überhaupt einer Kuppel stammen konnte, war ihm sofort klar.

„Wer bist du und wie bist du hier überhaupt reingekommen?“ brüllte er den Jungen an.

„Ich bin nicht dazu verpflichtet, auch nur eine ihrer Fragen zu beantworten, Ganadox.“ entgegnete er ihm gelassen und sich der Situation vollkommen bewusst.

„Na warte, du-“

Er sprang aus dem Sessel hervor und wollte nach dem Jungen greifen, doch seine Hände ging durch ihn durch, als wäre er nur Luft. Ziemlich verwirrt sah er ihn an.

„Sie sollten das lieber unterlassen. Ich fühle mich nicht besonders wohl, wenn jemand so etwas mit mir macht. Es ist äußerst irritierend.“

Ganadox blieb nichts anderes übrig, als sich zurück zum Sessel zu schleppen und sich in diesen fallen zu lassen. „Du bist nur eine Halluzination, oder?“

Der Junge schüttelte den Kopf. „Ich existiere sehr wohl, allerdings nicht auf dieser Ebene.“

„Was meinst du bitte mit „nicht auf dieser Ebene“?“

„Das müssen sie nicht unbedingt erfahren. Ich denke sogar, dass er besser für uns alle wäre, wenn das ein Geheimnis bleiben würde“ antwortete er ihm, während er sich langsam vor ihm auflöste.

„Aber – woher willst du bitte wissen, dass Eagle tot ist?“

Genüsslich grinsend meinte der Junge nur: „Nun, sagen wir, ich habe meine Quellen...“ bevor sich wieder ganz auflöste. Nur wenige Sekunden später klopfte es an der Tür, die im Blickfeld von Ganadox lag.

„Imperator, ich habe Stimmen gehört. Ist etwas passiert?“

„N-nein, es ist nichts. Es ist viel passiert in letzter Zeit, das macht mich ganz schön fertig...“ Er konnte ja nicht wirklich behaupten, dass er mit einer möglichen Einbildung gesprochen hatte. Er behauptete zwar, keine zu sein, aber hirnrissig klang das ganze trotzdem.

„Verständlich, Imperator.“

Ich verstehe immer weniger

Es war wieder einer dieser Träume, die Double X in letzter Zeit hatte. Nur in einer Hose saß er in einem dunklen Raum. Der Regen prasselte auf das Fenster, während manchmal jemand unten vorbeilief. Gelegentlich blitzte es und beleuchtete den Raum ganz kurz, wodurch er wenigstens erkennen konnte, dass dieses Zimmer schlicht eingerichtet war. Aber was machte er hier nur?

Nach einigen Minuten hörte er ein Klopfen an der Tür. Er drehte sich dorthin, wo anscheinend die Tür war und sagte gerade noch hörbar: „Herein.“ Dass er in seinen Träumen keine Kontrolle über sich zu haben schien war ihm inzwischen egal.

Die Tür öffnete sich und eine Gestalt, von der er aufgrund des Gegenlichts nur die Silhouette erkennen konnte, trat ein. Der Braunhaarige konnte nur feststellen, dass sie dünn und kahlköpfig war. Sie drehte seinen Kopf zu Double X, der sich immer noch nicht bewegte.

„Mach die Tür zu. Ich ziehe es vor, wenn es hier so dunkel bleibt.“

Ohne sich umzudrehen schlug die Gestalt die Tür zu, und erneut konnte man nichts mehr erkennen.

„...wie lange geht das eigentlich schon?“ begann sie endlich zu reden. Es war die Stimme eines Mannes, und Double X glaubte, sie schon einmal gehört zu haben.

„Zwei Jahre. Kaum zu glauben, dass ihr mich erst jetzt findet.“ Auch wenn es seine Stimme war, fragte er sich doch, ob dass wirklich er sein sollte.

