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Das Mädchen und der Graf

von

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In den folgenden Tagen war Katherine größtenteils damit beschäftigt, das Anwesen der Elchot-Familie umzugestalten. Die weinroten Vorhänge im Eingangsbereich wurden abgenommen und durch hellgrüne ersetzt. Diese hatte sie auf dem Speicher des Hauses gefunden. Sie veranlasste einen Gärtner, in der Stadt Blumen zu besorgen, damit überall Sträuße aufgestellt werden konnten. Sie teilte die Dienerschaft ein, damit jedes Zimmer auf Vordermann gebracht und gesäubert wurde. Doch bei all der Arbeit stand sie doch immer wieder an der Eingangstür und schaute durch das Fenster nach draußen. Der Schnee taute und die Sonne wurde von Tag zu Tag kräftiger. Hier und da waren bereits die ersten Schneeglöckchen zu sehen und ein zartes Grün kämpfte sich überall auf den Wiesen unter dem verbliebe-nen Schnee hervor. Es stimmte sie traurig, dass sie diese Tage nicht draußen genießen konnte.

Sie vermisste den frischen Duft der Luft und die kühle Brise, die ihr um die Nase wehte wenn der Wind sie streifte. Sie ahnte nicht, dass sie stets beobachtet wurde und ihre Gemütsstimmung nicht unbemerkt geblieben war. Daniel Elchot war sich sehr wohl bewusst, dass sich Katherine in seinem Haus noch immer wie eine Gefangene fühlte und nicht dazu gehörig. Noch immer war es ihm nicht gelungen ihr gegenüber die richtigen Worte zu finden mit denen er ihr erklären konnte, warum er sie unbedingt hier behalten wollte. Er war kein Mann der großen Worte und das würde er vermutlich auch nie sein. Und trotzdem war ihm klar, dass er Katherine früher oder später reinen Wein einschenken musste wenn er wollte, dass sie ihm endlich vertraute und das Eis zwischen ihnen brach.

Die Dienerschaft war den ganzen Tag damit beschäftigt, den Eingangsbereich freundlicher und einladender zu gestalten. Sie putzten die Fenster, klopften die Teppiche aus und wischten den Boden. Katherine nahm zwischendurch auf der großen Treppe Platz, um den Fortschritt der Arbeiten zu beobachten und sich etwas auszuruhen. Die Wunden schmerzten nach wie vor und sie spürte selbst, dass sie noch längst nicht wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte war, wie zum Zeitpunkt vor dem Angriff. Es würde wohl noch lange dauern, bis sie endlich selbst wieder mit anpacken konnte. Sie seufzte und gerade, als sie sich wieder aufraffte um dem Gärtner neue Anweisungen zu geben, öffnete sich die Eingangstür schwungvoll und eine, in ein samtenes, dunkelblau und hoch geschlossenes Kleid gehüllte, Frau betrat das Haus. Der kühle Wind, der sie wie feine Nadeln traf, ließ Katherine frösteln, aber noch mehr erschauerte sie beim Anblick der Frau, die sie sofort scharf ins Auge fasste.

Die Temperatur war auf einmal um einige Grad gesunken und das lag nicht nur daran, dass die Eingangstür offen stand. Miss Elisabeth war wieder einmal hereingeschneit, im wahrsten Sinne. Sie schaffte es immer wieder in den unpassendsten Momenten plötzlich aufzutauchen und sich in Dinge einzumischen, die sie im Grunde gar nichts angingen.

Es passte ihr offensichtlich ganz und gar nicht, Katherine hier anzutreffen und schon gar nicht in dieser Aufmachung. Katherine trug eines der Kleider, die Daniel Elchot extra für sie hatte besorgen lassen. Es war hellgrün und feine Blumenmuster waren aufgestickt. Auch dieses Kleid war mit Spitze besetzt, so wie die anderen, die in dem Kleiderschrank des großen Zimmers hingen. Katherine straffte ihre Schultern und betrachtete den Ankömmling stumm. »Wie ich sehe bist du es noch immer nicht müde, dich bei meinem Cousin einzuschmeicheln.« begrüßte Miss Elisabeth die junge Frau. Katherine legte eine Hand auf das Geländer der Treppe und fasste Elisabeth ebenfalls scharf ins Auge. Sie mochte sie nicht sonderlich und bisher war sie jeder Auseinandersetzung mit dieser Frau, so gut es ging, aus dem Weg gegangen, aber heute würde sie über diese Beleidigungen nicht hinweg sehen. Die Bediensteten waren anwesend und würden die beiden Frauen sehr genau beobachten und sie wusste, dass Daniel in der Nähe war. Der Aufruhr würde nicht unbemerkt von ihm bleiben und früher oder später würde er einschreiten.

Und sie musste sich nicht verstecken, schon gar nicht vor dieser Frau! Das hatte sie lang genug getan. »Miss Elisabeth, wie schön Euch zu sehen.«, begrüßte sie den Gast daher mit einem strahlenden Lächeln und aller Höflichkeit, die sie für diese Person aufbringen konnte. Für einen kurzen Augenblick brachte das die Gräfin sogar aus der Fassung aber nur, bis sie ihren Spitzenfächer aufklappte. »Welchen Plan verfolgst du eigentlich? Ich dachte, ich hätte mich zum letzten Bankett klar und deutlich ausgedrückt. Offensichtlich hast du das Geld meiner Familie nötiger, als ich dachte.« Katherine atmete ruhig ein.

Überall um sie herum war die Dienerschaft noch damit beschäftigt alles herzurichten. Sie wusste, sie folgten dem Gespräch sehr aufmerksam, auch wenn sie taten, als würden sie ihren Arbeiten nachgehen. Sie durften nicht erleben, dass Katherine sich gehen ließ! Sie musste Haltung bewahren und durfte sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie das Verhalten dieser Person traf. Und einige von ihnen würden dem Herrn dieses Hauses früher oder später Bericht erstatten, also durfte sie sich keine Fehler erlauben. »Kann ich vielleicht etwas für Euch tun, Miss Elisabeth? Sicher möchtet Ihr Euren Cousin besuchen. Darf ich Euch eine Tasse Tee anbieten, solange Ihr auf ihn wartet?«, wollte sie weiterhin wissen und bemühte sich, höflich zu bleiben.

