Zum Inhalt der Seite

Crystal of the Dark

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Vertrauensbeweis

Kapitel 9: Vertrauensbeweis
 

Ein neuer Morgen, ein neues Glück. Sagt man doch so oder?

Nun, wenn ich meine derzeitige Lage so betrachte, würde ich mit diesem Jemand, der diesen Spruch in die Welt gesetzt hat, gern mal ein ernstes Wörtchen reden!
 

Ich komme schon irgendwie damit klar, dass ich mein bisheriges Leben hinter mir lassen muss. Auch, dass es damit zusammen hängt, dass ich eine Dämonin bin - und rein zufällig die Häuptlingstochter vom Wolfsrudel. Ja, ich komme sogar mit dem Muskelkater meiner Nervenzellen zurecht, der sich anfühlt, wie eine Mischung aus vakuumierter Matschbirne und Verkehrsunfall.
 

Aber womit ich nicht klar komme - ABSOLUT nicht! - ist die Tatsache, dass ich hier auf dem ziemlich engen und leicht unbequemen Sofa mit Ian liegen muss! Womit hab ich das bitteschön verdient?!
 

Wie es dazu gekommen ist? Hah! Ganz einfach: Ich. Bin. Zu. Nett!
 

Nachdem wir in den frühen Morgenstunden endlich wieder zurück gekommen waren, wollte ich mich direkt in mein Zimmer verkriechen. Doch Ian, der sich ganz schnell auf das Sofa gekauert hatte, sah aus, wie ein geschlagener Hund. Also bin ich zu ihm, hab mich neben ihn gesetzt und...

Ja, was eigentlich? Wir haben uns eine gefühlte Ewigkeit angeschwiegen gehabt. Weil es mir irgendwann zu blöd wurde, wollte ich aufstehen, doch er hat nur nach meinem Handgelenk gegriffen und mich gebeten nicht zu gehen.
 

Das Ende vom Lied sieht nun so aus, dass ich hier, halb von ihm erdrückt in einem Kuscheltierwürgegriff, liege, hellwach bin, aber nicht aufstehen kann, da jede meiner Bewegungen ihn sofort wecken würde.
 

Also denke ich mich an einen kühleren Ort. Vielleicht einen der Bergseen der letzten Nächte? Eine frische Frühlingsbrise, die über die Wiesen weht. Vögel, die zwitschern an diesem noch recht kühlen Morgen. Ein Erdbeben, das mich durchschüttelt...
 

Warte - was?
 

Schreckhaft reiße ich meine Augen auf, die ich gerade erst wieder geschlossen hatte. Tatsächlich fühlt es sich ein bisschen so an, als würde das Sofa beben.

Mein Kopf fährt zu Ian herum und ich muss einen Schreckenslaut unterdrücken. Sein Atem geht nur stoßweise, seine Züge sind verkrampft, Schweiß hat sich auf seiner Stirn gebildet und immer wieder fährt ein Zucken durch seinen gesamten Körper.
 

Hat er etwa einen Albtraum?
 

Leicht stupse ich ihn an, flüstere seinen Namen, aber das scheint nicht zu helfen. Also befreie ich mich aus seinem Griff, bin dabei so unvorsichtig, wie nur möglich, in der Hoffnung, ihn damit zu wecken. Aber: Fehlanzeige.

Ich rüttle an seiner Schulter. "Ian! Ian, wach auf!" Doch statt der erhofften Reaktion, krampft er sich nun richtig zusammen, schlägt die Fingernägel in seine Oberarme und... wimmert?
 

Was zur Hölle träumt er?
 

Als dann auch noch ein erstickter Schmerzenslaut seine Kehle verlässt, steigt in mir Panik auf. Ich muss ihn wach bekommen!
 

Ich rüttle energischer an seiner Schulter, rufe seinen Namen, zwicke ihn in die Seite, aber nichts erzeugt die erwünschte Reaktion. In meiner Hilflosigkeit verpasse ich ihm dann eine derart heftige Ohrfeige, dass es durch das gesamte Zimmer halt.
 

Ups. Das ist vielleicht ein bisschen zu fest gewesen.
 

Ian schreckt hoch, sieht sich gehetzt im Raum um, scheint aber noch immer nicht richtig wach zu sein. Also setze ich mich vor ihn, versuche seine Hände zu bändigen, die wild um sich schlagen. Seine Augen leuchten bedrohlich grün und ich kann die Kälte seiner Magie deutlich um uns herum spüren.