„Du bist unvorsichtig geworden. Hast angefangen, Hinweise zu hinterlassen. Und egal wie zufällig du auch zu morden scheinst, hast du trotzdem ein Muster entwickelt.“

„Muster? Von wegen. Ich habe so zufällig getötet wie irgendmöglich...“

Die Gestalt seufzte. „Das stimmt nicht ganz. Wir haben all deine Opfer überprüfen lassen. Keines von ihnen war wie die anderen.“

In einer ernsten Tonlage fragte Double X ihn dann: „Worauf willst du hinaus?“

„Es gibt kaum Gemeinsamkeiten, und die, die es gibt, wie Geschlecht und Hautfarbe, sind unausweichlich.“

Sein Gegenüber verharrte schweigend.

„Ich weiß, dass du diese Geschehnisse nicht vergessen kannst, aber-“

„Nummer eins, wir kennen uns unser ganzes Leben lang. Du hast selbst gesehen, wie sie mein Leben für ihre schändlichen Zwecke missbraucht haben.“

„Aber rechtfertigt das den Tod von dutzenden Unschuldigen?“

„Du kannst es nicht verstehen. Niemand kann das.“

Er stand von dem Bett auf und bewegte sich auf den Schrank zu, der neben dem Fenster stand. Langsam fuhr er fort:

„Jedes Leben kam in diese Welt, ohne es zu wollen. Dennoch können sie alle ihr Leben leben, wie sie es sich wünschen. Und wir?“

Unauffällig griff Double X in den Schrank und drehte sich nicht um.

„Wir wurden nach ihren Wünschen verändert, zu Marionetten gemacht, um ihre kranken Experimente an uns zu vollziehen. Und was haben sie davon?“

Ohne einen weiteren Augenblick zu verschwenden richtete er eine Pistole auf den Kopf der Gestalt.

„Tote. Tote, die es nicht gegeben hätte, wenn sie mich in Ruhe gelassen hätten.“

Obwohl im Angesicht des Todes, blieb die Gestalt ruhig, wich jedoch ein wenig zurück. „Das erklärt aber immer noch nicht, warum all diese Menschen sterben mussten...“

„Selbst wenn ich mehr ins Detail gehen würde, würdest du es missverstehen. Das liegt vielleicht daran, dass sie dich im Vergleich zu mir regelrecht menschlich behandelt haben.“

Mit der geladenen Waffe ging er mit langsamen Schritten auf ihn zu, während die Gestalt weiterhin versuchte, Abstand zu gewinnen.

„Du bist einer von ihnen geworden. Was soll mich dann also noch daran hindern, dich hier und jetzt kalt zu stellen?“

„Hörst du dir überhaupt zu? Gut, du warst für sie ein Versuchskaninchen. Ja, sie haben dir keinen freien Willen gegönnt. Nein, das gestattet dir nicht, zufällig und gedankenlos Menschen abzuschlachen!“

„Du bist aber auch kein guter Zuhörer.“

Er feuerte einen Warnschuss ab, der den Schädel der Gestalt streifte und sich in die Wand bohrte.

„Nehmen wir an, jeder würde verstehen, in was für einer Lage ich mich bestand. Und dann?“ Ein weiterer Warnschuss entwich seiner Waffe. „Ändert das irgendetwas an meiner Situation?“ Und erneut drückte er ab. „Diese Sache, die man „Verstehen“ nennt, ist noch nur eine Einbildung, die die Menschen benutzen, um sich ihr Leben einfacher vorzustellen, als er in Wahrheit ist!“

„Nun, ich wollte das wirklich nicht tun, aber...“

Etwas Hartes traf Double X's Gesicht, wodurch er zu Boden stürzte. Seine Sicht verschwomm mit der Zeit mehr und mehr, und bevor er sein Bewusstsein zu verlieren schien, erleuchtete ein Blitz den Raum, wodurch er das Gesicht erkennen konnte.

