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Memories

von

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Kapitel 2

Ich schreckte hoch. Tränen stiegen mir in die Augen und ich vergrub mein Gesicht in meinem Kissen.

„Mama. Papa“, wimmerte ich und fing an zu weinen. Ich erinnerte mich wieder. Nachdem der Mann mich aus den unterirdischen Gängen heraus gebracht hatte, war ich nach draußen gelaufen. Zu dem Zeitpunkt hatte es noch nicht geregnet und ich lief in den Park und kletterte auf das Klettergerüst des Spielplatzes. Dort setzte ich mich in eine Ecke, schloss die Augen und versuchte an etwas anderes zu denken. Als ich meine Augen wieder geöffnet hatte wusste ich nichts mehr und lief ziellos durch die Gegend, bevor ich auf Tetsu traf. Aber trotzdem fühlte es sich danach an, als würde noch etwas fehlen. Etwas Wichtiges, an das ich mich erinnern müsste. Ich umschlang meine Beine und lehnte meinen Kopf gegen die Knie. Sind meine Eltern tot? Oder leben sie noch? Und wer ist dieser Tsubaki? Und was ist das für ein Ort in meinen Träumen? Meine Gedanken drehten sich im Kreis, aber bei einer Sache war ich mir mehr als sicher. Der Schlüssel zu meinen Erinnerungen war dieser Mann namens Tsubaki.

Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, klopfte es an meiner Tür.

„Aiko, das Essen ist fertig.“

Tetsu öffnete die Tür und ich wischte mir schnell die Tränen weg. Mir fiel das Schwert wieder ein, aber es war verschwunden.

„Warum sitzt du hier im Dunkeln? Ist alles in Ordnung?“

Er schaltete das Licht an und ich musste mehrmals blinzeln, ehe ich mich an das grelle Licht gewöhnt hatte. Ich sah zu Tetsu, der nach wie vor in der Tür stand und mich besorgt beobachtete.

„Hast du dich wieder an etwas erinnert?“, fragte er und kam näher.

Ich schüttelte mit dem Kopf und versuchte mein Gesicht mit Hilfe meiner Haare zu verstecken. Solange ich nicht wusste, was vor meinen Erinnerungen geschehen war, konnte ich ihm nichts davon erzählen. Von den Vampiren ganz zu schweigen. Als würde er mir glauben, dass diese Blutsauger überhaupt existieren.

„Alles bestens“, antwortete ich mit einer erstaunlich festen Stimme und hob den Kopf ein wenig. Ich strich mir meine kurzen dunkelgrünen Strähnen hinters Ohr und zwang mich zu lächeln. Er sah mich weiterhin besorgt an, fragte aber nicht weiter.

„Das Essen ist fertig“, meinte er nur, drehte sich um und verließ mein Zimmer wieder.

Ich sah ihm noch kurz nach, bevor ich mir noch einmal mit der Hand über die Augen fuhr und ihm nachging.
 

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich müde und schlapp. Ich hatte die Nacht kaum ein Auge zugemacht, da ich diesen Traum nicht mehr aus dem Kopf bekam. Ich wusste jetzt, was ich machen würde, allerdings müsste ich vorerst diese Kopfschmerzen loswerden, die ich nach meiner schlaflosen Nacht hatte. Mit brummenden Kopf stand ich auf und ging in die Küche, in der Tetsu's Mutter bereits am Kochen war.

„Guten Morgen“, grummelte ich und setzte mich an den bereits gedeckten Tisch.

„Guten Morgen, Morgenmuffel“, sagte sie gut gelaunt und wirbelte dabei durch die Gegend, auf der Suche nach Zutaten für die Pfannkuchen.

Ich legte meinen Kopf auf die Tischplatte, neben meine Essstäbchen, und schloss die Augen. Wie schön kühl sie war...

„Morgen“, rief Tetsu gut gelaunt, als er die Küche betrat. Innerlich stöhnte ich auf. Wie konnte er an einem Freitagmorgen nur so munter sein? Sein Schritte näherten sich dem Tisch und im Vorbeigehen legte er seine Hand auf meinem Kopf.

