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No Princess

von

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Hikari

Das Bett war warm. Neben sich hörte Anna ein leises Atmen. Es war noch dunkel draußen an diesem ersten Dezembertag. Leise rieselte Schnee gegen das Fenster. Ein Blick auf die Uhr verriet der Blondine, dass es erst halb sieben war. Auch das Zimmer war in komplette Dunkelheit gehüllt worden. Nur das Licht, das vom Schnee auf dem Boden reflektiert wurde, ließ die Nacht etwas heller erscheinen als sonst. Anna drehte ihren Kopf zur Seite. Shiros Haare lagen wild in seinem Gesicht, während er seine Wange ins Kopfkissen drückte. Es war lange her, dass er bei Anna im Bett geschlafen hatte. Einer seiner Arme lag unter Annas Kopfkissen, die andere ruhte auf seiner Seite. Er lag Anna zugewandt. Annas Blick wanderte wieder zum Fenster. Die Blüte, die dieses Zimmer immer zum Erstrahlen brachte, glühte heute nicht in einer wohligen, weißen Farbe. Anna suchte mit ihren Augen das Zimmer ab. Man hörte kleine Fußschritte, doch woher konnte das Mädchen nicht sagen. Plötzlich war das Getrappel auf der Matratze. Ein Lächeln huschte über die Lippen des Mädchens, ehe sie ihre Hand ausstreckte. Sie wusste sofort, wer es war. Toki hatte es ja gesagt: Bald war es Zeit für sie, geboren zu werden. Also krabbelte ein circa sieben Zentimeter großes, haariges Etwas langsam an ihren Beinen entlang auf sie zu.

„Hallo...“, flüsterte das Mädchen leise. Das Haarmonster erreichte Annas Hand und kletterte auf deren Handteller. Vorsichtig hob das Mädchen die kleine Fee an und führte sie an ihr Gesicht. Man hörte ein süßes Quieken.

„Shiro. Wach auf.“, mit dem Ellenbogen stupste sie den Wolfsjungen an, wandte den Blick aber nicht von der kleinen Fee ab. Shiro grunzte kurz und rieb sich dann die Augen. Das kleine Wesen war bedeckt von violetten, langen und welligen Strähnen. Zu den Füßen hin (so glaubte Anna zumindest) sah man ein weißes Kleid. Shiro öffnete die Augen und legte seinen Kopf auf Annas Schulter ab. Das Wesen kicherte kurz, als sie die weißhaarige, verschlafene Schönheit sah.

„Hast du dir schon einen Namen überlegt?“, brummte die müde Stimme. Anna nickte. Es war eigentlich offensichtlich gewesen. Jede Nacht, egal wie schlimm und dunkel sie war, war diese Blume bei ihr gewesen und hatte ihr Trost und Licht gespendet. Auch wenn es vielleicht kitschig klang, aber sie wollte das Wesen Hikari nennen, wie das Licht, dass sie ihr immer spendete. Anna rappelte sich auf und begann mit einer Fingerspitze über die weichen Locken zu fahren.

„Wie findest du Hikari?“, fragte sie das kleine Mädchen leise. Dieses begann auf ihrem Handteller zufrieden hin und her zu schwanken. „Wir müssen Toki Bescheid sagen. Holst du ihn?“, flüsterte Anna ihrem Sohn zu, welcher eher ungewollt aus dem Bett krabbelte und Richtung Tür lief. Anna musterte die kleine Fee. Vielleicht hatte sie irgendwo eine Spange, um die Haare zurück zu halten – so konnte sie Hikaris Gesicht allerdings nicht erkennen. Aber das hatte Zeit bis später. Im Moment war es noch zu kalt und Anna zu müde um aufzustehen. Auch das kleine Mädchen schien langsam zu frieren. Vorsichtig platzierte Anna die Fee an ihre Brust und die Bettdecke. Die Haare kitzelten sie. Während sich die Fee an das Mädchen schmiegte, konnte die Königin sich nicht verkneifen daran zu denken, dass ihre Familie nun noch mehr gewachsen sei. Sie hatte ihre Familie verloren, ja, aber in Zeiten wie diesen war sie glücklich, dass sie nicht alleine war. Sie hatte Shiro, sogar Satoshi – und jetzt auch Hikari. Die strahlenden Familienmitglieder in ihrem Leben. Die Tür ging leise auf und Toki kam herein. Er sah genau so verschlafen und müde aus wie Shiro, als er um das Bett herum wanderte. Als er Hikari an Annas Brust sah musste er grinsen.

