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Manchmal ist es einfach Schicksal

von

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Kapitel 01 - Rettung

Hallo ihr Lieben! ^^

Erstmal zu der Story hier ein paar Wörtchen.

Die Idee zu der Geschichte hatte ich, als ich eine Andere geschrieben habe, die auch bald ihren Weg ins www finden wird. Und zwar die von Phil und Flo, die hier auch ein wichtiger Bestandteil sind.

Zugegeben habe ich mich mit dieser hier etwas schwer getan und ich hoffe ihr kommt ohne große Schwierigkeiten durch die ganzen turbulenten Geschehnisse. Das Thema hat mich einfach nicht losgelassen und nach gefühlten Jahren habe ich sie nun endlich fertig!
 

P.S.: Auch David und Jack haben hier einige Gastauftritte.
 

***
 

Edit November 2016: Hey! ^^

Nur eine kurze Info. Ich war mal so frei, und hab die Story hier nochmal etwas überarbeitet. Eigentlich wollte ich nur etwas in Nostalgie schwelgen und mir die Anfänge von Leon und Aaron nochmal ins Gedächtnis rufen, aber die ganzen Fehler, die ich entdeckt habe, haben mich dann doch total gestört. Deshalb dachte ich mir, verbessere doch gleich alles und schon fing ich an, noch ein paar ergänzende Sätze dazuzutippeln.
 

~*~
 

Leider notwendig zu erwähnen: Alle Rechte meiner Texte liegen allein bei mir. Meine Texte, mein Eigentum. Unerlaubte Veröffentlichungen, auch nur auszugsweise, auf anderen Plattformen oder Onlineshops sind verboten, und das mache ich Text-Dieben auch rechtlich begreiflich, falls es sein muss.

Also? Klauen is nicht. Und wie ich kürzlich erfahren habe, haben meine lieben Leser ihre Augen überall und berichten mir jeden dreisten Text-Diebstahl.

Auch ich werde in Zukunft besser aufpassen und genauer hinsehen, was einem auf digitalem Wege angeboten wird.
 

In diesem Sinne wünsche ich euch trotzdem viel Spaß beim Lesen.

Eure Fara
 


 

Manchmal ist es einfach Schicksal
 


 

Hallo, ich bin Leon.

Ich will mich euch kurz vorstellen. Seid nachsichtig mit mir. Ich bin nicht gut in solchen Dingen. Eigentlich bin ich dazu auch viel zu schüchtern, oder besser gesagt: Ich war es. Na ja, bin es immer noch, so leicht. Aber nicht mehr so sehr wie früher, zu Anfang, bevor ich Ihn kennengelernt habe.

Dank diesem ganz besonderen Menschen und guten Freunden, die plötzlich wie aus dem Nichts auftauchten, bin ich ein völlig Anderer geworden.

Wollt ihr meine Geschichte hören? Dann blättert doch einfach weiter und lest, was mir alles widerfahren ist und lernt mich etwas besser kennen.
 

Kapitel 01 - Rettung
 

~Leon~

"So ein Penner!" Mark, der genau neben mir sitzt, schielt zu unserem Freund Phil rüber. Dieser spielt gerade Billard mit einem wirklich süßen, blonden Kerl und ... Was denke ich da nur wieder? Ach, es ist zum verrückt werden!

Wie sehr bewundere ich Phil für seinen Mut! Ich will auch so sein! Ich will auch so locker bleiben können und mit meinem Freund aus gehen!

Dazu müsste ich aber erst einmal einen Freund haben. Habe ich aber nicht. Genau so wenig habe ich den Mut, jemanden zu gestehen, dass ich auf Männer stehe. Oder wenigstens jetzt aufzustehen und zu den beiden rüber zu gehen. Wie gerne würde ich jetzt bei ihnen sein, Phil zeigen, dass ich es ganz und gar nicht schlimm finde, dass er mit diesem süßen Kerl Billard spielt.

Aber nein! Stattdessen höre ich, feige wie ich bin, Marks Hasstiraden gegen Schwuchteln zu.

"Hätte ich gewusst, dass er auf Schwänze steht, hätte ich mich gar nicht mit ihm abgegeben! Widerlich!" Die anderen lachen. Ich auch und ich fühle mich mehr als schlecht dabei.

Mich selbst bemitleidend, schütte ich mein restliches Bier hinunter. Dabei würde ich auch viel lieber so einen leckeren Cocktail trinken, wie Phils Freund das tut. Der sieht wirklich gut aus. Aber dann würden mich meine Freunde nur aufziehen und mich als Schwuchtel bezeichnen, womit sie ja auch recht hätten.

Ob sie zusammen sind? Ob sie... Mir wird heiß. Ich darf nicht an so was denken! Erst recht nicht, wenn ich mit den anderen zusammen bin!

"Wir sollten ihnen ihre schwulen Ärsche versohlen!", gackert Mark pötzlich. Tut er ja eh nicht. Mark ist ein Feigling und Phils Freund sieht so aus, als wäre mit ihm nicht gut Kirschen essen, wenn man sich mit ihm anlegt. Er hat starke Oberarme und durch das Top sieht man seine gut gebaute Brust. Zudem hat er auch noch breite Schultern und einen sexy Hintern. Sehr sexy und so verdammt knackig ...

Herr Gott nochmal! Schau da nicht so offensichtlich hin, Leon!
 

Sie spielen noch eine Zeit lang zusammen am Billardtisch und immer wieder beobachte ich sie. Der Blonde lacht viel und frisst Phil förmlich mit seinen Blicken auf. Und Phil? Er errötet regelmäßig und sucht offensichtlich immer wieder die Nähe des anderen. Wie war sein Name noch gleich? Flo? Ja, ich glaube.

Phil sammelt die Kugeln zusammen und kommt zu uns an die Theke, während Flo den Rest zusammenpackt. Anscheinend wollen sie sich die dummen Sprüche meiner drei Freunde nicht mehr anhören. Ich kann es verstehen!

Phil sieht uns gar nicht an, gibt nur die Kugeln ab und zückt seinen Geldbeutel.

Flo kommt hinterher. "Hey! Meins bezahle ich aber selbst!", sagt er und stellt sich neben Phil.

"Gib's mir nachher", antwortet Phil und starrt Flo an. Genau auf seine Hose, wo Flo gerade sein Geld heraus zieht.

"Endlich fertig 'gespielt'?", fragt Mark und macht sich über die beiden lustig.

"Ja. Ihr könnt jetzt an den Tisch", erwidert Phil, versucht sich nichts anmerken zu lassen und neutral zu klingen. Wie kann er da so ruhig bleiben?

"Lieber nicht. Die Bälle sind bestimmt noch ganz heiß!" Mark lacht, Emil und Paul stimmen mit ein. Nur ich nicht. Verdammt! Phil ist doch ein Freund von uns!

Jetzt wird Phil doch sauer, zu recht, und baut sich vor Mark auf, will was sagen, aber Flo schreitet ein. Er lehnt sich hinüber zu Mark und lächelt. "Natürlich sind die noch heiß! Ich kann guuut mit Bällen umgehen. Soll ich dir's beweisen, mein Süßer?" Er leckt sich über die Oberlippe und zwinkert Mark zu.

Es ist lustig zu beobachten, wie dieser erst ganz bleich im Gesicht wird und dann knall rot anläuft.

Er stottert fast, als er Flo antwortet. "Nee... Lass mal lieber!" Mark wird unruhig und ich muss ein Grinsen unterdrücken.

"Gut. Dann gehen wir alleine feiern! Kommst du Phil?" Flo dreht sich um und geht zum Ausgang, Phil hinterher und ruft uns noch ein "Tschau Leute! Man sieht sich!" zu. Und wieder bewundere ich Phil für seinen Mut.
 

Als die beiden draußen sind, sagt erst keiner was und jeder nippt unschlüssig an seinem Bier, bis Paul als erster wieder seine Worte findet. "Wir sollten auch verschwinden. Heute ist es echt lahm hier!" Paul steht auf und bezahlt. Er zahlt immer. Sein Vater hat die dicke Kohle.

"Ja Paul! Gehen wir. Ist echt 'schwül' geworden hier." Mark knallt den Barhocker an die Bar und schnappt sich seine Jacke.

Klaus, der Barkeeper, schüttelt den Kopf. Unsere Blicke kreuzen sich und ich zucke nur mit den Schultern. Was kann ich dafür? Die einzige Schuld die mich trifft, ist, dass ich mit denen noch rumhänge.

"Leon? Kommst du?"

"Ja!" Leider.
 

Ich bin der typische Mitläufer. Nur nicht auffallen! Jemand könnte ja etwas merken.

Wieder beneide ich Phil. Wie kann ihm es nur so egal sein, was andere von ihm denken? Wie kann er die Beschimpfungen von unseren 'Freunden' so scheinbar gelassen aufnehmen? Und seit wann ist er so? Er hat nie erwähnt, dass er auf Männer stehen könnte. Aber ich erzähle es ja auch keinem. Warum kann er es und ich nicht?

'Weil er jemanden hat, für den sich das alles lohnt!', belehrt mich mein Gewissen.

Ich will auch so jemanden!
 

Ohne Antrieb und in meinen Gedanken versunken, dackle ich den anderen nach. Vielleicht sollte ich heute doch schon früher nach Hause. Aber dort ist es noch schlimmer. Dann lieber das hier!

Mein Vater trinkt und wenn er genug getankt hat, wird er unausstehlich. Manchmal schlägt er uns auch. Mich und meine Mutter. Wie oft habe ich sie schon angefleht, ihn zu verlassen?! Aber sie will nicht. Oder kann nicht. Wie auch immer, für mich ist es unbegreiflich, wie sie immer noch bei ihm bleiben kann.

Keiner von meinen 'Freunden' weiß etwas davon. Von Außen sehen wir wie eine glückliche Familie aus. Uns gehört eine Bäckerei, in der wir alle arbeiten.

Schön nicht? So ein Familienbetrieb.
 

"Wo wollen wir hin?", fragt Emil in die Runde und steckt seine Hände in die Jackentasche.

"Mischen wir ein paar Schwuchteln auf!" Mark. Alle lachen. Ich auch. Aber wegen etwas anderem. Ja, warum eigentlich nicht?

"Ja! Verpassen wir diesen Idioten eine Lektion!" Alle drehen sich zu mir um. Das seid ihr nicht von mir gewohnt, was? Ihr Idioten!

"Meinst du?", fragt Paul und grinst dumm.

"Warum nicht?", grinse ich zurück. Das trauen sie sich nicht! Nie im Leben!

"Ja. Lasst uns mal auf den Putz hauen! Oder auf eine Tucke!", scheucht Emil nun die anderen ebenfalls auf. Er ist der einzig richtige Schläger in unserer Truppe. Meist sucht er sich extra Ärger. Ihn zu provozieren kann gefährlich sein.

"Ja! Lasst uns gehen!", ruft Mark und übt ein paar lächerliche Lufttritte.

Mit so einer Euphorie habe ich jetzt allerdings nicht gerechnet!
 

Wir steigen in Pauls Wagen, einen protzigen 3er BMW, und fahren Richtung Stadtmitte.

Jeder weiß, wo hier die Schwulenszene ein und aus geht. Ich war dort noch nie, bin höchstens mal tagsüber mit dem Bus vorbeigefahren. Aber mich abends dorthin zu wagen, vielleicht sogar noch in einen der Clubs oder Bars zu gehen, das kann ich einfach nicht.

Zu viel Angst habe ich davor, erkannt zu werden. Wenn mich da jemand sieht und mein Vater das heraus bekommt! Erst gar nicht drüber nachdenken!

Quietschend kommt der Wagen zum Stehen. Grölend steigen die Drei aus, ich hinterher.

"Sollen wir echt DORT hin?" Paul scheint die Hosen voll zu haben.

"Klar. Was sollen sie schon machen? Uns mit ihren Schminktäschchen bewerfen?", witzelt Mark. Lautes Gelächter.

Lacht ihr nur! Gleich zieht ihr den Schwanz ein. Da seid ihr die Minderheit. Und ich? Was bin ich? 'Ein Feigling!' Danke Gewissen!
 

Je näher wir der großen Seitenstraße kommen, desto lauter wird die Musik. Bunte Lichter flimmern in der Luft und mein Magen fängt an durchzudrehen. Ich habe Angst! Die anderen sind auch stiller geworden, was mich wieder aufheitert und meine Schritte fester werden lässt. Langsam mischt sich allerdings auch ein anderes Gefühl unter meine Unsicherheit. Freudige Erwartung. Ich bin neugierig und fühle mich plötzlich komischerweise sicher, zwischen meinen 'Freunden'. Heute darf ich hier sein. Ich habe eine Entschuldigung. Wenn auch eine sehr bescheuerte und beschämende. Aber immerhin setze ich gerade zum ersten Mal meine Füße ins Viertel.
 

Immer näher kommen wir dem bunten Treiben und neugierig schaue ich die vielen Leute dort an. Einige kommen aus Bars, Diskotheken oder betreten sie. Wieder andere unterhalten sich, tummeln sich verstohlen in dunklen Ecken. Nicht anders als bei uns, wenn wir aus gehen. Nur das hier größtenteils Männer sind. Größtenteils.

Mark starrt ein sich küssendes Lesbenpaar an. "Boha! Das ist doch mal geil!", ruft er und schaut weiter ungeniert den beiden Frauen zu.

Bei Frauen ist es okay? So läuft das? Arschlöcher! Alle drei! Und trotzdem gehe ich weiter hinter ihnen her.
 

Als wir endgültig in die Straße eintauchen, komme ich mir vor, wie in einer anderen Welt. Einer Welt, zu der ich gerne gehören würde. Träume weiter Leon!

"Schaut euch den an!" Paul zeigt auf eine schrill geschminkte Drag Queen. Sie trägt ein goldenes Paliettenkleit, was sie wie einen glitzernden Weihnachtsbaum aussehen lässt. So viel Mut lässt mich fast ins Taumeln geraten. Niemals könnte ich das! Nicht, dass ich in Frauenkleidern herumrennen wollen würde. Könnte ich auch niemals. Dazu hätte ich viel zu viel Schiss.

"Wie eklig!" Mark zieht eine angewiderte Grimasse, als sie mit ihren hohen Absätzen elegant an uns vorbei schwebt. Sie würdigt uns keines Blickes.

"Und? Wen wollt ihr aufmischen?", frage ich und sehe mit viel Genugtuung in zwei ängstliche Gesichter. Bis auf Emil. Er schaut sich suchend um.

"Wie wäre es mit denen da?" Emil zeigt auf ein schwules Pärchen, das gerade an einer Wand lehnt und sich küsst. "Von dem Geknutschte wird einem ja ganz schlecht!"

"Gut", sagt Mark und sieht auf einmal sehr entschlossen aus.

Langsam kommt mir das hier echt falsch vor. Ich habe wirklich gedacht, die machen einen Rückzieher und flüchten. Doch jetzt laufen sie auf die zwei wirklich verliebt aussehenden Männer zu und stacheln sich gegenseitig weiter an.

Ich schaue mich um. Ein paar große Kerle in Leder stehen nicht weit weg von uns. Ich werde langsamer, damit ich ganz hinten laufe und versuche ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Weniger ich bin es, der ihre Aufmerksamkeit an Ende anzieht, sondern meine drei Amigos, die mit lauten, blöden Sprüchen das knutschende Pärchen anfahren. Die Leder-Kerle schauen grimmig zu. Ich winke und mache ein hilfloses Gesicht. Und tatsächlich: als Emil einen der Zweien gegen die Schulter schlägt, setzten sich die Kerle in Bewegung.
 

"Was soll'n das werden, wenn's fertig ist?", fragt einer der fünf Ledertypen meine 'Freunde' und baut sich zwischen dem Pärchen und ihnen auf. "Macht das ihr weg kommt", sagt er zu dem Pärchen hinter ihm, die sich auch sofort aus dem Staub machen.

Doch so schnell gibt Emil nicht auf. "Was willst'n du Lederschwuppe? Kümmere dich um deinen eigenen Arsch!"

Nun kommen auch die anderen näher, eilen ihrem Freund zu Hilfe. Obwohl er es augenscheinlich auch alleine mit den dreien aufnehmen kann.

Einige der Umstehenden kommen auch näher und stellen sich um uns herum. Zum Glück sieht keiner meiner 'Freunde' mein Gesicht. Ich grinse wie doof. Gegen all diese Menschen haben sie null Chance.

"Schaut mal Leute! Anscheinend sind heute Abend einige Schwulenklatscher bei uns. Sollen wir nicht ein bisschen nett sein und ihnen den Weg zurück in die Hetenwelt zeigen?" Allgemeine, laute Zustimmung.

"Ich würde sagen, jeder schnappt sich einen dieser Wichser und hat ein bisschen Spaß mit ihm!", ruft jemand hinter mir und lacht dreckig.

Und schon geht es los!
 

Ehe Emil auch nur Zucken kann, wird er von dem bulligen Leder-Typen vor ihm geschnappt und gegen die Wand gedrückt. Er hat keine Chance! Mark und Paul werden auch eingefangen, noch bevor sie mit panischem Gesichtsausdruck flüchten können. Ich schaue erst nur zu, grinse und dann, auf einmal, greift auch jemand nach mir. Erschrocken drehe ich mich um. "Bitte! Ich...", stammle ich, weiß aber nicht weiter und beschließe mich einfach zu fügen. 'Ich hab's verdient.', schießt es mir durch den Kopf und ich schließe meine Augen.

"Der Süße gehört zu mir!" Arme legen sich plötzlich um mich. Ich öffne meine Augen wieder, schaue nach vorn und sehe eine schwarze Lederjacke direkt vor mir. Ein Blick nach oben und ich sehe den Sprecher, der, zu dem ich angeblich gehöre.

"Ach so. Ich dachte, er ist so 'ne Proll-Hete wie die da."

Der Typ entschuldigt sich und geht weg, schaut den anderen zu, die meinen 'Freunden' ein paar Anmachsprüche reindrücken und sie dann auf die Hauptstraße, weg von hier, jagen.

Und ich stehe immer noch hier, in den Armen eines Unbekannten, und kann mich nicht rühren.

"Komm mit", höre ich ihn zu mir sagen, nimmt dann meine Hand, ob ich will oder nicht, und zieht mich mit sich.
 

***
 

~Leon~

Er schleift mich in eine der unzähligen Bars. Ein großes M blinkt über der Eingangstür. Sehr subtil!

Leise Schlagermusik schallt durch die kleine Bar, die man jedoch kaum hört, da die Unterhaltungen der Gäste das meiste davon, zum Glück, übertönen.

"Komm! Wir setzen uns dort hinten hin." Mein Retter geht vor und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Ich muss mich bei ihm auch noch bedanken. Schließlich hat er mir Schläge erspart. Oder will er mich für sich allein? Das kam mir ja noch gar nicht in den Sinn. Es überläuft mich heiß und ich bekomme eine leichte Panik. Soll ich abhauen?

Zu spät! Schon bekomme ich einen Stuhl hingeschoben. Mit einem immer noch mulmigen Gefühl setze ich mich vorsichtig hin. Jetzt erst kann ich meinen Retter genauer anschauen. Jedenfalls sieht er nicht so aus, als wolle er mir gleich an die Gurgel springen.
 

Das er größer ist als ich, habe ich schon mitbekommen. Aber jetzt erst kann ich sehen, dass er wirklich gut aussieht. Schwarze, kurze Haare, einige Strähnen zieren seine Stirn, markantes Kinn mit Dreitagebart, leuchtend grüne Augen, die mich gerade genauso Mustern wie ich ihn.

"Und? Gefalle ich dir?", fragt er und grinst süß. Ich merke wie meine Wangen heiß werden. Scheiße! Ich muss hier weg! Ich will aufstehen, komme aber nicht dazu.

Er hält mich wieder fest, an der Schulter diesmal, und schaut mich an. "Lauf nicht weg! Sei nicht so dumm und renne wieder zu diesen Arschlöchern zurück! Bleib lieber bei mir."

Meine Knie werden weich und ich setze mich wieder. Ich habe wirklich keine Lust zurück zu gehen. Mit großer Wahrscheinlichkeit, sind sie sowieso gefahren. Ohne mich.

"Wie heißt du?", werde ich gefragt.

"Leon", flüstere ich und starre den Tisch vor mir an. Er ist bekritzelt, fast wie früher in der Schule. Versautes, romantisches, Telefonnummern und einfach verliebte Kritzeleien. So viele verschiedene Schriften! Und das ist nur ein Tisch! Auf den anderen Tischen steht bestimmt auch eine Menge Zeug. Eine Menge Menschen. Alle schwul. So viele ...
 

"Ich bin Aaron", holt mich mein Retter aus meinen Gedanken zurück. Er lächelt mich an und sagt nichts weiter. Er wartet offensichtlich, bis ich wieder rede.

Da war ja noch was, fällt mir ein. "Danke wegen eben. Warum auch immer du das getan hast", bedanke ich mich endlich bei ihm.

"Keine Ursache. Willst du wissen, wieso?"

"Ja." Ich bin wirklich neugierig.

"Vorher erzählst du mir aber, warum du mit mit solchen Spackos hier auftauchst." Erwischt! Aber warum sollte ich es ihm nicht erzählen? Außerdem möchte ich nicht, dass er denkt, ich sei auch einer dieser 'Spackos'.

"Ich wollte ihnen eine Lektion erteilen", erkläre ich deshalb schlicht.

"Das hast du ja geschafft", lacht er. "Das war echt mutig. Hättest ja fast selbst eine bekommen." Ich nicke schwach. "Und warum wolltest du ihnen eine Lektion erteilen? Haben sie dich geärgert weil du schwul bist?"

"Was?!" Erschrocken schaue ich ihn an. Mir wird heiß und schlagartig schlecht. Wie kommt er darauf, dass ich schwul bin? Vor meinem Gesicht dreht sich die Bar und ich klammere mich am Tisch fest.
 

"Wie kommst du darauf?", frage ich nochmal mit dünner Stimme.

"Du bist doch schwul. Sag nicht nein! Ich spüre sowas." Lässig lehnt er sich zurück und beobachtet mich. "Das weiß keiner, was?"

"Nein." Das war's! Damit habe ich mich soeben vor jemanden geoutet. So gut wie. Oh Gott! "Mir ist schlecht...", murmle ich, schließe kurz meine Augen und fasse mir an den Bauch. Der Raum dreht sich immer noch.

"Was?" Nun schaut Aaron doof aus der Wäsche.

"Toilette!?" Ich stehe auf und schwanke.

"Warte! Hier her!" Er steht auf, legt mir seinen Arm um die Taille und schleift mich nach rechts, stößt eine Tür auf und wir stolpern in die Waschräume. Ich warte nicht lange und renne in die nächste Kabine. Geräuschvoll landet mein kürzlich getrunkenes Bier im Klo.
 

"Geht's wieder? Oder kommt da noch mehr?" Aaron steht hinter mir. Lässig gegen die Seitenwand der Kabine gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt.

"Sehr witzig", krächze ich. Mir ist immer noch schlecht, aber ich glaube, der Rest bleibt drinnen.

Mit Toilettenpapier wische ich mir den Mund ab. Kann es noch schlimmer werden?

Ich stehe auf und muss mich an der Kabinenwand festhalten. Immer noch dreht sich alles. "Brauchst du Hilfe?"

"Nein! Lass mich!" Warum ist der so nett zu mir? "Was willst eigentlich von mir?", frage ich und stelle mich direkt vor ihn. Nur nicht umkippen!

"Keine Ahnung. Dich kennenlernen, denke ich."

"Wieso?"

Er lächelt wieder, schaut sich um. "Bereden wir das lieber wo anders." Er dreht sich um und verlässt die Toilette. Wieder folge ich ihm. Warum renne ich ihm ständig nach?
 

In der Bar gehe ich zu unserem Platz, aber er ist leer. Ist er verschwunden? Hat er mich nur verarscht? Der hat mich hier alleine gelassen! In einer Schwulenbar!

"Hast du mich vermisst?" Ich zucke zusammen und drehe ich mich um. Da ist er wieder! Zwei Bier in der Hand. Nicht schon wieder Bier! Dennoch nehme ich mir eins, als er es mir anbietet.

Wir setzen uns wieder und er stellt mir eine Schale Salzbrezeln hin. "Das hilft bei Magenbeschwerden." Frech grinst er mich an und schiebt sich selbst eine in den Mund.

"Du ist echt ein Witzbold, oder?", frage ich.

"Natürlich! Erzählst du mir jetzt was passiert ist? Und warum du hier fast die Bude voll kotzt?"

Der gibt wohl nie Ruhe! Also erzähle ich ihm alles. Einfach so! Und ich fühle mich gut dabei! Endlich alles einfach von der Seele zu reden. Ich kann gar nicht mehr aufhören. Erzähle ihm von Phil und seinem Freund, meinem Vater, meiner Angst und den Grund unseres Besuches hier.

"Dann haben sie es echt verdient", meint er, als ich fertig bin. "Aber warum hängst du mit diesen Idioten dann noch ab?"

Hat er mir nicht zugehört? "Mein Vater bringt mich um, wenn er was erfährt."

Aaron lacht bitter. "Meinst du, dass geht den Meisten hier anders? Mit meinen Alten ist es genauso. Die einzige, die es weiß, ist meine Cousine. Sie ist lesbisch." Er lacht und jetzt muss auch ich lachen.
 

"Ich weiß einfach nicht was ich machen soll", flüstere ich schließlich traurig.

"Frag doch mal diesen Phil. Ihr seid doch befreundet."

"Ich hab keine Ahnung, ob er auch, na ja, du weißt schon!"

"Ob er auch auf Schwänze steht!"

"Ja." Ich werde schon wieder rot.

Aaron lacht und stupst mir an die Stirn. "Leon?"

"Ja?"

"Schwänze! Schwänze! Schwänze! Schwänze!" So ein Arsch!

"Hör auf! Die gucken schon alle!" Wir lachen noch mehr und das fühlt sich richtig befreiend an. Wann habe ich das letzte Mal so gelacht? Ich habe keine Ahnung!

"Lass dir nicht zu sehr anmerken, dass du noch jungfräulich bist. Sonst endest du hier als Freiwild", flüstert er mir zu und guckt sich verschwörerisch um.

"Bestimmt nicht! Ich muss jetzt eh los. Es ist spät und ich muss früh raus."

"Oh. Okay." Klingt er enttäuscht? "Soll ich dich ein Stück mitnehmen?" Einladend wedelt er mit seinen Autoschlüsseln vor meiner Nase herum. Wieso eigentlich nicht? Sonst hätte ich mir ein Taxi nehmen müssen und alleine will ich hier nicht unbedingt rumlaufen. Meine Mitfahrgelegenheit ist sicher auch nicht mehr hier.

"Wenn es dir nichts ausmacht?"

"Sonst hätte ich nicht gefragt", grinst er mich an.
 

Wir verlassen die Bar und steuern auf eine kleine Seitenstraße zu. Aaron drückt auf seinen Schlüssel und ein dunkler Wagen blinkt auf.

"Alles einsteigen!" Grinsend öffnet er mir die Beifahrertür. Ich frage mich, was das soll. Ist er einfach nur nett, oder hat er doch Hintergedanken?

"Wo wohnst du?", fragt er, als er neben mir Platz genommen hat. Ich nenne ihm meine Adresse und er startet den Wagen, fährt aber nicht los.

Fragend schaue ich ihn an. Er schaut zurück. Was hat er vor?

"Dann hast du auch noch nie einen Kerl geküsst, oder?"

"Was?! Nein!", entkommt es mir panisch. Wieso fragt er mich das?

"Willst du es mal testen?" Aaron dreht sich zu mir und sieht mich neugierig an.

"Ich ... keine Ahnung!" Soll ich?

"Ich beiße auch nicht. Versprochen!"

Jetzt muss ich lachen. Dieser Aaron hat was an sich … Er scheint wirklich in Ordnung zu sein. Also aa, warum eigentlich nicht? "Okay. Als Belohnung für deine Rettungsaktion."

"Dann rette ich dich öfter!" So ein Idiot! Aber damit bringt er mich schon wieder zum lachen.

Doch als Aaron sich zu mir vorbeugt und eine Hand in meinen Nacken legt, verstummt mein Lachen. Ich werde schlagartig furchtbar nervös, und mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Aarons Hand in meinem Nacken ist warm und krault mich angenehm und einlullend, was mich jedoch kaum beruhigen kann. Im Gegenteil.

"Bereit?", fragt er. Ich nicke schwach. Eigentlich bin ich nicht bereit, aber ist man das je bei seinem ersten Kuss?

Mein Herz rast noch einige Takte schneller und schlägt so laut, dass es sogar die lauten Töne der Diskothek in der Nähe übertönt. Ich bin furchtbar nervös! Und dann sind da plötzlich seine Lippen. Leicht legen sie sich auf meine und bewegen sich gegen meinen Mund. Ich halte still, erstarre fast und dann sind sie auch wieder weg.

"Das geht aber noch besser, oder?", flüstert Aaron und beginnt mich erneut zu küssen. Seine Lippen teilen sich und seine Zunge streichelt über meine Lippen. Ein Seufzer löst sich ungewollt aus meiner Kehle und eine prickelnde Gänsehaut rinnt über mich hinweg. Den Moment nutzt er sofort aus und schon schlüpft seine Zunge in meinem Mund. Ich bin so erschrocken darüber, dass ich weiterhin stillhalte.

Aaron zieht mich näher an sich heran und wandert mit seiner anderen Hand über meine Wange. Alles in mir beginnt zu kribbeln. Das fühlt sich so gut an! So richtig!

Ich überwinde meine Starre, gehe auf die fremde, neckende Zunge ein und duelliere mich mit ihr. Mit einem Schlag scheint mein gesamter Körper Feuer zu fangen, verbrennt mich, ehe sich die gesamte Hitze in meinem Schoss sammelt. Ich kann gar nicht genug davon bekommen! Das ist so anders, so gut, dass es mir fast schon wieder Angst einjagt.
 

Leider ist der Kuss viel zu schnell wieder vorbei, die wunderbar weichen Lippen verschwunden. "Küssen ist besser, als mit Homophoben Freunden den Abend zu verbringen, stimmt's?", fragt Aaron mich grinsend. Seine Augen leuchten.

"Ja", krächze ich. Leise räuspernd, schnalle ich mich an, als ich mich wieder ordnungsgemäß in den Beifahrersitz gerückt habe.

Immer noch wütet das Feuer in meinem Schritt und ich prüfe mit einem unauffälligen Blick, ob man etwas sieht. Aber die dicke Winterkleidung verdeckt alles gut.
 

"Oh! Es fängt an zu schneien!", ruft Aaron und schaut aus dem Fenster.

"Endlich", sage ich und lehne mich zurück. "Ich mag Schnee."

"Echt? Ich hab es lieber wenn die Sonne scheint. Ist wärmer!" Sein warmes Lachen heizt meine Erregung wieder an. Verwirrt ziehe ich meine Jacke enger um mich.

Da fällt mir was ein! "Wolltest du mir nicht noch erzählen, warum du mich gerettet hast?"

"Wollte ich das?"

"Ja. Nachdem ich dir meine halbe Lebensgeschichte gebeichtet habe."

Aaron schweigt und startet den Motor. Wir biegen auf die Hauptstraße ein. "Stimmt", sagt er endlich und schaltet die Heizung ein. "Du bist mir schon aufgefallen, als du mit diesen Idioten um die Ecke gekommen bist. Ich bin euch gefolgt, neugierig, wo ihr hin wollt. Und ehrlich gesagt: Ich hatte die Absicht, dich abzuschleppen."

Ich schlucke. Er wollte mich abschleppen? Hart pocht mein Schwanz und drückt gegen meine Jeans. Verdammt!

"Tja ... Und dann fingen deine Freunde an, dieses Pärchen anzupöbeln. Ich war dabei, dich abzuschminken, aber dann hast du so hilflos gewirkt und diese Typen richtig nach Hilfe angefleht, da bin ich geblieben und war gespannt, wie es ausgeht. Und als die drei dann so richtig schön aufgemischt wurden, hast du so hinreisend gegrinst! Ich musste dich einfach retten!"

So war das also. "Bist du jetzt enttäuscht?", frage ich ihn leise.

"Inwiefern?"

"Weil du mich jetzt nicht abschleppen kannst." Und wieder werde ich rot. Zum Glück ist es dunkel hier.

Aaron lacht und schüttelt den Kopf. "Früher hätte ich dich entweder dem Schläger überlassen, oder dich spätestens jetzt versucht hemmungslos anzugraben. Hättest du mich dann abgewiesen, dann ja: Ich wäre sauer und enttäuscht. Aber heute ist das anders."

"Warum?"

Er denkt scheinbar nach, seufzt dann und krallt sich am Lenkrad fest. Ich hätte nicht fragen sollen.

Dennoch antwortet er mir. "Das Leben ändert sich. Die Menschen ändern sich. So ist das eben." Aaron hält an und erst jetzt bemerke ich, dass wir in meiner Straße stehen. "Denk mal darüber nach, ob du nicht doch besser mit deinem Freund Phil sprichst. Das du dich vergräbst in deinem Scheiß ist nicht gut. Das weiß ich leider nur allzu gut."

"Mal sehen. Danke fürs Heim fahren."

"Kein Problem!" Er lacht noch einmal. Ich versuche es mir einzuprägen. Nicht nur sein Lachen, auch sein Gesicht, seine Augen, seinen Geruch, seine Lippen ...

Dann lächle ich auch noch einmal und steige aus, schließe die Tür und laufe los. Ich drehe mich nicht mehr um, höre hinter mir sein Auto aufheulen und wegfahren.

'Nicht umdrehen!', brülle ich mich in Gedanken an. 'Wenn du dich umdrehst, sieht er es! Dann sieht er das du heulst!'

Ich stecke meinen Haustürschlüssel ins Schloss, drehe ihn um und trete ein. Licht schimmert noch aus dem Wohnzimmer, laut dröhnt der Fernseher.

"Leon!? Biss su das? Was machstn so spät noch draußen!?" Mein Vater. Er ist wieder betrunken. 'Schnell in mein Zimmer!'
 

******

Kapitel 02 - Beichte

Kapitel 02 - Beichte
 

~Leon~

"Ihr seid doch bescheuert! Ihr seid dumme, ignorante Spatzenhirne!"

"Mach mal halblang Mann! Was können wir dafür?" Bei diesem Satz musste ich grinsen. Emil, ein wahrer Vollidiot! Wenigstens hatten sie ihm ein nettes Veilchen verpasst.

Gleich am nächsten Abend bin ich in unsere Stammkneipe gefahren. Allerdings nur, weil ich neugierig war, was die anderen über den vorigen Abend zu sagen hatten. Das war nicht viel. Keiner redete drüber und auch ich wurde nicht gefragt, wo ich war, als sie aus der Straße verjagt wurden. Noch nicht mal eine Entschuldigung bekam ich zu hören, da sie mich ja so rücksichtsvoll vergessen hatten. Echt nett!

Und dann kam Felix durch die Tür geschneit, wutentbrannt, und blies ihnen den Marsch. "Phil ist unser Freund und ihr benehmt euch wie Kindergartenkinder! Echt! Ihr seid das Letzte! Ich bin fertig mit euch!" Wütend funkelte er jeden einzelnen von uns an, ebenso mich, was mir einen heftigen Schlag in die Magengrube verursachte, und verschwand wieder.

"Der hat sie doch nicht mehr alle!", grunzte Mark. "Wahrscheinlich ist er auch so ein Hinterlader." Lachen. Nur ich diesmal nicht. Ich wurde sauer. Und dann tat ich etwas, von dem ich niemals gedacht hätte, dass ich es mal tun würde. Sicher ist die Begegnung mit Aaron schuld daran gewesen, oder mein 'Besuch' gestern, in dieser Bar. Vielleicht auch Felix' Ansage kurz zuvor.

Doch egal was es war, ich stand auf, bezahlte mein halb ausgetrunkenes Bier und lief zu der Garderobe um meine Jacke zu holen.

"Hey Leon?! Willst'e etwa schon gehen?", rief mir Paul zu.

"Ja."

"Was'n los?"

Ich atmete tief durch. In mir staute sich so eine Wut auf, dass meine Hände sogar gezittert hatten. "Felix hat recht! Und wenn ihr einen guten Freund so mies behandelt und hinter seinem Rücken über ihn lästert, nur weil ihr was über ihn erfahren habt, dass ihr nicht tolerieren könnt, dann will ich nichts mehr mit solchen 'Freunden' wie euch zu tun haben!" Während dieser Ansprache trat mir der kalte Angstschweiß auf die Stirn und mir wurde schwindelig. Außerdem wuchs in mir das Verlangen, es endlich zu sagen, endlich der zu sein, der ich bin. Aber ich tat es nicht. Mein Herz schlug so schon viel zu schnell, dass ich mich nicht mehr traute, auch nur noch einen weiteren Ton von mir zu geben.

Ihre Antwort wartete ich gar nicht mehr ab, drehte mich einfach um und trat in die kalte Nachtluft. Ich konnte ihre dummen Kommentare draußen hören, sie wurden aber rasch leiser und verstummten, als ich mir meinen Helm aufsetzte und mein Moped anschmiss.

'Das war's', dachte ich. 'Such dir neue Freunde, Leon! … Oder statte alten Freunden einen Besuch ab.' Ein Gedanke, der mich jetzt eine Woche lang nicht losgelassen hat, hatte aber keinen Mumm dazu, ihn auch in die Tat umzusetzen. Bis jetzt.
 

Ich bin so nervös, dass mir viele kleine schwarze Punkte vor den Augen herumtanzen. Da stehe ich nun, vor Phils Haus und drücke auf die Klingel.

"Hallo! Ist dein Bruder da?" Ich stehe vor der Tür und sehe in Lilys Gesicht, die mir die Tür geöffnet hat.

"Warum?", fragt sie mich pampig.

"Ähm. Ich muss mit ihm reden." Ihr eindringlicher Blick verunsichert mich.

"Nee. Der ist bei seinem tollen Flo." Mein Herz schlägt schneller. Er ist bei seinem Freund?! "Ich kann dir aber seine Adresse geben. Warte, ich schreib sie dir auf."

Lily verschwindet, noch ehe ich was sagen kann. Dann kommt sie wieder zurück, drückt mir einen Zettel in die Hand und sieht mich verschwörerisch an. "Hoffentlich störst du sie!" Wie bitte?

"Ähm ... Ja. Danke!" Schnell weg hier! Die ist mir unsympathisch!
 

Ich laufe zurück zu meinem Roller und sehe mir den Zettel genauer an. Soll ich da wirklich hin? Sein Freund ist bestimmt auch da. Ich steige auf und fahre los. Jetzt habe ich mich endlich dazu durchgerungen, also ziehe ich es auch durch! Wenigstens fragen, ob wir mal miteinander reden können. Wenn er mich überhaupt noch sehen will, nachdem, was in der Kneipe abgegangen ist.

Eine Woche ist es nun her. Eine Woche, seitdem ich Aaron das erste und letzte Mal gesehen habe. Ich denke jeden Tag an ihn. Und vor allem an den Kuss. Jede verfluchte Sekunde!

Wie oft habe ich überlegt, ob ich nochmal zurück soll, in diese Bar, um ihn dort suchen. Aber ich traue mich wieder nicht. Deshalb habe ich mich dazu durchgerungen, wenigstens seinen Rat zu befolgen und mit Phil zu reden.

'Der ist bei seinem tollen Flo.' Ich werde nervös.
 

Als ich mein Moped vor dem großen Mehrfamilienhaus abstelle, inspiziere ich nochmal den Zettel. Flo wohnt im fünften Stock. Ich laufe die kleine Auffahrt hinauf und drücke auf die Klingel. Jetzt gibt es kein zurück mehr! Der Summer ertönt und ich gehe rein. Mit dem Aufzug fahre ich hoch und als ich an die Wohnungstür trete, wird sie aufgerissen.

"Schon zurück? Das ging aber schnell Schatz ... Oh! Hallo." Das ist er! Flo!

"Hallo. Ähm ... Ist Phil auch da?" Ist mir das unangenehm! Und Flo steht oben ohne da! Anscheinend hat er Phil erwartet. Es ist nur allzu offensichtlich, was er mit Phil vorhat. Mein Gesicht fängt an zu brennen.

"Nein. Aber Phil kommt gleich wieder. Er ist noch unterwegs. Komm doch so lange rein."

"Danke." Meinen Blick starr geradeaus gerichtet, trete ich an ihm vorbei in eine großzügige Wohnung. Ein heller Flur, der in einem großen Wohnzimmer endet. Rechts und links befinden sich die anderen Räume, die ich aber nicht beachte.

"Setz dich ruhig schon mal. Willst du was trinken?", fragt der Blonde.

"Wasser wäre okay."

Ich setze mich auf die Couch und spiele nervös mit meinen Fingern.