»Für dich heißt es immer noch, Gräfin! Unfassbar dass du zu allem Überfluss auch noch die Dreistigkeit besitzt mich so respektlos anzusprechen.« »Ich glaube nicht, dass eine Person mit Eurem Charakter dazu im Stande ist, ernsthaft über Respekt zu sprechen. Wenn Ihr mich nun entschuldigt, ich habe noch zu tun. Wenn Ihr wünscht, werde ich Eure Ankunft bei Mister Elchot melden lassen.« Katherine war erstaunt über sich selbst, dass sie so ruhig geblieben war und dabei die richtigen Worte fand um die Situation angemessen zu meistern. Vorsichtig ging sie die wenigen Stufen von der Treppe nach unten und wollte dann nach einem Diener schicken, der Daniel davon in Kenntnis setzte, dass seine Cousine eingetroffen war. Doch so weit kam sie nicht. Wie bereits zum Weihnachtsfest war Miss Elisabeth mit wenigen Schritten bei ihr und packte sie grob am Arm, um sie barsch zu sich her-umzudrehen. Durch die hastige Bewegung tanzten Katherine bunte Punkte vor den Augen und der Schmerz fuhr ihr heftig in den Rücken, doch in der Gegenwart dieser widerwärtigen Person würde sie sich ihre Schwäche gerade jetzt nicht eingestehen! Ihr konnte sie jeder Zeit die Stirn bieten und wenn sie dabei am Boden lag!

»Wie ist das Leben als Dirne? Was bezahlt dir mein Cousin, um diese Freuden mit dir zu teilen? Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass dein Preis besonders hoch ist.« Katherine versuchte sich aus der Umklammerung zu befreien, doch es gelang ihr nicht. Miss Elisabeth besaß mehr Kraft, als man annehmen mochte. Vielleicht war sie selbst im Moment aber auch einfach nur zu schwach. »Du bist und bleibst eine einfach Dirne. Es wird nicht mehr lange dauern bis sich mein werter Cousin deiner entledigt. Und wenn es soweit ist, werde ich anwesend sein um diesen Triumpf zu feiern. Du wirst wieder im Dreck leben, wo du und deinesgleichen hingehören! Und du wirst das Ansehen dieser Familie nicht weiter beschmutzen!« inzwischen schlug Katherine das Herz bis zum Hals. Ihre Knie wurden weich und ihr Sichtfeld wurde kleiner. Wenn sie sich nicht schnell aus dieser Situation befreien konnte, brach sie vor den Augen dieser garstigen Person zusammen. Dann war es vorbei damit, ihr die Stirn bieten zu wollen. Das durfte nicht geschehen!

»Was soll dieser Aufstand hier?«, erhob sich im Hintergrund eine tiefe Männerstimme, die keine Ausreden oder Entschuldigungen zulassen würde. Offensichtlich war der Tumult nicht an Daniel Elchot vorbei gegangen. Katherine war erleichtert, dass er auftauchte, denn sie wusste nicht, wie sie aus dieser Situation entkommen konnte auch wenn es ihr unangenehm war, dass er ihr wieder einmal zu Hilfe kommen musste und sie in einem schwachen Moment antraf. Die Schritte, welche er zurücklegte als er quer durch den Eingangsbereich auf sie zukam, hallten laut im Haus wieder und nur wenige Augenblicke später war er bereits an ihrer Seite.

»Liebster Cousin.«, säuselte Miss Elisabeth und setzte ihr süffisantes Lächeln auf. »Spar dir deine Heuchelei, Beth! Lass sie sofort los!«, heischte er seine Cousine an. »Nicht doch, liebster Cousin. Dein Gast und ich unterhielten uns gerade, als sie stolperte. Ich wollte nicht, dass sie sich verletzt und hielt sie darum fest.« darauf wusste Katherine nichts zu erwidern. Selbst wenn sie etwas hätte sagen wollen, hätte sie es nicht gekonnt. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und in ihren Ohren rauschte es nur noch. Starke Arme umfassten und hielten sie sicher. Wann war er an ihre Seite getreten? Gerade eben war er doch noch hinter seiner Cousine gewesen!

»Es ist nicht das erste Mal, dass du dich respektlos in meinem Haus verhältst. Vor allem gegenüber meinen Gästen. Du wirst in Zukunft nicht einen Schritt mehr über unsere Schwelle setzen, wenn du dich weiterhin so aufführst.« Daniels Stimme war hart und unbarmherzig. Er würde keine Gnade kennen in dieser Angelegenheit. Katherine kämpfte unterdessen gegen den Nebel, der sich vor ihrem Sichtfeld ausbreitete, an. »Du überschreitest deine Kompetenzen, lieber Cousin! Noch bist nicht du der Herr dieses Hauses! Mir scheint, dir ist nicht bewusst welchem Stand du angehörst und zu welcher Schicht sie gehört!« »Ein Name alleine gibt dir noch lange nicht das Recht, dich über andere zu erheben und anzunehmen, du seist besser als sie!«, polterte er los. »Verlasse sofort dieses Haus und wage es nicht, hier wieder aufzutauchen!« Katherine vernahm das Krachen der Eingangstür und atmete erleichtert auf, als diese grässliche Person ebenso schnell wieder abrauschte, wie sie aufgetaucht war. »Gott sei Dank.«, entfuhr es ihr, ehe ihre Beine unter ihr nachgaben und Daniel sie erneut stützen musste. Vorsichtig bugsierte er sie zur Treppe, wo sie sich setzen konnte und ließ ihr ein Glas Wasser bringen.

»Du solltest dir noch nicht so viel zumuten, Katherine.«, sprach er leise, als sie wieder zu Atem gekommen war und der Schleier vor ihren Augen sich endlich lichtete. »Leider habe ich keinen Einfluss darauf, wann Eure werte Cousine hier auftaucht und uns mit ihrer Anwesenheit beehrt. Ich werde mich also Wohl oder Übel mit ihr auseinandersetzen müssen.« »Ich dachte, sie hätte seit dem Weihnachtsfest dazu gelernt, aber ich habe mich geirrt. Es wird nicht wieder vorkommen, das verspreche ich dir, Katherine. Sie wird nicht mehr in deine Nähe kommen.« Katherine blickte Mister Elchot direkt in die Augen. Sie wusste, er würde alles dafür tun um sein Wort zu halten. Sein Gesicht war dicht vor ihrem.

Katherine errötete, als sie seine Augen, seine Nase und seine Lippen so dicht vor sich sah und sie schluckte. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Auch er schien die Spannung, die zwischen ihnen herrschte zu spüren, aber er gab ihr nicht mehr Raum um ihm zu entkommen. »Ihr werdet mich nicht immer vor allem Übel in der Welt beschützen können. Irgendwann muss ich wieder für mich selbst eintreten.« »Solange ich es kann, werde ich es tun.« die Spannung war für Katherine kaum noch auszuhalten. Diese Nähe war ihr unangenehm. Sie wusste einfach nicht, wie sie sich verhalten sollte wenn sie ihm so nah war! Sie wusste nicht, was Mister Elchot von ihr erwartete, was sie tun sollte. Mit einem Ruck stand sie auf und ging die Treppe nach oben, um in ihrem Zimmer zu verschwinden.