„Wie heißt sie?“, fragte er leise und setzte sich auf den Schreibtischstuhl vor Annas Bett.

„Hikari.“, schmunzelte Anna. Toki streckte seine Hand aus und legte einen Finger auf Hikaris Kopf. Diese drehte sich verschlafen in Annas Brust um und griff nach dem Finger.

„Sie hat so lange Haare.“, lachte der Elf leise und brachte auch Anna damit zum Grinsen.

„Ich muss mal gucken, was ich dagegen machen kann.“, lächelte sie und beobachtete Tokis Finger, wie er allmählich Hikaris Frisur zerzauste. Man hörte ein erneutes Quieken. „Kann sie nicht sprechen?“, fügte Anna leicht verwundert, doch Toki schüttelte den Kopf.

„Sie ist noch ein Baby. Wir müssen es ihr beibringen.“ Dann sah er Annas beunruhigten Blick. „Keine Sorge, sie ist nicht wie ein menschliches Kind. Es wird nicht lange dauern, da ist sie so groß wie du.“, grinste er und Anna atmete erleichtert auf. Sie war noch nicht bereit für ein „wirkliches“ Kind.

„Sollen wir sie den anderen vorstellen?“, fragte Toki leise, aber aufgeregt und Anna richtete sich auf.

„Ja, können wir machen. Ich will nur vorher ihr Gesicht sehen.“.

Es dauerte nicht lange, bis Anna eine Klipphaarspange gefunden hatte und sie vorsichtig die Haare aus dem Gesicht der Neugeborenen anhob, um sie nach hinten zu halten und festzustecken. Was sich unter den Haaren offenbarte war das süßeste, kleine Gesicht, das die Königin jemals gesehen hatte. Sie hatte wunderschöne, dunkelrote Augen, die sehr groß waren. Ihre Wangen waren klein und rund und sie zeigte ein kleines Lächeln, als sie Anna ins blaue Auge blickte. Zufrieden klammerte sie sich an den Finger der Blondine. Diese schaute sich nun das „weiße Etwas“ an, was sie vorhin unter den Haaren gesehen hatte. Es war die Blüte – wie ein Kleid hatte sie sich von Brust an über den Körper der kleinen Fee gelegt. Oben war es lila, dann ging es langsam in das Weiß über. Anna blickte Toki eine Weile lang nachdenklich an. Dann fragte sie schließlich: „Hast du auch mal ein Kleid getragen?“. Der Elf, etwas überrascht von Annas Frage, grinste beschämt.

„Das ist schon lange, lange her, okay?“, lachte er mit der Hand wedelnd und Anna musste grinsen.

„Ein Kleid, ja?“, fragte sie neckisch nach und Toki wurde rot.

„Können wir endlich gehen?“, fauchte er beschämt und stand auf.

„Was füttern wir ihr eigentlich?“. Anna, Toki und Shiro hatten die Küche erreicht. Hikari klammerte sich immer noch an Annas Shirt und sie gab ihr mit ihren Händen Halt.

„Honig ist gut.“, antwortete Toki ihr und begann sogleich die Schränke nach dem süßen Blütennektar zu durchsuchen. Anna erinnerte sich daran, wie Toki so ziemlich alles mit Honig aß. Sie runzelte die Stirn. War das eine ausgewogene Ernährung für ein kleines Kind? Stutzig sah sie Shiro an. Dieser hatte von Anfang an Fleisch gegessen. Dann seufzte das Mädchen und ließ sich in einen der Stühle fallen, während Shiro Kaffee aufsetzte.

