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Shapeless Dreams

[Atem center]
von

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Seine Last

„Atem, du bist nicht wachsam genug. Du musst nicht nur mit den Augen sehen, sondern mit deinem ganzen Körper!“, hörte er die Stimme seines Lehrmeisters, der ihm mit seinem Bambusstab in die Seite schlug und ihn in Windeseile in die Knie zwang.
 

„Es bringt Euch nichts, nur mit Euren Augen zu sehen. Ihr müsst Euer Herz öffnen, Euren Körper beherrschen und vor allem müsst Ihr Eurem Instinkt vertrauen.“
 

„Das weiß ich doch!“
 

„Atem, ich meine es nur gut mit Euch.“
 

„Pah! Ich bin der Sohn des Pharaos und Ihr wagt es, mich zu belehren, als wäre ich ein kleines Kind? Ich bin der zukünftige Herrscher Kemets!“
 

„Ihr mögt der Sohn des Pharaos sein und der Linie der Götter entstammen, doch auch Ihr müsst lernen, Euch im Kampf zu verteidigen. Es wird immer wieder Widersacher geben, die unseren Frieden bedrohen werden und uns um den Nil beneiden werden. Der Nil ist die Quelle allen Lebens. Nur weil die Götter uns dieses Geschenk übergeben haben, sind wir so stark und deshalb müssen wir uns jeden Tag aufs Neue beweisen. Auch Ihr, Prinz Atem, müsst die Stärke besitzen, Eurer Land, Eurer Volk und den Segen der Götter zu bewahren.“
 

Der kleine Junge grummelte. Jeder verlangte von ihm Perfektion. Er durfte sich keinen Fehler erlauben. Ob Mathematik, Astrologie oder die Kunst des Schreibens – kein einziger Fehler wurde toleriert und hart bestraft. Jeden Tag musste er sich anhören, dass er der Sohn des großartigen Pharaos war. Akhenamkhanen – der gütige Herrscher, der die Hethiter vertrieben hatte und den langersehnten Frieden brachte. Atem hasste es, dass sein Vater so glorifiziert wurde, denn dadurch, dass er in so hohen Tönen gelobt wurde, wurden die Fußstapfen, die er zu füllen versuchte, nur noch größer. Ein riesiger Schatten legte sich über ihn.
 

Als Sohn des Pharaos nahmen die Menschen Abstand von ihm. Keiner im Palast zeigte Interesse an ihm als Person. Jeder sah nur den zukünftigen Herrscher, der noch zu unreif war und viel zu lernen hatte. Selbst Mahaad, der mittlerweile zum Träger des Millenniumrings ausgebildet wurde, ermahnte ihn jedes Mal, dass er sich mehr wie ein richtiger Herrscher benehmen musste. Mahaad war ein Waisenkind, das Pharao Akhenamkhanen in seiner unendlichen Güte aufgenommen hatte und in den Palast brachte, wo es in den Künsten der Magie gelehrt und somit zu einem mächtigen Soldaten für das Königreich ausgebildet wurde.
 

„Atem! Ihr träumt schon wieder! Erhebt Euch und nehmt die Waffe in die Hand“, brüllte sein Lehrmeister und Atem zuckte merklich zusammen.
 

Er biss die Zähne zusammen, griff nach dem Holzschwert und umklammerte den Griff in seinen Händen, ehe er sich wie ein gefährlicher Löwe in die Richtung seines Lehrmeisters schwang und mit voller Kraft ausholte, um diesen von den Füßen zu fegen und die Oberhand zu gewinnen. Es war ein Trainingskampf. Trotzdem verletzte es seinen Stolz, wenn man auf ihn herabblickte. Atem wollte nicht, dass man ihn mitleidig ansah, denn er würde schon bald der Herrscher dieses Landes sein und als solcher verdiente er Respekt und Demut! Sein Lehrmeister grinste nur amüsiert. All seine Kraft war nicht genug, um diesen Mann umzuwerfen. Als er seine Waffe zurückziehen wollte, griff sein Lehrmeister nach der hölzernen Klinge, zog den jungen Prinzen näher zu sich und verpasste ihm einen heftigen Tritt in die Magengrube, sodass dieser keuchend und winselnd zu Boden ging.
 

„Glaubt Ihr wirklich, dass ein Frontalangriff bei einem übermächtigen Feind die beste Entscheidung ist? Hach, es bricht mir das Herz, zu sehen, dass Ihr einfach keine Fortschritte macht und es immer wieder aufs Neue mit roher Gewalt versucht. Euer Vater wäre enttäuscht“, spöttelte der Krieger und seufzte laut hörbar. Atem riss der Geduldsfaden.
 

„Mein Vater ist ein bettlägriger alter Mann, der nur noch vor Schmerzen stöhnt! Diese Krankheit wird ihn schon bald dahinraffen! Ob es Euch gefällt oder nicht, ich werde der neue Pharao dieses Landes und es würde Euch guttun, mich nicht zu beleidigen! Denn ich bin nicht wie mein Vater! Ich bin nicht er!“, stieß er keuchend hervor und wurde mit jedem Wort lauter.
 

Ich bin nicht er. Ich bin ein eigener Mensch! Nettigkeit allein kann niemanden retten, dachte er, während er den Sand unter sich anstarrte, noch einmal nach seinem Schwert griff und ohne weiter darüber nachzudenken, einen blitzschnellen Angriff startete und seinen Lehrmeister überraschte, der durch den harten Schlag gegen seine Knie das Gleichgewicht verlor und zu Boden ging. Ungedämpft landete er auf dem harten Sand und kniff kurz seine Augen zusammen, als er diese wieder öffnete, stand der junge Prinz vor ihm und richtete nicht nur seine scharfe Klinge, sondern auch seinen scharfen Blick auf ihn.
 

Eine kleine Brise kam auf, die die Dattelpalmen, Feigenbäume und Sykomore des Palastgartens erfasste und die Schatten zum Tanzen brachte. In diesem Moment schien die Zeit stillzustehen.
 

Sein Lehrmeister starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. In diesem Jungen steckte großes Potential. Seine Amethystfarbenen Augen fixierten ihn, seine Iriden waren verkleinert und als er den kleinen Prinzen so vor sich stehen sah, wusste er, dass er wie ein stolzes Tier auf ihn herabblickte, der seine Beute erlegt hatte. Seine Sinne geschärft und sein Gefühl abgetötet. Atem hatte seinem Instinkt vertraut und seinen Kopf abgeschaltet. Ohne Anzeichen von Angst thronte er über seinen Lehrer und ließ nicht locker, seine Klinge baumelte nur wenige Millimeter vor dessen Augen und er hörte das aufgeregte Pochen seines Herzens und das Rauschen in seinen Ohren. Atem hatte jegliche Zweifel besiegt. In seinem Blick lag... Zorn. Diese Bestie zu zähmen und ihn zu einem würdigen Herrscher des Landes zu formen, würde ein hartes Stück Arbeit werden.
 

„Wagt es nie wieder, auf mich herabzublicken. Ich bin Atem! Sohn der Götter!“, zischte er und warf das Schwert zu Boden, drehte sich um und verließ den Palastgarten. Sein Lehrmeister starrte ihm noch einige Minuten wortlos hinterher. Aus diesem Jungen würde ein mutiger Kämpfer werden, doch auch fürchtete er den Schatten in seinen Augen, diese Finsternis, die so ganz anders war als bei seinem Vater. Er hatte ein feuriges Temperament und tat sich sehr schwer damit, die Hilfe anderer anzunehmen und glaubte, dass er alles allein schaffen konnte, sofern er es nur immer wieder versuchte und nicht nachgab. Der Lehrmeister befürchtete, dass dieses einzelgängerische Gehabe des Prinzen eines Tages sein Untergang sein würde und nicht nur ihn, sondern auch das gesamte Reich in Gefahr bringen würde.
 

Atem stapfte durch den Palast und erreichte die königlichen Privaträume. Alle Bediensteten, die seinen Weg kreuzten, verneigten sich wortlos vor ihm und behandelten ihn mit größten Respekt. Doch Atem hasste es. Er wollte genauso wie die Kinder der Stadt draußen spielen, herumtollen, Geschichten hören und im Nil fischen. Doch jeder Tag in diesem Palast war genau geplant. Sein Unterricht ging von morgens bis abends. Die langen Tempelbesuche und die Zeremonien, die den Göttern huldigten und ihre ewige Treue und Dankbarkeit bewiesen, so auch die Audienzen mit Adeligen der Oberstadt strengten ihn an, zerrten an seinen Kräften. Als sein Vater krank wurde, musste Atem weitaus mehr Verpflichtungen übernehmen. Und schon bald würde sein Vater nicht mehr unter ihnen weilen.
 

Der Gedanke, dass sein Vater ihn verlassen würde, war einerseits schmerzhaft, doch er wusste, dass die Götter ihn mit offenen Händen und Herzen aufnehmen würden. Immerhin hatte er das heilige Land Kemet verteidigt und die Bedrohung des Ostens zurückgedrängt und den Frieden gebracht, auf den das ganze Land sehnlichst gewartet hatte. Atem war nun 12 Jahre alt und somit alt genug den Thron zu besteigen. Zumindest formal. Erst mit 13 würde er als volljährig gelten, doch er hoffte, dass sein Vater noch möglichst lange unter ihnen weilen würde. Nicht, weil er ihn leiden sehen wollte, sondern weil er ihn als Stein in der Brandung brauchte. Auch wenn Atem immer wieder darauf beharrte, bereits alt genug zu sein, um seine eigenen Entscheidungen zu treffen, so war er im Herzen noch lange nicht erwachsen genug, um Abschied von seinem geliebten Vater zu nehmen und ohne ihn seinen Weg zu bestreiten.
 

Wie nur, Vater? Wie nur soll ich Eure Fußstapfen füllen? Wie das Land einen? Bin ich überhaupt stark genug, mich dieser Herausforderung zu stellen? Werde ich die Erwartungen des Volks erfüllen können? Eure Nettigkeit war es, die das Land gespalten hat, weil Ihr zu lange gewartet habt. Ich darf diesen Fehler auf keinen Fall wiederholen, ich muss gütig, aber vor allem streng und gerecht sein, so wie es in den Schriften der Maat steht.
 

Gerade als Atem in seine Gemächer verschwinden wollte, hörte er Schritte, die sich zügig näherten. Erwischt. Das war es dann wohl mit seiner Ruhe.
 

„Da seid Ihr, mein Prinz!“
 

Atem keuchte genervt und blieb einfach nur stehen, ohne sich umzudrehen. Er erkannte diese Stimme sofort.
 

„Was wollt Ihr, Mahaad?“
 

„Das sollte ich Euch fragen. Ihr schwänzt Euren Unterricht und das ziemt sich für einen zukünftigen König nicht. Ihr solltet Euch schämen, Atem!“
 

„Pah! Ihr habt mir gar nichts zu sagen. Ihr seid nichts weiter als ein Findelkind. Mein Vater hatte Mitleid mit Euch, nur deshalb seid Ihr hier. Ihr entstammt nicht mal einer adligen Familie. Ihr seid ein Schmarotzer, der sich in den Palast gemogelt hat! Warum sollte ich auf Euch hören?“
 

„Weil ich Eurer einziger Freund bin und immer hinter Euch stehen werde. Ganz egal, wie oft Ihr mich beleidigt und wie oft Ihr mich von Euch stoßt, ich stehe loyal hinter Euch.“
 

„Ja, weil mein Vater Euch darum gebeten hat! Es ist Eure Pflicht! Es ist nicht so, als würdet Ihr oder sonst irgendjemand sich für mich interessieren, also steckt Euch Eure Loyalität sonst wohin!“
 

Atem drehte sich um und betrachtete den Jungen mit den Schulterlangen braunen Haaren, warf ihn einen missmutigen Blick zu und hoffte, dass er sich endlich zurückzog. Er wollte einfach nur seine Ruhe haben! Er hatte genug von all den Regeln und Verpflichtungen. Von den Erwartungen anderer, die ihn zu fesseln versuchten. Er war ein Gefangener in einem goldenen Käfig. Ein Vogel, den man dazu zwang, stets die schönsten Lieder zum Besten zu geben und wenn keine lieblichen Töne hervorkamen, pikste man ihn solange, bis seine Haltung korrigiert wurde. Sowohl die Priester als auch seine Lehrmeister sahen auf ihn herab und sein Vater war mittlerweile zu krank, um sich einzumischen. Nicht, dass er Schutz von ihm verlangt hätte.
 

Mahaad seufzte, dann verschränkte er die Arme.
 

„Eine Stunde.“
 

Atem legte den Kopf fragend schief und wiederholte diese Worte.
 

„Lasst uns in den Weingarten gehen, ein paar Trauben verkosten und dann zum Gartenhof gehen, wo Ihr Euch im Wasserbecken abkühlen könnt.“
 

„Pah! Ich brauche Eure Erlaubnis nicht und noch viel weniger möchte ich Euch in meiner Nähe haben! Mein Vater schickt Euch, ist das nicht so? Ihr seid ein Spitzel und sollt meinem Vater von meinem Versagen berichten. Nur zu, sagt Ihm, dass sein Sohn nicht wie er ist und seine eigenen Entscheidungen treffen kann!“
 

„Nichts dergleichen werde ich tun. Ich bin Euch treu ergeben. Ihr wollt eine Pause? Gut, ich werde Euch decken.“
 

Atems Blick wanderte hin und her. Mahaad ist wie ein Sohn für Vater. Ich kann ihm nicht vertrauen. Er will mich nur reinlegen und verpetzen. In diesem Palast kann ich niemanden trauen! Ich... bin ganz allein auf mich gestellt.
 

„Haut ab und lasst mich in Ruhe! Ich bin der Prinz, also verneigt Euch vor mir und fleht um meine Gnade!“
 

Mahaad ging auf die Knie. Sein Haar fiel auf den Boden. Perplex öffnete Atem den Mund und konnte nicht anders, als das merkwürdige Verhalten des Jungen vor ihm zu hinterfragen.
 

Mahaad war ein Waisenkind aus einem der äußeren Bezirke, die im Krieg gegen die Hethiter gefallen waren. Die äußeren Dörfer waren bis heute nicht aufgebaut worden und die Menschen, die dort noch lebten, lebten in absoluter Armut. Sie litten Hunger und Durst. Ihr Glaube an die Götter war erschüttert und sie zollten auch ihrem Herrscher – dem gutmütigen Pharao Akhenamkhanen – keinen Respekt mehr und gaben ihm die Schuld an ihren Verlusten. Atem hatte nur Gerüchte gehört.
 

Heimlich hatte er die Händler, die den Empfangshof betraten und teure Waren und Güter als Steuerabgaben überbrachten, ausgefragt und Informationen gesammelt. Der dreijährige Krieg hatte viele Opfer gekostet, jedoch hauptsächlich Soldaten und die Menschen der Unterstadt. Die Unterschicht glaubte daran, dass Akhenamkhanen absichtlich so lange gewartet hatte und die Opfer wissentlich in Kauf genommen hatte, um somit mehr Land verpachten zu können und höhere Steuereinnahmen fordern zu können. Gerade die Ärmsten zweifelten an ihrem Herrscher und nicht gerade wenige hassten ihn für seine Entscheidung, die Angriffe des Feindes nicht sofort erwidert zu haben.
 

Während Akhenamkhanen und die Adligen der Oberschicht süßen Wein tranken und schöner Musik lauschten, wurden die Menschen in den äußeren Bezirken erbarmungslos abgeschlachtet und sämtliche Hilferufe wurden ignoriert, gleichzeitig gab sich der Pharao als gütiger Herrscher, der weder Konflikt noch Kampf wollte und einen friedlichen Weg suchte und nach Verhandlungen strebte. Atem war damals noch zu jung gewesen, um die Ausmaße des Krieges zu verstehen, doch er hatte eines begriffen: die Güte seines Vaters, sein Wunsch nach Frieden und seine Angst den Angriff zu erwidern, hatte viele Leben gekostet und dazu geführt, dass das Land gespalten wurde.Unmut machte sich breit und Atem wusste, dass dieser Unmut, das Gefühl ungerecht behandelt worden zu sein, sein Erbe sein würde.
 

Man munkelte, dass die Überlebenden der Stadtränder einen Widerstand gegen den Pharao und das herrschende Königsregime aufgebaut hatten und sich gegen die geltenden Gesetze Kemets stemmten. Sie zahlten keine Steuern und griffen Soldaten an.
 

Das ehemalige Handwerker Dorf Kul Elna lag ebenfalls in den äußeren Bezirken Kemets. Jahrelang hatten sie dem Königreich treu gedient und hatten beim Bau der Grabmäler und Pyramiden geholfen. Doch als der Krieg ausbrach, waren sie die ersten Opfer. Ihre Loyalität hatte sich in Hass verwandelt. Ihre Häuser und Bauten wurden zerstört und man hatte ihre komplette Existenzgrundlage vernichtet. Doch der Pharao war zu beschäftigt, andere Bezirke zu verteidigen und kam erst nach dem verheerenden Angriff im Dorf an. Die Soldaten des Königs wurden ausgebuht und man hatte sie mit Steinen – den Überresten ihrer Häuser – beworfen und sie davon gejagt. Das einst so geschätzte Dorf der Handwerker wurde zum Dorf der Räuber gewandelt und gab jenen Zuflucht, die ebenfalls vom König im Stich gelassen wurden. Sie zahlten keine Steuern mehr und da sie nicht bereit waren, zu verhandeln, hatte Akhenamkhanen verlauten lassen, dass man sie in Ruhe lassen sollte.
 

Ihr Handelsabkommen war ungültig und das Dorf musste sich von nun an selbstständig gegen die Angriffe ihrer Feinde verteidigen. Wie viele andere Bezirke auch, waren sie zu weit von der Hauptstadt entfernt, als dass man sämtliche Soldaten dorthin schicken konnte und so brach der Kontakt vollständig ab. Wanderer und Händler wussten, dass man sich dem Dorf nicht mehr nähern durfte. Jeder, der sich in die Nähe des Dorfes wagte, wurde mit Pfeilen beschossen und diejenigen, die die spitzen Pfeile, die sich in ihr Fleisch bohrten, überlebten, wurden im Dorfzentrum gesteinigt, während die Bewohner der Stadt diesem Fest zujubelten. Man hörte viele Schauergeschichten über Kul Elna.
 

Atem war sich im Klaren, dass nicht nur Kul Elna, sondern auch viele andere kleine Städte und Dörfer sich nach dem Krieg gegen ihren König gewandt hatten und nun als Abtrünnige lebten, die sich gegen das Königshaus stellten und zur Not auch für ihre Rechte und Freiheit kämpften. Atem würde ein zerrüttetes Land erben. Er würde der Herrscher eines gespaltenen Landes und es würde seine Pflicht sein, die Wunden des Krieges zu versorgen und die Narben verblassen zu lassen. Die Erwartungen an ihn waren groß, ebenso der Druck und seine Angst zu versagen. Atem hatte sich daran gewöhnt, alles allein schaffen zu müssen. Er musste stark sein, durfte keine Hilfe annehmen und niemanden vertrauen.
 

Als Sohn des Pharaos und rechtmäßiger Erbe des Throns hatte er viele Feinde, die in den Schatten lauerten und nur auf eine Unachtsamkeit warteten. Es war gerade mal drei Monate her, dass ein Bediensteter mit einem Küchenmesser auf ihn losging und den Thronerben zu töten versuchte. Man hatte den Dissidenten in die Kellergewölbe gebracht, ein unterirdisches Verlies, in denen Menschen, die die Gesetze der Maat missachteten, gezüchtigt wurden und auf den rechten Weg zurückgeführt wurden. Atem war es nicht erlaubt diesen Ort zu betreten. Nur der Pharao und seine sechs treuen Priester durften die unterirdischen Gemäuer betreten.
 

Missmutig betrachtete Atem den Jungen vor sich. Mahaad war ihm loyal ergeben, doch er wollte ihm nicht vertrauen. Er durfte auf keinen Fall zulassen, dass diese Güte, die seinen Vater so sehr geblendet hatte, seinen scharfen Blick auf die Realität verschleierte. Er musste streng sein und das Gesetz und Recht schützen, selbstbewusst sein und wahre Präsenz zeigen, die den Göttern gleichkam, mutig sein und sein Land auch in Zeiten des Krieges an erster Front verteidigen, stolz sein und die ihm auferlegte gewichtige Rolle füllen und Milde zeigen, wo sie angebracht war. Die Tugenden eines Herrschers, die ihm seit er denken konnte, tagtäglich eingebläut wurden. Er durfte sich nicht von einem falschen Lächeln und gespielter Treue täuschen lassen und musste stets wachsam sein.
 

„Erhebt Euch, Mahaad“, murmelte Atem und wandte den Blick ab.
 

„Ich, Prinz Atem, Sohn der Götter und rechtmäßiger Thronerbe, gestatte es Euch, mir zum Weingarten zu folgen.“
 

„Ihr seid zu gütig, mein Prinz“, antwortete Mahaad monoton und stand nun auf. Da Mahaad zwei Köpfe größer war, warf ihm Atem einen mürrischen Blick zu.
 

„Hört auf, auf mich herabzusehen.“
 

„Ich verstehe Euch nicht. Was meint Ihr?“, fragte Mahaad vorsichtig nach.
 

„Schon bald werde ich größer sein als Ihr! Mein Vater, meine Mutter und all meine Familienangehörige sind sehr groß und auch ich werde bald über Euch ragen!“
 

Mahaad lächelte. Es waren vier Jahre, die die beiden trennten.
 

„Selbstverständlich, mein Prinz.“
 

[Kapitel 2]
 

Seine Sünde

Atem drehte sich grummelnd um und begab sich in Richtung des Weingartens, wo die Weinreben bereits Früchte trugen und im feuchtwarmen Klima gut gediehen. Neugierig lief er zwischen den Reben umher und betrachtete die Pflanzen genau. Er wollte keine Früchte verspeisen, sondern hielt seine Augen auf, um kleine Lebewesen zu entdecken. Wenn er etwas Glück hatte, würde er vielleicht einen Skarabäus sehen.
 

Ich wünschte, ich dürfte in die Unterstadt oder zum Nil. Wie gern würde ich mal ein echtes Krokodil sehen. Einen Skarabäus, der nicht aus Holz geschnitzt oder Stein gehauen wurde. Oder gar einen Heiligen Ibis! Aber ich bin noch nicht volljährig und als zukünftiger Pharao darf ich solche kindischen Gedanken gar nicht haben, sinnierte Atem vor sich hin und ging vor eine der Pflanzen in die Knie, schien den Boden, der erst vor wenigen Stunden bewässert wurde und noch feucht war, genau zu observieren. Mahaad stand nur wenige Schritte hinter ihm und hinterfragte sein Tun nicht.
 

„Ich habe gehört, dass es am Wasserbecken in letzter Zeit öfter Frösche geben soll“, sagte er eher beiläufig. Atem zuckte kurz zusammen.
 

„Pah, wen interessieren schon Frösche? Ich studiere die Weinreben und gehe sicher, dass die nächste Ernte gut ausfällt und wir weiterhin süßen Wein haben!“
 

„Natürlich tut Ihr das, mein Prinz.“ Mahaad musste sich das Grinsen verkneifen.
 

„Aber ich sollte vorsichtshalber einen Blick auf das Wasserbecken werfen, um sicherzugehen, dass“, er machte eine kurze Pause und suchte nach den richtigen Worten, ehe er weitersprach, „alles in Ordnung ist und keine groben Verschmutzungen sich dort befinden. Frösche sollten sich lediglich in den Palastgärten aufhalten und nicht in unserem Badebereich!“
 

„Ihr habt vollkommen Recht, mein Prinz. Sollten sich dort Frösche aufhalten, werde ich sie für Euch einfangen und an ihren Platz zurückbringen“, kam es folgsam von dem Brünetten, der sich leicht verneigte und immer noch mit einem amüsierten Grinsen kämpfte.
 

„Genau! Alles hat seinen Platz und die Weltordnung muss bewahrt werden. Als zukünftiger Herrscher ist dies nur eine kleine Herausforderung für mich, die mich auf meine späteren Aufgaben als Hüter der Maat vorbereiten wird. Mit Spaß hat das nichts zu tun“, brodelte es aus dem jungen Prinzen hervor, der etwas zu schnell in Richtung Ausgang lief und viel zu offensichtlich mit jedem Schritt sein Tempo beschleunigte und es sehr eilig hatte schnellstmöglich beim Wasserbecken anzukommen.
 

Ihr mögt der zukünftige Herrscher des Landes sein, aber auch Ihr solltest das Recht haben, ab und zu die Welt zu sehen und abzuschalten. Priester Akhenaden und Priester Siamun Muran werden sicher wütend werden und ich werde mir eine sehr lange Standpauke anhören müssen, aber das ist es mir wert. Kleiner Prinz... ich werde immer für Euch da sein. Bitte verzeiht mir meine Sünde.
 

Sie betraten den mittleren Teil des Palastes, wo der Gartenhof mit seinem großen Wasserbecken auf sie wartete. Baumreihen an den Seiten boten den Badenden Schatten und sorgten für ein angenehmes Klima. Das Wasserbecken war aus dem Stein geschlagen und war verziert mit bunten Abbildungen ihrer Götter, die Säulen an den Seiten erzählten Geschichten, die von den Taten und Tugenden der Göttern handelten. Atem mochte diesen Ort. Hier konnte er etwas Ruhe finden. Da es früher Vormittag war, würden die meisten Angestellte im Palast nun mit den Vorbereitungen des Mittagessens beschäftigt sein oder die Empfangshalle schmücken, wo doch wichtige Gäste erwartet wurden. Eine Händlerkarawane aus der Stadt Theben, die Opfergaben und Geschenke zum Tempel im Palast brachten, wurde erwartet und würde einige Tage bleiben.
 

Aber Atem interessierte sich dafür nicht. Diese Händler würden nur mit seinem Vater sprechen wollen, welcher sich krank aus seinem Bett quälen würde und mit einem netten Lächeln und seinem warmen Lachen seinen schlechten Zustand überspielen würde. Nachdenklich starrte er das Becken vor sich an, betrachtete die Wasseroberfläche und wartete darauf, dass sich irgendetwas rührte. Mahaad stand wortlos hinter ihm und beobachtete ihn.
 

Woran Ihr wohl denkt, mein Prinz?, fragte sich Mahaad und beobachtete den Jungen vor sich, der verträumt auf das Wasser sah und weiterhin darauf beharrte, hier einen wichtigen Job zu verrichten. Mahaad fand das Verhalten des jungen Prinzen amüsant. Bevor Pharao Akhenamkhanen krank wurde, hatte er sich häufig in Vasen versteckt, um sich vor seinen Pflichten zu drücken. Mittlerweile war er selbstbewusst genug, um sich nicht mehr zu verstecken, sondern mit erhobenem Haupt seinen Unterricht zu schwänzen. Es war lange her, dass er Atem zufällig beim Vorbeigehen in einer Vase erspähte und wenn er ehrlich war, ersehnte er diese Zeiten zurück. Atem war noch ein Kind, welches dazu gezwungen wurde, erwachsen zu werden, um schon bald den Thron zu besteigen und die Aufgaben des Pharaos zu übernehmen.
 

Es ist meine Schuld, dass Ihr so schnell erwachsen werden müsst. Hätte ich Eurem Vater das Geheimnis der Millenniumsgegenstände nicht verraten, dann wäre er niemals so krank geworden. Ich allein trage die Schuld an seinem Zustand.
 

Mahaad biss sich auf die Unterlippe. Es war seine Schuld. Und somit seine Verantwortung. Mahaad hatte es Akhenamkhanen versprochen. An seiner statt würde er über Atem wachen. Niemals würde er die Dankbarkeit vergessen.
 

Es war der Pharao selbst, der seinen geschwächten Körper aus dem herabgestürzten Haus gezogen hatte und ihn in seine schützenden Arme nahm und nicht mehr losließ. Mahaad hatte kaum mehr Erinnerungen an sein altes Leben als Dorfbewohner. Er hatte seine gesamte Familie in nur einer Nacht verloren. Ihre Lehmhütten und Felder wurden in Brand gesteckt und er hörte die Männer, die mit ihren Pferden achtlos über Frauen und Kinder galoppierten und in ihrem Wahnsinn alles zerstörten, was ihnen in die Finger kam. Ängstlich hatte er um Hilfe gerufen, doch als das Haus durch die Flammen in sich hinein brach, hatte er das Bewusstsein verloren.
 

Am nächsten Morgen rief er nach Hilfe. Qualm und Asche lag in der Luft. Das Atmen fiel ihm schwer. Er flehte bei den Göttern um Gnade und versprach, sein Leben, sofern die Götter es ihm gewährten, von nun an nur noch in die Hände der Götter zu legen und ihnen zu dienen. Seine Stimme wurde leiser. Seine Beine waren eingequetscht und es war ihm nicht möglich sich selbst zu befreien. Das einzige, das er tun konnte, war auf Hilfe zu warten und die Götter anzuflehen, sein Leben zu verschonen. Erneut hörte er galoppierende Pferde und für einen Moment machte sich Todesangst in ihm breit. Waren diese Fremden zurückgekehrt, um nun auch ihn zu töten?
 

Leise schluchzend drückte er seinen Kopf in seine flachen Handflächen und stieß erneut ein Gebet gen Himmel. Zwei große, warme Hände griffen nach ihm und er spürte, dass die Last von seinem Körper wich und der Schmerz langsam verschwand. Ängstlich öffnete er die Augen und sah die Augen eines Mannes, die ihn mit endloser Güte und Sanftheit betrachteten.
 

„Wie ist dein Name, mein Junge?“, fragte der Mann und nahm ihn nun auf den Arm und schenkte ihm ein liebevolles Lächeln.
 

„Ich bin Mahaad“, flüsterte er und biss sich ängstlich auf die Unterlippe. Wer war dieser Mann? Vorsichtig wandte er seinen Blick umher und erkannte die Soldaten der Hauptstadt.
 