Es war der einzige Rückzugsort, den sie noch hatte! Doch wenn sie glaubte, Mister Elchot würde sie wie sonst einfach ziehen lassen, hatte sie sich dieses Mal gründlich geirrt. Sie hatte kaum das Zimmer im ersten Stock betreten und die Tür geschlossen, als er auch schon ohne zu fragen eintrat und sie wie üblich scharf ins Auge fasste. Für gewöhnlich tat er das immer dann, wenn er ihr eine Predigt halten wollte. Sie kannte diesen Blick inzwischen sehr gut, aber sie ließ sich schon lange nicht mehr davon einschüchtern. Trotzdem brachte sie so viel Abstand zwischen sich und den Herrn des Hauses, wie es ihr in diesem Zimmer möglich war. Bis in die Fensternische wich sie zurück, als er Schritt für Schritt auf sie zukam und sie scheinbar nicht entkommen lassen wollte. »Warum läufst du immer wieder vor mir davon? Ist meine Anwesenheit so unerträglich für dich?«, wollte er wissen und ließ sie nicht aus den Augen. Katherine schlug das Herz erneut bis zum Hals und sie spürte einen Kloß im Hals. Sie konnte nicht antworten.

Unterdessen stieß sie mit dem Rücken gegen die Wand neben der Fensternische und konnte nicht weiter zurückweichen. Ihr blieb nur, den Blick auf Mister Elchot zu richten und zuzusehen, wie er unaufhaltsam näher kam und schließlich sehr dicht vor ihr stehen blieb. »Warum hältst du dich von mir fern?«, wollte er weiterhin wissen und stützte sich mit den Händen rechts und links neben ihrem Gesicht an der Wand ab. Sie konnte ihm nicht mehr entkommen! Sein Gesicht war erneut dicht vor ihrem. Sie konnte seinen warmen Atem auf ihrer Wange spüren und sein Parvin deutlich riechen. »Begreifst du denn nicht, dass ich nur das Beste für dich will?«, flüsterte er nun und senkte seine Lippen an ihr Ohr.

»Ich möchte, dass du immer in meiner Nähe bist, Katherine. Ich möchte für dich und deine Familie sorgen. Ich möchte derjenige sein, der dich beschützt und auf dich aufpasst. Der dafür sorgt, dass dir kein Leid widerfährt.« langsam entfernte er sich wieder von ihrem Ohr und sah ihr tief in die Augen. »Werde meine Frau, Katherine. Sei an meiner Seite.« dieser Satz schockierte Katherine zutiefst. Für einen Moment setzte ihr Herz aus und ihr Kopf war wie leergefegt. Hatte sie sich vielleicht gerade verhört? Hatte er das wirklich gesagt? Das konnte er unmöglich ernst meinen oder?

»Ist das ein Scherz?«, brachte sie nur hervor. Katherine konnte und wollte einfach nicht glauben, dass ein Edelmann sie ernsthaft zur Frau nehmen wollte. Sie erinnerte sich noch sehr gut an den letzten Antrag, der ihr gemacht worden war. Die Erlebnisse, die sie damit verband, saßen tief in ihrem Gedächtnis und die Panik flüsterte ihr leise zu, dass sie die Finger davon lassen sollte. »Bitte treibt keine Spielchen mit mir.«, sprach sie daher leise. Daniel schien ihre Gedanken genau zu erraten, denn er ergriff ihre Arme und ließ ihr keine Möglichkeit, sich aus der Situation zu befreien. »Ich weiß, was du denkst, Katherine. Aber ich bin nicht Mister Smith. Das sollte dir inzwischen klar geworden sein. Nicht alle Menschen von Adel sind wie er. Ich bitte dich, weise mich nicht ab.« sie schluckte. Sie konnte die Bitte dieses Mannes unmöglich ausschlagen! Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann fühlte sie sich auch geehrt, dass er um ihre Hand anhielt. Sie hatte nie damit gerechnet, das Interesse eines Mannes ernsthaft zu wecken. Aber ihr war schon lange aufgefallen, wie bemüht Daniel Elchot um sie war. Dass er jede Anstrengung unternahm, damit sie sich in diesen Mauern wohlfühlte und es ihr an nichts mangelte. Ihr und auch ihrer Familie. Seit er sie damals im Wald gefunden hatte, war einige Zeit vergangen. Nie hatte er sich ihr unsittlich genähert oder sie mit Absicht in Bedrängnis gebracht.

Er war stets um ihr Wohl und das ihrer Familie bemüht gewesen und jedes Mal, wenn sie ihm über den Weg gelaufen war, war ihr ganz anders geworden. Auch jetzt, wenn er so dicht vor ihr war klopfte ihr Herz heftig gegen ihre Brust. Gerade, als sie ihre Lippen öffnete, um sich zu einer Antwort durchzuringen, verschloss Daniel Elchot diese jedoch mit seinen eigenen. Seine Lippen legten sich warm und weich auf ihre und nach einem Moment, in welchem sich Katherine anspannte und alles in ihr nach Flucht schrie, ergab sie sich und ließ zu, dass er sie mit seinen starken Armen festhielt und ihr diesen Kuss gab. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis er sich wieder von ihr löste und sie frei gab.

»Du musst mir nicht sofort antworten, Katherine. Ich weiß, dass du in Ruhe darüber nachdenken wollen wirst. Und ich werde dir alle Zeit geben, die du brauchst. Du sollst nur wissen, dass, egal wie du dich auch entscheiden wirst, meine Einladung zum Osterbankett bei der Königin immer noch gilt. Ich möchte dich ihr gern vorstellen, ungeachtet dessen ob du meinen Antrag annehmen wirst oder nicht.« kaum hatte Daniel Elchot diese Worte ausgesprochen, war er auch schon aus dem Zimmer verschwunden und Katherine blieb alleine zurück. In der Nische zum Fenster ließ sie sich seufzend auf die Kissen sinken und blickte hinaus. Es war, als hätte er sie sämtlicher Kraft zum Stehen beraubt. Was sollte sie tun? Durfte sie seinen Antrag überhaupt annehmen? Würde ihre Familie damit vielleicht zur Zielscheibe erneuter Angriffe werden? Mister Smith war vorerst außer Reichweite, aber was war mit Miss Elisabeth? Sie konnte sie so schlecht einschätzen! Sie würde sich mit Sicherheit nicht an das halten, was Daniel Elchot ihr gesagt hatte! Andererseits, wenn sie die Herrin des Hauses war, dann konnte sie diese Person ebenfalls des Hauses verweisen! Sie musste sich dann nichts mehr gefallen lassen!