„Du kennst dich am besten damit aus...“, murmelte sie Toki zu und spielte mit einer der violetten Locken, die Hikari den Rücken hinab baumelte. Der Elf holte einen Teelöffel mit Honig hervor und reichte ihn Anna. Diese hielt ihn Hikari vor. Sie roch kurz daran und begann dann mit den kleinen Händchen den Honig vom Löffel zu kratzen, ehe sie sich die Tropfen in den Mund schob.

„Sie ist so klein...“, quiekte Anna leise und glücklich, Shiro schnaubte kurz genervt. Er schaute die kleine Fee an und setzte sich neben Anna in den Stuhl.

„Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein, Shiro.“, lachte die Blondine und legte ihren Kopf an seine Schulter.

„Ich weiß.“, schnaubte der Wolfsdämon beschämt und legte sein Kinn auf seiner Hand ab. Toki lachte.

„Scheint als würdet ihr euch besser verstehen, als sonst. Man könnte fast meinen ihr wärt verheiratet.“, lachte der Elf kurz und goss sich heißes Wasser in eine Tasse mit Honig. Anna drehte sich der Magen um, als sie das sah.

„Ich bin ihr Sohn. Ihre Familie.“, entgegnete Shiro mit leicht geröteten Wangen. Anna grinste. Shiro war immer noch süß, genau so, wie als sie ihn kennen gelernt hatte.

„Und sie gehört jetzt dazu. Also sei nett zu ihr, Shiro.“, das Mädchen kniff ihrem Sohn kurz liebevoll in die Wange. Dann ging die Tür auf. Liam kam herein. Es war das erste Mal, dass Anna ihn lächeln sah, als sein Blick auf die kleine Fee fiel. Zufrieden setzte er sich neben Shiro und musterte die kleine Fee.

„Sie ist klein.“, fiel ihm auf, griff nach einer Serviette und reichte sie Anna, um Hikari den honigverklebten Mund abzuwischen.

„Ja, das ist komisch. Die Blüte war sehr viel größer.“, bestätigte Toki und machte Anna damit stutzig.

„Ist es nicht normal, dass sie so klein ist?“, fragte sie besorgt, doch Toki wedelte beruhigend mit der Hand.

„Alles gut. Nur bei der Größe der Blume hätte ich… Naja, mehr erwartet.“, lachte er. Hikari schaute ihn böse an.

„Oh, anscheinend mochte sie das nicht.“, murmelte Anna und streichelte dem kleinen Wesen über die Stirn. Toki entschuldigte sich leise bei seiner Artgenossin. Erneut ging die Tür auf.

„Gibt's Kaffee - Was ist das?“, Mirai blieb vor dem Tisch stehen und beugte sich herunter, um sich Hikari genauer anzuschauen. Diese schien etwas nervös in seiner Gegenwart zu sein.

„Du machst ihr Angst.“, fauchte Shiro genervt und drückte Mirai weg.

„Das ist Hikari.“, erklärte Anna. Mirai hob die Augenbrauen verwundert an und musterte die kleine Fee. Dann schaute er zu Toki:

„Ihr seht euch überhaupt nicht ähnlich.“, stellte er verwundert fest und Toki seufzte.

„Natürlich nicht. Wir sind ja auch nicht verwandt.“.

„Sie sieht eher aus wie Kai.“, murmelte Mirai nonchalant und goss sich und Anna Kaffee ein. Anna begann zu prusten. Toki sah genervt aus.

„Der Vergleich zu einem VAMPIR ist vielleicht etwas überzogen.“, schnauzte der Elf genervt und nahm Hikari auf die Hand, damit Anna den Kaffee entgegen nehmen konnte. Mittlerweile war Toki über Kais Zustand aufgeklärt worden. Auch die Situation um Annas Familie und Freunde war ihm nichts neues mehr. Er war der Ansicht, dass sich letzten Endes alles zum Guten wenden würde. Allein seine Anwesenheit gab Anna das Gefühl der Sicherheit zurück. Bei dem Gedanken musste sie abermals schmunzeln: Toki wäre nie auf die Idee gekommen, dass Kai sie betrogen hätte.