„Moment mal. Der kommt mir bekannt vor. aber das kann doch nicht-“

Die grünen Augen seines Gegenüber blickten ihn teils bemitleidend, teils verachtend an, während er ihm zumurmerlte:

„Es tut mir Leid, Nummer zwei, aber du hast mir keine andere Wahl gelassen.“

„Imperator Ganadox?“
 

Seit dem Vorfall mit Eagle sind bereits zwei Tage vergangen. Zwei äußerst ruhige Tage. Da die Weißmäntel jegliche Spur von ihnen verloren haben, gestalteten sie ihre Flucht ein wenig entspannter. Nun da sie so nahe an ihrem Ziel waren, bestand ja auch keine Eile mehr.

Es dürfte schwierig werden, wieder in CX-29 einzudringen. Doch die größere Schwierigkeit liegt darin, die Portale zu finden. Wer weiß, wie sehr die Sicherheitsmaßnahmen seit ihrer Flucht verschärft wurden. Außerdem hatten sie nicht die geringste Ahnung, wie diese Portale aussehen sollten. Sie konnten alles nur auf eine Karte setzen.

Mit jedem dieser komischen Träume wurde Double X immer schweigsamer. Er wechselte kaum Worte mit Lloyd oder Terra, und das auch nur während kleiner Pausen. Zunächst dachte er nur, es wäre eine Erschöpfungserscheinung, aber es fühlte sich zu sehr danach an, als hätten sie eine Verbindung miteinander. Doch wie sehr er es auch drehte und wendete, es verwirrte ihn nur noch mehr.

Die Sonne stand hoch am Himmel, während die vier durch den Wald marschierten, wohlwissend, dass sie in wenigen Minuten die Kuppel entdecken sollten.

„Endlich hat dieser Wahnsinn ein Ende“ seufzte Lloyd.

„Na, ja, nicht ganz“ erwiderte Terra. „Vergiss nicht, wir müssen erst einmal die Portale finden, bevor wir endlich unsere Ruhe haben.“

Entnervt schielte Lloyd zu ihr herüber. „Bitte verdirb mir das jetzt nicht...“

„Entschuldige, Lloyd, aber es wäre jetzt falsch zu glauben, dass wir in Sicherheit sind.“

„Wir kommen mit diesen Kerlen sicher klar.“

„Ja, wenn sie nicht in zu großen Gruppen auftreten.“

Ein Lichtstrahl bahnte sich seinen Weg zu ihnen, als Double X ein wenig Geäst wegschob, um den Wald verlassen zu können. Doch anstatt hinauszutreten, blieb er einfach nur stehen.

„Double X?“ fragte der Braunhaarige. „Schon wieder in Ohnmacht gefallen?“

Der Weißmantel deutete nach draußen. „Sieh doch.“

Alle Anwesenden konnten ihren Augen nicht trauen.

CX-29... wie vom Erdboden verschluckt.

Nur ein riesiger Kreis aus hellem Gestein umrandet von Bäumen.
 

Lloyd konnte es nicht fassen. „Wie ist das überhaupt möglich?“

Terra blieb dagegen auf dem Boden der Tatsachen, während sie mit Double X die Umgebung musterte. „Vielleicht sind wir einfach irgendwo falsch abgebogen...“

„Unwahrscheinlich. Selbst wenn das der Fall wäre, würde hier nicht einmal eine Lichtung sein. Und der Durchmesser dieses Kreises könnte gut unter die Fläche einer Kuppel passen...“

„Dann bleibt uns etwa nicht anderes übrig, als wieder weiterzusuchen?“ Mit einem Bein schon war Lloyd im Wald, doch Double X hielt ihn zurück.

„Wir sollten nicht voreilig handeln. Vielleicht haben sie etwas zurück gelassen.“ Er bewegte sich auf den Kreis zu mit der Beabsichtigung, den Boden abzusuchen.

„Ich glaube eher nicht, dass wir etwas finden“, meinte Terra, weiterhin am Waldrand stehend. Und selbst wenn, wie kann es uns helfen, CX-29 wiederzufinden.“

Der Braunhaarige neben ihr seufzte. „Na klasse, wieder alles von Anfang an.“

Als Double X mit seinem Bein auf den weißen Kreis trat, verschwand es auf einmal im Boden und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Nicht viel hätte gefehlt, und er wäre ganz reingefallen.