„Ich bin Pharao Akhenamkhanen. Von nun an werde ich über dich wachen, mein Junge. Du magst deine Familie verloren haben, doch die Götter haben dein Flehen erhört und mich direkt zu dir gebracht. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Ich werde dich beschützen“, waren seine Trost spendenden Worte. Von diesem Tag an hatte Mahaad sein Leben als einfacher Bürger hinter sich gelassen und sich dem Studium der Magie verschrieben. Tagtäglich lernte er neue Zaubersprüche und schwor treu und loyal seinem Pharao zu dienen.
 

Dennoch konnte er nicht verhindern, dass der Krieg gegen die Fremden, die grausam und erbarmungslos die äußeren Bezirke attackierten, ausbrach. Pharao Akhenamkhanen wollte jegliches Blutvergießen vermeiden. Mahaad war noch ein Kind, doch es war selbst für ihn offensichtlich, dass die Priester und der Pharao verschiedene Vorstellungen dessen hatten, was zu tun war. Priester Akhenaden pochte darauf, dass ein Gegenangriff angebracht war, doch der Pharao sprach sich vehement dagegen aus und wies an, dass sie stattdessen Botschafter schicken sollten, um so einen Friedensabkommen zu verhandeln. Die Botschafter kamen nicht zurück. Der Pharao wiederholte diesen Fehler und schickte ein weiteres Mal starke Krieger mit einer Botschaft los.
 

Tage vergingen. Dieses Mal kam einer der Krieger zurück. Nur ein einziger Mann, der einen Sack über seine Schultern geworfen hatte. Sofort machten die Menschen ihm Platz, als er dem Thronsaal näher kam. Erschöpft fiel er vor seinem Pharao auf die Knie und übergab ihm mit zittrigen Händen den tiefrot verfärbten Leinensack. Er brachte keinen Friedensvertrag, sondern die abgetrennten Köpfe seiner Kameraden. Ein Abkommen und weitere Verhandlungen waren gescheitert. Hunderte, gar tausende Menschen waren ihrem Feind – den Hethitern aus dem Osten – bereits zum Opfer geworden und selbst die frommsten Bürger begannen an ihrem König zu zweifeln. Akhenamkhanen starrte geistesabwesend die Köpfe seiner Soldaten an. Er brauchte einige Sekunden, um sich von diesem Schock zu erholen. „Verständigt ihre Familien und beerdigt ihre Überreste“, lauteten seine weiteren Anweisungen.
 

„Bruder! Das kann doch nicht alles sein?!“, schoss es aus Akhenaden heraus.
 

„Wir werden uns verteidigen, wenn es nötig ist. Sie provozieren uns mit Absicht, um uns vom Palast wegzulocken. Doch ich werde ihr Blutvergießen nicht mit noch mehr Blutvergießen und Gewalt beantworten“, sagte der Pharao ruhig. Akhenaden und die anderen Priester zogen sich zurück. Mahaad hörte ihnen aus der Ferne zu und senkte den Blick.
 

Als die fremden Krieger der Hauptstadt immer näher kamen und bereits die mittleren Bereiche der Stadt attackiert wurden, wurde ein Gegenangriff notwendig. Akhenamkhanen war am Boden zerstört. Sämtliche Versuche den Frieden zu bewahren und diesen Konflikt ohne weiteres Töten zu lösen, waren gescheitert und nun war der Feind in ihrer Hauptstadt eingebrochen und stand vor den Palastmauern, während die verzweifelten Schreie der Bürger Tag und Nacht über Kemet lagen. Zu spät für einen Gegenangriff. Der Großteil ihrer Soldaten war zu schwer verwundet, unausgebildet oder bereits gefallen. Es sah schlecht aus. Sämtliche Gebete wurden nicht mehr erhört.
 

Akhenaden schlug vor einen Zauberspruch aus dem Millenniumsbuch zu nutzen und die Millenniumsartefakte in die Welt zu bringen. Niemand hatte dieses mysteriöse Buch jemals entziffern können, doch Akhenaden hatte Jahrzehnte seines Lebens mit der Übersetzung verbracht und überzeugte den Pharao davon, ihm zu vertrauen. Im Angesicht der Tatsache, dass die Hauptstadt und somit ihr geliebtes Kemet – Land der Götter und gesegnet von ebendiesen – fallen würde, blieb dem Pharao nichts anderes mehr übrig, als sich auf seinen Bruder zu verlassen und ihre Palastmauern weiterhin zu verteidigen. Inmitten der Nacht brach Akhenaden auf. Sieben Nächte und 99 Seelen, zudem reinstes Gold als Träger für diese Macht aus einer anderen Welt, waren die geheimen Zutaten für diese Artefakte, die den Frieden bringen sollten.
 

Nur die Auserwählten der Millenniumsartefakte erfuhren die schreckliche, barbarische Wahrheit hinter ihrer Erschaffung und ihre ursprüngliche Bedeutung. Die Millenniumsartefakte brachten Frieden und Macht und Akhenaden stellte sicher, dass niemand außer den sechs Priestern erfuhr, dass Menschen für diesen Sieg wissentlich geopfert wurden. Hätte sein Bruder Akhenamkhanen gewusst, dass lebendige Opfer vonnöten waren, hätte er mit alles in seiner Machtstehende verhindert, diese Artefakte in diese Welt zu bringen. Akhenaden schwor, dass er seinem Bruder niemals die Wahrheit sagen würde und befahl den Hohepriestern absolute Geheimhaltung.
 

Kemet ging siegreich aus der Schlacht hervor. Dadurch, dass der Pharao so lange gezögert hatte und an einen friedfertigen Diskurs geglaubt hatte, hatten tausende Menschen ihr Leben verloren. Der Krieg war vorbei, die Hethiter endlich vertrieben, doch was blieb war Reue. Zwei Jahre vergingen. Das Land litt immer noch unter den Auswirkungen des Krieges und der Wiederaufbau ging nur schleppend voran.
 

In den äußeren Bezirken kam es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die derartig ausarteten, dass Soldaten geschickt werden mussten, um die Raufbolde auseinanderzubringen und gegebenenfalls ins Verlies zu stecken. Ein Widerstand bildete sich. Hass gegen die Krone. Gegen den König, der die Zerstörung in Kauf nahm und erst in den Kampf zog, als sein eigenes Leben in Gefahr geriet. Akhenamkhanen hatte den Kampf gescheut und schwor auf den Frieden, auf die Macht der Worte und sah seinem Volk beim Sterben zu. Dabei war es immer der Pharao der das Heer anführte und als erster in den Kampf ging.
 

Alle anderen Pharaonen hatten mutig auf dem Schlachtfeld gekämpft und ihr Heiliges Land verteidigt, doch Akhenamkhanen hatte seinen Palast nicht mal verlassen. Als die richtigen Gefechte ausbrachen, hatte er sich zurückgezogen und viele enttäuschte Bürger verbreiteten Gerüchte, die selbst den Palast erreichten.
 

Als Mahaad zum nächsten Träger des Millenniumrings erkoren wurde, wurde er in das Geheimnis der Artefakte eingeweiht. Ungläubig starrte er den goldenen Ring an. Es war seine jugendliche Naivität, die ihn dazu antrieb, sich in jener Nacht an den Pharao zu wenden und ihm die Wahrheit zu enthüllen. Stimmen aus dem Ring sprachen zu ihm und er hatte das Gefühl, dass irgendetwas oder gar jemand versuchte, seinen Verstand zu vernebeln und ihn auf eine andere Seite zu ziehen. Er wusste, dass das Opfer, das gebracht werden musste, vonnöten gewesen war und es waren eben jene Seelen, die ihn in ihrem Hass und ihrer Abscheu zu verderben versuchten. In seiner Furcht der Bosheit des Millenniumrings zu unterliegen, brauchte er jemanden zum Reden. Und so offenbarte er dem unwissenden Pharao, was er niemals hätte erfahren dürfen.
 

Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Pharao den Jungen vor sich an. Seine Unterlippe bebte, sein Körper zitterte und er fiel auf die Knie. Laut schluchzend drückte er sein Gesicht auf den harten Stein unter sich und flehte das Puzzle an seinem Hals um Gnade an.
 

„Verzeiht mir! Verzeiht mir! Ich habe nichts davon gewusst!“, schluchzte er.
 

Schon bald darauf wurde der Pharao schwer krank und sein einziger Sohn Atem würde die Thronfolge übernehmen. Mahaad gab sich die Schuld für die Krankheit des Pharaos, denn hätte er seinen Mund gehalten und geschwiegen, hätte dieser niemals erfahren, auf welch grausame Art und Weise die Artefakte in diese Welt gerufen worden waren. Sie brachten ihnen den Frieden, waren im Gegenzug aus Blut geschmiedet. An ihnen haftete die Sünde selbst. Hätte Akhenamkhanen gewusst, welches Opfer gebracht werden musste, hätte er dies niemals zugelassen. Reue und Schuld lasteten von nun an auf den Schultern des Herrschers.
 

Mahaad versiegelte seine eigene Magie und hielt den Wahnsinn des Rings allein mit seiner Willenskraft und seinem Pflichtgefühl zurück. Die Stimmen versuchten jeden Tag aufs Neue, ihn auf ihre Seite zu ziehen, doch er widerstand ihnen.
 

„Mahaad... warum weint Ihr?“, hörte er die Stimme des jungen Prinzen, die ihn aus seinen Erinnerungen zog.
 

„Verzeiht, mein Prinz. Ein solches Verhalten ist unangebracht. Bitte bestraft mich“, kam es von dem jungen Magielehrling, der demütig auf die Knie ging und sich verneigte. Atem war 12 Jahre alt und noch viel zu jung und unerfahren, um den Thron zu besteigen. Es war einzig und allein seine Schuld, dass Akhenamkhanen in diesem schlechten Zustand war.
 

„Ich werde Euch nicht bestrafen. Aber ich befehle Euch, mir zu sagen, was der Grund für Eure Tränen ist.“
 

„Was ist, wenn ich mich diesem Befehl widersetze?“
 

„Ihr sagtet, dass Ihr mir treu ergeben seid. Wenn Ihr das ernst meint, werdet Ihr mir vertrauen und mir sagen, was Euer Herz belastet. Ich bin nicht so einfühlsam wie mein Vater und man sagt mir nach, dass ich taktlos sei, doch ich bin auch kein Monster.“
 

Atem setzte sich an den Rand des Wasserbeckens und ließ seine Beine ins Wasser hängen, seufzte zufrieden, als er das kühle Nass auf seiner Haut spürte.
 

„Setzt Euch zu mir und leistet mir Gesellschaft“, meinte er dann, sah den Älteren jedoch nicht an und fixierte das Wasser vor sich, beobachtete die Wellen, die er mit der Bewegung seiner Beine ins Leben rief. Mahaad konnte von der Seite erkennen, dass das Gesicht des jungen Prinzen rot geworden war und er sich schämte, seine Gefühle offen zu zeigen. Kein Wunder, wie er fand. Immerhin hatte man dem jungen Prinzen von klein auf gelehrt, seine Gefühle nicht zu zeigen, da er somit seine Schwächen preisgab und sich angreifbar machte. Da Akhenamkhanen seit Jahren ans Bett gefesselt war, sodass Atem hauptsächlich von seinen Lehrmeistern unterrichtet wurde und die meiste Zeit mit diesen verbrachte, waren es eben diese, die den jungen Prinzen stark prägten.
 

Gebelk war ein Folterer, der den jungen Prinzen in Strategie und Politik unterrichtete. Priester Siamun war der Berater des Pharaos und erkundigte Atem ständig über das Wohlbefinden seines Vaters und stand ihm mit Rat und Tat zur Seite. Mahaad kannte die anderen Lehrer des Prinzen nicht, hatte aber gehört, dass diese ebenfalls sehr streng waren und selbst die kleinsten Fehler bestraften. Es war also nicht verwunderlich, dass der Prinz den Unterricht schwänzte und sich eine Auszeit wünschte. Als Schüler der Magie und nächster Träger des Millenniumrings hatte er hauptsächlich mit den Priestern zu tun und wurde auf seine zukünftigen Aufgaben vorbereitet. Man lehrte ihm die Magie und das Beschwören mächtiger Ka-Bestien. Sobald er den Ring erhielt, würde auch er sich eigene Schüler suchen und diese unterrichten.
 

„Mein Prinz?“, fragte Mahaad unsicher nach und legte den Kopf leicht schief.
 

„Ich wiederhole mich ungern, Mahaad“, knurrte Atem zwischen zusammengebissenen Zähnen.
 

Minutenlang saßen sie nebeneinander und sprachen kein einziges Wort.
 

„Vollkommen egal, was alle anderen sagen, mein Prinz, ich glaube daran, dass Ihr ein großartiger Herrscher werden werdet. Ich glaube an Euch.“
 

„Da seid Ihr der einzige. Sie alle wollen, dass ich genauso werde wie er. Ich bin ich. Ich weiß nicht, ob ich diese Bürde tragen oder ob ich dieser Rolle jemals gerecht werden kann“, murrte Atem und schwang seine Beine in die Luft, sodass das Wasser in die Höhe spritzte und sie beide nassmachte.
 

„Ihr habt großes Potential, mein Prinz. Ihr habt keinen Grund an Euch zu zweifeln. Euer Vater ist stolz auf Euch und ich bin es auch.“
 

„Was ist, wenn ich dieses Land nicht führen kann? Mein Vater hinterlässt mir ein gespaltenes Land und ich muss mit eiserner Hand regieren, wenn ich eine weitere Spaltung verhindern will. Gebelk sagte, dass die Unruhen davon kommen, dass mein Vater zu sanftmütig war und jetzt nimmt ihn keiner mehr ernst. Ist das wahr? Ist mein Vater... wirklich Schuld daran, dass so viele Menschen sterben mussten?“
 

„Mein Prinz! Das ist doch absurd! Euer Vater hat alles getan, um den Frieden zu bewahren“, begann Mahaad, wurde jedoch unterbrochen.
 

„In dem er auf seinem Thron saß und darauf hoffte, dass seine Worte den Feind erreichten? Viele Angestellte des Palastes haben Freunde und Familie verloren, weil mein Vater gezögert hat. Die meisten Sklaven im Palast waren ehemalige Bürger, die die Steuern nicht mehr entrichten konnten. Nicht gerade wenige verübeln ihm seine Schwäche und ich bin es, der seine Fehler gerade biegen muss! Wäre mein Vater als Anführer in die Schlacht gezogen, hätten die Götter ihm zum Sieg verholfen, doch er hat seine Soldaten vorgeschickt“, kam es von Atem, der den Brünetten nun mit hasserfüllten Augen ansah.
 

„All unsere Ahnen haben stets für den Frieden gekämpft! Ihre Geschichten prägen die Außenmauer des Palastes und an allen Wänden innerhalb des Palastes sehe ich ihre Blicke auf mich ruhen. Egal, wo ich hingehe, sie alle sehen mich an und erinnern mich daran, dass ich kein Feigling sein und niemals vom Weg abkommen darf.“
 

„Aber niemand sagt, dass Ihr genauso handeln müsst. Euer Vater wollte einen friedvollen Weg einschlagen und...“ Erneut unterbrach Atem ihn.
 

„Weil er vom Weg der Maat abgekommen ist und sich im Palast verkrochen hatte, haben die Götter uns bestraft. Er wurde krank, weil er nicht gekämpft hat und Angst hatte. Selbst die Sklaven reden über sein Versagen und wer bin ich, dass ich es ihnen verüble? Ich darf die Fehler meines Vaters nicht wiederholen. Ich muss Recht und Ordnung zurückbringen und im Namen der Maat für Gleichgewicht im Volk sorgen, doch sie alle erwarten von mir, dass ich genauso werde wie mein Vater und im gleichen Atemzug wollen sie, dass ich anders handle als er.“
 

„Habt Ihr Angst, mein Prinz?“
 

„Nein. Ich bin der Prinz. Ich darf keine Angst haben. Ich bin stolz und mutig.“
 

„Und wenn Ihr nicht der Prinz wärt, sondern jemand anders?“
 

Atem antwortete nicht, senkte stattdessen den Blick.
 

„Ihr habt große Fußstapfen zu füllen, mein Prinz. Aber Ihr seid nicht allein. Ich stehe hinter Euch. Und auch die sechs Priester unterstützen Euch. Auch der Anwärter für den Millenniumsstab ist Euch treu ergeben. Seth wird ein formidabler Priester sein und Eure Entscheidungen stützen. Ich kann verstehen, dass Ihr unsicher seid und dass Ihr diese Gefühle nicht zeigen wollt, aber seid Euch im Klaren, dass die Götter und wir Priester zu Euch stehen werden. Jeder einzelne von uns ist bereit, unser Leben für Euch zu lassen“, sagte er und lehnte sich näher an den Prinzen.
 

Ich war es, der Euren Vater in diese Krankheit trieb und ich werde es sein, der Euch an seiner statt beschützen wird. Wie viel Zeit auch vergehen mag, ich werde für immer loyal an Eurer Seite stehen und Euch in Zeiten der Not unterstützen. Habt keine Angst, mein Prinz. Ihr seid wie ein kleiner Bruder für mich und es ist mein eigenes Begehren Euch zu dienen. Über den Tod hinaus, bis in alle Ewigkeit.
 

„Glaubt Ihr, dass ich dieses Land einen kann? Dass ich das, was einst zerbrochen ist, wieder zusammenfügen kann und Kemet im alten Glanz erstrahlen wird?“
 

„Ich glaube an Euch. Niemand anders kann dies. Nur Ihr. Wenn ich Eure Augen sehe, sehe ich ein Feuer, das voller Leidenschaft und Mut brennt. Ihr werdet Euren Weg finden und selbst die Finsternis, die uns bedroht, werdet Ihr allein vertreiben.“
 

„Ich danke Euch, Mahaad.“
 

„Ihr solltet nun wirklich zurückkehren, bevor Euer Lehrmeister noch wütender wird. Ich werde die Schuld auf mich nehmen und ihm alles erklären.“
 

Mahaad zwinkerte, erhob sich und hielt dem Prinzen seine Hand hin.
 

[Kapitel 3]
 

Sein Unwissen

Gebelk wartete ungeduldig auf den jungen Prinzen, tippte dabei mit seinem Fuß auf und ab. Wie oft hatte er ihm gepredigt, dass Achtsamkeit und Pünktlichkeit für einen angehenden Herrscher enorm wichtig waren? Zumindest hatte das Verhalten des Prinzen etwas Gutes, denn man konnte sicher sagen, dass er anders war als Akhenamkhanen. Er war sehr jung, hatte seinen eigenen Kopf und war somit sehr leicht zu manipulieren. Gebelk setzte sich an seinen Tisch, verschränkte die Arme und breitete die Schriftrolle vor sich aus. Das heutige Unterrichtsmaterial beinhaltete Kriegsführung und die anwendbaren Methoden und Strategien, einen Feind aus dem Hinterhalt zu besiegen. Akhenamkhanen hatte als Kind stets die Kriegsführung ihrer Ahnen hinterfragt.
 

Atem jedoch lauschte aufmerksam seinen Worten. Er brauchte nur zu erwähnen, dass die vorherigen Pharaonen und die Götter ihnen diese Strategien überließen und schon wurde der junge Prinz ganz hellhörig und demütig. Es war beinahe zu einfach, seinen Charakter zu formen und ihn in eine bestimmte Richtung zu lenken. Gebelk war als Folterer sehr gut darin, die menschliche Psyche zu seinem Gunsten zu wandeln und seinem Gegenüber Worte in den Mund zu legen. Meist tat er dies, um Geständnisse von Verbrechern zu erzwingen, doch auch Atem erwies sich anfällig für diese Art der Manipulation.
 

Gebelk war der Ansicht, dass Akhenamkhanens Führung und sein Zögern im Krieg zu herben Verlusten geführt hatten und es war enorm wichtig, dass der junge Prinz früh verstand, wie wichtig es für ihn war, mit eiserner Hand zu regieren und nicht nur das Schicksal einzelner zu betrachten, sondern das Wohl eines ganzen Landes im Auge zu behalten und entsprechend zu handeln. Ähnlich wie die Hohepriester hatte Gebelk als Gelehrter einen guten Ruf und Mitspracherecht, was etwaige Gesetze anging. Natürlich war es der Pharao, der Gesetze erließ und die Macht inne hatte, aber ein jeder Pharao hatte stets seinen Wesir (Tjati), welcher mit den Gelehrten, Schreibern und den Hohepriestern in Kontakt stand. Gerade letztere hatten aufgrund ihrer Verbundenheit mit den Göttern und ihrer Fähigkeit die Worte der Götter zu übersetzen und mit ihnen zu kommunizieren, großes Ansehen und nahmen großen Einfluss auf das Militär. Jeder Pharao holte sich Rat bei seinem Tjati und Gebelk hatte früh verstanden, dass man lediglich den Tjati bestechen musste, um ein Land in eine bestimmte Richtung zu lenken.
 

Mit süßen Worten verdrehte er Atems Verstand und versuchte in diesem ein Gefühl von Geborgenheit auszulösen, damit er, sobald der junge Prinz den Thron bestieg, den Posten als Tjati sicher bekam. Als Tjati hätte er unglaublich viel Macht und würde dem Land und den Göttern dienen und die Fehler der Vergangenheit niemals wieder wiederholen. Erst die Übername von Heka-chesat, die beinahe 100 Jahre über Kemet geherrscht hatten und nun die Bedrohung der Hethiter, die ihnen ihren Wohlstand stehlen wollten. Dabei galt Kemet als Weltmacht. Jeder fürchtete sich vor ihnen und ging demütig in die Knie! Sie waren es, die der Welt den Kalender schenkten, eine Zeiteinteilung brachten, die Sterne und den Himmel verstanden und die Natur der Welt zu ihrem Gunsten nutzen konnten. Das Nilometer maß den Pegel des Stromes und somit konnten sie die zu erwartende Höhe der Ernte berechnen.
 

Das Gesetz des Gottes Thot lautete immerhin: „Wie oben, so unten“, denn ein jeder wusste, dass das, was am Himmel geschah, direkten Einfluss auf die Erde nahm. Durch ihren Kalender konnten sie genau vorherbestimmen, wann welches Naturereignis eintreten würde und somit war nicht nur ihre gute Lage am Nil beneidenswert, sondern vor allem ihr Wissen und die Macht, die mit eben diesem einherging. Atem musste das Volk beschützen, ihr Wissen verteidigen und für Recht und Ordnung sorgen. Doch ein sanftmütiger König, ein Pharao, der Frieden wollte und bereit war, dieses Wissen unentgeltlich abzugeben und mit anderen Völkern zu teilen, war unwürdig.
 

Andere Völker wagten es, die heiligen Götter Kemets zu hinterfragen und waren somit in Gebelks Augen nicht würdig, an ihrem Wissen teilzuhaben, sofern sie sich nicht zunächst unterwarfen. Jeder loyale und fromme Bürger wurde dasselbe sagen. Umso wichtiger war es, dem jungen Prinzen so früh wie möglich dies verständlich zu machen. Sie konnten sich keine weitere Unruhen mehr leisten. Der Krieg war zwei Jahre vorbei und der Wiederaufbau ging nur mäßig voran. Viele Felder waren aufgrund der wütenden Feuer niedergebrannt und die Ernten vielen weiterhin schlecht aus. Eine Hungersnot drohte. Die Wasserversorgung im Land musste sichergestellt werden und es stand außer Frage, dass die Unruhen im Land schon bald bis in den Palast drängen würden.
 

Der Vorhang am Eingang wurde zur Seite geschoben. Prinz Atem kam mit erhobenen Haupt in den Raum und setzte sich wortlos an den Tisch, verschränkte die Arme und sah seinen Lehrer erwartend an.
 

„Ihr seid spät, mein Prinz“, grummelte Gebelk und sah ihn nun an.
 

„Es ziemt sich für einen zukünftigen Herrscher nicht, Termine zu verpassen oder gar verspätet zu seinem Unterricht zu erscheinen. Ein Mann Eures Format muss immer Haltung bewahren.“
 

„Dem bin ich mir bewusst. Ich habe keine Entschuldigung für mein Verspäten, doch wisset, dass ich gute Gründe habe und bereit bin, bis spät in die Nacht Euren Lehren zu lauschen.“
 

„Das ist eine gute Einstellung. Und doch wirkt Ihr angespannt. Hat Eurer Schwertmeister Euch sehr hart rangenommen? Ihr habt blaue Flecke und Abschürfungen überall. Wir sollten Eure Wunden reinigen und Salben zur Behandlung auftragen.“
 

„Mein Schwertmeister sagte, dass ein wahrer Krieger einen solchen Firlefanz nicht braucht.“
 

„Ihr seid in erster Linie ein Prinz, ein angehender König eines großen Reiches. Ihr mögt auch ein Krieger sein, aber wir dürfen Eure Gesundheit auf keinen Fall riskieren“, erklärte Gebelk, erhob sich und verschwand in seinen Hinterraum, kam nur wenige Minuten später mit einer Schale Wasser und Tüchern zurück. Vorsichtig rieb er über die Schürfwunden des Jungen, reinigte sie und setzte dabei ein nettes Lächeln auf. Man hätte meinen können, dass ein Vater sich liebevoll um sein Kind kümmerte, doch Gebelk wollte nichts weiter, als das Vertrauen des Prinzen.
 

„Seht Ihr, mein Prinz? Sand und Schmutz befanden sich in Euren Wunden“, sagte er und zeigte das verunreinigte Leinentuch.
 

„Nun lasst uns die Salben auftragen. Ertragt den Schmerz, das Brennen und denkt stets daran, dass Ihr als zukünftiger Herrscher große Verantwortung tragt und dass die Last auf Euren Schultern zwar schwer wiegen mag, aber Ihr jederzeit die vollste Unterstützung Eurer Priester habt. Auch ich stehe hinter Euch. Eurer Wohlergehen liegt mir sehr am Herzen.“
 

„Ich danke Euch, Gebelk.“
 

Atem erwiderte das Lächeln. Als Gebelk sich erhob, verschleierte sein Umhang sein Gesicht und im Schatten dessen, konnte Atem das kurz aufblitzende, selbstsichere Grinsen seines Lehrmeisters nicht sehen. Vorsichtig griff er nach der Wasserschale und brachte die Utensilien weg, ehe er mit einem großen „Kasten“ zurückkehrte.
 

„Mein Prinz“, begann er und hob nun seinen Kopf und wies auf die edle Schatulle in seiner Hand hin.
 

„Wie wäre es mit einer Runde Senet? Zur Ablenkung?“
 

Atem riss seine Augen begeistert auf.
 

„Da würde ich niemals nein sagen!“
 

„Doch bedenkt, dass ich Euer Lehrer bin. Ich möchte, dass Ihr mir zunächst die Regeln und das Ziel dieses Spiels erklärt.“
 

„Senet ist ein Brettspiel mit 30 Feldern und symbolisiert Geburt, Tod und Wiederauferstehung. Wir übernehmen symbolisch die Rolle des Entscheiders und müssen unsere sieben Figuren – die Ibau – ins Ziel bringen. Doch dieser Weg wird erschwert, da uns Glück und Unglück erwartet. Das Spiel hat einen Bezug zu den Göttern und erklärt den Lauf der Sonne und der Baktiu-sebau – so wie es Senetj schemet net sebau lehrt.“
 

„Richtig, der Grundriss des Laufes der Sterne, am Leib der Nut – das Nutbuch. Auch dies ist Wissen, um das uns feindliche Länder beneiden. Denn wir verstehen die Baktiu-sebau – die Arbeitenden Sterne. Wir wissen um die sechs Phasen. Erinnert Ihr Euch?“
 

„Selbstverständlich. Geburt, Aufstieg, Arbeit leisten, Abstieg, Tod und Regeneration/Erneuerung.“
 

„Was sagt Euch dieser Zyklus?“
 

„Senet ist verwoben mit dem Weg der Götter und erklärt uns spielerisch die Ordnung der Welt. Wer den Weg der Sterne kennt, kennt auch die Jahreszeiten und kann somit die Nilschwemme bestimmen, die unser aller Überleben sichert.“
 

„Ihr werdet ein großartiges Herrscher, mein Prinz. Sehnsüchtig erwarte ich den Tag, an dem ich Euch im Thron sitzen sehen werde und Ihr das Land regiert.“
 

Atem grinste triumphierend. Dieses Wissen wurde ihm ja auch schon seit Jahren immer und immer wieder eingetrichtert und wenn er ehrlich war, interessierten ihn die Sterne sehr. Er liebte es, sich nachts auf den Balkon seines Gemaches zu schleichen und die funkelnden Lichter der Götter zu betrachten, die von da oben auf sie hinabsahen und ihnen ihren Segen gaben. Astrologie gehörte zu seinen Lieblingsfächern. Denn die Sterne wiesen ihnen den Weg. Als Gebelk das Spielfeld auf den Tisch stellte und die Spielfiguren auslegte, begann sein Puls zu rasen. Der Würfel in seiner Hand brachte sein Blut in Wallung. Sieg oder Niederlage! Dazwischen gab es nichts und er als zukünftiger Herrscher konnte sich keine Niederlage erlauben.
 

Gebelk hatte ihm einmal gesagt: „Das Leben ist ein Spiel, mein Prinz. Nur wer überlebt, siegt. Wer verliert, stirbt. Es ist Eure Bestimmung zu siegen.“
 

Gebelk war ein guter Lehrer und hatte immer Recht. Dass dieser hinter seinem Rücken einen Komplott plante und ihn zu manipulieren versuchte, ahnte er nicht. In diesem Palast gab es viel zu viele Personen, die ihn nicht ernst nahmen und ihn zu formen versuchten, doch Gebelk war freundlich, fürsorglich und zeigte großes Interesse an ihm.Wie könnte er anders als ihm zu vertrauen?
 

[Kapitel 4]
 

Sein Vermächtnis

Der Tod des Pharaos wurde in ganz Kemet betrauert. Der junge Prinz bestieg mit 14 Jahren den Thron und übernahm die Pflichten seines Vaters. Mithilfe seiner Priester und seines Beraters Siamun versuchte er die Stabilität im Land aufrechtzuerhalten, weitere Katastrophen sowie Hungersnöte vorzubeugen und kämpften mithilfe ihrer Ka-Bestien gegen Verbrecher und bestraften diese im königlichen Gericht. Die Versorgung des Volkes war wichtig, doch auch konnten sie den Nilstand nicht vorhersehen, ebenso wenig die Feinde, die in den Schatten lauerten und den Frieden bedrohten.
 