„Alles in Ordnung?“

„Jaja, alles bestens. Sie ist nur ein Morgenmuffel“, sagte seine Mutter und stellte mir eine Schüssel auf den Kopf, ehe ich ihm antworten konnte.

Ich hob meinen Kopf wieder und streckte mich. Von wegen Morgenmuffel. Normalerweise war ich um diese Uhrzeit topfit. Außer ich hatte – wie heute – eine furchtbare Nacht hinter mir. Sie stellte die Schüssel vor mich und stellte Tetsu ebenfalls eine hin, als er sich gegenüber von mir an den Tisch setzte. Wirklich Hunger hatte ich nicht, aber trotzdem zwang ich mich, wenigstens etwas zu essen. Es gab mein Lieblingsessen, Reis mit Fisch, und es tat mir richtig Leid, dass ich nur die Hälfte davon essen konnte. Ich schob die Schüssel von mir weg und stand auf, um ins Bad zu gehen und mich für die Schule fertig zu machen.

„Aiko? Ist alles in Ordnung?“, fragte mich nun auch Tetsus Mutter besorgt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ich sonst immer nach Nachschlag fragte.

„Jaja, alles bestens“, rief ich und schloss die Badezimmertür hinter mir. Ich ging zu dem Waschbecken und sah in den Spiegel. Meine hellblauen Augen waren leicht gerötet und man konnte Schatten unter den Augen erkennen. Außerdem war ich blasser als sonst und auch meine Wangen hatten keinerlei Farbe. Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und blieb nach wenigen Zentimetern bereits hängen. Das sie auch immer so leicht verknoteten.... Ich nahm die Bürste von der Ablage links neben dem Spiegel und fing an meine hüftlangen Haare zu kämmen. Nach einer gefühlten Ewigkeit war ich endlich mit allem fertig und ging zurück in mein Zimmer um mich umzuziehen, da ich immer noch die Sachen von gestern anhatte. Ich nahm meine Schuluniform vom Stuhl und zog sie einig an. Dann sah ich in den Spiegel und überprüfte, ob alles richtig saß. Hier und da zupfte ich noch ein wenig an der Uniform herum, bis ich zufrieden war.

„Beeil dich, Aiko, wir müssen los“, rief Tetsu vom Flur aus.

Ich schnappte meine Tasche und ging eilig in den Flur, um mir meine Schuhe anzuziehen. Tetsu wartete bereits auf mich und hielt mir mein Bento hin, das ich lächelnd annahm, als ich mir die Schuhe fertig gebunden hatte.

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zur Schule, wo uns ein elend langer Schultag erwartete.
 

Erschöpft legte ich meinen Kopf auf die Tischplatte, als endlich der erlösende Gong zum Schulende läutete. Noch länger hätte ich den Mathematikunterricht von Herrn Yamamoto nicht ertragen. Vor allem nicht, weil ich mich nicht einmal auf den Unterricht konzentrieren konnte...

„Gehen wir dann, Aiko?“, fragte Tetsu.

Ich sah auf. Er lehnte sich gegen die Fensterbank und wartete auf eine Antwort.

„Geh du schon mal vor. Ich komme gleich nach“, sagte ich und lächelte.

An Tetsus besorgten Blick konnte ich allerdings erkennen, dass er mir das Lächeln nicht abkaufte.

„Aiko, sei mal ehrlich“, sagte er und stützte sich an meinem Tisch ab. Ich sah mich in der Klasse um, so nah, wie Tetsu mir gerade war, konnte man das leicht falsch verstehen.

„Du kannst dich doch an irgendetwas erinnern oder? Seit gestern Abend verhältst du dich anders. Und du scheinst nicht ganz bei der Sache zu sein. In Mathe weißt du eigentlich immer die Antwort, aber heute konntest du noch nicht mal die einfachsten Fragen beantworten. Du bist total durch den Wind.“

Ich sah auf den Tisch und konnte spüren, wie Tetsu mich mit seinem Blick durchbohrte.