"Du bist Leon, stimmt's? Der mit den Locken." Flo lacht. Stimmt. So hatte Phil mich ihm damals in der Kneipe vorgestellt.

"Ja. Genau der."

Ich habe wirklich Locken. Blonde Locken. Keine unbändige Lockenpracht, sie rahmen brav mein Gesicht ein, obwohl einige Strähnen mir stets auf die Stirn fallen. Nur wenn es regnet, oder nach dem Duschen stehen sie nach allen Richtungen ab. Mit meinen blauen Augen und den Sommersprossen, werde ich immer für einen Schweden gehalten. Ich war aber noch nie in Schweden.
 

Flo hat sich zum Glück wieder ein T-Shirt angezogen und bringt mir das versprochene Glas Wasser. "Danke."

"Machen die anderen immer noch Stress? Wegen uns?", fragt er und setzt sich auf den Sessel neben mir. Es gibt also ein 'Uns'. Phil und Flo sind zusammen.

"Keine Ahnung. Sie reden nicht mehr mit mir."

"Oh." Ich sehe Flo an, wie verwirrt er ist, fragt aber nicht weiter deswegen nach.

"Das ist dumm gelaufen. Sie sind solche Idioten. Tut mir leid ..." In mir wächst ein Klos. Verdammt! Nein! Nicht! Aber ich kann es nicht zurückhalten. Tränen laufen über meine Wangen. Die letzte Woche war echt furchtbar!

"Hey! Alles okay? Leon?" Flo steht auf und setzt sich neben mich, umarmt mich plötzlich. Was für ein gutes Gefühl von jemanden Trost gespendet zu bekommen!

Ich lehne mich einfach an ihn und heule. Das habe ich noch nie gemacht! Erst recht nicht bei einem Fremden!

"Phil ist gleich da. Dann kannst du mit ihm reden, ja?" Ich nicke leicht, bin ihm dankbar, dass er mir keine Fragen stellt oder mich sogar auslacht.

Wie auf Kommando klingelt es plötzlich. Das muss Phil sein. "Bin gleich wieder da", sagt Flo, lässt mich vorsichtig aus seinen Armen gleiten und geht zur Tür.

"Da bin ich wieder! Hab alles bekommen! Schau mal ..." Eindeutig Phils Stimme. Ich wische mir über die brennenden Augen und krame ein benutztes Taschentuch raus.

"Phil? Warte damit mal", sagt Flo leise und eine Tüte raschelt.

"Leon?" Phil hat mich entdeckt und steht plötzlich vor mir. "Was machst du denn hier?"

Ich schaue ihn an, aber der Klos sitzt in meiner Kehle fest und ich bekomme einfach keinen Ton heraus. Das einzige das sich daraus löst ist ein Schluchzen und erneut quellen Tränen aus meinen Augen. Verdammter Mist! Wie jämmerlich bin ich eigentlich?

"Was ist den passiert?" Phil schaut Flo fragend an, der zuckt nur mit den Schultern. "Mensch Leon! Ist ja gut!" Phil setzt sich zu mir und nimmt mich, wie Flo eben, in den Arm.
 

Nur langsam beruhige ich mich wieder und merke, wie sich der Klos allmählich auflöst. Ich wage es zu sprechen, räuspere mich vorher kurz. "Es tut mir so leid Phil! Ich hätte zu dir halten sollen!" Ich atme tief ein. Meine Tränen sind endlich versiegt.

"Ist okay. Du musst dich nicht so fertig machen deswegen", versucht er mich zu trösten.

"Doch! Gerade ich hätte es ..." Ich verstumme wieder.

"Was hättest du?"

Ich schaue auf den Tisch vor mir. Eine Kerze brennt und rote Rosen stehen daneben. Das ist mir eben erst aufgefallen. "Oh nein! Ich störe euch! Es tut mir leid! Ich komme ein anderes Mal wieder ..." Ich will aufstehen, aber Phil hält mich fest.

"Bleib! Du störst nicht."

"Nein tust du nicht", bestätigt Flo mir ebenfalls, setzt sich neben mich auf die andere Seite und drückt mich wieder runter auf die Couch.

Jetzt sitze ich zwischen den beiden, die mich erwartungsvoll anschauen.

"Was ist den nun? Warum machst du dir solche Vorwürfe?", fragt Phil leise und streichelt über meine Schulter.

'Sag es ihnen. Du siehst doch, dass sie dich verstehen werden!' Mein nerviges Gewissen versucht mich umzustimmen. Dagegen komme ich nicht an! Und deswegen bin ich ja auch hergekommen. Um mit jemanden zu reden, der mich versteht. Um endlich reinen Tisch zu machen. Wenigstens vor den beiden.

"Ich ... Ich bin auch … Also ich … Ich bin ..." Weiter komme ich nicht. Der Klos ist zurückgekommen. Phil, der dies zu bemerken scheint, zeiht mich einfach an sich und hält mich fest.

"Verstehe", flüstert er mir zu, was bei mir alle Schleusen öffnet. Ich heule ihm die Ohren voll. Es ist mir so peinlich, aber ich komme einfach nicht dagegen an.

"Ist doch gut. Kein Grund deswegen so traurig zu sein." Phil versucht beruhigend zu klingen, aber ich höre heraus, dass auch er nicht ruhig bleiben kann.

"Mein Vater bringt mich um, wenn er es erfährt", schluchze ich.

"Das glaube ich nicht. Er ist doch immer so nett." Der gutgläubige Phil!

Ich löse mich aus seinen Armen und werde wütend. Nicht auf ihn, sondern auf meinen Vater. "Er ist ein Arsch! Er schlägt uns!" Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen.

"Wie ...? Dein Vater schlägt euch? Scheiße!" So sehe ich das auch!
 

Jetzt bin ich völlig am Ende! Sie wissen es! Sie wissen alles! Ich sacke in mir zusammen und es wird schwarz vor meinen Augen.

"Leon?" Ich höre Phils Stimme. So weit weg ...

"Mist! Leg ihn auf die Couch! Ich hole Kissen!" Flo.

"Okay!"
 

Ich spüre nichts. Schwebe im Nichts und fühle mich ganz leicht. Ich will lachen! Ich höre mich selbst lachen ... Nein! Das ist Aaron! Sein tiefes Lachen. Aaron ist hier!
 

Meine Stirn wird nass. Verwirrt öffne ich meine Augen. "Aaron ...?"

"Leon? Geht es dir gut?" Phils Kopf schwebt über mir. Ich schaue mich um. Ich liege auf der Couch, die Beine auf einem Stapel aus Kissen gelegt. "Bleib noch etwas liegen. Du bist einfach vorn über gekippt. Aber Flo hat zum Glück schnell reagiert und dich aufgefangen."

Wie peinlich! Ich schließe meine Augen wieder. Das kann auch nur mir wieder passieren!

"Du kannst hier bleiben. Auch über Nacht wenn du willst." Flo steht hinter der Couch. Er stützt sich auf der Rückenlehne ab und sieht mich bemutternd an.

"Nee, danke. Wenn ich nicht nach Hause komme, ist der Teufel los." Phil und Flo wechseln bedeutende Blicke. "Genau das habe ich nicht gewollt! Das ihr mich bemitleidet!" Ich setzte mich wieder auf und Phil stützt mich dabei, hält mir dann eine Cola hin.

"Wir machen uns Sorgen. Nichts weiter", sagt Phil und stellt, nachdem ich getrunken habe, dass Glas auf den Tisch.

"Ich packe das schon!", erwidere ich trotzig. Ich packe das schon mein halbes Leben lang!

"Flo wollte was kochen. Möchtest du mitessen?", lenkt Phil geschickt ab, wofür ich ihm dankbar bin.

"Klar. Warum nicht?"

"Gut, ich hoffe du magst Reis", lachend klopft mir Flo auf die Schulter und verschwindet in die Küche.

Phil schaut ihm mit unübersehbaren Herzchen in den Augen hinterher. "Dich hat es ganz schön erwischt", sage ich und Phil wird wirklich ein wenig rot.

"Ja. Total!"

Ich freue mich für die zwei. Und werde eifersüchtig. Ich will das auch! Am liebsten ...
 

"Wer ist eigentlich Aaron?" Phils Frage wirft mich total aus der Bahn.

Mit großen Augen schaue ich ihn an. "Was? Woher kennst du ...?"

"Du hast 'Aaron' gerufen, als du wieder wach wurdest." Mist!

"Ich ... Da ist was passiert." Ich wollte es ihm ja sowieso erzählen. Warum nicht gleich? "Als du mit Flo in der Kneipe warst und dann mit ihm abgehauen bist, sind die anderen und ich nochmal losgezogen. Sie wollten, wie Emil gesagt hat: Auf den Putz hauen. Oder auf eine Tucke."

"Ach du Scheiße!" Phil schüttelt entsetzt den Kopf.

"Es kam aber anders. Die drei wurden selbst verprügelt und verjagt. Genau wie ich gehofft hatte! Und ich bin nur davon gekommen, weil mich jemand gerettet hat. Aaron. Wir sind in eine Bar, haben geredet und er hat mich schließlich nach Hause gefahren."

Phil grinst und fragt: "Sah er gut aus?"

"Ja." Mein Gesicht fängt an zu glühen. Mist! "Wir haben uns geküsst." Nun ist die Bombe geplatzt!

"Echt? Küsst er gut?"

"Das kann ich nicht beurteilen. Aber es war ... einfach atemberaubend!" Allein wenn ich an den Kuss denke, beginnt sich wieder alles um mich herum zu drehen.

Phil scheint sich echt für mich zu freuen und drückt mich an sich. Heute ist anscheinend Kuscheltag. "Werdet ihr euch wieder sehen?"

Damit hat er mich! "Nein. Er hat mich nach Hause gefahren und das war's."

"Er wollte nicht? Sich nochmal mit dir Treffen?"

"Ich weiß nicht. Es kam nicht zur Sprache." Ich rutsche ungeduldig auf meinem Hintern herum. Es einfach auszusprechen fällt mir schwer. Aber ich möchte es so gern. "Dazu müsste ich nochmal zurück, in diese Bar." Ich sehe Phil schüchtern an.

"Dann geh doch. Vielleicht ist er ja da." Das wollte ich damit nicht sagen!

"Ich ... ich traue mich nicht alleine", flüstere ich beschämt und pople an meinem Taschentuch herum.

Phil lehnt sich grinsend zurück und scheint zu überlegen. "Ich war dort vorher noch nie und …", beginne ich, schweige aber dann. Ich habe Schiss. Ganz einfach!

"Wir könnten dir helfen, Aaron zu finden", sagt er. Nicht: Sollen wir dich begleiten, sondern einfach, ob sie mir suchen helfen können. Das erleichtert mich. So komme ich mir nicht ganz so wie ein beschissener Feigling vor.

"Wenn ihr wollt."

"Klar. Gerne. Wie wäre es mit diesem Wochenende?" So schnell?

Mein Puls steigt in die Höhe. Ich sehe ihn vielleicht schon dieses Wochenende wieder!

"Ich habe Zeit", antworte ich und hoffe, dass man mir meine Freude darüber nicht allzu sehr vom Gesicht ablesen kann.

"Komm, wir fragen noch Flo. Auch auf die Gefahr hin, ihm in der Küche helfen zu müssen." Phil lacht und steht auf. Zusammen laufen wir in die Küche, wo Flo schon am schnippeln und kochen ist.

"Flo? Wollen wir am Samstag ausgehen?" Phil schmiegt sich von hinten an den Blonden heran und küsst seinen Nacken. Irgendwie ist mir das peinlich. Schnell wo anders hingucken. Oh. Schöne Küchenschränke.

"Ja, gern. Aber vorher deckst du den Tisch."

"Was hab ich gesagt?" Ich fange an zu lachen. Die beiden passen anscheinend gut zusammen.
 

Nachdem das Essen fertig war und wir am gedeckten Tisch saßen, erzählte ich Phil noch von unseren 'Freunden'.

Ich berichtete ihm, dass Felix uns zur Schnecke gemacht hat, und dass ich danach auch abgehauen bin, ihnen ebenfalls meine Meinung geigte und seitdem nichts mehr von ihnen gehört habe.

"Mit mir redet auch keiner mehr von denen. Mach dir nichts draus. Es ärgert mich nur, dass ich so lange mit ihnen befreundet war, ohne zu wissen, was für Arschlöcher sie sind", sagte Phil daraufhin, wobei ich ihm uneingeschränkt beipflichtete.

Ich war ja so dumm gewesen! Aber wäre das mit Phil nicht gewesen, würde ich sicher jetzt noch mit diesen Idioten herumhängen. Genau wie er. Wie habe ich das nur ausgehalten?
 

***
 

~Phil~

Ich bin immer noch am verarbeiten, was Leon uns vorhin erzählt hat. Er ist vor einer halben Stunde gegangen, nachdem wir gegessen und uns noch ein bisschen miteinander unterhalten haben. Wir konnten ihn leider nicht zum bleiben bewegen. Das er jetzt zuhause ist, bei seinem prügelnden Vater, bedrückt mich sehr. Ich mache mir Sorgen um ihn.

Flo und ich sitzen auf der Couch und starren vor uns hin. "Alles klar bei dir Phil?"

"Nein."

"Ihm wird es schon gut gehen." Der hat leicht reden!

"Wie würdest du dich fühlen, wenn Rick plötzlich mit so einer Sache ankommen würde?" Rick ist Flos bester Freund.

"Ich weiß, dass er schwul ist." Versucht er mich zum lachen zu bringen?

"Haha. Ich meinte das andere Thema."

"Ich weiß doch. Leon weiß, dass er zu uns kommen kann. Egal wann."

Ich lehne mich an Flo und schließe meine Augen. "Warum habe ich nie was gemerkt?"

"Mach dir keine Vorwürfe Schatz. Auch wenn ich niemals solche Erfahrungen wie Leon gemacht habe, kann ich mir schon vorstellen, wie schwer es für jemanden sein muss, dass alles auszuhalten. Das ist auch kein Thema, über das man gerne redet." Sanft streichelt er meine Stirn.

Ja, das muss schwer sein. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie schlimm es ist, wenn einem die eigene Familie im Stich lässt und man zudem noch weiß, dass man anders ist als andere. Dank meinen tollen alten 'Freunden' habe ich nun auch einen kleinen Vorgeschmack dieses Gefühls bekommen. Obwohl es mich nicht so belastet, wie es Leon belasten muss. Bei ihm hat das ja ganz andere Ausmaße. Er muss sich so allein gefühlt haben. Tut er wahrscheinlich immer noch.

Was hat er nur all die Jahre still durchmachen müssen? Und ich wusste nichts davon! Aber das hat ab heute ein Ende! Jetzt, wo ich Bescheid weiß, werde ich für ihn da sein.

Trotzdem frage ich mich, ob ich all die Zeit etwas falsch gemacht habe, weshalb Leon nicht schon eher zu mir gekommen ist. Wir sind doch schon so lange miteinander befreundet, doch wenn ich genauer darüber nachdenke, weiß ich so gut wie gar nichts über ihn. Er ist immer so still. Na ja, den Grund dafür kenne ich ja jetzt. Dennoch ...

"Er hätte doch wenigstens mit mir darüber reden können. Ich dachte, wir sind Freunde. Sowas erzählt man doch seinem Freund."

"Das hat er doch jetzt. Mach dir keinen Kopf."

Ich lasse mich von seiner warmen Hand einlullen und döse leicht ein. Wie habe ich nur vorher ohne ihn existiert? Ich kann es mir schon kaum mehr vorstellen und will es auch gar nicht. "Ich bin so froh dich zu haben", nuschle ich. Er lacht leise.

Wie hielt Leon das Jahrelang nur aus? Meine Familie ist immer gut zu mir, bis auf meine Schwester, die immer noch hinter Flo her ist. Auch wenn alle meistens völlig am Rad drehen und die chaotischsten Menschen sind, die ich kenne, kann ich immer auf sie zählen. Sogar bei meinem unfreiwilligen Outing haben sie es einfach als selbstverständlich angesehen.
 

Flo ... Wenn ich ihn nicht hätte ...

Ich werde schlagartig wieder wach. "Wir müssen diesen Aaron für Leon finden!" Ich setze mich wieder auf und sehe Flo in die Augen.

"Und wie willst du das anstellen?", fragt er mich.

"Wir fragen uns durch. Einer wird ihn schon kennen." Und Aaron ist nicht gerade ein viel verbreiteter Name.

"Ich kann David fragen. Sein Freund kennt hier so gut wie jeden."

"Gute Idee!", lobe ich meinen Freund.

Wenn Leon ein bisschen Erfahrungen sammelt, und wer weiß, sich vielleicht auch verliebt (falls er es nicht schon ist ...), baut ihn das bestimmt auf und gibt ihm Kraft sich von seiner jetzigen Situation zu lösen.

"Ruf ihn doch mal an!", schlage ich aufgeregt vor. Je schneller, desto besser!

"Mach ich. Aber vorher ..." Er greift neben die Couch, wo die Tüte mit meinen Einkäufen liegt. "Vorher kümmere ich mich um dein Wohl." Flo grinst mich dreckig an und späht in die Tüte. "Mit Geschmack?"

Ich werde rot. "Was anderes gab's nicht." Ehrlich gesagt stimmt das nicht. Ich will das nur mal ausprobieren.

"Und was ist das?" Er hält die Liebeswürfel in der Hand.

"Ich dachte, so ein netter Spieleabend wäre doch mal was tolles!"

Flo grinst, nimmt mich bei der Hand und schleift mich ins Schlafzimmer. Aufgeregt, voller neuer Energie und vor allem total verknallt, folge ich ihm.

Leon wird sich auch bald so fühlen! Ganz bestimmt!
 

******

Kapitel 03 - Schatten

♥ *David- und Jack-Fähnchen schwing!* ♥

Jaaa … Die beiden aus 'Augenblicke' tauchen auch gleich hier auf und müssen Leon etwas unter die Arme greifen. Und wer könnte das besser als Jack? (Auch wenn er ja gar nicht will) ;-)

In diesem Kapitel erfahrt ihr außerdem endlich mehr von Aaron und vor allem seiner Vergangenheit.

Ach, lest selbst. Sonst verrate ich noch alles. *Mund halt*
 

Kapitel 03 - Schatten
 

~Leon~

Samstag.

Total aufgeregt stehe ich vor Flos Wohnung und klingle bei ihm. Der Summer geht und ich betrete das Haus.

"Schon da?", ruft er mir von Oben runter. "Komm hoch. Flo ist noch unterwegs."

Ich flitze diesmal die Treppen hoch, will einfach nicht auf den Aufzug warten, und werde von Phil fest in die Arme gezogen.

"Wie geht's dir?" Das ist seit kurzem sein Standartspruch.

"Bin aufgeregt." Mehr sage ich nicht. Ich will nicht über Daheim sprechen. Immer noch nicht. Seit meiner Beichte verliere ich kein Wort mehr darüber.

"Musst du nicht! Wir sind doch bei dir!" Phil lächelt mich aufmunternd an.

"Wie war es für dich, als du das erste Mal da warst?", frage ich ihn und wir gehen in die Küche. Ich setzte mich an den Küchentisch und warte auf Phils Antwort.

"Ich war neugierig. Aber größtenteils war ich nur auf Flo fixiert. Er sah so, ich weiß nicht genau, wie ich das beschreiben soll ..."

"So erfahren und selbstsicher?"

"Ja! Genau! So in der Art."

Ich weiß was er meint. Mir ging es genauso mit Aaron. So Selbstsicher wie er sich gab, so will ich auch mal sein.

"Denkst du oft an ihn?", reißt mich Phil aus den Gedanken.

"Was? An wen?"

"An diesen Aaron." Ist es so offensichtlich? "Du hast eben auch an ihn gedacht, stimmt's?" Anscheinend.

"Ja. Sehr oft. Obwohl ich das nicht will."

"Das kenne ich!" Phil setzt sich zu mir an den Tisch. "Flo wollte auch nicht aus meinen Kopf verschwinden."

"Und was hast du dagegen gemacht?"

Phil lächelt verträumt, scheint kurz wo anders zu sein. Dann sieht er mich wieder an und erzählt. "Ich habe mit Felix gesprochen und er meinte knall hart, ich wäre verknallt. Ich dachte erst, der spinnt doch! Aber als ich länger drüber nachgedacht habe, war ich mir sicher. Ich liebe einen Kerl!"

"Ich hoffe, dass bin ich!" Flo taucht plötzlich wie aus dem Nichts auf und drückt Phil einen Kuss auf die Wange.

"Eigentlich dachte ich gerade an David. Er ist so ein Süßer ..."

"Stimmt. Das petze ich Jack."

Phil wird kurz blass. "Wehe!"

"Selbst schuld!"

Ich kann dem nicht ganz folgen und probiere es auch gar nicht.
 

"Wir können gleich los. Muss mich nur schnell umziehen", sagt Flo und verlässt uns wieder.

"Musste er arbeiten?", frage ich und trinke einen Schluck von dem Wasser, das mir Phil eben eingeschenkt hat.

"Ja. Sie haben einen großen Auftrag. Da hat er noch mitgeholfen. Irgendeine Weihnachtsdeko in einem Hotel."

"Hört sich wichtig an." Hoffentlich hat er wegen mir keinen Stress jetzt.

"Ja. Aber er freut sich drauf. Er ist immer erpicht darauf, so viel wie möglich zu lernen." Phil sieht ganz stolz aus. "Ich frage mich immer noch, wie er sich das alles merken kann. Das Praktikum hat mir gereicht!", stöhnt er.

Phil hat ihn dort während des Praktikums kennen gelernt. In einer Gärtnerei.

"Wie geht es bei dir auf der Arbeit?" Ich weiß worauf er hinaus will. Da ich mit im Familienbetrieb arbeite, habe ich ständig meinen Vater um mich.

"Auf der Arbeit geht's." Erstaunlicherweise stimmt das auch. Ich mag meine Arbeit.

"Willst du dir was anderes suchen?" Worauf will er hinaus? "Vielleicht tut dir das ganz gut, dich von all dem zu lösen."

Erst will ich gar nicht antworten. Ich mag nicht darüber reden, tue es dann aber doch. Er versucht mir ja nur zu helfen. "Daran habe ich auch schon gedacht. Aber ich kann meine Mutter nicht allein lassen. Nicht bei ihm."

"Rede doch mal mit ihr", schlägt er mir vor.

"Als ob ich das nicht versucht hätte! Sie sagt dann nur: In guten wie in schlechten Zeiten. Und ich sage ihr jedes Mal, dass die Guten schon ewig rum sind. Es gibt nur noch Schlechte. Aber ich kann ihr einfach nicht ins Gewissen reden. Sie ignoriert mich einfach."

"Und du nimmst die ganze Last auf dich. Irgendwann zerbrichst du daran. Lass das nicht zu." Phil nimmt meine Hand und drückt sie fest. Ich lächle ihn schmal an.

"Ich packe das schon." Aber so langsam glaube ich mir selbst nicht mehr.

Ich spüre, wie es an mir zerrt. Wie ich langsam drohe in all dem zu ersticken ...
 

"So Leute! Auf geht's! Leons Traummann suchen!", ruft Flo vom Flur aus und bringt mich dazu, knall rot anzulaufen.

"Flo! Halte dich zurück!", mahnt ihn Phil.

Der Blonde steckt seinen Kopf durch die Küchentür. "Das hast du mir noch nie gesagt."

"Nein?"

"Nein!"

Ihre Blicke verhaken sich und sie scheinen ein stummes Gespräch zu führen, von dem ich mir schon denken kann, worum es geht.

Ich räuspere mich. Immerhin bin ich auch noch da. "Können wir los?"

"Ja! Gehen wir!" Flo dreht sich um und schnappt seinen Schlüssel. Ich starre ihm hinterher. Er trägt wieder eine verdammt enge Jeans.

"Finger weg! Alles meins!", zischt mir Phil lachend ins Ohr.

Shit!
 

***
 

~Phil~

"Ich suche mal David. Der wollte nur schnell Jack abholen."

"Okay." Ich sehe Flo zu, wie er in der Menge verschwindet.

Wir suchen schon den halben Abend lang, waren zuerst in dieser Bar M, aber Leon hat ihn dort nicht gesichtet.

"Vielleicht ist er gar nicht da", ruft mir Leon zu.

"Nicht aufgeben! Irgendwann finden wir ihn." Ich versuche optimistisch zu klingen. Auch wenn ich es nicht mehr bin. Es ist einfach zu viel los hier. Heute scheint sie ganze schwule Gemeinschaft der Stadt und deren Umgebung hier zu sein. Sogar draußen auf der Straße herrscht großes Gedränge.
 

Gerade will ich Leon fragen, ob er auch so dringend eine Erfrischung braucht wie ich, da ruft er mir ganz aufgeregt zu: "Da! Da vorn ist er!"

"Wo?" Ich folge seinem ausgestreckten Finger und bin wirklich gespannt darauf, wie dieser Aaron aussieht.

"Er geht gerade raus!" Noch ehe ich was sagen kann, ist Leon schon verschwunden. Anscheinend hinter Aaron her. Mist!

"Hey mein kleiner Engel! Was höre ich? Du willst MEINEN Davi-boy?" Jack!

"Hallo Jack", sage ich und drehe mich zu ihm um. David ist auch dabei und hinter ihm kommt Flo zum Vorschein.

"Flo! Schnell! Leon ist raus! Er hat Aaron gesichtet!"

Ich laufe los, denke, wenigstens Flo läuft mir nach, doch ich werde von Jack am Arm gepackt. "Warte kurz."

"Was ist denn? Ich will nichts von David." Ich funkle ihn wütend an. Für solche Späßchen habe ich keine Zeit!

"Es geht um Aaron." Jack schaut mich so ernst an, dass ich unseren Auftrag komplett vergesse.
 

~Leon~

Ich komme an der Tür an und drücke mich durch den mir entgegenkommenden Besucherstrom. Ich verrenke mir fast den Hals, aber es lohnt sich. Aaron steht draußen und zündet sich gerade eine Zigarette an.

Ich laufe schneller und bleibe vor ihm stehen. "Hallo!", sage ich und verstumme. Jetzt erst merke ich, dass ich keine Ahnung habe, was ich zu ihm sagen soll.

"Hey Leon! Wie geht's?" Aaron lächelt mich an und sofort wird mir heiß. Winter? Was ist das?

"Ganz gut."

"Und? Hast du meinen Rat befolgt?" Ich nicke. "Schön. War halb so schlimm, oder?"

"Ja. Du hattest recht." Ich schlucke nervös. Jetzt gilt es! "Ähm ... Kann ich dich als Dank auf ein Bier einladen?", versuche ich es einfach mal. Dabei rast mein Herz. Sicher sieht er mir meine Nervosität an.

Aarons Gesichtsausdruck ändert sich schlagartig. Er seufzt und sieht mich mehr als komisch an. Bitte nicht!

"Hör mal. Wenn du dir jetzt irgendwelche Hoffnungen machst, lass es lieber. Ich bin nicht der Richtige für jemanden wie dich." Mir wird der Boden unter den Füßen weggerissen.

Trotzdem ringe ich mir ein Lächeln ab. "Wie kommst du da drauf? Ich, also ich wollte mich nur bedanken. Mehr nicht." Ich bin so ein Trottel! Wie konnte ich nur denken, er würde sich für mich interessieren?

"Das ist nett. Aber nein danke. Ich wollte gerade gehen. War ein langer Tag heute. Mach's gut." Ohne Vorwarnung umarmt er mich, drückt mich fest an sich. "Du findest noch deinen Weg", flüstert er mir ins Ohr, lässt mich wieder los und geht dann an mir vorbei.

Wieso schmerzt der Anblick, ihn gehen zu sehen, so sehr?

'Das ist dein Leben, Leon. Willkommen in der Realität.' Ich bin wieder allein ...
 

Jetzt stehe ich hier, zurückgelassen zwischen all den feierwütigen Menschen und weiß nicht was ich tun soll. Warum bin ich nur wieder hier her gekommen? Es war doch so klar, dass mir das Leben wieder voll in den Arsch tritt.

"Leon!" Phil hat mich gefunden und eilt zu mir. "Leon! Alles okay?" Er legt einen Arm um mich und schaut mich an.

Ob alles okay ist? "Er will mich nicht mehr sehen. Er meint, er wäre nicht der Richtige für mich." Mit aller Macht unterdrücke ich meine Tränen. Ich heule doch jetzt nicht, nur weil ein Kerl, den ich nicht mal richtig kenne, mich nicht will! Deshalb lächle ich Phil an. "Pech. Aber er war eh nicht mein Typ. Gehen wir wieder rein? Tanzen?" Ich drehe mich von ihm weg und gehe wieder in den Club.

"Leon! Warte doch mal!" Doch ich bleibe nicht stehen, tue so, als hätte ich ihn nicht gehört. Ich will kein Mitleid! Ich will nur vergessen! Aaron, meinen Vater, meine Homosexualität. Mein ganzes Leben.

Wieso muss bei mir alles so beschissen laufen?
 

~Phil~

Wie traurig er aussah. Und jetzt flüchtet er wieder und rennt in den Club. Dabei muss ich dringend mit ihm reden!

"Und? Hast du es ihm erzählt?" Flo kommt auf mich zu.

"Nein. Er ist geflüchtet. Ich habe ihn mit diesem Aaron zusammen gesehen."

"Was haben sie gemacht?"

"Geredet", sage ich und schaue mich um. Vielleicht ist Aaron noch irgendwo.

"Das ist doch gut!"

"Aaron meinte, er sei nicht der Richtige für Leon."

"Shit! Wir sollten es lassen. Du hast Jack doch zugehört. Bei Leons derzeitiger Situation ist das mit diesem Kerl viel zu kompliziert."

Fassungslos schaue ich meinen Freund an. "Wie kommst du auf diesen Müll?"

"Leon braucht jemanden, der gefestigt ist und nicht selbst so viel emotionsgeladenen Scheiß mit sich rumschleppt. Vielleicht ist es besser so."

Ich bin da ganz anderer Meinung! "Du hast die beiden eben nicht zusammen gesehen! Da lag was in der Luft. Aaron hat ihn umarmt. Sehr lange. Das macht man nicht, wenn man den anderen gerade abweist." Ich bin mir ganz sicher!

"Fein." Flo zuckt mit den Schultern. Ich sehe ihm an, dass er ganz und gar nicht meiner Meinung ist. "Und was hast du jetzt vor?"

"Mit Leon reden. Und du hilfst mir dabei!"
 

~Leon~

Die laute Musik ist genau das was ich jetzt brauche. Da komme ich erst gar nicht in Versuchung über alles nachzudenken.

Ich schließe meine Augen und kümmere mich um nichts und niemanden. Auch die Anmachversuche einiger Typen ignoriere ich. Bis mich plötzlich jemand am Arm packt und fast umzieht.

Ich schaue verärgert, erkenne aber David vor mir. "Wir suchen dich schon überall!" Er lächelt mich an und ich kann ihm nicht böse sein. Er war von Anfang an nett zu mir und sein Lachen ist ansteckend.

"Ich will nicht reden." Ich kann mir denken, warum sie mich suchen.

"Jack will aber, dass du mal mit ihm unter vier Augen redest." Jack? Ich habe noch kein einziges Wort mit ihm gewechselt, geschweige den ihn kennengelernt. "Er kennt Aaron!"

Warum sollte es mich überhaupt noch interessieren? Und warum schlägt mein Herz wieder so schnell, dass es fast meine Brust zertrümmert?

Geschlagen lasse ich mich von David mitziehen. Wir laufen durch den Club, an der langen Bar vorbei auf eine Tür zu, auf der dick 'PRIVAT' steht. Sie führt in einen Flur mit vielen anderen Türen. Durch eine von ihnen werde ich gezogen. "Dürfen wir denn hier rein?", frage ich und schaue mich unsicher um.

"Ich habe eine Sondergenehmigung", lacht David und setzt sich auf eine kleine Couch und ich mich gleich daneben. Diesen Jack sehe ich nirgendwo. "Ich schicke Jack schnell eine SMS das wir hier sind."

"Was will er denn mit mir bereden?"

"Ich will dir was über Aaron erzählen." Plötzlich steht er vor uns. Ich habe ihn gar nicht kommen hören.
 

"Das ging aber schnell!" David steht auf und zwinkert mir zu, ehe er zu Jack geht.

"Lass dich von niemanden angraben, Babe", sagt Jack zu ihm und erntet ein weiches Lachen.

"Mal sehen. Ich glaube 'Niemand' ist heute gar nicht hier." Jack findet Davids Scherz wohl nicht so lustig wie erhofft. David macht eine versöhnliche Geste. "Theo passt schon auf mich auf", beruhigt er ihn. Ein Kuss und weg ist David.

Jack schließt leise die Tür hinter ihm und kommt anschließend zu mir. "Das eins erstmal klar ist: Normal mache ich so etwas nicht. Mich in die Angelegenheiten Anderer zu mischen, aber da du ein Freund eines Freundes meines Freundes bist, mache ich eine Ausnahme." Ich muss grinsen. Was'n das für'n Kerl? "Lach nicht! Sorry, hörte sich echt bescheuert eben an."

"Ja. Tat es."

Er zieht sich einen Stuhl heran, setzt sich auf die andere Seite des Tisches vor mir, seufzt und lehnt sich zurück. Sofort kommt er zum Punkt. "Es geht also um Aaron. Dem guten, alten Aaron. Weißt du, er und ich waren uns mal sehr ähnlich. Wir waren beide ständig auf der Jagt und kannten keine Skrupel. Ohne Rücksicht auf Verluste gingen wir mir jeden ins Bett, der uns ins Netz ging. So haben wir uns auch kennengelernt."

"Du hast mit ihm ...?"

"Oh Gott! Nein! Dazu wusste ich zu gut über ihn Bescheid. Ich lernte ihn durch seinen besten Freund, Andy, kennen. Aaron und Andy. Das Traumpaar der Schwulenszene. Jeden Abend machten sie Party ohne Ende, vögelten ohne Ende und versuchten immer aufzutrumpfen und den anderen mit dem heißeren Date auszustechen. Wer hat den Schärfsten? Wer hatte die Meisten? Wer kam wie oft?"

Ich muss schlucken. "Wieso erzählst du mir das?", will ich wissen.

"Damit du vorgewarnt bist. Er hat einem miesen Ruf."

"Das war's? Das hättest du mir auch draußen sagen können." Es kann mir sowieso egal sein. Aaron will nichts von mir.

"Da ist noch mehr. Bis vor zwei Jahren ging das so mit den beiden. Bis Andy mit einer schlechten Botschaft zu ihm kam. Er war Positiv."

Ich schaue Jack an. Er muss mir nicht groß erklären, was er mit 'positiv' meint. "War?", frage ich ihn.

Jack nickt. "Er hat sich kurz nach der Diagnose das Leben genommen und Aaron gibt sich die Schuld daran." Was?

"Wieso?"

"Er denkt, ihre ständigen Wettbewerbe seien schuld, was wahrscheinlich sogar stimmt. Andy wollte ihm beweisen, dass er der Beste ist. Das er keine Angst vor irgendwelchen Krankheiten hat und ihm keiner was kann. Das er unbesiegbar ist. Dieser Trottel!" Jack schüttelt den Kopf.
 

Auch wenn mich die Geschichte jetzt ziemlich schockt. Was soll ich damit anfangen? Ich habe selbst genug traurige Geschichten, die ich ihm erzählen könnte. So ist das Leben eben. Wenn du denkst, alles wird gut, kommt es, und schlägt dir wieder in die Fresse.

"Aaron bestraft sich seitdem selbst" fährt Jack fort. "Er geht seinen Freunden aus dem Weg, welche ihm tatsächlich teilweise Vorwürfe machen. Manchmal fällt er in ein Tiefes Loch und dann säuft er regelmäßig und lässt keinen mehr an sich ran. Auch Sex ist für ihn größtenteils tabu."

"So kam er mir gar nicht vor. Er meinte, er hätte vorgehabt mich abzuschleppen." Hat er mich belogen?! "Und er hat mich geküsst", füge ich leise hinzu.

"Da bist du der erste, von dem ich das höre. Und wer weiß? Vielleicht hat Aaron in dir endlich jemanden gefunden, von dem er glaubt, nicht aufgrund seiner Vergangenheit verurteilt zu werden."

"Und wieso meint er dann, er sei nicht der Richtige für mich?", frage ich und merke, wie meine Augen wieder anfangen zu brennen. 'Nicht heulen Leon!'

"Weil er dumm ist, und nicht kapiert, was gut für ihn ist. Er will in seinen Schuldgefühlen baden und gönnt sich kein bisschen Glück. Wie gesagt: Er bestraft sich selbst."

Das steigt mir hier gerade alles über den Kopf! Meint er das ernst? Glaubt er wirklich, dass Aaron so über mich denkt? "Was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?", frage ich und versuche meine Gedanken zu sortieren. Gar nicht so einfach, bei all dem, was da gerade herumschwirrt.

Jack holt sein Handy heraus. "Aaron braucht jemanden, der ihn da rausholt. Du kannst ihm dabei helfen, denn ob er es weiß oder nicht, ich glaube, er hat dich aus einem ganz bestimmten Grund gerettet. Hier ist seine Nummer. Mach damit was du willst." Er legt sein Handy vor mir auf den Tisch und steht auf. "Ich gehe wieder zu David. Komm nach, wenn du dich entschieden hast und bring mein Handy mit." Jack grinst und ist schon an der Tür als er sich nochmal zu mir umdreht. "Noch ein Tipp. Es geht mich nichts an, ob du dich bei ihm meldest. Es geht auch erstmal niemand anderen etwas an, okay? Bei sowas passiert es schnell, dass dir jeder reinreden will, auch wenn sie es nur gut meinen. Ich kenne das. Aber du musst das für dich selbst entscheiden. Dann kannst du später besser mit den eventuellen Konsequenzen leben. Aber denk dran: Manchmal muss man über seinen eigenen Schatten springen, um zu erfahren, ob sich das alles lohnt.

So, genug gequatscht! Ich gehe mir jetzt eine kleine Blondine aufgabeln und die nehme ich mir dann so richtig vor!" Er lacht, zwinkert mir zu und schon bin ich allein.
 

Einen Moment starre ich noch die geschlossene Tür an und seufze laut. Jack sah glücklich aus. Hatte er nicht gesagt, er wäre damals auch so wie Aaron gewesen? Und jetzt ist er fest mit David zusammen. Seiner 'Blondine'.

Ohne groß zu überlegen greife ich mein Handy und speichere mir Aarons Nummer ein. Noch keine Ahnung, wie ich das anstellen soll, stecke ich mein Handy wieder ein und schnappe mir das von Jack, um es ihm zurück zu bringen.

'Manchmal muss man über seinen eigenen Schatten springen, um zu erfahren, ob sich das alles lohnt.'

Nur habe ich die Befürchtung, dass mein Schatten etwas zu groß ist, um drüber springen zu können. Ganz zu schweigen von Aarons ganz persönlichen Schatten. Wie groß der ist, darüber will ich gar nicht nachdenken.

Ich sehe, wie sich mein Gesicht in der Glasplatte vor mir spiegelt. "Du musst was ändern, Leon. Jetzt oder nie." Komischerweise lächelt mein Spiegelbild mir aufmunternd zu. Ein sehr, sehr seltenes Bild!

Hm ... vielleicht sollte ich ... Schnell tippe ich auf Jacks Handy. Und da ist sie. Seine Handynummer. Sicher ist sicher!
 

***
 

~Jack~

"Hast du ihm alles erzählt?" Mein blauer Augenstern funkelt mich an.

"Ja. Aber sag es keinem."

"Wieso?" David legt seine Arme um meinen Nacken und küsst meinen Hals. Hmm ... gut!

"Leon muss selbst aus den Puschen kommen ... Davi-boy? Mach nur so weiter. Du weißt, was dir dann blüht heute Nacht."

"Deshalb mach ich's ja ..." Mein Kleiner kichert und haucht mir einige unanständige Dinge ins Ohr. Am liebsten würde ich ihn gleich hier und jetzt, auf der Stelle ...
 

~Phil~

"Wo ist er nur?" Ich kann Leon nirgends entdecken. Als hätte er sich in Luft aufgelöst!

"Bei den ganzen Leuten hier, ist es auch schwer, überhaupt etwas zu erkennen." Flo hat recht. Aber so schnell gebe ich nicht auf!

"Komm mit nach oben!" Ich ziehe Flo mit mir die Treppen hinauf. Hier hat man einen guten Überblick. Angestrengt verenge ich meine Augen zu Schlitzen und suche den Saal ab. "Ich hab ihn!" Leon kommt gerade um die Ecke und geht auf David und Jack zu, gibt den beiden etwas und bleibt bei ihnen stehen. "Komm Flo!"

"Die reinste Schnitzeljagd hier!", lacht er und legt seinen Arm um mich. "Eins muss man dir lassen. Als bester Freund bist du unschlagbar!"

Ich bleibe auf der Treppe stehen und sehe ihn an. "Und als fester Freund? Bin ich da 'ne Niete, oder was?"