„Mein Pharao, es gibt erneut einen Bürgerkrieg im östlichen Stadtbezirk. Die Menschen der Unterstadt greifen zu den Waffen und versuchen die Tore in den Mittelbezirk zu durchbrechen. Es heißt, dass der Widerstand seine Hände im Spiel haben soll und dass sie den Tempel im Stadtzentrum stürzen und plündern wollen. Wie gedenkt Ihr fortzufahren?“
 

Der junge Mann auf dem Thron nickte nur und überlegte. Seit zwei Jahren kämpfte er gegen diese Unruhen und versuchte mit aller Macht den hart erkämpften Frieden beizubehalten. Die Unruhen im eigenen Land waren ebenso schwer zurückzuhalten, wie die Krieger aus der Ferne, die Kemet aufgrund ihres Wohlstands und den gesegneten Nil beneideten. Immer wieder kam es zu blutigen Ausschreitungen, die sie mithilfe der Millenniumsartefakte schnell eindämmen und somit weitere unnötige Opfer vermeiden konnten. Trotzdem hatte der 16-Jährige Herrscher große Mühe, das Erbe seines Vaters aufrechtzuerhalten.
 

Frieden war nichts, das man mit Worten allein erreichte. Die Machterhaltung und der Machtausbau waren vonnöten, um sicherzugehen, dass die kleineren Länder um Kemet herum sie nicht mehr attackierten. Um die Treue der Vasallenstaaten zu sichern, hatten sie die Prinzen und Prinzessinnen als Unterpfand in den Königspalast gebracht, wo sie wie Gäste behandelt wurden. Durch diesen Pfand schloss das Königshaus einen Verrat aus und hatte somit die Unterstützung der kleinen Staaten sicher. Der große Krieg gegen die Hethiter war bereits 10 Jahre her und die Aufbauarbeiten in den äußeren Bezirken waren vollständig zum Halt gekommen.
 

Atem hatte den Ausbau der Infrastruktur und die Beförderung von Waren und Gütern Priorität gegeben, um somit weitere Hungersnöte zu vermeiden, doch die armen Bewohner waren mit dieser Entscheidung nicht zufrieden. Sie verlangten Gerechtigkeit und Unterstützung, denn allein waren sie nicht in der Lage ihre Häuser aufzubauen, geschweige denn ihre Familien zu versorgen. Und Atem war sich im Klaren, wie ernst die Lage war und es war nicht so, dass er kein Verständnis oder Mitgefühl für die betroffenen Bürger hatte, doch Kemet war groß und Baustellen gab es überall.
 

Er durfte nicht zulassen, dass die Versorgung zusammenbrach, nur um einzelne Bereiche des Landes wieder aufzubauen. Er hatte mehrmals überlegt, ob sie weitere Sklaven brauchten, um den Wiederaufbau zu unterstützen, doch die Verhandlungen mit den Römern waren immer noch nicht abgeschlossen. Die Handelspartner Kemets befanden sich weit hinter den Landesgrenzen, verborgen hinter den großen göttlichen Meeren und es wäre fatal, ungeduldig zu werden und die Römer zu einer schnellen Entscheidung zu drängen, vor allem da sie die Olivenbäume, Öle, Kräuter und edlen Weinsorten von dort importierten. Sie waren wichtige Partner und Kemet konnte es sich nicht leisten, Schwäche zu zeigen, wenn sie keinen weiteren Überraschungsangriff befürchten wollten.
 

Immer wieder kam es zu Konflikten, die eskalierten und stets war es Atems Aufgabe, Lösungen zu finden. Es war nicht immer leicht, dieses Land zusammenzuhalten und als Führer und Gott einen Weg zu ebnen. Atem hatte gelernt, dass er mit Strenge regieren musste, wenn er ernst genommen werden wollte. Sein Vater war zu gutmütig und sanft gewesen und nun glaubte das Volk, dass sie ihm auf der Nase herumtanzen konnten. Als Herrscher Kemets musste er für Ordnung sorgen und er musste Opfer bringen, wenn er das große Ganze schützen wollte. Seine sechs Priester und die Millenniumsartefakte standen ihm bei dieser schwierigen Aufgabe stets zur Seite. Letztendlich waren es die Artefakte, die im Gericht ein Urteil fällten, wodurch ihm als Pharao zumindest ein wenig Arbeit abgenommen wurde.
 

„Ich werde mit drei unser Hohepriester dort hin reiten und den Kämpfen ein Ende bereiten. Als Pharao ist es meine Pflicht für Frieden, Recht und Ordnung zu sorgen.“
 

„Wen werdet Ihr mitnehmen, Pharao?“, fragte Siamun mit fester Stimme.
 

„Priester Seth, Priester Mahaad und Priester Karim. Sattelt Eure Pferde. Ich erwarte euch am Palasteingang“, sagte er mit fester Stimme und erhob sich von seinem Thron. Sein Vater hatte den Kampf gescheut, doch Atem bewies Mut und Hingabe. So wie seine Vorfahren zuvor war er bereit, mit seinem Fleisch und Blut an vorderster Front zu kämpfen und seinen Priestern den Weg zu ebnen.
 

Aus der Ferne konnte man bereits das Klirren von Waffen und das Schreien von Menschen hören. Atems Herz pochte. Einmal mehr wurde er Zeuge des Versagens des vorherigen Königs, der zu viel Milde hatte walten lassen und nun war es seine Aufgabe den Schaden zu neutralisieren und diese endlosen Raufereien dieser Halbstarken zu beenden. Instinktiv legte er seine Hand auf das Millenniumspuzzle und er beschwor eine Ka-Bestie, die einem Krieger glich. „Keltischer Wächter!“, rief Atem und trieb sein Pferd zu einem schnelleren Tempo an, umklammerte die Zügel und gab seiner Bestie die Anweisung, die streitenden Parteien auseinander zu halten, ohne sie dabei zu verletzen.
 

Seine beiden Priester konnten nur den aufwirbelnden Staub erkennen, als Atem plötzlich davon preschte.
 

„Mein Pharao! Das ist zu gefährlich!“, brüllte Mahaad hinterher, beschwor ebenso schnell wie sein König eine magische Ka-Bestie und beschleunigte sein Pferd, nur um im nächsten Moment von einem breit grinsenden Seth überholt zu werden, der den bevorstehenden Kampf kaum mehr erwarten konnte. Seths Augen funkelten vor Kampfeslust.
 

Mahaad biss die Zähne zusammen. Seth war genauso temperamentvoll wie der Pharao. Sie beide hatten ein großes Ego und waren stets die ersten, die sich ins Kampfgetümmel stürzten, ohne Rücksicht auf Verluste oder gar einen Gedanken daran zu verschwenden, was ein ungeplanter Angriff für Auswirkungen haben konnte. Der Hüter des Millenniumsstabs war loyal und seinem Herrscher treu ergeben, hatte jedoch auch den verdrehten Irrglauben, dass der Zweck jegliche Mittel heiligte und war in dieser Hinsicht rücksichtslos. Somit war es Mahaads Pflicht sicherzugehen, dass keiner der beiden verletzt wurde oder dass sie aufgrund dieser voreiligen Ka-Beschwörung unnötige Provokation bei dem Volk auslösten. Für die meisten Menschen war das plötzliche Erscheinen von Monstern beängstigend.
 

Als Mahaad endlich ankam, war der Pharao bereits von seinem Pferd gestiegen und stand inmitten der Menge an Leuten, predigte Geduld und bat sein Volk um Verständnis. Immer wieder wurde er von einzelnen Bewohnern ausgebuht, sie beleidigten ihren Herrscher und somit auch die Götter.
 

„Ihr wagt es, euren Pharao – den Sohn der Götter – zu beleidigen!?“, sprudelte es ungehalten aus Priester Seth und er richtete seine Stab in Richtung der Menschenmenge. Sofort hörte man panisches Geschrei und einige der bis eben so vorlauten und mutigen Männer machten große Schritte rückwärts. Atem hob die Hand, wies seinen Priester mit dieser Geste dazu an, sich zu beruhigen und fixierte erneut die Menge vor sich. Säbel, Dolche, Äxte und Speere lagen am Boden verteilt und als Atem näher kam spürte er die Feindseligkeit in der Luft, die ihn zu erdrücken versuchte.
 

„Gebt mir Zeit die Wunden des Krieges zu versorgen. Ich werde alles dafür tun, um unser geliebtes Kemet im alten Glanz erstrahlen zu lassen, doch dafür sind Opfer vonnöten. Bitte versteht, dass der Wiederaufbau nicht überall gleich schnell verläuft und dass wir weitere Konflikte mit anderen Großmächten vermeiden müssen, um weiterhin den Status als Weltmacht erhalten zu können. Wenn ich meine Augen nur noch auf die kleinen Stadtbezirke richte, wird der Tag schon bald kommen, an dem wir uns erneut einem Krieg stellen müssen“, begann Atem und bewies Haltung während seiner Rede, ging dann jedoch demütig auf die Knie. Mahaad und Seth kamen dem jungen Herrscher näher und wollten ihn davon abhalten, doch es war bereits zu spät.
 

Der Herrscher verneigte sich vor seinem Volk und flehte um Gnade. Getuschel war zu vernehmen. Das Volk war unsicher, wie es reagieren sollte. Dass sich der Sohn der Götter vor seinem Volk verneigte und sich in den Dreck warf, war alles andere als normal und zeugte von der Wahrheit seiner Worte.
 

„Ich bin der Dorfälteste, Apir. Pharao Atem... bitte erhebt Euch. Niemand verlangt von Euch, Euren Stolz als Sohn der Götter wegzuwerfen. Eurer Name bedeutet Großer Gott und als solcher ist es Eure Aufgabe über Allem zu stehen. Die jungen Menschen in diesem Dorf sind verzweifelt, denn selbst unsere Wasserquelle ist versiegt.“
 

Atem erhob sich augenblicklich und sah den Mann vor sich mit großen, fragenden Augen an.
 

„Seit wann? Warum habt ihr keinen Gesandten geschickt? Hätte ich davon gewusst, hätte ich auf der Stelle einen Architekten geschickt, um die Wasserversorgung zu sichern.“
 

„Der Weg in die Hauptstadt ist beschwerlich. Eine Gruppe an Räubern plündern nicht nur die Gräber der Pharaonen, sondern bedrohen Frauen und Kinder und unser Leben.“
 

Seth kam dem Mann näher und verlangte mehr Informationen.
 

„Mahaad“, begann Atem und drehte sich zu diesem um, betrachtete ihn mit festen und stolzen Blick, öffnete dann seinen Mund erneut und sprach weiter. „Ihr seid ein großartiger und äußerst fähiger Magier. Ich nehme an, dass Ihr in der Lage seid, die Aquädukte zu reparieren und die Wasserversorgung zu sichern?“
 

Seine Worte waren wie eine Frage formuliert, doch Atem ließ nur eine Antwort zu. Es gab nur eine richtige Antwort. Mahaad nickte ergeben und ließ sich von dem Dorfältesten zur Quelle des Problems führen, während Atem und Seth mit den Dorfbewohnern weitere Gespräche führten und die Situation zu entschärfen versuchten. Es dauerte mehrere Stunden ehe Mahaad sämtliche Wasserlinien repariert hatte und sie den Rückweg antreten konnten. Atem schwang sich auf sein Pferd. Die Sonne befand sich bereits am Horizont und tauchte das heilige Land Kemet in ein warmes Orange. Schon bald würde die Nacht hereinbrechen und ein neuer Tag würde beginnen, so auch die Reise des jungen Herrschers, der sich den Problemen seines Landes stellen musste und keine Sekunde untätig blieb.
 

Durch die Gespräche mit den Bewohnern hatte er viele wichtige Informationen erhalten, doch nur ein Name hämmerte in seinem Kopf wie ein Echo wider: Bakura.
 

[Kapitel 5]
 

Sein Fehler

Wer war dieser mysteriöse Bakura, der sein Volk bedrohte und Unschuldige attackierte? Nachdenklich saß er in seinem Gemach und tippte nervös mit den Fingern über die schön verzierte Tischplatte. Irgendwann hatte es ihm gereicht. All das Nachdenken machte ihn nur wütend! So sehr er auch überlegte und versuchte die neuen Informationen zu verknüpfen, er fand einfach keine Lösung. Dieser Bakura war ein Räuber. Atem erhob sich und betrat seinen Balkon, betrachtete die Sterne, in der Hoffnung, dass die Götter ihm einen Weg zeigen würden.
 

Ein Räuber, der sein Land bedrohte. Eine Gruppe an Abtrünnigen, die immer wieder die Bevölkerung angriff und Dissidenten, die sein Regime infrage stellten und sogar öffentlich Reden hielten, um mehr Mitglieder für ihren Widerstand zu rekrutieren und hoffentlich bald eine Revolution beginnen zu können. So wie die Dinge standen, stand ein Bürgerkrieg bevor. Was hätte sein Vater an seiner Stelle gemacht? Atem senkte den Blick und seufzte tief. Nichts. Nichts hätte er getan. Abgewartet und darauf gehofft, dass sich das Problem von selbst löste oder dass nett gemeinte Worte die Situation deeskalieren würden. Sollte er einen Schritt nach vorne wagen? Stehenbleiben? Zurückweichen? Was war der richtige Weg? Welche Entscheidung war die beste? Es gab zu viele Dinge, die er nicht wusste. Er musste das große Ganze durchschauen und im Sinne der Maat handeln.
 

Atem warf einen letzten, sehnsüchtigen Blick gen Himmel, als hoffte er, eine Antwort zu erhalten, ehe er sich mit einem traurigen Lächeln zurückzog. Er sollte langsam schlafen gehen. Morgen stand ein mühseliger und anstrengender Tag bevor und er musste mit seinem Tjati (Wesir) besprechen, was als nächstes zu tun war. Hatten die Hatia (Gaufürsten/Bürgermeister der einzelnen Bezirke) ihnen neue Informationen übermittelt, die ihm einen anderen Blick erlaubten und eine neue Perspektive ermöglichte? Schon morgen erwartete er einen Gast aus einem Außenbezirk, ein Hatia, der große Klage mit sich trug und erneut um Hilfe bitten würde. Einmal mehr würde Atem ihn abweisen. Einmal mehr würde er einen kühlen Kopf bewahren müssen und einmal mehr würde man ihn als äußerst grausam betiteln, während die Menschen in Palastnähe seine Wärme und seine Nähe zum Volk betonen würden.
 

Der große Herrscher legte sich in sein Bett, doch er fand einfach keinen erholsamen Schlaf. In seinen Träumen wurde er geplagt. Eine helle Frauenstimme, die zu ihm sprach. Er hörte sie nur aus weiter Ferne. Ihre Worte unverständlich. Sie schien eine Botschaft vermitteln zu wollen, doch die Dunkelheit um ihn und der dichte Nebel verschleierten seinen sonst so klaren und mutigen Blick. Eine andere Stimme drang zu ihm. Dunkel. Angsteinflößend. Doch auch überzeugend und auf merkwürdige Art und Weise tröstend.
 

ҽɾԋöɾҽ ɱҽιɳҽ ʂƚιɱɱҽ, ԃυ ɠυƚɱüƚιɠҽɾ ԋҽɾɾʂƈԋҽɾ.

ҽɱρϝαɳɠҽ ԃαʂ ɯσɾƚ ҽιɳҽʂ ɠσƚƚҽʂ υɳԃ ɠҽԋҽ ԃҽɳ ρϝαԃ, ԃҽɳ ιƈԋ ԃιɾ ҽɾʅҽυƈԋƚҽ.

ȥöɠҽɾҽ ɳιƈԋƚ. ʂιҽԋ ɳιƈԋƚ ȥυɾüƈƙ.

ʂҽι ʂƚɾҽɳɠ ȥυ ԃҽιɳҽɱ ʋσʅƙ, ԃҽɳɳ ʂιҽ ɯσʅʅҽɳ ԃιƈԋ ԋιɳƚҽɾɠҽԋҽɳ.

ʂιҽ ɠҽԋσɾƈԋҽɳ ԃιɾ ɳιƈԋƚ.

ʂƈԋσɳ Ⴆαʅԃ ƙσɱɱƚ ԃҽɾ ƚαɠ, ɯσ ɱαɳ ԃιɾ ԋιɳƚҽɾɾüƈƙʂ ҽιɳҽɳ ԃσʅƈԋ ιɳ ԃҽɳ ɾüƈƙҽɳ ɾαɱɱƚ υɳԃ ԃιҽʂҽ ρҽɾʂσɳ ɯιɾԃ ʝҽɱαɳԃ ʂҽιɳ, ԃҽɳ ԃυ ɠҽʅιҽႦƚ ԋαʂƚ. ʋҽɾƚɾαυƚ ԋαʂƚ.

ԃυ ԃαɾϝʂƚ ƙҽιɳҽ ʂƈԋɯäƈԋҽ ȥҽιɠҽɳ.

ԃҽιɳ ҽɳԃҽ ɳαԋƚ, ɯҽɳɳ ԃυ ԃҽɱ ρϝαԃ ԃҽιɳҽʂ ʋαƚҽɾʂ ϝσʅɠʂƚ.
 

Schweißgebadet wachte Atem auf. Er rang nach Atem. Sekunden vergingen. Schweiß lief sein Gesicht hinab, tropfte an seinem Kinn runter und versickerte in seiner Bettdecke. Erschöpft ließ er sich erneut ins Bett fallen. Wer war dieser Mann, der im Schlaf mit ihm sprach? War er wirklich ein Gott? Sollte er ihm vertrauen? Und wer war die Frau, die aus so unendlich weiter Ferne zu ihm zu sprechen versuchte? Es war zum Haareraufen! Er war der Herrscher Kemets und ein dummer Traum warf ihn aus der Balance und ließ ihn verzweifeln? Und doch war es sein Vater, der einmal gesagt hatte, dass Träume auch Visionen der Götter sein konnten und dies machte ihn umso nervöser. Wem konnte er noch vertrauen?
 

Am nächsten Morgen wartete Atem geduldig auf seine Tjati. Siamun Muran und sein ehemaliger Lehrmeister Gebelk näherten sich ihm. Atem war erschöpft und müde, doch er durfte sich keine Fehler erlauben. Das Schicksal seines Landes ruhte auf seinen Schultern und er musste Entscheidungen treffen. Stundenlang besprachen sie die weiteren Vorgehensweisen. Die sechs Hohepriester hatten den Thronsaal verlassen und gingen ihren täglichen heiligen Aufgaben als Priester der Götter nach. Das Ritual der Reinigung – ein Bad im gesegneten Wasser – sollten alle weltlichen Begierden reinwaschen und war ebenso eine Verbindung zu dem Gott des Wassers und der Fruchtbarkeit – Sobek – aus dessen Schweiß der Nil geformt wurde und für fruchtbare Nilüberschwemmungen sorgte.
 

Mahaad ließ das eiskalte Wasser an seinem Körper hinablaufen und setzte erneut zum Gebet an. Er flehte Sobek um Gnade an und dass die nächste Flut fruchtbaren Boden brachte, damit die nächsten Ernten besser ausfielen und die Felder sich endlich erholten. Ich flehe Euch an – oh gnädiger Gott Sobek – gewährt uns Euren Schutz! Lasst Pharao Atem keine weitere Hungersnot erleben. Unser Pharao braucht Euch, betete Mahaad. Sein Wunsch war egoistisch und er fragte sich, ob er als Priester überhaupt würdig war, wo es ihm nicht um das Heilige Land Kemet, sondern einzig und allein seinem Herrscher Atem ging. Atem hatte schon genug zu tun. Wenn sie nun eine Krise in der Nahrungsversorgung bekamen, würde ein Bürgerkrieg nicht mehr aufzuhalten sein. Bereits jetzt griffen die Leute nach den Waffen und trotzdem wankte Atem nicht.
 

Der Hatia aus dem östlichen Bezirk erschien. Er war erbost, seine Gesichtsmuskeln verkrampft und Atem hatte bereits in der Sekunde, als er dem Thron näherkam, das Gefühl, dass es eine gute Idee wäre, sich die Ohren zuzuhalten, um die nun folgende Triade aufzuhalten und seine Ohren zu schützen. Doch als Herrscher ziemte sich ein solches Verhalten nicht.
 

„Pharao Atem! Seit drei Wochen bitten wir Euch um Hilfe und noch immer ist nichts geschehen! Die Wasserversorgung ist eingebrochen und eine Gruppe an Räubern hat uns all unsere Wertsachen und Lebensmittelvorräte gestohlen. Wir sind verzweifelt. Wir wissen nicht mehr weiter! Die Götter hören uns nicht, doch ich flehe Euch an, Ihr müsst unser Rufen erhören!“
 

„Ich bitte Euch, Hatia Kazemde, beruhigt Euch! Eins nach dem anderen. Erzählt mir zunächst mehr von den Räubern“, begann Atem und erlaubte es dem Mann näher zu kommen. Kazemde bedeutete Botschafter und diesem Namen wurde er wirklich gerecht. Er brachte Neuigkeiten, die sich als nützlich erwiesen und ihm die Möglichkeit gaben, sich entsprechende Gegenmaßnahmen zu überlegen und sich weitere Gedanken zu machen, wie er diese Räuberbande stoppen sollte. Offenbar attackierten sie die äußeren Bezirke, die weit von der Hauptstadt entfernt waren. Sie bewegten sich hauptsächlich nachts und hatten eigene Boote, mit denen sie sich schnell entlang des Nils bewegen konnten und ihre Angriffe taktisch planen konnten, sodass man nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, welcher Bezirk als nächstes angegriffen wurde.
 

Kazemde erwähnte einen Mann mit weißem Haar und violetten Augen. Seine Augen wären erfüllt von Hass. Die Augen einer Bestie, die Spaß am Töten hatte und Blut geleckt hatte. Atem war erschüttert, als der Hatia ihm sagte, dass auch Grabanlagen aufgebrochen und die Grabbeilagen verstorbener Pharaonen entwendet wurden. Sie hatten Pferde und gingen mit äußerster Sorgfalt vor. Tagsüber warteten sie in den Schatten und griffen ahnungslose Bürger an, forderten ihre Wertgegenstände. Auch vor Frauen und Kinder machten sie nicht Halt.
 

„Als wir ihren Anführer gemeinsam niederstrecken wollten, lachte er nur und beschwor eine Bestie mit zwei Mäulern und scharfen Zähnen. Sein furchterregender Schrei hallt bis jetzt noch in meinen Ohren wider. Wir haben viele Männer verloren und werden einen weiteren Angriff nicht widerstehen können“, sprach Kazemde und sah den Pharao vor sich flehend an.
 

„Ich danke Euch, für diese wertvollen Informationen. Siamun Muran, bitte kümmert Euch um diese Angelegenheit. Wir brauchen Soldaten und Handwerker und bringt den Menschen Nahrung mit.“
 

„Aber mein Pharao?!“, kam es von Siamun, der seinen König zweifelnd ansah.
 

„Die Ernten sind schlecht ausgefallen und wir müssen auf die nächste Nilschwemme warten. Wir haben selbst kaum genug zu essen! Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen Sack Getreide abzugeben“, legte er seinem Herrscher nahe, welcher ihn nur mit großen und entschlossenen Augen ansah. Siamun kannte diesen Blick. Es machte absolut keinen Sinn weiter zu diskutieren. Er befolgte seinen Befehl.
 

ιʂƚ ԃαʂ ԃιҽ ɾιƈԋƚιɠҽ ҽɳƚʂƈԋҽιԃυɳɠʔ ԃҽɾ ɾιƈԋƚιɠҽ ɯҽɠʔ, hörte Atem eine Stimme in seinem Hinterkopf und schreckte auf, drehte sich fragend um und suchte mit seinem Blick den Thronsaal ab. Gebelk kommentiere sein eigenartiges Verhalten und ermahnte ihn zur Haltung. Atem räusperte sich nur und meinte, dass er ihm keine Erlaubnis gegeben hätte, die Stimme zu erheben. Diese Stimme machte ihm Sorge. Wollte sie ihn warnen? Ihm sagen, dass die Entscheidung, dem Hatia und seinem Volk unter die Arme zu greifen, die falsche war und er einen anderen Kompromiss hätte finden müssen?
 

„Pharao Atem, bitte gewährt mir die Erlaubnis zu sprechen“, kam es von Gebelk. Atem nickte.
 

„Nun da ihr dem östlichen Bezirk Hilfe versprochen habt, wird es nicht lange dauern, dass weitere Hatia in den Palast kommen und Eure Unterstützung einfordern werden. Was gedenkt Ihr zu tun, wenn es soweit ist?“
 

„Ich weiß es nicht“, seufzte Atem und rieb sich angestrengt das Nasenbein.
 

„Nun, wir haben noch Zeit. Wir sollten uns für das Gericht vorbereiten. Es wird Zeit die Hohepriester einzulassen und das Gericht der Millenniumsartefakte zu beginnen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Verbrecher und Kriminelle die Gesetze der Maat missachten.“
 

Den restlichen Tag hatte der Pharao damit verbracht, dabei zuzusehen, wie seine Priester Urteile fällten. Mithilfe der Millenniumsgegenstände war es einfach, die Seele eines Menschen – sein innerstes Ba und somit seine Tendenz zur Finsternis – zu beurteilen und so wurde das Land von Verbrechern gereinigt, die keine Besserung gelobten und dessen Ba zu mächtige Ka-Bestien enthielten. Atem blieb währenddessen ruhig und beobachtete seine Hohepriester und hob seine Hand, wenn er mit einem Urteil nicht einverstanden war und der Ansicht war, dass eine andere Strafe oder gar Milde angebracht war.
 

Seine Worte wollen mir nicht aus dem Kopf. Er bezeichnet sich als Gott und er spricht mit mir. Vielleicht handelt es sich wirklich um eine Botschaft?
 

[Kapitel 6]
 

Sein Übermut

Die Tage vergingen. Die Nilschwemme kam und befruchtete die Felder. Als sie ging, überließ sie überall ihre Nilschlacke, in denen die Bauern ihre Saat auslegten. Als der zehnte Tag der Woche sich näherte, näherte sich auch der Tag des Min-Festes. Die Menschen arbeiteten hart. Pausenlos wurde am Wiederaufbau gearbeitet. Lehmhäuser erneut errichtet, Aquädukte aufgestellt und sorgsam restauriert und Straßen gesichert, um die Versorgung zu sichern. Doch in der Unterstadt und in den äußeren Bezirken kam es weiterhin zu Auseinandersetzungen. Die Räubergruppe rund um Bakura versetzte das Land in Angst und Schrecken. Man hörte Gerüchte über ihre Gräueltaten und sie machten vor nichts Halt.
 

Bisher war es dem Pharao und seinen Soldaten nicht möglich gewesen, diesen Mann zu fassen und in den Zeiten des Min-Festes durfte er auf keinen Fall Schwäche zeigen, da er sonst sein eigenes Volk verängstigen würde und dies einen großen Schatten auf ihre Ernte werfen würde. Er musste Haltung bewahren. Atem besuchte den Tempel und verneigte sich vor den Tempelwänden, an denen die Bilder der Götter gehauen wurden und zudem den Verlauf des wichtigen Min-Festes erläuterte. Die Hohepriester und der Pharao würden die Götter mit Opferdarreichungen besänftigen und um ihre Gunst bitten und die Statue des alten Pharao Akhenamkhanen von einem Tempel zum nächsten tragen, um so Atems Herrschaftserneuerung zu feiern. Er würde feinste Kleider tragen und Schmuck aus Gold. Eine Woche – zehn Tage lang – würde gefeiert werden, doch Atem befürchtete, dass diese Feierlichkeiten von der Räuberbande gestört werden würden.
 

Es war also nötig noch mehr Wachen in den Stadt zu positionieren. Im gleichen Atemzug bedeutete dies jedoch auch, den Schutz des Palastes zu verringern und sich angreifbar zu machen. Natürlich hatten sie die Millenniumsartefakte und ihre mächtigen Ka-Bestien, die sie im Ernstfall beschwören konnten, doch er hoffte sehr, dass es zu keinem Kampf kommen würde.
 

Als die Festlichkeiten abgehalten wurden, feierte ganz Kemet. Die Bewohner des Landes ließen all ihre Sorgen hinter sich und feierten ausgelassen. Lachen und Freude überall. Sämtliche Feste, die mit dem Nil zusammenhingen, wurden überall begannen und die Menschen erwarteten freudig die Nilschwemme und den zurückbleibenden Schlamm. Mit fröhlichen Liedern wurde der Schlamm willkommen geheißen und mit Instrumenten spielte man wunderschöne, wohltuende Klänge und Melodien, um den Göttern für ihren Segen zu danken. Vor allem Gott Sobek wurde gepriesen, der ihnen einst den Nil schenkte.
 

Atem saß in seinen Privaträumen und lauschte der Musik. Sie feierten bis zur späten Nacht, tranken lieblichen Wein, sangen Loblieder und Hymnen, die sie den Göttern widmeten und aßen duftendes, frisch gebackenes Brot und verspeisten die süßen Datteln und Feigen.
 

In der Nacht war es zu vielen Ausschreitungen gekommen. Es kam zu Streit zwischen einzelnen Bewohnern, welcher rasch zu einer Massenschlägerei ausartete. Es waren heilige Tage und normalerweise wurde das Fest nicht unterbrochen, doch die Hohepriester und der Pharao kamen zusammen, um ein Urteil über jene zu fällen, die die Feierlichkeiten störten. Dann ein Mann, der es gewagt hatte, ein Grab eines Pharaos ausrauben zu wollen, der jedoch nichts stehlen konnte, da die Kammer bereits ausgeleert wurde. Er zeigte keinerlei Reue, obgleich er die heiligen Gemäuer eines Königs wissentlich betreten und zerstört hatte. Seth wies ihn dazu an, zu schweigen und zeigte mahnend mit seinem Millenniumsstabs auf ihn.
 