"Ian! Sieh mich an! Es ist alles in Ordnung, dir passiert nichts. Niemand ist hier. Ian! Hörst du mich?"

Er blinzelt ein paar Mal und endlich scheint er mich wirklich anzusehen. "Aki?"

"Ja. Ich bin hier. Es ist alles gut. Es war nur ein Traum." versuche ich beruhigend auf ihn einzureden.

Sein Ausdruck wird gequält, das bedrohliche Leuchten in seinen Augen verschwindet und sie werden wieder nachtblau. Erschöpft lässt er seinen Kopf auf meine Schulter sinken.
 

Aus einem Reflex heraus lege ich meine Arme um ihn, streiche sanft über seinen Rücken. Es ist eine automatisierte Geste. Denn früher bei meiner Pflegefamilie hatte ich ein jüngeres Geschwisterchen, das auch oft Albträume hatte. Ich war dann immer zur Stelle, um es wieder zu beruhigen. Allerdings hat die kleine Nervensäge mich danach immer wieder sofort beiseite geschoben und so getan, als wäre nichts gewesen.
 

Ob Ian mich auch weg stoßen wird?
 

Ich weiß nicht, wie lange wir so verharrt haben, bevor er seinen Kopf langsam von meiner Schulter nimmt.

"Entschuldige. Ich hätte wissen müssen, dass das passiert."

"Schon okay. Mir macht das nichts aus..."

"Mir aber!" fährt er mich plötzlich an, springt auf und rauscht aus dem Zimmer - vermutlich ins Bad - und lässt mich völlig irritiert zurück.

War ja klar, dass das passieren würde, oder? Mister Unnahbar will sich eben nicht in die Karten gucken lassen. Dabei habe ich ihm lediglich helfen wollen, ganz ohne Hintergedanken. Ich habe seinen Traum ja nicht ergründen wollen. Ich wollte nur für ihn da sein. Mehr nicht.
 

Kopfschüttelnd gehe ich in mein Zimmer, um mir saubere Kleidung zu suchen. Doch das Badezimmer ist ja leider noch besetzt. Also lehne ich mich an mein Fenster und beobachte die Menschen auf der Straße. Und fahre panisch zusammen.
 

Da unten steht Rhea und kramt gerade in ihrer Umhängetasche umher. Sucht sie etwa den Wohnungsschlüssel? Will sie etwa hier rein? Jetzt? Verflucht!
 

Eilig stürme ich aus meinem Zimmer, greife nach meiner Jacke und meinem Schlüssel und flitze die Treppen hinunter. Aber bevor ich die letzten Stufen nehme, fällt mir etwas ein: Ian hat keine Ahnung. Ich sollte ihn zumindest informieren.
 

Also kurz entspannen. Den Geist lösen und seine Aura aufsuchen.

"Ian, Rhea ist hier. Ich weiß nicht warum, aber ich tue mein Möglichstes, damit sie wieder geht." Das war ja leichter als gedacht. So langsam habe ich den Bogen raus.
 

Zufrieden mit mir und meiner Leistung - immerhin habe ich gerade die mentale Kommunikation in meiner menschlichen Gestalt angewendet - setze ich nun meinen Weg fort und laufe meiner besten Freundin direkt in die Arme. Oder... ist sie jetzt meine ehemalige Freundin? Ach, egal, das tut jetzt nichts zur Sache.
 

"Rhea, guten Morgen - so eine Überraschung, was tust du denn hier?"

Überrascht sieht sie mich an. "Das Gleiche könnt ich dich fragen. Ich dachte... du sagtest doch... Ich meine, wolltest du nicht...?" Rhea stottert. Dass ich das einmal erleben darf. Normalerweise ist sie sehr schlagfertig, wenn es um Worte geht.

"Ich muss erst noch einige Vorbereitungen treffen." rede ich mich heraus. Ganz falsch ist es eigentlich nicht. Ian hat gesagt, er muss mir erst einige Dinge beibringen, bevor er mich zu meiner Familie mitnimmt.

Dann fällt sie mir um den Hals und drückt mich fest. Ich kann gar nicht beschreiben, wie gut das tut. Rhea wäre auch weiterhin für mich da, wenn ich das zulassen würde. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen,eine so tolle Freundin wie sie zu haben.
 

Ob Ian auch so einen guten Freund hat? Einen, dem er nicht alles erzählen muss, der aber trotzdem bedingungslos zu ihm steht. Jemand, der ihm einfach Halt gibt, wenn er ihn braucht. Der für ihn da ist, wenn er nicht alleine sein will.