"Nein. Da bist du einfach großartig und der Beste in diesem Gebiet!" So klingt das schon besser!
 

~Leon~

Ich komme mir etwas fehl am Platz vor. Ich habe Jack und David eindeutig gestört. Besser, ich mache mich wieder auf den Weg nach Hause.

"Leon! Wir suchen dich schon die ganze Zeit." Phil und Flo kommen angerannt. Heute scheint mich jeder zu suchen. Komischer Abend! So begehrt bin ich selten.

Nun stehe ich zwischen Phil und Flo auf der einen, und David und Jack auf der anderen Seite. Zu viel glückliche Pärchenpower! "Ich gehe jetzt nach Hause. Ist schon spät", sage ich zu Phil.

"Aber ich wollte noch mit dir reden. Über Aaron."

"Brauchst du nicht. Hat Jack schon getan", mischt sich David ein und bekommt von Jack einen Klaps. Phil sieht das aber nicht und ich muss grinsen.

"Ich komme damit klar", antworte ich und das meine ich sogar ernst. Wahrscheinlich muss ich darüber nochmal schlafen, aber im Moment fühle ich mich etwas besser. Jedenfalls weiß ich, dass es nicht an mir liegt, weshalb Aaron mich abgewiesen hat.

Trotzdem mustert Phil mich eingehend. "Sicher? Willst du nicht drüber reden?"

"Nein. Ich bin müde und dadurch mehr als denkunfähig."

"Dann fahren wir dich nach Hause", sagt Flo und ignoriert Phils bösen Blick.
 

Wir verabschieden uns von David und Jack und verlassen den Club. "Jetzt sind die beiden wieder ungestört", lacht Flo und steigt ins Auto.

"Ja. Ich kam mir schon wie das fünfte Rad am Wagen vor", sage ich. Kaum auszuhalten, wenn neben einem zwei verliebte Pärchen rummachen. Und noch schlimmer: Wenn man sowas auch will! Ich schließe kurz die Augen. Aaron. Wie stelle ich das nur an? Oder besser gefragt: Will ich in dieser Richtung überhaupt was anstellen?
 

***
 

~Leon~

"Gute Nacht ihr zwei. Danke fürs Heimfahren."

"Nacht Leon." Flo winkt.

"Ruf an, falls was ist." Noch so ein Standartspruch von Phil.

"Mach ich. Tschüss!" Mein Standartspruch als Antwort.

Phils Auto fährt an mir vorbei und ich laufe zur Haustür. Alles still. Gut!

Ich schleiche mich nach oben und stehe schon vor meiner Zimmertür, als: "Leon?!" Ich zucke zusammen. Mein Vater!

"Ja?"

"Wo kommst su her? .. Hasu gedrungen?" Nein. Aber du, du alter Sack!

"Nein. Ich war bei Freunden." Meine Hand, die auf meiner Türklinke liegt, zittert.

"Bei was für Freunden? Ihr habt was ausgefress'n, oder? Ich zeig dir, was ich mit dir anstelle, wenn das rauskommt!"
 

Da es dunkel ist sehe ich ihn nicht richtig, rieche nur seinen Atem, der nach Schnaps stinkt und werfe mich gegen meine Tür. Die springt auf und ich falle hinein, mein Vater halb auf mir, der mich zurück zieht und mich dann gegen den Türrahmen schleudert. Doch ich kann ihn zurückschubsen, dem Alkohol sei diesmal dank!

Mit ganzer Kraft schließe ich meine Tür und halte den Türgriff nach oben gedrückt. So fest, dass meine Handballen schmerzen.

"Leon! Du undankbares Balk! Mach auf!" Er drückt am Türgriff und in Panik ertaste ich mit einer Hand meinen Zimmerschlüssel, stecke ihn ins Schloss und schließe ab.

"Du kleiner Arschficker! Mach sofort die Tür auf!"

Links neben meiner Tür steht eine Kommode, die ich wie immer davor schiebe wenn er so ausrastet, und dann laufe ich rückwärts bis ans andere Ende meines Zimmers. An der Wand rutsche ich langsam hinunter, spüre Tränen aufsteigen.

So kann es nicht weiter gehen! Lange halte ich das nicht mehr aus!
 

Eine Weile wütet mein Vater noch draußen herum, klopft und schlägt, beschimpft mich wüst, bis er aufgibt und ins Schlafzimmer abhaut.

"Ich mach dich fertig! Du elender Feigling! Du Missgeburt!" Ich hoffe nur, meine Mutter bekommt jetzt nicht alles ab. Sie stellt sich immer schlafend, was sie meist rettet. So wohl auch jetzt. Es wird ruhig.

Meine Hände zittern immer noch und meine Stirn samt Auge tun weh, als ich mein Handy aus der Tasche ziehe und Aarons Nummer anstarre.

'Aaron braucht jemanden, der ihn da rausholt.'

Und wie? Wie soll ich das nur alles schaffen? Ich kann mir doch kaum selbst helfen!
 

******

Kapitel 04 - Tauziehen

Und weiter geht’s!

Woll'n doch mal sehen, ob Leon nicht endlich mal von selbst aus den Puschen kommt und die kleine Chance nutzt, die sich ihm gleich bietet

Und danke für die ganzen lieben Kommentare! Mir wird schon ganz schwummerig. @_@
 

Kapitel 04 - Tauziehen
 

~Leon~

Nach einer schlaflosen Nacht, liege ich um kurz vor neun Uhr immer noch im Bett und warte darauf, dass ich endlich die Haustüre höre. Meine Eltern gehen in die Kirche. Lächerlich! Ob mein Vater für seine Sünden um Verzeihung bittet? Sollte er das nicht lieber bei mir und Mutter machen?

Ich stehe auf und dusche. Mein normaler Tagesablauf Sonntags besteht genau aus diesen Ritual: Warten bis das Haus leer ist, duschen und dann abhauen. Meist drücke ich mich im Park herum, habe ein Buch oder Comics dabei und warte so lange bis mir was anderes einfällt, einer meiner Freunde anruft oder es dunkel wird.

Das habe ich auch heute vor. Ich ziehe mich an, bewundere kurz mein Veilchen vom Türrahmen heute Nacht und schnappe meinen Rucksack.

Ich verlasse das Haus und gerade in diesem Moment piepst mein Handy. Eine SMS von Phil: *Frühstück bei Flo? Komm einfach vorbei wenn du willst.*

Ich überlege kurz. Soll ich? Richtig Lust habe ich keine. Außerdem sehen sie dann mein blaues Auge.

Das Handy wandert zurück in die Tasche. Lieber draußen im kalten hocken. Ich brauche erst einmal Zeit für mich.
 

Ich laufe mit gesenkten Kopf durch die Stadt, biege dann rechts in den Park ein, der nicht weit von unserem Haus entfernt ist.

Es liegt noch immer Schnee und ich höre, wie das kalte, weiße Zeug unter meinen Schuhen kratzig knirscht. Ich mag den Schnee, die Kälte. Da habe ich das Gefühl, dass die äußere Temperatur meiner Inneren endlich angeglichen ist.

"Leon?" Ich bleibe stehen. "Hier! Hinter dir auf der Bank." Langsam drehe ich mich um. Diese Stimme ...

"Aaron ..." Da sitzt er und lächelt mich an. Liege ich noch in meinem Bett? Träume ich noch?

"Was machst du denn bei der Kälte hier?", fragt er mich.

"Das Gleiche könnte ich dich fragen." Fassungslos starre ich ihn an. Er sitzt tatsächlich vor mir! Kein Traum! Keine Wahnvorstellung!

Er legt seinen Kopf leicht schief und klopft neben sich auf die Bank. "Setz dich doch. Ist auch trocken."

Das überfordert mich jetzt. "Ich dachte, du willst mich nicht mehr sehen?"

"Das habe ich nicht gesagt. Nur das du dir wegen mir keine Hoffnungen machen sollst."

Ich gebe mich geschlagen. Wollte ich nicht etwas in meinem Leben verändern? Außerdem ist das die Chance, irgendwie an ihn heranzukommen. Oder es zumindest zu versuchen.

"Wer hat dir das Veilchen verpasst?" Seine Hand streicht leicht über meine Wange. Mein Körper reagiert umgehend drauf und schickt kleine, glühende Pfeile in meinen Schoß und in meinen Bauch. Ich sage nichts, schaue ihn nur weiter an und genieße die leichte Berührung. Dabei versinke ich in Aarons grünen Augen und wünschte, all diese Scheiße, die zwischen uns zu stehen scheint, gäbe es nicht.

"Das war dein Vater."

"Ja."

"Dieses Schwein!" Ich zucke zusammen. Er brüllt fast. "Wie alt bist du?"

"Ähm ... Zwanzig. Wieso?"

"Warum haust du nicht ab? Scheiß auf deinen Vater und auf deine Mutter! Sie ist selbst schuld, nichts dagegen zu unternehmen oder dir zu helfen!" Aaron ist richtig in Rage.

"Was meinst du, über was ich die ganze Zeit über schon nachdenke?", frage ich ihn und schaufle Schnee mit meinen Schuhen auf einen kleinen, unförmigen Haufen.

"Denken bringt nichts. Du musst handeln."

"Soll ich das wirklich?" Ich schaue ihn an.

Er nickt. "Ja."

"Dann tu ich das jetzt einfach", erwidere ich mit zittriger Stimme und wild klopfenden Herzen. Jetzt oder nie! Ich überbrücke schnell die Distanz zwischen uns und küsse ihn. Einfach so!

So schnell wie ich ihn quasi überfallen habe, bin ich auch schon wieder von ihm abgerückt.
 

"Sorry. Ich ... also ..." Shit! Jetzt ist mir das echt peinlich. Vorher hielt ich das noch für eine gute Idee, aber jetzt merke ich, wie dumm sie doch war. Aaron hat mir doch gesagt, ich soll mir keine Hoffnungen machen.

"Man entschuldigt sich nicht für einen Kuss, du Idiot", sagt Aaron und fixiert mich. "Du machst mich echt fertig!" Nun schüttelt er seinen Kopf und lächelt dabei.

Ist das jetzt gut, oder schlecht?

Anscheinend gut, denn plötzlich ist Aaron dicht vor meinem Gesicht, wiederholt unseren Kuss, beugt sich zu mir, saugt an meinen Lippen und streichelt sie mit seiner Zunge.

Mir entweicht ein leises Seufzen und meine Hand sucht Halt an seiner Jacke.

Ganz leicht löst er sich von mir, seinen Mund immer noch ganz dicht an meinen, und wir versinken in den Augen des anderen. "Ich bin nicht gut für dich", flüstert er.

"Wieso?" Ich kann es mir denken. Seine Vorwürfe sich selbst gegenüber lassen ihn das denken. Doch ich sage es ihm nicht. Ich an seiner Stelle würde mir verarscht vorkommen und das will ich nicht.
 

Aaron senkt seinen Blick und setzt sich wieder aufrecht hin. "Da kannst du jeden Fragen. Ich bin ein Arsch."

"Das interessiert mich nicht. Ich würde gerne selbst Erfahrungen sammeln." Total nervös lege ich meine Hand neben seine, berühre sie mit nur zwei Fingern. Irgendwie kindisch, ich weiß. Aber im Moment habe ich keine Ahnung was ich sonst tun soll. Ihm jetzt einfach nahe sein, ihn vielleicht sogar trösten. Das ist alles was ich will. Ich spüre wie er mich mustert, belustigt eine Augenbraue hebt und dann meine Hand komplett ergreift.

So bleiben wir sitzen, reden nicht, schauen uns nicht an, kosten nur diese kleine Berührung aus.

Ich könnte ewig so sitzen bleiben!

Leider sieht das mein Handy nicht so. Es klingelt und jagt mir einen riesigen Schrecken ein. "Willst du nicht dran gehen?", fragt mich Aaron, als ich mich nicht rühre.

"Ähm. Ja." Will ich nicht! Mistding! Ich gehe trotzdem dran und schaue aufs Display. Phil.

"Wichtig?", fragt er.

"Phil."

"Dann solltest du dran gehen. Gute Freunde sind wichtig." Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Er klang so traurig eben.

"Ja!"

/Leon! Hast du meine SMS gelesen?/

"Ähm ... Nee. Sorry. Hab ich nicht gesehen."

/Wir frühstücken und haben viel zu viel hier. Willst du nicht vorbei kommen?/

Nein! Will ich nicht! Ich will mit Aaron im Schnee sitzen bleiben und Händchen halten. Aber sagen tue ich: "Mal sehen. Ich bin noch unterwegs. Könnte später werden. Ich überlege es mir."

/Ach so. Wir würden uns freuen. Überlege es dir. Bitte. Bis dann./

"Ja. Bis dann."
 

Ich beende das Gespräch. Neben mir steht Aaron auf und lässt deshalb meine Hand los. Sie wird augenblicklich unglaublich kalt und fühlt sich schrecklich leer an.

"Ich geh auch mal weiter. Bis irgendwann mal wieder." Sein Grinsen wirkt nicht im geringsten echt.

Ich schaue ihm hinterher, genauso wie gestern Abend. Ich kann ihn nicht schon wieder einfach so gehen lassen!

"Aaron! Warte!" In weniger als einer Sekunde bin ich aufgesprungen und bei ihm. "Willst du nicht mitkommen? Wir wollen frühstücken. Hast du Lust?"

"Du gibst nie auf, oder?"

"Naja. Normal versuche ich es erst gar nicht", sage ich. Hoffe ihn so zum mitgehen zu bewegen.

"Vielleicht habe ich ja was anderes vor." Aaron läuft langsam weiter.

"Gut. Dann komm ich einfach mit." Ich lache ihn an, finde mich gerade extrem aufdringlich, aber es wirkt.

"Okay. Du hast gewonnen. Ich komme mit."

"Super!"

"Solltest du nicht Bescheid sagen, dass noch jemand mitkommt?"

"Nö. Das macht Phil nichts aus." Ich bin mir dabei sogar sehr sicher!
 

***
 

~Phil~

"Ich glaube nicht, dass er noch kommt. Er war gestern so niedergeschlagen." Flo rührt gedankenverloren in seinem Kaffee.

"Das hat nichts zu bedeuten. Du wirst schon sehen. Er kommt!" Selbstsicher stehe ich auf und krame einen weiteren Teller hervor.

Gerade als ich mich setzen will, klingelt es. "Siehst du?" Ich renne fast schon zur Tür, öffne sie und drücke fest auf den Summer für die Haustür unten.

Und wirklich! Leon kommt um die Ecke. Doch nicht nur er. "Oh ... Hallo." Dieser Aaron ist bei ihm.

"Ich hoffe das ist okay. Aaron und ich waren gerade zusammen unterwegs. Da dachte ich, ich nehme ihn einfach mit", redet Leon auch schon los. Er sieht glücklich aus.

"Klar! Gerne kann er mitessen." Wie kam es den dazu?
 

~Leon~

Phils Gesichtsausdruck ist zum schießen und auch Flo scheint überrascht. Ihre fragenden Blicke ignoriere ich, setze mich an den wirklich übervollen Tisch, Aaron neben mir, und muss mir ein Dauergrinsen unterdrücken.

Zuerst sagt keiner was und ich glaube Aaron ist das alles mehr als unangenehm. Schließlich kennt er Flo und Phil eigentlich gar nicht. Und mich, ehrlich gesagt, ja auch nicht.

"Woher hast du das Veilchen, Leon?" Phil sieht mich an.

"Das ist nichts. Hab den Türrahmen nicht gesehen." Stimmt ja auch. Es war dunkel.

"Nur der Türrahmen?" Ich nicke. "Dein Vater ..."

"Ich will nicht drüber reden." Damit ist das Thema hoffentlich beendet.

"Dein Vater ist ein Arsch!" Alle schauen zu Aaron, der diese treffende Äußerung ausgesprochen hat. "Ich wäre da schon längst weg."

"Ach und wo hin?", frage ich. Eigentlich will ich das Thema nicht schon wieder mit allen durchkauen.

Flo schaltet sich ein. "Das Angebot steht noch. Wir haben Platz genug für dich."

"Ich will euch nicht stören. Ihr seid doch erst seit kurzem zusammen", versuche ich mich herauszuwinden.

"Du kannst auch bei mir unterkommen. Für einige Zeit." Am Tisch wird es still.

Aaron bietet mir eine Unterkunft an?
 

Ich räuspere mich und versuche nicht an meinem Brötchen zu ersticken. "Das kann ich nicht annehmen. Außerdem kennen wir uns doch gar nicht!" Auch wenn ich mir für diese Aussage in den Arsch beißen könnte, so ist es doch die Wahrheit.

"War ja nur ein Angebot. Besser, als sich verprügeln zu lassen."

Darauf sage ich nichts mehr. Hat er etwa vergessen, was er gestern Abend zu mir gesagt hat? Und nun will er, dass ich bei ihm einziehe? Ich verstehe ihn einfach nicht. Als ob er mit meinen Gefühlen tauzieht. 'Oder mit seinen.'
 

Aaron frühstückt seelenruhig weiter und die anderen zwei scheinen auch lieber ihren Teller zu begutachten. Und ich? Ich kämpfe gerade mit mir selbst. Mit meiner Vernunft, meinem Herzen und meinem Bauch.

Es steht zwei zu eins. Die Vernunft scheint zu verlieren ... Zum Glück weiß das mein Mund anscheinend nicht. Der hält die Klappe und ist mit kauen beschäftigt. Gut so!
 

***
 

~Leon~

Für den restlichen Vormittag war das Thema vergessen. Darüber bin ich mehr als froh!

Wir haben gegessen und uns unterhalten, über belanglose Dinge, Smaltalk eben. Aaron und Flo verstehen sich ausgezeichnet, machen die ganze Zeit über Späße und Phil wurde sogar Eifersüchtig. Was er nicht zugibt. Aber ich habe es ihm angesehen.
 

Entspannt sitzen wir im Wohnzimmer und ich höre zu, wie die drei über Leute reden, die ich nicht kenne. Der hat jenes gemacht, er hat ihn abgeschleppt und warum hat dieser mit seinem Freund Schluss gemacht. Die sind ganz schön am tratschen. Wenigstens scheint Phil auch nicht immer mitzukommen.

"Wollt ihr noch etwas trinken? Ich hole noch was. Leon? Hilfst du mir?" Phil greift mich am Arm. Klar komme ich mit, wenn ich so nett darum gebeten werde.
 

"Keine Angst, dass Aaron sich an Flo heranmacht?", frage ich ihn grinsend, als wir in der Küche stehen.

"Haha. Dazu gibt es keinen Grund." Ich bekomme eine Wasserflasche in die Hand gedrückt.

"Stimmt", sage ich nur. "Warum hast mich mit hier her geschliffen?" Phil hat doch bestimmt Hintergedanken dabei gehabt.

"Du überlegst sein Angebot anzunehmen." Er sieht mich ernst an.

"Nein. Tue ich nicht", lüge ich und kassiere eine weitere Flasche. Diesmal Cola.

"Du weißt wirklich alles über ihn?", möchte er ernst von mir wissen.

"Ja. Sein Freund ist tot und er gibt sich dafür die Schuld."

"Flo hat Angst, er könnte daran zugrunde gehen und dich gleich mit dazu."

Perplex schüttle ich den Kopf. "Es läuft nichts zwischen uns. Wie soll ich da zugrunde gehen."

"Aber du bist verknallt. Ich sehe es genau."

"Quatsch!" Ich und verknallt? "Das ist nur eine Schwärmerei. Ich will Erfahrungen sammeln, mich an alles heran tasten. Ich will doch nicht gleich dem ersten schwulen Kerl verfallen, dem ich in die Arme gelaufen bin!" Ich gebe nicht zu, dass er recht hat. Jack hat es mir vorgeschlagen, alles erstmal für mich zu behalten und ich halte das für eine gute Idee.

"Ich dachte auch erst, dass ihr euch vielleicht gegenseitig helfen könnt. Aber ich habe trotzdem Angst um dich."

"Das musst du nicht, Phil."

"Das ist alles noch so neu für dich. Da kann man schnell den Kopf verlieren und sich in etwas verrennen."

"Das tue ich schon nicht." Ich verlasse die Küche.

Ich verrenne mich doch in nichts! Schwachsinn!
 

"Ah! Endlich! Wir verdursten!" Flo lacht mir entgegen. Er ist immer so gut gelaunt. Es tut richtig gut, in seiner Nähe zu sein. Kein Wunder, dass Phil sich so schnell in ihn verliebt hat.

"Hier. Nicht das ich schuld bin, wenn Phil als Witwer endet."

"Zu gütig!"

Ich setze mich wieder neben Aaron. Rückt er gerade näher an mich ran? Sofort bekomme ich feuchte Hände und Herzrasen. Und wie ich verknallt bin! Das sieht doch ein Blinder. 'Mensch! Beruhige dich Leon!' Leichter gesagt, als getan. Denn Aarons Bein drückt sich gegen meines.

"Alles klar bei dir Leon?" Mit erhobener Augenbraue sieht Phil mich an.

"Könnte nicht besser sein." Ich sammle mich recht schnell wieder.

"Was habt ihr heute noch vor?", fragt uns Flo und wühlt damit meine so sorgfältig verdrängten Gefühle wieder hoch. Haben WIR noch was vor?

"Völlig planlos heute", antwortet Aaron und macht mich noch nervöser. Obwohl ich gar nicht weiß wieso.

"Ach so. Ich dachte, weil ihr schon seit heute Morgen zusammen unterwegs seid." Gott Flo! Sei ruhig!

"Wir haben uns zufällig getroffen", plaudere ich aus und hoffe, damit ist genug gesagt.
 

Aaron nimmt sein Glas und trinkt es auf einen Zug leer. "Sorry Leute. Aber ich gehe dann doch besser mal. Danke für die leckere Bewirtung. Das nächste Mal gehen eure Getränke auf mich." Er klopft auf den Tisch und steht auf. Habe ich etwas falsches gesagt? Mich falsch verhalten?

"Ich begleite dich", sage ich schnell, laufe ihm nach und hole ihn im Flur ein. Phil und Flo bleiben zum Glück im Wohnzimmer. "Bist du sauer?"

"Sollte ich?" Er dreht sich zu mir um und lächelt. Mir kullert ein kleiner Stein vom Herzen.

"Ich meine ja nur. Weil du gerade so einen schnellen Abgang hinlegst."

"Ich will nicht weiter stören."

"Hä?"

"Hast du die zwei eben nicht gesehen? Die fressen sich allein mit den Augen auf."

"Nein. Habe ich nicht." Ich hatte nur Augen für eine Person hier in der Wohnung. Dann war Flos Frage ein höflicher Rausschmiss gewesen. "Man, bin ich doof!", sage ich und klatsche mir an die Stirn.
 

Aaron zieht seine Jacke an und holt seinen Geldbeutel heraus. "Hier. Meine Adresse. Ruf an oder komm vorbei falls etwas sein sollte." Er reicht mir eine kleine Adresskarte.

"Dann hast du das ernst gemeint?"

"Ja." Er greift unter mein Kinn und seine Augen funkeln mich an. Mir wird schwummerig und meine Knie werden weich. "Du magst dich schlecht dabei fühlen, aber glaub mir, wenn du den Absprung erst einmal geschafft hast und du zu dir selbst stehst, wird es dir viel besser gehen." Er haucht mir einen zarten Kuss auf die Lippen und lächelt mich wieder an. "Wir sehen uns, Leon." Aaron dreht sich um und verschwindet durch die Tür.

Ich bleibe zurück und starre die geschlossene Tür an.

'Wir sehen uns, Leon.'
 

******

Kapitel 05 - Entscheidungen

Jetzt geht’s richtig los! Leon rappelt sich endlich auf und ist bereit, was in seinem Leben zu verändern. Doch leider kommt es ja bekanntlich immer anders als man denkt.
 

Kapitel 05 - Entscheidungen
 

~Leon~

Ich bin auch nicht mehr lange bei Flo und Phil geblieben. Ich wollte die zwei frisch Verliebten nicht länger stören. Phil schien hin und her gerissen, mich endlich gehen zu lassen und mich weiter zu befragen. Natürlich über mich und Aaron. Ich sagte, ich will nicht weiter drüber reden, da es nicht bedeutsam wäre. Ich weiß, dass er mir nicht geglaubt hat. Ich glaubte mir ja selbst nicht.

Seitdem habe ich ein paar mal mit Phil telefoniert. Außerdem schickt er mir jeden Tag SMS, fragt ob alles in Ordnung sei. *Ich habe alles im Griff*, schreibe ich ihm dann jedes Mal. So geht das seit Sonntag, was jetzt fast eine Woche her ist.

Aber was kann Phil schon großartig tun? Ich muss das allein hinbekommen. Und ich glaube, ich bin auf dem besten Wege dazu, dass auch zu schaffen.
 

"Leon! Die Teiglinge! Flott!"

"Ja, Papa." Und nun stehe ich wie jeden Morgen in unserer Bäckerei.

Heute Morgen ist mein Vater wieder ein totaler Tyrann. Sicher hat er einen Kater vo seinem Saufgelage gestern Abend. Ich hasse es! Die Arbeit könnte mir so viel Spaß machen, wenn er nur nicht wäre.

Die ganze letzte Woche habe ich damit verbracht, heimlich nach einem Job zu suchen. Und heute habe ich ein Probearbeiten. In einer kleinen Druckerei für Werbeplakate. Sozusagen als Mädchen für alles. Es wird nicht gerade gut bezahlt, aber es reicht. Besser als das hier.

Ich arbeite heute bis halb zwölf in der Bäckerei und dann gehe ich gleich los. Jetzt noch die fertigen Backwerke in den Laden bringen und die Kunden bedienen.

"Trödel nicht so rum! Beweg dich!" Ich bekomme einen Stoß in die Seite. Danke auch! Heute ist er noch unausstehlicher als sonst, und macht mir damit meine Entscheidung nur noch schmackhafter.
 

Mit Aaron habe ich seit letzten Sonntag auch keinen Kontakt mehr. Ich möchte mich ihm nicht aufdrängen. Und ehrlich gesagt, wenn ich ihn das nächste Mal sehe, will ich ihn mit meinem neuen Job überraschen. Er soll sehen, dass ich seinen Rat angenommen habe und ihm dafür danken. Für alles.

Nur wie stelle ich das an? Soll ich ihn dann anrufen? Einfach zu ihm gehen? Ihn wieder in den Clubs und Bars suchen? Ich habe keine Ahnung! Ich weiß nicht, wie man sowas am besten anstellt. Vielleicht schicke ich auch nur eine kurze SMS, einfach: 'Hallo Aaron, habe endlich einen anderen Job. Leon.' Hört sich auch nicht gerade gut an.

Immer wieder gehen mir seine letzten Worte durch den Kopf. Und dann die Frage, wieso er seine Meinung geändert hat und mich sogar bei sich aufnehmen will, falls ich nicht weiß wohin, was ich natürlich nicht annehmen kann. Schließlich habe ich da noch Phil, der mir unbedingt helfen will. Auch wenn sich alles in mir nach Aaron sehnt, ich glaube es wäre falsch, mich ihm aufzudrängen.

Ich seufze und öffne unseren Laden. Vielleicht fällt mir auch noch etwas besseres ein, dass ich ihm schreiben könnte. Einfach mal so. Ganz unverbindlich. 'Hallo Aaron. Ich vermisse dich und möchte dich so gern wiedersehen. Dein Leon.' Ich muss grinsen. So ein dummes Zeug!
 

***
 

~Leon~

Das Probearbeiten verlief gut. Ich bekam die großen Maschinen gezeigt, durfte mir Entwürfe ansehen und Plakate zuschneiden. Der Chef war sehr zufrieden mit mir. Und was soll ich sagen? Ich hab den Job! Nächste Woche fange ich an!

Damit ergibt sich das größte Problem. Wie mache ich das meinen Eltern klar? Sage ich lieber nichts? Ziehe ich einfach heimlich aus? Tja, und wohin schlussendlich?

Aaron ... 'Auf keinem Fall!' Also bleibt es bei Phils Angebot. Mit dem Job kann ich ihm auch etwas Miete bezahlen. Ich rufe Phil nachher einfach an und frage ihn.
 

Doch vorher das Wichtigste. Etwas, dass ich mir so viele Male vorgestellt habe und es endlich tue! Ich stehe vor meinem Kleiderschrank und packe mein Zeug in den Koffer. Viel ist das nicht. Bis auf Kleidung, Bücher und Laptop brauche ich auch nichts.

Mein großer Rollkoffer ist schnell gepackt. Und jetzt? Erst Phil anrufen und dann meine Eltern Bescheid sagen. Oder nur Phil anrufen und gleich abhauen? Ich kann auch einfach einen Brief hinterlassen.

Ich habe Angst. Bestimmt stehen mir die letzten Schläge bevor, wenn ich jetzt die Bombe platzen lasse. Aber das schaffe ich schon. Habe ich bis jetzt immer.

"Leon? Kommst du zu? Abendessen!" Meine Mutter ruft. Dann mal los!
 

Am Tisch herrscht Stille. Papa hat schlechte Laune und jeder Ton könnte ihn jetzt zum ausrasten bringen. Mich verlässt der Mut.

Ich warte besser auf morgen. Noch einen Tag in der Bäckerei ... Bitte nicht! Ich haue einfach ab. Heute Nacht noch! Ja ich weiß. Ich bin ein Feigling. Aber dafür einer ohne eingeschlagenen Schädel.

Wir essen fertig und ich helfe meiner Mutter noch abräumen. Mein Vater sitzt wieder mit einem Bier vorm Fernseher. Hoffentlich bleibt es nur beim Bier.

"Mama?"

"Ja?"

"Warum ziehen wir nicht einfach aus?" Sie schaut mich ängstlich an, dann ins Wohnzimmer. "Papa hört nichts. Der Fernseher dröhnt bis hier her."

"Leon! Du weißt ..."

"Ja, ich weiß! Aber mit deinem Eheversprechen hat das nichts zu tun. Irgendwann bringt er einen von uns noch um!"

Unbeirrt räumt sie die Spülmaschine ein. "Das wird er nicht. Er liebt uns. Wir sind seine Familie."

"Er liebt uns? So sehr, dass er es vor Liebe nicht mehr aushält und um sich schlägt!"

"Das ist der Alkohol! Das weißt du! Wir beten jeden Tag, dass er die Kraft findet ..."

"Beten?" Das darf doch nicht wahr sein! "Würdet ihr auch für mich beten?", frage ich sarkastisch.

"Natürlich mein Schatz! Was hast du?"

Ich bin so wütend! Immer redet sie so einen Stuss! Vielleicht finde ich deswegen den Mut, das zu sagen, was ich gleich sagen werde. "Bete für mich, dass er mir nicht den Schädel einschlägt, wenn er erfährt, dass ich schwul bin."
 

Da war es! Nun ist es raus! Mein Puls rast und ich unterdrücke die aufkommende Panik.

Meine Mutter sieht mich erschrocken an, schüttelt leicht den Kopf und macht weiter mit ihrer Hausarbeit. "Geh lieber ins Bett, Schatz. Du weißt, wir müssen morgen wieder früh aufstehen."

Das ist so typisch! Sie verdrängt es. "Dann gute Nacht. Und pass auf, dass er dich nicht im Schlaf erwürgt!" Ich weiß, das war gemein. Sehr gemein sogar. Aber ich bin so wütend! Und vor allem bin ich mir jetzt sicher: Aaron hatte recht! Mit allem! Ich muss mich selbst retten. Ich kann nicht noch meiner Mutter hier raus helfen, wenn sie es doch gar nicht will.
 

Ich schließe meine Zimmertür. Mein Koffer steht im Schrank, bereit mit mir ein neues Leben zu beginnen. Und plötzlich freue ich mich drauf! Ich kann endlich der sein, der ich bin! Aaron hatte schon wieder recht. Einmal die Entscheidung getroffen, geht es mir besser.

Ich setze mich an meinen kleinen Schreibtisch und schreibe einige Zeilen. Nicht, dass sie mich suchen. Das sollen sie nicht. Ich schreibe nichts weltbewegendes, nur das ich es nicht mehr aushalte und von hier weg muss. Das ich schwul bin, verschweige ich. Meine Mutter weiß es ja jetzt. Wenn mein Vater das noch erfährt, gibt er ihr bestimmt die Schuld daran, so wie ich ihn kenne.

Relativ gut gelaunt und zufrieden mit den paar Sätzen, die ich geschrieben habe, lege ich mich noch angezogen ins Bett und warte bis ich endlich von hier abhauen kann. Vorher noch, sage ich Phil Bescheid.

Ich wähle seine Nummer, doch niemand geht ran. Auch bei Flo meldet sich nur die Mailbox. Gut, dann probiere ich es nachher nochmal. Jetzt heißt es warten! Genug Zeit also, um mich auf alles vorzubereiten.
 

***
 

~Leon~

Kurz vor Zwei. Mein Vater ist vor einer Stunde endlich ins Bett geschwankt. Nur um sicher zu gehen, habe ich noch so lange gewartet, obwohl ich sicher bin, dass er schon längst im Koma liegt.

Die weiteren Anrufe bei Phil und Flo waren vergebens. So ist mein Leben! Brauche ich jemanden, ist keiner da. Ich klingle einfach bei ihnen und sollte keiner da sein, penn ich in der Bahnhofshalle. Wäre nicht das erste Mal.
 

Leise schleiche ich mich mit meinem Koffer in den Flur. Er ist schwer und ich befürchte, nicht ganz ohne Lärm die Treppen hinunter zu kommen. Ich muss all meine Kräfte sammeln. Tief atme ich ein und hebe meinen Koffer hoch. 12 Stufen liegen vor mir. Im Dunkeln!

Knarrend bahne ich mir meinen Weg in die Freiheit und nach bangen Minuten, die mir wie Stunden vorkommen, bin ich endlich unten. Ich könnte schreien vor Freude!

Ich schließe die Tür auf und trenne meinen Haustürschlüssel vom Schlüsselbund. Den brauche ich nicht mehr.

Ich will ihn gerade auf die Schuhkommode legen, da poltert es laut hinter mir. "Leon?! Was machst'n da!?" Mein Vater! Ich dachte, er wäre im Bett! Er muss doch noch unten gewesen sein, den der Fernseher läuft. Wieso ist mir das nicht schon viel eher aufgefallen?!

"Papa! Du ... Ich dachte du schläfst?" Ich öffne schnell die Tür. Im Notfall lasse ich meinen Koffer eben hier.

Doch ich habe keine Chance. Keine Ahnung, wie er trotz des Alks, den er schon intus hat, so schnell sein kann. Er zieht mich am Kragen zurück, sodass ich kaum noch Luft bekomme. "Wolltest du abhauen? Du kleine, undankbare Ratte! Da füttert man dich zwanzig Jahre durch, und du schleichst dich Nachts weg?!" Er steht ganz dicht vor mir, Spucketröpfchen und Alkoholgeruch treffen mich.
 

Ich werde nach oben geschleift, in mein Zimmer gestoßen und dann schließt er die Tür hinter sich.

Ich kann nichts tun, außer abzuwarten. Sein Gesicht ist rot vor Wut und seine Augen fixieren mich wütend. Ich weiß nur zu gut, was mir jetzt blüht!

"Ich zeig dir, was mit kleinen Verrätern in unserer Familie passiert. Deine Mutter musste die Lektion schon lernen, jetzt bist du dran." Meine Mutter? Sie wollte auch schon mal von hier verschwinden?

Weiter kann ich nicht drüber nachdenken, denn plötzlich trifft mich seine Hand mitten im Gesicht und ich gehe zu Boden.

Ich rolle mich zusammen, versuche Kopf und Bauch zu schützen. Wie immer, wenn er ausrastet.
 

***
 

~Leon~

"Du bleibst hier! Verstanden?!" Mein Vater knallt die Tür zu, schließt von außen ab. Ich liege noch immer auf dem Boden und höre, wie er wieder nach unten poltert. Von drüben, dem Schlafzimmer, in dem meine Mutter 'schläft', kommt mein Mucks. Sie wird mir nicht helfen. Wie immer. Alles ist wie immer.

Tränen laufen brennend über mein Gesicht. Alles an mir schmerzt und ich schmecke Blut. Doch es sind keine traurige Tränen. Nein. Ich bin sauer! Sauer auf meine Mutter, die mich nie beschützt hat, natürlich auf meinen Vater, der mich immer verprügelt und verbal fertig macht und besonders auf mich, weil ich mir das bis jetzt alles gefallen lassen habe.

Jetzt ist endgültig Schluss! Am liebsten würde ich schreien und mich gegen die verschlossene Tür werfen, doch das wäre unklug und mir fehlt sowieso die Kraft dafür.
 

Keine Ahnung woher ich dann doch die Kraft zum Aufstehen nehme, aber ich schaffe es. Vielleicht ist es die ganze Wut in mir, die mir dabei hilft, bis zu meinem Fenster zu laufen, um es zu öffnen. Mit Hilfe meines Schreibtisches schaffe ich es auf den Fenstersims.

Nein, ich möchte nicht springen. Ich klettere auf das rutschige Vordach und hangle mich an einem Ast unseres Apfelbaums entlang. Dumme Idee, durch die Vordertür zu entkommen. Ich hätte es wie früher machen sollen. Übers Vordach auf den Baum und dann runter.

Die Schmerzen ignoriere ich, als ich an einem der dickeren Äste entlanghangle und beiße die Zähne zusammen. Ich muss hier weg!

Doch wohin? So will ich auf keinen Fall zu Phil und Flo. Ich muss zu jemanden der mich versteht. Wenigstens ein klein bisschen. "Aaron", flüstere ich, als ich wieder sicheren Boden unter den Füßen habe.

Ich kenne seine Adresse bereits auswendig, habe sie stundenlang auf der kleinen Adresskarte angestarrt und weiß schon längst, wie ich dort hinkomme. Entschlossen laufe ich los. 'Nur noch weg von hier!'
 

***
 

~Aaron~

Erst hielt ich das Klingeln für einen Teil meines Traum, wurde dann aber schnell wach und bemerkte, es ist meine Wohnungsklingel, die mich da so nervt.

Extremst angefressen stehe ich auf, nur in Shorts. Soll der Pisser ruhig sehen, dass ich schon am pennen war. Verdammt! Es ist vier Uhr, mitten in der Nacht!

"Ja!? Was willst du Ar... Leon!" Was ist den mit ihm passiert? Augenblicklich bin ich hellwach. "Scheiße! Komm rein!"

"Aaron ..." Heulend fällt er mir um den Hals.

War das sein Vater? Mit Sicherheit. Was für ein mieses Arschloch! Wut brandet in mir auf, die ich jedoch hinunterschlucke. Zeit zum wütend sein habe ich später noch. Jetzt muss ich erstmal andere Prioritäten setzen.

"Komm mit." Ich gehe mit ihm ins Schlafzimmer und helfe ihm beim Hinsetzen. Sein Gesicht ist geschwollen und mit Blut und Tränen verschmiert. Fassungslos schaue ich ihn mir an. "Was ... Wie?" Ich schüttle meinen Kopf. Was soll man dazu noch großartig sagen?

"Warte hier", sage ich leise und gehe ins Bad. Ich muss mir einen Überblick über seinen körperlichen Zustand verschaffen.

Ich fülle die Badewanne mit warmen Wasser und kehre zu Leon zurück. Unbewegt sitzt er noch auf der Bettkante und starrt vor sich hin. Er wirkt total apathisch, was wohl auch kein Wunder ist.

"Klamotten aus. Ich muss dich verarzten." Hoffentlich ist nichts gebrochen. Oder gar eine Gehirnerschütterung. "Ist dir schwindelig? Oder schlecht?"

"Nein." Seine Stimme klingt zittrig.

"Gut."

Vorsichtig schäle ich ihn aus seinen Klamotten, wobei er immer wieder schmerzhaft zusammen zuckt. Der Rest seines Körpers sieht auch nicht besser aus. Eklige blaue und rote Flecken zieren seinen Oberkörper. Wie kann ein Vater das seinem Kind nur antun?
 

Als es nackt vor mir sitzt, ziehe ich ihn auf die Beine. Ich schnappe ihn mir einfach und gehe mit ihm ins Bad. Ohne Kommentar klettert er von selbst in die Wanne.

Scharf zieht er die Luft ein, als das warme Wasser seinen lädierten Körper umspült.

"Soll ich dich alleine lassen?", frage ich ihn und reiche ihm Waschlappen und Seife.

"Ich packe das schon." Er versucht ein Lächeln, doch daraus wird nichts.

"Wenn was ist, ruf einfach."

Mit zittrigen Beinen schließe ich die Badezimmertür hinter mir. Er steht unter Schock. Eindeutig. Keine Ahnung wie er es bis zu mir gepackt hat, in seinem Zustand. Und warum er nicht zu seinem Freund Phil ist. Nie hätte ich gedacht, dass er mein Angebot annimmt. Auch wenn ich es mir irgendwie insgeheim erhofft habe. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, wird sich noch zeigen.
 