„Das Reich eines ruhenden Pharaos ist das Reich eines Gottes!Wer seine Ruhe stört, auf den wartet die Strafe der Götter! Du wirst sie am eigenen Leib erfahren! Nun werden die Artefakte ein Urteil über dich fällen!“
 

Karim – Hüter der Millenniumswaage – erhob sein Artefakt und es leuchtete für einen Moment auf, ehe die eine Seite sich senkte, ein Zeichen für die Schwere des Verbrechens und die finstere Seele des Mannes. Priester Shada sah in die Seele des Mannes mithilfe seines Schlüssels, den er einst von Siamun Muran erhalten hatte und erkannte den Schatten einer bösen Ka-Bestie, die Seth mithilfe seines Stabes aus der Seele des Mannes zog und sofort in eine Steinplatte bannte und daraufhin eine sofortige Hinrichtung forderte. Akhenaden jedoch forderte sieben Jahren Frondienst. Die Priesterin der Millenniumskette zuckte zusammen und sie meinte, einen dunklen Schatten zu spüren, der sich dem Palast näherte und nur wenige Augenblicke später hörte man die entsetzlichen und schmerzverzerrten Schreie der Wachen, die den Thronsaal bewachten. Ihre Körper prallten dumpf zu Boden und die Speere, mit denen sie bis eben den Weg versperrt hatten, klirrten laut als sie den Boden erreichten.
 

Sämtliche Priester zeigten Achtsamkeit und sie warfen ihre Blicke gen Eingang, abwartend und bereit für einen etwaigen Kampf. Wer auch immer es wagte, den Palast während der Festlichkeiten zu betreten, konnte nichts Gutes im Sinn haben. Die Schritte näherten sich und die Anspannung wuchs. Ein Mann mit rotem Umhang kam herein, auf seinem Rücken trug er Schätze aus reinem Gold und um seine rechte Hand hatte er ein Seil gespannt, mit dem er etwas hinterherzog. Es handelte sich um die Mumie des vorherigen Königs Akhenamkhanen. Es kam zum Kampf. Die Hüter der Millenniumsartefakte beschworen ihre Bestien, um den barbarischen Dieb, der es gewagt hatte, die heilige Ruhestätte eines Pharaos zu durchbrechen, zu bestrafen und hinzurichten, doch dieser Mann war alles andere als schwach. Auch er besaß eine Ka-Bestie, die durch seinen Hass und seine Rachegelüste unglaublich stark und gefährlich war.
 

Er stellte sich als Bakura, König der Grabräuber, vor und teilte mit, dass er ein Überlebender des Dorfes Kul Elna war. Atem zeigte keinerlei Interesse an dem Mann, sondern lief mutig voran, schubste den Dieb beiseite und nahm die sterblichen Überreste seines Vaters in die Arme, warf einen trauernden Blick auf diesen und bat diesen gedanklich um Verzeihung. Bakura hatte es gewagt, die Ruhe seines Vaters zu stören und dies machte ihn unglaublich wütend. Mahaad war zuständig für die Bewachung der Grabstätte. Hatte er nicht genügend Soldaten abgestellt?
 

In seinem Kopf war nur noch Nebel. Zorn. Hass. Enttäuschung. Zähneknirschend legte er den toten Körper auf den Boden und machte sich zum Kampf bereit. Bakura floh nach draußen und Atem folgte ihm. Er hörte die Stimmen seiner Priester, die ihn zur Ruhe ermahnten und ihm anwiesen, diesem Dieb nicht zu folgen, doch Atem ließ sich das nicht gefallen. Dieser unverschämte, abscheuliche Kerl hatte es gewagt, seinen geliebten Vater Akhenamkhanen aus seinem Grab zu zerren und seinen leblosen Körper in den Thronsaal zu bringen, sondern forderte ihn zum Kampf heraus, beleidigte nicht nur die Götter, sondern auch seinen Stolz als Sohn ebendieser. Er sollte die Ruhe bewahren?! Unmöglich!
 

Atem schwang sich auf sein Pferd und folgte dem Räuber. Er war der Sohn der Götter und als solcher war er mächtig, mutig und vor allem stolz. Die Wachen der Palastmauern passierend, orderte er diese an, ihm zu folgen und den Gotteslästerer zu fangen. Jemand, der die Götter und ihn verhöhnte und es gar wagte, die Ruhe seines Vaters zu stören, hatte den Tod verdient und durfte nicht frei herumlaufen. Geblendet von diesem unendlichen Gefühl des Hasses, folgte er ihm. Die Sonne ging bereits unter und die Dunkelheit der Nacht brach herein, doch auch diese Umstände, störten den Pharao nicht, der ihm unentwegt folgte und sein Pferd immer wieder antrieb. Seine sechs Priester folgten ihm und er hörte Mahaads Stimme und sein Flehen stehenzubleiben, doch in seinem Kopf herrschte nur noch ein Gedanke: diesen schäbigen Dieb zu bestrafen und für seine schrecklichen Taten und all das Leid, was er im Land verbreitet hatte, zu stellen.
 

Aus der Ferne hörte er die Stimme des Priesters Seth, der ihn davor warnte, keinen Alleingang zu unternehmen und obwohl Atem seine Worte wahrnahm, so konnte er ihre Bedeutung nicht verstehen. Sein Vater hatte nur einen Fehler gemacht: zu warten. Er hatte den Krieg abgewartet und geglaubt, dass er dem Kampf aus dem Weg gehen musste und Atem hatte beschlossen, dass er einen anderen Weg eingehen musste, um sein Land zu schützen. Vielleicht war die fremde Stimme in seinem Kopf der Wille der Götter und auch wenn er dies nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, so wollte er dieser Botschaft glauben.
 

ԃυ ԃαɾϝʂƚ ƙҽιɳҽ ʂƈԋɯäƈԋҽ ȥҽιɠҽɳ. ԃҽιɳ ҽɳԃҽ ɳαԋƚ, ɯҽɳɳ ԃυ ԃҽɱ ρϝαԃ ԃҽιɳҽʂ ʋαƚҽɾʂ ϝσʅɠʂƚ, hörte er die Stimme erneut in seinem Kopf und er umfasste die Zügel noch fester. Feuer brannte in seinen Augen und seiner Seele. Er würde diesen Kampf gewinnen und so beschwor er gleich mehrere Ka-Bestien auf einmal, die den Grabräuber attackierten. Der Boden begann zu beben und sein Pferd wurde plötzlich unruhig. Sie befanden sich inmitten der Unterstadt. Die Schreie der verängstigten Bürger waren von allen Seiten zu hören und panisch liefen sie davon. Ein Erdbeben versetzte ihr geliebtes Kemet in Angst und Schrecken und die Götter selbst halfen ihnen in dieser scheinbar aussichtslosen Situation nicht. Atem ließ sich davon nicht abschrecken und ritt dem Dieb weiterhin hinterher. Außerhalb der Stadt angekommen, glaubte er, endlich den Dieb stellen zu können.
 

Bakura ritt unentwegt weiter.
 

Ist das eine Falle? Will er mich weglocken? Ha! Kann mir nur recht sein! Ich fürchte dich nicht!, dachte er und ließ sich auf dieses Katz und Maus Spiel ein.
 

Die Nacht war hereingebrochen und dunkle Wolken zogen über Kemet auf. Sie verhießen nichts Gutes. Donner grölte und Blitze erhellten den Himmel und schlugen im Wüstensand auf. Plötzlich blieb der Dieb stehen und der Boden unter ihm zeigte erneut seinen Zorn, der Boden brach auf und sie wurden getrennt von einem Abgrund. Es waren nur klägliche fünf Meter zwischen ihnen, doch sein Pferd weigerte sich, die Verfolgung weiterhin aufzunehmen und wieherte panisch, trabte auf der Stelle und versuchte den Rückweg anzutreten. Atem kämpfte gegen sein störrisches Pferd, das mindestens so stolz war wie er, doch im Herzen auch ein Feigling. Selbst sein stolzer Mustang erkannte die Gefahr und stellte sich nun gegen ihn, doch Atem blieb dabei, bewies eiserne Hand und Dominanz, zwang sein Pferd dazu, mit einem großen Sprung das Hindernis zu überwinden. Nur die besten und kräftigsten Pferde konnten Sprünge dieser Distanz leisten und Atem wäre nicht der Pharao dieses Landes, wenn nicht auch sein treues Pferd zu Höchstleistungen imstande war.
 

Mittlerweile hatten sie die anderen Priester fast abgelenkt. Er war sich sicher, dass Mahaad noch nicht aufgegeben hatte und ihm weiterhin unbeirrt folgte, doch Atem hatte keine Zeit auf diesen zu warten und ihm die Möglichkeit zu geben, ihn einzuholen, denn sein Ziel lag klar vor seinen Augen und er konnte es sich gar nicht leisten, dieses aus den Augen zu verlieren. Seine Ka-Bestien griffen weiterhin aus der Distanz an, doch Bakura wich den Angriff geschickt aus und longierte sein Pferd äußerst gewandt. Unter anderen Umständen wäre dieser Mann sicher ein guter Soldat geworden. Was auch immer ihn zur Seite der Finsternis gelockt hatte und ihn dazu brachte, Moral und Anstand aufzugeben und das Leben eines Räubers zu führen, hatte Kemet eine unglaublich gute Arbeitskraft gekostet. Bedauerlich, dass die menschliche Seele so schwach war und sich schnell hinreißen ließ.
 

Endlich stellte sich Bakura ihm und blieb stehen. Er zückte einen Säbel aus seiner Seitentasche und ritt auf den Pharao zu, doch Atem, der jahrelang Kampfpraktiken erlernt hatte, wusste genau, wie er einen solchen direkten Angriff kontern konnte. Auch er zog seinen Säbel und ihre Klingen kreuzten sich. In weiter Ferne schlug ein Blitz ein, genau in dem Moment, als ihr geschärftes Eisen aufeinander schlug und sie ritten aneinander vorbei, umkreisten sich und beobachten ihren Feind, ein jeder darauf wartend, dass der Gegenüber auch nur den winzigsten Fehler machte.
 

„Atem, du bist nichts weiter als ein dummes Kind. Kaum zu glauben, dass du mir bis hierher gefolgt bist!“, lachte Bakura siegessicher und leckte sich über die Lippen, während seine Pupillen sich weiteten, wie bei einem Falken, der kurz davor war, sich auf seine Beute zu stürzen und diese brutal in Stücke zu reißen.
 

„Du wagst es mich beim Vornamen zu nennen? In Kemet haben wir keinen Platz für einen Gotteslästerer und Grabschänder wie du es bist! Erwarte keine Gnade von mir! Die Schonzeit ist endgültig vorbei!“, brüllte Atem sichtbar aufgebracht. Auch seine Augen zeigten Kampfeswille und zeugten von seinem Entschluss, seinen Feind niederzustrecken.
 

Bakura lachte nur amüsiert, griff den König erneut an, doch wieder verlief ihr Aufeinandertreffen unentschieden und sie umkreisten sich erneut wie hungrige Hyänen der Wüste, die seit Tagen nichts mehr zu Fressen bekommen hatten. Atem war nicht gewillt aufzugeben, beschwor erneut seine Ka-Bestien und forderte diese dazu auf, ihn anzugreifen. Sein Angriff ging ins Leere, denn Bakura wich nicht nur aus, sondern ließ sich auf diese Art des Kämpfens ein, holte sich seine Ka-Bestie Diabound zur Hilfe, welches mit seinen zwei Mäulern bedrohlich knurrte und gierig den jungen König begutachtete.
 

Bakuras Lachen ertönte weiterhin. Siegessicher, triumphierend und vor allem manisch. Atem wurde nun noch vorsichtiger. Hatte sein Gegenüber den Verstand nun vollends verloren? Sein Lachen hallte durch die Finsternis der Nacht und ließ Atem für einen Moment erschauern.
 

„Verstehst du es denn wirklich nicht?“, fragte Bakura und beruhigte sich nun endlich.
 

„Das alles ist nur ein Spiel. Wir sind Schachfiguren und werden von deinen achso geliebten Göttern übers Brett gescheucht. Du hast keinen eigenen Willen! Wir haben keine Freiheit! Wir leben in Furcht und Abhängigkeit und du bist unwissend!“
 

„Hüte deine Zunge! Ich bin Pharao Atem – Sohn der Götter – und du befindest dich auf Heiligen Boden! Wage es nicht, die Götter weiterhin zu beleidigen! Du bist nichts weiter als ein größenwahnsinniger Räuber, dem die Hitze zu Kopf gestiegen ist!“
 

„Ist das so? Glaubst du, dass ich dich grundlos angreife? Aus Langeweile?!“
 

„Jemand wie du braucht keinen Grund um anderen Menschen Leid zuzufügen. Du bist nichts weiter als Abschaum!“
 

„Ein unwissender Pharao, der nicht einmal die Wahrheit hinter den Millenniumsartefakten kennt und trotzdem große Töne spuckt!“
 

Atem hob neugierig eine Augenbraue. Die Wahrheit? Was meinte er? Bakura zog eine Augenbraue hoch und zuckte mit den Schultern.
 

„Der gutherzige Herrscher weiß nichts über die Tragödie von Kul Elna und dem Opfer, das erbracht wurde, um den Frieden eures Landes zu sichern? Wie viele Menschen mussten ihr Leben lassen, um euren bequemen Alltag zu retten? Ich frage mich, wie sich Akhenamkhanen gefühlt hat, als man ihm endlich sagte, dass Blut an seinen Händen klebte? Auch du, Atem, bist nichts weiter als ein Mörder! Nur weil du die Wahrheit nicht kennst, macht dich das nicht unschuldig!“
 

„Schweig! Deine Lügen beeindrucken mich nicht!“
 

Mein Vater... ein Mörder? Unmöglich! Er hat alles getan, um uns den Frieden zu bringen und hat Gewalt verabscheut!
 

„Meine Lügen vielleicht nicht, aber vielleicht meine wahre Macht“, erklärte der Dieb und plötzlich schlugen mehrere Blitze ein, beleuchten den Dieb in einem verheißungsvollen Licht.
 

Dunkelheit breitete sich aus. Atem wurde unruhig und sein Pferd wich einige Schritte zurück, schnaubte aufgebracht. Sein stolzes Tier und Begleiter wollte die Flucht ergreifen, doch Atem blieb stur. Er umgriff die Zügel und wollte seinem nervösen Pferd gutzusprechen, doch dieser wieherte nur laut, warf seinen Reiter von seinem Rücken und ergriff die Flucht. Empört sah der Pharao seinem Pferd hinterher. Schon bald war dies nicht mehr möglich, als die Finsternis ihn endgültig umkreiste und er von seinem Pferd getrennt wurde. Plötzlich fiel ihm das Atmen schwer und er rang nach Luft, versuchte weiterhin sich keinerlei Schwäche ansehen zu lassen. Mit dem Millenniumspuzzle und seinen Ka-Bestien hatte er starke Waffen auf seiner Seite, zudem war er der Sohn der Götter. Er war unfehlbar und somit unbesiegbar.
 

Zwei tiefrote, leuchtende Punkte erschienen am Himmel, sie schienen auf ihn herabzublicken, wie zwei gigantische Augen, die ihn in den Abgrund reißen wollten. Sofort beschwor der König all seine Ka-Bestien und griff den selbsternannten König der Räuber an, ließ all seinen Zorn, seinen Hass und seine Wut an diesem aus und zum ersten Mal ging sein Angriff durch. Im nächsten Moment sprang er Bakura entgegen, riss ihm die Zügel aus der Hand und kletterte an dessen Pferd hoch, schwang seinen Säbel in dessen Richtung, doch dieser wich aus und sprang nun von seinem Pferd.
 

„Immer von vorne, ein wahrer Anführer, der niemals kneift“, spöttelte Bakura und umgriff seinen eigenen Säbel nun fester. Sein Pferd galoppierte davon. Sie standen sich erneut direkt gegenüber, sahen sich Aug in Aug, hatten ihre Waffen aufeinander gerichtet und ein jeder wartete darauf, dass der andere den nächsten Schritt wagte. Atems schwarzer Säbel war mit goldenen Hieroglyphen verziert und der Knauf trug das Bild eines Falken, der die Flügel ausgebreitet hatte. Ein Abbild des Horus. Atem glaubte fest daran, dass die Götter an seiner Seite standen und er fühlte sich sicher. Ein gemeiner Dieb würde ihn nicht besiegen können und er grinste dem Weißhaarigen selbstbewusst entgegen. Seine drei Ka-Bestien standen hinter ihm, der Keltische Wächter, Gaia, Ritter des Dunklen Windes und sein loyales Kuriboh, welchem ihrem Feind einen bösen Blick zuwarf und dabei bedrohlich quiekte. Atem hatte noch mehrere andere Monster, die er hätte rufen können, doch er wollte diesen Mann mit seinen eigenen Händen erledigen.
 

Erneut kreuzten sie die Klingen. Klirrend stießen ihre Säbel aufeinander. Elegant wich Atem mit einem Ausweichschritt zur Seite weg, während seine Monster sich gegen das schlangenähnliche Monster ihres Gegenübers kümmerten. Diabound schoss wild mit Laserstrahlen umher, sodass Atem rasch eine Rolle zur Seite machen musste. In diesem Moment hatte er Bakura aus den Augen verloren. Ob er sich in dem dunklen Nebel, diesen Schatten der Finsternis, versteckte und nur auf den richtigen Augenblick wartete, um sich in einem Moment der Unachtsamkeit auf ihn zu stürzen und wie ein gieriger Löwe, den man in die Ecke getrieben hatte, erbarmungslos die Kehle aufzuschlitzen? Sein Blick wanderte umher. Außer dem dunklen Nebel erkannte er nichts. Die beiden roten Augen über ihm schienen ihn zu beobachten und irgendetwas in ihm sagte ihm, dass er vor diesem Leuchten auf der Hut sein musste, wenn er nicht nichtsahnend, in Stücke gerissen werden wollte. Er glaubte fast daran, dass Bakura nicht sein einziger Gegenspieler war. Knurrend drehte er sich um seine eigene Achse.
 

„Komm raus, du Feigling! Ich dachte, du wolltest einen Kampf? Und nun versteckst du dich? Ein König beweist Mut, also stell dich mir, wenn du dich selbst einen König schimpfst!“
 

„Ich muss mich niemanden beweisen“, hallte Bakuras Stimme von allen Seiten zu ihm.
 

Wo zum... steckt er?! Diese Finsternis, die mich umringt... ist sie etwa ein Teil von ihm?, überlegte Atem und hob seinen Säbel verteidigend vor sich, als wollte er einen Angriff parieren. Von Anfang an war ihm bewusst, dass Bakura ihn in eine Falle lockte und er hatte nicht geglaubt, dass ein direkter Frontalangriff Wirkung zeigen würde, aber er hatte fest damit gerechnet, als Sieger aus diesem Kampf zu gehen. Jetzt war er sich dem nicht mehr so sicher. Atem biss sich auf die Unterlippe, schüttelte den Gedanken wieder ab. Er war der König. Er musste Haltung bewahren und stets Mut beweisen. Es war seine Pflicht sein Land zu verteidigen und den Schutz des Volkes zu garantieren. Ein dreister Dieb, der sich selbst einen Titel verlieh, zwang ihn nicht in die Knie.
 

Seine drei Monster besiegten Diabound und dieser verschwand. Wenigstens eine Sorge weniger. Ein manisches Lachen, das aus allen Richtungen zu kommen schien und zig Echos in verschiedenen Tonlagen warf. Atem erschauderte es für einen Moment. Bakura war zu feige, sich in einem richtigen Duell gegen ihn zu messen und versteckte sich, wie eine Schlange, die aus dem Hinterhalt agierte und ihr tödliches Gift in Sekundenschnelle in ihren Gegner injizierte. Er warf erneut einen Blick in Richtung der Augen und im selben Moment sah er nicht nur zwei rot leuchtende Punkte über ihn schweben, sondern hunderte. Seine drei Monster eilten ihm zu Hilfe und stellten sich schützend vor ihm, als die hellen Strahlen auf ihn herabregneten. Knallend schlugen leuchtende Speere in den Böden und er wusste, dass seine drei Monster nach diesem Angriff erledigt sein würden und er schutzlos, nur mit einem Säbel bewaffnet, dastehen würde.
 

Verdammt... er ist weitaus stärker als ich dachte! Was ist das für eine Macht? Was nur hat dieser Kerl geopfert, um so mächtig zu werden und sich selbst den Göttern als ebenbürtig zu erweisen?!, zerbrach er sich den Kopf und schloss für eine Sekunde die Augen, als die nächste Salve direkt vor ihm zu Boden kam und sein Monsterwall nun endgültig verschwand. Sein Gegner stellte nun seinen Angriff ein. Der Sand wurde von den herabstürzenden Speeren aufgewirbelt und Atem röchelte, als der feine Staub ihn umgab und er diesen ungewollt einatmete. Seine Augen brannten. Feine Sandkörner hatten sich in diese verirrt, doch er durfte auf keinen Fall Schwäche zeigen.
 

Der Staub verzog sich langsam und aus der Finsternis kam nun endlich Bakura. Langsamen Schrittes kam er näher, blieb nur wenige Meter vor dem König stehen, welcher sofort verteidigend seinen Säbel hob und ihn herausfordernd ansah, keinen Funken an Angst ausstrahlte und dabei den Weißhaarigen mit hasserfüllten Augen fixierte.
 

„Dein Blick gefällt mir. Er erinnert mich an mich selbst. Wenn ich dich sehe, habe ich das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen. Schon eigenartig, nicht wahr? Wie sehr Gefühle unsere Entscheidungen beeinflussen. Wie sehr Hass uns verändern kann und was wir bereit sind, zu tun, um unsere eigene Gerechtigkeit durchzusetzen.“
 

„Worauf willst du hinaus?!“, brüllte Atem und hoffte, dass Bakura Abstand nahm.
 

„Diese Gerechtigkeit... sie ist sehr vielfältig und doch meint sie immer dasselbe. Gerechter Lohn, gerechte Urteile oder soziale Normen, die unser Miteinander bestimmen sollen. Und doch bedeutet sie am Ende nur, dass man sich vor seinen eigenen Taten und seiner eigenen Haltung rechtfertigen kann und wir im Reinen mit dem sind, was wir tun. Mein süßer, kleiner Pharao, bist du im Reinen mit dir selbst? Kannst du all deine Entscheidungen, die du in deinem Leben gefällt hast, auch vor deinen Göttern rechtfertigen? Wiegt dein Herz mehr als die Feder der Maat? Kannst du das mit Bestimmtheit sagen?“
 

„Du schwafelst Unsinn und beleidigst nicht nur mich, sondern auch die Götter. Aus deinem Mund kommt nur Schund und ich weiß genau, dass du meinen Verstand zu vergiften versuchst. Du bist wie eine Krankheit, die sich ausbreitet und alles infiziert, was in ihre Nähe kommt!“
 

„Die Wahrheit tut weh, nicht wahr? Dein unbeschwertes, schönes, bequemes Leben und auch dein Thron – alles worauf dein ganzes Wesen basiert, wurde erbaut auf dem Blut und den Leichen meines Volkes! Euer Frieden ist möglich, weil ihr jene geopfert habt, die ihr für nicht lebenswert hieltet! Doch du verschließt die Augen vor dieser Ungerechtigkeit, forderst im gleichen Atemzug Gerechtigkeit und wagst es, mich zu verurteilen? Ich mag die Krankheit sein, doch du bist ihr Auslöser! Ihr, die Herrscher Kemets, seid die wahre Ursache der Symptome!“
 

Atem antwortete nichts und starrte ihn einfach nur wütend an.
 

„Da verschlägt es dem süßen Pharao die Sprache. Sag, du naives Kind, wie viel wiegt ein Menschenleben? Wie viel zehn? Gar hundert? Tausende? Was macht das Leben deines Volkes wertvoller als das meiner Familie? Wo ist sie, die Gerechtigkeit, nach der du so sehr strebst?!“
 

„Selbst, wenn das, was du sagst, wahr sein sollte, gibt es dir nicht das Recht Unschuldige zu töten! Du schändest die Gräber meiner Ahnen und störst ihren Frieden, attackierst Frauen und Kinder und bestiehlst selbst die Ärmsten der Armen und erwartest von mir Erbarmen oder gar Verständnis? Ich werde dich vom Antlitz dieser Welt tilgen und damit die Krankheit, die ich selbst in die Welt gerufen habe, endgültig vernichten!“
 

Brüllend liefen sie aufeinander zu. Sie tauschten mehrere Schläge aus und trafen sich abwechselnd. Keuchend standen sie einander gegenüber. Ihre Verletzungen waren tief. Das Blut, das Atem übers Gesicht lief, verschlechterte seine Sicht, doch er wäre wohl kaum ein würdiger Herrscher, hätte ihm sein Lehrmeister nicht von klein auf beigebracht, nicht nur mit seinen Augen, sondern mit seinem ganzen Wesen zu sehen. Auch Bakura befand sich in einem schlechten Zustand. Seine Knie zitterten und Atem war sich sicher, dass er schon bald all seine Energie verlieren würde und er ihm den vernichtenden Schlag verpassen konnte. Er grinste. All das Adrenalin in seinen Blutbahnen gab ihm das Gefühl von Sicherheit, gar Überlegenheit. Hah. Er hatte die Götter selbst auf seiner Seite!
 

Mit einem letzten Hieb lief er auf Bakura zu. Die Erde unter seinen Füßen fühlte sich wie Watte an. Alles verlief in Zeitlupe und er sah, wie Bakura sich langsam aufrichtete und dieses ekelhafte Grinsen auf seinen Lippen trug. Er sah auf ihn hinab. Atem hatte nicht genügend Zeit, um zu sehen, was sich abspielte. Ein riesiger leuchtender Strahl kam ihm entgegen. In seinen Augen spiegelte sich das hell leuchtende Ungetüm wieder, der Boden unter seinen Füßen wurde aufgerissen und erneut breitete sich der Abgrund unter ihn aus, noch ehe er ausweichen konnte, spürte er eiskaltes Metall, das sich durch seinen Brustkorb fraß und er sah den Säbel seines Feindes, welcher so tief in seinen Körper gerammt worden war, dass nur noch der Griff zu sehen war. Der Geschmack von Blut füllte seinen Mund und er spuckte die rote Flüssigkeit ächzend aus. Der Laserstrahl traf ihn und er fiel hinab in die Tiefe. Das letzte, was er sah, war Bakuras ekelhaft siegessichere Grinsen und zwei rote leuchtende Augen am Himmel, die ihn zu verhöhnen schien.
 

Ich flehe Euch an, Ihr Götter! Lasst dies nicht mein Ende sein! Bakura darf nicht gewinnen! Wenn ich ihn nicht aufhalte, wird er mein Land und mein Volk bedrohen. Er ist dem Wahnsinn verfallen, er ist nur noch eine Hülle, die von der Finsternis kontrolliert wird. Ich flehe Euch an! Gebt mir eine zweite Chance und lasst mich für mein geliebtes Land kämpfen!
 

Atem stieß ein Stoßgebet gen Himmel auf. Doch die Götter erhörten ihn nicht und so endete die Herrschaft des Pharaos Atem und Kemet würde erneut einen neuen König brauchen, der das Land verteidigen würde und Wohlstand und Frieden sicherstellte. Dieser König würde niemand anderes sein als sein Priester Seth, von dem er nie wusste, dass er sein Cousin gewesen war. Niemals würde Atem erfahren, dass Akhenaden sein Onkel war und er würde das Schicksal seines Landes nicht mehr miterleben. Bakura und die Finsternis bedrohten sein heiliges Land und er selbst war es, der dieses Unglück zugelassen hatte. Kemet versankt erneut in Krieg und Kampf. Das Blut tausender Unschuldiger wurde vergossen und in Zukunft würde niemand den Namen des Pharaos mehr kennen. Der Pharao, der sein Land verraten hatte und dem die Götter nicht gewogen waren. Er verlor die wichtigste Schlacht und brachte Schande über sein Reich. Sein Name würde gestrichen werden und er selbst würde vergessen werden.
 

Alles, was er noch tun konnte, war darauf zu vertrauen, dass seine Hohepriester stark genug waren, sein Land zu verteidigen und dass die Götter ihnen beistanden, wo sie doch seine verzweifelten Rufe nicht mehr zu erhören schienen. Er selbst hatte diese Katastrophe heraufbeschworen. In seiner jugendlichen Naivität und seiner verzweifelten Suche nach dem richtigen Weg, hatte er das Licht und den Schutz der Götter verloren. Sein Herz war zu schwach gewesen und Finsternis nagte von innen heraus an ihm und tötete seinen Körper wie ein Parasit.
 

Der namenlose Pharao, der den Frieden Kemets geopfert hatte und Leid und Schande brachte. Ein Mann, vergessen von der Welt, abgekommen vom richtigen Weg und auf den Weg in das Totenreich.
 

Kannst du all deine Entscheidungen, die du in deinem Leben gefällt hast, auch vor deinen Göttern rechtfertigen? Wiegt dein Herz mehr als die Feder der Maat? Kannst du das mit Bestimmtheit sagen?
 

Atem fiel in die Tiefe. In die Finsternis. Er war allein. Schutzlos. Er spürte, wie er sein Leben aushauchte.
 

[Kapitel 7]
 

Seine zweite Chance

Als er erwachte, konnte er seinen eigenen Körper sehen. Er kämpfte gegen das Gefühl von Ohnmacht und diese unendliche Schwäche, die ihn zu fesseln schien. Mit letzter Kraft stützte er sich ab und erhob sich, nur um im nächsten Moment erneut auf die Knie zu fallen. Die Verletzungen seines Kampfes waren verheilt. Sein Blick lag auf dem bewegungslosen Körper neben ihn. War er ein Geist? War dies die Strafe, weil er eine falsche Entscheidung getroffen hatte? Den falschen Weg gewählt hatte? Zu seinen Füßen befand sich Blut. Sein ehemaliger Körper war eiskalt, die Augen leer und die Pupillen extrem geweitet. Das war nicht mehr sein Körper. Nur noch eine leblose Hülle.
 

Du hast alles gegeben und trotzdem ist es so geendet.

Du fragst dich, wo die Gerechtigkeit ist und du ersehnst ein anderes Ende.

Du bist verwirrt und wünscht dir einen Ausweg, doch du scheinst verloren zu sein.

Wirst du weitergehen?

Oder stehenbleiben?


 

„Wer ist da?“, kam es erschrocken von Atem.
 

Diese Stimme hallte in seinem Kopf wieder. Sie war sanft und fürsorglich, rief in ihm ein Gefühl der Geborgenheit auf und erinnerten ihn an die Zeit, als seine Mutter ihn schützend ihn den Arm nahm. Ihr Gesicht war ihm entfallen. Sie starb während eines Attentats als der Krieg begann. Atem hatte es seinem Vater übelgenommen, dass er sie nicht beschützt hatte. Sie hatte einen Tempel besucht und dort gebetet, ihr Feinde jedoch hatten keinen Respekt vor den Göttern und hielten auch vor einem Tempel nicht inne. Das Gebäude wurde zerstört und die dort Gläubigen getötet. Ein Skandal. Es war offensichtlich eine Kriegserklärung und doch hatte sein Vater auf Frieden gehofft. Er hielt die Erinnerung an seine Mutter in seinem Herzen wach, ihre Stimme und das Gefühl ihrer warmen Hände auf seiner Haut, doch an ihr Gesicht konnte er sich nicht mehr erinnern. Irgendwo hatte er diese Stimme schon einmal gehört.
 

Möchtest du eine zweite Chance oder akzeptierst du dein Schicksal?
 

„Ich weiß nicht, wer du bist, aber ich werde nicht aufgeben!“
 

Du wirst deinen Weg also fortsetzen.

Noch kann ich dir nicht sagen, wer ich bin, doch ich werde dir eine weitere Chance geben.

Schließe deine Augen. Öffne sie erst wieder, wenn ich dir das Zeichen gebe.

Du brauchst mich nicht zu fürchten.


 

Atem warf einen letzten Blick auf seinen toten Körper. Er befand sich in einer tiefen Höhle. Vermutlich am Boden des Abgrunds, in den er gefallen war. Die Erinnerung an den Kampf mit Bakura ließ ihn unwillkürlich vor Wut zusammenzucken und er knirschte mit den Zähnen, tat dann, wie ihm geheißen. Er schloss seine Augen und er hoffte, dass er in seinem eigenen Körper aufwachen würde, doch er war sich nicht einmal sicher, ob diese Person, diese Stimme, die ihm so nostalgisch werden ließ, überhaupt auf seiner Seite war. Die Stimme bat ihn darum, nun die Augen zu öffnen. Vorsichtig blinzelte er. Er befand sich in einem riesige Labyrinth wieder. Er ließ seinen Blick hin und her schweifen. Überall waren Türen, Treppen und Abgründe, die in das Nichts zu führen schienen.
 

Wo war er hier? Was war das nur für ein eigenartiger und fremder Ort, der sich im gleichen Atemzug so vertraut anfühlte, als hätte er hier Jahre verbracht? Aus alter Gewohnheit hob er seine Hand und wollte das Millenniumspuzzle um seinen Hals berühren, doch zu seinem Erstaunen war dies nicht mehr da. Erschrocken senkte er seinen Blick. Das Puzzle war verschwunden! Kaum auszudenken, was geschehen würde, würde diese mächtige Waffe in die falschen Hände geraten.
 

Du hast es bereits erkannt. Das Millenniumspuzzle ist verschwunden.

Dieser Ort ist das Puzzle selbst.

Ich gebe dir eine zweite Chance, doch im Zuge dessen, fordere ich ein angemessenes Opfer von dir.

Folge den wirren Wegen und finde die zwei Altäre, die sich der Sonne und dem Mond zuwenden und bringe dein Opfer dar.
 

„Was für ein Opfer? Ich trage nichts bei mir, das ich aufgeben könnte.“
 

Doch, das hast du.

Sobald du den Altar der Sonne und des Mondes erreichst, wirst du wissen, was zu tun ist.

Sohn der Götter, Atem, der du der Gott der Götter bist und dein Schicksal erfüllen musst, fürchte dich nicht vor dem, was vor dir liegt.

Vertraue deinem Herzen.


 

Unschlüssig senkte Atem den Blick und biss sich auf die Unterlippe. Selbst sein Vater und auch Siamun hatten von seinem großen Schicksal gesprochen und ihm seit seiner Kindheit die Bedeutung seines Namens eingebläut. Sein Name war sein Schicksal und ein Teil von ihm. Es war seine Bestimmung diese Aufgabe zu meistern und allein die Bürde der Welt auf seinen Schultern zu tragen. Es gab nur eine klare Antwort. Darüber nachzudenken und diese Herausforderung abzulehnen blieb ihm verwehrt. Die Worte des Räubers spukten in seinem Kopf umher. Nichts weiter als Schachfiguren der Götter, willenlos und ohne Freiheit und die Selbstbestimmung, an die er glauben wollte, nichts weiter als ein Irrglaube.
 

Und Atem fiel es schwer, die Worte des Räubers nicht zu Herzen zu nehmen, denn wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er diese Gedanken seit vielen Jahren in seinem Herzen verschlossen. Er wollte nicht daran denken und weigerte sich diesen Gedanken zuzulassen, doch er war da und wuchs in den Schatten seines Herzens. Wie nur sollte er da seinem Herzen vertrauen, wo er doch selbst am besten wusste, was dort auf ihn lauerte?
 

Erneut hob er seinen Kopf und sah sich um. Die Luft war eiskalt und erinnerte ihn an eine Grabkammer und er wunderte sich, was hinter den Türen lauerte, ob er dort die Antworten, die er ersehnte, finden oder ob lediglich Angst und Schrecken auf ihn warten würde. Das hier war eine Probe. Seine Probe. Er wurde hier getestet und er musste den Namen der schweren Bürde, den man ihm auferlegt hatte, nun gerecht werden und beweisen, dass er zurecht Atem – Gott der Götter – war.
 

Er bewegte sich auf die Tür zu und legte seine Hand auf den Griff, spürte das eiskalte Metall unter seinen Fingern und zuckte für einen Moment zusammen, ehe er sich dazu entschied, die Tür mit einem schnellen Ruck zu öffnen. Noch bevor er eintreten konnte, kam ein riesigen Steinfels herunter. Erschrocken wich er zurück und starrte den Stein an. Hätte er nur eine Sekunde langsamer reagiert, hätte er von diesem Geröll zerquetscht werden können! Da er bereits tot war, war es fraglich, ob er erneut sterben konnte. Er hatte das, was die Menschheit seit jeher am meisten fürchtete, bereits hinter sich und demnach gab es nichts, wovor er zurückschrecken würde. Er war bereits tot und hatte seinen irdischen Körper zurückgelassen. Es gab nichts mehr, wovor er Angst haben müsste. Breit grinsend wandte er sich von der Tür ab und nahm die nächste Tür in Angriff.
 

Auch die nächste wartete mit einer Falle auf ihn. Als er den Raum betrat, der in Finsternis gehüllt war, brach der Boden unter seinen Füßen weg, doch seine schnellen Reflexe und sein Instinkt ließen ihn mit einem großen Ausweichschritt nach hinten, direkt zum Eingang, springen, sodass er mit erhobenem Haupt dabei zusehen konnte, wie der Boden langsam in die Tiefen der Dunkelheit verschwand. Es war seine Aufgabe, die richtige Tür zu finden und die Altäre zu erreichen, um dort sein Opfer darzubringen und zu beweisen, dass er der Finsternis trotzen würde und für den Frieden und die Sicherheit der Menschheit kämpfen würde, bis zu seinem letzten Atemzug.
 

Die nächste Tür führte ihn in die Finsternis. Als er in den Raum trat, knallte die Tür laut hinter ihm zu und verschwand. Panisch drehte er sich um. Durch den dunklen Nebel konnte er den Weg vor sich nicht erkennen und ein Rückweg war ausgeschlossen. Diese Dunkelheit rief ein ungutes Gefühl in ihm hoch. Er war hier schon einmal. Der Kampf gegen Bakura und die Bestie mit den roten Augen hatte sich in seine Seele gebrannt und er wusste, dass dieser Ort mit dem Räuber und der unglaublichen Macht verbunden sein musste. Sein ganzer Körper warnte ihn. Sollte er weitergehen?
 

Fürchtest du die Finsternis?

Wähle deinen Weg.

Treffe deine Entscheidung mit Bedacht.
 

[Ja, ich fürchte mich.| Kapitel 14] – [Nein, ich trotze ihr! | Kapitel 8]
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

Sein Mut


 

Du bist mutig und entschlossen. Du gehst deinen Weg weiter und lässt dir von niemanden etwas sagen. Wie ein stolzer Adler fliegst du in der Lüfte. Wie ein kriegerischer Löwe lässt du dich nicht einschüchtern. Die Göttin Sachmet lächelt auf dich hinab. Auch die Finsternis wirst du mit dem Licht deines Herzens besiegen.

Wahrlich, ein Gott der Götter.
 

Unentwegt lief Atem durch die Finsternis. Sein Herz sagte ihm, in welche Richtung er gehen musste und er folgte diesem Gefühl, das immer stärker in ihm wurde und ihm sagte, dass er niemals aufgeben durfte. Für einen Moment glaubte er, die Hand seines Vaters auf seiner Schulter ruhen gesehen zu haben, doch als er sich umdrehte, um in dessen Gesicht zu sehen, erwies sich dies lediglich als Trugbild. Die Erinnerung an sein warmes Lächeln gab ihm Kraft und es schenkte ihm Trost. Sein Vater hatte niemals aufgegeben und er würde ihm beweisen, dass er den Namen, den man ihm geschenkt hatte, verdient hatte und seiner würdig war. Er irrte in der Finsternis, doch er schien sein Ziel fest vor Augen zu haben.
 

Als er seine Hand ausstreckte, befand sich unter seinen Fingern ein Knauf, den er drückte. Mit erhobenen Haupt bestritt er den Weg, der sich vor ihm ausbreitete. Zurück in dem Puzzle, in dem unendlichen Labyrinth. Kein Eingang. Kein Ausgang. Nur Wege, die in das Nichts zu führen schienen und ihn in die Finsternis zu reißen versuchten, doch er widerstand der Versuchung einfach aufzugeben. Mut war der Schlüssel zum Sieg. Entschlossen stieg er die Treppe hinauf und begab sich zur nächsten Tür und öffnete diese.
 

Heiße Flammen kamen ihm entgegen und er wollte ausweichen, doch als er sich umdrehte, war die Tür erneut verschwunden. Vor ihm befand sich sein geliebtes Kemet. Seine Heimat. Er rang nach Luft. Er befand sich in der Oberstadt und er war umschlossen von Flammen. Die Stadt schien beinahe vollständig verlassen zu sein. Hoffentlich waren die Menschen rechtzeitig evakuiert worden und in Sicherheit. Allein der Gedanke, dass tausende Seelen erloschen sein sollten, ließ sein Herz schmerzhaft zusammenziehen. Auch wenn er sich innerhalb des Puzzles befand, so fühlte es sich so unglaublich real an und der Schmerz, den er empfand, wenn die Flammen seine Haut berührten, war ebenso echt, wie das erdrückende Gefühl in seinem Herzen.
 

Wie viel Zeit war vergangen seit er Bakura herausgefordert hatte? Ob seine Hohepriester und die Soldaten immer noch gegen dieses Monstrum in den Schatten kämpften? Er betete um ihre Unversehrtheit, doch dann stockte er. Mahaad und Seth hatten ihn gewarnt. Sie hatten ihn aufhalten wollen, doch er hatte nicht zugehört. Er wollte nichts hören. Nichts sehen. Nicht denken. Das einzige, was er wollte, war den Räuber seiner gerechten Strafe zuzuführen und dabei hatte er nicht nur sein eigenes Leben riskiert, sondern das seines Volkes. Von Anfang an war es klar ersichtlich, dass Bakura ihn in eine Falle lockte und obwohl er dies gewusst hatte, hatte er sich sicher gefühlt und geglaubt, dass er gar nicht verlieren konnte.
 

Sein Egoismus und seine Sturheit, sein Unvermögen die Hilfe anderer anzunehmen, hatte ihn in diese Situation gebracht. Hätte er Bakura nicht eigenmächtig verfolgt und stattdessen abgewartet und sich zunächst eine Strategie zurecht gelegt, wäre all dies nie geschehen. Er hatte impulsiv gehandelt und seinen Emotionen freien Lauf gelassen und nun waren es die Worte des Räubers, die seinen Verstand zu vergiften versuchten und ihm sagten, dass er dieses Schicksal verdient hatte, da er die Augen vor der Wahrheit verschlossen hatte.
 

Er lief in Richtung des Palastes. Die Flammen hatten sich bereits bis zur Tempelanlage und zum Palastinneren ausgebreitet, trotzdem ließ ihn das nicht zurückschrecken und er folgte seinem Ziel. Er wusste nicht warum, aber er fühlte, dass er weitergehen musste. Irgendetwas rief nach ihm. Im inneren Bereich des Palastes angekommen war der Qualm so dicht, dass es ihm erschwert wurde, voranzukommen. Er warf einen Blick auf das Wasserbecken und erinnerte sich an den Tag zurück, als er mit Mahaad hier saß und dieser ihm nicht den Grund für seine Tränen verraten wollte. Vielleicht hatte er die Wahrheit gekannt und wollte ihn schützen. In diesem Augenblick wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass Mahaad hier war und ihm eine Predigt hielt.
 

Er öffnete die schweren Tore zum Thronsaal und schnappte nach Luft, als er zwei monsterähnliche Gestalten sah, die den Thron zu verteidigen schienen. Sie bewegten sich nicht vom Platz, sondern betrachteten den Eindringling, warteten darauf, dass Atem nur einen falschen Schritt machte. Er musste an seinen Vater denken, den Bakura in den Thronsaal geschleift hatte. Die beiden Wächter sahen auch aus wie die Mumien von Königen. Die Verbände fielen bereits von ihrem vertrockneten Fleisch und sie waren blutverschmiert, ihre Gesichter kaum mehr als menschlich zu erkennen und die leuchtenden Augen wirkten dämonisch, wie nicht von dieser Welt. Sollte er zum Thron gehen oder fliehen?
 

Wirst du dich deiner Angst stellen?

Wirst du dein Schwert ziehen und kämpfen?

Oder suchst du nach einem anderen Weg?

Treffe deine Entscheidung mit Bedacht.
 

[Kämpfen. | Kapitel 9] – [Nicht Kämpfen. | Kapitel 17]
 

Seine Entschlossenheit


 

Du ziehst dein Schwert und zeigst keine Angst.

Du weißt, was du verteidigen musst. Deine Entschlossenheit ist deine Klinge.

Fürwahr, ein Gott der Götter.
 

Atem zog seinen Säbel und atmete für einen Moment ein. Das hier war sein Thronsaal. Er war der Herrscher dieses Palastes und er würde nicht zulassen, dass dieser von fremden Gestalten regiert wurde! Schon einmal hatte Kemet Hyksos regieren lassen. Die fremden Könige, die sich erlaubten, ihre Götter infrage zu stellen und sie in ihrem eigenen Land zu unterdrücken. Er umklammerte den Griff seines Säbels. Anschleichen? Oder ein Frontalangriff. Sie hatten bereits ihre Blicke auf ihn geworfen und schienen ihn zu beobachten, doch Atem ließ sich davon nicht beeindrucken. Mit erhobenem Haupt und siegessicheren Grinsen näherte er sich den beiden Gestalten, die nun aus ihrer Bewegungsstarre zu brechen schienen und sich mit unmenschlichen Geräuschen zu nähern schienen.
 

„EiNdRiNgLiNg“, murrten sie, doch Atem knurrte nur erbost.
 

„Ihr wagt es, in meinem Palast einzudringen und mich zu beleidigen? Ich bin Atem! Sohn der Götter! Gott der Götter! Ich schrecke vor nichts zurück und das hier ist meine Heimat, mein geliebtes, heiliges Kemet, das ich bis auf mein Blut verteidigen werde!“, brüllte er und lief nun auf einen der Wächter zu, schwang seinen Säbel elegant und riss ihn einen Arm ab, welcher zu Boden fiel. Klebriges Blut tropfte hinab, doch das Monster, diese Wandernde Mumie, schien sich nicht einmal daran zu stören. Sie attackierte den König, jedoch wich Atem aus, nur um die Arme des anderen Wächters zu landen, welcher ihn fest umklammerte. Sie hob seinen Körper in die Luft, sodass seine Beine in der Luft baumelten, doch Atem zeigte sich weiterhin unbeeindruckt. Eine solche Situation hatte ihm sein Lehrmeister schon vor vielen Jahren gelehrt. Jetzt Angst zu zeigen wäre fatal. Mal davon abgesehen, dass er nichts mehr zu verlieren hatte.
 

Das Schlimmste, was hätte passieren können, wäre nun getötet zu werden, doch er hatte seinen eigenen Tod bereits miterlebt, seinen eigenen kalten Körper gesehen und er fürchtete nichts mehr. Als die andere Mumie ihm näher kam, winkelte er seine Beine an, umschlängelte dessen Kopf und drehte seine Hüften so, dass er diesen in die Mangel nehmen konnte. Sein Kopf fiel einfach ab. Durch das vertrocknetes Fleisch und die brüchigen Knochen waren die beiden keine ernstzunehmenden Gegner für den König, der auf mehreren Schlachtfeldern gekämpft hatte und sich mehr als einmal aus einer lebensbedrohlichen Situation befreit hatte. Nun schlug er mit aller Kraft seinen Kopf nach hinten, traf das Gesicht der anderen Mumie, die ihn festhielt, sodass dieser für einen Moment strauchelte und seinen Griff lockerte. Sofort befreite sich Atem, nutzte die Schwäche des Gegners und rammte diesen seinen Säbel in die Brust, schlitzte ihn von oben bis nach unten auf und ließ diesen schreiend zu Boden gehen.
 

Er hatte kein Mitleid. Das hier war sein Reich. Sein Palast. Sein Land. Als König war es seine Pflicht dieses Geschenk, das die Götter ihnen vermacht hatten, zu verteidigen und ein jeder, der es wagte, hier einzudringen, musste mit der Todesstrafe rechnen.
 

Er warf einen letzten Blick auf die kümmerlichen Gestalten, die Wandernden Mumien lagen nun leblos am Boden und stellten keine Gefahr mehr für ihn dar. Zügig verstaute er seinen Säbel und ging auf den Thron zu. Ein helles Leuchten blendete ihn, sodass er seinen Arm vor sein Gesicht hob und sich vor diesem Licht zu schützen versuchte. Im nächsten Moment befand er sich in einer goldenen Tempelanlage und vor ihm stand ein Altar, mit den Bildern des Sonnengottes Re. Ein menschlicher Körper und der Kopf eines stolzen Adlers. Der Gott des Himmels, der Sonne und des Lichts. Seit jeher bauten sie ihm zu Ehren Obelisken, die bis in den Himmel ragten und das Licht der Sonne empfingen. An den Wänden befanden sich Malereien mit der Göttin Hathor, die sich hinter dem Sonnengott befand, während dieser auf seinem Kopf eine Sonnenscheibe trug. Atem näherte sich dem Altar.
 

Unschlüssig stand er vor dem Altar und überlegte, was er tun sollte. Was konnte er geben? Seinen Säbel? Seinen Schmuck? Noch bevor er diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, hörte er die warme Stimme in seinem Kopf, die ihm weitere Anweisungen gab.
 

Atem, du mutiger und entschlossener Sohn der Götter, du hast den Altar der Sonne erreicht. Doch ehe ich um ein Opfer bitte, gibt es etwas, das ich dir sagen muss. Etwas, das du wissen solltest, bevor du deine Reise weiter beschreiten wirst und das deine Entscheidung bedeutsam beeinflussen wird. Wirst du meine Worte erhören?
 

„Ich bin nicht so weit gekommen, nur um jetzt aufzugeben. Ich bitte Euch, klärt mich auf“, meinte Atem nur und blickte mit stolzen Augen in Richtung des Altars.
 

Die sieben Millenniumsartefakte und so auch das Puzzle, in dem du dich befindest, sind Waffen der Finsternis. Sie sind der Schlüssel, um die Welt für immer in Chaos und Dunkelheit zu hüllen. Sollten sie in den Millenniumsstein eingesetzt werden, wird dem Herrscher der Finsternis – Zorc Necrophades – der Weg geebnet. Leid, Chaos und Angst wird die Welt beherrschen.
 

„Das ist unmöglich!“, unterbrach Atem die sanfte Stimme und wirkte deutlich aufgebracht.
 

„Mein Vater... keiner der Priester hätte jemals dem Ruf der Finsternis gefolgt! Ihr müsst Euch irren. Mein Vater wollte immer Frieden und hätte sich nicht auf die Macht der Finsternis verlassen“, erklärte er, doch konnte keine weiteren Erklärungen finden.
 

Sein Vater hatte ihm so einiges verschwiegen. Vielleicht war auch das nichts weiter, als eine Lüge. Und dennoch schmerzte der Gedanke, dass sie mit den Waffen der Finsternis, ihr Land verteidigt hatten und im Namen der Götter gekämpft hatten. Hatte Bakura etwa doch Recht? Ein falscher Frieden und ein Thron erbaut auf dem Blut und der Leichen Unschuldiger. Plötzlich war sich Atem nicht mehr so sicher, was gerecht war und was nicht.
 

Auch wenn du mir nicht glauben magst, so spreche ich die Wahrheit.

Die Millenniumsartefakte sind ein Zauber aus dem Millenniumsbuch. Das Necronomicon, verfasst von niemand anderem als Zorc selbst. In 1095000 Monden wird es das Schicksal der Menschheit sein, der Finsternis zum Opfer zu fallen. 3000 Jahre. Die Millenniumsartefakte sind lediglich der Anfang für all das Leid, das diese Welt noch erwarten wird.
 

Atem betrachtete den Altar nachdenklich. Sein Vater und die Hohepriester sollten eine solch unaussprechliche Katastrophe heraufbeschworen haben? Entweder wussten sie nichts von all dem oder aber es wurde verschwiegen, in der Hoffnung, dass dieses Geheimnis niemals gelüftet werden würde. Die Millenniumsartefakte, so auch sein Puzzle, das er von seinem Vater geerbt hatte, waren Werkzeuge des Bösen, obgleich sie ihnen den Frieden gebracht hatten. Gab es denn keinen Weg diese Artefakte für das Gute einzusetzen?
 

Ich sehe das Hier und Jetzt. Die Vergangenheit. Die Zukunft. Doch die Welt der Zukunft liegt in Schatten. Wirst du die schwere Bürde tragen und dabei helfen, die Bedrohung erneut zu versiegeln?
 

„Ich sagte Euch doch schon, ich bin fest entschlossen, mein Land und mein Volk zu verteidigen. Und ich werde nicht zulassen, dass die Fehler der Vergangenheit den Frieden der Zukunft zerstören. Es ist meine Pflicht als Pharao und als Sohn der Götter bis zum bitteren Ende zu kämpfen, also sagt mir bitte, was ich Euch geben soll, damit ich diese Welt retten kann!“
 

Deine Entschlossenheit ist der Schlüssel zum Sieg. Doch ich brauche zwei Opfer von dir, damit du die wahre Macht des Auserwählten erhalten kannst. Dieses Opfer wird dich verändern und du wirst Schmerz und Angst ertragen müssen. Bist du dennoch gewillt fortzufahren?
 

Atems Blick war unerschütterlich, so auch sein Wille.
 

Du musst Herz und Erinnerungen opfern, um die wahre Macht der Götter zu erhalten. Nur wenn du deine irdischen Verbindungen ablegst und all deine Menschlichkeit aufgibst, wirst du in der Lage sein, zum Gott der Götter zu werden. Nur dann wirst du dem Herrscher der Finsternis, Zorc Necrophades selbst, entgegentreten können.
 

Seine Augen weiteten sich. Herz und Erinnerungen aufgeben? All seine schönen Momente vergessen? All die Dinge, die ihm die Kraft gaben, weiterzugehen? Würde er dann nicht auch sich selbst verlieren? Plötzlich zögerte er und sein Wille geriet ins Wanken. Würde er seine Erinnerungen aufgeben, würde er vergessen, wofür er kämpfte. Doch sein Herz aufzugeben, bedeutete, dass dieses erkalten würde. Würde er ohne Herz denn noch dieselbe Loyalität und Pflichtgefühl seinem Land und seinen Ahnen gegenüber empfinden wie in diesem Moment?
 

Was wirst du aufgeben?

Dein Herz oder deine Erinnerungen?

Wähle mit Bedacht.
 

[Herz. | Kapitel 10] – [Erinnerungen. | Kapitel 18] – [Nichts Aufgeben. | Kapitel 29]
 

Sein Herz

„Ich werde Euch mein Herz und all meine Gefühle darbringen“, sagte Atem und näherte sich dem goldglänzenden Altar, warf einen flüchtigen Blick auf das Bild des Sonnengottes Re, spürte für einen Moment die Nostalgie und die Ehrfurcht in seinem Herzen, ehe er seine Augen schloss und er eine Hitze in seinen Adern aufkommen fühlte. Im nächsten Moment befand er sich zurück im Inneren des Puzzle. Er hatte sein Herz aufgegeben. Als distanzierter und kühler König würde er seinen Weg nun bestreiten und er hoffte, dass dies die richtige Entscheidung gewesen war. Noch spürte er keinen großen Unterschied. Aber mit Bestimmtheit konnte er nicht sagen, was genau es bedeutete, sein Herz zu verlieren. Das Herz war es jedoch, was im Totenreich gewogen wurde.
 

Würde er ohne Herz überhaupt ins Totenreich jemals eintreten dürfen? Die Feder der Maat wog die Sünden des Herzens und veränderte sich das Gleichgewicht der Waage, würde Ammit seine Seele verspeisen. Doch ohne Herz und Erinnerungen, wie viel war ein menschliches Herz dann noch wert? Was würde am Ende von ihm übrigbleiben? Würde er nicht jemand komplett anderes sein? Es waren doch seine Gefühle und all die Erlebnisse in seinem Leben, die ihn geprägt hatten und sein Handeln bestimmten. Nein, als Pharao durfte er keine Scheu zeigen. Keine Angst haben. Negative Gedanken niemals zulassen.
 

Und wenn Ihr nicht der Prinz wärt, sondern jemand anders?, hörte er Mahaads Stimme in seinen Kopf widerhallen.
 

Damals konnte er Mahaad keine Antwort geben. Es hatte sich geschämt und zudem wusste er, dass er als Kronprinz und zukünftiger Herrscher eines Landes eine solche Schwäche gar nicht haben durfte, doch wenn er jetzt die Möglichkeit gehabt hätte, mit ihm zu sprechen, dann hätte er ihm darum gebeten, ihm beizustehen. Dieser Weg, der sich vor ihm befand, war so unglaublich einsam und beängstigend. Obwohl er sein Herz aufgegeben hatte, schien er immer noch Furcht zu empfinden. Seufzend versuchte er die Erinnerung an Mahaad abzuschütteln. Als Kind hatte er den Brünetten oft beleidigt und ihn sogar als Schmarotzer verunglimpft. Atem hatte seinen Zorn und seinen Frust an ihm abgelassen, diesen armen, loyalen Mann als Ventil missbraucht, nur um irgendwie Luft rauszulassen. Heute schämte er sich dafür.
 

Ich habe mich nie bei ihm entschuldigt. Ich hätte ihm sagen sollen, dass auch er wie ein Bruder für mich ist, aber jetzt ist es zu spät, bereute er gedanklich seine Taten. Die Fehler der Vergangenheit konnte er nicht mehr ausradieren. Er musste die Konsequenzen seiner eigenen Entscheidungen tragen. Aber für solche sentimentalen Gedanken hatte er keine Zeit. Er musste den nächsten Altar finden und seine Erinnerungen opfern. Das Schicksal einer einzelnen Person war unbedeutend, wenn er mit seinem Opfer die gesamte Menschheit und die Zukunft dieser retten konnte. Was war ein menschliches Leben wert? Wer entschied welches Leben mehr wog?
 

Atem zögerte vor der nächsten Tür, öffnete diese dann doch. Warum musste er jetzt an die Worte des Räubers denken? Oder hatte er nur zufällig denselben Gedankengang? Fürchtete er sich so sehr davor, sich selbst zu verlieren?
 

Sag, du naives Kind, wie viel wiegt ein Menschenleben? Wie viel zehn? Gar hundert? Tausende? Was macht das Leben deines Volkes wertvoller als das meiner Familie? Wo ist sie, die Gerechtigkeit, nach der du so sehr strebst?!
 

Atem hielt inne. Erneut Finsternis, die ihn zu umklammern versuchte. Es fühlte sich so an, als wollte die Finsternis ihre Hände um ihn legen und ihn tröstend in ihr Reich zerren. Bakura hatte sich der Finsternis zugewendet, weil ihm ein solch schreckliches Leid widerfahren war, dass er nicht mehr verzeihen konnte und nur noch Hass und Verzweiflung empfand. Er hatte sein Selbst aufgegeben und gierte nach Blut. Würde auch Atem so enden wie der Räuber? Seiner eigenen Gerechtigkeit folgend und dabei jene verletzend, die seiner Meinung nach im Unrecht waren? Gefühllos über andere richtend und das Leben, das die Götter ihnen geschenkt hatten, nicht mehr respektierend? Er würde dem Wahnsinn nicht verfallen. Es war zu spät für Reue.
 

Er hob erneut seinen Blick und wanderte in der Dunkelheit umher. Er suchte nach dem richtigen Weg und hoffte darauf, dass sein Herz ihm den Weg zeigen würde. Diese Stimme hatte immerhin gesagt, dass er seinem Herzen vertrauen sollte. Dem Pharao stockte der Atem.
 

„Ich habe mein Herz aufgegeben. Bedeutet das, dass ich den richtigen Weg nicht mehr finden kann?!“
 

Unbewusst griff er sich an die Brust.
 

ԃυ αɾɱҽʂ ƙιɳԃ. ԋαʂƚ ԃυ ԃιƈԋ ʋҽɾʅαυϝҽɳʔ
 

Atem blieb stehen. Diese Stimme! Sie war so vertraut, so bekannt und er spürte sofort eine eigenartige Verbindung. Wie konnte das nur sein? Wer oder was war diese Stimme?
 

„Wer bist du?! Und wo versteckst du dich?“, kam es laut und fordernd und er sah sich suchend um.
 

ιƈԋ Ⴆιɳ üႦҽɾαʅʅ υɳԃ ɳιɾɠҽɳԃɯσ.

ιƈԋ ƙαɳɳ ԃιɾ ԋҽʅϝҽɳ. ԃυ ʂυƈԋʂƚ ԃҽɳ ɾιƈԋƚιɠҽɳ ɯҽɠ, ɳιƈԋƚ ɯαԋɾʔ
 

„Du willst mir helfen? Warum sollte ich jemanden, der sich nicht zeigen will, vertrauen?“
 

ɯιɾ ƙҽɳɳҽɳ υɳʂ ԃσƈԋ ʂƈԋσɳ. ʂσ ʅαɳɠҽ. ʂσ ʅαɳɠҽ ƙҽɳɳҽɳ ɯιɾ υɳʂǃ

ιɱɱҽɾ ɯαɾ ιƈԋ ϝüɾ ԃιƈԋ ԃα.
 

„Du redest Unsinn! Ich kenne dich nicht!“
 

αɾɱҽʂ, ʋҽɾɯιɾɾƚҽʂ ƙιɳԃ. ʂσ Ⴆҽԃαυҽɾʅιƈԋ. ιɱɱҽɾ ԋαႦҽ ιƈԋ ԃιɾ ɠҽԋσʅϝҽɳ.

ιɳ ԃҽιɳҽɳ ƚɾäυɱҽɳ ԋαႦҽ ιƈԋ ȥυ ԃιɾ ɠҽʂρɾσƈԋҽɳ.

ԃυ ԋαʂƚ ԃҽιɳҽ ԋαɳԃ ɳαƈԋ ɱιɾ αυʂɠҽʂƚɾҽƈƙƚ.

ҽɾιɳɳҽɾʂƚ ԃυ ԃιƈԋ ɯιɾƙʅιƈԋ ɳιƈԋƚʔ

αɳ ԃҽιɳҽɳ ƚɾҽυҽɳ υɳԃ ʅσყαʅҽɳ ϝɾҽυɳԃ, ԃҽɾ ʂƚҽƚʂ αɳ ԃҽιɳҽɾ ʂҽιƚҽ ɯαɾʔ
 

Atem blieb stehen. Der dunkle Nebel der Finsternis schien seinen Verstand zu vergiften. Das alles musste Einbildung sein! Dennoch konnte er sich den Worten dieser formlosen Gestalt nicht verwehren, denn er erinnerte sich daran, dass eine Stimme in seinen Träumen zu ihm sprach. Seit vielen Jahren war da jemand, der nach ihm rief und ihm helfen wollte. Er hatte sich einreden wollen, dass diese Stimme nichts weiter als ein Teil eines Traumes war oder dass ein Gott zu ihm sprach. Er hatte nie mit jemanden über diese Alpträume gesprochen, denn ein jeder wusste, dass dies ein schlechtes Omen war. In den Träumen konnte der Mensch in die Duat eintreten. Es galt als äußerst positiv, wenn sich Götter im Schlaf zeigten und in der Königslinie galten die Pharaonen, die solche Begegnungen häufiger hatten, als besonders mächtig. Daher hatte Atem nie mit irgendjemanden über seine schlechten Träume und diese Stimme gesprochen. Nur sein Vater hatte einmal erwähnt, dass ein erwählter Herrscher Visionen erhielt, wenn die Götter ihn für ihrer würdig hielten.
 

Man sagte, dass sich im Traum auch feindselige Ahnengeister zeigen konnten, die einem den Schlaf raubten und einen bis in den Tag verfolgen konnten, wo sie im schlimmsten Fall für Unglück sorgten. Atem hatte geglaubt, dass dies die Strafe für die Schwäche seines Vaters war. Anders konnte er sich diese Träume und diese Stimme nicht erklären. Und jetzt verfolgte ihn eben diese Stimme und sprach zu ihm als wären sie alte Freunde. Es war eine andere Stimme als jene, die in den anderen Räumen zu ihm gesprochen hatte, daher wusste er sofort, dass noch jemand anderes in diesem Puzzle auf ihn wartete. Ein Glück, dass er sein Herz geopfert hatte. Denn hätte er seine Erinnerungen aufgegeben, hätte er sich nicht an diese Stimme erinnern können. Er wusste, dass diese Stimme nichts Gutes verhieß.
 

ƙσɱɱ, ɱҽιɳ ʂƈԋöɳҽʂ ƙιɳԃ, ʅαʂʂ ɱιƈԋ ԃιɾ ԃҽɳ ɯҽɠ ȥҽιɠҽɳ.

[Hilfe annehmen. | Kapitel 23] – [Hilfe ablehnen. | Kapitel 11]
 


 


 

Sein Kampfeswille

„Ich bin Atem – Gott der Götter! Mich täuschst du nicht!“, rief Atem selbstbewusst und sah sich erneut suchend um. Er kannte diese Stimme und die Finsternis, die ihn umgab. Er spürte, dass diese unendliche Dunkelheit ihn zu verführen versuchte, doch er war mutig und stark. Er ließ sich nicht von schönen Worten verzaubern und es war zudem seine Pflicht, der Welt den Frieden zu bringen. Ein lautes Lachen war von allen Seiten zu vernehmen, sodass er nicht sagen konnte, wo sich diese abartige Bestie befand. Für ihn stand eines fest: diese Finsternis in dem Puzzle hatte eine starke Verbindung zu dem Monstrum, das Bakura während ihres Kampfes heraufbeschworen hatte. Es handelte sich hierbei um dieselbe formlose Gestalt, die seinen Verstand zu vernebeln versuchte und ihn manipulieren wollte. Atem hatte dieses Wesen der anderen Welt schon längst durchschaut und würde sich kein weiteres Mal die Blöße geben, diesem Ding zu lauschen und seinen Ratschlägen zu folgen.
 

ԋäƚƚҽʂƚ ԃυ ԃσƈԋ ɳυɾ ԃҽιɳҽ ҽɾιɳɳҽɾυɳɠҽɳ αυϝɠҽɠҽႦҽɳǃ

ԃαʂ ɱҽɳʂƈԋʅιƈԋҽ ԋҽɾȥ ιʂƚ ʂσ ȥҽɾႦɾҽƈԋʅιƈԋ.

ʋσɾ αʅʅҽɱ ɯҽɳɳ ҽʂ ʋҽɾʅҽƚȥƚ ιʂƚ. ʂσ ʅҽιƈԋƚ ҽιɳҽɳ ɯҽɠ ιɳ ҽιɳ ʂƈԋɯαƈԋҽʂ ԋҽɾȥ ȥυ ϝιɳԃҽɳ.

αυƈԋ ԃιҽʂҽɾ ԃυɱɱҽ ρɾιҽʂƚҽɾ αƙԋҽɳαԃҽɳ ɯαɾ ʂσ ʅҽιƈԋƚ ȥυ ɱαɳιρυʅιҽɾҽɳ.

ιƈԋ ɱυʂʂƚҽ ιԋɱ ɳυɾ ԃιҽʂҽɳ ɠҽԃαɳƙҽɳ ҽιɳϝʅößҽɳ.

üႦҽɾʂҽƚȥҽ ԃαʂ ɳҽƈɾσɳσɱιƈσɳ υɳԃ ԃυ ɯιɾʂƚ ϝɾιҽԃҽɳ ԃҽɾ ɯҽʅƚ Ⴆɾιɳɠҽɳǃ

ɯαʂ ϝüɾ ҽιɳ ʅҽιƈԋƚɠʅäυႦιɠҽɾ ƚɾσƚƚҽʅǃ
 

Wieder manisches Lachen. Atem kniff die Augen erbost leicht zusammen und seine Hände bildeten Fäuste. Sein Vater hätte niemals zugelassen, dass die Millenniumsartefakte in diese Welt gerufen werden, hätte er gewusst, welch abgrundtief böse Macht dahinter steckte. Selbst sein Hohepriester Akhenaden wurde getäuscht! Mit einem hatte dieses Monster recht. Das Herz war schwach. Auch er hatte Zweifel und Ängste gehabt und in seiner Sorge heraus, sein Land nicht beschützen zu können, hatte er der Finsternis einen Weg in seine Seele gezeigt. Atem fiel es schwer zu glauben, wie leicht er sich hatte reinlegen lassen. Trotzdem würde er kämpfen.
 

„Beleidige nicht meine Hohepriester! Zeige dich und kämpfe!“
 

ԃυ ԃυɱɱҽʂ, ɳαιʋҽʂ ƙιɳԃǃ

ԃιҽ ɱιʅʅҽɳɳιυɱʂαɾƚҽϝαƙƚҽ υɳԃ ԃαʂ ρυȥȥʅҽ ʂιɳԃ ҽιɳ ƚҽιʅ ɱҽιɳҽɾ ʂҽҽʅҽ.

ԃυ ɯιʅʅʂƚ ɱҽιɳҽ ɱαƈԋƚ υɳԃ ʂƚɾҽႦʂƚ ԃҽɳɳσƈԋ ɳαƈԋ ԃҽɱ ʅιƈԋƚʔ

ԃυ ƚöɾιƈԋƚҽɾ ɳαɾɾǃ

ԃαʂ ԋιҽɾ ιʂƚ ɱҽιɳ ɾҽιƈԋǃ ɠʅαυႦʂƚ ԃυ ɯιɾƙʅιƈԋ, ԃαʂʂ ԃυ ɱιƈԋ Ⴆҽʂιҽɠҽɳ ƙαɳɳʂƚʔ
 

„Ich weiß, dass ich dich besiegen werde. Nur deshalb bin ich hier. Nur deshalb habe ich selbst den Tod überwunden und werde jeden Schmerz ertragen, damit eine solch abartige Kreatur wie du niemals wieder die Welt befallen kann! Nichts weiter als Parasit bist du, der die Herzen der Menschen als Wirt missbraucht!“
 

Atem zog seinen Säbel, drehte sich mehrmals um die eigene Achse und machte dann einige Schritte vorsichtig nach hinten. Er durfte jetzt auf keinen Fall nachlässig werden. Dieses Wesen hatte es gewagt in seine Träume einzudringen und sogar sein loyaler und treuer Diener Akhenaden, der selbst seinen Vater schon gedient hatte, in seine grausigen Pläne miteinzubeziehen. Dafür würde er bezahlen!
 

Eisiger Wind zog auf. Atems Instinkte waren geschärft. Nicht nur mit den Augen sehen. Das hatte sein Meister so oft zu ihm gesagt und diese Lektion würde er heute einmal mehr brauchen. Sein alter Lehrmeister würde Augen machen, wenn er wüsste, wie hilfreich seine Lehrstunden gewesen waren und wie gut er dessen Kampfkünste in die Tat umsetzen könnte. Atem war als Pharao in allen möglichen Kampfkünsten ausgebildet worden. Bogenschießen, Schwertkampf, Magie und auch das Beschwören magischer Ka-Bestien. Er hatte gelernt, sich blitzschnell neuen Situationen anzupassen und es gab nichts, das ihn so schnell aus der Fassung brachte.
 

Endlich zeigte sich das Monstrum der Finsternis. Ein gigantisches, finsteres Wesen mit riesigen Hörnern und blutrot leuchtenden Augen. Fledermausähnliche Flügel hoben sich empor in den Himmel und seine schlangenähnliche, violette Haut wurde in ein verheißungsvolles Leuchten getauft, als seine Augen aufblitzten und ihm direkt in die Seele zu sehen schienen. Atem hatte keine Angst. Die beiden großen Mäuler mit ihren scharfen und gefährlich anmutenden Zähnen ließen ihn nicht zurückschrecken und sein lauter, ohrenbetäubender Schrei schüchterte ihn nicht ein. Er umklammerte seinen Säbel. Eine Bestie solches Ausmaßes, in der Größe einer Pyramide, konnte unmöglich mit einem Schwert besiegt werden. Und trotzdem...
 

[Kämpfen. | Kapitel 12] – [Nicht Kämpfen. | Kapitel 26]
 

Sein Licht

„Du jagst mir keine Angst ein!“, sagte Atem und hob seinen Säbel in die Luft. Das gräßliche Monster schnaufte nur und schlug mit seinem schlangenähnlichen Unterleib zu, welcher wie ein spitzer Pfeil aus seinem Körper ragte und in Atem das Gefühl von Abscheu erzeugte. Zumindest sagte ihm sein Verstand, dass dieses Gefühl angebracht war. Er sprang zur Seite und der Schlangenkopf knallte gedämpft zu Boden und verharrte dort für einen Moment. Atem ließ diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen und lief die Brücke des Feindes entlang. Er kam den wahren Körper der Bestie näher und bewegte seinen Säbel in dessen Richtung, versuchte die Klinge in dessen Brust zu rammen, doch wie eine unerwünschte Fliege wurde er weggeschlagen und er landete unsaft zu Boden. Nach Luft ringend blieb er einige Sekunden liegen und hustete, richtete sich jedoch sofort auf.
 

Sein Versuch eine Ka-Bestie zu beschwören blieb erfolglos und er war völlig auf sich allein gestellt.
 

ԃυɱɱҽʂ, ɳαιʋҽʂ ƙιɳԃǃ ԃαʂ ԋιҽɾ ιʂƚ ɱҽιɳ ɾҽιƈԋǃ

ԃιҽ ɯҽʅƚ ԃҽɾ ϝιɳʂƚҽɾɳιʂǃ ιɳ ԃҽɳ ʂƈԋαƚƚҽɳ ƙαɳɳ ƙҽιɳ ʅιƈԋƚ ҽxιʂƚιҽɾҽɳ.

ԃҽʂԋαʅႦ ʋҽɾɠҽԋҽ υɳԃ ɯҽɾԃҽ ҽιɳ ƚҽιʅ ɱҽιɳҽɾ ɱαƈԋƚǃ

Ich verspüre keinerlei Angst mehr. Ich weiß, dass ich unterlegen bin und trotzdem bewegt sich mein Körper wie von selbst, schoss es ihm durch den Kopf, während er seinen nächsten Angriff vorbereitete.

Er spürte eine Macht in sich brodeln. Ein warmes, angenehmes Leuchten. Ein Gefühl der Verbundenheit. War dies die göttliche Hilfe des Gottes Amun, der ihm in diesen Kampf unbedingt siegen sehen wollte? Nein, für solche Gedanken hatte er keine Zeit. Der Hauch des Bösen erreichte ihn. Zorc spuckte Feuer und kesselte ihn in den Flammen ein, die seine Haut versenkte, doch auch das machte ihm nichts mehr aus. Schmerzen konnte er ertragen, doch das Wissen, jetzt aufzugeben und das Schicksal der gesamten Menschheit zu besiegeln, war unerträglich. Das durfte er unter keinen Umständen zulassen. Und wenn er endgültig von dieser Welt getilgt wurde und niemals das Duat erreichen würde, dann war dies ein angemessener Preis, den er zu bezahlen bereut war, um die Sicherheit und das Leben aller zu schützen.

Mahaad, ich werde dir niemals sagen können, wie wichtig du mir warst. Bis zum Ende standest du loyal an meiner Seite und ich werde dich niemals vergessen. Ich werde die Welt, in der du lebst, beschützen, damit du den nächsten Sonnenaufgang sehen kannst!, überzeugte er sich selbst und spürte erneut diese unendliche Kraft in ihm. Ohne darüber nachdenken zu müssen, beschwor er den Schwarzen Magier. Er selbst war am meisten erstaunt darüber, dass ihm diese Beschwörung gelungen war. Sein treuer Magier drehte sich mit einem wissenden Lächeln um. Er erkannte diese Augen und dieses warme Lächeln. Dieser Magier war niemand anderes als sein treuester Untergebener, sein Hohepriester Mahaad.

„Mahaad... Ihr seid hier? Warum?“, hauchte Atem und betrachtete den schwebenden Magier vor sich. Dieser senkte den Blick nur.

„Ich habe es Euch doch versprochen, mein Herrscher. Bis über Euren Tod hinaus werde ich über Euch wachen. Meine Loyalität Euch gegenüber kennt keine Grenzen. Die Rufe der Finsternis, die aus dem Millenniumsring strömten, haben meine ureigene Magie und somit auch meine Ka-Bestie vergiftet, doch ich bin so unendlich froh, dass ich auf diese Weise Euch nützlich sein kann. Als Schwarzer Magier kann ich Euch auch hier zur Seite stehen!“

Atem lächelte und er nickte. Gemeinsam würden sie die Bestie der Finsternis besiegen.

„Dia Ha!“, rief Atem und zeigte mit dem Finger auf die Bestie, lief gemeinsam mit seinem treuen Diener der Bestie entgegen. Mit seiner magischen dunklen Magie konnte er die Bestie zumindest für einen Moment ablenken, so dass diese auf die Knie ging, gleichzeitig begab sich Atem auf den Rücken dessen und rammte seinen Säbel in dessen Hals, sodass die Klinge tief in dessen Fleisch steckte. Mit einem kräftigen Ruck bewegte er den Säbel seitlich und zerteilte den Hals des Monsters, köpfte den Herrscher der Finsternis. Der Schwarze Magier stand mit einem zufriedenen Lächeln vor ihm, ehe auch er verschwand und seinen geliebten Pharao zurück in der Finsternis ließ.

Atem bemerkte, dass sein loyaler Diener verschwand. Er betrachtete die leuchtenden Partikel, die langsam zu Boden glitten und warf einen weiteren Blick auf das Monster, welches in seinem eigenen Blut lag. Er glaubte nicht daran, dass er wirklich gesiegt hatte, denn Zorc hatte selbst verlauten lassen, dass das hier das Puzzle war und er sich in Wirklichkeit gar nicht hier befand. Der Herrscher der Finsternis selbst wartete vermutlich immer noch in den Schatten, hoffte darauf, dass die sieben Artefakte, die sieben Schlüssel, endlich zum Millenniumsstein gebracht wurden und das Tor geöffnet wurde. Das hier war lediglich der Beginn seiner Quest. Doch jetzt, wo er die Finsternis im Puzzle besiegt hatte, konnte er sie für sich selbst verwenden.

Noch bevor er seine nächsten Schritte planen konnte, veränderte sich sein Umfeld und er befand sich erneut in einem Tempel. Dieses Mal eine Tempelanlage in einem Mitternachtsblauen Saphirton, lediglich die Ornamente der Wandmalereien leuchteten in einem feinen Gold und wurden von dem sanften Kerzenschein erstrahlt. Er folgte dem Weg zu Altar. Die Lichter der Kerzen, die den direkten Weg zu diesem wiesen, flackerten für einen Moment. Dieser Altar war dem Gott des Mondes – Thot – gewidmet. Er war es auch, der den Menschen die Hieroglyphen geschenkt hatte. Es war die Schrift der Gottesworte. Ehrfürchtig warf er einen Blick auf die schöne Wandmalerei vor ihm, die den Gott mit seinem ibisähnlichen Kopf darstellte und stolz sein Was-Zepter hielt und ein Ankh in der anderen Hand trug.

Was wirst du aufgeben?

Deine Erinnerungen? Oder wirst du nichts darbringen?

Wähle mit Bedacht.
 

[Erinnerungen. | Kapitel 13] – [Nichts Aufgeben. | Kapitel 29]
 


 


 

Seine Erinnerungen


 

Gott der Götter – Atem – der du dich dieser Prüfung stellst!

Wisse, dass dein Opfer gleichsam bedeutet, dein Leben als Mensch aufzugeben.

Ohne Erinnerungen und ohne Herz wirst du bis zum Tag der Wiedergeburt in den Tiefen des Puzzles verbleiben.

Du wirst dich ganz allein der Finsternis stellen müssen und gegen sie kämpfen.

Bis zu dem Tag, an dem der Auserwählte, seine Hand nach dir ausstreckt.
 

„Der Auserwählte?“, fragte Atem unsicher nach.
 

Das Puzzle wurde in seinen Ursprungszustand zurückversetzt.

Der Auserwählte wurde noch nicht geboren.

Sein Licht ist noch verborgen.

Doch er wird kommen und ihr werdet euch gemeinsam gegen Zorc stellen.

Nur er kann dir helfen, das wiederzuerlangen, was du geopfert hast.

Nur er kann das Puzzle zusammensetzen das fehlende Teil zu finden.
 

Atem senkte nachdenklich den Blick. Ein weiterer Auserwählter? Jemand, der mit ihm gemeinsam kämpfen sollte? Atem hatte stets alle Kämpfe allein ausgefochten und hatte nie die Hilfe anderer angenommen, weil er sie beschützen wollte. Seite an Seite mit geliebten Menschen zu kämpfen, bedeutete auch, dass diese sterben konnten. Man stand sich gegenseitig im Weg und achtete auf das Wohlbefinden seiner Gefährten und im gleichen Atemzug bohrte sich eine eiserne Klinge in den eigenen Körper, da man abgelenkt war und eine Sekunde zur Seite geblickt hatte. Sein Lehrmeister hatte ihm stets zur Achtsamkeit geraten und Gebelk war es, der ihm lehrte, dass ein Pharao und ein wahrer Krieger keine Hilfe benötigte.
 

Außerdem war er der Gott der Götter. Er war der Pharao. Warum sollte er die Hilfe einer anderen Person überhaupt brauchen? Er war mutig und stark und hatte stets allein gekämpft. Ohne zurückzublicken. Ohne zu zögern hatte er sein Land verteidigt und im Namen der Götter alles getan, was nötig war, um sein Volk zu beschützen.
 

„Warum muss ich denn überhaupt etwas opfern, wenn ich es am Ende doch brauche?!“, murrte Atem erbost und zog die Augenbrauen herunter, während er seine Arme verschränkte. Das ergab doch gar keinen Sinn! Er hatte sich durch die Finsternis des Puzzles gekämpft und all den Prüfungen gestellt, nur um am Ende zu erfahren, dass all dies gar nicht nötig gewesen wäre? Das verärgerte ihn. Spielten die Götter mit ihm?
 

Du bist ungeduldig, unverschämt und deine Selbstsicherheit ist gefährlich.

Du bist nicht stark genug, um dich dem Herrscher der Finsternis zu stellen.

Du musst eine wichtige Eigenschaft erlangen, die dir noch fehlt.

Du besitzt sie bereits, diese besondere Eigenschaft, doch du hast sie verschlossen.

Tief in deinem Herzen schläft sie.

Nur der Auserwählte wird dein wahres Potential wecken können.
 

Atem zuckte zusammen. Diese göttliche Stimme hatte recht. Er mochte ein Pharao sein, doch sie war eine Göttin. Er hatte sich ihr gegenüber äußerst respektlos verhalten.
 

„Verzeiht meinen emotionalen Ausbruch. Bitte versteht, dass ich verwirrt bin“, erklärte er und verneigte sich demütig vor dem Altar.
 

Du brauchst dich nicht zu fürchten.

Du wirst viel ertragen müssen.

Doch du wirst es sein, der dieser Welt das Licht zurückbringen wird und die Finsternis mitsamt der sieben Schlüssel versiegeln wird.

Es ist nötig, dass du deine Menschlichkeit aufgibst, um die Macht des Puzzles nutzen zu können.

Du wirst der Träger des Puzzles sein. Und mit dem Puzzle wirst du Gerechtigkeit bringen.

Als Gott der Götter sind die Lehren der Maat tief in deinem Bewusstsein verankert.

Auch ohne Erinnerungen wirst du wissen, was zu tun ist.

Du wirst ein neuer Mensch sein. Neue Erfahrungen sammeln und die Welt anders sehen.

Dieses neu erlangte Wissen wird sich dir in deinem Kampf als nützlich erweisen.
 

„Ich danke Euch. Ihr seid so gütig und habt Geduld mit mir und ich kenne nicht einmal Euren Namen“, erklärte Atem und hob seinen Kopf noch immer nicht.
 

Plötzlich ein helles Leuchten, das den ganze Raum erfüllte. Die Kerzen flackerten erneut. Atem hob seinen Blick und versuchte zu erkennen, was vor ihm geschah. Eine göttliche Gestalt tauchte vor ihm auf. Sie war in einem sanften Leuchten gehüllt und ihre Augen waren sanftmütig und warm, so auch ihr zaghaftes Lächeln, das sie dem Pharao schenkte. Sie hatte große, goldene Flügel und sie schien eine Rüstung zu tragen, die ihren Körper schützte und ihr eine anmutige, aber vor allem mächtige Aura verlieh. Auf ihrer Stirn befand sich ein leuchtendes Udjet-Auge, das ihn anzublicken schien. Atem wusste nicht, wer diese Gottheit war. Zumindest keine von denen, die man ihm gezeigt hatte. Ehrfürchtig ging er auf die Knie und verneigte sich vor dem Wesen. Sie hob die Hand und bat ihn darum, sich zu erheben.
 

Atem war sich unsicher. Jeder wusste, dass man sich vor Göttern verneigen musste, doch sie wollte auf einer Stufe mit ihm sprechen. Missmutig tat er dennoch, wie sie ihm geheißen hatte und blickte sie erneut musternd an. Ihre hellblaue, blasse Haut und ihre Augen waren so unglaublich schön, doch am meisten faszinierte ihn diese starke Aura, die ihn zu übermannen drohte. Sie war mächtig und gütig. Selbst durch die Finsternis des Puzzles hatte sie ihren Weg gefunden, um ihm zu helfen und leitete ihn auf seiner Suche nach den Altären.
 

Ich bin Horakhty – die Erschafferin des Lichts.

Du wirst nun deine Erinnerungen aufgeben, deshalb wirst du mich vergessen.

Alles, was ich dir jetzt sagen werde, wirst du vergessen.

Als Auserwählter wirst du die Sangenshin beschwören müssen.

So wie die Finsternis Schlüssel braucht, um ihre wahre Macht zu entfalten, so braucht auch das Licht einen Schlüssel.

Die Namen der Sangenshin – Osiris, Obelisk und Raa – sind in deiner Zeit verloren gegangen.

Doch sie sind der Schlüssel, um mich in die irdische Welt zu beschwören.

Gott der Götter – Atem – dein Name soll der Schlüssel für deine Macht sein.

Ein Name ist ein Schicksal! Erfülle dein Schicksal und bringe das Licht zurück!

Bestehe die Prüfung und kämpfe mit dem anderen Auserwählten.

Ich warte auf dich.
 

Atem gab seine Erinnerungen auf und wartete 3000 Jahre lang auf die Person, die das Puzzle aus seinem Grab holen würde und ihn zum Auserwählten brachte. Ohne Herz und Erinnerungen war er nur noch ein Schatten seiner Selbst. Eine leere Hülle. Verwirrt. Verzweifelt. Doch voller Zorn. Der Wahnsinn ergriff ihn und all die Jahre, die er schlafend in der Finsternis verbracht hatte, ohne zu wissen, wo er sich befand und wer er war, hatte ihn verändert. Rücksichtslos nutzte er die dunkle Magie des Puzzles. Er besaß keinerlei Empathie mehr und tat das, von dem er glaubte, das es richtig war. Irgendetwas in ihm strebte nach Gerechtigkeit. Woher dieses Gefühl kam, vermochte er nicht zu sagen. Doch er wusste, dass dieses Gefühl ihm gehörte und etwas war, das ihn auszeichnete.
 

Als Mutou Yuugi das Puzzle zusammensetzte, beobachtete er ihn und er nutzte die Macht des Puzzles, um den Besitzer des Körpers schlafen zu legen und an seiner statt gegen die Bösewichter zu kämpfen, die es wagten das Recht und die Ordnung der […] zu stören. Er spürte, dass dies sein Schicksal war. Je länger er den kleinen und schwachen Yuugi beobachtete, je mehr verspürte er das dringende Bedürfnis dieses Kind zu beschützen und er fand einen neuen Sinn in seiner Existenz.
 

Und so begann die Geschichte von Yuugi-ou – dem König der Spiele.
 

Du hast die richtigen Entscheidungen getroffen.

Die Konsequenzen unserer Handlungen und Entscheidungen sind uns nicht immer bewusst.

Manchmal ist es nur ein Wort, das über unseren späteren Werdegang entscheidet.

Ein Wort, um jemanden von uns zu stoßen oder ihn in unser Leben zu lassen.

Worte haben Macht. So auch ein Name.

Dank dir wird die Finsternis besiegt werden können.
 

[Eine Geschichte, die im Licht endet.]
 

Seine Angst


 

Du fürchtest die Finsternis, die Kreaturen, die in den Schatten lauern.

Wie eine Maus hoffst du ängstlich darauf, dass die Krallen der Eule dich nicht erwischen.

Nach vorn zu gehen fällt dir schwer.

So schwer.

Die Finsternis tut weh.

So weh.
 

Atems Körper zitterte leicht. Er versuchte dieses eigenartige Gefühl zu unterdrücken. Diese Finsternis rief ein Déjà-vu in ihm hervor, denn es waren diese roten Augen, die beim letzten Mal blutrünstig auf ihn hinab gestarrt hatten. Gierig hatte dieses Leuchten ihn betrachtet und wollte seine Seele fressen, ihn im Ganzen verschlingen und obwohl Atem bis zum Ende mutig gekämpft hatte, hatte das Wesen, das sich in diesem dunklen Nebel versteckte, ihn hinterhältig attackiert, während sein Diener Bakura seine Unachtsamkeit ausnutzte und ihn seinen Säbel in den Brustkorb rammte. Unmittelbar legte er seine Hand auf seine Brust und schluckte. Die Wunde war verschwunden. Er war nur noch eine Seele und sein Körper war nichts weiter mehr als eine eiskalte, leere Hülle, die in den Tiefen des Abgrundes darauf wartete, zu verwesen. Er starb wie Vieh. Dieses Ende war keinem König würdig.
 

Atem irrte weiterhin durch die Finsternis. Der Nebel verklärte ihm die Sicht und seine Beine wurden langsam schwer. Wie weit musste er noch gehen? Gab es hier überhaupt einen Weg? Hatte er eine falsche Entscheidung getroffen? Ohne Licht hatte er nicht einmal ansatzweise ein Gefühl für Zeit und er glaubte, dass er sich bereits seit Tagen in dieser Dunkelheit befand, die ihn zu erdrücken versuchte. Wo war diese Stimme, die ihn geleitet hatte und ihm helfen wollte? Hatte sie ihn in Wirklichkeit in eine Falle gelockt? Er wurde ungeduldig und zornig. Alles, was er in seinem Leben getan hatte, hatte er für sein Volk getan und um den Göttern zu gefallen! Das war seine Pflicht als Sohn des Pharaos. Seit seiner Kindheit hatte er nie die Möglichkeit gehabt, für sich selbst zu entscheiden. Jede Minute seines Tagesablaufs war rigoros durchgeplant. Er hatte nur selten Zeit sich zu entspannen und über das nachzudenken, was ihn beschäftigte.
 

Schon in jungen Jahren faszinierten ihn die Sterne und die Regeln dieser Welt. Warum fiel ein Stein nach unten und nicht nach oben? Wie viele Sterne gab es am Himmel? Wieso konnte eine Feder auf dem Wasser schwimmen? Es gab so vieles, das ihn interessierte! Er wollte in der Natur sein, die Tiere beobachten und wie andere Kinder nach Fröschen jagen und dem Skarabäus dabei zusehen, wie es den Dung vor sich herrollte. Stattdessen hatte er jeden Tag stundenlang seinen Lehrern gelauscht, sich Predigten anhören müssen und sobald er einen Fehler machte, schlug man ihn mit einer Gerte auf die Finger und bestrafte ihn. Kein Fehler, so winzig und unbedeutend er auch sein mochte, blieb unbestraft. Das war schon immer so gewesen.
 

Einmal hatte er während seines Schreibunterrichts aus dem Fenster geschaut und sehnsüchtig einem Falken hinterher geblickt. Zur Strafe musste er ohne Abendessen ins Bett und 100 Mal die Gebote der Maat aufschreiben. Nur selten hatte sich ihm die Gelegenheit geboten, aus diesem Gefängnis auszubrechen. Als kleines Kind hatte er sich noch in Vasen versteckt und darauf gehofft, dass er so seinen Pflichten entkommen konnte, doch je älter er wurde, desto mehr wurde er bewacht. Natürlich lag dies daran, dass sein Vater schwerkrank war und er einen würdigen Nachfolger brauchte, doch Atem hatte all seine Gefühle stets unterdrückt. Er wollte frei sein und das tun, wonach ihm der Sinn strebte!
 

Auf seine Lippen schlich sich ein trauriges Lächeln, doch genauso schnell wie es gekommen war, verschwand es wieder, stattdessen biss er sich gequält auf die Unterlippe. Auch Bakura hatte dies gesagt. Er hatte keine Freiheit und er war nichts weiter als eine Schachfigur der Götter, die mit ihm spielten und ihn zur Not entsorgten, wenn er nicht mehr gebraucht wurde. Wurde er nicht mehr gebraucht? In dieser ewigen Dunkelheit, die ihn zu verschlingen drohte, befand sich nichts. Jetzt hatte er genügend Zeit über sein Leben zu sinnieren und je mehr Zeit er in dieser bedrückenden Atmosphäre verbrachte, desto mehr Ärger staute sich in ihm an. Ärger, aber vor allem Enttäuschung.
 

Die Götter hatten ihn verlassen und überließen ihn nun seinem Schicksal. War das hier eine Strafe für eine vergangenen Fehler? Er warf einen sehnsüchtigen Blick nach oben. Finsternis. Dunkelheit. Das Nichts. So weit das Auge reichte war rein gar nichts. Orientierungslos setzte er einen Schritt nach vorn, doch dann blieb er stehen. Wie viel Zeit war vergangen? Frustriert fiel er auf die Knie und schlug wütend mit seinen Fäusten auf den Boden. Die Zeit stand still. Es gab kein Vor und kein Zurück mehr. Kein Beginn. Kein Ende. Alles war bedeutungslos. So auch seine verzweifelten Hilfeschreie, die von der Finsternis aufgesogen wurden. Bewegungslos verharrte er in seiner Position.
 

Eindeutig. Das hier war seine Strafe, weil er seine Pflicht als Pharao nicht erfüllen konnte. Die Wunden des Krieges hatten nicht nur ein Land gezeichnet, sondern auch ihn und das Leben selbst war sein Feind geworden. In diesem Moment bereute er, wie er gelebt hatte und was er alles geopfert hatte, nur um am Ende von den Göttern im Stich gelassen zu werden. Jeden Tag hatte er zu ihnen gebeten und ihnen seinen Glauben bewiesen. Er trug die schwere Last allein auf seinen Schultern und hatte sich so sehr darum bemüht, alles richtig zu machen, dass er gar nicht erkannt hatte, dass der Weg, den er bestritten hatte, nicht der richtige war. Und nun ließ man ihn in dieser Dunkelheit verrotten. Einsam. Verlassen. Ohne Hoffnung. Gab es denn jemals Hoffnung?
 

War alles, was ich getan habe... etwa umsonst? Vielleicht hat es von Anfang an nie so etwas wie Hoffnung gegeben und die Zukunft, die ich mir erhofft hatte, hat nie existiert. Sieh mich an, Vater. Ich konnte deine Fußstapfen nicht füllen, zu schwer war die Bürde für mich und nun habe ich nicht mehr die Kraft aufzustehen.
 

Atem vergrub seine Hände im Gesicht und unterdrückte den Wunsch einfach nur zu schreien und zu weinen. Wie gern hätte er Mahaad gesagt, dass es ihm leidtat! Wie wichtig ihm dieser gewesen war und dass dieser wie ein großer Bruder für ihn war. Er hatte seinen treuen Diener immer wieder als Schmarotzer beleidigt und nie auf ihn gehört, doch in Wirklichkeit hatte er ihn geschätzt und war froh, dass dieser ihn mit anderen Augen zu sehen schien und ihn nicht nur als Prinzen sah, sondern auch als Mensch. Mahaad war der einzige, der seine Schwächen akzeptierte und immer für ihn da war. Jetzt war er völlig allein auf sich gestellt. Ohne seine Hohepriester. Ohne Götter. Die Zeit stand still und doch zerquetschte sie ihn. Die Stille fühlte sich an wie spitze Pfeile, die sich in seinen Körper bohrten.
 

Tage vergingen. Wochen. Die Finsternis nahm kein Ende. Irgendwann hatte er einfach aufgegeben und sich auf den Boden gesetzt. Als ihm das Sitzen zu mühselig wurde, hatte er sich auf die Seite gelegt und einfach nur gewartet. Er hatte begonnen mit seinem Säbel Zeichen auf den Boden zu ritzen, die die vergangenen Tage darstellen. Auch in der Finsternis gab es so etwas wie einen Tagesablauf. Er war bereits lang genug hier, um mit Sicherheit sagen zu können, dass alle drei Stunden violette Blitze den Nebel erhellten. Kurz darauf folgte ein Grollen, das ihn an eine Bestie erinnerte. Zwischendurch hatte er dazu aufgerafft, aufzustehen und weiterzugehen, doch diese Motivation schwang meist in Frust um, da er einfach keinen Ausweg finden konnte. Ziellos irrte er in der Finsternis umher, die beinahe tröstend ihren Nebel um ihn legte.
 

Zwei Monate später trauerte Atem nicht mehr. Er war nur noch zornig. Ängstlich. Er brauchte einen Schuldigen und so beschimpfte er die Götter und verfluchte die Stimme, die ihn hierher gebracht hatte und ihn elendig verrotten ließ.
 

Warum habt Ihr mich hierher gelockt?! Nur um mich leiden zu sehen? Die Götter haben mich verlassen. Ich will hier nicht sein! Ich habe Angst! Vater! Mahaad! Bitte! Irgendjemand muss mir helfen. Irgendjemand... egal wer, dachte er und fiel auf die Knie. Zum ersten Mal in seinem Leben liefen die Tränen ungehalten und schlug zornig auf den Boden.
 

„So hilf mir doch jemand! Egal wer! Ich flehe Euch an, bitte... lasst mich hier raus“, schrie er, doch seine Stimme wurde immer brüchiger.
 

ԃυ αɾɱҽʂ ƙιɳԃ. ԋαʂƚ ԃυ ԃιƈԋ ʋҽɾʅαυϝҽɳʔ
 

Er zuckte kurz zusammen. Hatte er sich diese Stimme eingebildet? Nein, er kannte sie irgendwo her. Sie rief sofort ein vertrautes Gefühl in ihm hervor und zum ersten Mal seit Langem blitzte der Funke der Hoffnung erneut in ihm auf. Sehnsüchtig blickte er sich um, flehend, jemanden oder zumindest irgendetwas zu erkennen. Selbst wenn es nur eine Halluzination war, war es besser als das ewige Nichts, das an seinem Verstand nagte und ihn in langsam aber sicher in den Wahnsinn trieb.
 

ƙσɱɱ, ɱҽιɳ ʂƈԋöɳҽʂ ƙιɳԃ, ʅαʂʂ ɱιƈԋ ԃιɾ ԃҽɳ ɯҽɠ ȥҽιɠҽɳ.
 

Ein weiteres Mal sprach die Stimme zu ihm und nun erhob sich der Pharao. Mit wackligen Beinen stand er inmitten der Finsternis und versuchte zu erkennen, woher die Stimme kam.
 

„Wer bist du? Du bist jemand anders als die Person, die vorher zu mir sprach.“
 

ҽɾιɳɳҽɾʂƚ ԃυ ԃιƈԋ ɳιƈԋƚ αɳ ɱιƈԋʔ

ιƈԋ ԋαႦҽ ιɳ ԃҽιɳҽɳ ƚɾäυɱҽɳ σϝƚ ȥυ ԃιɾ ɠҽʂρɾσƈԋҽɳ, υɱ ԃιɾ ȥυ ԋҽʅϝҽɳ.

ԃιҽ ʅαʂƚ, ԃιҽ ɱαɳ ԃιɾ αυϝɠҽႦüɾԃҽƚ ԋαƚ, ιʂƚ ʋιҽʅ ȥυ ʂƈԋɯҽɾ ϝüɾ ԃҽιɳҽ ʂƈԋυʅƚҽɾɳ.
 

Der dunkle Nebel der Finsternis schien seinen Verstand zu vergiften. Das alles musste Einbildung sein! Dennoch konnte er sich den Worten dieser formlosen Gestalt nicht verwehren, denn er erinnerte sich daran, dass eine Stimme in seinen Träumen zu ihm sprach. Seit vielen Jahren war da jemand, der nach ihm rief und ihm helfen wollte. Er hatte sich einreden wollen, dass diese Stimme nichts weiter als ein Teil eines Traumes war oder dass ein Gott zu ihm sprach. Er hatte nie mit jemanden über diese Alpträume gesprochen, denn ein jeder wusste, dass dies ein schlechtes Omen war. In den Träumen konnte der Mensch in die Duat eintreten. Es galt als äußerst positiv, wenn sich Götter im Schlaf zeigten und in der Königslinie galten die Pharaonen, die solche Begegnungen häufiger hatten, als besonders mächtig. Daher hatte Atem nie mit irgendjemanden über seine schlechten Träume und diese Stimme gesprochen.
 

Man sagte, dass sich im Traum auch feindselige Ahnengeister zeigen konnten, die einem den Schlaf raubten und einen bis in den Tag verfolgen konnten, wo sie im schlimmsten Fall für Unglück sorgten. Atem hatte geglaubt, dass dies die Strafe für die Schwäche seines Vaters war. Anders konnte er sich diese Träume und diese Stimme nicht erklären. Und jetzt verfolgte ihn eben diese Stimme und sprach zu ihm als wären sie alte Freunde. In diesem Moment war diese Stimme tröstlich und schenkte ihm auf eine merkwürdige Art und Weise Hoffnung. Doch er konnte niemanden erkennen. Immer noch war er gefangen in dieser ausweglosen Situation.
 

„Bitte sagt mir, wer Ihr seid. Ich weiß nicht mehr weiter“, flehte Atem und hoffte, dass diese Gestalt sich endlich zeigen würde. In Ihm breitete sich das Gefühl aus, dass diese Stimme auch böse sein könnte, doch er wünschte sich so sehr aus dieser Finsternis zu kommen, dass er verzweifelt nach jedem Strohhalm griff.
 

ԃυ αɾɱҽʂ ƙιɳԃ.

ԃҽιɳҽ ɠöƚƚҽɾ ԋαႦҽɳ ԃιƈԋ ιɱ ʂƚιƈԋ ɠҽʅαʂʂҽɳ.

ԃιҽ ƚüɾ ʋσɾ ԃҽιɳҽɳ αυɠҽɳ ႦʅҽιႦƚ ʋҽɾʂƈԋʅσʂʂҽɳ, σႦɯσԋʅ ԃυ ԃҽɳ ʂƈԋʅüʂʂҽʅ ԋαʂƚ.

ʂσ ҽιɳʂαɱ. ʂσ äɳɠʂƚʅιƈԋ. ʅαʂʂ ɱιƈԋ ԃιɾ ԋҽʅϝҽɳ, ԋιҽɾ ԋҽɾαυʂȥυƙσɱɱҽɳǃ
 

[Hilfe annehmen. | Kapitel 15] – [Hilfe ablehnen. | Kapitel 16]
 

Seine Rache

Zögerlich griff sich Atem an die Brust, schloss seine Augen und wägte seine Optionen ab. Er war ein Gefangener der Finsternis und ohne Hilfe würde er hier niemals herauskommen.
 

„Bitte helft mir“, flüsterte er dann und vor ihm öffnete sich endlich ein Weg. Erleichterung machte sich in ihm breit und er folgte dem Pfad, der sich vor ihm befand. Er wanderte einige Momente in der Finsternis, ehe er in seinem Gemach ankam. Erstaunt sah er sich um. Alles war wie immer. Doch es schien niemand hier zu sein. Misstrauisch sah er sich um. Er suchte den Raum ab, doch konnte nichts verdächtiges finden, setzte sich dann auf sein Bett. Diese Stimme hatte sich auch nicht mehr gemeldet. Zumindest hatte sie ihm heraus geholfen. Sein Körper fühlte sich schwer an. Mit einem lauten Seufzer ließ er sich nach hinten fallen und genoss die weichen Kissen unter ihm. Ein vertrautes Gefühl. War das hier nun das Ende seiner Reise? Wie sollte es von hier weitergehen?
 

„Wo seid Ihr? Bitte sagt mir, was ich als nächstes tun soll“, murmelte Atem und setzte sich erneut auf, lief in Richtung seines Balkons und zog die Vorhänge beiseite. Draußen war es Nacht und er konnte die Sterne sehen. Verträumt blickte er gen Himmel. Immer wenn er die Sterne sah, fühlte er sich viel ruhiger und all die Last, die sonst auf seinen Schultern ruhte, wurde leichter und sein Kopf frei.
 

ԃυ ʂƈԋöɳҽʂ ƙιɳԃǃ ɯιҽ ʂҽԋɾ ԃυ ԃσƈԋ ɠҽʅιƚƚҽɳ ԋαႦҽɳ ɱυʂʂƚǃ

ʂιҽԋ ԃιɾ ԃιҽ ʂƚҽɾɳҽ αɳ. ʂσ ʂƈԋöɳǃ ʂσ ႦҽȥαυႦҽɾɳԃǃ ʂσ ϝҽʂʂҽʅɳԃǃ

ԃιҽ ɯҽʅƚ ιʂƚ ɠɾσß υɳԃ ʂσ αυƈԋ ԃҽɾ ʂƚҽɾɳҽɳԋιɱɱҽʅ.

ԋαʂƚ ԃυ ԃιƈԋ ɳιҽ ɠҽϝɾαɠƚ, ɯαʂ ԋιɳƚҽɾ ԃҽɳ ɠɾҽɳȥҽɳ ԃҽιɳҽʂ ʅαɳԃҽʂ ʅιҽɠƚʔ
 

„Da seid Ihr wieder!“, kam es erfreut von Atem. Er hörte die Stimme, doch er konnte sie nicht sehen. Trotzdem war er froh, dass er sich wieder gemeldet hatte und er nicht mehr ganz allein und auf sich gestellt war. Alles war besser als Einsamkeit.
 

„Ich darf solche Gedanken nicht haben. Ich bin der Pharao“, antwortete er äußerst pflichtbewusst.
 

υɳԃ ɯҽɳɳ ԃυ ʝҽɱαɳԃ αɳԃҽɾʂ ɯäɾʂƚʔ

ƙҽιɳ ρԋαɾασ, ƙҽιɳ ʂƙʅαʋҽ, ƙҽιɳ Ⴆαυҽɾ σԃҽɾ ρɾιҽʂƚҽɾ.

ҽιɳ ϝɾҽιҽɾ ɱαɳɳǃ ɯαԋɾҽ ϝɾҽιԋҽιƚ υɳԃ ɳυɾ ԃυ ҽɳƚʂƈԋҽιԃҽʂƚ, ɯαʂ ԃυ ƚυʂƚ.
 

Atem zwang sich zu einem Lächeln. Auch Mahaad hatte ihm einst diese Frage gestellt. Wenn er jemand anders wäre? Ja, dann wäre seine Antwort ganz anders. Denn wenn er ehrlich zu sich selbst war, war seine Neugierde groß. Kemet war seine Heimat und es war seine Pflicht dieses heilige Land zu beschützen und für sein Volk zu kämpfen, doch wenn er diese Pflicht oder besser gesagt diese Ketten nicht gehabt hätte, hätte er sein Leben anders verbracht. So oft hatte er sich gewünscht wie jeder andere die Welt zu sehen! Außerhalb der Palastmauern! Bis zu dem Tod seines Vaters war es ihm nicht gestattet den Palast zu verlassen. Nur zu offiziellen Zeremonien und Festen durfte er die gewohnten Wände verlassen und selbst dann stand er unter Bewachung. Als Prinz musste er Haltung bewahren und ein vorgefertigtes Bild vermitteln. Für eine eigene Persönlichkeit oder gar Wünsche blieb kein Platz.
 

ԋαʂƚ ԃυ ԃιɾ ԃҽɳɳ ɳιҽ ʋσɾɠҽʂƚҽʅʅƚ, ɯιҽ ҽʂ ɯäɾҽ ɱιƚ ҽιɳҽɱ Ⴆσσƚ üႦҽɾ ԃҽɳ ɳιʅ ȥυ ϝαԋɾҽɳʔ

ɳαƈԋ ϝιʂƈԋҽɳ ȥυ αɳɠҽʅɳʔ ιɱ ɯαʂʂҽɾ ȥυ ʂƈԋɯιɱɱҽɳʔ

αɳԃҽɾҽ ɱҽɳʂƈԋҽɳ υɳԃ ƙυʅƚυɾҽɳ ƙҽɳɳҽɳȥυʅҽɾɳҽɳʔ

ԃαʂ ʅҽႦҽɳ ιɱ ραʅαʂƚ ɱυʂʂ ԃσƈԋ ʂσ ҽɾԃɾüƈƙҽɳԃ ɠҽɯҽʂҽɳ ʂҽιɳ.
 

Noch immer zögerte Atem. Er durfte diese Gedanken nicht aussprechen. Er war der Pharao. Sein Herz wankte.
 

ԃυ αɾɱҽʂ ƙιɳԃ.

ԋιɳ υɳԃ ԋҽɾɠҽɾιʂʂҽɳ ȥɯιʂƈԋҽɳ ԃҽɱ, ɯαʂ ԃυ ɯιʅʅʂƚ υɳԃ ԃҽɱ, ɯαʂ ԃυ ʂҽιɳ ɱυʂʂƚ.

ԃυ ԋαʂƚ ιɾԃιʂƈԋҽ ɯҽʅƚ Ⴆҽɾҽιƚʂ ԋιɳƚҽɾ ԃιɾ ɠҽʅαʂʂҽɳ.

ԃҽɾ ƙäϝιɠ ιʂƚ σϝϝҽɳ, ԃσƈԋ ԃυ ϝüɾƈԋƚҽƚ ԃιҽ αυßҽɳɯҽʅƚ.

ԋαʂƚ αɳɠʂƚ ʋσɾ ԃҽɱ, ɯαʂ ʋσɾ ԃιɾ ʅιҽɠƚ.

ʂƈԋʅιҽßҽ ԃҽιɳҽ αυɠҽɳ. ʋҽɾʂρɾιƈԋ ɱιɾ, ԃαʂʂ ԃυ ʂιҽ ɳιƈԋƚ öϝϝɳҽʂƚ.
 

Atem überlegte, ob er dieser Stimme trauen sollte. Doch was blieb ihm übrig? Er schloss seine Augen. Plötzlich spürte er zwei große Arme, die ihn in eine Umarmung zogen. Er kämpfte gegen die Neugierde an und kniff seine Augen fest zusammen. War das die Person, die zu ihm sprach? Seine Körperwärme war so sanft und tröstend. Seine starken Arme umschlossen ihn und drückten ihn näher an sich. Er fühlte sich geborgen und verstanden. Wer auch immer dieser Mann war, er war sehr stark und ein Kämpfer. Liebevoll strich der Mann über seinen Kopf und flüsterte in sanfter Tonlage zu ihm, sodass sich eine Gänsehaut auf Atems Haut bildete.
 

ƙσɱɱ, ʅαʂʂ υɳʂ ɠҽɱҽιɳʂαɱ ԃιҽʂҽ ɯҽʅƚ ʂҽԋҽɳ.

ʂҽԋҽɳ, ɯαʂ ԋιɳƚҽɾ ԃҽɳ ɠɾҽɳȥҽɳ ʅιҽɠƚ.

ʋҽɾɠҽʅƚυɳɠ üႦҽɳ αɳ ԃҽɳ ɠöƚƚҽɾɳ, ԃιҽ ԃιƈԋ ɱιʂʂႦɾαυƈԋƚ ԋαႦҽɳ.

ԃιҽʂҽ ɠɾαυʂαɱҽɳ ɠöƚƚҽɾ, ԃιҽ ԃιƈԋ ʋσɳ αɳϝαɳɠ Ⴆιʂ ҽɳԃҽ αυʂɠҽɳυƚȥƚ ԋαႦҽɳ.

υɳԃ ԃιƈԋ ιɳ ԃιҽ ϝιɳʂƚҽɾɳιʂ ʂρҽɾɾƚҽɳ. ʂσ ʂҽԋɾ ԋαʂƚ ԃυ ɠҽʅιƚƚҽɳǃ

ԃσƈԋ ɳυɳ Ⴆιɳ ιƈԋ ϝüɾ ԃιƈԋ ԃα υɳԃ ɯҽɾԃҽ ԃιƈԋ Ⴆҽʂƈԋüƚȥҽɳ.

ιɱɱҽɾ ɯαɾ ιƈԋ ϝüɾ ԃιƈԋ ԃα.
 

Atem nickte leicht. Stimmt. Diese Stimme hatte immer zu ihm gesprochen und stand ihm mit Rat und Tat zur Seite. Hätte er doch nur eher auf sie gehört! Die Götter hatten ihn im Stich gelassen und überließen ihn seinem Schicksal. Atem fürchtete die Finsternis. Er wollte nicht mehr allein sein. Er wollte endlich er selbst sein. Für sich selbst bestimmen und einen Weg gehen, von dem er wissen wollte, wo er hinführte. Endlich war er frei.
 

„Bitte verratet mir doch Euren Namen.“
 

öϝϝɳҽ ԃҽιɳҽ αυɠҽɳ, ɱҽιɳ ƙιɳԃ.

ʋҽɾʂρɾιƈԋ ɱιɾ, ԃιƈԋ ɳιƈԋƚ ȥυ ҽɾʂƈԋɾҽƈƙҽɳ.

ԃυ ɯιɾʂƚ üႦҽɾɾαʂƈԋƚ ʂҽιɳ.
 

Atem öffnete die Augen und sah hoch, warf einen Blick in das Gesicht des Fremden. Panisch befreite er sich aus der Umarmung. Weißes Haar und ein roter Mantel und auf seinem Gesicht eine lange Narbe, die vom Auge bis zur Wange reichte.
 

„Bakura! Du wagst es erneut, in meinen Palast einzudringen?!“, brüllte er und wollte nach seinem Säbel greifen.
 

ԃαʂ ԋιҽɾ ιʂƚ ɳυɾ ԃҽɾ ƙöɾρҽɾ, ԃҽɳ ιƈԋ üႦҽɾɳσɱɱҽɳ ԋαႦҽ.

ԃҽɳɳ ιƈԋ ԋαႦҽ ƙҽιɳҽ ҽιɠҽɳҽ ɠҽʂƚαʅƚ. ƙҽιɳҽɳ ƙöɾρҽɾ. Ⴆιɳ ϝσɾɱʅσʂ.

ԃιҽʂ ιʂƚ ɳυɾ ҽιɳҽ ԋüʅʅҽ, ԃιҽ ιƈԋ ɳυƚȥҽ, υɱ ɱιƈԋ ԃιɾ ȥυ ȥҽιɠҽɳ.

ϝüɾƈԋƚҽ ԃιƈԋ ɳιƈԋƚ.
 

Atem verharrte in seiner Bewegung und sah ihn misstrauisch an.
 

ԃαʂ ԋιҽɾ ιʂƚ ԃιҽ ɯҽʅƚ ԃҽʂ ρυȥȥʅҽʂ. ԃҽιɳҽ ҽɾιɳɳҽɾυɳɠ ʂιɳԃ ɳυɳ ҽιɳ ƚҽιʅ ԃιҽʂҽɾ ɯҽʅƚ.

ԃҽιɳҽ ʋҽɾιɾɾƚҽ ʂҽҽʅҽ ɠιႦƚ ԃҽɾ ϝιɳʂƚҽɾɳιʂ ҽιɳҽ ϝσɾɱ.

ԃυ ϝüɾƈԋƚҽʂƚ ԃιҽ ϝιɳʂƚҽɾɳιʂ, ɳιƈԋƚ ɯαԋɾʔ υɳԃ ԃσƈԋ Ⴆιʂƚ ԃυ ɳυɳ ҽιɳ ƚҽιʅ ʋσɳ ιԋɾ.

αႦҽɾ ιƈԋ Ⴆιɳ Ⴆҽι ԃιɾ. ԃαʂ ɯαɾ ιƈԋ ʂƈԋσɳ ιɱɱҽɾ.

υɳԃ αυƈԋ ιɳ ȥυƙυɳϝƚ ʂƚҽԋҽ ιƈԋ ԃιɾ Ⴆҽι υɳԃ ɯҽɾԃҽ ԃιƈԋ Ⴆҽʂƈԋüƚȥҽɳ.

ԃιҽ ɠöƚƚҽɾ ԋαႦҽɳ ԃιƈԋ ʋҽɾʅαʂʂҽɳ.

ԃσƈԋ ιƈԋ ɯҽɾԃҽ ιɱɱҽɾ αɳ ԃҽιɳҽɾ ʂҽιƚҽ ʂҽιɳ.

ʋҽɾƚɾαυʂƚ ԃυ ɱιɾʔ
 

„Nennt mir Euren Namen“, forderte Atem erneut.
 

Der falsche Bakura schenkte ihm ein warmes Lächeln.
 

ιƈԋ ԋαႦҽ ʋιҽʅҽ ɳαɱҽɳ. ԋαԃҽʂ. αιƚα. ԋҽʅ. ιȥαɳαɱι. ɳҽɳɳƚ ɱιƈԋ ɱҽʅαʂ.
 

Pharao Atem schloss sich mit dem Fremden, der sich Melas nannte, zusammen und sie beschlossen, dass sie gemeinsam die Welt bereisen würden. Atem erfuhr nicht, dass Melas nur einer der vielen Namen von Zorc Necrophades war und dass er in eine Falle getappt war. Zorc war formlos und konnte jede Form annehmen, die ihm beliebte. Denn die Finsternis war immer dort, wo auch das Licht war. Sie existierten nebeneinander. Obwohl Atem seine Pflichten nicht erfüllt und die Welt des Lichts im Stich gelassen hatte, war er zum ersten Mal in seinem Leben glücklich und hatte jemanden an seiner Seite, der ihm half und so akzeptierte wie er war. All der Druck stets die richtigen Entscheidungen treffen zu müssen, war von ihm genommen und er fühlte sich wahrhaftig frei.
 

Als das Puzzle 3000 Jahre später von dem jungen Japaner Mutou Yuugi gelöst wurde, übernahm Atem dessen Körper und sammelte mit Melas die sieben Millenniumsartefakte, um so das Tor der Unterwelt zu öffnen und die irdische Welt mit dieser zu verschmelzen. Der Himmel verdunkelte sich und die Lebenden konnten nicht mehr sterben. Alle Lebewesen waren dazu verdammt, für immer zu leben. Jene Seelen, die getötet wurden, wurden für immer gelöscht und der Kreis der Wiedergeburt und des ewigen Ausgleichs wurde unterbrochen. Da Dämonen und Ka-Bestien nun ebenfalls auf der Welt wanderten, wurden Menschen in vielen Regionen der Welt versklavt, da sie den monströsen Gestalten nichts entgegenzusetzen hatten.
 

Kriege brachen weltweit aus und Menschen kämpften gegeneinander, um die wenigen Ressourcen, die ihnen noch übrig blieben. Denn auch Pflanzen, die starben und abgeerntet wurden, verschwanden für immer. Doch Melas und Atem waren glücklich. Mutou Yuugi, der das Puzzle gelöst hatte, war schockiert über den Zustand der Welt, doch er war nichts weiter als ein schüchterner Junge und Atem, der ihm helfend eine Hand anbot, war sein erster wahrer Freund in seinem Leben. Yuugi, der stets Gewalt und Streit abgelehnt hatte, schloss sich Melas und Atem an und hatte zum ersten Mal in seinem Leben Freunde. Außerdem hatte er auch keine andere Wahl, da Melas drohte, ihn zu töten oder ihn als Haussklaven zu halten. Auch als Atem erfuhr, dass Melas in Wahrheit Zorc Necrophades war, hatte sich seine Meinung nicht geändert.
 

Die Göttin Horakhty konnte nicht erweckt werden, da niemand von ihr wusste und keiner sich die Mühe gemacht hatte, die Namen der Sangenshin zu finden und diese zu beschwören. Die beiden Auserwählten, die die Welt vor der Finsternis bewahren sollten, hatten einen anderen Weg eingeschlagen und waren dabei ziemlich zufrieden.
 