Lloyd und Terra sahen das natürlich und zogen ihn sofort weg.

„Alles in Ordnung?“ fragte Terra ihn.

„Scheine nicht verletzt zu sein“, antwortete er ihr, tastete sich aber dennoch nach Wunden ab.

„Wie ist das überhaupt passiert?“

„Keine Ahnung. Es war, als böte der Boden überhaupt keinen Widerstand.“

Lloyd sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Wie meinen?“

„Wie soll ich sagen, es war so, als wäre da nicht einmal ein Boden.“

Er erhob sich und ging wieder auf den Kreis zu, diesmal jedoch drückte er nur seine Hand auf das Gestein. Sobald sie den Bode berührte – oder eher, berühren sollte – verschwand sie ohne Übergang im Boden. Unmittelbar zog er sie wieder heraus.

„Merkwürdig.“

„Merkwürdig fängt nicht einmal an, das hier zu beschreiben.“ Lloyd hatte sich zu ihm gesellt und bückte sich runter. „Irgendeine Ahnung, was das sein soll?“

Der Weißmantel blickte weiterhin stumm auf den Kreis und bemerkte nicht, dass Terra sich inzwischen auch zu ihnen setzte.

Dann fiel es ihm plötzlich ein. „Das ist es.“

Seine Nebensitzer blickten nur mit verwirrten Blicken zu ihm. Schließlich fragte Lloyd ihn: „Was?“

„Euer Weg nach Hause könnte wortwörtlich zu unseren Füßen liegen.“

„Heeey, das würde Sinn ergeben!“ ergänzte Lloyd. „Das würde wirklich einiges erklären...“

„Es gibt nur ein einziges Problem dabei.“ meinte Terra. „Wir wissen nicht genau, wo wir landen werden, wenn wir da reinspringen. Oder überhaupt irgendwo, um es allgemein auszudrücken.“

„Haben wir da eine Wahl, Terra? Nach dem Masaker in der Siedlung werden die schnell auf die Idee kommen, dass wir ausgebrochen sind...“

„Wären Sie nicht ohnehin auf diese Idee gekommen, nachdem ihr durch eure Zelle in Gensokyo gelandet seid?“ harkte Double X nach.

„Schon, aber sie können sich erst nach Eagles Tod sicher sein, dass wir wieder hier sind.“

„Verstehe.“, entgegnete der Weißmantel. „Nun, das heißt wohl, dass wir keine andere Wahl haben.“

Aus der Hocke heraus sprang er, zum Entsetzen der Anwesenden, in den Kreis und verschwand. Starr vor Schreck sahen sich die beiden an.

„Jetzt gibt’s kein Zurück mehr“, stammelte Lloyd und nahm sich den Kleinen von den Schulter, der – oh Wunder – wieder schlief. „Willst du ihn festhalten, wenn du reinspringst, oder soll ich?“

„N-nimm du ihn. Ich bringe es jetzt lieber hinter mich.“ Und so sprang sie auch in den Kreis.

Der Junge in Rot schluckte laut bei dem Anblick. „Entweder das oder jahrelang vor den Weißmänteln wegrennen...“ Mit einem lauten Seufzer umklammerte er den Kleinen und kippte nun ebenfalls in den Kreis.