Ich warte im Schlafzimmer, bis er in meinem Bademantel gehüllt vor mir steht. Seine Augen sind geschwollen vom weinen und eins zusätzlich von einem Schlag ins Gesicht. Aber wenigstens sieht er jetzt schon etwas besser aus, als vorhin.

"Leg dich hin. Dann schaue ich mir deine Verletzungen an."

Er schlurft zu mir und legt sich tatsächlich hin. "Halb so wild. Ist doch wie immer. Kann ich bei dir schlafen heute Nacht?"

Hat man dafür noch Worte? "Natürlich! Meinst du, ich schmeiße dich jetzt wieder raus?" Seine blauen Augen füllen sich wieder mit Tränen. "Hey. Nicht weinen. Ist doch alles gut jetzt."

Ich lege mich zu ihm und drücke ihn an mich. Sein ganzer Körper zittert und schon weint er los. Ich halte ihn fest und streichle über seine blonden Locken. Und was jetzt? Es steht außer Frage, dass er hier bleibt. Zurück, zu seinem Schwein von Vater lasse ich ihn ganz bestimmt nicht mehr.

Oh man! Habe ich überhaupt eine andere Wahl, als ihn in mein Leben zu lassen? Dieser kleine Lockenkopf hat sich einfach da hinein geschlichen und will anscheinend nicht mehr gehen.

Doch kann ich das? Kann ich ihm helfen?
 

******

Kapitel 06 - Neuanfang

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 06 - Neuanfang (ohne Adult)

Kapitel 6 - Neuanfang (Ohne Adult)
 

~Leon~

Scheiße! Mir tut alles weh!

Jedes Mal, wenn ich mich nachts im Schlaf bewegte, wurde ich wach und stöhnte gequält auf. Aaron nahm mich dann immer vorsichtig in den Arm und beruhigte mich, wenn wieder ein Heulkrampf drohte. Keine Ahnung wieso ich auf einmal so weinerlich bin. Sonst bin ich gar nicht so. War wahrscheinlich alles ein wenig viel die letzten Wochen über.

Ich drehe mich auf den Rücken und wieder entkommt mir ein Schluchzen. Nur ist Aaron jetzt nicht mehr bei mir im Bett um mich zu trösten und leise Worte in mein Ohr zu flüstern. Wo ist er?

Ich quälte mich hoch und mein Blick fällt auf einen Zettel, der an der geschlossenen Schlafzimmertür hängt. Ich stehe in Zeitlupe auf, zische dabei einige Male schmerzerfüllt, und reiße ihn ab.
 

Guten Morgen Leon.

Ich muss auf die Arbeit. Bediene dich einfach in der Küche, Kaffee ist in der Kanne. Bleib solange du willst und wenn was ist, mail mir einfach.

Aaron.
 

Ich schaue mir den Zettel noch eine Weile lang an und lege ihn dann auf das Nachtschränkchen. Immer noch kommt mir hier alles so surreal vor. Er hat mich kein einziges Mal gefragt, was passiert ist. Das konnte er sich, anhand meines Körpers, wohl auch selbst denken, befürchte ich.

Ich atme tief ein, wobei es in meiner rechten Seite furchtbar zieht. Was mache ich jetzt? Ich habe nichts dabei. Nur das, was ich gestern am Leib hatte. Ich schaue auf die Uhr. Halb elf. Ob ich schon gesucht werde? 'Natürlich! Sei nicht so naiv.'

Ich greife nach meiner Jeans, die vor mir auf dem Boden liegt. In der Hosentasche ist mein Handy, noch ausgeschaltet. Ich schalte es ein, neugierig, ob jemand probiert hat mich zu erreichen. Und tatsächlich! Sieben verpasste Anrufe und eine SMS. Die SMS kann nicht von meinen Eltern sein. Die wissen nicht wie das geht.

Sie ist von Phil.

*Mensch wo bist du? Dein Vater war bei mir Zuhause, hat herumgebrüllt. Ich soll dir sagen, dass du sfort nach Hause kommen sollst. Geht es dir gut? Melde dich bitte bei mir sobald du das liest!* Ach? Auf einmal ist er erreichbar? Aber ich bin froh. Wäre ich zu Phil, hätte er mich also schon gefunden.
 

Ich rufe Phil gleich zurück, damit er sich keine Sorgen machen muss, und der hebt nach dem ersten Klingeln schon ab. /Leon?! Geht's dir gut? Wo bist du?/

"Morgen Phil. Mir geht's beschissen. Aber ich bin wohl auf."

/Was ist denn passiert?/

Ich erzähle ihm alles und auch das ich bei Aaron bin. "Sag keinem etwas davon, hörst du? Ich will nicht das Aaron Ärger bekommt."

/Ich sage nichts. Im Moment bist du bei ihm anscheinend auch besser aufgehoben, als bei uns./ Sehe ich auch so. /Aber sag bitte Bescheid, wenn du was brauchst./

"Geht diesmal einer von euch ans Handy?" Das musste jetzt sein!

/Das tut uns so leid! Wir waren schlafen und haben beide Handys im Wohnzimmer liegen gelassen./

"Schon okay. Mach dir keinen Kopf. Ich geh jetzt noch eine Runde schlafen. Bin total müde."

/Ist gut. Bye. Und pass auf dich auf!/

"Mach ich. Bye."
 

In Wirklichkeit bin ich viel zu aufgekratzt um zu schlafen.

Ich stehe auf und ziehe mir einfach eine Unterhose von Aaron an, die er mir allem Anschein nach schon bereitgelegt hat. Was anderes bleibt mir auch gar nicht übrig. Leider sind auch meine Klamotten nicht wirklich sauber, weshalb ich nach minutenlangem Zögern an Aarons Schrank gehe. Mit einer viel zu großen Hose und einem riesigen Pulli gehe ich schließlich auf Erkundungstour durch Aarons Wohnung.
 

Überall moderne, helle Möbel in einer geräumigen Altbauwohnung. Sie hat einen großen Balkon und sogar einen Kamin im Wohnzimmer. Es gefällt mir augenblicklich hier. Nicht so wie bei uns zuhause. Dort scheint alles in den 80ern stehen geblieben zu sein. Ich sage nur Eiche Rustikal. Von der vorherrschenden Stimmung dort will ich erst gar nicht anfangen. Nicht schon wieder.

Als nächstes suche ich die Küche auf. Sie ist in einem warmen Cremé-Ton gehalten. Dunkles Holzparkett mit einer Kochinsel in der Mitte und einem großen Holztisch daneben. Aaron hat ihn gedeckt. Wie nett von ihm.

Grinsend setze ich mich hin und bediene mich einfach, so wie er es geschrieben hat.
 

***
 

~Leon~

Mittags, ich liege gemütlich vor dem riesigen Fernseher auf der breiten Couch, klingelt plötzlich das Telefon. Soll ich dran gehen? Ich gehe hin und bevor ich mich entscheiden kann geht schon der Anrufbeantworter dran.

/Hallo Leon. Ich bin's. Bist du da?/ Aaron! Sofort hebe ich ab.

"Ja. Bin da."

/Schön/, schmunzelt er, was mein armes Herz zum Stolpern bringt. /Ich wollte nur fragen, wie es dir geht./

"Gut. Ich teste gerade deinen kleinen Fernseher. Von dem Ding bekommt man ja Augenschäden." Ein Kino ist echt nichts dagegen.

Ich höre ihn abermals lachen. /Ich bringe heute Abend was zu Essen mit. Willst du was bestimmtes?/

"Nö. Mach nur was du denkst."

/Okay. Bis heute Abend./

"Ja. Bis dann."

Aaron scheint kurz zu zögern, oder zu überlegen, ob er noch was sagen soll, legt dann aber auf. Ich wundere mich drüber, aber vielleicht ist die Reaktion ja normal, schließlich habe ich ihn letzte Nacht quasi überfallen.

Bestimmt ist es besser, doch zu Phil oder Flo zu gehen. Nur so lange, bis ich was eigenes finde. Aaron will mich bestimmt nicht ewig bei sich haben. Zwar bleibt dann das Problem, dass mein Vater dort wieder aufkreuzen könnte, aber Phil kann ja lügen, er wüsste nicht, wo ich bin.

Das entscheide ich aber erst später. Jetzt ist erstmal ausruhen angesagt! Ich werfe mich wieder aufs Sofa, natürlich ganz vorsichtig, weil mir immer noch alles weh tut, und schalte die Glotze wieder ein. Trotz meiner Verletzungen habe ich mich lange nicht mehr so wohl gefühlt.
 

~Aaron~

Mit Döner und Salat bewaffnet öffne ich meine Wohnungstür. Vom Flur aus kann ich schon den Fernseher hören und muss grinsen. Da hat er anscheinend den ganzen Tag vor verbracht. Es sei ihm gegönnt.

Das Essen lege ich auf den Küchentisch, den Leon schon frei geräumt hat. Wenigstens ist er ordentlich.

Leise laufe ich ins Wohnzimmer und schaue aufs Sofa, auf dem Leon friedlich schlummert. Er sieht so niedlich aus. Verdammt! Das sollte mir nicht mehr passieren! Ich will mich nicht mehr so eng an einen anderen binden!

Aber tue ich das nicht gerade? Nein! Seit Wochen! Seit unserem verfluchten ersten Kuss geht er mir nicht mehr aus dem Kopf! Immer wieder laufen wir uns über den Weg und nun liegt er hier, in meiner Jogginghose und schläft friedlich.

Seufzend beuge ich mich über ihn. Vorsichtig streichle ich seine Wange und wische ein paar seiner blonden Löckchen beiseite. Sofort runzelt er im Schlaf die Stirn und murmelt vor sich hin. "Leon?"

"Hmsn ..."

"Komm essen."

Müde heben sich seine Augenlider und sehen mich verschlafen an. Wie kann man nur so niedlich aussehen? Und warum kann mich dieser Anblick nicht einfach kalt lassen?

"Essen?", fragt er und setzt sich endlich auf.

"Jepp. Döner. Beeil dich. Sonst wird alles kalt."

Ich laufe schon mal vor und packe alles aus. Leon kommt hinter mir hergeschlurft und setzt sich an den Tisch.

"Hast du gut geschlafen?", frage ich ihn und erhalte nur ein schwaches Kopfnicken. "Noch nicht aufgehört damit, was?"

"Nicht wirklich." Er scheint schon wacher zu werden.
 

Nachdem ich uns mit Getränken versorgt habe, setzte ich mich neben ihn und wir fangen an zu essen. Gefräßiges Schweigen wäre zu viel gesagt. Es herrscht peinliches Luftanhalten und ich bin mir gar nicht sicher, warum genau.

Immer wieder versuche ich ihm in die Augen zu schauen, aber er weicht mir aus. So geht das nicht!

"Hat sich jemand bei dir gemeldet? Deine Eltern?", frage ich daher und hoffe, dass er gesprächiger wird.

"Einige Anrufe auf dem Handy. Das war's."

"Gut."

"Mein Vater war bei Phil Zuhause und hat einen Aufstand geprobt."

"Was?!" Mir fliegt fast der Döner aus dem Gesicht.*

"Halb so wild", winkt Leon ab. "Phil geht es gut."

Schön das es Phil gut geht, aber ich dachte dabei eher an Leon. "Also geht es dir nicht gut."

"Doch."

"Du bist ein schlechter Lügner, Kleiner."

Er seufzt und lässt den Döner auf seinen Teller sinken. "Ich weiß nur nicht wohin ich jetzt noch soll. Ich hatte vorgehabt zu Phil zu gehen. Doch da kann ich mich im Moment nicht blicken lassen, fürchte ich."

Autsch. Also will er nicht bei mir bleiben. Na, vielleicht ist das besser so. Aber er kann nirgends hin.

"Dann bleibst du bei mir. Dein Vater kennt mich nicht."

"Ich falle dir ungern zur Last …"

"Das tust du nicht." Im Gegenteil. Mist!

"Ich habe aber keine Kleidung dabei. Mein Koffer steht noch daheim." Koffer?

"Dein Koffer?"

"Ja. Ich habe gestern heimlich meinen Koffer gepackt und wie ich nachts abhauen wollte, hat er mich erwischt, in mein Zimmer gesperrt und ..." Er senkt seinen Kopf. Den Rest braucht er mir gar nicht zu erzählen. Wie das ausgegangen ist, sieht man ja.

"Wie bist du da raus gekommen?", frage ich um ihn abzulenken.

"Aus dem Fenster. Das habe ich früher schon immer gemacht. Nur mit meinem Koffer ging das nicht."

"Scheiße." Er ist in seinem Zustand gestern noch aus dem Fenster geklettert und dann noch zu mir gelaufen? Woher nimmt er nur diese Kraft? Erst um das alles zu überstehen und jetzt, um von seinem furchtbaren Elternhaus los zu kommen. Ich finde noch nicht mal genug Kraft um endlich zu Andys Grab zu gehen ...
 

Nicht an Andy denken! "Dann müssen wir dir was besorgen. Zum Anziehen."

"Ich hab dafür nicht genug Geld."

"Dann bezahle ich."

Er sieht mich an und schüttelt den Kopf. "Nein! Das kann ich nicht annehmen!"

"Hast du eine bessere Idee?"

Er überlegt kurz und flüstert dann: "Meine Eltern sind morgens in der Backstube. Ich könnte meinen Koffer schnell holen. Falls er noch da ist."

"Du willst dahin zurück?"

"Muss ich ja wohl. Ich brauch einiges davon. Das kann ich mir nicht einfach neu kaufen."

Uff. Okay. Wenn er das unbedingt will. "Ich fahre dich morgen früh hin. Keine Widerrede! Das erledigen wir noch vor meiner Arbeit."

Plötzlich strahlen seine Augen. Der Kleine hat ganz schöne Gemütsschwankungen. "Ich habe auch einen! Einen neuen Job!", verkündet er plötzlich lautstark.

"Echt? Super!" Er startet ja voll durch! Ist das mein Verdienst? Wohl eher nicht.

"Ja. In einer Werbedruckerei."

"Tatsächlich? Mit Druckereien arbeite ich auch viel zusammen. Wie heißt die Firma?" Er nennt mir den Namen. "Die kenne ich. Ein kleiner Betrieb zwar, aber gut. Meinen Glückwunsch!" Er strahlt regelrecht. Ich glaube, ich habe mir da ungewollt ein ganz süßes Früchtchen an Land gezogen.
 

***
 

~Leon~

Es ist noch dunkel und im Haus sind die Lichter aus. Ich weiß, dass keiner da ist. Unwohl ist mir trotzdem. Ich will da nicht rein. Alles in mir drängt danach, die Beine in die Hand zu nehmen, und von hier zu flüchten, aber ich kann nicht. Da sind noch meine Sachen drinnen. Die brauche ich!

"Ich komme mit", flüstert Aaron neben mir.

"Das musst du nicht." Obwohl es mich wirklich beruhigen würde.

"Ich will aber." Dankbar lächle ich ihn an, bevor ich aussteige, und meinen Schlüssel aus der Jackentasche krame.

Zum Glück hatte ich ihn mir gestern Abend vor Schreck schnell in die Jacke gesteckt und nicht fallen gelassen.
 

Leise laufen wir durch den Hof und bleiben vor der Tür stehen. Mit laut klopfenden Herzen schließe ich auf. Leise schwingt die Tür auf.

"Er ist nicht mehr hier." Das erkenne ich auf den ersten Blick. Der Koffer ist weg. Mist! Ich dachte, wir können sofort wieder weg von hier.

"Dann suchen wir ihn." Aaron läuft an mir vorbei und macht Licht im Flur. Ich laufe ihm hinterher.

"Erstmal hoch", flüstere ich und komme mir komisch vor. Ich breche in mein eigenes Zuhause ein. Oder besser gesagt, in mein altes Zuhause.
 

Ich renne die Stufen fast hoch, überhole dabei Aaron und betrete mein Zimmer.

"Ach du scheiße!", sagt Aaron, der hinter mir steht, und ich kann ihm nur zustimmen. "Dein Alter ist krank."

Überall im Zimmer sind meine Sachen verstreut. Der Koffer ist kaputt geschlagen und sogar die Möbel. Mir kommen die Tränen. Nicht wegen meinem Zeug, sondern wegen meiner Mutter. Hoffentlich geht es ihr gut! Ich schluchze auf, kann es nicht unterdrücken.

"Hey. Komm her." Aaron nimmt mich fest in die Arme und tröstet mich. Ich verstecke mein Gesicht in seiner Jacke und flenne los. Es dauert, bis ich mich wieder einigermaßen im Griff habe. Zeit die wir nicht haben.

"Ich muss wissen, wie es Mama geht", schniefe ich und hebe ein paar Sachen auf. Nicht mehr zu gebrauchen. Einiges ist regelrecht zerfetzt worden.

"Lass das liegen. Du brauchst neue Sachen. Wir gehen morgen einkaufen. Da habe ich frei."

Ich hocke mich bin. "Das war mein Lieblingsbuch." Ich halte die zerfledderte Ausgabe von Clive Barkers 'Imagica'** in der Hand. Hardcover, deutsche Erstausgabe. Natürlich Limitiert. Hat mich damals ein Vermögen gekostet, als ich es auf Ebay entdeckt hatte. "Shit!" Laut landet es wieder auf dem Fußboden. "Ich habe einen Haufen Asche dafür ausgegeben."

Ich suche weiter. Im hintersten Eck liegt mein Laptop. Ein großer Sprung zieht sich quer über das Display. Ich nehme ihn trotzdem mit. Vielleicht kann ich meine Daten noch retten.

"Wir sollten gehen."

"Ja", antworte ich und stehe auf. Aaron legt einen Arm um mich und gemeinsam gehen wir aus meinem ehemaligen Zimmer. Endgültig, wie ich hoffe.
 

Ich schließe wieder ab, werfe den Schlüssel in den Briefkasten und bleibe nochmal vor diesem furchtbaren Haus stehen. So viel ist da drinnen passiert und niemand hat es je bemerkt …

"Komm. Gehen wir." Aaron zieht mich weg. Schnell laufen wir zum Auto und fahren los. Ich umklammere meinen Laptop. Das wird Unmengen kosten, falls ich das nicht selbst hinbekomme.

"Hoffentlich ist die Festplatte noch okay. Da ist mein halbes Leben drauf."

"Ich kann meinen Kollegen mal einen Blick drauf werfen lassen. Der ist ein totales Computergenie", bietet er mir an.

"Das würdest du für mich tun?"

"Warum nicht?"

"Du machst schon so viel für mich. Wie soll ich das alles wieder gut machen?"

"Das tust du, wenn dein Leben wieder in geregelten Bahnen verläuft."

"Danke ... Bieg hier mal rechts ab, bitte!"

Aaron folgt meiner Bitte und bremst scharf. "Noch einen Einbruch geplant?", lacht er.

"Nein. Da hinten ist unsere Bäckerei."

Quietschend bleibt er stehen und hält am Straßenrand. Hinter uns hupt es laut, doch Aaron beachtet es nicht. "Was willst du jetzt da? Doch nicht da rein spazieren?"

"Quatsch! Ich will schauen, wie es meiner Mutter geht. Nur mal vom Auto aus reinschauen."

Aaron seufzt laut und fährt los. "Aber nur ganz kurz. Und falls dich jemand erkennt, gebe ich sofort Gas." Macht er sich solche Sorgen um mich?

Ohne Vorwarnung stellt sich ein warmes Kribbeln in meinem Bauch ein. Da ist echt was im Anflug bei mir, fürchte ich.
 

"Hier?", fragt er und wird langsamer.

"Ja." Angestrengt versuche ich etwas zu erkennen. Meine Mutter steht hinter der Kuchentheke und unterhält sich mit einer Kundin. Sie lacht. Aber das trügt. Ich kenne ihr richtiges Lachen. Zu lange habe ich es nicht mehr gesehen.

"Und? Was meinst du? Geht es ihr gut?"

"Nein", krächze ich und schon laufen die Tränen. "Ich muss sie da raus holen." Mit meinem Hemdsärmel wische ich mir übers Gesicht.

"Dann müssen wir uns etwas einfallen lassen." Verdutzt schaue ich Aaron an. Ich habe mit Einwänden gerechnet. Wie er schon so oft gesagt hat: Sie ist allein für sich verantwortlich.

"Und was?"

"Keine Ahnung", sagt er leise und fährt wieder los.
 

Den Rest der Fahrt über schweigen wir und Aaron setzt mich vor seiner Wohnung ab, kommt aber noch mal mit rein. "Komm her." Er stellt sich vor mir hin und zieht mich einfach an sich. Sehe ich so scheiße aus, dass er denkt, mich wieder trösten zu müssen? "Mach dir keine Vorwürfe. Du musst erst selbst klar kommen, bevor du deiner Mutter helfen kannst. Das wird dir niemand übel nehmen." Spricht er jetzt aus Erfahrung? Und trotzdem macht er sich selbst doch immer noch Vorwürfe, oder? Das hat Jack mir doch gesagt.

"Was, wenn es dann zu spät ist?", schniefe ich und schaue ihn an.

Seine Augen flackern. "Dann kannst du auch nichts mehr machen."

Er lässt mich los und nimmt meinen Laptop in die Hand. "Ich kann deinen Laptop gleich mitnehmen", sagt er, versucht eindeutig abzulenken.

"Ich wollt's erst selbst probieren", wende ich ein. Mit ist das unangenehm, dass Aaron mir gleich wieder unter die Arme greifen will.

"Und wie willst du deine Daten sichern? Hast du eine Festplatte?" Aaron grinst. Er weiß, dass ich nichts zum sichern habe.

"Na gut. Aber ich bezahle das." Womit, weiß ich noch nicht.

"Darüber reden wir später. Bis heute Abend."

Ich schaue ihm nach, bis er die Haustür hinter sich zuschlägt. "Ja. Bis heute Abend."
 

***
 

~Aaron~

Es ist spät geworden heute. Wir stehen kurz vor einem Projektabschluss und haben eine menge Stress deswegen in der Firma.

Um kurz vor zehn bin ich endlich zu Hause und schleiche leise in meine Wohnung. Alles still und dunkel. Ich habe Leon vorhin Bescheid gesagt, dass es später wird. Es ist ungewohnt, noch an jemand anderen zu denken. Auch wenn ich nichts anderes tue seit zwei Wochen. Wirklich verrückt!

Ich lege Leons Laptop und seine neue Festplatte auf den Küchentisch und mein Blick fällt auf einen abgedeckten Teller mit einem Zettel dran. *Einfach in die Micro schieben. Leon.* Ich fange an zu lachen. Er hat Abendessen gekocht. Ich spähe unter die Abdeckung. Nudeln mit Soße.

Während ich warte, dass die Nudeln wieder heiß werden, schaue ich ins Schlafzimmer. Leon liegt selig schlummernd quer auf dem Bett. Keine Ahnung wie ich da nachher noch rein passen soll. Leise schließe ich die Tür wieder. Mein Essen piepst.
 

Während ich die Nudeln esse, denke über ihn nach. Jetzt wohnt der kleine Lockenkopf also bei mir. Na ja, vorübergehend erstmal. Mir entkommt ein Seufzen. Was mache ich, wenn er wirklich geht? Zu diesem Phil oder sonst wo hin? Einerseits soll er bei mir bleiben, andererseits wünschte ich mir, er wäre nie in mein Leben gestolpert. Ich bin es gewohnt alleine zu sein und bin noch nicht so weit mich jemand anderen anzuvertrauen oder nur in Erwägung zu ziehen, ihn näher an mich heran zu lassen. Obwohl er es schon längst geschafft hat. Leon hat mich komplett um den Finger gewickelt und ich möchte mich gar nicht mehr von ihm lösen.

Trotzdem … Bin ich bereit dazu, mich jemanden zu öffnen? Nicht , wenn ich wieder allein gelassen werde! Verdammt! So muss es nicht sein! Oder? Sean hat es doch auch geschafft. Sean, der so sehr gelitten hat, der Andy mindestens genauso geliebt hat, wie ich. Er hat es gepackt und hat einen Partner gefunden, der ihm zur Seite steht.

Aber Leon braucht jemanden, der ihm Halt gibt. So jemand bin ich sicher nicht! Bei Andy habe ich total versagt. Als ich für ihn hätte da sein sollen, bin ich weggelaufen. Nein! Schlimmer noch! Ich habe mich mit ihm böse gezofft und ihn aus meiner Wohnung geschmissen. Wie soll ich es schaffen, für Leon da zu sein, wenn er unter allem zusammenbrechen sollte?

Ich räume meinen leeren Teller weg, um auf andere Gedanken zu kommen. Was bringt es, sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen? Ich komme ja sowieso auf ein Ergebniss.

Ich springe schnell unter die Dusche, wobei ich hoffe, wirklich auf andere Gedanken zu kommen. Klappt nur nicht. Soll ich es riskieren? Leon ist noch ein halbes Kind, ohne Erfahrung, dafür mit einer großen Angst in sich. Genau wie ich. Wir beide haben eine Menge verloren. Ob das gut gehen kann?
 

Nur mit einer Boxer bekleidet gehe ich ins Schlafzimmer. Im Dunklen taste ich mich zum Bett vor und schiebe Leon vorsichtig etwas zur Seite. Er murmelt was und dreht sich um. Jetzt kann ich gefahrlos ins Bett klettern.

Doch als ich endlich liege, wackelt die Matratze und Leon wirft sich voll auf mich. "Aua!" Ich kann den Ruf nicht zurückhalten, da er mir genau auf die Rippen gefallen ist. Das tat weh!

"Aaron ...?"

"Ja." Ich reibe mir die Seite, als er von mir abrückt.

"Wie spät ist es?" Er macht das Licht an und schielt verschlafen auf den Wecker. "So lange hast du gearbeitet?" Er dreht sich zu mir und ich muss lachen. Seine Locken stehen in alle Himmelsrichtungen ab. Dazu noch die kleinen Knopfaugen, die ihn wie einen Teddy aussehen lassen. "Was'n?", fragt er. Leon sieht so unglaublich süß aus! Wie sich einige Strähnen seiner Locken vor sein Gesicht hängen und er mich verwirrt anblinzelt. Das immer noch sichtbare Veilchen lässt ihn irgendwie verwegen aussehen. Ein gefallener Engel ...

Ich kann nicht anders und beuge mich zu ihm, nehme seine Lippen gefangen und ziehe ihn zu mir herunter. Wann haben wir uns das letzte Mal geküsst? Auf der Parkbank. Das ist nur ein paar Tage her, kommt mir aber vor wie Jahre.

Leon zappelt kurz, geht dann aber auf meinen Kuss ein und seufzt leise.

Ich stehle mich unter sein T-Shirt und berühre seinen Bauch, spüre die seidenweiche Haut unter meinen Fingern. Bestimmt ist er noch nie so berührt worden. Jedenfalls nicht von einem Mann. Ich wandere höher, reibe über die schon harten Brustwarzen und entlocke ihm ein hinreißendes Keuchen. Grinsend löse ich mich von ihm. Seine blauen Augen sehen mich groß und rund an, können das eben Geschehene wohl noch nicht ganz fassen.

Unterdessen machen meine Hände weiter.

"Aaron …"

"Soll ich weiter machen?", frage ich ihn, obwohl alles in mir schreit, es nicht zu tun.
 

~Leon~

Ob er weiter machen soll? Oh Gott! Mein Puls rast und mir ist ganz schwindelig. Seine Finger an meinen Brustwarzen lenken mich so sehr ab, dass ich kaum noch richtig nachdenken kann.

"Aaron", probiere ich es ein weiteres Mal. "Ich ... Ich weiß nicht." Beschämt schließe ich die Augen. Ich komme mir so dämlich vor! Er hält mich bestimmt für ein kleines Kind! Im Gegensatz zu ihm bin ich das auch. Erst ist fast doppelt so alt wie ich. Fünfunddreißig ist er. Das hat er mir gestern Morgen verraten.

"Leon? Schau mich an." Ungern erfülle ich ihm diesen Wunsch. "Hier passiert nichts, es sei denn du willst es. Verstanden?" Ich fange an zu zittern und nicke. Dann will er es also auch?

Aaron lächelt milde und zieht seine Hände unter meinem Shirt hervor. Er löscht das Licht und zieht mich näher an sich heran. Seine Lippen berühren meinen Hals und er beginnt leicht daran zu saugen. Mit einer Hand streichelt er meinen Nacken. Ich bin so überfordert mit allem, dass ich mich nicht rühren kann.

Allerdings fühlen sich Aarons Berührungen so gut an, dass ich mich schon bald etwas beruhige, seine zärtliche Behandlung mehr als nur genieße und mich ebenfalls traue ihn zu berühren. Ich lege meine Hand auf seine Seite, oberhalb seines Beckens und fahre dort auf und ab. Mehr zu tun, wage ich nicht.

Ach, was soll das? Er findet das bestimmt lächerlich! Sofort höre ich auf und ziehe meine Hand zurück.

"Mach bitte weiter", haucht er gegen meinen feuchten Hals. Mit einer zittrigen Hand streichle ich ihn erneut, wandere etwas verloren mit ihr umher. Das kann ihm doch unmöglich gefallen!

Ich merke an meinem Hals, dass er grinst, mit seinen Lippen über meine Haut streicht und leise seufzt. Vielleicht gefällt ihm das ja doch?
 

Nach einiger Zeit werde ich vorsichtig auf den Rücken gedreht, weiß nicht ob ich das wirklich möchte, aber sein großer Körper auf und über mir gefällt mir ausgesprochen gut.

"Gib mir deine Hände." Er wartet nicht ab, bis ich sie ihm reiche, sondern tastet schon nach ihnen und legt sie sich auf seine Brust.

Ich bin so froh, dass es dunkel ist. Ich glühe bestimmt leuchtend rot, so heiß wie mein Gesicht sich gerade anfühlt.

Er führt meine Hände für einige Momente, lässt sie dann los. "Mach einfach so weiter." Und schon ist er wieder damit beschäftigt, meinen Hals zu liebkosen.

Also mache ich einfach so weiter, berühre Aarons Brust und merke, wie er eine feine Gänsehaut bekommt. Auch seine Brustwarzen haben sich aufgestellt und er gibt jedes mal einen leisen Laut von sich, wenn ich sie berühre.

Langsam werde ich immer ungeduldiger und ich erwische mich dabei, wie ich meinen Unterleib nach oben drücke und sofort erstarre. Aaron stöhnt laut und mir jagen heiße, brennende Schauer durch den Körper. Er hat eine eindeutige Erektion, genau wie ich!

Aaron lässt von mir ab und stützt sich auf die Matratze. Ich weiß, er schaut auf mich hinab, kann aber nur seine Umrisse erkennen. "Willst du mich berühren?" Ich zucke zusammen. "Nein?" Klar will ich! Nur kann ich es ihm nicht sagen. Kein Ton verlässt meinen Mund, meine Kehle ist wie zugeschnürt. "Okay." Aaron legt sich wieder neben mich und deckt uns zu.

War's das jetzt? Er hört wirklich auf? Ich Idiot!

Einige bange Sekunden überlege ich, was ich tun soll. 'Du willst und er will auch. Wo ist das Problem Leon?'

Mit laut klopfenden Herzen drehe ich mich auf die Seite, zu ihm rüber und robbe näher. Bestimmt hört er meinen Herzschlag, so laut wie er in meinen Ohren dröhnt, als ich vorsichtig seinen Beckenknochen berühre. Hoffentlich reicht ihm das als Antwort.

"Leon? Was tust du da?" Shit! Frag doch nicht! Die einzige Lösung, die mir gerade einfällt, ist, seinen Mund einfach mit meinem zu verschließen.
 

*
 

~Aaron~

Noch völlig entrückt liege ich im Bett und atme schwer. Ich taste nach Leon, doch der rührt sich nicht, hat sich sogar ein Stück von mir weggeschoben. Tut es ihm leid? Fuck!

"Leon?" Er antwortet nicht, stellt sich schlafend. Ich kann aber genau seinen schellen Atem hören. Er kann gar nicht schlafen. Soll ich ihn in Ruhe lassen? Ich entscheide mich für nein. Er muss damit klar kommen. Und mit den Konsequenzen erst recht. Er kann nicht einfach in mein Leben spazieren, mich vollkommen durcheinander machen und dann einen Rückzieher machen!

Deshalb greife ich nach dem Lichtschalter und zupfe ein paar Taschentücher aus der Box. Mal sehen ob er immer noch schlafen kann, wenn ich ihn einer kleinen Putzaktion unterziehe.
 

~Leon~

Wieso macht er das Licht jetzt an? Ich versuche mich so gut es geht schlafend zu stellen. Aber unglaubwürdig ist das schon. So schnell kann keiner einschlafen. Na ja, kann ja sein, dass ich ohnmächtig wurde, als …

Das glaubt mir keiner! Aber es ist mir so peinlich! Wie konnte ich mich nur so gehen lassen? Dabei hatte es sich doch noch so gut bis eben angefühlt. Nie in meinem Leben hätte ich gedacht, dass es so anders sein könnte, eine fremde Hand an sich zu spüren, seine Hand! Es war so unglaublich gut! Aber auch so verdammt schnell …
 

Ein rascheln erregt meine Aufmerksamkeit. Was hat er da? Ich schiele vorsichtig in seine Richtung.

"Du bist ja doch wach." Scheiße! Aaron lacht und dreht sich zu mir. Sofort wirkt er wieder ernst. "War es so schlimm für dich?" Seine Stimme hört sich traurig an. Mir wächst ein Klos im Hals. Werder kann ich etwas sagen, noch meine Augenlider heben. 'Es war nicht schlimm! Ganz im Gegenteil!', will ich rufen. Doch es tut sich nichts.

"Schade. Tut mir leid." Nein, nein, nein! Warum hört er sich so enttäuscht an?!

Endlich komme ich in die Gänge. Ich raffe mich auf und schüttle meinen Kopf, sehe ihm in seine warm strahlenden Augen. Irgendwie ist sein Blick anders als sonst. Er sagt nichts, sieht mich nur weiter an und wartet ab. Mir fehlen immer noch die Worte. Der Klos sitzt fest und rührt sich nicht. Und jetzt? Ich kann ihn nicht schon wieder einfach küssen. Zudem es jetzt unpassend wäre, oder?

Aaron senkt seinen Blick und seufzt, fängt an sich den Bauch sauber zu wischen. Ich sehe ihm dabei zu, sehe wie er die Spuren unseres Zusammenseins verwischt.

"Bedien dich." Er zeigt auf die Tempobox. Meine Hände zittern, als ich danach greife, denn ich muss mich über Aaron lehnen um sie zu erreichen. "Leon? Du bist echt ein Dummkopf."

Ich halte inne. Mit großen Augen sehe ich ihn an, bin direkt vor ihm, kann seinen Duft riechen, sehe seine geschwollenen Lippen. Ist das wegen mir? Weil wir uns so wild geküsst haben?

Mein Herz donnert wieder, mein Atem beschleunigt sich. Ja, ich bin ein Dummkopf! Meinem Klos scheint diese Einschätzung zu gefallen. Er löst sich auf und ich kann endlich mit Aaron reden, ihm sagen, dass das eben kein Fehler war!

"Es war schön! Eben. Mit dir", stammle ich, würde ihm noch so gern viel mehr sagen, doch ich bekomme keine gescheiten Worte zusammen.

"Gut", grinst er mich an und schnappt sich die Tempobox. "Dann ist das jetzt meine Aufgabe." Er zieht einige Tempos aus der Pappbox und tupft mich sauber. Völlig konfus schaue ich der Hand zu, wie sie über meine Haut fährt, sanft die letzten weißen Tropfen wegwischt. Am Ende wird das Papier zusammen geknäult und auf den Boden geschmissen.

Ohne weiteren Kommentar löscht Aaron das Licht wieder und zieht mich an sich. Fein säuberlich deckt er uns zu, legt seine Arme um mich und wünscht mir eine gute Nacht. "Dir auch", nuschle ich gegen seine Brust. Urplötzlich werde ich müde, kann kaum noch meine Augen aufhalten und schlafe langsam ein.
 

******
 

* Edit November 2016: xD Da musste ich jetzt einfach mal laut drüber lachen ;D

** Wer's nicht kennt: Mal so als Tipp von mir. Eins meiner Lieblingsbücher. ^_^

Kapitel 07 - Flucht

Fara: "JACK!"

Jack: "WAS?"

Fara: "Ich brauche dich nochmal. Und bring David mit." *lieb guck*

Jack: "Und woher soll ich bitte schön die Zeit nehmen?"

Fara: "Mir doch egal! Beweg deinen Hintern! Ohne mich wärst du ja gar nicht hier."

Jack: "Oh man!"

Fara: "Verdreh deine Augen nicht so! Du weißt: Ich sehe alles!"

Jack: "Weiber! … DAVID?"

David: "WAS?"


 

Lest ihr schon? Tut mir leid, dass ihr das mitlesen musstet. Jack kann echt ein Ar... sein. Es wird immer schwerer, gute Charaktere zu finden.

Jack: "DAS HABE ICH GEHÖRT!"

Fara: "Klappe Jack!"

So, wo waren wir? Ah ja. Leon und Aaron.

Lest ihr mal ruhig weiter, während ich einen gewissen Jemand an seinen Platz zerre. Timing ist alles. Auch beim Schreiben. ;-)

Ich wünsche euch viel Spaß!

David: "Und was mach ich jetzt?"

Fara: "David mein Süßer. Du kommst jetzt mit mir."

Jack: "Moment mal! … Hey! … PFOTEN WEG DA!"

Weia! Mit Jack ist echt nicht zu spaßen!

Jack: "Hehe."
 

Manchmal habe ich echt einen großen Sprung in der Schüssel! Das die Schüssel überhaupt noch hält …
 

Kapitel 07 - Flucht
 

~Aaron~

Leon liegt immer noch im Bett. Entweder, ihm ist die ganze Sache immer noch peinlich, oder er schläft wirklich so lange. Ich tippe auf ersteres.

Als ich an gestern Nacht denke, huscht mir ein Grinsen über das Gesicht. Er sah wirklich mitgenommen aus und leuchtete so rot wie ein überreifer Apfel. Zum anbeißen!

Ich stehe schon seit einer Stunde in der Küche und mache Frühstück, räume auf und höre leise Musik. Ob ich ihn wecken soll?

Brauche ich nicht mehr. Verschlafen steht er plötzlich im Türrahmen. "Morg'n", grüßt er mich und schlurft zu mir.

"Morgen. Noch gut geschlafen?" Er wird leicht rot, nickt aber. "Schön." Jetzt lächelt er und setzt sich an den Tisch. "Kaffee?" Wieder nickt er. Ich finde es lustig, wie morgenmuffelig er ist. Seine Haare sind immer noch strubbelig und kringeln sich wild auf seinem Kopf. Manchmal sieht er wirklich aus wie ein Engel … Was denke ich wieder für einen Schwachsinn?!

"Wollen wir gleich los? Nach dem Frühstück?"

Etwas ratlos sieht er mich an. "Wohin?" Er scheint wirklich noch nicht auf Hochtouren zu laufen. Ich schenke ihm den Kaffee ein und setze mich neben ihn.

"Zurück zu deinen Eltern." Sorry. Das musste sein. Vielleicht wird er dadurch etwas munterer.

"Was? ... Wieso?" Seine Augen werden feucht. Shit!

"Keine Panik! War ein Scherz", wehre ich ab. Ein scheiß Scherz! "Einkaufen. Du brauchst neue Kleidung." Noch immer sitzt er kalkweiß neben mir, die Kaffeetasse in der Hand.

Er stellt sie ab. "Ach so." Verstohlen wischt er sich über die Augen.

"Das war scheiße von mir eben. Tut mir leid." Mein Hirn liegt wohl auch noch im Bett. Ich Trottel!
 

Nicht lange fackelnd, nehme ich Leon in den Arm, der sich sofort entspannt und gegen mich lehnt. Vorsichtig legt er eine Hand auf meinen Bauch, schiebt sie weiter hoch und lässt sie dort liegen. Mal abwarten, was das geben soll.

Er trägt nur eine Unterhose, trägt sonst nichts was mich behindern würde, ihn ebenfalls zu berühren. Das nutze ich aus, lege meine Hand auf seinen Rücken und fahre an ihm sanft auf und ab. Leon seufzt leise. Ich sehe sein Gesicht nicht, nur die blonde Mähne. Das muss ich schleunigst ändern! "Leon?"

"Ja. Ich beeil mich." Das hat er falsch verstanden.

Er löst sich von mir und schnappt sich ein Brötchen.

"Leon?"

"Hm?", fragend schaut er mich an.

"Das meinte ich nicht." Jetzt runzelt sich seine Stirn. Er hat echt keine Ahnung von solchen Dingen. Dann muss ich es ihm eben beibringen.