Völlig in ihren Gedanken versunken bemerkte Katherine gar nicht, wie es an ihrer Tür klopfte und Resi mit dem Doktor eintrat. Sie erschrak, als Resi ihr plötzlich eine Hand auf die Schulter legte und sie fragend ansah. Katherine blickte an ihr vorbei und erhob sich schnell, als sie den Doktor erkannte. Er bat sie, sich ihre Wunden ansehen zu dürfen und nachdem Resi Katherine anschließend dabei geholfen hatte, sich die Kleider wieder zu richten, gab er sein Einverständnis, dass sie endlich das Haus verlassen durfte. Erleichtert atmete sie auf. Endlich konnte sie wieder vor die Tür und ihre Familie in ihrem eigenen Haus im Nebengebäude besuchen. Viel zu lang musste sie auf das Lachen der Kleinen verzichten! Ihr erster Weg führte sie also in das Haus ihres Onkels. Ihre gesamte Familie freute sich unheimlich, sie zu sehen. Die Kinder begrüßten sie stürmisch, umarmten und umringten sie, weil sie alles von ihr erfahren wollten und auch Jonathan und Judy schlossen ihre Nichte fest in ihre Arme und begrüßten sie wieder in ihrer Mitte. Mike hielt sich im Hintergrund. Er lächelte seiner Cousine zu, als sie über die Schulter ihrer Tante zu ihm herüber sah und nickte, nur merklich für sie.
 

Am nächsten Tag schritt Katherine mit dem Gärtner über das weitläufige Anwesen der Elchots um mit ihm zu besprechen, wie dieses besser genutzt werden konnte. Katherine wollte Gewächshäuser errichten lassen, um Gemüse anbauen zu können und Blumen, die sich sonst mit dem Wetter in diesen Gefilden schwer taten und die Wärme mehr mochten als die kalten Winter dieses Landes. Sie spürte Daniels Blicke sehr genau auf sich, wann immer sie sich außerhalb des Hauses bewegte. Sie wusste, dass er sie meist von den Fenstern seines Arbeitszimmers aus im Auge hatte oder hinter der Fensterfront im großen Saal stand. Meist mit einem Buch oder irgendwelchen Akten, in der Hand. Sie bemerkte es stets aus dem Augenwinkel heraus. Sie versuchte es zu ignorieren, aber sie konnte es nicht. Sie fühl-te sich beobachtet, aber ebenso auch behütet. Auf eine merkwürdige Art und Weise beruhigte es sie, dass Mister Elchot immer ein waches Auge auf sie hatte und darauf achtete, dass sie sich noch nicht zu viel zumutete. Nachdem die darauffolgenden Tage immer wärmer wurden und der Schnee endgültig schmolz, beschloss Katherine einen Spaziergang zum alten Gehöft ihrer Familie zu unternehmen.

Sie bat Mike, sie zu begleiten und so gingen die beiden los. »Willst du noch immer dahin zurückkehren, Kathi? Du weißt, dass es nie wieder so sein wird wie vorher.«, begann ihr Cousin, als sie das Anwesen der Elchots verlassen hatten und den Weg durch den Wald gingen. »Um ehrlich zu sein, soll es mein letzter Besuch dort werden, Mike.«, sprach sie und lächelte dabei. »Wie soll ich das verstehen?« »Es ist viel Zeit vergangen und ich konnte viel nachdenken. Ich weiß, dass es nicht mehr so wird wie früher. Etwas Neues auf den Ruinen des Alten aufzubauen, kann nicht gut gehen. Ich denke unserer Familie geht es auf dem Anwesen der Elchots gut. Onkel John lebt auf wie nie zuvor und geht der Arbeit gern nach. Und Tante Judy ist auch viel fröhlicher, seit wir dort leben. Wie könnte ich dieses Glück zerstören?«

»Woher kommt der plötzliche Sinneswandel?« Mike war völlig perplex. Mit dieser Einsicht hatte er nicht gerechnet. Katherine lächelte. »Genau darum geht es. Es gibt etwas, das ich gern mit dir besprechen würde, Mike. Du bist mein engster Vertrauter. Ich weiß nicht, wen ich sonst fragen könnte. Du kennst mich nun mal besser als irgend ein anderer.« Mike bedachte seine Cousine mit einem fragenden Blick und blieb stehen. Das Sonnenlicht, welches sich durch die Wolken kämpfte, zauberte fabelhafte Lichtreflexe auf das Gesicht ihres Cousins und ließ ihn wie aus einer anderen Welt erscheinen. »Worum geht es, Kathi? Das klingt ziemlich ernst, wenn du mich fragst.« »Das ist es auch, zumindest für mich.« sie holte tief Luft. Dann sah sie Mike direkt an. »Mister Elchot hat um meine Hand angehalten und ich weiß nicht, was ich tun soll.« »Was? Meinst du das ernst?«, fragte er ungläubig und ergriff die Hände seiner Cousine. »Katherine, das ist großartig!«, entfuhr es ihm und er grinste von einem Ohr zum anderen. »Meinst du?«, fragte sie unsicher. Sie kam sich mit einem Mal vor wie ein kleines Mädchen.

»Aber sicher. Dass er sich für dich interessiert war uns allen von Anfang an klar. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er endlich diesen Schritt gehen würde. Warum überlegst du noch? Du solltest seinen Antrag unbedingt annehmen!« »Aber kann ich das denn überhaupt tun? Wir sind alle nur einfache Bauernleute. Er dagegen ist ein Mann von Adel. Er hat Rang und Namen und den setzt er aufs Spiel, wenn ich seinen Antrag annehmen würde. Außerdem kann Onkel John doch gar keine Mitgift aufbringen. Es ist alles verbrannt! Und es wird böse Gerüchte geben. Die Leute werden denken, dass ich das nur tue, um mir einen Namen zu machen.« »Das ist doch völliger Unsinn, Katherine. Du bist unsicher, das kann ich verstehen. Aber ich weiß auch, dass dein Herz insgeheim schon lange für ihn schlägt. Warum du es dir bisher noch nicht eingestehen wolltest ist mir völlig unklar. Aber es ist nicht an mir, darüber zu urteilen. Du solltest tief in dich hineinhören und dann deine Entscheidung treffen. Vor allem solltest du dabei nicht auf das achten, was andere sagen könnten. Neider wird es immer und überall geben.« Katherine atmete erneut tief ein. Sie sollte also tief in sich hinein hören? Was, wenn sie von dort keine Antwort bekam?
 

Am späten Abend, als die Dunkelheit bereits hereingebrochen war, kamen Katherine und Mike wieder auf dem Anwesen der Elchots an und er brachte seine Cousine ins Haupthaus. Ihr war es nach wie vor unangenehm, von ihrer Familie getrennt unterzukommen, aber sie wusste auch, dass Daniel sie noch nicht gänzlich frei geben konnte. Er wollte es offensichtlich auch gar nicht, denn anderenfalls hätte er ihr wohl kaum einen Antrag gemacht. Im Haupthaus angekommen begab sie sich auf direktem Weg in die Küche. Sie fror und war hungrig und sie wollte unbedingt etwas essen. Die Küche lag verlassen da, als sie diese betrat. Sie zündete den Kerzenleuchter an, der stets neben der Tür stand und stellte ihn auf den großen Tisch. Dann schnitt sie sich eine Scheibe Brot ab und ein Stück Käse von dem Laib, der in einem Korb abgedeckt neben dem Fenster stand. Auch der Krug mit Met stand dort und so goss sie sich einen großen Becher ein und setzte sich an den Tisch. Ihr war den ganzen Tag nicht aus dem Kopf gegangen, was Mike zu ihr gesagt hatte. Wenn sie alle Zweifel außen vor ließ, dann wusste sie genau, welche Antwort sie Daniel geben wollte. Und was sprach dagegen, dass sie ihr Glück fand? Mister Smith war weit weg. Er würde weder ihr noch ihrer Familie Schaden zufügen können. Und mit der Gräfin würde sie auch fertig werden! Daniel stand in dieser Angelegenheit vollkommen hinter ihr, dessen konnte sie sich sicher sein.