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Kommentare zu dieser Fanfic (12)
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Von:  Halbtagsheldin
2011-12-31T13:43:55+00:00 31.12.2011 14:43
Die gesammte Kuppel ist verschwunden? Ist sie etwa durch einen riesigen Riss im Raum-Zeit Kontinuum gefallen und hat bei ihrer Landung in einer anderen Welt, ein paar Menschen zerquetscht? Ich bin wirklich gespannt wo sie landen werden, falls sie überhaupt irgendwo rauskommen und nicht für den Rest ihres Lebens durch ein bodenloses schwarzes Loch fallen. Du solltest dir für die nächsten Kapitel, unbedingt einen Beta-Leser zulegen und ich hoffe du schreibst bald weiter.
Von:  Halbtagsheldin
2011-12-31T12:34:00+00:00 31.12.2011 13:34
Der arme Double X scheint unter Blackouts zu leiden, er sollte schnellstmöglich einen Psychater aufsuchen. Ich finde, dass du den Kampf zwischen Eagle und Double X, äußerst unglücklich formuliert hast. Man versteht meistens nicht, wer denn jetzt wen angreift.
Von:  Halbtagsheldin
2011-12-31T12:09:39+00:00 31.12.2011 13:09
Das nenne ich mal ein Missverständniss. Ich finde es etwas verwirrend, dass Double X Gefühle hat, sein Körper aber nicht auf sie reagiert. Wenn er nicht einmal mehr Schmerz empfindet, kann er doch keine richtigen Emotionen mehr haben.

Von:  Halbtagsheldin
2011-12-31T11:49:37+00:00 31.12.2011 12:49
Auch wenn Double X mir leid tut, kann man das jawohl als gerecht empfinden, oder? Bei den Woten ' eine Mechanikerin, die ihm eine Protese fertigen kann' hatte ich sofort Winry Rockbell im Kopf, aber da die restlichen Charakter meines Wissens nach alle aus Videospielen stammen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es wirklich Winry ist. Es wäre gut, wenn du die Passage in der Whit Death erklärt, wie er nach Gensokyo gekommen ist, noch einmal überarbeitest, sie ist etwas schwer zu verstehen,
Von:  Halbtagsheldin
2011-12-31T11:13:25+00:00 31.12.2011 12:13
Also Risse in Zeit und Raum. Gar keine so schlechte Idee, aber trotzdem ist dieses Genre bereits recht plattgetrampelt. Mal wieder nur die Rechtschreibung, die zu bemängeln ist.
Von:  Halbtagsheldin
2011-12-31T11:00:40+00:00 31.12.2011 12:00
Schon wieder so viele Fehler, es heisst sich ähneln und nicht sich 'ähnlichen'.
Von:  Halbtagsheldin
2011-12-31T10:56:37+00:00 31.12.2011 11:56
Ich bin auf deine Erklärung zu dieser Flucht sehr gespannt, ich persöhnlich tippe ja auf spontane Teleportation. Die einzigen Mängel sind mal wieder die Fehler, wie zum Beispiel der Satz: "Es sieht schwerer aus, als es aussieht."
Von:  Halbtagsheldin
2011-12-31T00:29:53+00:00 31.12.2011 01:29
Diese Stimme bringt mich wirklich ins Grübeln. Wird die Gruppe etwa von irgendwelchen Typen in Unsichtbarkeitsmänteln verfolgt? Leidet Double X unter Halluzinationen, oder gibt es in diesem Wald Ameisen welche mit Stimmbändern und Megaphonen ausgestattet sind?
Von:  Halbtagsheldin
2011-12-31T00:00:06+00:00 31.12.2011 01:00
Es ist mir Kappe wie Hut, dass der Kleine so wie Yoshi aussehen soll. Ich werde ihn mir immer wie Rex aus Toy Story vorstellen. In diesem Kapitel ist mal wieder die Rechtschreibung zu bemängeln und die Passage in welcher die Charakter ihre Schlafplätze festlegen ist etwas svhleppend zu lesen, um nicht zu sagen langweilig.
Von:  Halbtagsheldin
2011-12-30T22:05:44+00:00 30.12.2011 23:05
Das scheint ja interessant zu werden, mit all diesen seltsamen Aussenseitern und dem rebellierendem Double X. Den 'Kleinen' stelle ich mir übrigens so wie den Plastikdinosaurier aus Toy Story vor. Das passt vom Aussehen doch ganz gut, oder? Ausser deiner Rechtschreibung habe ich nichts zu bemängeln.


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