So wie ich in der letzten Nacht für ihn da war.
 

Rhea wirft mir einen fragenden Blick zu und holt mich aus meinen Gedanken. "Ist alles in Ordnung bei dir?"

"Geht schon. Nur die Umstände machen mir etwas zu schaffen."

"Verständlich." dann strahlt sie mich über das ganze Gesicht an. "Ich weiß, was da hilft. Komm!" Sie zieht mich hinter sich her, hält meine Hand ganz fest und eine Welle der Zuneigung überrollt mich.

Vielleicht muss ich unsere Freundschaft doch nicht vollständig aufgeben. Noch nicht zumindest. Ich möchte sie so gerne noch ein klein wenig auskosten und genießen. Wenn ich darf?
 

Die Schwarzhaarige schleppt mich in ein riesiges Einkaufszentrum und scheucht mich durch wirklich jeden Laden. Wir probieren verschiedene Klamotten an, bummeln durch die Geschäfte, lachen zusammen, gönnen uns einen Früchteeisbecher für zwei und genießen unsere gemeinsame Zeit.

Zum ersten Mal seit meinem Geburtstag kann ich unbeschwert lachen und Spaß haben, vergessen, was mich erwartet, was mir noch bevor steht. Nur Ian kann ich nicht aus meinem Kopf verbannen. Immer wieder stelle ich mir vor, er könnte mit uns gemeinsam unterwegs sein und mit uns zusammen lachen. Sicher würde ihm das genau so gut tun wie mir.
 

Vor einem Geschäft mit Abendkleidern bleibe ich dann stehen. Rhea kommt zu mir, umklammert meine Hand und sieht mich mit diesem alles-sagenden, tröstenden Blick an. Sehnsüchtig blicke ich auf das hellgrüne Petticoat-Kleid mit der weißen Spitze. Ich habe lange gespart, um es mir leisten zu können - aber nun werde ich es nicht mehr kaufen müssen. Ich brauche es nicht mehr.

"Du wirst an dem Wettbewerb nicht mehr teilen nehmen, nicht wahr?" fragt sie mich leise und ich schüttel mit dem Kopf.

"Nein. Aber vielleicht finde ich irgendwann einmal einen anderen Grund, um es mir kaufen zu müssen." Denn ohne Grund würde ich mir niemals ein derart sündhaft teures Kleid kaufen, das ich sonst ohnehin niemals tragen könnte.

Rhea zieht mich Richtung Ladentür.

"Was hast du vor?"

"Zieh es an. Nur einmal. Bitte! Für mich." Ihre rehbraunen Augen funkeln mich an - wie könnte ich da noch nein sagen?
 

Keine zehn Minuten später stehe ich zwischen Rhea, der Ladenbesitzerin und dem überdimensionalen Spiegel.

"Gott, Aki, es ist traumhaft! Es betont deine Figur so schön!" schwärmt meine Freundin, die Ladenbesitzerin nickt eifrig.

"Haben Sie die Schnürungen im Rücken bemerkt?" fragte die Dame völlig begeistert und Rhea pflichtet ihr sofort bei. "Und wie fantastisch der Herzausschnitt und der Neckholder alles abrunden?" Wieder nickt Rhea eifrig.

Ich könnte heulen! Ehrlich. Ich kenne die Qualitäten dieses Kleides - ich habe es unzählige Male anprobiert und mich immer wieder von allen Seiten betrachtet. Ich wüsste sogar, wie ich mir die Haare dazu machen könnte und weiß auch genau, wo ich die passenden Schuhe dazu finde.

Aber Fakt ist, ich werde mir dieses Kleid NICHT kaufen. Der Tanzwettbewerb in zwei Monaten ist für mich gestorben. Nicht nur wegen der Aktion von Tommas, sondern auch, weil ich... weil ich nicht mehr in diese Welt gehöre.
 

Wortlos begebe ich mich zurück in die Umkleide und lege das Kleid wieder ab. Ein letztes Mal streichle ich über den Stoff. Das hier bin nicht länger ich. Zeit, mit der Vergangenheit abzuschließen.

Also straffe ich meine Schultern, ziehe den Vorhang der Umkleidekabine zurück und hänge das Kleid zurück. Anschließend verlasse ich den Laden. Draußen atme ich die kühle Frühlingsluft tief ein. Ich glaube, jetzt bin ich endlich so weit.

Rhea stolpert mit fragendem Gesichtsausdruck aus dem Laden. "Was war los?"