Sofort fing ich an zu zittern und nach einer kurzen Zeit des Schweigens hielt ich es nicht mehr aus. Ich schmiss meine Sachen in die Tasche, sprang auf und ging zur Tür, wo ich mich noch einmal kurz zu Tetsu drehte.

„Weißt du was, Tetsu? Kümmere dich einfach um deinen eigenen Kram und lass mich gefälligst in Ruhe!“

Mit diesen Worten drehte ich mich um und lief los. Ich lief weg von der Schule, von Tetsu... Ich wollte einfach nur weg. Meine Gedanken drehten sich während des Laufens um den Traum und Tränen stiegen mir in die Augen. Nach einer Weile blieb ich stehen und wischte mir mit meinem Ärmel die Tränen aus den Augen. Warum kann ich mich nicht einfach an alles erinnern? Warum kann ich mich nur daran erinnern, dass sie gekämpft haben? Warum kann ich mich nicht an mehr erinnern? Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr musste ich weinen. Ich ließ mich an einer naheliegenden Wand herunterrutschen und vergrub mein Gesicht hinter den Händen.

Nachdem ich mich wieder etwas beruhigt habe, sah ich auf und sah mich in der Umgebung ein wenig um.

Ich lehnte an einem alten Fabrikgebäude, das anscheinend schon vor Ewigkeiten geschlossen worden war. Links und rechts von mir lag nur die Straße, die in Richtung Innenstadt führte. Vor mir lag ein großes Stück Wiese, das zum Fluss herunter führte. Ich stand auf und taumelte etwas. Meine Beine waren wohl eingeschlafen. Auf dem Weg zum Flussufer drehte ich mich einmal kurz um. Ich war mir sehr sicher, dass ich in dem letzten Monat nicht einmal hier gewesen bin, aber trotzdem kam mir das Fabrikgebäude sehr bekannt vor. Wahrscheinlich hatte ich es einmal in der Zeitung gesehen. Ich ging weiter und setzte mich auf die Wiese ans Flussufer. Der Wind blies hier etwas stärker als in der Stadt, aber da die Sonne schien, war es angenehm. Ich ließ mich ins Gras fallen und beobachtete die Wolken, wie sie langsam vor sich hin trieben. Ob Tetsu jetzt sauer war? Ich meine, er hatte es schließlich nur gut gemeint und machte sich Sorgen um mich. Ich hatte keinen Grund, ihn so anzuzicken. Ich griff nach meiner Tasche, die rechts neben mir stand, und legte sie unter meinen Kopf. So war es gleich viel angenehmer.

Ich seufzte. Lange würde ich nicht mehr hier bleiben, denn so lange wollte ich Tetsu nun auch nicht auf eine Entschuldigung warten lassen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf die Wärme der Sonne. Es war warm und entspannend. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, das alle Last von mir abfiel und der Traum wirklich nur ein Traum war, nicht mehr und nicht weniger. Zumindest hatte ich dieses Gefühl, bis mich eine Stimme aus meinen Gedanken riss.

„He, du da! Was machst du hier?“, rief eine männliche Stimme und ich höre, wie Schritte sich näherten.

Ich schreckte hoch und klopfte mir Erde von meiner Uniform, bevor ich mich zu demjenigen umdrehte, der gerufen hatte. Er hatte kurze braune Haare und eine Brille. Dazu trug er einen weiß-schwarzen Umhang und schwarze Stiefel. Der Fremde stand vor der geschlossenen Fabrik und hatte einen Karton dabei. Weit und breit war kein anderer Ort zu sehen, zu dem er gehen könnte. Was wollte er mit einem Karton in einer leeren Fabrik? Versteckte er etwas? Oder... schmuggelte er etwas? Der Braunhaarige stellte den Karton ab und kam auf mich zu. Als er nur noch wenige Meter von mir entfernt war, blieb er stehen und musterte mich misstrauisch. Nach kurzer Zeit verwandelte sich sein misstrauischer Blick jedoch in einen ungläubigen Blick.

