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Biss in die Ewigkeit

von

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Liv

Langsam wurde es Abend. „Besuchen wir morgen Grandpa?“, fragte Renesmee Bella, die nickte. „Auch einer von uns?“, fragte ich. „Nein.“, sagte Bella, „Dad weiß auch nicht genau was wir sind. Nur, dass wir anders sind. Er will es auch nicht genau wissen, was natürlich gut für uns ist.“ Ich lehnte mich zurück, da fiel mir etwas ein: „Apropos Besuch, kann Liv nicht mal vorbeikommen? Vielleicht gefällt es ihr ja doch hier und sie bleibt.“ „Eine wundervolle Idee. Ich bin sehr gespannt auf sie.“, lächelte Esme. „Wie wäre es, wenn Jasper und du, sie gemeinsam holt?“, fragte Carlisle. Ich sah zu Jasper, der nickte: „Warum nicht?“ Ich nickte auch: „Wann kanns losgehen?“ „Wann ihr wollt.“, sagte Carlisle. „Na dann mal los.“, lächelte Jasper und stemmte sich vom Sofa hoch. „Jetzt... sofort... ähh... ja... natürlich...“, stammelte ich. Abwesend küsste ich Dad auf die Wange und stand ebenfalls auf. „Passt gut auf euch alle auf.“ , sagte ich und sah nacheinander allen tief in die Augen. Sie nickten und winkten. Ich winkte gedankenverloren zurück. Ich konnte es kaum glauben: Ich würde Liv wieder sehen. Noch heute!

Jasper und ich liefen in Richtung Nordosten. In Richtung Montana. Unsere unfehlbaren Körper ließen uns nicht im Stich. Wir liefen der untergehenden Sonne entgegen ohne zu ermüden. Als Beschääftigung für nebenbei nahm ich Jasper ein wenig unter die Lupe. Er war für mich eine undurchdringliche Persönlichkeit. Immer war sein Gesicht ein einziges Pokerface. In dieser Hinsicht beneidete ich Edward ein wenig, der hinter diese Kulisse einen Blick wagen konnte, wann immer er wollte.

Meine Beine liefen immer weiter und zogen meinen Körper nur so mit sich. Schon bald tauchten wir in die mir bekannten Wälder ein. Ich verlangsamte stetig mein Tempo, bis ich schließlich an einer Hütte stehen blieb, die Liv und ich vor endlos langer Zeit gebaut hatten. Ich ging hinein. Leere. Bis auf die paar Sachen, die wir eingeräumt hatten. „Bestimmt ist sie nur kurz jagen. Lass sie uns suchen!“, Jasper ließ sich von mir mitschleifen. Vor der Hütte wehte uns eine Böe entgegen. Ich schnupperte. Eindeutig Liv. Es würde ein leichtes werden, sie zu finden. Doch plötzlich stutzte ich. Was war dieser fremde eigenartige Geruch, der sich in ihren vertrauten Duft mischte? Ich folgte gemeinsam mit Jasper der Fährte, bis wir Liv zusammengesunken zwischen den ausladenden Wurzeln eines Baumes fanden. „Liv!“, schrie ich entsetzt, „Hallo?! Liv, kannst du mich hören?“ „Das müssen die drei Unbekannten gewesen sein.“, sagte Jasper, „Schnell, saug ihr das Gift aus!“ Ich schluckte. Erst Edward und Mam, dann Tanya und jetzt auch noch Liv. „Komm schon, Florence!“ Jasper versuchte mir Mut zu machen. Vergeblich. Das war einfach alles zu viel für mich. Mit schlaffen Fingern strich ich über die halbmondförmige Wunde an Livs Schläfe. „Florence Cullen! Reiß dich zusammen! Du musst! Sie ist doch deine Gefährtin! Lass sie leben!“, Jasper schrie innerlich. Er hatte recht. Ich musste Liv helfen. Ich schüttelte mich kurz, dann begann ich zum vierten Mal die qualvolle Angelegenheit des ‚Saug-Spuckens’. ‚Für Liv!’, dachte ich angestrengt. Als ich spürte, dass kein Gift mehr kam, ließ ich von ihr ab und leckte Tautropfen von einem Blatt, mit denen ich meinen Mund vom Gift bereinigte. Liv schlug benommen die Augen auf. „Florence.“, murmelte sie und ihre Augen schlossen sich erschöpft. „Wir müssen sie zu Carlisle bringen. Sofort!“, rief ich. Jasper strich sich eine seiner blonden Locken aus dem Gesicht und nahm Liv – ganz gentlemanlike – hoch. Dann liefen wir beide los, so schnell wie noch nie zuvor.

