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Like a Shining Sun

von

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5 | ~you have to return ~

Gelangweilt saß er in der Uni. In der letzten Reihe mit einem Sprialblock, den er mürrisch auf und zu klappte, während er der viel zu leisen Stimme des Professors folgte. Er gähnte genüsslich. „Herr Shino, haben Sie eine Lösung für unser Problem?” Er schreckte hoch. „Äh, Verzeihung, Herr Professor. Nein, also ich meine ja.“ Der kleine wurzelzwergähnliche Mann mit der grauen Tolle auf dem Kopf sah genervt zu ihm hoch. „Die rechnerische Funktion der Klammern im Zusammenhang mit der Quadratwurzel wurde nicht miteinbezogen.“ sprach er stolz und war sich sicher, seinen Professor wieder einmal eines Besseren belehrt zu haben. (...)

Etliche Minuten später starrte er hoffnungsvoll auf die Uhr. Puhh. Noch sieben Minuten. Die würde er jetzt auch noch breitschlagen, irgendwie.
 

Es klingelte. Er packte sein Zeug und trat die Flucht nach vorn an: raus aus dem Vorlesungssaal und auf den Gang zur nächsten Vorlesung. Die Universitätsekretärin hielt ihn auf. „Akano Shino?“ sprach sie ihn bestimmt an. „Ja?“ entgegnete er überrascht. Er wurde sanft ins Sekretäriat gedrückt. „Hab ich was angestellt?“ fragte Akano frech und zwinkerte der Sekretärin keck zu. Daraufhin wurde sie purpurrot und wandte sich ab, um einen großen A4-Umschlag zu holen. „Wir haben Post aus Japan erhalten. Sie werden eingeladen an einer der renommiertesten Universitäten in ganz Asien Gaststudent sein. Die vorläufige Dauer beläuft sich auf ein halbes Jahr. Wäre das etwas für Sie?“ teilte die adrette Frau dem jungen Mann mit, der nicht schlecht staunte. „Sie kommen doch aus Japan, oder? Irgendetwas war da doch...“ begann die Frau wieder. „Meine Mutter ist Japanerin. Ist aber mit meinem Vater und mir bereits vor 18 Jahren hierhergekommen, da war ich gerade so fünf. Bin zweisprachig aufgewachsen.“ belehrte er die aufgeregte Angestellte. „Was sagen Sie denn dazu?“ Er wusste nicht, wieso er sofort einwilligte, aber es war wie ein innerer Zwang, der ausschloss, länger darüber nachzudenken. „Dann schauen wir mal, wann Sie ihre Reise antreten.“ sprach die Frau freudig. „Oh“ sie erschrak „schon morgen“ murmelte sie schließlich. Er sah auf. „Äh, kein Problem.“ schob Akano schnell ein. Die Sekretärin sah ihn entschuldigend an und nickte schließlich dankend.
 

Akano verließ das Sekretäriat mechanisch. Japan. Wieso hatte er zugesagt? Wo er doch hier seinen Abschluss im Schlaf bekommen würde? Wo er zwei Monate lang jeden Tag eine andere anrufen konnte, um sich mit ihr zu amüsieren? Er verstand sich selbst nicht, gab aber schließlich auf, weiter darüber nachzudenken. Ein bisschen neugierig war er ja schon auf seine alte neue Heimat.
 