Katherine lächelte. Wer hätte gedacht, dass sich irgendwann alles zum Positiven für sie wenden würde? Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein.

Als sie so an dem Tisch saß und aß, meldete sich die Verletzung mal wieder. Offen-sichtlich hatte sie es wieder einmal übertrieben und zu viel gemacht an diesen Tag. Sie stellte ihre Mahlzeit ungewollt ein, denn der stechende Schmerz in ihrem Rücken verdarb ihr den Appetit und verließ die Küche wieder. Am unteren Treppenabsatz musste Katherine dann innehalten und sich am Geländer abstützen. Ihre Schulter pochte unangenehm und sie fror ein wenig. Um den Schmerz zu unterbinden drückte sie ihre Hand auf die schmerzende Stelle und sog die Luft scharf zwischen den Zähnen ein. Für einen Moment befürchtete sie, dass sie wieder erkranken würde. Sie wollte Daniel nicht noch mehr Ärger machen. Sie musste sich zusammenreißen! Sie durfte nicht schwach werden! Daniel würde sie nur wieder in Watte packen.

»Katherine?«, ertönte es in diesem Moment vom oberen Treppenabsatz. Rick stand dort, mit einem Buch in der Hand und einer Brille auf der Nase, die Katherine vorher noch nie an ihm gesehen hatte. Er sah seinem Bruder in diesem Augenblick gerade sehr ähnlich. »Guten Abend.« sprach sie freundlich und lächelte ihn an. Sie wollte Haltung bewahren, doch vermutlich hatte Rick längst durchschaut, was los war. Er legte das Buch auf die niedrige Bank neben der Treppe im Obergeschoss und ging ihr dann entgegen um ihr seine Hand zu reichen. Auch er lächelte. Das tat er immer, wenn er sie sah. Katherine war wie eine Schwester für ihn. Eine Vertraute, der er alles erzählen konnte. Und Daniel liebte sie, das wusste er. Darum würde er sie hüten wie seinen Augapfel. Und er würde nie vergessen, dass sie es war, der er sein Leben zu verdanken hatte. »Ich begleite dich nach oben.«, sprach er.

»Das musst du nicht tun.« »Aber ich möchte es gern.« dankbar ergriff Katherine die Hand, die er ihr reichte und gemeinsam gingen sie hinauf. »Deine Verletzung macht dir wieder zu schaffen, habe ich recht?«, wollte er dann wissen, als er sie, oben angekommen, zu der Sitzbank bugsierte, auf welcher sie seufzend Platz nahm. »Ja, sie macht mir heute etwas mehr als sonst Probleme« »Das merkt man. Du bist ganz blass.« »Sag’s bitte nicht deinem Bruder. Er würde sich nur wieder unnötig Sorgen machen und mich nicht aus dem Haus lassen.« Rick schmunzelte.

Katherine seufzte erneut und starrte auf ihre Hände, die gefaltet in ihrem Schoß ruhten. Rick setzte sich zu ihr. »Was hast du? Bedrückt dich etwas?« sie überlegte einen Augenblick, ehe sie antwortete. »Es ist so viel passiert in den letzten Monaten. Das Meiste erscheint mir wie ein Traum. Manchmal weiß ich gar nicht, ob das wirklich alles geschieht.« »Und das macht dir so zu schaffen?« sie schüttelte leicht den Kopf. »Ich war heute mit Mike bei unserem Haus.«, meinte sie dann.

Sie seufzte und richtete ihren Blick auf Rick. »Ich habe die ganze Zeit geglaubt es sei meine Pflicht, mein altes Leben wieder aufzunehmen. Dass ich es meiner Familie und den Leuten im Dorf schuldig sei nach allem, was geschehen ist – nach allem, was nur wegen mir geschehen ist. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum dein Bruder alles daran setzt, mich hier zu halten. Ich konnte nicht verstehen, dass Menschen eures Standes so gütig sein könnten.« sie machte eine kurze Pause. »In den Ruinen unseres Hofes blühen inzwischen Schneeglöckchen, weißt du?«, fuhr sie dann fort. Rick schmunzelte leicht. »Was ist dir heute klar geworden, als du dort warst?«, wollte er wissen. Etwas schien sie zu beschäftigen und offensichtlich wusste sie nicht, wie sie es in Worte fassen sollte. »Ist es wirklich in Ordnung, dass meine Familie hier lebt?«, richtete sie ihre Frage dann ganz direkt an Rick und sah ihm in die Augen. Er erkannte ihre Unsicherheit und zögerte nicht mit seiner Antwort.

»Aber ja. Niemand hat es mehr verdient als ihr. Und außerdem gehört ihr doch im Grunde auch hierher. Ihr alle seid Teil dieser Familie und dieses Hofes. Immerhin arbeitete dein Vater viele Jahre für unsere Familie. Er lebte auf diesem Grund und Boden, gemeinsam mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter. Und nun sieh dich an. Sieh, was aus dir geworden ist.« er lächelte. »Du bist eine wundervolle, liebenswerte Frau geworden mit einem guten Herzen. Deine Eltern wären sehr stolz auf dich, wenn sie dich so sehen könnten also schäme dich nicht dafür, dass es dir gut geht und du glücklich sein kannst.« das erleichterte Katherine. Sie wusste, Ricks Worten konnte sie Glauben schenken. »Danke.«, sprach sie darum lächelnd und stand vorsichtig auf.

»Ich habe euch so viel zu verdanken. Ich bin sehr froh, dass ich dir und deinem Bruder begegnet bin.« mit diesen Worten wandte sie sich von Rick ab und ging in ihr Zimmer. Nachdenklich sah er ihr nach. Was sollte er von ihren Worten halten? Er hatte sie in der ganzen Zeit hier noch nie in einer solch merkwürdigen Stimmung erlebt. Er wollte der Ursache dafür gern auf den Grund geben, aber er wusste, dass sie nicht mehr darüber sagen würde. Zu gegebener Zeit würde er sicher erfahren, was sie beschäftigte. Sollte er vielleicht Daniel ins Vertrauen ziehen? Das würde sie sicher als Vertrauensbruch betrachten. Und ihr Zustand? Ihr schien es nicht besonders gut zu gehen, das besorgte ihn sehr. Aber auch darüber würde er vorerst Stillschweigen bewahren.
 