Ich beuge mich rüber und raube ihm einen Kuss. Sein Blick ist zum schießen! Wie gerne würde ich ihn jetzt zurück ins Bett schleifen und noch viel mehr beibringen. Aber ich glaube, dann fällt unser Shoppingtag heute völlig in den Eimer.
 

~Leon~

Warum hat er mich geküsst? Noch immer kann ich seine weichen Lippen spüren und starre ihn an. Aaron grinst und schüttelt den Kopf. Heute Morgen werde ich einfach nicht schlau aus seinem Verhalten.

"Du bist noch nicht ganz wach, oder?"

"Doch ..." Oder?

Zögernd greife ich mir das Messer und schneide mein Brötchen auf. Mir kommt es so vor, als verstünde ich gerade die wesentlichsten Dinge nicht mehr. Irgendwas hat sich verändert zwischen uns letzte Nacht.

Aaron neben mir steht auf und läuft aus der Küche. Was habe ich denn jetzt wieder falsch gemacht?

Panik kriecht meinen Rücken hinauf und ich stehe so schnell auf, dass ich noch nicht mal genau darüber nachdenken kann. Es ist wie ein Reflex.

Im Flur höre ich Geräusche aus dem Schlafzimmer kommen, das ich daraufhin gleich betrete. Aaron steht vor dem Kleiderschrank und wühlt darin herum.

Ich beobachte ihn eine Weile, bis er mich bemerkt und mich verdutzt anschaut. "Hast du keinen Hunger?"

"Hab ich was falsches gemacht?"

"Was?" Aaron kommt auf mich zu. In meinem Kopf überschlägt sich gerade alles. "Nein. Wie kommst du darauf?"

Ich werde an der Schulter gepackt und wieder in die Küche bugsiert. "Du isst jetzt weiter, dann duschst du. In der Zwischenzeit suche ich möglichst passende Kleidung für dich raus. Okay?"

"Okay." Ich plumpse auf den Küchenstuhl. Ich Idiot! Was ist nur los mit mir?
 

Nach der warmen Dusche fühle ich mich eindeutig besser und auch aufgeräumter im Kopf. Vielleicht war ich wirklich noch leicht verschlafen.

Ich ziehe mir die Sachen an, die Aaron mir aufs Bett gelegt hat und gehe ins Wohnzimmer. Aaron sitzt vor einem Laptop. "Ah. Gut das du hier bist. Willst du dir den Laptop selbst einrichten?"

Laptop? "Was für einen Laptop?"

"Ach. Hab ich dir ja noch gar nicht gezeigt. Hier: Deine Sicherung auf der Festplatte und dein neuer Laptop."

Mit fällt die Kinnlade runter. "Du kannst mir doch nicht einfach einen Laptop mitbringen."

"Vertrau mir. Der ist gut." Aaron dreht ihn zu mir.

"Daran liegt's nicht. Der war doch bestimmt teuer!"

"Nö. Firmenrabatt", grinst er und klopft auf den Platz neben ihm. Mit wackligen Knien setze ich mich zu ihm auf die Couch.

Das er mir so sehr hilft, ist mir peinlich. "Ich kann mir den doch gar nicht leisten", flüstere ich.

"Mach dir darum keinen Kopf. Sehe es als Starthilfe in ein neues Leben."

Das wird mir gerade alles zu viel. Will er mich etwa kaufen? Mir wird schlecht und mir fallen all die Dinge ein, die er früher so getrieben haben soll. Bin ich nur ein lustiges, neues Spiel für ihn, weil sein Freund nicht mehr da ist?

Ich weiß, es ist gemein sowas zu denken. Aber noch nie hat sich jemand um mich gekümmert, es sei denn, er wollte was von mir. Meine Eltern, meine 'Freunde' selbst mein Onkel kam immer nur zu Besuch, wenn er Geld oder Schnaps brauchte.

"Das … Das brauche ich nicht", stammle ich, stehe auf und laufe aus dem Wohnzimmer.

"Leon?" Ich reagiere nicht.

Im Flur schlüpfe ich in meine abgetragenen Schuhe und stürme aus der Wohnung. Aarons Schritte hinter mir hallen im Treppenhaus wieder und ich werde noch etwas schneller. "Leon?!!! Was ist den los?!"

Als ich endlich an der kalten Luft bin, fange ich an zu rennen. Ich will nur noch weg hier! Ich schlüpfe durch einen Zaun, renne quer durch einen Garten und komme auf einer anderen Straße wieder raus.

Und wohin jetzt? Zu Phil oder Flo kann ich erstmal nicht. Mir fällt da nur einer ein. Schwer atmend betrete ich ein kleines Kaufhaus und husche hinter einen Kleiderständer. Mit zittrigen Fingern tippe ich mich durch meine Kontaktadressen.
 

***
 

~Jack~

Ist das zu fassen? Da hat dieses Früchtchen sich einfach meine Handynummer geklaut! /Kann ich mit dir sprechen?/ Erst wusste ich gar nicht wer da dran ist. Ich saß an meinem Schreibtisch und unterhielt mich mit meiner Freundin Kat, als mein Handy klingelte. Normal ist David immer der Störenfried, oder, wenn auch sehr selten, Benny.

"Die Nummer kenne ich nicht", sagte ich und Kat griff sich mein piepsendes Handy.

"Geh rann. Ich will wissen wer es ist."

"Was du nicht alles wissen willst!" Aber mir ging es auch so. Mich ruft man nicht einfach auf dem Handy an. Deshalb war das ja auch so merkwürdig! "Hallo?"

/Kann ich mit dir sprechen?/, meldete sich der Unbekannte.

"Ich kaufe nichts!", plärrte ich in den Hörer und wollte schon auflegen, als …

/Leon! Hier ist Leon!/ Leon, Leon...? Dann hatte es Klick gemacht.

"Ah. Leon! Der Kleine, der sich in den bösen, großen Wolf verliebt hat!" Kat sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Ich konnte nur erahnen, was sie dachte.

/Ähm. Ja./

"Woher hast du meine Nummer?"

/Aus deinem Handy/, wisperte er, sodass ich ihn kaum verstehen konnte.

"Das ist Diebstahl, mein Lieber!" Leon schluchzte leise in den Hörer. "Hey! War nur ein Scherz. Was willst du den jetzt mit mir besprechen?"

/Kannst du zu mir kommen? Jetzt?/ Sollte das ein Scherz sein?

"Ich bin auf der Arbeit! Wo bist du eigentlich?"

/In einem Kaufhaus./

"Was suchst du da?"

/Mich verstecken./
 

Nochmal von vorne!

"Was genau willst du jetzt?" Sollte ich mit ihm verstecken spielen? Für so jung hielt ich ihn nun auch nicht mehr.

/Er sucht mich bestimmt. Verdammt! Alle suchen nach mir!/ Schnief.

"Warte mal kurz." Ich hielt das Handy an meine Brust. "Ich soll ihn anscheinend abholen und jemand würde gerade nach ihm suchen."

"Wer ist den dran? Und wer sucht ihn? Hört sich ernst an. Wie in einem Krimi." Kat hopste auf ihren Lieblingsplatz, die linke Kannte meines Schreibtisches, auf und ab. Gut das ich auf Männer stehe, sonst wäre mir bei dem ganzen Gehopse sicher die Blutzufuhr zum Gehirn abgetrennt worden. Und mein Hirn brauchte ich dringend, bei Leons wirrem Gerede.

"Ich kann doch nicht einfach weg", gab ich Kat zu bedenken.

"Ich sag dem Chef, du hast ein Familiäres Problem. Der sagt schon nichts."

"Hm ... Wenn du meinst." Ich hob das Handy wieder an mein Ohr. "Leon? Wo genau bist du?"
 

Und jetzt fahre ich gerade auf den kleinen Parkplatz, eben jenes Kaufhauses. Ich ergattere einen Platz und steige aus. Dann will ich den Kleinen mal suchen.

Im Eingangsbereich ist niemand mit blonden Locken zu sehen, weshalb ich weiter laufe.

"Jack?" Ich drehe mich zur Seite. Da steht er. Zwischen den Kleiderständern. Man erkennt nur seine wirren Haare. Ich fange an und grinse. In diesem Moment sieht er aus wie David früh morgens. Nur etwas lockiger.

"Na du Ausreißer? Was gibt es so lebensbedrohliches?"

"Aaron." Hatte ich doch recht mit meiner Vermutung.

"Was hat er angestellt?", frage ich und fixiere das blaue Veilchen. Er wird doch nicht ...?

"Er hat mir einen Laptop besorgt." Oh mein Gott! Was für ein Arsch! Sowas macht man doch nicht!

"Und?"

Leon sieht sich um und fängt an zu plärren. Scheiße! Fängt das wieder an! Hatte ich das nicht hinter mir gelassen?
 

Ich ziehe den kleinen Scheißer in meine Arme und versuche ihn zu beruhigen. "Komm erstmal mit. Hier redet es sich so schlecht." Er nickt ergeben, lässt mich aber nicht los.

Da mir nichts besseres einfällt, fahre ich mit ihm zu mir nach Hause. Leon schlurft in Davids und meine Wohnung und bläst noch immer übelsten Trübsal.

"Trinken?"

"Nee." Wir verstehen uns ja fast blind. "Danke." Wieder grinse ich. Der Kleine hat was.

"Setz dich und erzähl endlich, warum du mich von meiner Arbeit abhältst."

"Sorry." Er wischt sich mit einem Taschentuch die Nase und beginnt mir alles zu erzählen. Das er gerade erst von Zuhause abgehauen ist (daher das Veilchen), nichts mehr besitzt, außer ein paar Hundert Euro und zur Zeit bei Aaron untergekommen ist. Ganz schön harter Tobak für ein paar Tage!

"Und was hat das mit dem Laptop zu tun?", frage ich.

"Aaron hat einfach einen neuen für mich gekauft und heute wollte er mit mir Kleidung kaufen gehen. Ich hab einfach Angst, dass er mich nur so zum Spaß so gut behandelt."

"Du meinst: Er will dich kaufen, danach abservieren und du stehst wieder alleine da."

Seine Augen füllen sich wieder mit Tränen. "Ja." Ich atme tief ein. "Wieso sollte er das auch sonst tun? Er hat von Anfang an gesagt, dass er mich ins Bett kriegen wollte."

"Das hättest du mit ihm bereden sollen, nicht mit mir."

Leon schaut mich böse an. "Und wie?"

"So wie du es mir gesagt hast." Ich lege meinen Arm um ihn. Ein weiterer Heulkrampf durchschüttelt ihn. "Du hast im Moment echt 'ne scheiß Zeit, was?"

"Ja ... "

"Und weshalb bittest du mich um Hilfe?"

"Du kennst Aaron. Ich will nur von dir wissen, ob das möglich wäre. Ob er mich nur benutzt." Ich schweige eine Weile. Der Kleine muss Aaron echt gern haben.

Leon sieht mich mit großen, verweinten Augen an und wartet auf meine Antwort. "Früher ja. Aber heute? Er hat sich verändert. Definitiv."

Er erwidert nichts, sondern knibbet an seinem Tempo herum. "Hast du ihm erzählt, dass du das über Andy weißt?"

Er schüttelt seinen Kopf. "Das soll er mir selbst sagen. Wenn er will."

"Das wird er aber nicht. Glaub mir."
 

Ich schrecke total zusammen, als plötzlich das Türschloss geöffnet wird. David!

"Jack? Kat hat mich angerufen und ... oh. Hey!"

Ich stehe auf und laufe zu ihm. "Was machst du schon so früh hier?" Normal arbeitet er heute bist spät Abends.

"Ich hab mit Tony getauscht. Was ist den los?" David haucht mir einen flüchtige Kuss auf und stürmt zu Leon. Ich schließe die Tür und laufe ihm nach. David sitzt schon neben den Kleinen und bemuttert ihn, begutachtet das Veilchen und streichelt Leons Wange. Da wird man ja fast eifersüchtig!

"Aaron", sage ich, weil der kleine Scheißer keinen Ton rausbekommt.

"Was hat er gemacht? War er das?"

"Nein. Er hat ihm einen Laptop gekauft." Ich fange an zu lachen. Davids Gesichtsausdruck ähnelt mit Sicherheit meinem vorhin. Sogar Leon kann sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Dann fängt er an, auch David alles zu berichten und auch seine Sorgen bezüglich Aarons Absichten.

"Das glaube ich nicht!" Da scheint David ja ganz überzeugt von zu sein. "Oder Jack?"

"Ähm. Ich weiß nicht so recht. Eher nicht, aber ..."

"Hättest du das Damals gemacht?" Davids blaue Ozeane fixieren mich.

"Was gemacht?"

"Einen Kerl Unterkunft geboten, Dinge gekauft, nur für eine schnelle Nummer?"

Ich muss nicht erwähnen, wem ich hier damals eine Unterkunft geboten habe, oder? Aber in der Form? "Nein. Das hätte ich einfacher und billiger haben können." Wissend tauschen wir beide tiefe Blicke aus. Ja, David habe ich auch ohne teure Geschenke schnell ins Bettchen bekommen ...

"Siehst du? Du musst zu Aaron zurück. Er macht sich sicher Sorgen." David tätschelt beruhigend Leons Hand.

"Ich weiß was besseres!" Die zwei Blondinen starren mich fragend an.
 

~Leon~

Jack verschwindet im Nebenzimmer. "Hast du eine Ahnung, was er vor hat?" Fragend schaue ich David an.

"Nö. Aber lass ihn mal machen." Aufmuntert lächelt er mich an.

Ich seufze auf und merke, wie wieder meine Augen feucht werden. "Mist ..." Mit einem Taschentuch wische ich alles weg.

"Immer noch Sorgen wegen Aaron?"

"Ja ... Nein. Nicht nur."

"Deine Eltern?" Wie hat er das erraten? Ich nicke. "Ich bin auch abgehauen. Von Zuhause, meinen Eltern und meinem Leben. Habe mich komplett in ein Neues gestürzt. Aber ich hatte Glück."

"Jack?"

David lacht. "Der kam erst später und bescherte mir eine ganz andere Art von Glück! Nein. Meinen Bruder. Er war vor mir von Zuhause abgehauen. Genau wie ich, weil er schwul ist und meine Eltern das nicht tolerierten. Ich bin bei ihm untergekommen, nachdem er sein Leben gefestigt hatte."

"Und jetzt? Hast du wieder Kontakt zu deinen Eltern?"

"Nein", antwortet David traurig. "Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf!" Wieder lächelt er mich an und seine blauen Augen strahlen so intensiv, dass ich nicht anders kann und mitlachen muss.
 

***
 

~Aaron~

Vor Erleichterung wäre mir fast das Handy aus der Hand gefallen. Leon geht es gut und ich soll ihn abholen. Was hat er sich nur dabei gedacht? Und was sucht er bei diesem Jack? Wir kennen uns flüchtig und ... Ich mag den Gedanken nicht, dass Leon bei ihm ist.

Ich parke direkt vor Jacks Wohnung, scheiß auf das Halteverbotsschild, und eile zum Hauseingang. Dort suche ich die Klingel. Müller & Schmitz. Ein Grinsen kann ich mir nicht verkneifen. Wer da wohl die Hosen anhat?

/Ja?/

"Aaron." Der Summer dröhnt.

Oben angekommen, steht die Tür schon offen und Jack kommt heraus. Verwundert bleibe ich stehen, als er die Tür wieder hinter sich schließt. "Wo ist Leon?", frage ich.

"Bei David. Lange nicht gesehen." Was soll das werden? Ein Flurtratsch unter 'alten Bekannten'?

"Kann ich jetzt Leon mitnehmen?"

"Gleich." Jack zieht mich ans Fenster des langen Flures.

"Was wird das hier?"

"Ich will nur vorher abklären, dass du nichts Unanständiges mit dem Kleinen vor hast."

"Bitte?" Ist Jack jetzt unter die Glucken gegangen? Und ich dachte immer, David wäre der weibliche Teil dieser Beziehung.
 

Jack sieht mich fast entschuldigend an und schaut dann aus dem Fenster. "David hat mich gebeten, kurz mit dir zu reden. Und ehrlich gesagt, glaube ich auch nicht, dass Leon jemals die Klappe aufbekommt."

"Wieso? Ist etwas mit ihm?" Mir wird flau im Magen. War das gestern Nacht falsch? Wollte er es nicht? Shit! Warum hat er nichts gesagt?

"Leon hat schiss, du behältst ihn nur so lange, bis du genug von ihm hast und dann steht er wieder alleine da."

Ich schüttle meinen Kopf. "Wie kommt er darauf?"

"Du wolltest ihn ins Bett locken. Das hast du selbst zu ihm gesagt."

"Daran erinnert er sich noch? Das war ein Scherz! Er sah so verängstigt aus, da musste ich ihn einfach foppen!" Ich glaube es nicht, dass er darüber noch nachdenkt! Ist dazwischen noch nicht genug vorgefallen, um das ad acta zu legen?

"Da ist noch was", beginnt Jack leise.

"Was denn noch?"

Jack windet sich. "Besser du erfährst es von mir, als von ihm. Ist ja auch meine Schuld."

"Rede endlich!" Mir wird wieder übel.

"Ich habe ihm das von Andy erzählt."

"Du hast WAS?" Wütend drehe ich mich um. Wenn ich mich nicht beherrsche, bekommt er gleich eine aufs Maul.

"Aaron! Sorry Mann! Aber ich dachte …"

"Du dachtest? Einen Scheiß dachtest du! Das geht niemanden etwas an! Und wenn, erzähle ich es schon selbst!" Ich laufe auf und ab, versuche meine Aggression abzubauen. Das ist nur nicht so leicht. Andy war alles für mich! Für mich ist es gerade, als hätte Jack Andy und mich hintergangen.
 

Natürlich weiß ich, dass hinter meinen Rücken getratscht wird. "Ich hätte nicht gedacht, dass gerade du so ein Tratschweib bist!", zische ich ihn an.

Er kommt auf mich zu, hebt beschwichtigend die Hände. "Du hast ihm vorm Velvet gesagt, du willst ihn nicht mehr sehen und bist einfach abgedampft. Der Kleine war total fertig mit den Nerven. Ich hielt es für das Beste. Außerdem wusste ich doch gar nicht, dass er selbst so einen Scheiß am laufen hat! Ich hätte doch niemals ..."

"Leck mich Jack! Früher hat es dich auch nicht interessiert, was mit anderen war."

"Wir haben uns eben beide verändert."

"Ja. Nur das der Grund dafür bei uns beiden ein völlig anderer ist." Kraftlos lehne ich mich an die Wand, wieder etwas gefasster, und starre Jack an.

"Du magst ihn sehr, hm?", fragt er mich leise.

"Natürlich mag ich ihn! Hätte ich ihn sonst aufgenommen?" Ich schließe die Augen. "Er kennt die ganze Geschichte ... Scheiße! Ich bin noch nicht mal ansatzweise drüber hinweg. Was, wenn ich wieder Fehler mache?"

Jack lacht, hört sich aber nicht wirklich glücklich an. "Was meinst du, wie viele Fehler ich schon bei David gemacht habe?"

"Und wie bringst du ihn dazu, dir jedes mal zu verzeihen?" Neugierig schaue ich ihn an.

"Gar nicht. Er vertraut mir und ich kann meine Fehler wieder bei ihm ausbügeln."

"Andy hatte mir auch vertraut."

"Sicher? Dann wäre er bei dir geblieben."

Sauer stoße ich mich von der Wand ab. "Wie kannst du es wagen?" Ich sprinte auf ihn zu, packe seinen Kragen, drücke ihn nun gegen die Wand und hebe meine Faust, bewege sie aber nicht.

"Ja! Los! Schreie endlich deinen Zorn aus dir heraus! Schlag mich, wenn es dir danach besser geht, aber trauere nicht mehr so stumm vor dich her! Du bist sauer auf Andy! Das er dich einfach verlassen hat! Das er dir nicht genug vertraut hat! Schließ endlich damit ab! Und dann geh da rein und nimm Leon zu dir."

Ich schlage zu.

Direkt neben Jack in die Wand.

Schmerz explodiert in meinen Fingerknöcheln und Tränen laufen mir übers Gesicht, nicht wegen meiner Hand. Ich habe noch nicht mal geweint, als ich von Andys Tod erfahren habe. Das alles scheine ich jetzt nach zu holen.

"Ich weiß, wie weh es tut, verlassen zu werden. Leon kann dir helfen, darüber hinweg zu kommen. So wie du ihm hilfst, ein neues Leben aufzubauen. Und weißt du was ich glaube?"

"Nein.", antworte ich leise mit dünner Stimme.

"Ich glaube, dass ihr euch begegnet seit, dass war Schicksal." Das glaubt er doch nicht wirklich?!

Ich sacke förmlich in mir zusammen und lehne mich gegen Jack. Ist das zu fassen? Jack, einst Aufreißer Nummer eins, gibt mir Lebens- und Beziehungstipps!

"Komm. Leon wartet. Und sag ihm endlich, was du von ihm willst. Der Kleine stand heulend in einem Kaufhaus."

"In einem Kaufhaus?", frage ich ihn und wische mir übers Gesicht.
 

~Leon~

Ich habe sofort Aarons Stimme aus der Gegensprechanlage erkannt. Doch David hielt mich zurück, als Jack hinaus ging.

"Was machen die da?"

"Lass Jack nur machen." Man kann David ansehen, dass auch nicht so ruhig ist, wie er tut.

"Aber sie streiten sich doch!" Ich stehe auf und will zur Tür, da kommt Jack auch schon rein. "Wo ist Aaron?"

"Der kommt gleich, Kleiner. Gib ihm noch eine Minute." Er zieht mich von der Tür weg.

"Warum habt ihr gestritten?", will ich wissen.

"Haben wir nicht." Der will mich verarschen! Ich weiß, wie sich Streitereien anhören. Davon habe ich in meinem Leben schon genug zu hören bekommen.

Hilfe suchend schaue ich David an, doch der zuckt nur mit den Schultern.

"David? Ich habe Hunger!" Jack legt einen Arm um meine Brust und hält mich fest. Eigentlich wollte ich mich zur Tür schleichen.

"Dann kommt mal mit in die Küche, ihr zwei! Jeder muss helfen!" Widerwillig lasse ich mich in die Küche schleifen, während ich immer wieder hinter mir zur Wohnungstür schaue.

Wann kommt Aaron denn endlich?
 

Ich fange an zu lachen, als David Jack eine Kochschürze überzieht. Das sieht einfach zu komisch aus. "Lach nicht! Du bekommst auch eine! Das ist ein ungeschriebenes Gesetz in Davids Küche!" Jack behält recht.

Ich komme mir zu dämlich vor, sage aber nichts. David trägt eine Kochjacke, die ihm wirklich ausgezeichnet steht.

Jack und ich schnipseln Zwiebeln und Paprika, während David Fleisch schneidet und die Pfanne vorheizt. "Macht mal schneller Jungs!"

"Sklaventreiber!", faucht Jack zurück und bekommt einen Klaps aufs Gesäß.

Wo Aaron nur bleibt? "Der kommt sicher gleich." David zwinkert mir zu und greift nach den Zwiebeln. Sieht man mir meine Ungeduld so sehr an?

Und als endlich die Wohnungstür aufgeht, bin ich sofort auf den Beinen und verlasse die Küche. Aaron steht mit dem Rücken zu mir, schließt die Tür und dreht sich dann um. "Wie siehst du denn aus?"

"Leon! Das Messer!" David steht hinter mir. Mit Schürze und Messer sehe ich bestimmt total behämmert aus!

"David hat mich dazu gezwungen!"

Nun bin ich derjenige, der von David einen Klaps bekommt. Er lächelt, nimmt mir das Messer ab und geht wieder zurück in die Küche.
 

"Tut mir leid", flüstere ich, als Aaron sich nicht rührt.

Aaron sieht mich komisch an. Was denkt er gerade nur?

Als er sich plötzlich in Bewegung setzt und auf mich zu kommt, erschrecke ich fast, bleibe aber stehen. Er greift nach mir und zieht mich in eine knochenzerbrechende Umarmung. "Hau nie wieder einfach so ab. Hörst du?"

Ich beginne zu zittern und merke, wie der Klos in meinen Hals wieder auftaucht und mein Herz zu rasen beginnt. Meine Arme sind fast taub, trotzdem schaffe ich es irgendwie, sie um Aaron zu legen und erwidere die Umarmung.

"Sorry ..." Mehr bekomme ich nicht raus.

"Sag mir, warum du so dringend weg wolltest."

Ich schüttle meinen Kopf. Ich bekomme immer noch keinen Ton raus und versuche tief einzuatmen. "Kann nicht." Dann vergrabe ich einfach meinen Kopf in seiner Halsbeuge. Seine Hände streicheln beruhigend über meinen Rücken.

"Ich hatte Angst um dich."

"Das wollte ich nicht." Ich drücke mich noch dichter an seinen Körper.
 

Keine Ahnung wie lange wir so dastehen. Ein lautes Räuspern schreckt uns auseinander. David. "Wenn ihr schon in unsere Bude herumsteht, wollt ihr dann auch mitessen?"

"Klar. Wer schnipseln hilft, darf auch mitessen!", ruft Jack und stellt vier Teller auf den großzügigen Esstisch.

Ich laufe vor und will mich schon setzen, da hält mich jemand hinten fest. "Die Schürze gehört aber nicht an den Esstisch!", lacht mir David zu und läuft an mir vorbei. Die habe ich ja total vergessen!

Aaron grinst mich an. "Die steht dir aber ausgezeichnet." Sein Grinsen gefällt mir. Es scheint ihm wieder gut zu gehen, was mich unheimlich erleichtert.
 

******

Kapitel 08 - Freunde

Endlich geht es weiter!

Ihr und Leon dürft heute Aarons Freunde kennen lernen. Ich wünsche euch viel Spaß dabei!

Euer Faralein
 

Kapitel 08 - Freunde
 

~Aaron~

"David? Das hat einfach nur fantastisch geschmeckt!" Ich lobe wirklich nicht oft, doch heute muss das mal sein!

"Danke." Er wird doch wirklich rot!

"Warum meinst du, bin ich so fett geworden?", meint Jack.

"Gar nicht wahr! Wo hast du den Fett angesetzt!" David funkelt ihn an und kneift ihn in den Bauch.

"Hier und da. Und schau mal: Da quillt schon was am Rand der Hose heraus!"

"Jack, du spinnst! Du bist nicht fett. Höchstens pummelig ... Hey!" Eine zerknüllte Serviette fliegt auf mich zu. Jack verträgt auch gar keine Kritik! Dabei hat er doch angefangen.

"David? Machst du mal die Rechnung fertig für den Gast? Der wird mir zu frech!"

"Bevor die Rechnung zu hoch wird, gehen wir lieber." Ich stehe auf, genau wie Leon neben mir. Ich ziehe den Kleinen an mich ran. "Nicht das du wieder abhaust", lache ich, was sich noch steigert, als sein Gesicht rot anläuft.

"Lass dich nicht ärgern, Leon. Diesen Aufreißern muss man ihre Grenzen zeigen!"

"Damit kennst du dich aus, David?", frage ich ihn.

"Natürlich. Jack ist zahm wie ein Lamm geworden, dank mir." Irgendwie glaube ich es ihm sogar.

"Das hättest du gerne, Davi-boy", grinst Jack ihn an und begleitet uns nach draußen. David folgt uns und wir verabschieden uns voneinander.

"Passt auf euch auf", flüstert mir Jack nochmal zu und klopft mir auf den Rücken.

"Immer doch."
 

Im Treppenhaus bleibt Leon hinter mir, redet nicht und verhält sich auch sonst eher zurückhaltend. Ich merke, dass ihm etwas auf der Seele brennt. Ich kann mir denken was. Aber mal abwarten. Vielleicht rückt er ja von selbst mit der Sprache heraus.

Im Auto warte ich, bis er sich angeschnallt hat. "Es ist erst zwei Uhr. Wollen wir noch einkaufen gehen? Für die Arbeit könnten passende Klamotten gar nicht mal so schlecht sein."

"Okay." Immer noch schaut er mich nicht an.

"Irgendeinen Wunsch, wohin wir gehen?"

"Nö." Sehr gesprächig bei dem Thema ist er ja nicht gerade. Ist er immer noch betrübt wegen der ganzen Sache?

"Du zahlst es mir zurück, sobald du flüssig bist. Einverstanden?" Vielleicht fühlt er sich dann besser.

"Was?", fragt er und schaut mich endlich mal an.

"Die Klamotten. Zerbrich dir nicht wieder den Kopf deswegen."

"Ach das. Das ähm. Nein, ist schon okay."

"Warum bist du dann so still?", frage ich. Nun rück schon raus damit Leon!
 

~Leon~

Ich überlege. Sag ich es ihm? Mich frisst die Neugier fast auf. "Ich überlege nur, was du und Jack im Flur beredet habt." Unauffällig schiele ich rüber zu ihm, erkenne aber keinen Ärger. Gut!

"Er hat mir erzählt, dass du über Andy Bescheid weißt." Er hat was?

"Ähm ... Ja." Was bringt es zu lügen? "Ich habe dir nichts von erzählt, weil ich nicht wollte, dass du dich deswegen unwohl fühlst. Schließlich weiß ich, wie es sich anfühlt, wie unangenehm das sein kann. Wenn dich alle trösten wollen und du dich noch bemitleidenswerter fühlst."

"Ja. Das kann scheiße sein." Wir halten vor einer Ampel. "Und du? Bemitleidest du mich deswegen?"

Die Ampel schaltet auf grün und Aaron gibt Gas. Habe ich ihn deswegen bemitleidet? "Ja. Etwas."

Er brummt irgendwas Unverständliches, lächelt dann jedoch. So ganz verstehe ich das nicht. Aber ich bin froh, dass er nicht sauer ist.

"So. Da wären wir!" Wir bleiben auf dem großen Parkplatz eines Einkaufcenters stehen. Hier will er mit mir hin? In den Läden ist meist die Hölle los. Auch unter der Woche. "Aussteigen der Herr. Wir müssen die verlorene Zeit wieder einholen!"

"Ja, ja. Ich beeil mich ja schon!" Das kann ja was werden!
 

~Aaron~

So so. Er hat mich also etwas bemitleidet. Bei jedem anderen wäre ich angepisst gewesen. Doch bei ihm kann ich das einfach nicht. Mag daran liegen, dass er wirklich weiß, wie es sich anfühlt. Die Blicke der anderen, die einen früher nie beachtet hatten oder sogar gehässig zu einem waren. Und jetzt tut es ihnen alles so leid. Aber hinter deinem Rücken lästern sie und deuten mit dem Finger auf einen. Heuchler!

Okay, er kennt es nicht so krass wie ich. Dennoch hat er eine gute Vorstellung davon.
 

Wir laufen zusammen auf den Eingang zu. Leon scheint das alles ziemlich unangenehm zu sein, denn er schaut sich mit großen Augen um und rückt immer näher an mich ran.

"Hey! Remple mich nicht um!", lache ich, halte ihn aber fest.

"Sorry."

Ich ziehe ihn durch die große Einkaufspassage. "Sag, wenn du einen Laden siehst, in den du möchtest."

"Eigentlich ist mir das egal." Nun reicht es mir aber langsam!

Ich verschaffe mir einen schnellen Überblick und zerre ihn in den nächstgelegenen Laden. "Jeans! Du brauchst Jeans und Unterwäsche. Pullover, Socken und Shirts." Vor einem langen Tisch bestückt mit Hosen bleiben wir stehen. "Such dir was in deiner Größe heraus."
 

~Leon~

Was heraussuchen? "Das ist viel zu teuer!", murre ich, als ich die Preise hier sehe.

Aaron seufzt ungehalten. "Du braucht ordentlich Kleidung. Jetzt meckre nicht und probiere was an. Ich habe heute noch was vor. Und du kommst mit."

"Wohin?"

"Lass dich überraschen", grinst er und wirft mir eine Jeans in die Arme.

"Die ist zu klein."

"Ach?!" Sehr witzig, Aaron!
 

***
 

~Leon~

"Ich glaub's nicht!", ächze ich und wuchte die Einkaufstüten ins Wohnzimmer. "Dafür muss ich einen Kredit aufnehmen."

Aaron lacht und kommt mit zusätzlichen Tüten hinter mir her. "Dann mach das. Aber vorher: Duschen, anziehen und dann geht's los."

"Jetzt schon?"

"Hast du mal auf die Uhr geschaut?" Ich drehe mich um und glaube es nicht. Gleich neunzehn Uhr! "Beeil dich", flüstert mir Aaron zu und tätschelt meinen Kopf. Das macht er schon seit dem ganzen Einkaufshorror heute Nachmittag.

Er schlurft ins Schlafzimmer und ich höre seine Schranktüre quietschen. Bin gespannt, was er heute so dringendes vorhat. Er hat es mir immer noch nicht verraten. Eigentlich würde ich lieber hier bleiben und mit ihm reden. Dazu hatten wir noch keine Zeit. Außerdem drängt sich mit immer noch die Frage auf, warum er mich bei sich aufgenommen hat. Dann muss das halt noch warten.

Laut ausatmend schaue ich den Tütenberg vor mir an. "Das ist mehr, als ich jemals im Leben zum Anziehen brauche." Dann mal auf sie Suche nach einem Outfit! Für was auch immer.
 

~Aaron~

Im Wohnzimmer höre ich Leon in den Tüten herumwühlen. Ich grinse. Er kann mir nichts vormachen. Ich habe genau gesehen, wie seine Augen geleuchtet haben, nachdem wir wie erschlagen auf einer der Bänke im Einkaufszentrum gesessen haben und nochmal alles durchgegangen sind, damit wie ja nichts vergessen haben. Bestimmt war es das erste Mal, dass es mal nur um ihn ging.

Eingehend betrachte ich mich im Spiegel. So kann ich gehen. Aber heute werde ich sowieso nicht allzu viel auffallen. Leon sei Dank. Bin gespannt, wie die vier auf ihn reagieren werden.

"Bist du fertig?", rufe ich und schaue ins Wohnzimmer.

"Ja. Ich gehe nur schnell duschen."

"Gut." Leon huscht an mir vorbei, einen Haufen Kleidung in der Hand, und verschwindet im Bad. Ich muss mich beherrschen nicht einfach hinterher zu laufen. Soweit sind wir noch nicht. Ob wir jemals soweit sein werden?

Mein Handy klingelt und stört weitere Überlegungen in diese Richtung. Worüber ich eigentlich ganz froh bin.

"Hey Sascha."

/Wo bleibst du? Du drückst dich doch nicht schon wieder?/

"Nein. Keine Sorge. Aber ich warte noch auf jemanden."

/Du kommst nicht allein?/

"Nein." Ich spüre Saschas Neugier geradezu körperlich.

/Das ist ja toll! ... Peter?! Aaron bringt jemanden mit! ... Ja! ... Aaron?/

"Ja?", seufze ich.

/Du sollst dich beeilen./

Jetzt lache ich. "Ich versuch's." Ich drücke Sascha einfach weg. Soll er später drüber jammern.
 

Sascha ist einer meiner engsten Freunde. Vor etwa einem Jahr kam er mit Peter zusammen. Peter ist nett und wir verstehen uns ganz gut. Nach einer kleinen Eingewöhnungszeit.

Sascha und Andy. Meine besten Freunde. Der eine mehr, was ich erst bemerkte, als es zu spät war ... So lernte ich später auch Sean kennen. Der dritte heute im Bunde. Er hatte mal was mit Andy und als er von der Sache erfuhr, war die Hölle los. Es macht ihm teilweise noch heute sehr zu schaffen, was damals passiert ist. Er und Sascha trafen sich immer öfter, als Freunde. Redeten viel, bis Sascha meinte, ich sollte mich auch mal mit Sean treffen. Natürlich war ich nicht begeistert davon, einen ehemaligen Fick von Andy kennenzulernen, und wollte mich vor diesem Treffen drücken, doch Sean stand einfach plötzlich vor meiner Tür und so wurde auch er einer der wenigen Freunde, die ich noch habe. Die ich überhaupt noch haben will.

Und als Peter in Saschas Leben trat, tauchte auch Chase in unserem Leben auf. Peters Hetero-Freund. Nun, jetzt nicht mehr. Aber das ist eine andere Geschichte.*
 

"Fertig!", ruft Leon plötzlich hinter mir.

"Wow! In passender Kleidung erkennt man dich ja kaum wieder!"

"Haha! Verrätst du mir jetzt, wohin es geht?" Leon setzt sich auf mein Schuhschränkchen und schlüpft in seine neuen paar Sneakers.

"Also gut. Wir treffen heute ein paar Freunde von mir." Unsicher blickt mich Leon an. "Keine Angst. Sie werden dir gefallen." Er sieht nicht so aus, als würde er mir glauben. Aber da muss er jetzt durch.
 

~Leon~

Wieder sind wir in dieser Bar, M. Ich komme mir total fehl am Platz vor. Aarons Freunde jagen mir eine Heidenangst ein. Er zeigt auf sie. "Der Haufen da hinten an der Theke", erklärt Aaron, geht voran und ich hinterher. Sie reden, lachen und einer von ihnen springt auf, als er Aaron sieht und fliegt in seine Arme. Was soll denn das bitte schön?!

"Sean! Wie war euer Urlaub zu viert?", fragt Aaron ihn und lacht über die stürmische Begrüßung.

"Unglaublich schön! Willst du Bilder sehen? Das Meer war der Wahnsinn! Und so blau!" Dieser Sean kramt eine Kamera hervor.**

"Mach mal langsam! Ich will euch doch noch jemanden vorstellen." Meine Hand wird gepackt und Aaron zieht mich dicht zu sich heran.

"Hallo. Ich bin Leon", stelle ich mich vor und verwünsche meine piepsige Stimme. Ich bin so verdammt aufgeregt!

"Ach Gott ist der niedlich. Wo haste den denn her?", sagt ein extrem großer Kerl mit hellbraunen Haaren. Sean verschwindet in seinen Armen. Anscheinend sind die beiden zusammen. Der Gedanke beruhigt mich ungemein.

"Gefunden." Aaron zwinkert mir zu.

"Zeig mal Kleiner. Wo hast du dir denn das eingefangen?" Mir wird ans Kinn gefasst und sofort trete ich erschrocken zurück. Wieso packt der mich an? Wir kennen uns doch noch gar nicht! "Hoppla. Sorry!", sagt er und hebt seine Hände.

"Das ist Sascha. Er ist Arzt", stellt Aaron mir den Grabscher vor. Sie wechseln eindeutige Blicke miteinander und ich werde noch ein Stück nervöser.

"Und ich bin Peter." Eine schmale Hand taucht vor mir auf. Ich ergreife sie. "Keine Angst. Wir beißen alle nicht." Peter lächelt mich an und ich lächle zurück. "Seht ihr? Ihr verschreckt einfach jeden mit eurer Art. Bei mir ist er zutraulich."

"Pfff", macht der Große, dessen Namen ich immer noch nicht kenne.

"Setzen wir uns?" Aaron zeigt auf einen Tisch, der gerade frei wird. "Da quatscht es sich besser."
 

Gemeinsam nehmen wir den Tisch in Beschlag und ich rücke so dicht an Aaron heran, dass die anderen zu grinsen beginnen. "Jetzt erzähl schon! Wo habt ihr euch kennengelernt?" Sean schaut mich offen an und lächelt. Auch wenn ich ihm erst nicht mochte, so wie er an Aaron gehangen hat, ist er scheinbar doch ganz nett.

"Wir haben uns vor ein paar Wochen hier kennen gelernt", beginnt Aaron. "Einer wollte ihm ans Leder und da habe ich ihn einfach geschnappt und hier rein gezerrt."

"Und ihr seid zusammen?" Sascha schaut erst Aaron dann mich an.

"Nein! Ich wohne bei ihm!" Okay, Leon! Klasse! Das war jetzt nicht die perfekte Antwort.

Aaron räuspert sich. "Ja. Er weiß gerade nicht wohin."

"Na, das ging ja schnell!", sagt Peter und grinst. "Kaum sind wir weg, erwacht dein Liebesleben wieder. Hättest auch sagen können, dass wir ... Aua! Hör auf mich zu treten!" Peter schaut zu Sascha, der ihn wiederum grimmig anschaut.

Ich studiere derweil wieder die Kritzeleien auf dem Tisch vor mir. Zu der Nervosität gesellt sich nun auch Scham.

Was die jetzt nur über mich denken? Bestimmt, dass ich nur ein kurzer Flirt für Aaron bin. Sicher nehmen sie mich nicht ernst. Halten mich für naiv. Der kleine, blonde Junge, der bei einem Aufreißer einzieht.

Ich mahne mich zur Ruhe. Erinnere mich daran, was Jack heute gesagt hat. 'Lass sie denken, was sie wollen!', rate ich mir selbst.
 

~Aaron~

"Sei ruhig Peter!" Sascha schielt immer noch böse zu seinem Partner.

"Leon weiß es. Macht nicht so einen Aufstand." Vier Augenpaare schauen mich erschrocken an.

Sean findet als erster seine Sprache wieder. "Du hast es ihm erzählt? Alles?"