„Nein! Nein! Neeeeeeeeeeiiiiiin!” ich schrie panisch. Riss die Augen auf. Stand auf. „Wir fliegen, wir fliegen!” Ich starrte umher. Irrte durch den Gang. „Bitte setzen Sie sich, wir nehmen bereits Kurs auf Tokyo.” forderte mich eine uniformierte Frau auf. Ich hasste fliegen. Meine Familie war bei einem Flug gestorben. Wieso aber war ich überhaupt hier? Tausend Gedanken schossen durch meinen Kopf, wo war Koma? Wo war ich? Wieso hier? Die Frau hatte mich inzwischen mit sanfter Gewalt auf irgendeinen freien Sitzplatz gedrückt. Neben mir ein durch und durch genervter Typ. Er sah mich herablassend an, rollte mit den Augen, blies seine Ausatemluft deutlich hörbar aus und steckte sich, als letzte Maßnahme, weiterem Stress zu entgehen, Ohrstöpsel in seine Ohren, schloss die Augen und ignorierte mich so gut er konnte. Ich zitterte angsterfüllt. Mit aller Kraft krallte ich mich in den Sitz. Mein Atem ging schnell und unregelmäßig. Ich begann zu hyperventilieren. Er zog offensichtlich gestört durch mein verzweifeltes Luftholen einen seiner Ohrstöpsel. „ Ist alles klar bei dir, Kleine?” es war weder Besorg- noch Fürsorgnis, er ließ deutlich anmerken, dass er sich einfach nur gestört fühlte. Ich war nicht im Stande, ihm zu antworten, rang stattdessen weiter verzweifelt nach Luft. Er beobachtete mich scharf. Als mein japsendes Luftholen in ein mitleiderregendes Röcheln umschlug, verstand er den Ernst der Lage, rief sofort nach einer Stewardess und reichte mir eine kleine Tüte. „Ruhig, Kleine. Ganz langsam und ruhig, aaaaaaaatmen.“ Er atmete mit mir. Wild in die Tüte pustend und wieder einatmend versuchte ich seinem Rhythmus zu folgen. Ich wurde Stück für Stück ruhiger. Schließlich ließ ich die Tüte sinken. Nun kam auch eine Stewardess, deutlich zu spät, aber immerhin. Er wedelte belanglos mit der Hand und ließ den kleinen Zwischenfall auf sich beruhen. „Schnall Dich besser an. Wir landen.“ ließ er mich emotionslos wissen und deutete auf das erleuchtete „Fasten Seatbelts“-Zeichen auf dem Display über unseren Köpfen. „Ok… ich äh…“ Mit zitternden Händen und bebendem Körper ergriff ich die beiden Enden des Gurtes und sah sie ratlos an. Ich hatte sämtliche Erinnerungen ans Fliegen und an Flugzeuge verdrängt seit es passiert war und stutzte jetzt vor der wohl einfachsten Aufgabe. Er schnalzte genervt mit seiner Zunge und sah mich mit finsterem Blick an. „Wo zur Hölle war dein Kopf, als die Stewardessen es erklärt und gezeigt haben?“ raunte er fassungslos und schnallte sich selbst ab, um mir zu helfen. Ich blieb stumm. Wie hätte es sich auch angehört, wenn ich ihm erklärt hätte, dass ich gerade von Kometia aus in dieses Flugzeug gebeamt wurde? Entgegen der zeternden Stewardess, die sich sofort berufen fühlte, ihn lautstark zur Ordnung zu rufen, kniete er sich vor meinen Sitz und entzog mir die Enden des Gurtes. Ich errötete. Wenn ich ihn ansah, glaubte ich, ruhiger zu werden, mich sicherer und geborgener zu fühlen. Irgendwie behaglich. Als er fertig war, bedeuteten seine Hände, dass ich es selbst enger ziehen solle. Für einen kurzen Moment berührten sich unsere Finger, es durchfuhr mich elektrisierend und wir sahen einander verwirrt an. Hatte er dasselbe Gefühl wahrgenommen? Schließlich rollte er erneut mit den Augen, stand auf, setzte sich wieder und schnallte sich wieder an. Beiläufig sah ich auf seine Hände, um mir abzuschauen, wie genau ich es festzog. „Du hast dich jetzt hoffentlich nicht in mich verliebt.“ sprach er spöttisch ohne mich anzusehen. „Ähm…“ begann ich atemlos, verstummte aber schluchzend, als das Flugzeug eine minimale ruckartige Bewegung machte.