In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages erreichten wir Forks. Im Haus legte Jasper Liv vor Carlisle ab. In sekundenschnelle hatten sich alle um sie geschart. Liv öffnete die Augen. „Florence.“, wisperte sie wieder. „Ich bin bei dir Liv!“, sagte ich und drückte sanft ihre Hand. Irritiert wanderte Livs Blick über uns. Vorsichtig setzte sie sich auf. „Brr... Ist mir vielleicht kalt.“, bibberte Liv. Carlisle reichte ihr eine Decke, in die sich Liv dankbar einwickelte. Plötzlich schrillte Carlisles Handy. Er ging ran: „Alles gut, Kate! Rose und Edward auch. Ja. Wir haben sie zurück verwandelt. Das heißt..., der Prozess läuft noch. Schafft ihr das oder soll ich kommen?“ Er wartete noch die Antwort ab, dann legte er auf. „Die Denalis. Tanya hat sich ebenfalls in einem Menschen zurück verwandelt. Carmen wird ihr das Gift spritzen.“, erzählte er. Dann blickte er wieder zu Liv: „So, du bist also Liv. Herzlich Willkommen. Ich bin Carlisle.“ „Florence’ Vater?“, fragte Liv. „Großvater.“, verbesserte Carlisle. Großvater. Das hörte sich alt an. Auf jeden Fall für jemanden wie Carlisle, der aussah wie dreiundzwanzig. Okay... wenn man mal von der Tatsache absah, dass er knapp vierhundert Jahre alt war. Die Familienbeziehungen der Cullens waren nun mal etwas kompliziert. Renesmee zum Beispiel war genauso alt wie ihre Eltern. „Liv, ich freue mich so dich zu sehen!“, rief ich und umarmte sie. „Ich mich doch auch du Tröte!“, sie kicherte, „Wollte gerade anfangen nach dir zu suchen. Einsamkeit liegt mir überhaupt nicht.“ „Dann bleib doch bei uns. Du kannst ohne weiteres als Carlisles und meine Tochter durchgehen, Liv Cullen.“, schlug Esme vor. Esme hatte recht. Liv hatte die gleiche Haarfarbe wie sie und auch dasselbe engelsgleiche Gesicht wie Carlisle. Und wenn man die Augenfarbe ansah, die wir alle aufgrund unserer vegetarischen Ernährung genauso hatten wie der Grund der Unsterblichkeit, dann konnte sie wirklich als deren leibliche Tochter durchgehen. „Dann bist du meine Tante.“, grinste ich. „Es wäre toll hierzubleiben.“, stimmte Liv zu. „Dann ist es also beschlossene Sache. Emmett freut sich bestimmt schon anbauen zu dürfen.“, sagte Carlisle. Dad grinste. „Du baust also gerne Daddy?“ Er nickte: „Und wie!“ „Soso, das ist also dein Dad.“, sagte Liv interessiert, „Ihr seht euch sehr ähnlich.“ „Natürlich, sie ist schließlich meine Tochter.“, sagte Emmett und hob mich blitzschnell hoch. „Icks!“, quietschte ich erschrocken. Ich befreite mich aus Dads Griff und glitt wieder auf den festen Boden. „Willst du mir nicht den Rest deiner hübschen kleinen Familie vorstellen?“, fragte Liv. Ich nickte: „Also das ist Emmett, mein Dad – der beste der Welt. Das ist Alice meine eine und das ist Bella meine andere Tante. Dann haben wir hier Onkel Jasper und Onkel Edward... der... der ist gerade jagen. Und Mum, also Rosalie ist bei ihm. Und schließlich last, but not least haben wir hier noch Carlisle und Esme, deine neuen Eltern.“ Liv strahlte mich an: „Die Muschel. Unser Wunsch ist wahr geworden.“ Ich nickte und erklärte es den anderen: „ Nachdem ich Liv verwandelt hatte, haben wir eine wunderschöne Muschel gefunden. Wir schrieben auf ein Blatt unseren sehnlichsten Herzenswunsch: Eine Familie zu haben. Wir steckten das Blatt in die Muschel und versenkten sie auf den Grund des Sees.“ „Wie schön!“, sagte Esme gerührt und sah uns liebevoll an. Da fiel mir etwas auf: „Wo ist Dad?“ Da rummste etwas. „Er fängt wohl schon mit dem Umbau an.“, grinste Alice. Liv legte ruckartig die Decke beiseite: „Mir ist so warm... Kann es sein, dass ich Fieber habe?“ Ich lehnte mich an sie und umarmte sie, um ihr mit meiner kalten Vampirhaut Kühlung zu verschaffen. „Besser?“, fragte ich. Sie nickte.