„Aiko?“, fragte er überrascht und lächelte.

Ich wich ein wenig zurück. „Wer sind Sie? Und woher kennen Sie meinen Namen?“

Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und nachdenklich sah er mich an.

„Du hast also dein Gedächtnis verloren... Das erklärt einiges“, sagt er leise. „Aiko... ich weiß, du erinnerst dich nicht an mich, aber bitte, komm mit mir mit. Ich habe eine Idee, wie du deine Erinnerungen zurück bekommen könntest.“ Der Fremde kam ein paar Schritte auf mich zu und hielt mir seine Hand hin. Ich nahm meine Tasche und ging ein paar Schritte zurück.

„Aiko...bitte. Ich will dir helfen. Wir machen uns Sorgen um dich. Wir alle.“

„Alle?“, fragte ich verwirrt und ein Lächeln schlich sich auf die Lippen meines Gegenübers.

„Ja, alle“, sagte er und fing an wild zu gestikulieren, „Yumikage, Tsuguri, Tsurugi, Shuhei und ich. Wir alle haben uns riesige Sorgen um dich gemacht.“

Er machte eine kurze Pause und sah mich abwartend an. Alle Namen, die er aufgezählt hatte sagten mir etwas, allerdings konnte ich kein Gesicht und auch keine Eigenschaft einer der Personen zuordnen. Als er merkte, dass ich nicht reagierte, fing er wieder an zu reden.

„Als du noch jünger warst und ich noch nicht lange bei der C3 war, haben Akari und Hayato mich immer damit beauftragt, auf dich aufzupassen oder mit dir zu spielen. Wir waren oft Eis essen. Ich habe dir auch oft aus Märchenbüchern vorgelesen. Wenn ich es mal nicht tat, bist du oft beleidigt gewesen“, sagte er und lachte.

Ein Bild tauchte vor meinen Augen auf. Ich war etwa zehn Jahre alt und lag im Bett. Der Braunhaarige saß auf der Bettkante und las mir aus einem Buch vor.

„Jun'ichiro....“, sagte ich leise und Tränen stiegen mir in die Augen.

„Aiko, komm mit mir mit.“

Für einen kurzen Augenblick war ich wie in Trance und wollte nach seiner Hand greifen, bis ein lauter Knall ertönte.

Ich drehte mich panisch um und rannte los. Ich wollte einfach nur noch weg hier. Weg von der Fabrik. Und weg von demjenigen, der mir so unglaublich vertraut, aber auch so fremd war.

„Aiko! Warte!“, rief er mir hinterher, aber ich rannte nur noch und ignorierte ihn.

Ich wurde erst langsamer, als ich in der Nähe der Pension war. Ich holte einmal tief Luft und versuchte mich wieder etwas zu beruhigen. Mein Herz schlug wie verrückt und ich konnte kaum noch atmen. War das gerade wirklich passiert? Oder war das nur ein Traum? Oder träume ich immer noch? Ich zwickte mich einmal in die Wange um zu überprüfen, ob ich träumte. Es tat weh. Ich kniff mich ein weiteres Mal, diesmal jedoch in den Arm. Es tat immer noch weh. Wie konnte das aber sein? Gestern erst hatte ich einen Traum über meine Vergangenheit gehabt und heute traf ich zufällig jemanden aus meiner Vergangenheit? Solche Zufälle kann es doch gar nicht geben. Die Welt war klein, ja, aber so klein nun auch wieder nicht.

Ich merkte, dass ich mich langsam wieder beruhigte und ging auf die Pension zu. Jetzt brauchte ich nur noch eine Ausrede, wo ich so lange gesteckt hatte. Allerdings war es schwer sich eine Ausrede einfallen zu lassen, wenn ich die Begegnung von eben nicht aus dem Kopf bekam. Ich ging in Richtung der Küche und erwartete bereits großen Ärger, weil ich erst so spät kam, allerdings war es totenstill.