Schon bevor sich die Tür öffnete, verkrampfte sich Annas Herz kurz. Es war, als würde sie genau fühlen, wer als nächstes zur Tür hinein kommen würde. Sie schaute nicht hin.

„Morgen.“, brummte Akira verschlafen und zur Überraschung jedes Anwesenden hier hielt er Sho an der Hand. Iori folgte den beiden verschlafen. Die drei blieben ebenfalls kurz verdattert im Türrahmen stehen, als sie Toki und die kleine Hikari sahen. Shos Augen weiteten sich.

„Sie ist süß...“, murmelte Iori lächelnd. Hikari vergrub sich ängstlich in Tokis Händen.

„Was… ist das?“, fragte Sho nervös. Er sah irgendwie angeekelt aus. Auch Akira musterte das Mädchen, aber wortlos. Er hatte seinen Blick auf die Fee geheftet. Es dauerte bestimmt zehn Sekunden, ehe er seufzte und sich dem Kaffee zuwandte. Annas Herz verkrampfte erneut. Sho hustete kurz.

„Annaaa….“, quengelte er sofort und ging auf die Blondine zu, um sie zu umarmen.

„Sorry.“, murmelte Anna schuldbewusst und legte ihren Arm um den kleinen Tengu. Sie hatte vergessen, dass ihm so etwas anscheinend auch weh tat. Der Fluch der Liebenden halt… Der Junge vergrub sein Gesicht in Annas Brust und blieb einige Sekunden lang so liegen, ehe ein Ziepen an seinem Haar ihn mit einem „Aua“ aufschrecken ließ. Hikari hatte sich in Shos Haaren vergraben und zog wütend daran.

„Nimm' das Ding von mir weg!“, fauchte Sho genervt und begann mit den Händen nach Hikari zu greifen.

„Sho, lass das.“, brummte Shiro und hielt den Jungen fest, damit Anna Hikari aus seinen Haaren befreien konnte.

„Anscheinend steht Eifersucht hier an der Tagesordnung...“, grinste Mirai fröhlich und konnte sich nicht verkneifen, Akira einen kleinen Blick von der Seite zuzuwerfen. Dieser schnaubte leise und verließ die Küche wieder. Liam sah ihm hinterher, dann schaute er zu Anna. Nun seufzte er auch noch.

„Was?“, fragte Anna genervt nach, als sie sah, wie Enttäuschung sich in Liams Gesicht breit machte. Er schüttelte einfach nur den Kopf. Auch Mirai sah, wie Liam sich verhielt, und sein Grinsen wurde noch breiter. Anna wurde rot. Sie verstand nicht, was los war, aber bei dem Gedanken daran, dass Liam in ihren Kopf sehen konnte, wurde ihr unwohl. Was sah er gerade? Woran dachte sie unbewusst die ganze Zeit? Erneut seufzte Liam. Er stand auf und begann, Küchenutensilien heraus zu holen, um das Frühstück vorzubereiten.

„Hikari, jetzt kennst du fast alle. Fehlen nur noch zwei.“, flüsterte die zweifache Mutter nun dem kleinen Mädchen in ihren Händen zu. Hikari schien nicht sonderlich begeistert. Böse funkelnd starrte sie immer noch Sho an, der sich nun neben Iori gesetzt hatte. Er erwiderte ihren bösen Blick.

„Scheint, als würden die beiden sich nicht so gut verstehen...“, lächelte Shiro hämisch. Er schien Gefallen daran zu finden, dass Sho es ab sofort noch schwieriger hatte, sich Anna zu nähern. Dieser schnaubte verärgert.

„Ich sage Ren Bescheid.“, sagte Liam nun deutlich in seiner beruhigenden Stimme. „Satoshi...“, fügte er hinzu, doch Anna schüttelte den Kopf.

„Sorg' dich nicht um ihn. Ich kümmere mich darum.“, unterbrach sie ihn. Shiro seufzte.

„Er ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen.“, brummte der Wolfsjunge. Er schaute immer noch Hikari an und beobachtete sie dabei, wie sie an Annas Haarsträhne herum biss. Auch wenn die Haare vielleicht goldblond waren, waren sie kein Honig.