Es war nun hellichter Tag und Liv war eingeschlafen. Ihr Herz schlug und die geröteten Wangen wirkten fast unnatürlich. Dafür waren nun plötzlich zwei Herzen verstummt. Wir ließen alles stehen und liegen und liefen hinauf in die Bibliothek. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Mom und Edward ihre Augen aufschlugen. Goldgelb waren sie. Es hatte wie bei Liv funktioniert. Jeder, den ich verwandelte würde sie von Anfang an so haben. Sie alle würden Menschenblut in ihrem unsterblichen Leben verabscheuen. Edward setzte sich auf. „Danke für die Schmerzen, Florence!“, grinste er. Ich blickte ihn finster an. ‚Reibs mir noch unter die Nase!’, dachte ich. Auch Mam richtete sich auf. „Mommy! Ich bin so froh, dich zurück zu haben. Liv ist gekommen. Und stell dir vor: Sie wird für immer bleiben, sobald ich sie wieder verwandelt habe. Sie wurde nämlich auch von den Unbekannten angegriffen, weißt du.“, es sprudelte nur so aus mir heraus, während ich Mum um den Hals fiel und sie mir sanft das Haar zerzauste. „Wir müssen die Unbekannten den Volturi melden. Emmett, Rosalie und ich werden nach Volterra reisen.“, meinte Carlisle. „Nein! Ich werde bei Florence bleiben. Die zwei Tage von ihr getrennt gewesen zu sein, war grauenvoll. Tu mir das bitte nicht noch einmal an, Carlisle. Entweder Florence kommt mit oder wir bleiben gemeinsam hier.“, stellte Rose klar. „Ich würde sehr gerne mitkommen.“, sagte ich. „Ich versteh die Welt nicht mehr, Rose. Jahrzehntelang versteckst du deine Tochter am anderen Ende des Kontinents vor den Volturi und nun? Nun bringst du sie in die Höhle des Löwens?“, Carlisle sah ehrlich verwirrt aus. Mam knurrte ihn an: „Wir haben das doch alles mithilfe ihrer Gabe geklärt, oder etwa nicht?“ Da sah Carlisle ein: „Nun gut. Vielleicht sollten wir Liv, wenn sie ebenfalls wieder Vampir ist, mitnehmen, dann kann sich Aro zwei verschiedene Angriffe sehen.“ Schon wieder dieser Aro. Ich war gespannt auf ihn. „Wann wird Liv soweit sein, Alice?“, fragte Carlisle. „In zwei Tagen um Mitternacht.“, kam die Antwort. „Warum gehen wir zu den Volturi und regeln die Angelegenheit nicht selbst, Carlisle? Wie mit den Neugeborenen, mit James und mit Victoria?“, fragte Dad. „Gute Frage, Emmett. Ich weiß nicht genau, aber ich habe das unbestimmte Gefühl, dass man diese Angelegenheit nicht unterschätzen sollte.“, meinte Carlisle, „Mir geht es doch auch darum euch zu schützen.“ Er lief aus dem Raum, um nur kurze Zeit später mit der schlafenden Liv auf dem Arm zurückzukehren. „Das ist also Liv.“, sagte Mum. Dann stockte sie: „Sie ist doch ein Mensch. Warum...?“ Sie legte sich die Hand an die Kehle. Sie wunderte sich, wo ihr Durst blieb. „Tja, Mam. Herzlich Willkommen in meiner Art des Vampirdaseins!“, lächelte ich. „Das ist wundervoll.“, sagte Mum und Edward nickte. Carlisle legte Liv auf Rose’ Liege ab. „Würdest du?“, fragte er mich. Ich schloss die Augen und nickte. Renesmee stellte sich, ohne irgendetwas zu sagen, blitzschnell neben mich und ergriff meine Hand. ‚Du hast das schon mal bei ihr gemacht, du Giftspritze, das hier ist reine Routine...’, redete ich mir ein und ich wusste, dass Edward grinste. Zitternd legte ich meine Lippen an Livs Hals und biss zu. Los, Gift spritzen! Aber es funktionierte einfach nicht. Ihr Körper wies mein Gift zurück. Carlisles Vemrutung hatte sich leider bestätigt. „Hör auf, Florence!“, rief Edward, „Du hast recht. Livs Körper nimmt dein Gift nicht an, weil du sie bereits einmal verwandelt hast. Lass mich das machen.“ Benommen taumelte ich zurück. Jasper fing mich, bevor ich gegen die Wand stoßen konnte, auf. „Bist du sicher, dass du das machen willst, mein Sohn?“, fragte Carlisle besorgt. „Natürlich.“, sagte Edward, „Erstens tue ich das für Florence und zweitens kann ich mich ebenso gut mit Menschenblut zusammenreißen wie sie.“ Carlisle nickte und trat zurück. Zitternd sah ich zu, wie Liv nach Atem rang, als Edward, die zweite Giftspritze, zubiss. Starr vor Angst um meine beste Freundin, konnte ich meinen Blick nicht von Livs leeren Augen abwenden. ‚Stopp!’, dachte ich panisch, ‚tu Liv das bitte nicht an!’. Edward verharrte und sah mich prüfend an. ‚Danke!’, sagte ich innerlich zu ihm. Doch dann machte er alles nur noch schlimmer: „Bringt Florence hier raus.