„Ich bin wieder da“, rief ich etwas unsicher und sah mich um. Aber niemand war weit und breit zu sehen. Als nächstes ging ich in das Wohnzimmer und ins Arbeitszimmer, aber auch hier war niemand. Ich sah mich noch einmal genauer um, vielleicht hatten sie einen Zettel geschrieben, auf dem stand, wo sie waren, aber auch von so einem Zettel war weit und breit nichts zu sehen. Ich seufzte und ging zum Küchenfenster. Es war dämmerte bereits. Eine Weile stand ich da und beobachtete, wie das Rot des Abendhimmels dem Schwarz der Nacht wich, bis ich auf die Uhr sah und erschrocken feststellte, dass wir bereits nach sechs hatten. Schnell holte ich alles herbei und fing an das Abendessen zurechtzumachen. Nicht, dass sich die Gäste beschweren.

Nach kurzer Zeit hatte ich alles geschnitten und soweit fertig gemacht, dass es im Kochtopf fröhlich vor sich hin köchelte. Jetzt fehlt nur noch der Reis. Ich setzte Wasser auf und nahm mir einen Stuhl, damit ich an den Reis kam, der - warum auch immer - ziemlich weit oben im Regal platziert wurde. Ich wollte gerade die Schranktür schließen, als jemand „Was machst du da?“ sagte und ich ins Schwanken geriet und nach hinten fiel. Ich schloss die Augen und erwartete den harten Aufprall auf dem Boden, doch als ich die Augen wieder öffnete, fand ich mich in den Armen von Tetsu wieder.

„Alles ok?“, fragte er mich und ich lief rot an.

Schnell sprang ich aus seinen Armen. „A-alles bestens“, sagte ich und nahm die Packung Reis, die neben mir auf dem Boden lag.

Das Wasser kochte bereits und ich machte den Reis soweit fertig, dass er nur noch ziehen musste. Ich räumte noch etwas auf und die ganze Zeit über ließ Tetsu mich nicht aus den Augen.

„Was ist?“, fragte ich ihn irgendwann genervt und sah ihn an. Hatte er nichts Besseres zu tun als mich zu beobachten?

Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

„Ich mache mir einfach nur Sorgen um dich. Du verhältst dich seltsam.“

„Dann bin ich halt seltsam!“, fauchte ich ihn an. „Lass mich einfach in Ruhe!“

Er sah mich mit großen Augen an.

„Aiko, warum weinst du?“, fragte er mich und kam näher.

„Eh?“ Ich wischte mir mit der Hand über die Augen.

Tatsächlich. Aber wieso hatte ich das nicht bemerkt? Ich musste wieder an das Gespräch von eben denken. Der Mann, er kannte mich. Und ich kannte ihn. Zumindest kannte ich ihn aus einer weit entfernten Erinnerung. Ich sank zu Boden. Dieser Mann und ich hatten anscheinend eine engere Bindung zueinander gehabt, so wie er sich mir gegenüber verhalten hatte. Und er kannte meine Eltern. Ich biss mir auf die Lippen. Wieso war das alles bloß passiert? Ich hielt mir die Hände vors Gesicht und mir stiegen immer mehr Tränen in die Augen.

„Das ist nicht fair“, schluchzte ich. „Wieso kann sich jeder erinnern, nur ich nicht?“

Ich spürte, wie Tetsu mich an sich ran zog. Das ich ausgerechnet vor ihm in Tränen ausbrechen musste....

Nach einer Weile hatte ich mich wieder etwas beruhigt und ich wischte mir die Tränen aus den Augen. Gott, war mir das peinlich.

„Geht es wieder?“

„Mhm.“ Mehr brachte ich gerade nicht zustande. Zumindest nicht, ohne gleich wieder loszuheulen.

Wir standen auf und Tetsu machte sich am Kühlschrank zu schaffen. Ich hingegen ging in mein Zimmer und zog mir meine Joggingsachen an. Danach ging ich in die Küche zurück, aber Tetsu war verschwunden. Auch die Herdplatten waren ausgestellt worden.