„Ehrlich? Hmm...“, entgegnete Anna nur und trank ihren Kaffee aus. „Toki, nimmst du sie kurz? Ich geh' duschen.“. Anna überreichte Toki die kleine Fee, wuschelte Shiro und Sho kurz durch die Haare und verließ die Küche wieder.

Als sie in ihrem Raum angekommen war, fiel ihr etwas auf: Das Zimmer war immer noch etwas kalt, vielleicht sollte sie die Heizung anmachen. Müde suchte sie in den Schubladen ihres Schrankes nach Unterwäsche und Schuluniform. Die Zimmertür öffnete sich einen Spalt und es klopfte.

„Yo.“, lächelte Mirai und trat herein.

„Hey, was gibt’s?“, fragte Anna überrascht. Mirai war nicht oft in ihrem Zimmer.

„Nichts, hab' mich nur gewundert, was das gerade in der Küche war.“, schmunzelte der Affenkönig und sah Anna dabei zu, wie sie ihre Wäsche zusammen suchte.

„Ich weiß nicht, was du meinst.“, brummte Anna im Gegenzug. Mirai lachte. Der Gedanke daran, dass Akira ihr seit Tagen nun schon aus dem Weg ging und nicht einmal mit ihr sprach, machte sie wütend.

„Die kleine...“, begann Mirai nun, als würde er ahnen, dass Anna schlechte Laune bekam, „Sie ist echt süß. Eine wahre Schönheit, genau so wie ihre Mutter.“. Dieses Kompliment zauberte ein kleines Grinsen auf Annas Lippen.

„Hör' schön auf.“, schnauzte sie beschämt, konnte das Grinsen aber nicht wieder verstecken. Mirai grinste noch breiter und wuschelte der Königin durch die Haare.

„Lass uns heute zusammen zur Schule gehen. Ist doch blöd so alleine.“. Anna musterte den blonden Muskelmann kurz. Es war lange her, dass sie das gedacht hatte, doch jetzt fiel es ihr wieder ein: Mirai war ein außerordentlich liebevoller und sympathischer Mann. Er schien ab und an ruppig zu sein, doch fiel ihr nie eine Situation ein, in der er mal gemein zu Anna gewesen war.

„Okay.“, erwiderte Anna, irgendwie erleichtert darüber, dass sie heute nicht alleine gehen musste.

Nachdem die Blondine geduscht, angezogen und geföhnt war, ging sie wieder Richtung Esszimmer. Von weitem hörte man schon wütende Stimmen.

„Das geht dich nichts an.“, schnauzte Akira und Anna blieb verwundert im Flur stehen.

„Du stellst dich an wie ein Kleinkind. Lass dir mal ein Paar Eier wachsen.“. Das war Mirai. Worüber stritten sich die beiden gerade?

„Ich sag' es echt ungerne, aber der Affe hat Recht. Du bist gerade ordentlich am Scheiße bauen.“, brummte Shiros tiefe Stimme. Ein genervtes Stöhnen Akira seits dröhnte durch die Hallen. Wieso mussten die drei das so laut besprechen?

„Hört auf. Ihr weckt Hikari.“, knurrte Ren nun und Anna war überrascht, dass er wach war, aber dankbar dafür, dass er den drei Einhalt gebot.

„Hey Anna.“, Anna blickte zu Boden. Sho stand vor ihr und sah sie besorgt an. „Alles… okay?“, fragte er zögerlich. Alleine dieser besorgte Blick rührte etwas in Annas Herzen. Seufzend beugte sie sich zu Sho hinunter und umarmte ihn. Er legte seine Arme um Annas Rücken und seinen Kopf auf ihre Schulter. War es so offensichtlich? Stand es ihr so ins Gesicht geschrieben, dass sie im Hinterkopf immer wieder Sorgen hatte?

„Tut mir Leid, Sho. Alles gut.“, seufzte sie leise und streichelte über das weiche, schwarze Haar. Er drückte sie etwas fester.