Katherine starrte an die Zimmerdecke über ihrem Bett. Ihr altes Leben lag tatsächlich hinter ihr. Michael Smith würde ihr nie wieder zu nahe kommen. Ihre Familie lebte hier auf dem Anwesen und Onkel John konnte den Unterhalt mit der Arbeit sichern. Endlich wurde er gerecht für seine Arbeit entlohnt. Die Dorfbewohner lebten seit vielen Jahren wieder in Frieden und mussten nicht mehr fürchten ihre Kinder an den Hunger zu verlieren, weil sie sie nicht mehr ernähren konnten. Daniel hatte Gräfin Elisabeth des Hauses verwiesen, als diese so ungehobelt mit ihr umgegangen war und Rick war wie ein Bruder für sie. Sie war in Sicherheit, ihr ging es jetzt gut. Ihr wurde klar, dass sie keine Angst mehr haben musste und diese Erkenntnis erleichterte sie so sehr, dass sie weinte und dabei lächelte.

Sie rief sich das Bild des niedergebrannten Hofes in Erinnerung. Warum hatte sie dorthin zurückkehren wollen? Nur wegen ihrer Schuldgefühle?! Aber die brauchte sie nicht mehr zu haben. Alles war gut, also gab es keinen Grund, an einen Ort zurückzukehren, an dem ihre Familie so viel Leid erfahren hatte. Sie musste sich nicht mit Trauer umgeben! Und somit fiel auch ihre Entscheidung, was Daniels Bitte be-traf. Lange hatte sie mit sich gehadert, war sich unsicher gewesen, was sie ihm antworten sollte und war ihm aus dem Weg gegangen. Katherine drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Mit einem Gefühl inneren Friedens und Glücks schlief sie an diesem Abend ein und erwachte am nächsten Morgen, als die Vögel vor ihrem Fenster sangen und die Sonne aus Leibeskräften schien.

Sie bürstete ihr Haar und ließ es offen über ihre Schulter fallen, nachdem sie sich umgezogen hatte. Katherines Entschluss stand fest. Noch einmal betrachtete sie sich in dem kleinen Spiegel auf der Kommode in ihrem Zimmer. >Alles ist gut.<, sprach sie sich innerlich selber Mut zu und legte die feine Haarbürste auf die Kommode. Ihre Hand zitterte dabei, ihre Schulter pochte leicht. Sie atmete tief ein und schloss für einen Moment die Augen. >Werd‘ jetzt nicht schwach!<, sprach sie zu sich selbst und stand auf.

Ihr Weg führte sie direkt in Daniel Elchots Arbeitszimmer. Zögernd klopfte sie an und trat dann ein, nachdem er das Zeichen dafür gab. Vorsichtig schloss sie die Tür hinter sich und trat auf den großen Arbeitstisch zu, an welchem Daniel saß und sie aufmerksam betrachtete. Er fragte sich, was es wohl zu bedeuten hatte, dass sie ihre Haare heute offen trug und nicht, wie gewöhnlich, zu einem Zopf geflochten und am Hinterkopf festgesteckt. »Ich habe nachgedacht«, eröffnete sie dann das Gespräch und blickte ihm direkt in die Augen, was sie große Überwindung kostete. Sie hielt ihre zitternde Hand mit der anderen fest umschlossen, damit er es nicht bemerkte. Daniel stand auf, trat um den Tisch herum und bat Katherine, am Fenster Platz zu nehmen. Er setzte sich ihr gegenüber auf die Fensterbank. Er kam nicht umhin festzustellen, auf welch wundervolle Weise ihr offenes Haar das Sonnenlicht einfing.

Sie erschien ihm an diesem Morgen wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Und sie erinnerte ihn an seine Mutter und zum ersten Mal verspürte er dabei nicht diesen heftigen Schmerz des Verlusts in seiner Brust. »Ich werde Eurer Bitte nach-kommen.«, sprach sie dann und wartete auf eine Reaktion ihres Gegenübers. Doch Daniel wusste nicht, wie er reagieren sollte. So Vieles ging ihm gleichzeitig durch den Kopf! Er wollte sie am liebsten herumwirbeln und küssen! Er wollte sie fest an sich drücken und nie wieder loslassen. Aber das ging nicht. Er musste Rücksicht auf ihren Zustand nehmen! »Ich freue mich, Katherine.«, erwiderte er darum nur.

»Ich bin sehr froh, dass du dich so entschieden hast. Ich werde noch heute mit dei-nem Onkel darüber sprechen.« sie nickte nur stumm. »Versprich mir bitte nur, weiter auf dich aufzupassen. Ich weiß, dass du Schmerzen hast. Ich weiß, dass diese Ver-letzung dir noch immer zusetzt. Du brauchst es nicht vor mir zu verstecken. Ich habe ein sehr geschultes Auge dafür.« Katherine fühlte sich ertappt und schnappte nach Luft. Daniel legte unterdessen seine Hand auf ihre und sah sie mit ernstem Blick an. »Du musst dich nicht verstellen, Katherine. Sei ganz du selbst und lass zu, dass andere sich um dich sorgen und kümmern.«

Sie nickte schuldbewusst.
 

Die kommende Zeit flog geradezu an Katherine vorbei. Alles erschien so unwirklich. In den Wochen, nachdem Daniel mit ihrem Onkel gesprochen und sich damit das Einverständnis und seinen Segen für ihre Heirat geholt hatte, wurde das Anwesen der Elchots immer wieder von Leuten aus dem Dorf, in welchem Katherine mit ihrer Familie gelebt hatte, besucht. Ihre Verlobung sprach sich schnell herum und sie alle kamen, um ihre alles Gute zu wünschen und auch ihre Familie zu dieser vorteilhaften Verbindung zu beglückwünschen.

Dabei war es Katherine gar nicht um diesen Vorteil gegangen! Aber irgendwann war sie es einfach leid gewesen, immer wieder dieselben Sätze zu wiederholen. Daniel öffnete die Grenzen zwischen dem Land seiner Familie und dem der Familie Smith. Er besuchte den alten Mister Smith sehr häufig in der kurzen Zeit bis zum Osterfest und regelte noch einige Details, die für die Zeit nach dem Ableben des alten Herrn wichtig waren. Katherine fragte ihn nie danach, welche Art von Geschäften die beiden Männer miteinander schlossen. Sie vertraute Daniel. Jedes Mal, wenn er von einem Besuch bei Mister Smith zurückkehrte versicherte er ihr, dass Michael ihr nichts mehr anhaben konnte und auch nicht mehr in ihre Nähe kommen würde. Und sie glaubte ihm. Sie wollte es gern glauben.
 

Das Osterfest kam und damit rückte auch der Besuch am königlichen Hof immer näher. Mit jedem Tag, der verstrich, wurde Katherine nervöser. Sie war doch nur ein einfaches Bauernmädchen! Sie wusste gar nicht, wie sie sich in diesen hohen Kreisen zu bewegen hatte, was sie sagen durfte und wann sie sich im Hintergrund zu halten hatte. Dass Daniel und Rick die Neffen einer solchen Persönlichkeit waren und solchen Kreisen angehörten, hatte sie anfangs schockiert und verunsichert. Doch viel mehr wunderte sie sich im Nachhinein über das Verhalten ihrer Cousine – Miss Elisabeth – welche folglich ebenfalls zu dieser Art von Adel gehörte. Vermutlich kam ihre Eitelkeit daher. Zumindest war dies die einzig logische Erklärung für Katherine.

In ihrer Hilflosigkeit, was den Besuch am königlichen Hof betraf, wandte sie sich an Rick. Er kannte die Gepflogenheiten und half Katherine dabei, die wichtigsten Verhaltensregeln zu lernen, um diesen Besuch ohne größere Fauxpas zu überstehen. Der Besuch dieses Banketts war auch ihre offizielle Einführung in die Gesellschaft und gleichzeitig wollte Daniel damit ihre Verlobung gegenüber seiner Familie bekannt geben. Es war ein Anlass bei welchem es niemand wagen würde, sich gegen seine Entscheidung zu stellen und dies hatte er ihr auch so erklärt.
 

Dann war es soweit. Katherine und Daniel fuhren in der Kutsche seines Vaters zum Palast in die Stadt. Sie trug ein hellblaues Kleid, denn diese Farbe mochte sie am meisten und sie wollte sich ein wenig von sich selbst bewahren, wenn sie sich schon so verkleiden musste. Das Oberteil war mit blauen Glasperlen bestickt, welche kleine Blumenmuster bildeten. Der Ausschnitt wurde von feiner, weißer Spitze geziert, welche so angebracht war, dass sie in weichen, zarten Falten über die Schultern fiel und diese damit bedeckte. Das Rockteil des Kleides war im Gegensatz dazu regelrecht einfach gehalten und ohne jeglichen Tand. Resi steckte Katherine die Haare zu einer feinen Flechtfrisur zusammen und brachte dann einzelne Haarnadeln an, welche von kleinen, runden Perlen geziert wurden.

Der Daniel war an jenem Morgen zu ihr gekommen, als Resi ihr gerade mit den Haaren half und hatte ihr eine kleine Schatulle gebracht. Als Katherine diese geöffnet hatte, fand sie darin die Perlenohrringe vor, welche sie auf dem Ball am Weihnachtsabend getragen hatte. Dazu lagen in der Schatulle noch eine dazugehörige Kette und ein Armband. Fein säuberlich waren die makellosen, runden Perlen auf einer feinen Goldkette befestigt. Katherine wusste diese Geste sehr zu schätzen und achtete sehr darauf, diesen Schmuck, der für Daniel so wertvoll zu sein schien, nicht zu beschädigen oder zu verlieren. Sie atmete tief ein, als die Kutsche vor den Palasttoren zum Stehen kam. Daniel legte der Frau an seiner Seite eine Hand auf die ihre und betrachtete sie liebevoll. »Du bist wunderschön. Hab‘ keine Angst. Ich bin sicher, sie wird dich sofort in ihr Herz schließen.« dann entschwand die Hand auf ihrer und Daniel stieg aus, um ihr dann beim Aussteigen behilflich zu sein.

Als Katherine der Königin gegenüberstand und knickste, wie es der Anstand verlangte, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Daniel war an ihrer Seite und die Königin schien sie eine schiere Unendlichkeit einfach nur zu betrachten. Im Audienzsaal war es totenstill. Katherine spürte die vielen Blicke der Edelleute um sich herum. Vor allem die Frauen musterten sie aufmerksam und schienen leise hinter ihren Fächern miteinander zu tuscheln. Das war ihr sehr unangenehm und sie fühlte sich zur Schau gestellt. Ihr war klar, dass dies der offizielle Weg war, den jeder geladene Gast gehen musste um der Königin seine Aufwartung zu machen.

Aber Katherine mochte es nicht, so angestarrt zu werden von allen Seiten. Sie wollte am liebsten hinter dem nächsten Vorhang verschwinden. Dann unterbrach die Königin die erdrückende Stille und tat etwas, womit niemand gerechnet, was Daniel aber insgeheim gehofft, hatte und weswegen er das Ganze überhaupt eingefädelt hatte. Sie erhob die Mac Callens in den Adelsstand und ebnete Katherine somit den Weg für eine problemlose Hochzeit. Ein verblüfftes Raunen ging nach ihren Worten durch den Saal und Katherine starrte die Königin fassungslos an ehe sie sich besann und ihr für diese Ehre zu danken, auch wenn es ihr innerlich unangenehm war. Sie wusste, dass Miss Elisabeth diesen Titel erst recht zum Anlass nehmen würde, um ihr das Leben schwer zu machen. Der Tag verging. Der Ball am Abend war wundervoll. Katherine und Daniel tanzten bis spät in die Nacht und kehrten erst in den frühen Morgenstunden zum Anwesen der Elchots zurück. Sie war so glück-lich und unbeschwert!

Daniel begleitete sie in ihre Räumlichkeiten. Sie zitterte etwas und ihre Verletzung meldete sich erneut. »Gib bitte bescheid, wenn du etwas brauchst. Du musst dich nicht zurückhalten und dir muss nichts unangenehm sein. Ich werde alles tun, damit du dich wohlfühlst und es dir besser geht.« sie nickte nur und Daniel verabschiedete sich dann von ihr und wünschte ihr eine Gute Nacht. Erschöpft und müde, aber glücklich, fiel sie schließlich irgendwann ins Bett und schlief augenblicklich ein.
 

Einige Monate später, im August und bei strahlendem Sonnenschein, fand dann die Trauung zwischen Katherine Mac Callen und Daniel Elchot auf dem Anwesen der Elchots statt. Hinter dem Haus war ein weißer Bogen aufgestellt wurden, umwickelt mit roten Rosen unter welchem die beiden standen und sich schweigend an-sahen, währen der Pfarrer zu ihnen und den Anwesenden sprach. Alle Menschen, die Katherine wichtig waren, waren gekommen. Allen voran die Familie von Ben, welche ihre Familie nach dem Brand aufgenommen hatte. Daniels Vater hatte seine Geschäftsreise extra unterbrochen, um der Hochzeit seines Ältesten beizuwohnen. Es hätte kein glücklicherer Tag für sie werden können und in Daniels Augen erkannte sie, dass es ihm ebenso ging. Noch nie hatte sie ihn so glücklich und unbeschwert erlebt. Er schien frei von jeglichen Sorgen zu sein und lächelte sie an. Seine Augen glitzerten und fesselten sie, wie am ersten Tag.

Alles war gut.
 

Ende


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das ist also mein Fanfic^^
Im Nachhinein habe ich noch einige Fragen, von denen ich hoffe, dass ihr mir sie beantworten bzw. mir mit Tipps und Hinweisen weiterhelfen könnt.