„Wir befinden uns im direkten Landeanflug auf den Flughafen Tokyo, wir hoffen...“ Es drückte mich in den Sitz. Der Druck, der auf meinen Ohren lag, war unerträglich. Ich schluchzte. Er sah mich prüfend an. Ich bemerkte es nicht. Meine Fingernägel krallten sich so fest in die Armlehnen, dass die Fingerkuppen darunter stark zu schmerzen begannen. Meine Lippen pressten sich fest zusammen. Ich wollte einfach nur noch, dass es vorbei war und das möglichst schnell. Mein Herz raste. Nur widerwillig streckte sich seine Hand nach meiner aus. Er schien selbst zu zweifeln, ob es eine sinnvolle, gute Idee war und dennoch legte er seine Hand beschwichtigend auf meine, um mich zu beruhigen. Bizarrer Weise reagierten Körper und Geist augenblicklich auf seine Berührung. Gefasst suchte ich seinen Blick. Er zog es vor, stur geradeaus zu schauen. Die Maschine schüttelte sich mehrfach heftigst. Ein panischer Aufschrei von einer Passagierin hinter uns durchdrang die ganze Kabine. Trotz dessen blieb ich völlig ruhig, starrte fest sein Profil an, auch wenn er meinen Blick nicht erwiderte, glaubte ich, ihn ganz nah bei mir zu haben und für diesen Moment seine Fürsorge vollständig für mich beanspruchen zu dürfen. Als die Maschine schroff auf dem Boden aufsetzte und ausrollte, zog er seine Hand mürrisch weg und begann, einzupacken. Ich suchte in einer Mischung aus Verwirrtheit und Dankbarkeit seinen Blick, doch er mied es, mich ein weiteres Mal anzusehen. War es ihm etwa peinlich? Ein wenig verletzt über seine Reaktion sah ich aus dem Fenster und versuchte der Landebahn etwas Spannendes abzugewinnen. Plötzlich umgab mich wieder diese Urangst vor dem Tod und noch während wir rollten, schnallte ich mich ab und stürzte zum Ausgang. Die Stewardess, die feinsäuberlich angeschnallt neben der Tür saß, schnallte sich entsetzt ab und ergriff mich kräftig. „Setzen Sie sich wieder hin“ raunte sie streng und wies mich auf den Platz zurück. Er schenkte mir nun doch kurz einen spöttisch-mitleidigen Blick. „Armes Mädchen, wieso du nur fliegst, wenn Dir das Herz in die Hose rutscht?!“ warf er amüsiert ein und schüttelte dümmlich grinsend den Kopf. Am liebsten hätte ich ihm die Wahrheit ins Gesicht geschrien. Doch bei näherer Überlegung kam mir die Wahrheit plötzlich seltsam unwirklich und überzeugend unreal vor. Ich fuhr mir durch mein schweißnasses Gesicht. Was war nur passiert in den letzten Tagen und wieso drohte ich, allmählich den Verstand zu verlieren? Das Flugzeug kam zum Stehen. Das Seatbelt-Symbol erblasste mit einem sanften >Blob<. Ich stand erneut auf. Die Stewardess musterte mich zwar finster, beließ es aber dabei und öffnete schnell die Luke. Als meine Füße die metallene Treppe berührten, fühlte es sich an, als wäre ich neugeboren worden. Mit weichen Beinen stieg ich die Stufen hinab und sog dabei so viel feuchte, regendurchtränkte Luft ein, wie ich nur konnte. Das flaue Gefühl ebbte ab. Die Guards auf der Landebahn sahen mich unverwandt an, als ich an ihnen vorbeischwankte und meine Augen wässrig wurden. Ich hatte überlebt. Ich hatte es tatsächlich überlebt. Im nächsten Moment wusste ich allerdings nicht mehr, ob das wirklich mein Wunsch war, denn all diese Begegnungen, diese Geschehnisse drängten mich an einen Abgrund, dessen Sog ich förmlich spüren konnte. Ich spürte, dass ein großes schwarzes Ende nahte und dass nicht nur ich ihm ausgeliefert war, sondern weitaus mehr Menschen, als ich es mir vorstellen konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2015-03-02T01:56:06+00:00 02.03.2015 02:56
Spitzen Kapitel


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