„Okay.“, murmelte er in ihre Schulter und ließ sie kurz darauf los. „Wenn du einsam bist, kann ich auch bei dir schlafen, weißt du.“, diese Worte schienen einiges an Überwindung gekostet zu haben. Er wurde wirklich rot. Anna musste lachen.

„Na klar, ich werde mich sofort bei dir melden.“, schmunzelte die Blondine.

„Ich hoffe, dass du das nicht tun wirst.“, brummte Shiro genervt und ging den Flur entlang. „Ich wette, er hat dich heimlich beim Duschen beobachtet.“, fügte er hinzu und packte den kleinen Tengu am Kragen.

„Nein, hab' ich nicht!“, schrie Sho schrill auf und wurde noch roter.

„Und wenn schon… Ist ja nicht so, als hätten wir nicht mal zusammen gebadet, Shiro.“, grinste Anna ärgernd und stupste Shiro in die Seite. Sho zischte erschrocken den Wolfsdämon an.

„Du hast was?!“, fragte er und holte scharf Luft. Shiros Wangen färbten sich rosa, doch er starrte den kleinen Jungen nur böse an.

„Geht dich nichts an.“. Und schon brach ein weiterer Streit aus. Mit den Worten „Wie kannst du es wagen“ im Ohr betrat Anna das Esszimmer. Akira und Mirai saßen genervt am Tisch und schauten demonstrativ voneinander weg. Liam deckte den Tisch und zu Annas Überraschung saß Ren bei Toki und streichelte Hikari, die auf seiner Hand schlief.

„Morgen, Ren.“, murmelte Anna verdattert. Ren nickte ihr wortlos zu. Annas Blick wanderte fragend zu Toki, welcher den Blick genau so verwundert zurück gab und mit den Schultern zuckte. Die Stimmung beim Frühstück war ziemlich angespannt. Tatsächlich war es schwierig, überhaupt ein Gesprächsthema zu finden. Anna wollte zu gerne wissen, worüber die beiden sich gestritten hatten, aber wagte sie es nicht, nach zu fragen. Dementsprechend war es still – so lange, bis Hikari anfing mit ihren kleinen Füßchen über den Tisch zu laufen und Salz zu verstreuen. Sie einzufangen gestaltete sich als schwieriger, als gedacht – schließlich hatte Ren sie sich geschnappt und zu sich auf die Schulter gesetzt.

„Magst du Hikari, Ren?“, fragte Anna grinsend. Ren blickte vom Teller zur Blondine auf und seufzte.

„Sie ist ein Baby. Wir müssen auf sie aufpassen.“, brummte er kühl und biss von seinem Toast ab. Toki schmunzelte. Auch Anna musste lächeln. Dann spürte sie, wie ihr Herz auf einmal fest gegen ihre Brust schlug. Es tat nicht weh, aber es war stark genug, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie warf einen Seitenblick zu Sho herüber, der sich an seinem Orangensaft verschluckt hatte und ihren Blick verwirrt zurück gab.

„Ich geh' dann mal. Bis heute Abend.“, murmelte das Mädchen, erhob sich, nahm von „Mama Liam“ das Mittagessen entgegen und hastete zum Flur. Ihr Blick fiel sofort auf die Treppen, dort, wo Satoshi gerade hoch ging: Der Grund für den Herzschlag.

„Satoshi!“, rief sie ihm entgegen, um ihn zum Anhalten zu bewegen. Der junge Mann blieb genervt und müde aussehend auf der Treppe stehen und schaute Anna an.

„Hey.“, murmelte er leise. Seine grauen Augen schienen dunkler als sonst, er wirkte müde und unausgeschlafen.

„Wo warst du die ganze Nacht?“, wollte Anna wissen und lief ihm entgegen.

„Hab' mich nur umgesehen...“. Man konnte spüren, wie er der Frage auswich. Anna runzelte die Stirn.

„So? Wo denn?“, hakte sie nach. Satoshi seufzte.

„Hab' nach deinen Freunden gesucht.“. Erneut schlug ihr Herz bemerksam.

„Hast du was entdeckt?“, fragte sie hoffnungsvoll, doch Satoshi schüttelte gähnend den Kopf, während Anna ihren sinken ließ. Dann fiel es ihr ein:

„Hikari is geboren worden. Die Fee. Vielleicht willst du ihr ja mal 'Hallo' sagen? Immerhin ist sie jetzt ein Teil unserer Familie.“. Das weckte Satoshi etwas auf. Er ging die paar Stufen auf Anna zu und starrte nachdenklich in ihre Augen.

„'Unsere' Familie?“, wiederholte er dann leise. Eine Hand fuhr durch Annas Haar und löste die Strähnen hinter ihrem Ohr. Seine Worte verwirrten sie.

„Ja, natürlich.“, bestätigte sie und sah Satoshi dabei zu, wie er ihre Haare musterte. Dieser seufzte schließlich.

„Anna, ich habe es dir schon einmal gesagt: Adam ist tot. Dein Bruder ist tot. Und ich bin nicht hier, um seinen Platz einzunehmen. Wir sind keine Familie.“. Bevor Anna es wusste, hörte sie es scheppern. Ihre Hand hatte die seine weggeschlagen. Diese Worte – wie kaltes Metall bohrten sie sich in ihr Herz. Fassungslos starrte sie ihren Shiki an. Am liebsten würde sie ihn noch einmal schlagen. Doch er lächelte einfach nur.

„Ist das so…?“, fauchte sie genervt und machte auf den Absatz kehrt. „Na dann bist du halt 'nur' ein Shiki. Kümmer' dich um Hikari solange ich weg bin und mach' keinen Ärger.“.

„Zu Befehl, meine Königin.“, seufzte Satoshi, immer noch lächelnd, und ging die Treppen wieder hoch auf sein Zimmer. Genervt stieß Anna die Tür auf und begann Richtung Schule zu laufen.

Es war kalt. Der Wind wehte einem gemein ins Gesicht, der Schnee knirschte unangenehm unter den Schuhen und natürlich hatte Anna ihren Schal vergessen. Zähneknirschend trat das Mädchen gegen einen Schneehaufen und verteilte damit das leichte Eis auf dem gekehrten Gehweg.

„Anna, warte!“. Das Mädchen drehte sich um. Ein joggender Affenkönig steuerte direkt auf sie zu. Seufzend blieb sie stehen und wartete auf Mirai.

„Ich dachte, wir wollten heute zusammen zur Schule?“, Mirais Atmung war etwas beschleunigt. Die Strecke war anscheinend kein Problem für ihn gewesen.

„Ja, tut mir Leid.“.

„Irgendetwas passiert?“, fragte Mirai überrascht, als er Annas Gesichtsausdruck sah. Genervt erklärte sie ihm, was gerade passiert war. Mirai lachte und erntete dafür einen fiesen Seitenhieb in die Magengrube.

„Wieso regst du dich denn so auf?“, grinste er und die beiden liefen weiter. „Es war doch von Anfang an klar, dass er nicht Adam ist.“.

„Ja, aber...“, bevor Anna antworten konnte, wurde sie wieder unterbrochen:

„Du hättest lieber eine Familie, als einen Shiki?“. Mirai hatte ins Schwarze getroffen. Anna seufzte bestätigend.

„Vielleicht… Hmm, nein.“, Mirai brach seine eigene Gedanken ab und zog damit Annas Aufmerksamkeit auf sich.

„Was?“, fragte sie genervt, doch Mirai schüttelte den Kopf.

„Sag's mir.“, schnauzte das Mädchen, doch erneut schüttelte der Blondschopf den Kopf.

„Wenn du's wirklich wissen willst, wieso liest du nicht einfach meine Gedanken?“, er legte schmunzelnd seinen Arm um das Mädchen. Er war erstaunlich warm – so wie immer.

„Ich mach' das nicht mehr bei euch. Es ist unhöflich.“, murrte Anna.

„Hat dir das Liam gesagt?“. Anna nickte. „Ja, es ist schon ziemlich unhöflich. Aber vielleicht ab und zu notwendig. Bei einem gewissen, rothaarigen Typen...“, aus den Augenwinkeln spähte er zu Anna, um ihre Reaktion zu beobachten. „Der gerne Fußball spielt… und dessen Name mit „A“ anfängt und mit 'kira' aufhört...“. Er grinste. Anna schnaubte genervt auf.

„Mir ist egal, was mit Akira ist. Ich hab' nichts getan.“, fauchte sie und vergrub ihre Hände in den Jackentaschen.

„Sicher?“, lachte der Affenkönig herzhaft, ihre Reaktion war genau die, die er erwartet hatte. „Ich glaube, es würde dir sehr viel weiter helfen, wenn du's tun würdest. Hast du's noch nie probiert?“.

„Jedes Mal, wenn ich es probiert habe, ist sein Kopf verschlossen. Als würde er sich dagegen wehren. Selbst bei dir konnte ich alles sehen, was ich wissen wollte, nur er scheint irgendwie… Dagegen gewappnet zu sein.“, murmelte Anna genervt.

„Oh.“, tatsächlich klang Mirai überrascht. „Schätze, er ist doch nicht so offenherzig, wie man vielleicht denkt.“. Anna schaute zu ihm auf.

„Was meinst du?“, fragte sie unsicher.

„Naja, du kennst ja Akira. Er hat immer ein offenes Ohr für Probleme, gibt einem immer genug Selbstvertrauen, um etwas zu tun, wozu man sich normalerweise nicht traut.“. Bei diesen Worten fielen Anna schlagartig genug Situationen ein, die darauf zutreffen würden. „Aber, ganz ehrlich Anna – was weißt du schon von ihm?“. Hatten die Jungs heute Spaß daran, Annas Gefühle und Stolz zu verletzen? Erneut wirkten die Worte, die gerade ausgesprochen wurden, wie Attentate auf Anna. Sie schaute Mirai böse funkelnd an. „Was ich meine ist: Du weißt kaum etwas über ihn. Was ist, wenn du seine Umstände heraus findest und ihn dann nicht mehr haben willst? Ich glaube kaum, dass das irgendjemand will.“.

„Warte – was meinst du mit 'haben willst'? Ich habe mich nicht für ihn entschieden.“, verteidigte sich die Königin sofort und Mirai lachte.

„Ist das so?“, er hielt Anna an und beugte sich zu ihr vor. „Wenn du dich wirklich nicht schon entschieden hast, dann kannst du mich ja küssen, oder?“, fragte er kess und seine Hand streichelte an ihrem Kieferknochen entlang. Seine Finger wanderten unter ihr Kinn und zogen es näher.

„Ja, könnte ich.“, entgegnete Anna sofort – Ihr Stolz nahm Überhand. Mirai grinste noch mehr.

„Gleich hier und jetzt?“, sein Gesicht war auf einmal unglaublich nahe. Anna spürte seinen Atem, roch sein Shampoo. Anspannung lag in der Luft. Ehe sie es wusste, hatte sie eine ihrer Hände auf seinen Lippen platziert und drückte ihn von sich weg. Seufzend entfernte sich Mirai von Anna und öffnete seine Tasche.

„Hab' gewusst, dass du es nicht kannst.“.

„Das ist es nicht – Akira – mir wurde gesagt, dass ich einen Kuss wie Sex behandeln soll und nicht jeden küssen soll.“, Anna klang aufgebracht und nervös.

„Das heißt doch nur, dass dieser 'Jemand' die Küsse für sich alleine haben will, oder?“, entgegnete Mirai schroff.

„Das… Das hat damit nichts zu tun.“, schnauzte Anna.

„Anna, hör' auf dir etwas vor zu machen.“. Mirai zog einen großen, weichen Schal aus seiner Tasche und legte ihn Anna um die Schultern. „Das ist von eben jenem 'Jemand'. Geh' heute einfach mal zu ihm und rede mit ihm. Ansonsten leiden die anderen auch unter eurer schlechten Stimmung.“, schnauzte er genervt, griff nach Annas Hand und führte sie weiter Richtung Schule. Anna musterte den dicken Schal, der ihrem Hals und Oberkörper Wärme schenkte. Er war weich, angenehm an der Haut und vor allem: Er roch nach Akira.



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