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contra legem

von

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VII

Was soll er machen? Heiji denkt lange darüber nach, wie er sich Kazuha gegenüber verhalten soll. Er schlägt sich den Sonntag um die Ohren und als er sie montags in der Schule sieht, kann er sie nur meiden. Ein heimlicher Blick aus dem Augenwinkel und ein kurzes „Morgen“, als sie ihn begrüßt. Das ist alles, was er ihr zukommen lassen kann. Er schämt sich zu sehr. Er hat das Gefühl, das zwischen ihnen liegende Vertrauen schwer verletzt zu haben.
 

Heiji will nicht, dass sie über ihn denkt, was auch immer sie über ihn denken mag. Er ist schroff zu ihr oder sagt nicht großartig etwas. In jedem Fall geht er ihr bestmöglich aus dem Weg, was auch eine Woche lang relativ reibungslos funktioniert. Kazuha tickt nicht aus; auch wenn er es jeden Tag erwartet. Sie müsste explorieren, sie müsste schreien. Sie müsste mit ihm so grässlich zu streiten beginnen, dass Heiji alle Scham vergisst. Aber anscheinend kann sie es aus irgendeinem Grund nicht. Selbst das Referat am Donnerstag läuft ohne große Interaktion ab.
 

Ab der zweiten Woche wird es schwieriger, da Kazuha nun zur Abwechslung ihm die kalte Schulter zeigt und lieber mit ihren Freundinnen die Pause verbringt als noch zu probieren, sich zu Heiji zu gesellen. Er kann es ihr nicht mal verübeln; er ist ein launisches Bündel Junge, das jeden anharscht und eigentlich im Moment am liebsten mit niemandem redet. Wäre es Kazuha, die sich so verhalten würde, würde er ihr einfach sagen, dass er erst wieder mit ihr spricht, wenn ihre unausstehliche PMS vorbei ist.

Blöderweise ist es bei ihm keine PMS und Heiji kann auch nicht darauf warten, dass es in ein paar Tagen vorüber sein wird. Er denkt nur immer wieder aufs Neue, dass er ein Verlierer ist und dass es jetzt wirklich egal ist, ob er wieder erbricht oder nicht. Dass Kazuha ihn womöglich anschwärzt, befürchtet er nicht mehr. Wenn sie das gewollt hätte, hätte sie es längst getan. Sie hat ihn, so gesehen, in der Hand, aber sie will ihn gar nicht fertig machen. Sie ist seine Freundin, nicht seine Feindin...
 

Destruktiv ist das Wort, welches Heiji am besten beschreibt in diesen Tagen. Er ist destruktiv, wenn er im Unterricht Aufmerksamkeit vorheuchelt und daheim patzige Antwortet gibt. „Frech, vorlaut, unverschämt“ nennen das seine Eltern und predigen ihm die Bedeutung von Respekt. Seine Mutter bringt ihm keinen Tee mehr und er knickt lieber die Seiten seiner Schulhefte ein oder bricht die Spitzen seiner Bleistifte ab, als Aufgaben zu bearbeiten.
 

Abends vorm Schlafengehen hockt Heiji immer antriebslos auf seinem Bett und checkt sein Handy – keine SMS von Kazuha. Seine Finger suchen Beschäftigung und quälen die Fernbedienung. Im Sportunterricht hat er beim Fußball den klapprigen Daisuke so hart getacklet, dass dieser steif und fest behauptet, Heiji habe ihm eine Rippe angebrochen. Heiji ist das schnurzpiepegal. Nicht weil er etwas gegen Daisuke persönlich hat, sondern weil er diese überschüssige Energie in sich irgendwie kanalisieren muss. Er ist wütend - auf sich! -, lässt es aber an seiner Umwelt aus. Das ist die traurige Wahrheit.
 

Ihm wäre es tausend Mal lieber gewesen, seine Eltern hätten ihn durchschaut und das Haus wäre vor Streit explodiert, als dass Kazuah es erfährt. Aber seine Eltern merken nicht mal, dass er in den letzten zehn Tagen schon zwei Mal gekotzt hat...
 

Ein Fall, in den er sich zur Ablenkung verbeißen könnte, fehlt und sein Wohlbefinden ist auf einem unbeschreiblichen Tiefpunkt. Die Welt ist zurzeit einfach kein Ort, an dem Heiji sich heimisch fühlt. Vielleicht ist das ja so, wenn man 16 ist und mit einer guten Freundin streitet. Vielleicht ist das auch nur so, weil er so ist wie er eben ist. Kazuha hätte das mit dem Erbrechen nie erfahren dürfen. Dann wäre alles noch wie früher.
 

Seine Finger tauschen wiederholt die Fernbedienung gegen das Handy ein und kreieren wohlbedachte Worte. Es ist der dritte Abend in Folge, an dem Heiji eine SMS zu verfassen versucht, mit der er sich wenigstens annähernd entschuldigen kann. Er vermisst seine Kazuha. Fakt. Und er weiß, dass er seine Freundin weggeschubst hat, weil er zu stolz ist. Nur leider fehlen ihm einfach die richtigen Worte, um ihr das zu sagen. Deshalb löscht er auch heute wieder den Text, anstatt ihn zu versenden.
 