“ „Nein!“, kreischte ich. Carlisle und die anderen starrten irritiert zwischen uns beiden hin und her. Edward verlor die Geduld: „Glaub mir Carlisle, es ist besser für uns alle. Vor allem für sie selbst.“ Ich taumelte benommen rückwärts, wobei ich ein Bücherregal umstieß. Doch das war mir in diesem Momant völlig egal. In meinem Kopf war nur Platz für die Angst um Liv. Meine Sicherungen knallten mit einem Schlag durch. „Bringt sie sofort hier raus! Es macht sie fertig. Bitte, Carlisle.“ Carlisle sah in meine schreckgeweiteten Augen und nickte. Er kam vorsichtig auf mich zu: „Bitte, Florence. Ich tu dir nichts.“ Manchmal konnte man sehen, dass wir Vampire eigentlich Raubtiere waren: Unberechenbar und wild. Ich taumelte weiter zurück, bis ich mich in einer Ecke mit dem Rücken an der Wand vorfand. Ich kauerte mich in Angriffshaltung hinein und fauchte was das Zeug hielt. Ich musste einfach hier bei Liv bleiben. Ich würde sie nicht hier einfach so schutzlos zurücklassen. Jasper kam nun von der anderen Seite auf mich zu und meine Chancen, Carlisle zu entweichen sanken auf den Nullpunkt. Plötzlich spürte ich einen Windhauch. Und noch einen. Mum und Dad stellten sich schützend vor mich und funkelten Jasper und Carlisle wütend an. „Wir werden mit ihr gemeinsam hinausgehen.“, knurrte Emmett. Mam drehte sich zu mir um und kniete sich neben mich. Ich schlang meine Arme um ihren Hals und sie hob mich hoch. Mein Verhalten tat mir jetzt schon Leid. Aber was sollte man schon großartig gegen Instinkte unternehmen... Meine Eltern liefen mit mir hinunter ins Wohnzimmer, wo Mom mich auf die Couch legte. Dann setzte sie sich an meinen Kopf und zerzauste mir meine Haare. Dad saß am Fußende und sah mich besorgt an. Da kam jemand die Treppe hinunter gelaufen. Renesmee. „Ist alles okay?“, fragte sie mich. Ich sah sie ausdruckslos an. „Darf ich ihr ein paar Bilder zeigen?“, wandte sie sich also an Rose, die nickte. Also kniete sich Ness vorsichtig neben das Sofa und legte behutsam ihre Hand auf meine Wange. Daraufhin sah ich idyllische Sonnenuntergänge bis hin zu einem gigantischen Blick auf ein Bergpanorama. Wahrscheinlich wollte Nessie mich damit beruhigen, was auch nach und nach klappte. Langsam entspannte ich miich und wenn ich kein Vampir gewesen wäre, so wäre ich wohl eingeschlafen. Da kamen sie anderen die Treppe hinunter. Finster blickte ich Edward an. „Hör zu Florence, es war zu deinem Besten. Willst du nicht wahrhaben, wie es dir da drinnen ging? Liv geht es wunderbar, aber es bringt ihr rein gar nichts, wenn du dich ihretwegen verrückt machst.“ Ich knurrte ihn leise an und wandte mich dann ab. Renesmee versuchte mir erneut ihre Hand aufzulegen, doch ich schüttelte sie aggresiv ab. „Stell. Mich. Jetzt. Nicht. Mit. Irgendwelchen. Bildern. Ruhig. Wie. Einen. Kranken. Mit. Medikamenten.“, knurrte ich. Der Vorwurf galt ebenfalls Carlisle. Ich wusste, dass er ein hervorragender Arzt war – wie konnte es auch anders sein, nach mehreren Jahrhunderten Erfahrung. Doch wir Vampire sind oftmals nicht weniger leicht zu bändigen, als Haie auf Beutezug. Dann brannten halt alle Sicherungen durch: Bumm... Knall... Klirr... Sirr... Eine bessere Beschreibung gibt es nicht. Dein Verstand schaltet sich aus und er lässt deinen Körper tun und lassen, was er will. Meistens noch in gefährlichen Situationen. Dad drückte meine Schultern in die Sofapolster hinein und hielt mich leicht fest. Ich funkelte ihn wütend an, wehrte mich jedoch nicht. Mein Instinkt hielt mich davon ab, Dad anzugreifen. Das war auch gut so. „Wir gehen jetzt jagen. Sofort.“, entschied Emmett. Ich senkte beschämt den Kopf und murmelte leise: „Ja Dad.“ Dann führte er mich hinaus ins Freie. Ich warf einen Blick zurück aufs Haus, doch Emmett drückte mich näher an sich heran. Wahrscheinlich vermutete er einen weiteren Ausbruch. Doch die entscheidene Ansage hatte die Sicherungen wieder reingehauen. „Dad, ich hab dich lieb!“, flüsterte ich. „Ich dich doch auch.“, sagte er und drückte mir einen Kuss aufs Haar. Doch dann war der idyllische Moment vorbei, denn Wind kam auf und brachte verlockende Gerüche mit sich. Wir rannten los. Puma, Rotwild und Bär konnte ich riechen. „Ich krieg den Bären!“, sagte Dad vergnügt. „Und ich den Puma!“, rief ich lachend zurück.