"Nichts weiter. Ich habe nur endlich etwas begriffen."

"Und was?" Neugierig schiebt sie sich in mein Gesichtsfeld und grinst mich dabei an.

Ich erwidere ihr Lächeln. "Manchmal muss man die Vergangenheit einfach loslassen, um weiter voran zu kommen. Und wenn einem ein guter Freund dabei zur Seite steht, ist es auch viel einfacher."

Rhea hakt sich glücklich bei mir ein. "Ist doch Ehrensache, Süße!" Lachend zieht sie mich wieder mit sich.
 

Eine Zeit lang schlendern wir noch durch die Straßen, bis ich einen flüchtigen Blick auf eine der unzähligen Uhren riskiere, die an den meisten Läden hängen. Es ist schon reichlich spät. Ich habe nicht nur den gesamten Vormittag, sondern auch einen Großteil des Nachmittags mit meiner besten Freundin verbracht.

"Rhea,..."

Sofort bleibt sie stehen und sieht mich lächelnd an. "Schon okay. Du musst zurück, hab ich Recht?"

"Ja." Geknickt senke ich meinen Blick.

"Lass den Kopf nicht hängen, Aki. Wir sehen uns bestimmt bald wieder. Du bist ja nicht aus der Welt -und ich auch nicht. Soll ich dich noch bis nach Hause begleiten?"

"Nein, musst du nicht. Aber danke."

"Dafür doch nicht."

"Wo schläfst du eigentlich momentan?" Mir fällt gerade ein, dass ich sie ja quasi aus unserer Wohnung geworfen habe, ohne mir Gedanken darüber zu machen, wo sie hin soll.

"Na bei meinen Eltern -wo sonst? Ich hab einfach mein altes Zimmer wieder bezogen."

Ich muss auflachen. Das ist so typisch für die Schwarzhaarige. Aber wenigstens muss ich mir so keine Sorgen mehr um sie machen.
 

Auf halben Wege zwischen unseren Wohnungen verabschieden wir uns voneinander mit einer herzlichen Umarmung. Ich werde Rhea jetzt schon vermissen. Aber vielleicht kann ich sie in den nächsten Tagen doch wieder sehen - ich werde Ian einmal fragen.

So in Gedanken versunken, stoße ich an einer Häuserecke mit jemandem zusammen. "Entschuldigung, ich habe nicht aufgepasst." Ich sehe auf, und sofort läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Der Typ, mit dem ich zusammen gestoßen bin, ist mindestens drei Köpfe größer als ich, bullig, mit einer Narbe über dem rechten Auge, während sein linkes mich mit einem Ausdruck fixiert, der mir so gar nicht behagen will. Dabei kann ich nicht einmal beschreiben, was genau ich da gesehen habe. Gier? Verwunderung? Mordgelüste? Alles zusammen?

Schnell ziehe ich meinen Kopf ein und stiefel zügig an ihm vorbei, spüre seinen Blick in meinem Nacken. Der Kerl ist mir nicht geheuer. Als ich noch einmal einen kurzen Blick über die Schulter werfe, ist er verschwunden. Habe ich mir das Stechen in meinem Rücken dann nur eingebildet?
 

Sicherheitshalber bleibe ich im Schatten der Häuser, mische mich unter die Menschen und wähle einige Wege, die ich sonst lieber meide. Nach einer Weile lässt dieses unbehagliche Gefühl endlich nach, wenngleich es nicht zur Gänze verschwindet. Aber das ist sicher nur die Nachwirkung der unheimlichen Begegnung.
 

"Ian? Hörst du mich? Entschuldige bitte, dass es so spät geworden ist. Ich bin jetzt auf dem Heimweg."

"Ich weiß. Aki?"

"Ja?"

"Sag mir bitte, dass ich mich irre, und du nicht verfolgt wirst."

"Quatsch, ich werde doch nicht..." In dem Moment erblicke ich den grobschlächtigen Kerl wieder, mit dem ich vor wenigen Minuten an der Ecke zusammen gestoßen war. Ein knapper Blick über meine Schulter bestätigt mir, dass da noch ein weiterer Kerl ist, der mich ganz offen angafft und auf mich zuhält. Als ich meine Sinne ausstrecke, nehme ich unheimlich finstere Auren wahr. Entweder sind die Typen abgrundttief böse oder sie planen etwas abgrundttief Böses. "Vergiss, was ich gesagt habe - ich WERDE verfolgt!" damit setze ich meinen Weg eilig fort, biege in eine Seitengasse und beschleunige meinen Schritt noch weiter.