„Kommst du?“

Ich zuckte zusammen und drehte mich um. Hinter mir stand Tetsu, an den Türrahmen gelehnt, und sah mich abwartend an. Ich nickte und folgte ihm ins Wohnzimmer, wo sich ein Lächeln auf mein Gesicht schlich, als wir es betraten. Auf dem Tisch stand etwas zu Essen und eine schwarze Tasse mit einer dampfenden Flüssigkeit darin, die ich momentan noch nicht zuordnen konnte. Im Fernsehen lief Noragami und an der Decke hing Tetsus Haustier, eine schwarze Fledermaus. Ich setzte mich im Schneidersitz auf die Couch und sah das Essen an. Wie auf Kommando begann mein Magen zu knurren und ich lachte. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie hungrig ich eigentlich war.

„So, und jetzt erzähl mir mal alles“, sagte er und hielt mir die Tasse hin, die ich dankend annahm. Mein Herz klopfte wie wild. Ich seufzte. Wie sollte ich ihm das alles erklären? Ich nippte an dem Getränk. Es war Kakao.

„Danke“, sagte ich freudig und lächelte Tetsu an.

Er erwiederte mein Lächeln und für einen kurzen Moment herrschte Stille.

Ich holte einmal tief Luft, dann drehte ich mich zu ihm und sah ihn ernst an.

„Also“, begann ich. Sollte ich ihm sagen, dass ich angegriffen wurde? „Gestern hatte ich einen Traum. Einen Traum, der mir eine Szene aus meiner Vergangenheit zeigte.“ Ich schloss kurz die Augen und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich daran dachte. „Ich war an einem hellen Ort. Vermutlich war es der Ort, an dem ich lebte. Jedenfalls waren dort auch meine Eltern. Und ein Mann namens Tsubaki.“ Als ich den Namen aussprach, weiteten sich Tetsus Augen und seine Fledermaus stieß einen kurzen Laut aus. Ich sah ihn fragend an, aber als er nichts sagte, fuhr ich einfach fort. „Sie beschützten mich vor ihm und ich wurde von einem Mann weggebracht... Einem Mann, dem ich heute an einem alten Fabrikgelände begegnet bin. Er kannte mich und wollte, dass ich mit ihm komme, aber ich bin weggerannt.“ Ich machte eine Pause und sah in die Tasse. Sollte ich ihm noch von dem anderen Vorfall erzählen? Ob er mir glauben wird, wenn ich ihm sage, dass es Vampire gibt? Und das ich ein Schwert heraufbeschwören kann?

„Aiko, erzähl mir alles, so merkwürdig es auch war“, sagte Tetsu und sah mich ernst an.

„Naja“, fuhr ich unsicher fort. „Eine Sache gibt es da noch. Aber....“

„Nichts aber. Egal wie unnatürlich es auch war, ich glaube dir.“

„In Ordnung“, sagte ich unsicher. Ob er mir wirklich glauben würde? „Also... Ich war gestern Abend noch einkaufen und wurde angegriffen. Und ich weiß nicht warum, aber ich glaube, es war ein Vampir.“ Ich sah ihn unsicher an und konnte an seinen Augen erkennen, dass er unruhig wurde.

„Und weiter? Was ist dann passiert?“

„Ich...ich hatte mit einmal ein Schwert in der Hand, als er mich festgehalten hat...Ich hab einfach nur zugeschlagen und bin weggerannt. Er faselte noch irgendetwas von C3 und -“

„Du bist also eine Magierin, sehr interessant“, ertönte auf einmal eine kindliche Stimme. „Was machst du dann hier? Sollst du uns ausspionieren? Oder uns gefangen nehmen?“

Die Fledermaus flog zu uns und als sie über Tetsus Schoß war, verwandelte sie sich ein kleines Kind, das einen schwarzen Umhang umgebunden hatte, unter dem es einen Anzug trug. Außerdem hatte es noch einen schwarzen Zylinder und ein Monokel an.

Ungläubig sah ich das Kind an. Das ist doch jetzt ein Traum, oder?

„Ich frage dich jetzt zum ersten und einzigen Mal. Wer bist du wirklich?“



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