Gesättigt liefen wir wieder zurück. Als wir das Wohnzimmer betraten, blickten mir sechs goldene Augenpaare und ein braunes sorgenvoll entgegen. Ich lächelte vorsichtig und dachte ‚Sorry!’. Edward nickte mir zu. ‚Wie geht’s Liv?’, dachte ich. „Willst du zu ihr?“, fragte Edward. Ich nickte. „Dann komm!“, er streckte mir seine Hand entgegen. Ich ergriff sie. Dann gingen wir langsam die Treppe hinauf in die Bibliothek. Ich ging lautlos an Livs Liege heran, auf der sie regungslos verharrte. Der rosige Schimmer war aus ihren Wangen gewichen, ihre Lippen waren bleich aber voll und ihre Wangen waren leicht eingesunken. Eine überirdische Schöhnheit. Ach, Liv. Für immer. Beeil dich. „Hoffentlich ist dein Gift nicht allzu träge.“, lächelte ich Edward matt an. „Du hast doch gehört, was Alice gesagt hat. Morgen. Um Mitternacht.“, antwortete er. Ich seufzte. Im Gegensatz zu meinem bisherigen und des zukünftigen Lebens ein Klacks, aber im Moment war mir da trotzdem zu viel. „Ich weiß, Florence, ich weiß. Als Bella sich verwandelt hat ging es mir genauso. Oder vielleicht sogar noch schlimmer, weil ich nicht wusste, ob das Gift sie retten würde.“, sagte Edward und strich mir über den Rücken. „Wovon?“, fragte ich. „Renesmees Geburt.“, sagte Edward still, „Wir wollten Renesmee vorher schon aus ihr herausholen, aber Bella hat sich vehement gewehrt und Rosalie hat sie unterstützt.“ „Ich dachte Mam konnte Bella nicht ausstehen...“, warf ich ein. „Ja, in der Tat. Rosalie mochte Bella überhaupt nicht. Aber ein Kind um das sie sich kümmern konnte war für sie das Größte. Bells hat zudem auch noch Rose angefleht ihr zu helfen.“ Ich musste schlucken. Mam war Bellas Leben egal gewesen. Sie hätte sie ohne weiteres sterben lassen, nur um sich um ein Kind kümmern zu können wie ein eigenes, das sogar vom Vater unerwünscht war. Edward nickte: „Ja, das war Rosalie. Die alte Rosalie. Seit du hier bist ist sie wie verwandelt. Ich konnte Emmett nie verstehen, was er an ihr fand. Natürlich ist sie eine einzige Schönheit, aber was nutzt es mit einer Schöhnheit zusammenzusein, die ein Herz aus Stein hat. Doch seit du da bist, ist mir klar geworden, dass es nie aus Stein, sondern aus Eis war. Du hast es aufgetaut.“ Er sah mit tief in die Augen. Erstaunt blickte ich zurück. Jahrzehntelang war ich ein Niemand gewesen. Ohne richtiges zu Hause, mal abgesehen von der windschiefen Hütte, ohne Familie, mal abgesehn von Liv und ohne Vergangenheit und Herkunft, mal abgesehn von dem ‚heiligen Zettel’. Und jetzt? Was war ich jetzt? „Du warst nie ein Niemand. Du warst nie heimatlos. In deinem Herzen, ganz tief, wusstest du schon immer, wo du hingehörst. Deshalb hast du auch so schnell hierher gefunden. Weil du auf deine Instinkte vertraut hast.“, lächelte Edward. Ich war es nicht gewohnt so viel Beachtung zu bekommen. Und dann war da ja auch noch die Sache mit dem, dass ich immer am Ene die Heldin war. Ich war ganz normal. Durchschnittlich. Mal abgesehen von dem was ich war. Aber das spielte ja wohl keine Rolle. Ob es für mich überhaupt eine Bedeutung gab? Renesmee war ein Halbvampir. Und war ich dann vielleicht ein Doppelvampir. „Wir sind alle gleichzeitig besonders, wie auch durchschnittlich.“ Ich lächelte. Genau das schätzte ich. Es war einzigartig. Kein anderer Clan würde so handeln.