"Verflucht! Sieh zu, dass du da weg kommst, Aki!" Und im nächsten Moment ist Ians Aura verschwunden.

Ich renne durch die Gassen, aber wo auch immer ich hin laufe, es scheint bereits einer von den unheimlichen Kerlen auf mich zu warten. Ich schlage Haken, biege planlos in irgendwelche Seitenstraßen und hoffe damit, meine Verfolger abzuschütteln. Bis ich am Ende selbst nicht mehr weiß, wo ich bin.
 

An einer unbelebten Kreuzung stehen dann gleich drei von den Typen und grinsen mir überheblich entgegen. Als ich zurück will, kommt auch von dort einer auf mich zu. Ein Blick über meine Schulter verrät mir, dass auch der letzte Fluchtweg versperrt wurde.

Verdammt, ich bin eingekesselt! Was soll ich jetzt nur tun? Langsam drehe ich mich um meine eigene Achse. Fünf Kerle, allesamt von einer finsteren Aura umgeben. Das sind keine gewöhnlichen Menschen. Demzufolge könnte ich...

"Tu es nicht, Aki!"

"Ian!" Erleichterung durchströmt mich. Er weiß also, wo ich bin.

"Ich bitte dich, tu nichts Unüberlegtes. Ich bin bereits auf dem Weg zu dir. Vertrau mir. Du darfst ihnen nicht zeigen, was du wirklich bist."

Ich zögere kurz, wäge meine Möglichkeiten ab. "Beeil dich bitte. Die Auren dieser Kerle sind so finster wie ihre Visagen!" Also schön. Ich muss ja nicht ewig weglaufen. Nur noch eine kurze Zeit, bis Ian da ist.
 

Ich weiche den Pranken des ersten Häschers aus, rutsche unter den Beinen eines zweiten hindurch, springe auf und renne die Straße entlang. Einfach immer weiter rennen. Ian ist gleich bei mir.

Doch weit komme ich nicht, denn als ich um eine Ecke biege, befinde ich mich in einer Sackgasse. Als ich mich umdrehe, um zurück zu laufen, sind da bereits drei der Kerle und versperren mir den Weg. Ich sitze in der Falle...

Hinter mir eine Mauer, rechts von mir ebenfalls eine Mauer. Vor mir die schmierigen Typen und links von mir... Eine Lagerhalle?

Ich habe jetzt keine Zeit, mir Gedanken zu machen. Schwungvoll werfe ich mich gegen die Tür und stolper direkt in den muffigen, dunklen Raum. Kopflos renne ich in die Dunkelheit, höre schwere Schritte und hämisches Gelächter direkt hinter mir.
 

Ich stolpere über irgendetwas und schlage der Länge nach hin. Verdammt! Gerade als ich mich wieder aufrappeln will, werde ich grob an den Armen gepackt und auf meine Füße gezerrt.

"Sieh doch mal einer an. Da ist uns aber was besonders Hübsches ins Netz gegangen." höre ich eine Stimme links von mir. Der raue, gefährliche Ton darin behagt mir ganz und gar nicht.

"Und du bist dir sicher, dass sie eine Dämonin ist? Das war ja fast zu einfach." Die Stimme gehört einem anderen der Kerle. Er steht etwas weiter weg von mir. Zu weit, um in meiner Reichweite zu sein - oder ich in seiner.

Aber direkt rechts hinter mir steht noch einer. Wo die anderen beiden sind, weiß ich nicht.

"Ja, sie ist eine Dämonin. Aber noch jung. Sie muss vor Kurzem erst erwacht sein." bestätigt der Erste.

"Was wollt ihr von mir?" zische ich. Ich muss Zeit schinden, bis Ian endlich hier ist. Er wird kommen. Er wird mich finden.
 

Dreckiges Lachen hallt durch die dunkle Lagerhalle. Na gut, wenn sie mir keine Antworten geben wollen - ich werde nicht darauf warten! Ein gezielter Tritt hinter mich und der Typ, der meine Arme im Schraubstockgriff hielt, lässt jaulend los. Ich tauche unter ihm hindurch, um dem Zweiten zu entgehen.

Und dann tauchen vor mir die anderen beiden Auren auf. Bedrohlich. Und viel zu nah.

"Aber, aber, kleines Mädchen. Wo willst du denn hin? Dir sollte doch bewusst sein, dass du allein gegen uns sowieso keine Chance hast."