Normalerweise treffen sie sich morgens im Klassenraum und verabschieden sich am Nachmittag erst wieder voneinander. Sie tuscheln im Unterricht und sie verbringen meistens die Pausen zusammen. Heiji ist nie bewusst gewesen, wie viel Zeit er eigentlich mit Kazuha am Tag verbringt, trotz unterschiedlicher Sportkurse und Nachmittagsprogramme. Auch wenn Heiji es ungern zugibt, hat er das Gefühl, alles sei farblos. Nicht weil er keine anderen Freunde hat – allen voran mit seinen Kendo-Teamkollegen versteht er sich wirklich prächtig -, doch das ist irgendwie etwas ganz Anderes als mit Kazuha. Vermutlich da sie ein Mädchen ist. So simpel kann die Welt sein.
 

„Tut mir Leid, dass ich so unausstehlich zu dir war“, hält sich Heiji schließlich auch an einfache Worte, als er wieder zum Handy greift. Sie haben sich jetzt fast 14 Tage gänzlich ignoriert in der Schule und Heiji hätte heute beinahe einem Klassenkameraden einen ordentlichen Kinnhaken verpasst, als dieser ihn spaßeshalber gefragt hat, ob er mit seiner Freundin Schluss gemacht habe oder sie mit ihm.
 

Keiner hat mit irgendwem Schluss gemacht. Außer Heiji mit dem Erbrechen; er hat es sich auf seiner gedanklichen Liste an die oberste Stelle geschrieben:
 

Bei Kazuha entschuldigen / nicht mehr kotzen
 

Und das ist machbar. Die letzten Tage war er nur wütend, traurig und frustriert, aber wenn er Kazuha zurück hat, wird es besser werden. Dann wird er aufhören können.
 

Die SMS hat er flugs getippt und verschickt; nun sitzt Heiji wie auf heißen Kohlen und starrt auf sein schweigendes Telefon hinab. Seine Zehen zappeln nervös und er wünscht sich nichts sehnlicher als ein elektronisches Piepsen, was ihm verrät, dass er eine neue Kurzmitteilung hat.
 

Kazuha lässt ihn rund 10 Minuten auf diese Kurzmitteilung warten. Heiji weiß nicht, ob absichtlich oder nicht.
 

Ok. Du machst es aber wirklich nicht mehr, oder?
 

Nein. Versprochen.
 

Er wird endgültig aufhören, das dürfte kein Problem sein. Zumindest wüsste Heiji nicht, warum es eines sein sollte. Er hat sich ja auch bewusst dafür entschieden, sich zu übergeben; also kann er sich auch bewusst dagegen entscheiden. Er wird einfach wieder auf andere Methoden zurückgreifen, wenn er das nächste Mal das Bedürfnis wittert. Irgendwie wird das klappen.

Es muss klappen.
 

Gut. Ich will dich Idioten nämlich nicht irgendwann im Krankenhaus besuchen müssen!
 

Sie hat sich Sorgen gemacht...

Heiji rutscht ein schiefes Grinsen über den rechten Mundwinkel, als er ihre Nachricht liest. Eigentlich ist die ganze Sache nicht komisch und Kazuha hält ihn tatsächlich für einen Idioten (ihr eigener Wortlaut). Zumindest aber für einen Idioten, den sie noch gewillt ist zu besuchen.
 

Das Handy in Heijis Fingern vibriert erneut und informiert ihn darüber, dass Kazuha ihn morgen Nachmittag treffen möchte. Sie fragt nicht, ob er überhaupt Zeit hat. Sie schreibt ihm nur, wo und wann.

In ihr ist mehr als Sorge. Sie hat gut 2 Wochen Zeit gehabt, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ihr Freund aus Kindestagen sich absichtlich nach dem Essen übergeben hat. Dazu muss sie eine Meinung haben. Heiji ahnt, dass Kazuha über den Schrecken, der sie neulich noch sprachlos gemacht hat, mittlerweile hinweg ist. In ihr brodelt und kocht es nur mehr. Die Explosion, auf die Heiji sich seelisch schon seit Langem vorbereitet, liegt wohl in nicht mehr all zu weiter Ferne...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  nuandia
2012-01-05T17:24:43+00:00 05.01.2012 18:24
Hey^^
Ich frag mich wirklich, warum es hier noch keine Kommentare gibt
Ich finde deine FF einfach toll
Ich mag es, wie du Dinge beschreibst und deinen Schreibstil generell.
Du schreibst nicht langweilig, hast einfach etwas ...
Hmn, schwer zu beschreiben, aber nimm es einfach als ein Kompliment hin.
Aber das hat nicht jeder und ich finde das macht die FF noch interessanter.
Ich hoffe, dass du bald weiter schreibst.
Von mir gibts ne 1*
LG -Rouge-


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