"Nicht alles", beruhige ich ihn. "Können wir über ein anderes Thema reden? Euren Urlaub! Wie war der?" Ich weiß, ich kann das Gespräch mit Leon nicht lange aufschieben, aber hier fange ich sicher keine Diskussionen an. Nicht schon wieder.

"Supertoll! Sean? Zeig schon deine Bilder her." Sascha rettet mich, wie immer, und stupst Sean an.

Dieser schaut mich immer noch mit großen Augen an. "Zeig schon her", sage ich zu ihm. Wie gesagt. Sean macht das mit Andy immer noch zu schaffen, auch wenn er glücklich mit Chase ist. Er liebte ihn. Auch wenn Andy nichts von ihm wollte, außer ein bisschen Spaß. Ich bin froh, dass er jetzt Chase hat.

Da er mich immer noch dumm anstarrt, stecke ich ihm die Zunge raus. Wirkt immer. Er grinst und holt seine Kamera.
 

~Leon~

"Das war unser Haus. Nur wir vier und weit und breit niemand anderes. Weißer Sandstrand, blaues Meer und heiße Nächte!", lacht der große Dunkelhaarige, Chase, wie ich erfahren habe und haucht Sean einen Kuss auf den Mund.

"Da werde ich neidisch", sage ich leise und wünschte, ich könnte jetzt auch dort Urlaub machen.

"Ui. Leon kann reden", lacht Sascha.

"Ja, kann ich. Wenn man mich zu Wort kommen lässt."

"Uff. Zickig ist er auch noch!" Alle lachen. Ich auch. So langsam komme ich mit ihnen klar.

"Leute? Wollen wir mal bezahlen und uns ins Velvet abmachen? Ich habe Bock zu tanzen!"

"Du willst ja nur wieder mit Chase angeben, Sean! Das hat er im Urlaub ständig gemacht", schnattert Sascha und kassiert einen Fingerschnippser von Chase. "Aua!"

Ich grinse und beobachte sie weiter bei ihren nicht ernst gemeinten Streitereien, als schließlich mein Handy klingelt. Ich halte den Atem an und Aaron schaut besorgt zu mir. "Lass es klingeln."

"Vielleicht ist es wichtig." Könnte ja auch Phil sein. Ein Blick genügt um festzustellen, dass es nicht Phil ist. "Es ist wieder mein Vater." Aaron greift nach meiner Hand und hält sie fest umschlossen.

Ich drücke meinen Vater weg und schalte mein Handy wieder aus. Dumme Idee, es überhaupt mitzunehmen.

"Also suchen sie dich immer noch", meint Aaron und nimmt mir mein Handy ab.

"Der gibt sicher nicht so schnell auf." Ich kämpfe meine aufkeimende Angst nieder. Ich bin jetzt in Sicherheit! Das darf ich nicht vergessen.
 

"Du bist ein Ausreißer?", fragt mich Sascha.

"Sein Vater ist ein Schläger! Er hatte gar keine andere Wahl!", brüllt Aaron und wir schauen ihn alle gleichermaßen erschrocken an. Bis auf Sascha.

"Ich meine ja nur", sagt dieser und trinkt sein Glas leer.

"Aaron bezahlt und wir gehen schon mal raus." Allgemeine Zustimmung nur Aaron mault.

"Lass nur. Ich zahle", sage ich und zücke meinen Geldbeutel. Fast rechne ich schon mit Wiederworten, und Aaron öffnet tatsächlich seinen Mund, sagt aber nichts, nickt nur und begleitet mich vor zum bezahlen. Endlich komme ich mir mal nicht wie ein Schmarotzer vor!
 

***
 

~Aaron~

"Komm! Lass uns auch tanzen!", brüllt mir Leon ins Ohr und kichert schrill. Er ist stockbesoffen! Keine Ahnung, von wem genau die ganzen Drinks kamen, aber ständig drückte einer von meinen Freunden einen Neuen in Leons Hand, sobald sein alter leer war. Deshalb verliert er hier gerade langsam aber sicher seine letzten Hemmungen. Seit einer ganzen Zeit schon, fummelt er ständig an mir herum. Natürlich gefällt mir das, aber ich will nicht, dass er sich später für irgendwas schämen muss. Da hört sich tanzen nicht gerade gut an. Vor allem, da ich nicht gerne tanze.

"Sicher? Ich tanze grauenhaft!", antworte ich ihm und er zieht einen süßen Schmollmund.

"Bitte! Bitte, bitte, bitteeeee!"

"Ja! Ist ja schon gut!" Ich gebe auf. "Und ihr!", Ich schaue meine Freunde an "Keine Drinks mehr für ihn! Verstanden?" Sie grinsen und versuchen unschuldig auszusehen. Verlogenes Pack!
 

~Leon~

Endlich zieht mich Aaron hinaus auf die volle, bunte Tanzfläche. Mitten hinein ins hektische Treiben begeben wir uns, und ich presse mich dicht an seinen starken Körper. Alle sollen sehen, dass er zu mir gehört!

Es ist warm hier drinnen und ich sehe, wie Aaron schwitzt. Einige kleine Tröpfchen rinnen seinen Nacken hinab, bahnen sich einen Weg unter sein Shirt und ich beneide sie. Wie gern würde ich auch dorthin gleiten!

"Du kannst kaum noch stehen! Sicher das du tanzen willst?"

"JAA!!!", rufe ich und lasse mich in seine Arme fallen. Ich verschränke meine Arme in seinem Nacken und fühle die feuchte Haut dort. Grüne Augen treffen auf meine und ich keuche auf. Zum Glück hört man das bei der lauten Musik nicht.

Er beugt sich zu mir und kurz denke ich, er will mich küssen. Doch er fragt mich nur, ob es mir gut geht. Dumme Frage! Natürlich geht es mir gut! Wir sind zusammen und tanzen, dicht aneinander gedrängt und ...

Schon wieder ein kleiner Schweißtropfen! Genau an seinem Hals! Wenn ich mich beeile, dann …

"Leon!"
 

~Aaron~

Er gibt mir keine Antwort auf meine Frage sondern bekommt kurz ganz glasige Augen, fixiert meinen Hals und leckt plötzlich an ihm.

"Leon!", rufe ich. "Ich glaube, du gehörst ins Bett!" Sanft schiebe ich ihn von mir.

"Bett?" Den frechen Blick ignoriere ich.

"Ja. Du bist betrunken."

"Nein!"

"Doch. Sogar ganz schön!"

Er schüttelt den Kopf und wird scheinbar sauer. Er zieht eine beleidigte Schnute und prompt habe ich seine Lippen auf meinen. Sein schmächtiger Körper drängelt sich an mich, seine Finger krallen sich in meinen Rücken und sein Becken macht eindeutige Bewegungen. So gern ich ihn jetzt davon abhalten möchte, damit aufzuhören, schließlich ist er betrunken, ich kann es nicht!

Seine schlüpfrige Zunge macht mich schier verrückt, neckt meine Lippen, die sich wie von selbst teilen und sie einlassen. Er lenkt mich hervorragend von meinem Vorhaben ab und fummelt sich unter mein Shirt.

So betrunken Leon ist, so flink ist er, sich zu meinen Brustwarzen hochzuarbeiten. Ich stöhne in unseren Kuss und umklammere sein Becken, das einfach nicht ruhig bleiben will! Bald bekomme ich noch ein Problem.

Die Attacke endet aber abrupt, sodass ich verwirrt die Augen aufmache. Leons blaue Augen sind riesig und schauen mich leicht entsetzt an. Er wirkt auf einmal so nüchtern.

"Du hast ... recht ...", stottert er. "Ich ... Ich sollte besser ins Bett." Woher nur dieser Sinneswandel?

Grinsend folge ich ihm Richtung Ausgang, winke noch meinen Freunden zu, die mir schmutzige Gesten zeigen. Manchmal könnte ich sie …
 

***
 

~Leon~

"Ich gehe ... Ich muss mal", sage ich zu Aaron, der gerade seine Jacke aufhängt und schaue ihn dabei nicht an. Generell habe ich ihn kaum beachtet auf dem Nachhauseweg. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich habe ihn förmlich angesprungen und es erst richtig kapiert, als es schon zu spät war und ich ihm fast in den Mund gekrochen bin. Ist mir das peinlich!

Klar war es absolut geil, so mit ihm auf der Tanzfläche rumzumachen. Doch nicht so! Und seine Freunde haben uns dabei auch sicher beobachtet. Wie peinlich!

Erleichtert, dass er mich bis jetzt nicht drauf angesprochen hat, schließe ich die Badezimmertür hinter mir. Jetzt nur schnell Zähne putzen, aufs Klo und dann ab ins Bett. Ich täusche einfach einen dicken Brummschädel vor. Den habe ich morgen mit Sicherheit!
 

Fertig mit allem, lausche ich an der Tür, höre aber nichts. Entweder ist Aaron schon im Bett, oder er ist nicht in der Nähe. Vorsichtig schlüpfe ich durch die Tür, nachdem ich vorher das Licht im Bad ausgeschaltet habe, damit ich Aaron ja nicht auf mich aufmerksam mache. Heimlich schleiche ich ins Schlafzimmer. Bett leer. Nicht mehr lange, denn gleich liege ich drinnen.
 

~Aaron~

Ich kann nicht aufhören zu grinsen. Leon benimmt sich echt zu lustig. Er scheint jedenfalls wieder nüchtern zu sein, sonst wäre ihm das alles nicht so peinlich.

Von der Küche aus beobachte ich ihn, wie er sich aus dem Bad schleicht und dann im Schlafzimmer verschwindet. Wetten er 'schläft', wenn ich ihm gleich folge?

Gemächlich mache ich mich auf den Weg ins Bad und danach sofort ins Schlafzimmer. Das Licht bleibt aus, damit ich meinen Gast nicht 'wecke'. Eigentlich wundert es mich, dass er sich so selbstverständlich in mein Bett legt. Kein einziges Mal fragte er mich, ob das in Ordnung sei. Das ist es natürlich! Aber so wie er sich manchmal anstellt, frage ich mich wirklich, wieso er jetzt noch zu mir ins Bett krabbelt. Das kann nur eins bedeuten: Er will das was ich will. Das wir zusammen sind.
 

Leise krieche ich unter die Bettdecke und erspähe allmählich die Umrisse Leons. Ganz am anderen Ende des Bettes hat er sich eingerollt und rührt sich nicht.

"Leon? Bist du noch wach?" Keine Antwort. Welch Überraschung!

Gut das er schläft! So kann ich näher an ihn heran robben und in meine Arme ziehen. Bin ich gemein? Ja, aber ich will ihn etwas leiden lassen, für die Tanzaktion vorhin.

Als ich endlich nahe bei ihm liege, lege ich meinen Arm um ihn und ziehe ihn an meinen Brustkorb. Ein Zittern geht durch seinen Körper. Ob er sich rührt? Oder gar etwas sagt?
 

~Leon~

Was tut Aaron da? Denkt er jetzt, ich schlafe, also kann er ... Ja was kann er?

Ich bleibe abwartend liegen und rühre mich nicht. Aaron ebenfalls nicht. Nur sein Daumen reibt leicht an meinem Bauch auf und ab. Irgendwie schön. Irgendwie beruhigend.

Mir fallen die Augen zu und langsam driften meine Gedanken ab, verlieren sich im Nebel meiner eigenen Traumwelt. Sicher schlafe ich gleich ein.
 

~Aaron~

Wieder bringt er mich zum grinsen. Jetzt ist er doch wirklich eingeschlafen! Das gleichmäßige Atmen verrät es mir.

Ich drücke meine Nase in sein Haar, atme seinen Duft ein und schließe ebenfalls meine Augen. Vielleicht hatte Jack recht, und Leon kann mir wirklich dabei helfen, über Andy und all die damit verbundenen schlimmen Erinnerungen hinwegzukommen. Ich würde so gerne daran glauben.
 

******
 

* Kann man alles nachlesen. Und zwar hier: https://ssl.animexx.de/fanfiction/331220/

** Auch das kann man nachlesen. Einfach auf folgenden Link drauf klicken, schon seid ihr im warmen Sonnenschein ;-) >>> https://ssl.animexx.de/fanfiction/333098/

Kapitel 09 - Zweifel

Ich hab das Folgende zwar eben schon mal beim achten Kapitel von 'My sweet privat dancer' geschrieben, aber doppelt hält besser. ^^
 

Ich wollte mich nochmal für die ganzen Reviews bedanken. Auch wenn ich nicht immer antworte, lese ich sie alle und freu mich riesig drüber. <3 Das gibt mir zusätzlich Schwung für meine Storys, die ich derzeitig schreibe, und das, obwohl ich gerade ziemlich in den Seilen hänge. Erkältungen sind doof!
 

So. Genug gebrabbelt! Jetzt dürft ihr weiterlesen!

Eure dankbare Fara

☆(^_-)v☆
 


 

Kapitel 09 - Zweifel
 

~Leon~

Ich kann es kaum glauben, aber jetzt sind schon zwei Wochen rum! Zwei Wochen lebe ich jetzt schon bei Aaron und seit gut zwei Wochen arbeite ich schon in der Druckerei und es macht mir richtig Spaß. Es ist unglaublich zu sehen, wie der Wunsch eines Kunden auf dem Computer Gestalt annimmt und dann Metergroß als Plakat oder Werbebanner seine Vollendung findet.
 

Mit Aaron verstehe ich mich auch immer besser und auch mit seinen Freunden, die hin und wieder hier auftauchen, den Kühlschrank plündern und nach getaner Arbeit wieder verschwinden. Eigentlich könnte ich ganz zufrieden sein, währen da nicht all diese kleinen Dinge, die mich, na ja, fast schon stören und verwirren.

Letzten Dienstag zum Beispiel, als ich von der Arbeit kam und Aaron und ich uns gemütlich einen Film ansehen wollten, klingelte es plötzlich und Sean stand vor der Tür. Heulend. Aaron zog ihn ohne Kommentar mit sich. Ins Schlafzimmer!

Ich muss nicht sagen, wie sehr mir das missfallen hat. Klar habe ich gesehen, dass es Sean nicht gut ging und ich machte mir Sorgen und ihn. Ich habe ihn wirklich lieb gewonnen mit seiner immer fröhlichen Art. Aber wieso sind die beiden ins Schlafzimmer gegangen?

Das wurmt mich immer noch, denn Aaron wollte mir keine Antwort geben, als ich ihn auf diesen Vorfall hin angesprochen habe. "Alte Geschichte", sagte er nur, nachdem Sean wieder, ohne mich anzusehen, verschwunden war.

Im allgemeinen erzählt Aaron sehr wenig über sich. Muss er ja nicht, aber das mit Andy ... Ich habe das Gefühl, dass da noch viel mehr war, als Jack mir erzählt hat. Es geht mich ja auch nicht wirklich was an. Nur steckt mir die Angst, er könnte mich wieder herausschmeißen, immer noch in den Knochen. Ich weiß auch nicht wieso. Aber ich weiß leider nur zu gut, wie es sich anfühlt, allein gelassen zu werden.
 

Die Sache im Club haben wir nicht mehr angesprochen. Ich war betrunken und somit schien die Sache klar zu sein. Aaron stellte mir morgens ein Glas Wasser und eine Schmerztablette hin, streichelte mir über den Kopf und das war's.

Apropos … Das ist noch so eine komische Sache. Immer wieder krault er über meinen Kopf, drückt mir sogar hin und wieder einen Kuss drauf. Ich traue mich nur nicht ihn zu fragen, was das soll. Er kann manchmal ganz schön merkwürdig sein.

Genau wie jetzt. Es ist Freitag Abend und wir sitzen wie immer zusammen beim Essen. Ich schaue ihn nicht an, dennoch spüre ich seine Blicke auf mir. Das macht er auch andauernd. Mich beobachten. Am liebsten würde ich ihn foppen, und sowas sagen wie: "Ich weiß, dass ich gut aussehe." Oder "Mach ein Foto, da hast du länger was davon."

Aber erstens traue ich mich das nicht und zweitens kann ich nicht sagen das es mich stört. Es schmeichelt mir, irgendwie. Und trotzdem macht er keine Anstalten sich mir wieder zu nähern. Keine nächtlichen Attacken mehr, in denen er mich auf diese gewisse Art berührt oder gar küsst. Nichts. Langsam kommt es mir so vor, als will er mich gar nicht mehr. Obwohl er mir ständig diese komischen Signale sendet. Wie gesagt: Er verwirrt mich total!
 

"Willst du Phil und Flo nicht fragen, ob sie nachher mitgehen wollen? Wir haben die beiden schon lange nicht mehr gesehen", fragt mich Aaron und steht auf.

"Ja. Vielleicht. Ich vermisse die beiden ja schon richtig. Und das nur wegen meinem Vater."

"Stellt er deinen Freunden immer noch nach?"

"Anscheinend. Anfang der Woche hat er vor Phils Haus gestanden", seufze ich und helfe Aaron beim Abräumen.

"Das ist ja unheimlich."

"Ja." Unheimlich ist gar kein Ausdruck! Inzwischen habe ich eine neue Handynummer, da ständig Anrufe von meinem Vater auf der Mailbox waren. Mal mit wüsten Beschimpfungen, mal wurde einfach aufgelegt. Ich hielt das nicht mehr aus.

Dieses Thema bereitet mir am meisten Sorgen. Meine Eltern. Nicht nur darum, ob mich mein Vater findet mache ich mir Gedanken, sondern auch um meine Mutter, meine Freunde. Was, wenn er Phil oder Flo etwas antut? Immer wieder schleicht er um Phils Zuhause. Es ist furchtbar!

"Dann entscheide du. Ich dachte nur, vielleicht tut dir das ganz gut, mal wieder mit deinen alten Freunden abzuhängen."

"Eigentlich ist das keine schlechte Idee", lächle ich und ernte damit wieder einen Kopftätschler. Habe ich schon erwähnt, dass mich das total verwirrt?
 

~Aaron~

Leon macht mir langsam Sorgen. Er redet immer weniger mit mir, scheint nachdenklich und manchmal auch richtig abwesend zu sein. Er braucht definitiv etwas Ablenkung.

Ich beobachte ihn, wie er die Teller in die Spülmaschine räumt und mich dann ansieht. "Ähm. Kommen die anderen auch? Sascha und so?"

"Ja. Die kommen nach. Chase hat noch einen Kundentermin."

Leon lächelt kurz und bekommt wieder diesen abwesenden Gesichtsausdruck. Ich stelle die Pfanne ab und gehe auf ihn zu. Streichle über seine Locken und nehme ihn anschließend in den Arm. "Das wird alles wieder. Mach dir keine Sorgen, okay?" Ich mag es nicht, wenn er so ist.
 

***
 

~Leon~

"Oh man! Leon! Wie geht es dir?" Phil fällt mir um den Hals und drückt mich so fest, dass ich kaum noch Luft bekomme.

"Besser", antworte ich. Gut wäre gelogen. Auch wenn es mir schon lange nicht mehr so gut ging, wie jetzt. Bis auf diese eine Sache eben.

"Dein Vater hat 'ne Macke! Lass dich auch mal drücken." Flo.

Ich lächle nur und stelle mich wieder neben Aaron, der mir einen Arm um die Taille legt.

"Macht er euch irgendwie Schwierigkeiten?", fragt er meine beiden Freunde, doch Flo verneint.

"Er kommt nur hin und wieder auf Kontrollbesuch, wie es scheint. Das nächste Mal rufe ich die Polizei. Das kann ja so nicht weitergehen."

"Das tut mir so leid!", entschuldige ich mich und mir wird richtig schlecht. Wegen mir haben sie so einen Ärger.

"Muss es nicht. Ich bin so froh, dass du da raus bist." Aufmunternd greift Phil meine Hand und drückt sie. "Jetzt ist aber mal Schluss mit Trübsal blasen! Stoßen wir auf deine Freiheit an!", ruft er und zieht mich in seine Arme.
 

~Aaron~

Leon grinst. Alles Gespielt. Ich muss dringend mit ihm darüber reden. Sonst frisst es sich immer mehr in ihn hinein.

"Wollen wir tanzen?" Leon nickt Phil zu, zieht ihn endgültig aus meinen Armen und mir bleibt nichts anderes übrig, als den beiden hinterherzuschauen.

"Schwer, was?" Flo gesellt sich zu mir.

"Ja."

"Phil nimmt das alles auch ganz schön mit. Es regt ihn unheimlich auf. Und das er nicht zu euch konnte hat ihn ebenfalls arg mitgenommen."

Ich atme tief ein. Ringe mit mir, entscheide mich dann doch dafür, es wenigstens Flo zu sagen. "Leon macht das mehr zu schaffen, als er zugibt. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe."

"Was meinst du? Du schaffst das nicht?"

"Für ihn da zu sein, wenn die ganze Scheiße über ihn zusammenbricht." Flo sieht mich lange und intensiv an. "Du weißt es. Habe ich recht?"

"Was meinst du?" Unschuldiger Blick.

Ich atme abermals tief ein und laut wieder aus. "Das mit Andy damals. Jack hat es euch erzählt."

"Na ja. Er hat nur erzählt, dass du dir die Schuld an seinem Tod gibst", gibt Flo leise zu. "Aber wenn ihr Hilfe braucht. Wir sind da."

"Es gibt kein wir", flüstere ich und schaue Leon beim tanzen zu. Er lacht. Seit Tagen lacht er mal wieder richtig. Wäre ich nicht so ein Gefühlskrüppel, würde ich es sicher auch hinbekommen, Leon so zum lachen zu bringen. Dass er die ganze Scheiße vergessen kann. Aber das kann ich nicht, wie ich gerade schmerzlich feststelle. Das können nur Menschen, die glücklich sind. "Ich will keine Beziehung. Und erst recht nicht mit ihm", flüstere ich, was Flo jedoch hören kann.

Bevor er etwas dazu sagen kann, stoße ich mich von der Bar ab und gehe zum Ausgang.

"Aaron? Hey warte doch mal!" Sorry Flo. Kümmere dich lieber um Leon. Bei ihm ist noch nicht alles verloren.
 

~Leon~

Phil und ich tanzen ausgelassen und seit langer Zeit fühle ich mich mal wieder richtig gut. Das sollten wir wirklich öfter machen!

"Phil?" Flo kommt auf uns zu.

"Ja, mein Schatz?"

"Aaron ist ... Mal kurz raus."

Bestimmt kommen Sascha und die anderen! "Ich komme gleich wieder!", sage ich zu den beiden und laufe auch nach draußen. Ich will Phil und Flo unbedingt Aarons Freunde vorstellen!
 

~Phil~

"Nein! Leon!" Was soll das denn werden?

Ich halte Flo fest, denn er will hinter Leon her. "Warte doch mal. Was ist denn?"

"Aaron ist ... Also ..."

"Du stotterst!", ziehe ich meinen Schatz auf.

"Mensch Phil! Aaron will nichts von Leon!"

Ich runzle meine Stirn. "Ich dachte, die beiden sind ..."

"Nein! Aaron hat gesagt, er packt das nicht."

"Und was bedeutet das?"

"Wenn ich das wüsste."

Jedenfalls nichts Gutes. "Also ihnen nach?" Flo nickt.
 

~Aaron~

Nervös ziehe ich an meiner Zigarette. 'Es ist besser so', rede ich mir ein. 'Wie will ich ihm helfen? Ich kann weder mir helfen, noch konnte ich damals Andy helfen.' Das hat Sean mir letztens wieder schmerzlich bewusst gemacht.

Der kleine Sean. Er ist zwar glücklich mit Chase zusammen, aber trotzdem bekommt er immer mal wieder diese Schübe, wo all die Erinnerungen von damals über ihn einbrechen. Und dann kommt er zu mir, heult sich aus und geht wieder. Wir wissen was der andere durchmacht. Trotzdem kann ich ihm diese schlimmen Erinnerungen nicht nehmen. Weil ich in meinen noch zu sehr gefangen bin.

Das kann ich Leon nicht antun. Er braucht jemanden, der ihm helfen kann. Der ihn wieder zum lachen bringen kann, damit er die ganze Scheiße hinter sich lassen kann. So jemanden braucht er. Nicht so einen Versager wie mich.

Ich ziehe nochmal kräftig an meiner Zigarette und behalte den Rauch kurz in meiner Lunge, bevor er in die kalte Winterluft entweicht. Ich hasse es, wenn meine Nerven wieder kurz davor sind zu zerreißen. Wenn mein Gewissen mich quält und ich nur noch wegrennen will, obwohl ich weiß, dass ich vor meinen Gedanken nicht davonlaufen kann. Es sei denn ...

"Aaron?" Erschrocken drehe ich mich um.

"Leon?"

"Was ist den passiert?"

"Was meinst du?", frage ich nervös. Er soll davon nichts wissen.

"Du bist weiß wie eine Wand. Ist was mit Sean?"

"Wie kommst du denn darauf?"

"Na weil er letztens so fertig war."

"Nein. Es ist nichts. Geh wieder rein. Ich komme nach." Musste er gerade jetzt auftauchen und mich so sehen?
 

Ich schnicke meinen Zigarettenstummel auf den Boden und trete ihn aus, da sehe ich, wie Leon auf mich zu geht.

Wortlos nimmt er mich in den Arm und ich kann nicht anders, als seine Umarmung zu erwidern. "Ich habe dich noch nie rauchen sehen", flüstert er mir zu.

"Tue ich auch nur selten." Immer wenn ich an Andy denke.

"Du willst nicht drüber reden, oder?"

Ich drücke ihn fester an mich. Meine Stimme ist dünn, als ich antworte. "Nein."

"Das Gefühl kenne ich", flüstert er und ein Zittern rinnt durch seinen Körper.
 

~Leon~

Aarons Gesicht presst sich in meine Halsbeuge. Ich weiß nicht was er gerade hat, kann es mir aber denken. Ich wünschte nur, ich könnte ihm ebenso sehr helfen, wie er mir immer hilft.

"Da seid ihr ja!" Phils Stimme ertönt hinter mir, doch ich bleibe an Aaron gelehnt.

"Aaron! Hier wird nicht auf offener Straße rumgemacht." Jetzt muss ich mich doch umdrehen.

"Halts Maul, Sean!", sagt Aaron, bevor ich auch was sagen kann. Aaron lässt mich los und geht auf ihn zu. Sie grinsen sich an. Allerdings scheint da noch mehr vor sich zu gehen. Heftig zieht Aaron Sean in seine Arme. Ich beobachte die zwei ganz genau, sehe, wie Sean Aaron über den Rücken streichelt und leise mit ihm spricht. Aaron nickt daraufhin. Hm ...

"Versuch es erst gar nicht zu verstehen", raunt mir Chase zu, der sich neben mich stellt.

"Ja", antworte ich. "Aber ich glaube, ich habe es gerade verstanden."

Chase lacht. "Dann bist du schlauer als ich."

Zu sechst stehen wir vor dem Eingang des Velvet, sehen die zwei eng umschlungen Gestalten vor uns an, und ich weiß endlich Bescheid.
 

***
 

~Aaron~

"Das war echt lustig! Wir sollten öfter zu acht weggehen."

"Ja. Nur war es ein vollkommenes Durcheinander!", lache ich und lasse mich neben Leon auf die Couch fallen. "Morgen müssen wir einkaufen. Der Kühlschrank ist leer."

Leon gähnt herzhaft. "Okay. Solange ich ausschlafen kann, ist mir alles recht."

"Das ist Luxus für dich, oder? Samstags lange schlafen."

"Ja. Aber selbst unter der Woche erst um halb sieben aufzustehen ist Luxus."

Ob ich es ansprechen soll? "Dann hole ich morgen früh Brötchen." Leon nickt langsam. "Welche schmecken bei deinen Eltern am besten?"

Ich kann förmlich sehen, wie ihm das Herz stehen bleibt. "Du willst zu meinen Eltern?"

"Ich will deiner Mutter nur sagen, dass es dir gut geht und ihr das geben." Ich reiche Leon einen Zettel mit einer Adresse von einem Frauenhaus. "Eine Kollegin von mir war da mal. Frag lieber nicht wieso."

"Das macht sie nie im Leben", flüstert Leon und starrt den kleinen Zettel an.

"Geben wir ihr wenigstens die Möglichkeit dazu. Vielleicht hat deine Flucht ihr die Augen geöffnet."

Leon gibt mir den Zettel zurück und wischt sich übers Gesicht. "Dazu hat sie zu große Angst. Als mich mein Vater ... Das letzte Mal, da hat er mir gesagt, dass sie die Lektion auch schon lernen musste. Das Verräter, die abhauen wollen, bestraft werden. Deswegen hatte sie kein zweites Mal den Mut dazu."

"Trotzdem", sage ich. Und wenn es nur dazu dient, um Leon etwas zu beruhigen. Na ja, eigentlich mache ich das ja nur für Leon. Das er endlich aufhören kann, sich um sie Sorgen zu machen. Wenigstens das kann ich für ihn noch tun.
 

Ich nehme den Kleinen in den Arm und hauche ihm einen Kuss auf den Hinterkopf. Fest legen sich seine Arme um mich und so sitzen wir da, liegen eigentlich fast schon auf der Couch, und hängen unseren eigenen Gedanken nach.

Bis ich merke, wie mich Leon anstarrt. Er richtet sich auf und legt mir eine Hand in den Nacken, haucht mir einen Kuss auf die Lippen und schaut mich wieder scheu an. Ein leichter roter Schwimmer überzieht seine Wangen.

"Du willst nicht?", fragt er leise.

"Doch. Und wie. Aber ich will nicht, dass du denkst, dass ich deine Situation ausnutzen würde."

Er atmet schneller und ich merke seinen Puls an meinem Hals. Zudem wird Leons Gesicht noch eine Spur dunkler. "Nutz mich aus", wispert er so leise, dass ich es gerade so verstehen konnte. Mein Herz macht einen gefährlichen Sprung. Eigentlich sollte ich das hier wirklich nicht weiter voran treiben, doch es ist wie mit dem Rauchen und trinken. Ich weiß, dass es schlecht für mich ist, oder besser gesagt, dass es schlecht für Leon ist, trotzdem kann ich nicht aufhören.

"Sicher?", frage ich ihn und streichle über seine linke Wange. So weich ...

"Sehr sicher", haucht er mir zu, wobei seine blauen Augen einen dunklen Schimmer bekommen.

Wie soll ich da nur widerstehen können?
 

~Leon~

Und wie sicher ich mir bin!

Vorhin, bei all den glücklichen Pärchen um uns herum, konnte ich nur an eins denken: Endlich mit Aaron allein zu sein und ihm zu zeigen, dass ich ihn will. Das er mir mehr bedeutet, als ein sicheres Dach über den Kopf, neue Kleidung und ein neuer Laptop.
 

Mein Herz klopft schmerzhaft schnell, als ich aufstehe, seine Hand ergreife und ihn dann mit mir ins Schlafzimmer ziehe. So nervös war ich in meinem ganzen Leben noch nicht!

Wir bleiben vor dem Bett stehen und sehen uns an. Aaron lächelt.

"Aaron? Du kannst auf mich zählen. Ich bleibe bei dir, falls du mich bei dir haben willst."

Sein Lächeln verschwindet. "Darum geht es doch gar nicht. Ich weiß nur nicht, ob du auch auf mich zählen kannst, wenn du mich brauchst." Liebevoll krault seine Hand meinen Nacken.

"Ich weiß, dass ich das kann. Du hast mir in der kurzen Zeit schon mehr geholfen, als sonst jemand in meinem ganzen Leben." So gern ich noch mehr sagen würde, ich tue es nicht. Weiß auch gar nicht genau, wie ich mich ausdrücken soll.
 

Mit zittrigen Fingern greife ich an den unteren Rand meines Oberteils und ziehe es mir über den Kopf. Danach folgt meine Hose. Als ich meine Finger an den Bund meiner Unterhose lege, hält mich Aaron auf.

"Leg dich zuerst hin." Irritiert folge ich seiner Bitte.

Aaron bleibt wo er ist und beginnt nun ebenfalls sich auszuziehen. Auch wenn ich ihn schon fast nackt gesehen habe, ist es jetzt doch vollkommen anders. Aufgeregt schaue ich ihm zu, wie er auch die letzten Hüllen fallen lässt. Habe ich jemals einen schöneren Mann gesehen?

Er kommt auf mich zu, fixiert mich mit seinen grünen Augen und krabbelt zu mir aufs Bett. Ich versuche seinem Blick standzuhalten, meine Augen nicht tiefer gleiten zu lassen. Der kurze Blick, als er vor dem Bett stand, hat mir gereicht.

Ich bin so nervös!
 

~Aaron~

Wie gerne würde ich ihm glauben. Das er immer auf mich zählen kann. Aber wie hatte Sean mir vorhin gesagt? "Chase hilft mir allein dadurch, dass er bei mir ist. Leon wird es nicht anders gehen. Und du brauchst auch dringend jemanden, an dem du dich anlehnen, und dem du vertrauen kannst. Geh das Risiko ein, du riesiges Weichei." Damit hatte er es wieder geschafft! Meine Bedenken waren fast beiseite geschoben und er hatte mich sogar zum lachen gebracht.

"Warum lachst du?" Leon wirkt unsicher.

"Ich bin froh, dass du bei mir bist", sage ich und versiegle seinen Mund mit meinem. Ja, ich bin wirklich froh, dass er bei mir ist.
 

******

Kapitel 10 - Zurück

Kapitel 10 - Zurück
 

~Leon~

Müde strecke ich mich im Bett aus. Aaron liegt noch neben mir. Kein Wunder. Es ist noch mitten in der Nacht.

Nein. Wir haben schließlich doch nicht miteinander geschlafen. Nicht, weil wir nicht wollten. Aber Aaron meinte, wenn es soweit ist, soll es für mich perfekt sein. Warum es heute nicht perfekt war, weiß ich nicht. Ich habe ihn auch nicht danach gefragt.

Trotzdem war es schön. Mehr als schön. Mir wird immer noch ganz heiß, wenn ich daran denke ...
 

Nachdem wir uns intensiv und wie ausgehungert geküsst hatten, begann Aaron damit, sich langsam an meinem Hals abwärts zu küssen und zu lecken. Er hinterließ dabei eine brennende Spur auf meiner Haut, ließ mich keuchen und verursachte immer wieder kribbelnde Schauer in meinem Schoß.

Er nahm sich Zeit, nahm seine Hände hinzu und brachte mich damit fast um den Verstand. Während er an meinem Schlüsselbein knabberte, kümmerten sich seine Finger um meine Brust. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich so empfindlich an meinen Brustwarzen sein könnte. Aber es erregte mich so sehr, dass ich mich irgendwo festhalten musste und mich deshalb in das Kissen unter meinem Kopf festkrallte und mir auf die Unterlippe biss, um nicht zu laut aufzukeuchen.

"Unterdrücke es nicht. Das lenkt dich zu sehr ab und du verpasst das beste", raunte er mir zu und machte sofort weiter mit der süßen Folter.
 

Ich entspannte mich wirklich etwas und begann seine Behandlung zu genießen. Bis seine Hand plötzlich nach meinen Hoden griff und mich damit laut aufschreien ließ.

Sein Zunge folgte, strich über meine Spitze, bevor sich Aarons weiche Lippen um sie legten und er zu saugen begann.

Ich kam praktisch sofort. Und es war mir sofort peinlich, nachdem ich mich von einem wahnsinns Orgasmus erholt hatte.

Aaron grinste mich an und ich versuchte mich unter meinem Arm zu verstecken. Er lachte und schob ihn von meinem Gesicht. "Also hat es dir gefallen?" Idiot!! Ich nickte nur und hielt meine Augen geschlossen. "Mir hat es auch gefallen", sagte er leise in mein Ohr und bescherte mir damit tausend aufgescheuchte Schmetterlinge in meinem Bauch.
 

Er platzierte kleine Küsse auf meinem Hals und fing an sich an mir zu reiben. Deutlich fühlte ich seinen Schwanz an meinem Oberschenkel.

Ob ich auch ...? Ich beschloss nicht lange drüber nachzudenken, sondern einfach zu handeln.

Ich streckte mich ihm entgegen, fing seine Lippen ein und griff zwischen uns. Aaron keuchte auf, als ich seinen langen Schaft erwischte und diesen fest rieb. Er stieß automatisch zu und streichelte dabei über meinen Rücken. Aber ich wollte mehr! Ich wollte auch wissen, wie es ist, ihn mit dem Mund zu verwöhnen, ihn zu schmecken und ihn dazu zu bringen, komplett den Verstand zu verlieren und sich in meiner Mundhöhle zu ergießen.

Deshalb ließ ich ihn los und drängte Aaron auf den Rücken. Er sah mich fragend an, aber ich lächelte nur und tauchte mit meiner Zunge in seinen Bauchnabel.

"Nicht!", lachte er und zuckte vor mir zurück. "Da bin ich kitzelig", erklärte er mir grinsend.

"Kitzelig?" Interessant! Ich fing an ihn zu ärgern und knabberte um seinen Bauchnabel herum. Aaron zappelte und versuchte mich wegzuschieben. 'Dann eben anders', dachte ich und schnappte, ohne zu zögern, seine Erektion, die gerade so praktisch 'griffbereit' vor mir aufragte.

"AHHH!" Aaron drückte mir sein Becken entgegen.

Erst war es komisch, doch ich lernte schnell und neckte ihn offensichtlich mit Erfolg, denn er stöhnte fast ununterbrochen und keuchte sogar ein paar mal meinen Namen. Und was soll ich sagen? Es machte mich glücklich!

Ich nahm sein Glied tief auf und half mit meinen Händen nach und schon entlud er sich in mir. Hustend weichte ich erschrocken zurück.

"Tut mir ... Leid."

"Schon gut." Ich grinste ihn an und wischte mir den Mund ab. Mit einer Hand zog er mich zu sich und ich kuschelte mich an ihn ran. Kurz darauf war ich eingeschlafen.
 

Und jetzt liege ich hier und beobachte diesen wunderschönen Mann beim schlafen. Im Zimmer ist es fast hell, da der Mond hineinscheint, direkt in Aarons Gesicht. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, streiche ich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. Er runzelt sie, schläft aber weiter.

Ich würde ihm so gern helfen. Würde ihm seine ganzen Ängste gerne nehmen und vor allem seine Vorwürfe sich selbst gegenüber. Wenn er doch nur darüber reden würde! Vielleicht könnte ich ihm etwas mehr Selbstvertrauen geben.

Aber was denke ich da? Ich habe ja noch nicht mal selbst genug Vertrauen in mich. Wie soll ich ihm da weiter helfen?

Ich schaue ihn nochmal an, streiche über seine Wange und kuschle mich wieder dicht an seine breite Brust, schließe meine Augen und versuche wieder einzuschlafen. Ich sollte froh sein, wenigstens jetzt so bei ihm sein zu können. Und das bin ich.

Lächelnd drifte ich langsam wieder in den Schlaf.
 

***
 

~Aaron~

"Aaron?" Müde blinzelt mich Leon an, der immer noch eingemummelt im Bett auf dem Bauch liegt.

"Ich hole nur schnell die Brötchen", antworte ich ihm und ziehe mir meinen Pullover über. Es hat schon wieder geschneit, letzte Nacht.

"Soll ich mit?" Aufgeregt erhebt er sich und setzt sich auf.

Ich gehe zu ihm und hauche ihm einen Kuss auf die Lippen. "Bleib liegen. Du hilfst deiner Mutter mehr, wenn du hier bleibst."

Seine blauen Augen schauen mich groß an, aber er nickt und legt sich wieder hin. "Beeil dich", murmelt er mir noch zu, als ich schon fast aus dem Schlafzimmer bin. Natürlich beeile ich mich! So schnell wie nur irgend möglich will ich wieder bei ihm sein. Unbedingt möchte ich an die letzte Nacht anknüpfen und sehen, wohin es uns führt.

Ein kleines Grinsen legt sich auf meine Lippen. Der Kleine hat es mir wirklich angetan! Und so langsam bin ich auch bereit, mich auf ihn einzulassen. Und falls mich wieder Zweifel quälen, muss ich nur zu Sean gehen. Der wäscht mir den Kopf, wenn nötig.
 

Die eiskalte Luft schlägt mir entgegen. Kleine Schneeflöckchen landen auf mir und ich beeile mich, um zu meinen Wagen zu gelangen.

Nachdenklich mache ich mich auf den Weg zu der Bäckerei, die seine Eltern betreiben. Hoffentlich klappt auch alles so, wie ich es mir vorgestellt habe. Falls sein Vater in unmittelbarer Nähe ist, wird es schwer. Er soll nichts mitbekommen.

Langsam fahre ich auf der glatten Straße in Richtung der Bäckerei und halte schräg gegenüber.

Es ist noch nicht viel los dort, was bestimmt an der Uhrzeit liegt. Samstags um halb sieben kauft meist noch keiner Brötchen.

An der frischen Luft atme ich erst einmal tief durch, greife nach dem kleinen Zettel in meiner Jackentasche und halte ihn fest. Festen Schrittes gehe ich in die Bäckerei und mich umhüllt ein wunderbarer warmer Duft nach Backwaren. Welch krasser Gegensatz zu dem ganzen Leid, das Leons Vater seiner Familie bereitet.
 

Ganz vorn steht eine junge Verkäuferin, die mich freundlich anlächelt und daneben eine Frau mit ... Einem blauen Auge! Unverkennbar Leons Mutter.

Ich balle meine Hände zu Fäusten vor Wut auf dieses miese Schwein von Vater und steuere auf sie zu, lächle sie an, was sie auch zögernd erwidert. "Kann ich ihnen helfen?", fragt sie mich und wischt ihre Hände an der Schürze ab.

"Ja. Vier Vollkornbrötchen bitte." Sie nickt und packt mir die gewünschten Brötchen in eine Papiertüte. Verstohlen schaue ich mich um.

Die andere Verkäuferin ist mir einer Kundin beschäftigt und sonst sehe ich hier niemanden. Dann klappt ja vielleicht alles.

"Das macht dann drei Euro sechzig bitte."

Ich lege ihr einen fünf Euro Schein hin und oben auf die Adresse des Frauenhauses. Sie schaut mich verwirrt an.

"Tun sie es Leon zu liebe", flüstere ich. Ihre Augen weiten sich und werden feucht. Hektisch schaut sich sich um, bevor sie zögernd zugreift. "Es geht ihm gut und sie sollen sich um ihn keine Sorgen machen. Meine Handynummer steht ..."

"Ich glaube, ich habe einen großen Fehler gemacht!", schluchzt sie plötzlich und hält sich die Hand vor das Gesicht, bevor ihre Augen überquellen und Tränen über ihre Wangen laufen.
 

~Leon~

Da ich nun mal wach bin, kann ich auch gleich den Tisch decken. An Schlaf ist sowieso nicht mehr zu denken. Dazu bin ich viel zu aufgeregt.

Ich stelle alles Notwendige auf den Küchentisch und greife zu der Fernbedienung für die Stereoanlage. Etwas Musik wird mich beruhigen. Nur leider tut sich nichts. Batterien leer. Also auf die Suche nach neuen Batterien gehen.

Ich öffne das Batteriefach und nehme die Alten heraus. Hoffentlich hat Aaron noch so welche. Ich schalte das kleine Radio in der Küche an, um wenigstens etwas Musik zu haben und gehe auf die Suche.

Nicht genau wissend, wo er Batterien aufbewahrt, krame ich einfach mal in den Schubladen herum. In der Küche finde ich nichts, weswegen ich im Wohnzimmer weiter suche. Auch da finde ich nichts, was einer Batterie auch nur ähnelt, aber dafür fällt mir ein Briefumschlag in die Finger. Ungeöffnet. Doch was noch viel interessanter ist, der Absender.
 

"Der ist von Andy!"

Ich drehe und wende den wirklich abgegriffen aussehenden Umschlag und begutachte ihn genau. Ich bin neugierig, aber nicht so sehr, dass ich versuchen würde ihn zu öffnen. Warum Aaron den Brief noch nicht geöffnet hat?

Ich lege den Umschlag auf den Teppich, da ich nicht will, dass er kaputt geht und suche in der Schublade weiter. Just in diesem Moment klingelt es an der Haustür. Bestimmt der Postbote. Aaron bekommt oft Pakete von der Firma in der er arbeitet.

Es klingelt nochmal und ich verdrehe genervt meine Augen. "Ja doch! Bin ja schon unterwegs!" Immer diese dauergehetzten Postboten!

Ich sprinte zur Tür und öffne zuerst die Türkette und dann die Tür. "Wo soll ich unterschrei ... Papa?!"

"Du mieses, undankbares Balg! Ich werde dir beibringen, noch einmal abzuhauen!"

Viel zu spät reagiere ich, bin viel zu entsetzt dazu und stemme mich erst gegen die Tür, als das vom Schreck ausgeschüttete Adrenalin durch meinen Körper sendet, aber es ist zu spät. Ich werde gepackt und vor Panik sacken mir die Beine weg. Er ist zurück! "Bitte ...", wimmere ich und dann wird es schwarz um mich herum.
 

***
 

~Aaron~

Schreiend schlage ich gegen mein Lenkrad. Diese verdammten Ampeln! Alle auf rot! Jeder Volltrottel der Stadt scheint vor mir zu sein und ich bekomme gleich einen Nervenzusammenbruch. "Fahr los du Idiot! Ich muss nach Hause!" Natürlich hört keiner auf mich! Diese Weicheier haben schiss zu fahren bei dem Wetter.

Ich muss mich doch beeilen! Hoffentlich ist es noch nicht zu spät. Das, was Leons Mutter mir unter Tränen erzählt hatte, ließ mir alle Nackenhärchen zu Berge stehen. Ich nahm sofort meine Beine in die Hand und sprang in meinen Wagen, fuhr los, nur um jetzt hier vor einer Ampel zu stehen.

Leons Vater weiß Bescheid! Er hatte uns gestern Abend gesehen, war Phil und Flo gefolgt und muss mich zusammen mit Leon draußen auf der Straße erkannt haben. Danach ist er uns bis zu mir gefolgt, dann nach Hause gefahren, wo Leons Mutter ihm nach einigen Schlägen gestanden hatte, das Leon ihr gebeichtet hatte, er sei schwul. Dieser kranke Mistsack ist total durchgedreht und muss dann wieder zu mir gefahren sein, darauf gewartet haben, dass ich das Haus verlasse und dann ... Ich hoffe ich behalte nicht recht. Aber es sieht nicht gut aus. Leon geht nicht an sein Handy und auch nicht ans Festnetztelefon.

"Mensch fahr doch du Idiot!" Ich gebe Gas und brause durch eine schmale Lücke. Die gerade wieder rot werdende Ampel übersehe ich einfach und rausche auf der eisigen Fahrbahn davon. Vor mir rote Lichter. Wieder stehe ich vor einer Ampel.

Gut, dann eben anders! Meine Wohnung ist nicht mehr weit von hier. Ich parke einfach in einer Seitenstraße und laufe den Weg durch die Häuser. So bin ich schneller, als wenn ich außen herum fahren müsste.
 

"LEON!" Ich schließe meine Haustür auf und höre Musik. Erst bin ich erleichtert. Vielleicht hat er deswegen die Telefone nicht gehört? "Leon? Wo bist du?"

Küche, Schlafzimmer und Bad sind leer. Genauso wie das Wohnzimmer. "Bitte nicht!" Ich raufe meine Haare, schaue mich im Wohnzimmer um. Batterien auf dem Boden und ...

"Nicht schon wieder", japse ich und halte Andys ungeöffneten Abschiedsbrief in der Hand, als wäre das ein böses Zeichen.
 

Kraftlos lasse ich mich auf die Couch fallen. Meine Beine und Hände zittern und mir bricht der Schweiß aus. "Bitte nicht", wimmere ich. "Ich kann das nicht wieder durchmachen. Ich kann nicht schon wieder jemanden verlieren, den ich liebe …" Mein Herz macht einen Satz. 'Ich liebe Leon.' "Ich liebe ihn …" 'Ich habe mich wieder verliebt, und wieder ist er weg.'

Ich ringe nach Luft. Am liebsten würde ich laut losschreien, oder noch besser: Rüber an meine Hausbar laufen und mir die erstbeste Flasche an den Mund setzen.

Mein Blick schwirrt rüber zu der länglichen Schranktür, hinter der all meine Spirituosen versteckt sind … "AH!" Wütend über mich selbst trete ich gegen den Couchtisch.

Okay, beruhige dich Aaron! Nicht ausrasten und keine Saufgelage. Damit hilfst du weder dir, noch Leon! Noch ist nichts zu spät. Sie können noch nicht weit weg sein.

Ich zwinge meinen Körper zur Ruhe und greife nach meinem Handy. "Sascha?"

/Aaron? Warum rufst du so früh an?/

"Ich brauche deine Hilfe. Leon. Er ist weg. Entführt." Ich höre mich so schwach an. Mir ist kotz übel.

Sascha schweigt kurz, scheint nachzudenken. /Bin sofort da!/, sagt er plötzlich und legt auf. Jetzt kann ich nur warten.
 

***
 

~Aaron~

"Aaron?!"

"Hier", antworte ich Sascha, der gerade durch meinen Flur stürmt. Besorgt kommt er auf mich zu und hinter ihm, Peter, Chase und Sean. "Was machen die den alle hier?", frage ich schwach und verstecke Andys Abschiedsbrief in der Couchritze. Sean soll ihn nicht zu Gesicht bekommen. Er weiß nichts davon, und so soll es auch bleiben.

"Wir wollen dir helfen", antwortet eben jener mir und setzt sich neben mich, legt mir einen Arm um die Schulter und drückt mich an sich. Dafür habe ich jetzt wirklich keine Zeit!

Ich stehe auf und schaue Sascha an. "Sein Vater! Er war hier, als ich bei Leons Mutter war ... Er ist weg! Er hat ihn mitgenommen!"

"Bist du dir sicher?"

"Ja!"

"'Ne Ahnung, wo sie sein könnten?", fragt Chase.

"Vielleicht zu Hause. Wir müssen los, ihn suchen!" Auf einem Schlag ist meine ganze Niedergeschlagenheit und Unfähigkeit, etwas zu tun, wie weggeblasen.

"Okay. Ich und Chase kommen mit dir. Peter und Sean bleiben hier, falls Leon sich irgendwie aus dem Staub machen konnte und hier wieder auftaucht."

Ich kann nicht sagen, wie dankbar ich in diesem Moment bin, dass sie alle hier sind. Sie geben mir neuen Mut und fünf gegen einen fühlt sich besser an, als allein diesem Irren entgegen treten zu müssen.
 

Da Sascha ein viel besserer Fahrer ist als ich, und mein Wagen nicht in greifbarer Nähe parkt, fahren wir in seinem Wagen zu Leons Elternhaus. Ich lotse ihn dort hin und kaum hallten wir, bin ich auch schon auf der Treppe hinauf zu der Haustür.

Ich klingele. Erst einmal. Dann nochmal. Und als immer noch niemand öffnet, klopfe ich wie wild auf die schwere Holztür ein.

"Scheiße! LEON!"

"Aaron! Hier ist niemand. Wir müssen wo anders suchen." Sascha greift nach meinen Händen.

"Hinterm Haus ist auch keiner zu sehen. Alles ruhig da drinnen. Und die Garage ist auch leer." Chase kommt zu uns. "Ich glaube auch nicht, dass er ihn hier her schleift. Wäre doch auch zu einfach, oder?"

Nervös laufe ich zurück zum Auto, die beiden hinter mir her. Was jetzt? Wo könnte er noch stecken? Hat Leon je irgendwann mal was gesagt, von einem Ferienhaus oder einem Bekannten? Irgendwas, was mir weiter helfen könnte? Wenn ja, kann ich mich einfach nicht dran erinnern.

"Hat schon mal jemand daran gedacht, die Polizei zu rufen?", fragt Sascha, als wir alle im Auto sitzen.

Ich schüttle den Kopf. "Fahren wir erstmal zur Bäckerei. Vielleicht kann mir Leons Mutter weiterhelfen. Dann können wir immer noch die Polizei anrufen."

"Dann suchen wir erstmal weiter", meint Sascha und fährt los.
 

Direkt vor der Bäckerei halten wir an und wieder bin ich der erste, der aus dem Auto springt.

"Haben Sie ihn?" Kaum bin ich im Laden, kommt Leons Mutter auf mich zu.

"Nein. Wo könnte ihr Mann ihn hingebracht haben?" Auch wenn ich es kaum aushalte, sie am liebsten packen und ihr die rettende Antwort herausschütteln würde, bleibe ich ruhig. Das würde mich auch nicht weiter bringen.

"Ich weiß nicht! Zu Hause?"

"Da ist niemand! Denken Sie nach! Irgendein Ferienhaus, ein Wohnwagen, oder eine Hütte. Irgendwas!", flehe ich sie an und muss mich wirklich zurückhalten.

Sie überlegt, ihre Augen irren suchend umher. "Ja! Das Haus meiner Eltern. Es steht leer ..."

"Wo?!", rufen Chase und ich gemeinsam.

"Warten Sie!" Sie nimmt Zettel und Stift und schreibt uns eine Adresse auf. "Es liegt Außerhalb. Wir wollen es verkaufen, doch keiner scheint sich dafür zu interessieren", plappert sie und reicht mir den Zettel.

Ich nehme ihn ihr ab und bevor ich einen Blick drauf werfen kann, hat mir Sascha schon den Zettel abgenommen.

"Fahren wir los", sagt er und geht nach draußen.
 

******
 

Bitte nicht anschreien! >_< Das nächste Kapitel kommt ja bald!

Kapitel 10 - Zurück (ohne Adult)

Kapitel 10 - Zurück (Ohne Adult)
 

~Leon~

Müde strecke ich mich im Bett aus. Aaron liegt noch neben mir. Kein Wunder. Es ist noch mitten in der Nacht.

Nein. Wir haben schließlich doch nicht miteinander geschlafen. Nicht, weil wir nicht wollten. Aber Aaron meinte, wenn es soweit ist, soll es für mich perfekt sein. Warum es heute nicht perfekt war, weiß ich nicht. Ich habe ihn auch nicht danach gefragt.

Trotzdem war es schön. Mehr als schön. Mir wird immer noch ganz heiß, wenn ich daran denke ...
 

Nachdem wir uns intensiv und wie ausgehungert geküsst hatten, begann Aaron damit, sich langsam an meinem Hals abwärts zu küssen und zu lecken. Er hinterließ dabei eine brennende Spur auf meiner Haut, ließ mich keuchen und verursachte immer wieder kribbelnde Schauer in meinem Schoß.

Er nahm sich Zeit, nahm seine Hände hinzu und brachte mich damit fast um den Verstand. Während er an meinem Schlüsselbein knabberte, kümmerten sich seine Finger um meine Brust. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich so empfindlich an meinen Brustwarzen sein könnte. Aber es erregte mich so sehr, dass ich mich irgendwo festhalten musste und mich deshalb in das Kissen unter meinem Kopf festkrallte und mir auf die Unterlippe biss, um nicht zu laut aufzukeuchen.

"Unterdrücke es nicht. Das lenkt dich zu sehr ab und du verpasst das beste", raunte er mir zu und machte sofort weiter mit der süßen Folter.
 

Ich entspannte mich wirklich etwas und begann seine Behandlung zu genießen. Bis seine Hand plötzlich ...

Ich kam praktisch sofort. Und es war mir sofort peinlich, nachdem ich mich von einem wahnsinns Orgasmus erholt hatte.

Aaron grinste mich an und ich versuchte mich unter meinem Arm zu verstecken. Er lachte und schob ihn von meinem Gesicht. "Also hat es dir gefallen?" Idiot!! Ich nickte nur und hielt meine Augen geschlossen. "Mir hat es auch gefallen", sagte er leise in mein Ohr und bescherte mir damit tausend aufgescheuchte Schmetterlinge in meinem Bauch.
 

Er platzierte kleine Küsse auf meinem Hals und fing an sich an mir zu reiben.

Ob ich auch ...? Ich beschloss nicht lange drüber nachzudenken, sondern einfach zu handeln.
 

*
 

~Leon~

"Tut mir ... Leid."

"Schon gut." Ich grinste ihn an und wischte mir den Mund ab. Mit einer Hand zog er mich zu sich und ich kuschelte mich an ihn ran. Kurz darauf war ich eingeschlafen.
 

Und jetzt liege ich hier und beobachte diesen wunderschönen Mann beim schlafen. Im Zimmer ist es fast hell, da der Mond hineinscheint, direkt in Aarons Gesicht. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, streiche ich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. Er runzelt sie, schläft aber weiter.

Ich würde ihm so gern helfen. Würde ihm seine ganzen Ängste gerne nehmen und vor allem seine Vorwürfe sich selbst gegenüber. Wenn er doch nur darüber reden würde! Vielleicht könnte ich ihm etwas mehr Selbstvertrauen geben.

Aber was denke ich da? Ich habe ja noch nicht mal selbst genug Vertrauen in mich. Wie soll ich ihm da weiter helfen?

Ich schaue ihn nochmal an, streiche über seine Wange und kuschle mich wieder dicht an seine breite Brust, schließe meine Augen und versuche wieder einzuschlafen. Ich sollte froh sein, wenigstens jetzt so bei ihm sein zu können. Und das bin ich.

Lächelnd drifte ich langsam wieder in den Schlaf.
 

***
 

~Aaron~

"Aaron?" Müde blinzelt mich Leon an, der immer noch eingemummelt im Bett auf dem Bauch liegt.

"Ich hole nur schnell die Brötchen", antworte ich ihm und ziehe mir meinen Pullover über. Es hat schon wieder geschneit, letzte Nacht.

"Soll ich mit?" Aufgeregt erhebt er sich und setzt sich auf.

Ich gehe zu ihm und hauche ihm einen Kuss auf die Lippen. "Bleib liegen. Du hilfst deiner Mutter mehr, wenn du hier bleibst."

Seine blauen Augen schauen mich groß an, aber er nickt und legt sich wieder hin. "Beeil dich", murmelt er mir noch zu, als ich schon fast aus dem Schlafzimmer bin. Natürlich beeile ich mich! So schnell wie nur irgend möglich will ich wieder bei ihm sein. Unbedingt möchte ich an die letzte Nacht anknüpfen und sehen, wohin es uns führt.

Ein kleines Grinsen legt sich auf meine Lippen. Der Kleine hat es mir wirklich angetan! Und so langsam bin ich auch bereit, mich auf ihn einzulassen. Und falls mich wieder Zweifel quälen, muss ich nur zu Sean gehen. Der wäscht mir den Kopf, wenn nötig.
 

Die eiskalte Luft schlägt mir entgegen. Kleine Schneeflöckchen landen auf mir und ich beeile mich, um zu meinen Wagen zu gelangen.

Nachdenklich mache ich mich auf den Weg zu der Bäckerei, die seine Eltern betreiben. Hoffentlich klappt auch alles so, wie ich es mir vorgestellt habe. Falls sein Vater in unmittelbarer Nähe ist, wird es schwer. Er soll nichts mitbekommen.

Langsam fahre ich auf der glatten Straße in Richtung der Bäckerei und halte schräg gegenüber.

Es ist noch nicht viel los dort, was bestimmt an der Uhrzeit liegt. Samstags um halb sieben kauft meist noch keiner Brötchen.

An der frischen Luft atme ich erst einmal tief durch, greife nach dem kleinen Zettel in meiner Jackentasche und halte ihn fest. Festen Schrittes gehe ich in die Bäckerei und mich umhüllt ein wunderbarer warmer Duft nach Backwaren. Welch krasser Gegensatz zu dem ganzen Leid, das Leons Vater seiner Familie bereitet.
 

Ganz vorn steht eine junge Verkäuferin, die mich freundlich anlächelt und daneben eine Frau mit ... Einem blauen Auge! Unverkennbar Leons Mutter.

Ich balle meine Hände zu Fäusten vor Wut auf dieses miese Schwein von Vater und steuere auf sie zu, lächle sie an, was sie auch zögernd erwidert. "Kann ich ihnen helfen?", fragt sie mich und wischt ihre Hände an der Schürze ab.

"Ja. Vier Vollkornbrötchen bitte." Sie nickt und packt mir die gewünschten Brötchen in eine Papiertüte. Verstohlen schaue ich mich um.

Die andere Verkäuferin ist mir einer Kundin beschäftigt und sonst sehe ich hier niemanden. Dann klappt ja vielleicht alles.

"Das macht dann drei Euro sechzig bitte."

Ich lege ihr einen fünf Euro Schein hin und oben auf die Adresse des Frauenhauses. Sie schaut mich verwirrt an.

"Tun sie es Leon zu liebe", flüstere ich. Ihre Augen weiten sich und werden feucht. Hektisch schaut sich sich um, bevor sie zögernd zugreift. "Es geht ihm gut und sie sollen sich um ihn keine Sorgen machen. Meine Handynummer steht ..."

"Ich glaube, ich habe einen großen Fehler gemacht!", schluchzt sie plötzlich und hält sich die Hand vor das Gesicht, bevor ihre Augen überquellen und Tränen über ihre Wangen laufen.
 

~Leon~

Da ich nun mal wach bin, kann ich auch gleich den Tisch decken. An Schlaf ist sowieso nicht mehr zu denken. Dazu bin ich viel zu aufgeregt.

Ich stelle alles Notwendige auf den Küchentisch und greife zu der Fernbedienung für die Stereoanlage. Etwas Musik wird mich beruhigen. Nur leider tut sich nichts. Batterien leer. Also auf die Suche nach neuen Batterien gehen.

Ich öffne das Batteriefach und nehme die Alten heraus. Hoffentlich hat Aaron noch so welche. Ich schalte das kleine Radio in der Küche an, um wenigstens etwas Musik zu haben und gehe auf die Suche.

Nicht genau wissend, wo er Batterien aufbewahrt, krame ich einfach mal in den Schubladen herum. In der Küche finde ich nichts, weswegen ich im Wohnzimmer weiter suche. Auch da finde ich nichts, was einer Batterie auch nur ähnelt, aber dafür fällt mir ein Briefumschlag in die Finger. Ungeöffnet. Doch was noch viel interessanter ist, der Absender.
 

"Der ist von Andy!"

Ich drehe und wende den wirklich abgegriffen aussehenden Umschlag und begutachte ihn genau. Ich bin neugierig, aber nicht so sehr, dass ich versuchen würde ihn zu öffnen. Warum Aaron den Brief noch nicht geöffnet hat?

Ich lege den Umschlag auf den Teppich, da ich nicht will, dass er kaputt geht und suche in der Schublade weiter. Just in diesem Moment klingelt es an der Haustür. Bestimmt der Postbote. Aaron bekommt oft Pakete von der Firma in der er arbeitet.

Es klingelt nochmal und ich verdrehe genervt meine Augen. "Ja doch! Bin ja schon unterwegs!" Immer diese dauergehetzten Postboten!

Ich sprinte zur Tür und öffne zuerst die Türkette und dann die Tür. "Wo soll ich unterschrei ... Papa?!"

"Du mieses, undankbares Balg! Ich werde dir beibringen, noch einmal abzuhauen!"

Viel zu spät reagiere ich, bin viel zu entsetzt dazu und stemme mich erst gegen die Tür, als das vom Schreck ausgeschüttete Adrenalin durch meinen Körper sendet, aber es ist zu spät. Ich werde gepackt und vor Panik sacken mir die Beine weg. Er ist zurück! "Bitte ...", wimmere ich und dann wird es schwarz um mich herum.
 

***
 

~Aaron~

Schreiend schlage ich gegen mein Lenkrad. Diese verdammten Ampeln! Alle auf rot! Jeder Volltrottel der Stadt scheint vor mir zu sein und ich bekomme gleich einen Nervenzusammenbruch. "Fahr los du Idiot! Ich muss nach Hause!" Natürlich hört keiner auf mich! Diese Weicheier haben schiss zu fahren bei dem Wetter.

Ich muss mich doch beeilen! Hoffentlich ist es noch nicht zu spät. Das, was Leons Mutter mir unter Tränen erzählt hatte, ließ mir alle Nackenhärchen zu Berge stehen. Ich nahm sofort meine Beine in die Hand und sprang in meinen Wagen, fuhr los, nur um jetzt hier vor einer Ampel zu stehen.

Leons Vater weiß Bescheid! Er hatte uns gestern Abend gesehen, war Phil und Flo gefolgt und muss mich zusammen mit Leon draußen auf der Straße erkannt haben. Danach ist er uns bis zu mir gefolgt, dann nach Hause gefahren, wo Leons Mutter ihm nach einigen Schlägen gestanden hatte, das Leon ihr gebeichtet hatte, er sei schwul. Dieser kranke Mistsack ist total durchgedreht und muss dann wieder zu mir gefahren sein, darauf gewartet haben, dass ich das Haus verlasse und dann ... Ich hoffe ich behalte nicht recht. Aber es sieht nicht gut aus. Leon geht nicht an sein Handy und auch nicht ans Festnetztelefon.

"Mensch fahr doch du Idiot!" Ich gebe Gas und brause durch eine schmale Lücke. Die gerade wieder rot werdende Ampel übersehe ich einfach und rausche auf der eisigen Fahrbahn davon. Vor mir rote Lichter. Wieder stehe ich vor einer Ampel.

Gut, dann eben anders! Meine Wohnung ist nicht mehr weit von hier. Ich parke einfach in einer Seitenstraße und laufe den Weg durch die Häuser. So bin ich schneller, als wenn ich außen herum fahren müsste.
 

"LEON!" Ich schließe meine Haustür auf und höre Musik. Erst bin ich erleichtert. Vielleicht hat er deswegen die Telefone nicht gehört? "Leon? Wo bist du?"

Küche, Schlafzimmer und Bad sind leer. Genauso wie das Wohnzimmer. "Bitte nicht!" Ich raufe meine Haare, schaue mich im Wohnzimmer um. Batterien auf dem Boden und ...

"Nicht schon wieder", japse ich und halte Andys ungeöffneten Abschiedsbrief in der Hand, als wäre das ein böses Zeichen.
 

Kraftlos lasse ich mich auf die Couch fallen. Meine Beine und Hände zittern und mir bricht der Schweiß aus. "Bitte nicht", wimmere ich. "Ich kann das nicht wieder durchmachen. Ich kann nicht schon wieder jemanden verlieren, den ich liebe …" Mein Herz macht einen Satz. 'Ich liebe Leon.' "Ich liebe ihn …" 'Ich habe mich wieder verliebt, und wieder ist er weg.'

Ich ringe nach Luft. Am liebsten würde ich laut losschreien, oder noch besser: Rüber an meine Hausbar laufen und mir die erstbeste Flasche an den Mund setzen.

Mein Blick schwirrt rüber zu der länglichen Schranktür, hinter der all meine Spirituosen versteckt sind … "AH!" Wütend über mich selbst trete ich gegen den Couchtisch.

Okay, beruhige dich Aaron! Nicht ausrasten und keine Saufgelage. Damit hilfst du weder dir, noch Leon! Noch ist nichts zu spät. Sie können noch nicht weit weg sein.

Ich zwinge meinen Körper zur Ruhe und greife nach meinem Handy. "Sascha?"

/Aaron? Warum rufst du so früh an?/

"Ich brauche deine Hilfe. Leon. Er ist weg. Entführt." Ich höre mich so schwach an. Mir ist kotz übel.

Sascha schweigt kurz, scheint nachzudenken. /Bin sofort da!/, sagt er plötzlich und legt auf. Jetzt kann ich nur warten.
 

***
 

~Aaron~

"Aaron?!"

"Hier", antworte ich Sascha, der gerade durch meinen Flur stürmt. Besorgt kommt er auf mich zu und hinter ihm, Peter, Chase und Sean. "Was machen die den alle hier?", frage ich schwach und verstecke Andys Abschiedsbrief in der Couchritze. Sean soll ihn nicht zu Gesicht bekommen. Er weiß nichts davon, und so soll es auch bleiben.

"Wir wollen dir helfen", antwortet eben jener mir und setzt sich neben mich, legt mir einen Arm um die Schulter und drückt mich an sich. Dafür habe ich jetzt wirklich keine Zeit!

Ich stehe auf und schaue Sascha an. "Sein Vater! Er war hier, als ich bei Leons Mutter war ... Er ist weg! Er hat ihn mitgenommen!"

"Bist du dir sicher?"

"Ja!"

"'Ne Ahnung, wo sie sein könnten?", fragt Chase.

"Vielleicht zu Hause. Wir müssen los, ihn suchen!" Auf einem Schlag ist meine ganze Niedergeschlagenheit und Unfähigkeit, etwas zu tun, wie weggeblasen.

"Okay. Ich und Chase kommen mit dir. Peter und Sean bleiben hier, falls Leon sich irgendwie aus dem Staub machen konnte und hier wieder auftaucht."

Ich kann nicht sagen, wie dankbar ich in diesem Moment bin, dass sie alle hier sind. Sie geben mir neuen Mut und fünf gegen einen fühlt sich besser an, als allein diesem Irren entgegen treten zu müssen.
 

Da Sascha ein viel besserer Fahrer ist als ich, und mein Wagen nicht in greifbarer Nähe parkt, fahren wir in seinem Wagen zu Leons Elternhaus. Ich lotse ihn dort hin und kaum hallten wir, bin ich auch schon auf der Treppe hinauf zu der Haustür.

Ich klingele. Erst einmal. Dann nochmal. Und als immer noch niemand öffnet, klopfe ich wie wild auf die schwere Holztür ein.

"Scheiße! LEON!"

"Aaron! Hier ist niemand. Wir müssen wo anders suchen." Sascha greift nach meinen Händen.

"Hinterm Haus ist auch keiner zu sehen. Alles ruhig da drinnen. Und die Garage ist auch leer." Chase kommt zu uns. "Ich glaube auch nicht, dass er ihn hier her schleift. Wäre doch auch zu einfach, oder?"

Nervös laufe ich zurück zum Auto, die beiden hinter mir her. Was jetzt? Wo könnte er noch stecken? Hat Leon je irgendwann mal was gesagt, von einem Ferienhaus oder einem Bekannten? Irgendwas, was mir weiter helfen könnte? Wenn ja, kann ich mich einfach nicht dran erinnern.

"Hat schon mal jemand daran gedacht, die Polizei zu rufen?", fragt Sascha, als wir alle im Auto sitzen.

Ich schüttle den Kopf. "Fahren wir erstmal zur Bäckerei. Vielleicht kann mir Leons Mutter weiterhelfen. Dann können wir immer noch die Polizei anrufen."

"Dann suchen wir erstmal weiter", meint Sascha und fährt los.
 

Direkt vor der Bäckerei halten wir an und wieder bin ich der erste, der aus dem Auto springt.

"Haben Sie ihn?" Kaum bin ich im Laden, kommt Leons Mutter auf mich zu.

"Nein. Wo könnte ihr Mann ihn hingebracht haben?" Auch wenn ich es kaum aushalte, sie am liebsten packen und ihr die rettende Antwort herausschütteln würde, bleibe ich ruhig. Das würde mich auch nicht weiter bringen.

"Ich weiß nicht! Zu Hause?"

"Da ist niemand! Denken Sie nach! Irgendein Ferienhaus, ein Wohnwagen, oder eine Hütte. Irgendwas!", flehe ich sie an und muss mich wirklich zurückhalten.

Sie überlegt, ihre Augen irren suchend umher. "Ja! Das Haus meiner Eltern. Es steht leer ..."

"Wo?!", rufen Chase und ich gemeinsam.

"Warten Sie!" Sie nimmt Zettel und Stift und schreibt uns eine Adresse auf. "Es liegt Außerhalb. Wir wollen es verkaufen, doch keiner scheint sich dafür zu interessieren", plappert sie und reicht mir den Zettel.

Ich nehme ihn ihr ab und bevor ich einen Blick drauf werfen kann, hat mir Sascha schon den Zettel abgenommen.

"Fahren wir los", sagt er und geht nach draußen.
 

******
 

Bitte nicht anschreien! >_< Das nächste Kapitel kommt ja bald!

Kapitel 11 - Abschied

Wollt ihr wissen, ob Aaron seinen kleinen Leon findet? Und wird Aaron endlich mit seinen Schuldgefühlen zurechtkommen können?

Na dann lest schnell mal weiter, denn jetzt geht’s rasant durch den Schnee!

Was für ein Glück liegt bei uns gerade keiner. Hier scheint die Sonne. FREU!
 


 

Kapitel 11 - Abschied
 

~Aaron~

Dass das Haus außerhalb liegt, ist deutlich untertrieben. Sascha hat die Adresse im Navi eingegeben und es führt uns einen ungeräumten Waldweg entlang.

"Vor kurzem ist hier ein Wagen hergefahren. Wir haben vielleicht wirklich Glück."

"Wir müssen!", fahre ich Chase hinter mir an.

"Mach dir keine Gedanken. Das wird schon."

"Und was wenn nicht? Was wenn ..."

"Nichts: Was wenn! Denk nicht mal dran!" Sascha schielt mich sauer von der Seite an und tritt auf's Gas. Der Wagen schlingert leicht, aber Sascha hält die Spur. Bei dem Tempo, das er beibehält, wäre ich schon längst im Graben gelandet. Scheiße! Meine Hände zittern so sehr, dass ich noch nicht mal das scheiß Lenkrad halten könnte!

"Soll ich schon mal die Polizei rufen?", fragt Chase und holt sein Handy aus seiner Jackentasche.

"Nein. Warte noch." Wenn es sich vermeiden lässt, will ich die Polizei heraushalten.

"Und wenn der Kerl eine Knarre hat? So wie es aussieht, fahren wir mitten ins Nirgendwo in eine Art Jagdhütte. Da liegen bestimmt eine Menge solcher Dinge herum."

"Lass uns trotzdem erstmal einen Überblick verschaffen, Chase." Er nickt mir im Rückspiegel zu.
 

Wir kämpfen uns weiter über die schneeverwehte Straße, bis vor uns ein Haus auftaucht. "Bingo! Da steht ein Auto!" Sascha zeigt vor sich.

Sofort werde ich noch unruhiger, als ich es sowieso schon bin. Angestrengt versuche ich was in den Fenstern zu erkennen, sehe aber nichts.

"Am besten, wir halten schon hier", meint Chase und Sascha gehorcht. "Aaron? Du bleibst bei uns. Nicht, dass du das Haus stürmst und dich damit in Schwierigkeiten bringst." Chase erntet einen bösen Blick von mir. Als ob er mich aufhalten könnte! Er mag zwar ein Riese sein, doch wenn ich Leon entdecke, hält mich nichts mehr.
 

Mit einem mulmigen Gefühl steige ich aus, Sascha und Chase neben mir. So leise und unauffällig es geht, pirschen wir uns dem Hauseingang entgegen. Nichts rührt sich dort und kein irrer Vater mit Knarre kommt plötzlich auf uns zu. Ungehindert kommen wir an der Haustür an.

"Und jetzt?", frage ich. Würde am liebsten die Tür eintreten, doch das fänden meine Begleiter sicher nicht so toll.

"Klingeln", sagt Chase und tut das sofort.

Mir rutscht das Herz in die Hose. Wie kann er …? Drinnen höre ich Schritte.

Total angespannt und mit geballten Fäusten baue ich mich vor der Tür auf.

"Mach keinen Scheiß!", zischt mir Sascha zu, da geht schon die Tür auf und ein älterer Mann steht griesgrämig vor uns. Das muss er sein!

Er hat keine Knarre oder dergleichen in der Hand, auch wenn er so aussieht, als wolle er uns gleich erwürgen. "Was wollt ihr hier?!"

"Wo ist Leon?!", brülle ich ihn an und Chase muss mich festhalten, damit ich nicht einfach auf dieses Arschloch losstürme und ihm eine verpasse.

Der Alte läuft zornesrot an und versucht uns die Tür vor der Nase zuzuschlagen, doch Sascha ist schneller und stemmt sich dagegen.

"Ihr miesen …!" Weiter kommt Leons Vater nicht, denn nun hängt auch Chase an der Tür und schiebt sie samt dem dahinterstehenden Alten nach innen auf.

Wenn Chase so vor einem steht, möchte man am liebsten wo anders sein. Das Gefühl kenne ich nur zu gut!

Doch ich habe jetzt keine Zeit mir über Vergangenes Gedanken zu machen. Ich muss da rein und Leon suchen!
 

Ich stürme an den drei rangelnden Leibern vorbei und laufe durch den Flur, rufe Leons Namen und schaue in jedes der angrenzenden Zimmer.

"LEON?!" Nichts! Ich höre keinen Ton, außer meine Freunde, die mit Leons Vater rangeln.

Ganz am Ende des Flurs führt eine Treppe nach oben, die ich sofort nach oben renne, nur um dann vor einer verschlossenen Tür zu stehen. Das kann kein Zufall sein! Ich rufe nach Leon, lege mein Ohr an das kalte Holz und lausche. Ganz leise kann ich eine Stimme hören. Ob es Leon ist, kann ich nicht genau sagen, aber wer soll es sonst sein?

"LEON!! HÖRST DU MICH? ICH HOL DICH GLEICH DA RAUS!" Fest schlage ich gegen die Tür, werfe mich so gut es eben geht gegen sie, doch sie bewegt sich nicht. Ich brauche den Schlüssel!

Eilig renne ich wieder runter, durch den Flur und stoppe vor Sascha, der grinsend vor mir steht. "Seine Frau und seinen Sohn kann er schlagen, aber bei zwei schwulen Kerlen zieht er den Schwanz ein."

"Ich glaube Leon ist oben! Aber die Tür ist abgeschlossen." Grimmig schaue ich den alten Kerl an, der wie ein Häufchen Elend in einem Sessel sitzt. Chase hält ihn weiterhin in Schach. "Wo ist der Schlüssel für oben?!"

"Keine Ahnung was du Hinterlader meinst."

Ich schlucke meinen Zorn runter. Soll er mich ruhig beleidigen. "Den Schlüssel, oder ich werde gleich ungemütlich", sagt Chase und beugt sich zu ihm herunter. "Ich frage kein zweites Mal."

Der Alte scheint ernsthaft zu überlegen. Man sieht ihm seine Panik an, was ich mit einiger Genugtuung feststelle. "Ach den Schlüssel! Ja, der liegt auf dem Fernseher!" Er zeigt vor sich an die andere Wand. Ich folge seinem Finger und da liegt er tatsächlich! Dort liegt ein Schlüsselbund.
 

Ich frage erst gar nicht, welcher der Schlüssel es ist, sondern laufe schnell wieder nach oben. Einen Schlüssel nach dem anderen probiere ich aus, bis ich endlich den Richtigen gefunden habe.

"Leon!?" Wieder stehe ich in einem Flur. "LEON!"

"Hier! Aaron?! Ich bin hier!" Die Stimme kommt von einem Zimmer ganz hinten, zu dem ich schnell laufe und den Riegel davor aufschiebe.

Dieser Mistkerl hat ihn hier doppelt und dreifach eingesperrt! Die Tür geht immer noch nicht auf! Wieder Schlüsselsuchen!

Diesmal dauert es länger. Ich gerate in Hektik, meine Hände zittern und ich höre Leon auf der anderen Seite schluchzen. 'Bleib ruhig Aaron! Du hast es ja gleich!' Ich atme tief ein und schon geht es besser.

Und als der verdammte Zylinder endlich aufspringt, fallen mir unendlich viele Steine vom Herzen.
 

"Leon?" Ich stürme ins Innere und sehe ihn direkt vor mir stehen. Seine großen, blauen Augen schauen mich erleichtert an, bevor sich Tränen von ihnen lösen, er mir entgegenkommt und mir regelrecht in die Arme fällt.

"Alles wird gut. Ich bin ja jetzt da", versuche ich ihn zu beruhigen und drücke ihn fest an mich. Ich bin ja so froh!

Niemals wieder werde ich ihn loslassen. Das schwöre ich!
 

***
 

~Leon~

Keine Ahnung, wie lange wir uns schweigend in den Armen gelegen haben. Ich war nur so unendlich froh, dass Aaron mich so schnell gefunden hat und jetzt wieder bei mir ist.

Erst die Polizeisirenen ließen mich aufhorchen. "Hast du die gerufen?", frage ich und schaue ihn an.

"Nein. Das war bestimmt Chase."

"Er ist auch hier?"

"Ja. Zusammen mit Sascha." Mich überläuft es. "Hat er dir was angetan?"

Wieder vergrabe ich mein Gesicht an Aarons Brust. "Das Übliche", flüstere ich und kämpfe schon wieder mit den Tränen. Diesmal aus Erleichterung.

"Wir gehen besser runter. Packst du das?"

Nun muss ich grinsen. "Klar." Er soll noch einmal sagen, er weiß nicht, ob er für mich da sein kann, wenn ich ihn brauche! Dann bekommt er aber was zu hören.
 

Gemeinsam gehen wir runter ins Erdgeschoss, wobei mich Aaron kein einziges Mal loslässt. Erst als wir vorm Wohnzimmer stehen, rutsche ich aus seiner Umarmung. "Warte kurz hier", flüstert er und betritt das Zimmer.

Einen Augenblick danach taucht Sascha auf. "Hey Kleiner! Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt!" Er drückt mich an sich.

"Wie habt ihr mich eigentlich gefunden?", frage ich ihn.

"Hat dir Aaron nichts gesagt?"

Ich schüttle den Kopf. "Ich wollte ihn nicht fragen." Er sag genau so aus, wie ich mich die ganze Zeit über gerühlt habe: Verzweifelt und voller Angst.

"Deine Mutter hat Aaron Bescheid gesagt. Sie verriet uns auch, wo er dich wahrscheinlich hingebracht hat. Und sie hatte zum Glück recht damit."

"Meine Mutter?" Sie hat Aaron Bescheid gesagt? Ihm geholfen? Mir geholfen?!

"Ja. Sie hatte Angst um dich."

Ich kann es kaum fassen. Das ist das erste Mal seit langer Zeit, dass sie mir geholfen hat!
 

"Hallo?! Hier spricht die Polizei!" Erschrocken drehe ich mich um. Ein ganzer Haufen Polizisten drängt sich gerade durch die Haustür. Und dann: Mein Vater. Im Klammergriff von Chase. Sofort schaue ich weg und lehne mich an Sascha, den ich schändlicher weise als Schutzschild missbrauche.

Was dann passiert, bekomme ich nicht mehr mit. Ich höre nicht, was Chase zu mir sagt, oder Aaron, der plötzlich wieder bei mir steht. Will ich auch gar nicht.

"Ich will hier raus", flüstere ich gegen Saschas Jacke.

"Wir gehen gleich", höre ich Aaron sagen.
 

~Aaron~

Leon lehnt mit der Stirn gegen Sascha und sieht ganz grün im Gesicht aus. "Draußen steht ein Krankenwagen. Besser die checken dich durch." Er brummt etwas unverständliches und schüttelt den Kopf. "Ich komme mit. Okay?"

Müde schaut er mich endlich an. "Okay", gibt er nach. Ich lächle ihn erleichtert an.
 

***
 

~Aaron~

"Das Wasser ist eingelassen, der Herr", sage ich leise zu Leon und rüttle ihn leicht an der Schulter. "Oder willst du lieber gleich schlafen? Nicht, dass du mir noch in der Wanne einschläfst."

"Geht schon", murmelt er und rappelt sich auf. "Danke." Dann schlurft er ins Badezimmer. Am besten, ich schaue immer mal wieder nach ihm, wenn er plantschen geht. Er sieht echt kaputt aus, was auch kein Wunder ist.

Erschöpft lasse ich mich auf die Couch fallen. Was für ein Tag!

Nachdem Leon im Krankenwagen durchgecheckt worden war, konnte er mit mir nach Hause fahren. Er hat einige Prellungen, aber nichts schlimmeres. Abgesehen von seinem geistigen Zustand. Aber wem ginge das nicht so? Darin bin ja wohl ich der absolute Experte!

Aussagen wurden getätigt und Leons Vater abgeführt. Jetzt ist er erstmal in U-Haft. Und wenn wir Glück haben, sagt Leons Mutter auch gegen ihn aus. Doch alles der Reihe nach. Ich bin erstmal froh, dass wir Leon so schnell gefunden haben und er da raus ist.

Apropos Leons Mutter. Mit ihr wollte er noch nicht sprechen. Ich kann es verstehen. Einmal richtig Handeln kann die unzähligen Male, die sie geschwiegen hat, nicht wieder gut machen. Alles zu seiner Zeit. Sascha hatte sich dazu bereit erklärt, ihr wenigstens zu sagen, dass wir Leon gefunden haben und ihr Mann erstmal weggesperrt wurde.
 

Als wir dann endlich Daheim waren, blieben Peter und Sean auch nicht mehr lange. Wahrscheinlich sahen sie, wie kaputt wir waren und hatten Nachsicht mit uns.

Mit klopfenden Herzen greife ich zwischen die Couchritze und ziehe den Brief heraus. Erst jetzt kommt mir in die Frage in den Sinn, weshalb er vorhin hier lag. Ob Leon ihn gefunden hat? Ich lege ihn vor mir auf den Tisch und starre ihn noch eine Zeit lang an, bevor ich aufstehe und an die Badezimmertür klopfe. "Alles klar bei dir?"

"Ja … Bin gleich fertig."

In der Küche piepst der Wasserkocher. Mit zwei Tassen Tee bewaffnet gehe ich wieder ins Wohnzimmer und warte auf Leon. Lange muss ich nicht auf ihn warten.

Sichtlich erschöpft setzt Leon sich zu mir. Er duftet nach Duschgel und seine Haare kringeln sich in alle Richtungen, aber er sieht schon wesentlich besser aus. Müde lehnt er an meiner Schulter und nimmt sich eine Tasse. Dabei fällt sein Blick auf den Umschlag. Ich sage nichts, warte ab.

"Den habe ich ja ganz vergessen!", sagt er.

"Hab's gemerkt."

Er richtet sich auf und schielt mich unsicher an. "Ich hab ihn gefunden, als ich Batterien für die Fernbedienung gesucht habe. Ich habe nicht rein gesehen! Ich wollte nur nicht, dass er zerknickt, wenn ich in den Schubladen herumkrame ..."

"Ist schon gut", unterbreche ich ihn. Meine Brust schnürt sich zu. Dennoch spreche ich die folgenden Worte aus. "Mach ihn auf."
 

~Leon~

"Was?" Habe ich das gerade richtig verstanden?

"Beschissener kann der Tag nicht werden. Also mach schon. Ich packe das alleine nicht. Selbst nach zwei Jahren noch nicht." Aaron lächelt gequält.

"Ist es … Ist das Andys Abschiedsbrief?"

"Ja."

Ich schlucke. Und ich soll ihn aufmachen? Ihn lesen? "Warum gerade jetzt?"

Er schaut mich lange an, ehe er antwortet. "Weil ich nicht mehr alleine bin." Ich bekomme eine Gänsehaut. "Und ich weiß, dass egal was da drin steht, du danach immer noch bei mir sein wirst."

Aaron sieht so schrecklich ernst und traurig aus. So habe ich ihn noch nie gesehen. "Ja. Weil ich sonst nirgends anders hin kann", versuche ich ihn aufzuheitern, was auch klappt.

Er lächelt schmal. "Sage ich doch."

"Das war ein Scherz", erkläre ich ihm sofort.

Aaron legt den Kopf schief und sieht mich mit einem dünnen Lächeln an. "Dann ist ja gut." Ich bekomme eine Gänsehaut. Vielleicht der falsche Zeitpunkt für kleine Scherze. Und auch dafür, über meine derzeitige Wohnsituation zu reden.
 

Ich atme tief ein und nehme den Umschlag in die Hand, schaue ihn mir an. Die abgegriffenen Ecken und die abgewetzten Ränder sprechen Bände. "Mach du ihn auf und ich lese ihn dir vor. Abgemacht?", frage ich.

Aaron runzelt die Stirn, nickt aber.
 

Er muss so oft diesen Umschlag in der Hand gehalten haben, sich vorgestellt haben, wie er ihn öffnet und ihn heraus nimmt. Das kann ich ihm nicht abnehmen.

Gespannt halte ich die Luft an, als Aaron den Umschlag ganz langsam aufreißt. Das Geräusch kommt mir so laut vor, dass ich mir am liebsten die Ohren zuhalten würde. Merkwürdig, ich weiß.

Seine Hände zittern und vorsichtig zieht er den Brief aus den Umschlag. Er ist so gefaltet, dass man die ersten Zeilen schon jetzt lesen kann. Besorgt schaue ich ihn an. Aarons Augen werden feucht, dann reicht er ihn mir.

'Mein lieber Aaron', steht gleich oben als erste Zeile. Kein Wunder das er ihn nicht weiter anschauen konnte.

"Soll ich?", frage ich, um sicher zu gehen.

"Ja."

Ich falte den Brief komplett auf und überfliege ihn schnell, schaue anschließend Aaron an, der mich fast mit seinen Blicken durchbohrt. Ich nehme seine rechte Hand, die sich in eines der Kissen gekrallt hat, dann lese ich leise vor:
 

'Mein lieber Aaron.
 

Du weißt sicher schon, dass ich nicht mehr lebe. Und sicher fragst du dich, wieso.

Ja, wir haben uns nicht im Guten voneinander getrennt und noch immer höre ich deine Worte von gestern in meinen Ohren. Natürlich hattest du damit recht! Ich war unvorsichtig, habe mein Leben auf's Spiel gesetzt und schlussendlich das Spiel verloren.

So will ich nicht weiterleben und ich will nicht, dass ihr mich irgendwann in irgendeinem beschissenen Krankenhaus besucht und feststellt, wie armselig ich aussehe und mich betrauert. Ich will, dass ihr mich alle so in Erinnerung behaltet, wie ich war. Auch wenn das meiste davon nicht wirklich schmeichelhaft war.

Vor allem du kennst mich und weißt, wie sehr ich meine Freiheit liebe. Deshalb tue ich das einzig Richtige, um weiterhin frei sein zu können. Es ist meine Entscheidung, die ich schon getroffen habe, bevor ich zu dir kam und bevor du mir die Hölle heiß gemacht hast, mir die selben Vorwürfe gemacht hast, die ich mir zuvor schon selbst gemacht habe.

Es ist meine Schuld. Allein meine und niemand kann sie mir nehmen. Es tut mir leid, dass ich dir das alles nicht selbst sagen kann, aber du würdest mich nur davon abbringen wollen. Mir den Mut zu diesem letzten Schritt nehmen. Deswegen muss ich so von dir Abschied nehmen.

Aaron, du warst, du bist alles was ich je habe, du bist der einzige, für den ich je so etwas wie Liebe empfunden habe und der immer für mich da gewesen ist, auch wenn dir das niemals klar gewesen ist.

Und du Holzkopf brauchst dir gar nicht einzubilden, dass ich nicht weiß, was du für mich empfindest! Das wusste ich immer. Und es bedeutet mir alles!

Danke.
 

Andy'
 

Ich lasse den Brief sinken und sehe Aaron an. Er fixiert den Brief, bewegt sich aber nicht.

Dann schaut er plötzlich mich an, beugt sich zu mir und legt sein Gesicht an meine Halsbeuge. Mir fällt der Brief aus der Hand, denn ich werde so heftig an Aaron herangezogen, dass ich gar nicht reagieren kann.

Mein Hals wird feucht. Beruhigend streichle ich über Aarons zitternden Rücken. Das ist alles was ich für ihn jetzt tun kann.

"Andy!"
 

******

Kapitel 12 - Zukunft

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 12 - Zukunft (ohne Adult)

Nun ist es soweit. Das Ende meiner Story naht! *schnief* Aber nicht verzagen, da kommt noch was. ;-)

Jetzt wünsche ich euch erstmal viel Spaß beim letzten Kapitel meiner kleinen Story über Leon und Aaron!
 


 

Kapitel 12 - Zukunft
 

~Aaron~

"Willst du dich morgen nicht doch lieber krank melden?"

"Quatsch! Die paar Prellungen machen mir nichts aus. Da bin ich Schlimmeres gewohnt. Außerdem lenkt mich die Arbeit ab."

Leon lässt sich einfach nicht umstimmen. Doch vielleicht hat er Recht und die Ablenkung auf der Arbeit tut ihm wirklich gut.

"Na gut", gebe ich nach. "Aber ich bringe dich hin und hole dich auch wieder ab."

Mein kleiner Lockenkopf grinst mich an. "Das musst du nicht. Im Moment kann mir nichts passieren. Solange mein Vater in U-Haft ist, brauche ich mir keine Sorgen zu machen." Es gefällt mir nicht, aber wieder hat Leon recht. "Ich rufe gleich mal Phil an. Der weiß auch noch nicht Bescheid. Dann braucht er sich auch keine Gedanken mehr darum zu machen, ob sie wieder beobachtet werden."

Ich bewundere ihn. Seid er vorhin aufgestanden ist, scheint es ihm richtig gut zu gehen. Leon sieht gelöst aus und frühstückt gerade mit Heißhunger. Und nicht nur das.

Gestern Abend war er es, der mich tröstete, der mir Halt gab. Obwohl ich doch eigentlich ihn hätte trösten müssen, nach diesem wirklich furchtbaren Tag.
 

"So schlimm war es gar nicht. Das einzig Schlimme war, dass ich eingesperrt war und keine Ahnung hatte, wann ich wieder rauskomme, oder was mit mir noch passieren wird. Die Schläge vorher bin ich ja schon gewohnt", meinte er nur, als ich ihn im Schlafzimmer daraufhin ansprach, nachdem ich wieder einigermaßen über Andys Brief hinweg war.

Andy ... Wie oft habe ich darüber nachgedacht, mich gefragt, was alles in diesem Brief steht. Und wie furchtbar diese Gedanken waren! Ich stellte mir vor, wie er mir Vorwürfe machte, mich beschimpfte, mich dafür hasste, dass ich so ekelig zu ihm war, nachdem er mir erzählte, dass er ES hat.

Ich hatte solche Angst um ihn und war doch eigentlich nur sauer auf mich, dass ich ihm nicht mehr helfen konnte und vorher nicht besser auf ihn aufgepasst hatte. Andy war bewusst unvorsichtig gewesen, um zu beweisen, wie taff er ist und das ihm keiner was kann. Nur um zu 'gewinnen'. Ich hasste mich dafür. Dafür, dass ich so lange auf dieses Spiel eingegangen war und es mitgespielt hatte. Hätte ich das nicht, dann würde er jetzt vielleicht noch leben.

Diesen Vorwurf wird mir niemals jemand nehmen können. Eine Restschuld bleibt. Das wird auch nicht vergehen, und das will ich auch gar nicht. Aber durch diesen Brief, kann ich nun endlich aufhören, weiter ständig darüber zu grübeln.
 

Ich blicke gegenüber zu Leon. Er bemerkt es und lächelt. "Was denn?", fragt er.

"Ruf die beiden an und ich sage Sascha und den anderen Bescheid. Jeder soll was mitbringen und wir kochen was zusammen. Wie wär's?"

Leon strahlt. "Au ja! Aber du weißt schon, dass das ein riesiges Chaos geben wird?"

"Ja. Das weiß ich nur zu gut. Aber wir sollten uns bei allen bedanken. Das bisschen Chaos kann ich dafür in Kauf nehmen." Ich sehe jetzt schon alle mit gefährlich scharfen Messern hantieren und mit Lebensmitteln um sich werfen. Und ich freue mich schon drauf.

"Gut! Dann ruf ich Phil sofort an."
 

***
 

~Leon~

Seufzend stehe ich vor dem Chaos in der Küche. "Das machen wir nachher. Beeil dich. Das Essen wird noch kalt." Aaron tätschelt mir den Kopf. Schon längst habe ich mich daran gewöhnt und würde er damit aufhören, ganz sicher würde es mir nach kurzer Zeit fehlen.

"Wehe die anderen helfen nachher nicht dabei, alles wieder sauber zu machen!", knurre ich. Es sieht hier aus, wie auf einem Schlachtfeld. Ist das eine Tomate, die da hinten unter dem Tisch liegt?

"Träum weiter Kleiner!", lacht Sean, der gerade mit einer Schüssel Salat die Küche verlässt.

Ich warte, bis er außer Hörweite ist und wende mich an Aaron. "Sagst du es ihm? Das mit Andys Abschiedsbrief?"

"Nein. Das reißt bei ihm nur alte Wunden auf. Vielleicht irgendwann mal, wenn genug Zeit dazwischen liegt."

"Er hat ihn geliebt, nicht wahr?"

Aaron fängt doch tatsächlich an schmal zu grinsen. "Woher weißt du das alles nur immer? Hat Sascha dir was verraten?"

"Nein. Aber ich bin nicht blind", sage ich und knabbere an einer Gurkenscheibe.

Aaron grinst immer noch, packt mich sanft im Nacken und küsst mich. Das erste Mal, seit gestern Morgen. Genießend schließe ich die Augen und erwidere den viel zu kurzen Kuss.

"Komm jetzt. Die anderen warten schon." Er will also nicht drüber reden. Auch gut.

"Die haben bestimmt schon alles weggefuttert", lache ich und folge ihm.
 

Natürlich haben sie nicht alles weggefuttert.

Das gemeinsame Essen ist wirklich lustig, genau wie die Zubereitungsschlacht zuvor in der Küche. Phil hängt ständig an mir, ist sichtlich froh, dass alles erstmal halbwegs überstanden ist und strahlt mich die ganze Zeit über wie ein Honigkuchenpferd an.

Erst fühlte er sich schuldig, da er meinen Vater zu uns geführt hatte, aber wäre es nicht gestern passiert, dann wann anders. Das beruhigte ihn und endlich bekam er wieder gute Laune.

Nun sitzen wir zusammen im Wohnzimmer. Da die Couch zu klein ist, sitze ich zusammen mit Aaron, Phil und Sean auf Kissen, die wir auf dem Boden verteilt haben. Flo sitzt im Schneidersitz neben Phil. "Er ist das gewöhnt. Flo macht neuerdings Joga", hat Phil gelacht und Flo schielte ihn schief an.

"Wird man dadurch nicht gelenkiger im Bett?", fragte Chase und Phil wurde wirklich rot! "Also ja!", kicherte Sean und wollte sofort Tipps von Flo.

Es tut gut, sie alle um mich zu haben.
 

"Dann bleibst du erstmal bei Aaron?", fragt Peter mich schließlich und schiebt sich eine Gabel voll Nudeln in den Mund.

"Ja. Bis ich …"

"Er bleibt bei mir", unterbricht mich Aaron und isst unbeirrt weiter.

Peter nickt. Nur Saschas Blick verheißt nichts Gutes. Obwohl ich nicht genau weiß, wieso. "Dann seid ihr zusammen?", fragt er.

Mir fällt fast die Gabel aus der Hand. Muss er das gerade jetzt fragen?

Peinlich berührt spüre ich alle Blicke auf uns ruhen und es wird unheimlich still im Wohnzimmer.

Ich schiele zu Aaron der mich mustert. "Was meist du? Sind wir zusammen?"

"Wer? ... Ich?" Entsetzt ballt sich eine Faust in meinem Magen zusammen. Hoffentlich kommt mir das Essen nicht hoch! Allerdings nicht vor Widerwillen. Ich wünsche mir nichts mehr! Aber ist es dazu nicht zu früh? Wir haben nicht mal ansatzweise über dieses Thema geredet. Wann auch?
 

~Aaron~

"Ja du. Wer denn sonst?" Schmunzelnd hebe ich eine Augenbraue und drehe mich wieder zu Sascha. "Wir haben noch nicht drüber geredet wie du siehst."

Damit wollte mich Sascha sicher aus der Reserve locken. Er macht sich Sorgen um mich. Immer noch.

"Ah so." So ganz zufrieden sieht er immer noch nicht aus. Sein Pech!

"Also ... Von mir aus gern", flüstert Leon und läuft knallrot an. Flo findet zuerst seine Sprache wieder, nachdem die versammelte Mannschaft schon wieder durch angeregtes Luftanhalten glänzt.

"Dann lasst uns mal noch eine Flasche Sekt köpfen und auf das junge Paar anstoßen!", ruft Flo und ist schon auf den Weg in die Küche.

Ich grinse immer noch, da Leon scheinbar noch dunkler wird und von Phil gedrückt wird. Ich höre nicht, was er zu ihm sagt, aber es stört mich auch nicht. Alles was ich hören musste, habe ich eben gehört. Leon würde also gern.
 

~Leon~

"Ich freue mich so für dich!", quiekt mir Phil ins Ohr und ich bin immer noch ganz starr vor Unglauben. Das kann ja nur ein Missverständnis sein! Außerdem hat Aaron dazu noch keinen Ton gesagt!

"Achtung Korken!" Flo kommt aus der Küche zurück und mit einem lautem Plopp löst sich der Korken aus der Sektflasche.

Ich traue mich gar nicht zu Aaron zu schauen. Nur aus den Augenwinkeln sehe ich ihn. Schaut er mich an? Neugierig schiele ich rüber. Ja! Er sieht mich an! Mein Gesicht wird ganz heiß. Das mit dem Essen war eine scheiß Idee!
 

Als ich auf einmal einen Arm um meine Taille fühle, zucke ich heftig zusammen. Aaron zieht mich an sich und lächelt. Mein Herz schlägt Saltos und ich bekomme eine Gänsehaut. Passiert das gerade wirklich? Stoßen wir gerade wirklich auf mich und Aaron an? Als ... Paar?

"Prost meine Lieben!", ruft Sean und drückt mir ein Glas in die Hand. "Auf euch zwei! Und hoffentlich mit eindeutig weniger Aufregung in eurem Leben, als die vergangenen Tage!"

"Außer im Bett", kichert Flo und prostet mir zu.

Mir wird heiß. Das passiert doch nicht wirklich! Oder?

"Weißt du Flo? Ich glaub dich mag ich!", lacht Sean und prostet ihm zwinkernd zu.
 

~Phil~

"Finger weg! Meiner!", zische ich diesen blonden, kleinen Zwerg an und ziehe Flo an mich.

"Ach Phil! Zieh nicht so ein Gesicht! Ich geb dir Chase im Austausch."

"Hmm … Okay", antworte ich. Chase und Flo starren mich gleichzeitig entsetzt an. "Ist was Schatz?"

"Du Biest!" Alle lachen.

Ich bin so froh, dass das Alles endlich ein Ende hat. Leon hat das Schlimmste überstanden und auch Aaron sieht viel gelöster aus als sonst.

"Das meinst du doch nicht im Ernst, oder?"

"Mensch Flo! Du verstehst auch gar keinen Spaß!" Ich verpasse meinem Schatz einen feuchten Zungenkuss.
 

***
 

~Leon~

"Leon? Hier!" Phil hält mir einen Teller zum abtrocknen hin. Alles was nicht mehr in die Spülmaschine gepasst hat, wird kurzerhand per Hand aufgewaschen. Phil und ich sind übrig geblieben, denn die anderen haben sich ins Wohnzimmer verkrümelt und unterhalten sich dort lautstark miteinander. Ich stehe noch immer total neben mir.

"Leon? Was ist den los? War ein bisschen zu viel das Ganze, oder täusche ich mich?" Ich nicke.

Das und ... "Da gibt es noch was anderes", flüstere ich. Mit wem außer ihm kann ich darüber reden?

"Was denn?" Phil sieht richtig besorgt aus.

"Aaron und ich ... Wir können noch gar kein Paar sein", gebe ich zu bedenken

"Nicht?"

"Nein."

"Aber ihr wollt doch." Phil lacht und wäscht ein Glas im Spülbecken.

"Ja. Ich auf jeden Fall. Aber ..." Wie sage ich es bloß? "Aaron und ich, wir hatten noch nie ... Also …"

"Noch keinen Sex?", hilft er mir auf die Sprünge. Ich nicke und spüre, wie mein Kopf abermals Feuer fängt. "Und? Das heißt doch nicht, dass man nicht schon zusammen sein kann. Gerade bei dem, was ihr schon durch habt. Dann holt ihr das eben nach."

"Und wie?"

Phil hält inne und sieht mich fast schon geschockt an. "Sag bloß, du weißt nicht wie das geht?!"

"Doch! Natürlich!", zische ich. "Aber Aaron will noch warten. Er sagte, es soll perfekt für mich werden."

"Echt? Das ist ja süß!" Süß?

"Ehrlich gesagt, süß ist nicht gerade der Ausdruck, der mir dabei einfällt", schmolle ich.

Phil lacht etwas dreckig und zwinkert mir zu. "Du bist also scharf wie eine Rasierklinge und weißt nicht, wie du ihn rumkriegen sollst." Besser hätte ich es nicht sagen können.

Meine Wangen glühen noch eine Spur heftiger. "Ja. Wie läuft das bei dir und Flo? Wie hast du ihn damals rumgekriegt?"
 

Phil lächelt verträumt und scheint in die Vergangenheit zu abzudriften. "Er hat eigentlich mich rumgekriegt. Ich war mir unsicher und hatte Angst. Aber das legte sich. Ich wollte ihn und er mich. Jetzt reicht schon meistens ein Blick und der andere weiß sofort was Sache ist. Sag Aaron doch einfach das du bereit bist. Das du ihn willst."

"Das kann ich nicht!" Allein die Vorstellung schnürt meine Kehle zu.

"Dann zeig es ihm."

"Und wie?" Ich klinge fast verzweifelt.

Phil schüttelt grinsend den Kopf. "Das musst du schon selbst herausbekommen. Schau nicht so! Du wirst es merken. Ihr beide. Glaub mir." Ich würde ihm ja gerne glauben. Aber von solchen Dingen habe ich null Ahnung.

Er zieht den Stöpsel aus der Spüle und klopft mir auf die Schulter. "Das packst du. Ihr packt das! Sobald einer den Anfang gemacht hat, läuft alles von ganz alleine. Und jetzt lass uns noch ein bisschen feiern."
 

~Aaron~

Mein kleiner Liebling betritt zusammen mir Phil das Wohnzimmer. Scheu schaut er mich an und kommt zu mir. Wie gern würde ich das jetzt mit ihm klären, aber das muss warten, bis wir unter uns sind. Meine Freunde müssen nicht alles wissen und ich glaube nicht, dass Leon es gut finden würde, wenn wir das offen ausdiskutieren würden.

Leon setzt sich neben mich und ich ziehe ihn kurzerhand näher zu mir, lege meinen Arm um ihn und kraule seinen Bauch. Erst ist er vollkommen verspannt, dann scheinen ihn meine Berührungen langsam zu beruhigen. Leon lehnt sich leise seufzend an mich.

Sean erzählt Flo alte Anekdoten, wie er und Chase sich kennen lernten. Teilweise wirklich lustig, da Sean erst dachte, Chase sei schwul und ihn hemmungslos anbaggerte, dieser es aber gar nicht mitbekam. Zu sehr war er damit beschäftigt, eventuelle Kerle, die ihm an den Arsch wollten, ausfindig zu machen und ihnen aus dem Weg zu gehen oder einfach eine zu verpassen. Dabei übersah er die schlimmste aller Gefahren. Einen mehr als spitzen Sean.

Ganz so lustig, wie er es erzählt war es nun auch nicht und das will ich gerade einwerfen, doch Leon lenkt mich ab. Seine Hand hat sich auf meine gelegt und seine Finger verschränken sich mit meinen, drücken sie fest. Seine blonden Locken kitzeln mein Kinn. Ich glaube, es wird Zeit, dass die anderen endlich aus unserer Wohnung verschwinden!
 

Ich gähne herzhaft und übertrieben. Hoffentlich verstehen sie meinen Wink. Seans Augen mustern mich und schließlich lächelt er. "Chase? Lass und fahren. Es ist schon spät." Guter Junge!

"Ja. So langsam sollten wir auch gehen. Die Arbeit ruft morgen früh", fällt Peter mit ein und steht auf.

Auch wir stehen auf und belustigt stelle ich fest, dass Phil Leon zuzwinkert und Flo mit sich in den Flur zieht. "Dann gehen wir auch mal. Wenn Flo morgen verpennt, bin ich wieder schuld."

Es wird eng im Flur, da jeder sich seine Jacke vom Harken angelt und anzieht. Aber irgendwann schaffen es alle, die Richtige zu erwischen und sind auch schon mit viel Tamtam und großem Lärm verschwunden.

"Ich geh schnell das Wohnzimmer aufräumen", murmelt Leon, als die Tür ins Schloss fällt. Er flüchtet eindeutig vor mir und der immer noch unbeantworteten Frage.
 

Ich folge ihm langsam und lege kurzerhand von hinten meine Arme um seinen Bauch. "Das mache ich morgen. Du solltest auch schlafen." Kleine Küsse auf seinen Nacken verteilend, bleibe ich weiter hinter ihm stehen. Er zittert leicht, sagt aber keinen Ton. "Oder wollen wir was anderes im Bett machen?"

Mein armer Leon! Da muss er nun durch.
 

~Leon~

"Oder wollen wir was anderes im Bett machen?" Mir bleibt das Herz stehen und ich weiß gerade überhaupt nicht, was ich tun soll.

Natürlich will ich mit ihm ins Bett! Aber ich bin viel zu aufgeregt und auch zu schüchtern, um auch nur einen einzigen Ton heraus zu bekommen.

"Es reicht auch, wenn du einfach nur nickst." Ich kann Aarons Grinsen genau heraushören! Macht er sich lustig über mich?

Sauer drehe ich mich zu ihm um. "Von mir aus gern!", schnaube ich ihm zu und winde mich aus seinen Armen.
 

~Aaron~

Es hat geklappt! Noch etwas verwundert schaue ich Leon nach, wie er wütend in mein Schlafzimmer stapft und darin verschwindet. Kleiner Trotzkopf!

Gespannt, was da noch kommen mag, folge ich ihm. Ich finde ihn auf dem Bett sitzend, ohne Licht und mit dem Rücken zu mir. Ein Häufchen Elend.

"Leon? Du weißt, dass man sich eigentlich freut, wenn man mit seinem Partner das erste Mal Sex hat."

Beim Wort Partner zuckt er zusammen. "Sind wir das? Partner?"

Ich atme tief ein. Er scheint es immer noch nicht gerafft zu haben. "Ja", sage ich schlicht und laufe ums Bett herum. Mit Leons Rücken zu reden macht keinen Spaß. "Leon? Vor was hast du solche Angst?" Langsam müsste er doch wissen, dass ich ihn nicht ausnutzen will.
 

~Leon~

"Ich habe keine Angst!" Ich möchte nicht, dass Aaron denkt, ich hätte Angst vor ihm oder würde ihm immer noch nicht vertrauen.

"Was ist es dann?"

"Ich ..." Wie sage ich es nur? Aaron hält mich doch für bekloppt, wenn ich ihm den Grund nenne. Aber es nützt nichts. Jetzt sitzen wir hier und ich komme aus der Situation nicht mehr raus. Will es ja auch gar nicht. "Es ... Es ist mir einfach peinlich", gestehe ich und merke, wie mein Gesicht anfängt zu glühen. Nun ist es raus.

"Das muss es nicht", sagt Aaron leise und legt einen Arm um mich. "Ich bin doch bei dir." Das bringt mich zum lachen.

"Zum Glück!", kichere ich und lehne mich an ihn. "Wie war es bei dir? War es dir auch so unangenehm?"

"Nein. Ich war aufgeregt. Mehr aber auch nicht. Ich wollte es. Und dann ist es passiert. Keine große Sache im Nachhinein."

Keine große Sache ... "Also war es nicht so gut?"

"Nein. Aber weißt du wieso?" Ich verneine. "Weil ich den anderen kaum gekannt habe. Ich weiß sogar seinen Namen nicht mehr, oder wie er aussah. Das hier ist was ganz anderes."

"Weil wir uns kennen?"

Aaron grinst, schüttelt leicht den Kopf und berührt meine Wange. "Weil ich dich liebe."
 

Mein Herz stolpert und setzt einige Herzschläge lang aus. Er liebt mich?

Ich würde es so gern erwidern, kann aber nicht, da Aaron meinen Mund verschließt und mich auf die Matratze drückt. Alles geht so schnell, dass ich nur still daliegen kann und Aaron über mir gewähren lasse. Eigentlich habe ich sowieso keine Ahnung, was ich tun soll. Ich bin viel zu aufgeregt.

Sein Gewicht liegt schwer auf mir, fühlt sich so unglaublich gut an, dass ich nicht anders kann und mich ihm entgegen strecke.
 

***
 

Leon

Mit Schmetterlingen im Bauch schaue ich auf das Bett nieder, in dem Aaron friedlich schlummert. Was für ein Abend! "Ich liebe dich auch", habe ich ihm zugeflüstert und er hat dabei gelächelt! So ganz kann ich es immer noch nicht fassen. Jetzt sind wir ein richtiges Paar und ich bin so glücklich wie noch nie!

Leise schleiche ich aus dem Schlafzimmer und gehe ins Wohnzimmer. Ich muss unbedingt etwas los werden, sonst platze ich noch!

Ich schnappe mir mein Handy und schreibe eine SMS. Danach lösche ich alle Lichter und lege mich wieder zu Aaron.

"Wo warst du?", murmelt er und fängt mich ein.

"Nur die Lichter ausmachen", antworte ich und kuschle mich an ihn.

"Ach so …", flüstert er und scheint wieder eingeschlafen zu sein.

Grinsend fahre ich mit meinen Fingern durch sein Haar. "Ich bin so froh, dass du mich jedes Mal findest, wenn ich verloren gehe."

An meiner Nase wird es feucht. Er schläft ja noch gar nicht!

"Das nächste Mal werde ich dich erst gar nicht gehen lassen", lacht er und presst seine Lippen auf meine.
 


 

Ende
 

~Phil~

Murrend taste ich nach meinem piepsenden Handy. Wer simst mir denn mitten in der Nacht?

"Phil?"

"Penn weiter. Is Meins."

Ich reibe mir über die Augen um überhaupt was erkennen zu können und tippe auf das kleine Briefchen. Es ist von Leon! Sofort bin ich hellwach und schaue, was er geschrieben hat. Hoffentlich ist nicht wieder was passiert!

*Danke, dass du mir Mut gemacht hast! Leon*

Lächelnd lege ich mein Handy auf den Nachttisch. "Was Wichtiges?", fragt Flo und legt einen Arm um meinen Bauch.

"Das Wichtigste überhaupt", lache ich und greife nach Flos Hand.
 


 

Ahhh! Jetzt ist wirklich Ende! Also für's erste.

Als nächstes möchte ich euch noch Phils und Flos 'zusammenkommen' berichten, das nur darauf wartet endlich den Weg von meiner Festplatte in eure Köpfe zu finden.

Dann bis zum nächsten Mal.

Eure Fara ;-)
 

Hier gibt's Nachschlag:
 

Es weihnachtet sehr! Oder doch nicht? Erfahrt es hier: https://ssl.animexx.de/fanfiction/322372/
 

Eine kleine Osterüberraschung findet ihr hier: https://ssl.animexx.de/fanfiction/330101/
 

Und wieder habe ich eine Kurzgeschichte über die zwei getippselt ^^: https://ssl.animexx.de/fanfiction/341378/
 

Ei is denn schon wieder Weihnachten?! Bei Leon und Aaron auf jeden Fall. ^^ https://ssl.animexx.de/fanfiction/342192/
 

Endlich! Die Einweihungsfeier des Eigenheims! ^^: https://ssl.animexx.de/fanfiction/347172/
 

Mehr ist in Arbeit, meine Lieben. Immer mal wieder, wenn mich die Sehnsucht nach den beiden packt ;D



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Kommentare zu dieser Fanfic (62)
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Von:  -Phenix-
2016-07-30T15:58:47+00:00 30.07.2016 17:58
So, fertig gelesen!

Und wieder bin ich begeistert! Wie schaffst du das nur?

Ich weiß gar nicht was ich schreiben soll XD
Zu viele Kommentare und zu viele Geschichten - und ich bin froh dass es noch weiter geht!

Ich freue mich auf die Geschichte von Chase's "umpolung" :)
Antwort von:  Fara_ThoRn
30.07.2016 18:47
Keine Ahnung. Ich schreib einfach drauf los. *gg*
*lach* blickst du überhaupt noch durch, bei den ganzen Storys, die du jetzt gelesen hast? Mir schwirrt ja schon manchmal der Kopf, und ich muss hin und wieder nachgucken, wer mit wem, und wann und wo, und wieso überhaupt *lautlach*
Antwort von:  -Phenix-
30.07.2016 19:57
Langsam verliere ich auch den Überblick :D
Aber ich schaue dass ich zusammenhängende Storys nacheinander lesen kann :)
Hast ja gut vorgearbeitet hier ^^
Antwort von:  Fara_ThoRn
06.08.2017 19:04
Stimmt. Und neues kommt immer mal wieder hinzu *gg*
Von:  -Phenix-
2016-07-30T13:25:05+00:00 30.07.2016 15:25
Aaron gefällt mir. Und Leon ist so ein armes Mäuschen *anflausch*
Freu mich auf ein Happy End für die Beiden.

Und ich bin froh dass die Idioten aufgemischt wurden *muhahahahahaha*
Antwort von:  Fara_ThoRn
30.07.2016 18:45
Leon und Aaron hatten keinen leichten Start, aber in Zukunft werden sie es leichter haben. Vor allem wird Leon noch richtig aufblühen ^^
Von:  Momo26
2015-04-07T11:00:41+00:00 07.04.2015 13:00
Echt Klasse deine ff Aaron und Leon sind echt zum knutschen xD
Aber Jack und David sind die besten!! ;D
Lg Momo
Antwort von:  Fara_ThoRn
30.07.2016 18:44
Ich könnte sie alle knutschen.
Jack: EHHHH!!!! GEH WEG!
Fara: -___-" Och Mann
Von:  BloodyAugust
2014-10-15T19:43:36+00:00 15.10.2014 21:43
Hach die Zwei sind so süss zusammen (ich weiß das sag ich bei jedem Pärchen xD) aber es ist einfach so. Jack ist aber auch sehr lustig xD david scheint ja wirklich das komplette Gegenteil von ihm zu sein. Ich mag es das alle anderen immer mal wieder auftauchen und so fügt sich alles nach und nach zusammen und man bekommt ein besseres Bild.
Antwort von:  Fara_ThoRn
16.10.2014 07:36
Die zwei werden sogar noch süßer, hab ich das Gefühl. Gestern hab ich einen kleinen OS über Aaron und Leon geschrieben. Den lad ich auch bald hoch.
Ich mogle meinen anderen Charas ganz gern in neue Storys. Irgendwie gehören die ja auch alle dazu, und es mischen sich immer mehr neue Charas in den bunten Haufen. ^^
Antwort von:  BloodyAugust
16.10.2014 12:07
Ja das merk ich schon, sie verselbstständigen sich und es werden immer mehr, schießen wie Pilze aus dem Boden *hehe*
Antwort von:  Fara_ThoRn
16.10.2014 16:04
Pilze, hm? *ganz dreckig grinst* Ich hab den halben Garten voll Pilze. Die sind weiß und schmal und lang ... >___< *nicht weiter darüber nachdenken ...*
Von:  Teddybaer255
2013-12-16T13:05:25+00:00 16.12.2013 14:05
OMG :D Ich bin so sprachlos O.o :x
Manchmal finde ich Leons Unsicherheit richig niedlich :D
Es freut mich zu lesen, dass die beiden jetzt doch endich einander zugestehen ^^
Schade dass die FF nun vorbei ist.... aber mir hat sie sehr gut gefallen *_*
Vielleicht liest man mal voneinader ;)
GLG Teddybaer
(PS: Mach weiter so!!! ^^)
Von:  Teddybaer255
2013-12-16T12:56:34+00:00 16.12.2013 13:56
Gott sei Dank hat Aaron Leon noch rechtzeitig retten können *_*
Und der Abschiedbrief von Andy ist so traurig T.T
Ich bin froh, dass die beiden sich jetzt endlich "ausgesprochen" haben und ihnen jetzt niemand mehr irgendwelche Steine in den Weg schmeißt ^^ (oder??)
Ich lese mal eben schnell das nächste Kapi ;)
LG Teddybaer

Von:  Teddybaer255
2013-12-16T07:20:00+00:00 16.12.2013 08:20
So... sry, ass ich mit meinem Kommi wieder so lange gebraucht habe O.o
Jetzt aber ^^
Der Anfang ist so süß *_* echt riesen großes Kompliment wie gut du alles beschrieben hast ;)
*weiterles*
O.o Ach du scheiße ..... Was macht Leons Vater da auf einmal .... NEIN!!!! O.o
Damit habe ich ja überhaupt nicht mit gerechnet!!!
Oh man... ich hoffe Aaron und seine Freunde können Leon retten, ohne das ihm was (noch) Schimmeres zustößt O.o
LG Teddybaer
Von:  Leoline
2013-12-11T17:04:47+00:00 11.12.2013 18:04
Ich finde deine Geschichten einfach klasse ! Ich Fieber mit den Jungs und kann nicht aufhören zulesen. Freue mich jedesmal wenn etwas neues von dir kommt! Mit freundlichen Grüßen Leoline
Von:  Teddybaer255
2013-12-11T12:06:18+00:00 11.12.2013 13:06
Ach man... warum muss Aaron in diesem Kapi wieder in selbstmitleid versinken??
Merkt er denn nicht, wie Leon ihm gut tut >.< (Blinse... Sry :x)
Ansonsten, mal wieder ein sehr gutes kapi ;)
(sry, wenn mein Kommentar diesmal etwas kürzer ausfällt -.-)
Dann will mal schnell weiterlesen ;)
LG Teddybaer
Von:  Teddybaer255
2013-12-11T07:14:44+00:00 11.12.2013 08:14
Hey, da bin ich wieder *wink*
Also, die Idee, dass Leon mal Aarons Freunde kennen lernt, finde ich richtig gut (und süß ;) )
Ich hab mich so weggeschmissen, als Leon da so betrunken auf der Tanzfläche rumtanzt :D *Kopfkino* *lachflash* Sehr nett ;D
Ich greife auch gern noch einmal Hironos Zitat auf: "Und seid ihr zusammen?" "Nein! Ich wohne bei ihm!" Da dachte ich nur: PATSCH! Das war ein Schritt voll in die.... *räusper* ... ins Fettnäpfchen :D
Richtig gut!!
Bis zum nächsten Kapi
LG Teddybaer

Antwort von:  Fara_ThoRn
11.12.2013 12:16
"Und seid ihr zusammen?" "Nein! Ich wohne bei ihm!" << Ja, es ist doch so! *gg*


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