In dem Moment streift mich ein kühler Luftzug und ein diabolisches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. "Ich bin niemals allein!"
 

Ein gellender Schrei und ein ersticktes Gurgeln erfüllen die Halle und kurz darauf fallen zwei schwere Körper dumpf zu Boden.

"Was...? Das.. das... wie ist das möglich? Warum bist du hier, Kori?" fragt der Typ, der mir eben noch weiß machen wollte, dass ich keine Chance gegen sie hätte, mit zitternder Stimme.

Direkt danach schießt etwas Kaltes links und rechts an mir vorbei und wieder fallen Zwei in den Staub.

"Es geht dich eigentlich nichts an..." schneidet Ians eiskalte Stimme durch den Raum. Er steht direkt vor dem Kerl, drückt ihm seine Hand auf's Gesicht und kalter Dampf steigt auf. "Ihr wolltet Hand an meine Schülerin legen. Ich mag es nicht, wenn man meine Schützlinge bedroht. Fahr zur Hölle!" Ein unschönes Knacken ertönt, dann sackt auch der Letzte zu Boden.
 

Kurz darauf finde ich mich in einer besitzergreifenden Umarmung wieder und weiß gar nicht so recht, wie mir geschieht. Dieser rasante, emotionale Wandel von eiskalt zu freundschaftlich warm ist gerade doch etwas zu schnell.

"Ist dir auch nichts passiert? Haben sie dir irgendetwas angetan?" flüstert er.

Leicht schüttle ich den Kopf. " Alles in Ordnung. Mir ist nichts passiert. Du warst ja da, um mich zu beschützen."

"Es tut mir Leid, dass ich nicht schneller bei dir sein konnte."

"Du musst dich nicht entschuldigen." Dann herrscht ein kurzes Schweigen, in welchem ich einfach nur seine Umarmung genieße. Es ist das erste Mal, dass er sich so offen um mich sorgt. Bis mir etwas einfällt und Neugier die Oberhand gewinnt. "Warum hat der Kerl dich eigentlich 'Kori' genannt?"

Ian lacht leise auf. "Ich sagte doch bereits; ich habe viele Namen unter den Dämonen."

Stimmt. Das sagte er. Damals, bei unserer allerersten Begegnung.
 

"Danke, dass du auf mich gehört hast. Wenn sie gewusst hätten, mit wem sie es zu tun haben, hätten sie ebenfalls ihre Kräfte entfesselt, und dann wäre es nicht so leicht geworden, dich zu retten." Er klingt ehrlich erleichtert und dankbar.

"Wer waren diese Typen überhaupt?" angewidert starre ich auf die leblosen Körper.

"Abtrünnige. Engel wie Dämonen." kommt die knappe Antwort von meinem Retter.

"Was passiert jetzt? Was machen wir jetzt mit ihnen? Wir können sie ja schlecht hier liegen lassen."

"Das erledige ich schon." Damit löst er sich von mir.

"Und was machst du mit ihnen?" Ich lerne es einfach nicht, meine Neugier zu zügeln, doch Ian quittiert es nur mit einem kurzen Schmunzeln.

"Ihre Seelen waren bereits so verdorben, dass ihre Körper nur noch an einen Ort können: ins Loch der schwarzen Seelen. Sie werden ohnehin zu Schatten werden. Besser es geschieht dort und nicht hier."

Eine Gänsehaut jagt mir über den ganzen Körper. Ich habe nicht vergessen, was Ian mir über diesen Ort berichtet hat.

"Ich werde allein gehen und nehm die Taugenichtse hier mit. Warte bitte hier auf mich, ich möchte nicht riskieren, dass dir erneut etwas zustößt." Er legt seine Hand auf meinen Kopf und streicht liebevoll darüber. Dann dreht er sich zu den fünf Körpern, lässt seine Magie wirken und eröffnet eine Art Portal. Augenblicklich scheint es die Unholde zu sich zu ziehen.

"Ach ja, Aki..." wendet mein Mentor sich noch einmal an mich und wirft mir dabei ein charmantes Lächeln zu, welches mein Herz zum Stolpern bringt. "Danke. Für heute Morgen und dafür, dass du keine Sekunde an mir gezweifelt hast. Ich weiß das zu schätzen. Wirklich. Danke." Und dann verschwindet er, das Portal ebenfalls und ich bin wieder allein.
 

Aber dieses Mal habe ich keine Angst. Ich weiß, Ian wird gleich zurück sein, und irgendwie habe ich jetzt das Gefühl, dass er mir endlich vertraut.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück