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Friedrich

von

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Heinrich

Dieses Kapitel ist aus Heinrich's Sicht geschrieben und beginnt am Tag bevor er mit Maye Friedrich findet.
 

~Heinrich~
 

Heinrich wurde an diesem Morgen unsanft von Maye geweckt, als diese sich im Bett umdrehte und ihm dabei eins ihrer Beine in den Bauch schlug. Während sie im Schlaf fröhlich weiter von Keksen brabbelte und die Decke um sich schlang, musste ihr großer Bruder erst ein paarmal tief Ein- und Ausatmen um den Schmerz zu vertreiben. Für eine fünfjährige hatte sie wirklich verdammt viel Kraft. Als es ihm besser ging schälte er sich aus dem Bett, kratzte sich einmal am Hinterkopf, gähnte und machte sich dann auf den Weg das Waschwasser zu erwärmen, dass er am Abend zuvor schon aus dem Brunnen geholt und in einer Schüssel bereitgestellt hatte. Er brauchte also nur noch das Feuer in der Kochstelle neu zu entfachen und das Wasser darüber aufzuhängen. Während es langsam warm wurde zog Heinrich sich ein Paar Socken und seine Schuhe an und weckte Maye auf. Natürlich bekam er dabei auch fast wieder eine geklatscht, aber nachdem das ja so gut wie jeden Morgen passierte, konnte er gerade noch ausweichen. „Maye du musst jetzt wirklich aufstehen, wir wollen doch noch in die Stadt und zu Maria“ Ehe er sich versah war etwas Kleines aus dem Bett und an ihm vorbeigerannt. Mit zerzausten offenen Haaren stand Maye in der Tür zur Küche und schaute ihn erwartungsvoll an. „Wann ist das Wasser fertig und wo ist mein Lieblingskleid und kann ich heute Morgen Karotten essen und wo ist eigentlich meine Maispuppe die ich Maria zeigen wollte und wusstest du eigentlich schon dass sie jetzt Hasen hat und…“ „Maye ganz ruhig. Zieh dir erst mal deine Socken an, sonst erkältest du dich noch. Das Waschwasser ist gleich warm genug und dein Kleid liegt da drüben auf dem Stuhl. Die Karotten liegen noch immer in der Vorratskammer und Ja du darfst sie essen. Die Maispuppe hast du gestern in der Scheune vergessen und von Marias Hasen redest du schon seit der Sonntagschule.“ Lachend wuschelte Heinrich Maye durch die Haare, als er an ihr vorbei in die Küche ging um die Schüssel vom Feuer zu nehmen und mit einem Lappen etwas Kernseife darin verteilte. Als er fertig war, riss ihm schon etwas den Waschlappen aus den Händen und drängte ihn weg. Seine kleine Schwester war wirklich ein Wildfang und in der ganzen Aufregung hatte sie auch noch ihr Kleid falsch herum angezogen. Schmunzelnd ging Heinrich zwei Karotten holen, half Maye beim Kleid umdrehen und Haare flechten, wusch sich selber, zog sich an, holte die Maispuppe, machte das Bett und schüttete das dreckige Wasser etwas weiter vom Haus entfernt weg. Als er damit fertig war machten die beiden sich auf den langen Weg in die nächste Stadt. Heinrich hatte Maye nicht erzählt, dass er sich mit dem örtlichen Gutsherrn treffen musste, der ihm den Hof abkaufen wollte. Er machte sich große Sorgen, weil er nicht wusste wir er sich um den Hof und die einzelnen Tiere kümmern sollte, ohne Maye zu sehr einzuspannen. Nach dem Tod ihrer Eltern wollte er es so einfach wie möglich für sie machen und auf der Straße landen war definitiv keine Option. Auch wenn es für ihn schwer ist und ihm alles weh tut, so freut er sich doch über ihr Lächeln und ihre wilde Art. Zudem wusste sie immer, was er brauchte und half ihm auf ihre Weise so gut es ging und wenn es nur vor dem Einschlafen eines ihre, im Laufe des Tages selbstausgedachten Märchen war.
 

Die Stadt war von einer großen Mauer umgeben und nur durch vier riesige Tore zu betreten, diese wurden aber so gut wie nie kontrolliert, da Geldon keine Handelsstatt war und somit für das Königreich und Räuber wenig Bedeutung hatte. Im inneren herrschte aber trotzdem immer das pure Chaos und Heinrich musste Maye fest an der Hand nehmen, damit sie nicht auf einmal in der Menge verschwandt, um etwas für sie interessantes zu erkunden. In der Menschenmasse würde er sie wohl kaum wieder finden und bei dem Versuch wahrscheinlich noch von einem der Wägen überrollt werden, die in unregelmäßigen Abständen die Menge teilte. Heute war Markt und alle Bewohner im Umkreis kauften Vieh, Brot, Gemüse, Fisch, Stoffe, und andere Haushalts- und Lebensmittel. Auf den Straßen herrschte ein strenger Geruch und man musste aufpassen, damit man nicht in Tierexkremente, oder Abfall trat. Geldon war auch nicht für besondere Reinlichkeit bekannt.

Große Fachwerkhäuser waren dicht aneinander gedrängt und nur ab und zu sah man zwischen ihnen eine enge, schmale Gasse, die nicht besonders einladend aussah. Heinrich und Maye gingen an Metzgern, Schuhmachern und Schmieden vorbei, bis sie an eine Wegbiegung und in die etwas leereren Wohngegenden kamen.

Maria war ein kleines blondes Mädchen, das mit Maye in dieselbe Sonntagsschule ging. Sie hatte zwei größere Brüder und zwei kleine Schwestern, von denen noch eine ein Säugling war und mit ihnen, ihrer Mutter und ihrem Vater, der bei einem Metzger arbeitete, lebten sie in einem etwas kleineren Haus nahe der Mauer. Beim letzten Kirchenbesuch hatte er mit ihnen abgesprochen, dass Maye bei ihnen bleiben kann, während er bei dem Gutsherr war.
 

Nach weiteren fünf Minuten laufen standen sie vor einem zweistöckigen, etwas schiefen Fachwerkhaus. Schwarze, etwas morsche Balken boten einen starken Kontrast zu den weiß gestrichenen Flächen. Hier und da blätterte schon etwas die Farbe ab und an vielen Stellen war das strahlende Weiß zu einem dreckigem Beige ausgebleicht. Die Tür befand sich nicht wie bei den meisten Häusern in der Mitte, sondern an der linken Ecke und hing etwas schief in den Angeln, sowas passierte schnell bei so vielen temperamentvollen Kindern und allen Anschein nach hatten die Eltern es schon aufgegeben sie groß zu reparieren. Die Fenster waren noch alle drin, obwohl manche etwas neuer als andere wirkten und eins war provisorisch mit einem Tuch gestopft. Je näher sie dem Haus kamen, umso hibbeliger wurde Maye und redete immer schneller von all dem, was sie heute mit Maria geplant hatte und mal wieder war das Haupthema die Hasen. Heinrich brachte es einfach nicht über sich ihr zu sagen, dass diese höchst wahrscheinlich um Weihnachten als Braten gegessen werden.

Am Eingang angekommen klopfte er einmal ganz laut und um es ihren großen Bruder nach zu machen, klopfte auch Maye einmal. Die Tür wurde kurz darauf von einer ziemlich fertig aussehenden Frau mittleren Alters geöffnet. Die schon leicht ergrauenden Haare waren von ihr zu einem, sich langsam auflösenden Dutt aufgesteckt und ihr schlichtes Kleid war mit mehligen Fingerabdrücken übersät. Wahrscheinlich backte sie gerade mit ihren Kindern das Brot für den Abend. Auf ihrem rechten Arm trug sie noch ein ganz kleines Mädchen und mit der anderen Hand hielt sie einen schmollenden Jungen fest. Als sie erkannte wer vor der Tür stand, änderte sich ihr Gesichtsausdruck und Heinrich konnte erkennen, woher ihre Lachfalten um die Augen kamen.

„Heinrich da bist du ja endlich. Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Maye du bist ja kräftig gewachsen. Glaub mir es dauert nicht mehr lange und dann kannst du deinem Bruder auf den Kopf spucken“ Lachend ließ sie Maye vorbei, damit sie zu Maria rennen und ihr von dem Lob erzählen konnte und dann wandte sie sich mit einem ernsten Blick Heinrich zu. „Nochmals Danke, dass Sie auf sie aufpasst Elli und…“ Mit einer Handbewegung würgte Elli ihn ab. „Ist doch kein Problem und jetzt mach dich schnell auf den Weg, damit du nicht zu Spät kommst. Er mag das gar nicht! Und Heinrich? Bitte pass auf was du machst! Unterschreibe nicht, bevor du es dir nicht von einer vertrauenswürdigen Person hast vorlesen lassen. Er weiß genau wer lesen und wer es nicht kann und er schnappt sich immer Leute wie dich heraus und nutzt ihre Schwächen aus. Auch wenn er die Verspricht Maye in Gold zu hüllen, er wird es nicht machen, egal was er dir sagt hör bloß nicht auf ihn. Hast du alles Verstanden?“ „Bitte machen Sie sich nicht zu viele Sorgen. Nur weil ich nicht lesen kann, bin ich nicht naiv. Passen Sie einfach gut auf meine kleine Schwester auf und ich beeil mich möglichst bald zurück zu sein.“ Damit machte er auf dem Absatz kehrt und rannte in Richtung des Hauptgebäudes. Kurz vor dem Eingang blieb er schlitternd stehen, steckte sein Hemd in die Hose, zupfte ein paar Fusseln von dieser und richtete seine Haare noch einmal, da vereinzelte Strähnen aus dem Zopf gerutscht waren. Egal was kommt er würde den Hof behalteen.
 

Als er aus dem riesigen Gebäude wieder herauskam wurde es schon langsam dunkel und er war mit den Nerven am Ende. Den ganzen Morgen musste er in einem Raum mit vielen anderen Leuten warten und jeder von ihnen schien nervös zu sein. Nur drei Stühle standen bereit und Heinrich konnte beobachten, wie sie alle wie hungrige Wölfe um diese herumschlichen, in der Hoffnung, dass einer frei wird. Um nicht als Konkurrent im Stuhlkampf angesehen zu werden ging er lieber ans andere Ende des Zimmers, wo drei deckenhohe Fenster einen wunderschönen Blick auf die gesamte Stadt gaben. Von hier aus konnte er den belebten Markt, das Südtor und die angrenzenden Bauernhöfe sehen. Der strahlend blaue Himmel hatte es ihm aber besonders angetan und ab und zu flog ein Schwarm Vögel vorbei, die aus der Richtung kamen, wo hinter dem Horizont der dunkle Wald lag. Er fragte sich wirklich, welches Raubtier sie wohl aufgeschreckt hatte und hoffte, dass es keine Wölfe waren, die sich im Winter seinem Haus nähern könnten.

Erst als die Sonne schon lange ihren höchsten Stand verlassen hatte, wurde er zu dem Gutsherren gelassen. In einem riesigen Raum, bestimmt dreimal so groß wie das Wartezimmer, saß er in teueren Kleidern hinter einem großen Schreibtisch und um ihn herum standen zwei, mit Schwertern bewaffneten Wachen. Sein schleimiges Grinsen lies Heinrich aufstoßen, aber er zwang sich trotzdem zu einem freundlichen Lächeln und setzte sich, nach der Aufforderung des Herren, auf den Stuhl vor dem Tisch.

Im Nachhinein konnte Heinrich nicht mehr genau sagen, was der Gutsherr ihm gesagt hatte, aber im großen und ganzen war es einfach nur eine Lügentirade über einen guten Kaufpreis und die Absicherung, dass er nach dem Verkauf weiter dort wohnen und arbeiten dürfte. Allerdings änderte sich seine schleimige Stimmung, nachdem Heinrich darum bat den Vertrag erst mal mit nach Hause nehmen zu dürfen. Ehe er sich versah wurde er freundlich vor die Tür begleitet, mit der Versicherung, dass in den nächsten Wochen noch einmal ein Gesandter mit den Unterlagen vorbei käme. Er konnte sich schon denken, wie das ablief: Ein großer Typ kommt mit ein paar anderen vorbei, drückte ihm einen Stift und den Vertrag in die Hand und lässt nicht zu, dass ihm jemand vorlas was da stand und das würde so lange gehen, bis er unterschrieben hatte.

Ziemlich genervt machte er sich wieder auf den Weg um Maye abzuholen und versuchte dabei sich zu beruhigen. Er wollte nicht, dass seine kleine Schwester sich Sorgen machte und so dachte er an schöne Dinge und atmete immer wieder tief ein und aus. Tatsächlich ging es ihm vor dem schiefen Haus schon wieder besser und lächelnd klopfte er an die Tür. Von drinnen hörte er schon aufgeregte Stimmen und dann wurde die Tür aufgerissen. Ein ca. 10jähriger Junge stand grinsend vor ihm und rannte dann gleich wieder ins Haus und dann kam Maye auf ihn zugestürmt und umarmte ihn fröhlich. Ihr folgte eine kichernde Maria, die einen großen, schwarz-weißen Hasen auf dem Arm trug und Elli, die ihn besorgt musterte. „So Kinder geht wieder rein und Maye verabschiede dich noch schnell von den Hasen“ und weg waren die Kinder wieder und Heinrich stand mit der besorgten Mutter alleine in der Tür. „Ist alles gut gegangen? Du hast doch nicht unterschrieben oder?“ „Nein keine Sorge, aber sie wollen in den nächsten Wochen jemand mit dem Vertrag zu mir schicken“ Er seufze einmal tief. „Ich lass mir bis dahin was einfallen, also machen Sie sich nicht so große Sorgen.“ Elli nickte traurig und schloss die Tür hinter Maye, die gerade angerannt kam. Mit seiner kleinen Schwester an der Hand machte sich Heinrich auf den Weg zurück und hörte ihr zu, während sie in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit von ihrem Tag erzählte und um ihn herum hüpfte. Ein Wunder, dass sie sich an den ganzen Wörtern nicht verschluckte und woher nahm sie nur immer diese unbändige Energie.

Sie waren nur noch eine viertel Stunde von zu Hause entfernt und Heinrich hatte gerade Maye durch die Haare gewuschelt, als er im Busch neben ihnen es rascheln hörte. Durch einen kleinen Spalt zwischen den Blättern konnte er ein Paar rote, vor Schreck geweitete Augen ausmachen und Heinrich war fasziniert von dem leuchten, dass von ihnen ausging. Da er aber nicht wusste, wer oder was da im Busch war wandte er seinen Blick wieder Maye zu und ging weiter den Weg entlang, innerlich darauf vorbereitet sich zu verteidigen. Wer auch immer sich dort versteckt hatte folgte ihnen nicht und daher entspannte Heinrich sich auch schnell wieder. Maye bekam von alle dem nichts mit, weil sie zu beschäftigt damit war ihm zu erzählen, wie geeignet sie als Haustierbesitzterin doch wäre. Auf dem Rest des Weges diskutierten sie dann wieder über das Thema.

Als sie endlich daheim angekommen waren, war Heinrich am verhungern. Er hatte am Morgen vor Sorge nichts essen können und jetzt brauchte er dringend was, also zündete er wieder das Feuer im Ofen an, hing einen Topf darüber und holte im Brunnen auf dem Hof Wasser. Maye währenddessen spielte vor dem Herd mit ihrer Maispuppe und Heinrich schnitt das Gemüse. Er genoss dieses relativ ruhige zusammen sein sehr und hörte Maye bei ihrem Spiel zu. Als das Wasser kochte warf er das Gemüse und etwas Gries rein und da es draußen dunkel war und auch in der Stube langsam nur noch das Licht vom Feuer ausging entzündete er eine Kerze und stellte sie auf den Tisch. Während die Suppe fröhlich vor sich hin kochte deckte er den Tisch und brachte die Abfälle auf den Kompost hinter dem Haus. Auf dem Rückweg holte er gleich noch einen Eimer Waschwasser für den Abend und Morgen, damit er nicht nochmal in die beißende Kälte musste.

Nach dem Essen wuschen Heinrich und Maye sich und während seine kleine Schwester schon langsam ins Land der Träume sank räumte er noch das Geschirr weg. Vor dem Küchenfenster sah er das gewaltige Maisfeld, das er in den nächsten Tagen ernten werden muss. Allein bei dem Gedanken taten ihm schon all seine Muskeln weh, aber vielleicht würden sie sich mit dem Verkauf ein kleines Stück Fleisch leisten können. Er schreckte aus den Gedanken auf, als er dachte die leuchtenden roten Augen zwischen dem Mais aufblitzen gesehen zu haben, aber da alles ruhig blieb schob er es auf seine Einbildung und löschte Feuer und Kerze. Kaum lag er neben Maye im Bett unter der schon aufgewärmten Decke sank er schon ins Land der Träume.
 

Der nächste Morgen fing sehr spät an. Als er aufwachte stand die Sonne schon fast am höchsten und Maye lag nicht mehr neben ihm. Heinrich setzte sich im Bett auf und gähnte ausgiebig, während er seine Arme streckte. Diesmal zog er gleich seine Socken und Schuhe an, weil es der Boden wirklich extrem kalt war.

In der Küche brannte schon das Feuer im Ofen und noch warmes Seifenwasser stand auf dem Tisch. » Maye kann schon mehr, als ich ihr manchmal zutrauen möchte » Der Gedanke lies Heinrich stolz lächeln. Nachdem er sich gewaschen und angezogen hatte musste er sich allerdings Fragen, wo denn sein kleines großes Mädchen war. „Maye?“ Suchend schaute er sich im ganzen Haus um, aber es war schnell klar, dass sie hier nicht war. Als er aus dem Fenster Richtung Scheune sah, konnte er erkennen, dass das Tor einen Spalt weit geöffnet war. „Oh man“ Seufzend lief er aus dem Haus und schlich sich rein. Er brauchte sich nicht groß umzusehen wo Maye sein könnte, denn vor der Leiter, die auf den Heuschober führte, lag die Maispuppe. Seufzend kletterte er nach oben. „Maye bist du da oben? Ich hab dir doch schon so oft gesagt, dass das gefährlich i…“ Das Bild, das sich ihm bot, als er oben ankam, ließ ihm den Atem stocken. Seine kleine Schwester saß in ihrem braunen Kleid auf dem Bauch eines zitternden Jungen, der sich den Arm über die Augen gelegt hatte und kitzelte seine Nase mit einem Strohhalm.

Heinrich kletterte noch die letzte Stufe hoch und nun entdeckte ihn auch Maye. Sofort sprang sie auf und rannte zu ihm. „Schau doch Bruderherz, ist er nicht süß? Darf ich ihn behalten, bitte, bitte, bitte“ Heinrich sah verdutzt zu, wie der Junge aufsprang, sich zitternd in die Ecke drückte und den verschmutzten Lumpen, auf dem er geschlafen zu haben schien an sich drückte, während Maye von irgendwas redete. » Moment. Kein Junge! « Jetzt erkannte Heinrich, dass der vermeintliche Junge vier kleine Hörner auf dem Kopf und einen schuppigen Schwanz hatte. Er hatte von sowas schon einmal auf den Straßen gehört. Besonders blutrünstige Drachen sollten sich angeblich in Menschen verwandeln und so Beute finden, doch Heinrich kam dieser zitternder Junge nicht im geringsten gefährlich vor und er hätte ja eben noch genug Zeit gehabt seine Schwester zu töten. „Maye bleibst du bitte kurz hier stehen“ Er ging an seiner kleinen Schwester vorbei und ging vor dem unbekannten Besucher in die Hocke. Dieser drückte sich noch weiter in die Ecke und versuchte ihm entschlossen in die Augen zu sehen, aber Heinrich merkte sofort, dass das nur aus Selbstschutz passierte und er in Wahrheit panische Angst hatte. Die Augen ließen ihn aber trotzdem nicht los, denn es waren dieselben strahlend Roten vom Vortag und bei dem Gedanken, dass er sich am Abend zuvor in der Küche wohl doch nicht getäuscht hatte musste er schmunzel. Heinrich betrachtete sein Gegenüber mit schief gelegtem Kopf noch genauer. Von seinen schulterlangen, verwuschelten, schwarzen Haaren mit dem zu langen roten Pony, bis zu den wild umher zuckenden Pupillen und den dürren zitternden Armen. Er würde ihn nicht älter als fünfzehn schätzen und das versetzte ihm einen kleinen Stich ins Herz. Anscheinend hatte er schon lange nicht mehr richtig gegessen und war nicht an Gesellschaft gewöhnt. „Ich bin Heinrich und du?“ Der Junge zuckte zusammen und fokussierte ihn wieder, antwortete aber nicht. „Das ist Maye meine kleine Schwester. Sie scheint dich zu mögen“ Bei diesen Worten erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. Maye hatte schon immer eine gute Menschenkenntnis, wieso sollte das nicht auch für Drachen gelten? Er sah die Verwirrung auf dem Gesicht seines Gegenübers und wie sein Blick kurz zu Maye zuckte. „Weißt du Maye ist manchmal ein kleiner Wildfang und ich hoffe sie hat dich nicht verletzt“ Heinrich fand den verwirrten Blick einfach nur zu putzig und zu seiner Freude bemerkte er auch, dass der junge Drache in Menschengestalt aufgehört hatte zu zittern. „W-Was? N-Nein hat sie nicht“ Bei dem stottern musste er einfach kurz lachen. Er mochte die Stimme des Kleineren und jetzt war er sich sicher, dass von diesem keine Gefahr ausging. Warum konnte er nicht sagen, aber sein Gefühl hatte ihn noch nie getäuscht. Das kleine Lächeln, das kurz auf dem Gesicht des anderen erschien nahm er zufrieden zur Kenntnis und bestätigte ihn in seiner Entscheidung.

„Also können wir ihn jetzt behalten. Oh bittttteeeeeeee“ Maye war unbemerkt zu ihnen gekommen und kniete nun neben ihnen, während sie nervös den Strohhalm in ihren Händen drehte. „Maye man kann andere Lebewesen nicht besitzen und …“ „aber Maria hat auch Hasen die ihr gehören und wir haben eine Kuh und ein paar Schafe!“ » Das ist doch was ganz anderes « Er stieß einen tiefen Seufzer aus und schaute entschuldigend zu dem Fremden, bevor er sich daran machte Maye zu erklären, wieso ein Drache kein Hase oder Schaf war und das ohne die Worte „Gefährlich“ oder „Monster“, immerhin wollte er ja den Verschüchterten nicht beleidigen.

Durch eine Bewegung im Augenwinkel wurde er wieder auf den Jungen aufmerksam, der sich den vermeidlichen Lappen angezogen hatte. Sein Pulli war verdreckt und hatte an so vielen Stellen Löcher, dass es kein Wunder war, dass Heinrich ihn mit einem Putzlappen verwechselt hatte.

„W-Was?“ nervös und peinlich berührt zupfte der Kauernde an seinem Hemd rum und versuchte die kaputtesten Stellen so gut wie möglich zu verdecken. Zu allem Überfluss knurrte noch der Magen von dem Jungen und er schwankte gefährlich. Heinrich sah, dass es ihm ganz und gar nicht gut ging und die Sorge um diesen Fremden stieg noch mehr an. Plötzlich meldete sich Maye wieder zu Wort, die genauso blass und besorgt aussah, wie er sich fühlte. „Du~uuu Heinrich? Wenn ich ihn schon nicht behalten darf, kann ich ihn dann wenigstens füttern?“ Zu besorgt um seine kleine Schwester zu korrigieren nickte er einfach nur und sah ihr nach, wie sie zur Leiter ging. Langsam stand er auf und hielt den anscheinend in Gedanken versunkenen die Hand hin. Dieser zuckte heftig zusammen und schaute verschreckt zu ihm hoch. Instinktiv lächelte Heinrich aufmunternd und freute sich innerlich riesig, als zögerlich nach seiner Hand gegriffen wurde und er ihm aufhelfen konnte. Damit der Kleinere nicht wieder in dunkle Gedanken versinken konnte, fing er einfach an über das erst beste Thema zu reden und dirigierte ihn dabei in Richtung Leiter. „Ich müsste noch Kleidung vom Vorjahr haben, die dir passen könnte. Manches davon ist schon geflickt, aber immer hin besser als das was du trägst und mit deinem Schwanz finden wir bestimmt eine Lösung. Zur Not können wir ja provisorisch ein Loch in die Hose schneiden“ Am Ende des Satzes war er schon zwei Stufen runter geklettert und grinste noch einmal hoch, bevor weiter abstieg. Unten angekommen wartete Heinrich noch kurz, bevor er merkte, dass ihm gefolgt wurde und dasselbe machte er noch einmal vor dem Scheunentor. Als er im Hof stand machte er sich dann aber schon Sorgen, dass der Rotäugige abgehauen sein könnte, aber dann sah er den Kopf einen Spalt breit hervorgucken und Erleichterung breitete sich in ihm aus. Was war nur los, dass er sich so viele Gedanken um ihn machte. Innerlich Kopfschüttelnd winkte er aufmunternd zu sich und ging dann mit dem noch immer etwas Verunsicherten ins Haus um ihm die Suppe vom gestrigen Abend zu geben.



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