1. Sollte ich noch einmal näher auf Ricks Unfall und die Umstände eingehen? Also Hintergründe: Wer war es, warum, etc.?

2. Sollte ich das Verhältnis zwischen Miss Elisabeth und Michael Smith näher beleuchten? (ich hatte ursprünglich die Idee, dass die beiden ein Verhältnis miteinander haben und gemeinsam gegen Daniel und seine Familie intrigieren. Dies ist aber komplett weggefallen und es scheint nun, dass sie nichts miteinander zu tun haben.)

3.Was würdet ihr euch sonst noch von der Story wünschen? Was fehlt euch? Was hat euch gut gefallen?

4. Soll ich es auf eine Eskalation zwischen den Familien ankommen lassen, sodass es eine Fehde gibt in welche die Dorfbewohner und Katherines Freunde hineingezogen werden?

5. Sollte noch einmal auf den Prozess eingegangen werden, welcher Michael Smith gemacht wurde nach dem Attentat?

6.Ist euch das Ende zu abrupt? Wie könnte es besser ausgeschmückt werden? (Mir persönlich geht es dann mit der Hochzeit an sich zu schnell. Das Geschehen ist zu schnell abgehandelt für meinen Geschmack, aber ich habe noch nicht die passenden Worte gefunden um es schöner zu beschreiben^^)

Ich bin für jede Kritik dankbar, haltet euch nicht zurück :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Yamasha
2017-01-08T19:48:21+00:00 08.01.2017 20:48
Ich habe deine FF jetzt grade in einem Rutsch durchgelesen, weil ich sie einfach so toll fand! :D
Ich mag es, wie du die Charaktere gestalltet hast. Jeder hat so seine Stärken und Schwächen, die ihnen auch häufiger im Weg stehen. Ich mag das. Generell liebe ich Charaktere die nicht perfekt sind.
Mich stört es nicht, dass du auf die Umstände von Ricks Unfall nicht näher eingegangen bist. Man kann sich denken, wer dahinter steckt und damit hat sich der Film für mich. Genauere Details brauche ich nicht. Vor allem, weil es für mich so autenthischer rüberkommt.
Das Verhältnis von Miss Elizabeth und Mr Smith näher zu beleuchten wäre aber ganz gut gewesen. Keiner scheint ihn wirklich zu mögen, selbst sein eigener Vater nicht. Da ist es schon ein bisschen verwunderlich, dass sie ihn mag. Wobei beide die Ignoranz gegenüber Bauern teilen, was der Rest ja nicht unbedingt tut, weshalb es auch nicht mehr ganz so verwunderlich ist. Trotzdem fände ich es interessant.
Gut, mir war von Anfang an eigentlich klar, dass die beiden zusammen kommen. Und ich finde auch gut, dass Kathi am Anfang so naiv und blind gegenüber Daniels Gefühlen ist. Mich stört trotzdem ein bisschen, dass man von KAthis Gefühlen gegenüber Daniel nicht so viel mitbekommt. Klar schreibst du ab und zu, dass sie sich seltsam dühlt und ihm am liebsten aus dem Weg geht, aber da hätte ich mir manchmal ein paar mehr Details gewünscht. Außerdem waren deine aprupten Perspektivenwechsel manchmal ein bisschen verwirrend. Und die Kapitel sind ein bisschen zu lang. Manchmal wäre es einfacher gewesen, wenn sie kürzer gewesen wären.
Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch, deshalb sage ich auf die vierte Frage eindeutig nein. Denn ich finde es immer unfair wenn Unbeteiligte leiden müssen.
Die Strafe die Michael bekommt und wo er hin kommt würde mich schon interessieren.
Und bei der Hochzeit fehlt mir eigentlich wenig. Ich hätte nur mit dem Kuss nach den Ringen abgeschlossen. Also mit einer Handlung und nicht mit einem Gedanen oder einer Beschreibung.

Aber ansonsten finde ich deine FF wie gesagt echt super schön! Mir hat es echt Spaß gemacht sie zu lesen!
Antwort von:  momoko31
08.01.2017 21:54
Wow, vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar :-)
Und hab auch vielen Dank für deine lobenden Worte. Seit ich die Story hochgeladen habe, habe ich weiter daran gearbeitet. Ich habe hier und da Dinge verändert und eingefügt, beschrieben usw. Die Kapitel sind auf meinem Rechner auch noch nicht so klar getrennt, da ich es bisher schwierig fand, irgendwo einen Strich zu ziehen zwischen einer Sequenz und der nächsten. Daher habe ich auf meiner PC-Fassung auch nur Absätze drin. Aber ich beherzige Deine/eure Ratschläge und arbeite weiter dran. Ich denke, wenn ich irgendwann mal (keine Ahnung wann, denn mein Berufsleben nimmt mich oft ziemlich in Beschlag) mehr Ordnung drin hab, werde ich noch mal die Endfassung hochladen.
Wobei, so wirklich zu 100% zufrieden bin ich nie mit meinen Werken XD
Von:  Solet
2016-07-26T13:44:58+00:00 26.07.2016 15:44
Danke für diese schöne FF =) ich bin normalerweise kein Fan der "Eigenen Serie" aus verschiedenen Gründen, aber hier hat mich die Kurzbeschreibung und der Anfang gefesselt.

Die Hintergründe von Rick's Unfall hätten mich schon interessiert. Wobei mir hier ein paar wenige Sätze wohl gereicht hätten.

Das offen gebliebene Verhältnis zwischen Miss Elisabeth und Herrn Smith regt etwas zum selbst grübeln ein. Wie weit würde die jeweilige Person gehen, um anderen das Leben schwer zu machen. Ich habe irgendwie immer darauf gewartet, dass "noch eins drauf gesetzt" wird.

Das Ergebnis des Prozesses hätte mich noch interessiert.

Alles in allem eine runde Geschichte. Mit dem klaren Ende bin ich ganz glücklich. Katherine erwähnt ja stehts nur, dass sie nicht aus Pflicht heiraten will und mit dem entsprechenden Ergebnis endet die FF. Ich vermute, weiter in die Zukunft zu schauen hätte eher den Charakter eines Lückenfüllers gehabt.
Antwort von:  momoko31
30.07.2016 00:11
Vielen Dank :) Es freut mich, dass es dir gefallen hat. Du hast Recht, hier und da fehlen noch einige Dinge. Ich nehme mir die Dinge, die ich schreibe auch immer mal wieder vor und ergänze oder veränder etwas. Das Verhältnis zwischen Miss Elisabeth und Mister Smith wollte ich in der Tat eigentlich näher beleuchten und auch die Hintergründe zu Ricks Unfall, aber irgendwie habe ich nie die passende Stelle gefunden um das umzusetzen und einzufügen. Es erschien mir irgendwie nirgendwo ganz passend... Vielleicht habe ich irgendwann mal die zündende Idee, wenn es wieder eine Weile rumgelegen hat^^'


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