Edward und ich standen stundenlang neben Liv. Die gesamte Zeit über hielt ich ihre Hand. Kein Glied bewegten wir. Es wurde dunkel, wieder hell und schließlich wieder dunkel. Edward und ich waren eineinhalb Tage bei Liv geblieben. Es hatte gut getan. Fünf Minuten vor Mitternacht waren auch die anderen zu uns in die Bibliothek gekommen. Emmett und Jasper standen schützend mit mir in ihrer Mitte vorne. Sie waren die stärksten. Mit Neugeborenen musste man vorsichtig sein. Schließlich hörte Livs Herzschlag auf, wir blickten wie hypnotisiert auf sie. Und schließlich schlug sie die Augen auf. Golden. Genauso wie es sein sollte. Liv stand auf, legte den Kopf schief und betrachtete uns nachdenklich. Dann stieß sie unvermittelt ein Fauchen aus, so dass Jasper und Emmett vorsprangen und sie an den Schultern packten. Liv sah zu mir und grinste breit. Ich kicherte, Das Fauchen war ein Trick gewesen, um zu sehen, wie unsere Wachposten reagierten. „So ihr Superhelden, ihr könnt mich wieder loslassen.“, sagte Liv und schüttelte Emmetts und Jaspers Hände ab. Verblüfft starrten die zwei sich an. Ja, Liv war wieder wach und immer noch ganz die alte! Edward grinste. „Ach, Liv...“, seufzte ich und fiel ihr um den Hals. „Alles gut, Florence! Ich bin hier. Ich bin unsterblich! Für immer, weißt du nicht mehr?“, lächelte sie. „Für immer und ewig.“, stimmte ich zu. „Liv, dein Zimmer ist fertig, willst du es dir nicht ansehen?“, fragte Esme. „Gerne.“

Esme führte Liv in ein Zimmer, das an meines angrenzte. Es hatte die gleichen hohen Fenster, wie alle Räume. Glänzender Satinstoff diente als Vorhang und ein kleines Sofa stand gegenüber von einem Regal, das mit allerhand Krimskrams gefüllt war. Es war perfekt. Liv fehlten die Worte. Da kam Alice herein. Sie zeigte auf einen großen Schrank: „Hier drin hab ich mir erlaubt ein, zwei Outfits für dich unterzubringen.“ „Natürlich, Alice! Ganz sicher nur ein, zwei...“, grinste ich und öffnete die Tür des überfüllten Kleiderschranks. „Ganz genau.“ Wie dreist sie war... „So, jetzt geht ihr aber jagen! In zwei Stunden geht euer Flug.“, sagte Alice. Ich nickte und zog Liv am Ärmel hinaus. Hinter uns kamen Carlisle und meine Eltern her. „Flug? Wohin denn?“, fragte Liv. „Nach Italien. Zu den Volturi.“, antwortete ich. „Und was wollen wir bei denen?“ „Wir müssen die Überfälle melden.“, erklärte Carlisle. Dann rannten wir in den Wald hinein.



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