Die Geschichte vom Yuugi-ou – dem König der Spiele – hatte niemals stattgefunden.
 

[Eine Geschichte, die im Chaos endet.]
 

Seine Lossagung

„Ich weiß nicht wer Ihr seid... doch ich brauche Eure Hilfe nicht!“, rief Atem fest entschlossen. Ein Lachen widerhallte von überall und nirgendwo und Atem fühlte sich auf einmal wie ein Gefangener, dessen Leben am seidenen Faden hing. Er keuchte. Sein Herzschlag verschnellerte sich und er sah sich um, darauf hoffend, irgendetwas erkennen zu können. Diese Stimme, die zu ihm sprach, war ihm bekannt. Diese dunkle, tenorähnliche Stimme, die sich in seine Seele gebrannt hatte, er würde sie niemals vergessen können. Immerhin war sie es, die ihn so lange Zeit in seinen Träumen begleitet hatte und doch fürchtete er, dass sie ihm nicht helfen wollte, sondern seine Seele und seine sterblichen Überreste verschlingen wollte.
 

Wem auch immer diese Stimme gehörte, es musste einen Grund geben, warum sie sich nicht zeigte. Ob auch dies eine Prüfung der Götter war? Doch es waren eben jene, die ihn in dieser Finsternis im Stich gelassen hatten. Wem konnte er noch trauen? Selbst sein eigener Verstand schien austricksen zu wollen. Die Stimme schien für den Moment zu verstummen. Das ohrenbetäubende Lachen verschwand und so beruhigte sich auch Atems Herz und seine Gedanken.
 

ԃυɱɱҽʂ, ԃυɱɱҽʂ ƙιɳԃ.

ԃυ ԋαʂƚ ԃιƈԋ ʋσɱ ρϝαԃ ԃҽʂ ʅιƈԋƚʂ αႦɠҽɯҽɳԃҽƚ. ԃҽɳ ɠöƚƚҽɾɳ ԃҽɳ ɾüƈƙҽɳ ȥυɠҽƙҽԋɾƚ.

ԃҽɱ ɯҽɠ ԃҽɾ ϝιɳʂƚҽɾɳιʂ ɯιʅʅʂƚ ԃυ αυƈԋ ɳιƈԋƚ ϝσʅɠҽɳ.

αυƈԋ ɱιƈԋ ʅҽԋɳʂƚ ԃυ αႦ.

ʂαɠ ɱιɾ, ԃυɱɱҽʂ ƙιɳԃ, ɯαʂ ႦʅҽιႦƚ ԃιɾ ԃαɳɳ ɳσƈԋ üႦɾιɠʔ
 

„Ich finde meinen eigenen Weg!“, knurrte Atem erbost und legte seine Hand an den Griff seines Säbels, um diesen sofort ziehen zu können, falls es zu einem Kampf kam.
 

ɳαιʋҽʂ, ƚöɾιƈԋƚҽʂ ƙιɳԃǃ

ԃαʂ ԋιҽɾ ιʂƚ ɱҽιɳ ɾҽιƈԋǃ ԃυ ʅҽԋɳʂƚ ɱιƈԋ αႦʔ

αυϝ ҽɯιɠ ʂσʅʅʂƚ ԃυ ιɳ ԃҽɾ ϝιɳʂƚҽɾɳιʂ ȥιҽʅʅσʂ υɱԋҽɾʂƚɾҽιϝҽɳ.

ɳιҽɱαʅʂ ɯιҽԃҽɾ ʂσʅʅʂƚ ԃυ ԃαʂ ʅιƈԋƚ ʂҽԋҽɳ, ԋσϝϝɳυɳɠ ʂρüɾҽɳ υɳԃ ιɳ ԃҽιɳҽɳ ҽιɠҽɳҽɳ ȥɯҽιϝҽʅɳ ʋҽɾɠҽԋҽɳ.
 

Atem wusste nicht, was diese Stimme meinte. Sie wollte ihm nichts Gutes. So viel stand nun fest und sie war ein fester Bestandteil des Puzzles und hatte all die Jahre versucht, seine Entscheidungen zu manipulieren. Ein riesiger finsterer Sturm mit Blitzen zog auf und der Himmel, der bis eben in absoluter Dunkelheit verhüllt war, blitzte mehrmals verheißungsvoll auf. Wenn die Finsternis ihn bis eben das Fürchten gelehrt hatte, so zerschmetterte sie nun seine Seele und zwang ihn in die Knie. Er musste hier raus! Den Weg zurückfinden. Doch was nur meinte diese Stimme damit, dass er den Göttern den Rücken zugewendet hatte? Wieso wagte sie es, über ihn zu urteilen und über sein Schicksal bestimmen zu wollen?
 

Dafür hatte er keine Zeit! Mehrere Blitze schlugen um ihn herum ein und er lief geradeaus und suchte nach einem Ausweg, doch er schien bereits seit Stunden zu laufen und seine Beine wurden langsam müde. Er rang nach Luft und zwang sich dazu, weiter zu laufen. Er durfte nicht stehenbleiben, ansonsten würden die Blitze ihn erwischen oder die Finsternis ihn ergreifen. Mit jedem Schritt fiel es ihm schwerer, bei klaren Verstand zu bleiben. In ihm kamen Zweifel auf.
 

Er hatte kein Gefühl für Zeit mehr, vor allem da die Blitze, die sonst im gleichbleibendem Rhythmus einschlugen, nun wild auf den Boden prasselten. Tagtäglich wanderte er umher und suchte einen Ausweg, doch es schien, als wäre die Finsternis und der dunkle Nebel endlos. Wie ein frommer Gläubiger ging er auf die Knie und flehte die Götter um Hilfe an, doch ganz egal, wie sehr er um Hilfe rief, niemand kam. Niemand kam, um ihn zu helfen und ihm die Last abzunehmen. Er wanderte umher in dieser ewigen Dunkelheit und mit jedem Tag, der verging, fiel es ihm schwerer, seinen Glauben zu bewahren und seinem einstigen Ziel zu folgen. Die Götter hatten ihn verlassen. Sie hatten ihn im Stich gelassen, weil er ihrer nicht mehr würdig war und irgendwo eine Entscheidung getroffen hatte, die ihm den Status als Auserwählte der Götter entrissen hatte. Er war nichts weiter mehr als ein verirrtes Kind, das niemals wieder das Licht der Sonne sehen würde und verdammt war in seiner eigener Reue zu vergehen.
 

Wut, Hass, Zorn und Enttäuschung machten sich in ihm breit. Jahre vergingen und der Pharao, der es allem recht machen wollte, war selbst nichts weiter mehr als eine Marionette der Finsternis. Man sah ihn niemals wieder und auch die Nachwelt erfuhr niemals von dem Pharao, der im Kampf gegen das Böse, sein Leben geopfert hatte und die Geschichte von Yuugi-ou – dem König der Spiele – hatte sich niemals zugetragen, denn die Seele des Pharaos, die vom anderen Auserwählten hätte gefunden werden sollen, war verloren in der Finsternis. Das Puzzle wurde niemals zusammengesetzt.
 

Der Pharao fürchtete die Finsternis und wagte es nicht, sich seinen eigenen Schwächen zu stellen. Sein Herz war ängstlich und zugänglich für den Herrscher der Finsternis, der die Angst des Pharaos für sich nutzte und die Lücke in seiner Seele, die Furcht die falschen Entscheidungen zu treffen, mit Zweifeln füllte und ihn von innen heraus zerstörte. In dem Moment, in dem er zugab, die Finsternis zu fürchten, hatte er sich vom Licht abgewendet und den Schutz der Götter verloren. Die Götter brauchten keinen schwachen Pharao, der nicht den Mut hatte, gegen seinen eigenen Feind zu kämpfen.
 

[Eine Geschichte, die nie erzählt wurde.]
 

.

.

.

Du hast alles gegeben und trotzdem ist es so geendet.

Du fragst dich, wo die Gerechtigkeit ist und du ersehnst ein anderes Ende.

Du bist verwirrt und wünscht dir einen Ausweg, doch du scheinst verloren zu sein.

Wirst du weitergehen?

Oder stehenbleiben?

.

.

.

Du möchtest noch eine Chance?

Aber ist das nicht das Ende, das du wolltest?

Du bist unzufrieden und willst es noch einmal versuchen.

Deine Entscheidungen haben Konsequenzen.

Glaubst du wirklich, dass du die Folgen deiner Taten ignorieren kannst?

Dass dich die Konsequenzen nicht betreffen?

Du wirkst nachdenklich. Demütig.

Ich spüre, dass du dies nicht gewollt hast.

Du bist unwissend und suchst den richtigen Weg.

Das ist nicht immer einfach.

Du möchtest also die Fehler der Vergangenheit gutmachen.

Ich sehe deine Entschlossenheit und deinen Mut.

Du, der du die Macht der Entscheidung hast, ich gebe dir eine besondere Kraft.

Ich bin die Erschafferin des Lichts. Mein Name lautet Horakhty.

Ich gebe dir die Macht des Rückgangs.

Ich gestatte dir, deine Entscheidungen zu überdenken.

Doch du selbst musst den Weg finden.

Ich kann dir dabei nicht helfen.

Du selbst musst herausfinden, wo du welche Entscheidung treffen musst.

Diese Bürde kann dir niemand abnehmen.

Finde den Weg aus der Finsternis und bringe eine Geschichte zum Ende, die im Licht endet.

Fürchte dich nicht. Ich weise dir den Weg.

Auch wenn du dich verloren fühlen magst, wisse, die Götter wachen über dich.

Mit dieser besonderen Kraft wirst du das Ende finden, das du ersehnst.

Nutze diese Kraft, wann immer du sie für nötig hältst.

Im Licht werde ich auf dich warten.


 

Sein Feuer

Atem erinnerte sich daran, was sein Lehrmeister ihn einst gelehrt hatte. Ein frontaler Angriff war sicher mutig, aber auch sehr gewagt. Für den jungen, naiven Herrscher war es weitaus ruhmreicher, seinen Feind von vorne anzugreifen und ihn einzukesseln, doch genau diese Vorstellung hatte ihn zuletzt sein Leben gekostet, also entschloss er sich dazu, einen anderen Weg zu finden, um so diese Mumien nicht besiegen zu müssen. Der Qualm innerhalb der Palastmauern brannte in seinen Augen, doch er wusste, wie er den Thronsaal erreichen konnte, ohne die Aufmerksamkeit dieser leblosen Gestalten zu erhaschen. Er lief einige Wege entlang und griff nach einer Fackel, die er wegweisend vor sich hielt. In einer der Vorratskammern angekommen, stellte er erleichtert fest, dass sich das Feuer in diesem Teil des Palastes nicht ausgebreitet hatte.
 

Grinsend griff er nach einem der Gläser, die mit Öl gefüllt waren. Diese wandernden Mumien waren nichts weiter mehr als leblose Körper, also sollte Feuer ihnen sehr viel Schaden zufügen und ihm einen unnötigen Kampf ersparen. Atem hatte nicht unbedingt das Bedürfnis erneut mit einer Waffe aufgespießt zu werden. Das war ein Erlebnis, das er zukünftig gerne vermeiden würde. Durchbohrt zu werden war kein angenehmes Gefühl. Es schauderte ihm bei diesem Gedanken. Mit einem breiten Grinsen ging er zurück und suchte nach dem Geheimgang, der ihn hinter den Thronsitz bringen würde. Er schlich sich langsam an und versuchte keine Geräusche zu verursachen. Lediglich das Flackern der Flamme seiner Fackel konnte ihm verraten, doch da viele Bereiche des Palastes brannten, waren diese Mumien sicher nicht dazu in der Lage, die Richtung der Geräusches ausfindig zu machen.
 

Die beiden Mumien standen mit dem Rücken zu ihm. Vorsichtig kam er den beiden näher und atmete noch einmal tief durch, ehe er die Flasche Öl auf die beiden goss. Sofort drehten sie sich um, doch Atem warf ihnen die brennende Fackel entgegen und in nur wenigen Sekunden brannten die beiden Gestalten lichterloh. Vorsichtshalber ging Atem einige Schritte zurück und sah seinen Gegnern dabei zu, wie sie jämmerlich verbrannten und lauschte ihren verzerrten Todesschreien. Sicher wäre sein Lehrmeister stolz auf ihn gewesen. Immerhin hatte dieser ihn stets davor gewarnt nach vorne zu preschen. Wie oft hatte er ihn ausgeschimpft und ihm gesagt, dass ein guter Herrscher sich erst eine Strategie überlegte, bevor er zum Angriff über ging?
 

Er hatte kein Mitleid. Das hier war sein Reich. Sein Palast. Sein Land. Als König war es seine Pflicht dieses Geschenk, das die Götter ihnen vermacht hatten, zu verteidigen und ein jeder, der es wagte, hier einzudringen, musste mit der Todesstrafe rechnen.
 

Er warf einen letzten Blick auf die kümmerlichen Gestalten, die Wandernden Mumien lagen nun leblos am Boden und stellten keine Gefahr mehr für ihn dar. Zügig verstaute er seinen Säbel und ging auf den Thron zu. Ein helles Leuchten blendete ihn, sodass er seinen Arm vor sein Gesicht hob und sich vor diesem Licht zu schützen schien. Im nächsten Moment befand er sich in einer goldenen Tempelanlage und vor ihm stand ein Altar, mit den Bildern des Sonnengottes Re. Ein menschlicher Körper und der Kopf eines stolzen Adlers. Der Gott des Himmels, der Sonne und des Lichts. Seit jeher bauten sie ihm zu Ehren Obelisken, die bis in den Himmel ragten und das Licht der Sonne empfanden. An den Wänden befanden sich Malereien mit der Göttin Hathor, die sich hinter dem Sonnengott befand, während dieser auf seinem Kopf eine Sonnenscheibe trug. Atem näherte sich dem Altar.
 

Unschlüssig stand er vor dem Altar und überlegte, was er tun sollte. Was konnte er geben? Seinen Säbel? Seinen Schmuck? Noch bevor er diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, hörte er die warme Stimme in seinem Kopf, die ihm weitere Anweisungen gab.
 

Atem, du mutiger und entschlossener Sohn der Götter, du hast den Altar der Sonne erreicht. Doch ehe ich um ein Opfer bitte, gibt es etwas, das ich dir sagen muss. Etwas, das du wissen solltest, bevor du deine Reise weiter beschreiten wirst und das deine Entscheidung bedeutsam beeinflussen wird. Wirst du meine Worte erhören?
 

„Ich bin nicht so weit gekommen, nur um jetzt aufzugeben. Ich bitte Euch, klärt mich auf“, meinte Atem nur und blickte mit stolzen Augen in Richtung des Altars.
 

Die sieben Millenniumsartefakte und so auch das Puzzle, in dem du dich befindest, sind Waffen der Finsternis. Sie sind der Schlüssel, um die Welt für immer in Chaos und Dunkelheit zu hüllen. Sollten sie in den Millenniumsstein eingesetzt werden, wird dem Herrscher der Finsternis – Zorc Necrophades – der Weg geebnet. Leid, Chaos und Angst wird die Welt beherrschen.
 

„Das ist unmöglich!“, unterbrach Atem die sanfte Stimme und wirkte deutlich aufgebracht.
 

„Mein Vater... keiner der Priester hätte jemals dem Ruf der Finsternis gefolgt! Ihr müsst Euch irren. Mein Vater wollte immer Frieden und hätte sich nicht auf die Macht der Finsternis verlassen“, erklärte er, doch konnte keine weiteren Erklärungen finden.
 

Sein Vater hatte ihm so einiges verschwiegen. Vielleicht war auch das nichts weiter, als eine Lüge. Und dennoch schmerzte der Gedanke, dass sie mit den Waffen der Finsternis, ihr Land verteidigt hatten und im Namen der Götter gekämpft hatten. Hatte Bakura etwa doch Recht? Ein falscher Frieden und ein Thron erbaut auf dem Blut und der Leichen Unschuldiger. Plötzlich war sich Atem nicht mehr so sicher, was gerecht war und was nicht.
 

Auch wenn du mir nicht glauben magst, so spreche ich die Wahrheit.

Die Millenniumsartefakte sind ein Zauber aus dem Millenniumsbuch. Das Necronomicon, verfasst von niemand anderem als Zorc selbst. In 1095000 Monden wird es das Schicksal der Menschheit sein, der Finsternis zum Opfer zu fallen. 3000 Jahre. Die Millenniumsartefakte sind lediglich der Anfang für all das Leid, das diese Welt noch erwarten wird.
 

Atem betrachtete den Altar nachdenklich. Sein Vater und die Hohepriester sollten eine solch unaussprechliche Katastrophe heraufbeschworen haben? Entweder wussten sie nichts von all dem oder aber es wurde verschwiegen, in der Hoffnung, dass dieses Geheimnis niemals gelüftet werden würde. Die Millenniumsartefakte, so auch sein Puzzle, das er von seinem Vater geerbt hatte, waren Werkzeuge des Bösen, obgleich sie ihnen den Frieden gebracht hatten. Gab es denn keinen Weg diese Artefakte für das Gute einzusetzen?
 

Ich sehe das Hier und Jetzt. Die Vergangenheit. Die Zukunft. Doch die Welt liegt in Schatten. Wirst du die schwere Bürde tragen und dabei helfen, die Bedrohung erneut zu versiegeln?
 

„Ich sagte Euch doch schon, ich bin fest entschlossen, mein Land und mein Volk zu verteidigen. Und ich werde nicht zulassen, dass die Fehler der Vergangenheit den Frieden der Zukunft zerstören. Es ist meine Pflicht als Pharao und als Sohn der Götter bis zum bitteren Ende zu kämpfen, also sagt mir bitte, was ich Euch geben soll, damit ich diese Welt retten kann!“
 

Deine Entschlossenheit ist der Schlüssel zum Sieg. Doch ich brauche zwei Opfer von dir, damit du die wahre Macht des Auserwählten erhalten kannst. Dieses Opfer wird dich verändern und du wirst Schmerz und Angst ertragen müssen. Bist du dennoch gewillt, fortzufahren?
 

Atems Blick war unerschütterlich, so auch sein Wille.
 

Du musst Herz und Erinnerungen opfern, um die wahre Macht der Götter zu erhalten. Nur wenn du deine irdischen Verbindungen ablegst und all deine Menschlichkeit aufgibst, wirst du in der Lage sein, zum Gott der Götter zu werden. Nur dann wirst du dem Herrscher der Finsternis, Zorc Necrophades selbst, entgegentreten können.
 

Seine Augen weiteten sich. Herz und Erinnerungen aufgeben? All seine schönen Momente vergessen? All die Dinge, die ihm die Kraft gaben, weiterzugehen? Würde er dann nicht auch sich selbst verlieren? Plötzlich zögerte er und sein Wille geriet ins Wanken. Würde er seine Erinnerungen aufgeben, würde er vergessen, wofür er kämpfte. Doch sein Herz aufzugeben, bedeutete, dass dieses erkalten würde. Würde er ohne Herz denn noch dieselbe Loyalität und Pflichtgefühl seinem Land und seinen Ahnen gegenüber empfinden wie in diesem Moment?
 

Was wirst du aufgeben?

Dein Herz oder deine Erinnerungen?

Wähle mit Bedacht.
 

[Herz. | Kapitel 10] – [Erinnerungen. | Kapitel 18] – [Nichts Aufgeben. | Kapitel 29]
 

Seine Reminiszenz

„Nehmt meine Erinnerungen, denn ohne Herz fürchte ich, werde ich erneut dieselben Fehler begehen“, erklärte Atem fest entschlossen und hob seine Hand kämpferisch empor, als würde er symbolisch einen Kampf beginnen. Niemals würde er vergessen, wofür er kämpfte und die Finsternis vor ihm würde ihn daran erinnern, was er zu tun hatte. Er vertraute auf sein Herz, das ihm bis hierher den Weg gezeigt hatte. Atem näherte sich dem goldglänzenden Altar, warf einen flüchtigen Blick auf das Bild des Sonnengottes Re, spürte für einen Moment die Nostalgie und die Ehrfurcht in seinem Herzen, ehe er seine Augen schloss und er eine Hitze in seinen Adern aufkommen fühlte. Im nächsten Moment befand er sich zurück im Inneren des Puzzle.
 

Sein Kopf war leer. Er wusste nicht, wer er war. Sein Name war ihm entfallen. Seine Vergangenheit und Gegenwart lag im Dunkeln.
 

„Ist da jemand? Wo bin ich hier?!“, rief er fragend und warf einen suchenden Blick um sich. Alles war vernebelt und er spürte, dass er aus gutem Grund hier war. All die Türen und Wege vor ihm würden ihn ganz sicher eine Erklärung geben. Angst machte sich in ihm breit, doch er schüttelte die Furcht schnell ab. Sein Herz zeigte ihm den Weg und er öffnete die schweren Türen vor sich. Schweiß lief ihm hinab. So viele Türen, die alle in das Nichts zu führen schienen oder schreckliche Fallen bereithielten! Wie nur war er hierher gekommen? Wie konnte es sein, dass ein solcher Ort existierte? Er wusste, dass er ein Mensch war. Dass er Eltern haben musste und dass er ein normales Leben geführt haben musste. So weit war das klar. Doch wenn er darüber nachdachte, was geschehen war und wie sein Leben gewesen war, legte sich ein Schleier um ihn und verhinderte ihm die Sicht. Klar denken konnte er nicht, doch irgendetwas schien nach ihm zu rufen. Irgendetwas oder jemand wollte ihn sehen und auch er wollte ihn sehen!
 

Er legte seine Hand auf die Türklinke und öffnete diese. Plötzlich zog ein Sandsturm aus. Reflexartig hob er seine Hand vor sein Gesicht und versuchte sich zu schützen. Er befand sich inmitten einer Wüste. Der Sand unter seinen Füßen war warm, doch der Wind peitschte ihn erbarmungslos und stürmte den Sand hoch in die Luft, sodass er nichts sehen konnte. Nicht wissend, in welche Richtung er gehen sollte, nahm er unbeholfen einen Schritt nach dem nächsten und hoffte darauf, irgendetwas zu erreichen. Ob ein Fels, hinter dem er sich stellen und abwarten konnte, bis der Sandsturm sich gelegt hatte oder eine Siedlung, wo man ihm helfen konnte.
 

Wenn ich andere Menschen treffe, können sie mir sicher weiterhelfen. Vielleicht weiß dort jemand, wer ich bin und wo wir hier sind, überlegte er und stolperte, fiel in den Sand und hustete. Der Wind wurde stärker und er griff nach seinem Umhang, verhüllte sich in diesem und verharrte minutenlang in dieser Position, flehte, dass der unbarmherzige Wind endlich aufhören mochte. Sein Herz schlug ihm bis zum Halse. Seine Beine schmerzten und er verspürte unheimlichen Durst. Obwohl der Wind ihn geißelte, knallte die Sonne am Horizont unentwegt auf ihn hinab und er glaubte, am lebendigen Leibe geröstet zu werden. Er musste schnell weg hier und Schutz finden!
 

Als der Wind sich etwas legte und seine Sicht besser wurde, erhob er sich wieder. Schweiß lief ihm am ganzen Körper entlang und der Sand klebte nun unangenehm an ihm. Kein angenehmes Gefühl. Alles kribbelte und außer Sanddünen war nichts in Sichtweite. Hier und da ein paar Steine. Er kämpfte sich weiter durch die quälend heiße Sonne und suchte nach einem Ausweg, doch irgendwann überkam ihm die Schwäche. Erschöpft fiel er erneut in den Sand. Noch immer keine Siedlung oder schützende Felsen in Sicht. Sicher herrschten hier Temperaturen von 50-60°C Grad und er glaubte, dass seine Haut bereits vertrocknet war. Zumindest konnte er nicht mehr schwitzen. Das war es dann also. Sein Ende. Ohne zu erfahren, wie er hierher gekommen war und wer er selbst war, würde er also durch die wütende Sonne sterben und war dazu gezwungen seinem Ende entgegen zusehen.
 

Auf der Suche nach einem Weg, finde ich also mein Ende. Auf gewisse Weise ist das auch ein Ausweg, oder? Ganz schön ironisch, sinnierte er und grinste gequält. Er wollte zwar raus aus diesem eigenartigen Labyrinth, aber im Nachhinein musste er zugeben, dass er doch lieber dort geblieben wäre. Nun war es zu spät diese Entscheidung zurückzunehmen und er musste mit den Konsequenzen leben. Oder eher sterben. Noch immer war er bei Bewusstsein. Wann nur würde er endlich ohnmächtig werden? Noch nie in seinem Leben hatte er es so sehr ersehnt in den Schlaf zu fallen wie in diesem Moment. Zumindest glaubte er das, in Anbetracht dessen, dass er keine Erinnerungen hatte. Gerne hätte er mehr über sich selbst erfahren.
 

Er schlief endlich ein. Als er seine Augen erneut öffnete, hatte sich der Sandsturm endgültig gelegt und vor ihm befand sich eine Oase.
 

Verdammt! War die etwa die ganze Zeit da?, fluchte er und kämpfte mit der Schwäche in seinen Beinen. Völlig egal, wie viel Kraft er einsetzte, er konnte nicht aufstehen, also tat er das, was ihm noch möglich war und er kroch am Boden entlang. Der Sand klebte in seinem Gesicht und erschwerte ihm die Sicht. Die Oase war weitaus kühler und er kam den kleinen Gewässer näher, tauchte seinen Kopf in das kühle Nass und trank so viel, bis er wieder zu Kräften kam. Als er seine Beine wieder bewegen konnte, setzte er sich auf, ließ erst seine Beine im Wasser baumeln bis er gänzlich abtauchte. Der klebrige Sand löste sich von seiner Haut und seinen Kleidern. Erleichtert atmete er aus.
 

Nun gut. Jetzt hatte er eine Oase erreicht, war aber immer noch umzingelt von sengender Wüste, die ihm bei lebendigen Leib zu verbrennen versuchte. Orientierungslos war er an irgendeinem Ort, von dem er nicht wusste, wo er sich befand. Das waren schöne Aussichten. Grummelnd tauchte er einmal ab und kam nach einiger Zeit nach Luft ringend wieder hoch. Das kühle Nass bot seinem verletzten Körper Heilung, doch was genau sollte er als nächstes tun? Hierbleiben? Oder durch die Wüste einen weiteren Weg suchen? Am sinnvollsten wäre es natürlich, darauf zu warten, dass Hilfe kam, doch er wusste nicht, ob sich in der Nähe eine Siedlung befand und ob Menschen hier überhaupt entlang kamen. Einige Palmen wuchsen hier und Feigen und Datteln. An Nahrung und Wasser mangelte es ihm also nicht.
 

Für heute hatte ich auf jeden Fall genug Abenteuer. Ich sollte mir einen Schlafplatz errichten und mir darüber Gedanken machen, was ich morgen mache, dachte er und erhob sich aus dem Wasser. Er blickte sich mehrmals um und entschloss sich einige große Blätter zu nehmen und sich daraus einen Schlafplatz zurecht zu legen. Er legte seine Kleidung und seinen Umhang ab und ließ sie in der Sonne trocknen.
 

Er staunte sehr über den goldenen Schmuck, den er am Körper trug. Nachdenklich wendete er die Krone in seinen Händen umher. War das eine Krone? Oder nur ein einfacher Kopfschmuck, er etwas zu prunkvoll ausgefallen war? Das Auge schien in seine Seele zu blicken, doch auch bei näherer Betrachtung kam keine Erleuchtung. Seiner Kleidung nach zu urteilen, kam er zumindest nicht aus armen Hause und musste aus einer Adelsfamilie stammen. So viel stand schon mal fest. Auch dass er einen Säbel mit vergoldeten Schaft und schwarzer Klinge, welche ebenfalls mit goldenen Hieroglyphen verziert war, bei sich trug, verriet ihm, dass er eine wichtige Rolle inne hatte. Eventuell ein Krieger? Söldner? Wache? Grummelnd umfasste er den Säbel und schlug probeweise paar Mal zu.
 

Sein Herz begann zu rasen. Dieses Gefühl war ihm so vertraut. Instinktiv wusste er, wie er den Säbel bewegen musste und aus Spaß wirbelte er mit der Klinge hin und her, tat so, als würde er gegen einen Gegner kämpfen und fiel dann erschöpft in den Sand, starrte in den blauen Himmel. Die Sonne bewegte sich langsam in Richtung Horizont, demnach würde die Nacht bald hereinbrechen. Sein Magen knurrte. Erneut erhob er sich und pflückte Datteln und ein paar Feigen. Kurz hielt er inne, als vor ihm ein großer Skarabäus entlang trippelte, zurückschnellte und aus dem Gebüsch einen großen Ballen Dung holte, der fast doppelt so groß war wie er selbst. Mit großen Augen betrachtete der Junge das Schauspiel und folgte dem Tierchen unauffällig. So etwas hatte er noch nie gesehen. Zumindest hatte er keine Erinnerung daran.
 

Das Zirpen von Grillen und das Quaken von Fröschen wurde lauter, je näher der Sonnenuntergang kam. Zügig hatte er alles zusammengesammelt, was er brauchte und versuchte sich daran, ein Lagerfeuer zu machen. Doch die kleinen Hölzer, die er abgeschnitten hatte, waren von innen noch zu feucht und so dauerte es länger, bis der erste Funke sich zeigte. Er fand es durchaus eigenartig, dass er wusste, wie man ein Feuer machte und welche von diesen Früchten essbar waren und welche nicht. Es war so, als würde er geleitet werden. Er knabberte an den Feigen. Angewidert streckte er die Zunge raus. Urg, wie sauer! Aber besser als gar nichts, schoss es ihm durch den Kopf und er biss erneut ab. So ekelhaft diese Feige auch schmeckte, er konnte es sich nicht leisten, nichts zu essen. Glücklicherweise schmeckten die anderen Feigen etwas süßer. Mit gefüllten Magen, blickte er in den Himmel.
 

Er hatte seine Kleidung wieder angezogen und wickelte sich in seinen Umhang, betrachtete die leuchtenden Sterne am Himmel, die in ihm ein nostalgisches Gefühl hervorriefen. Unwillkürlich lächelte er und er riss seine Augen weit auf und hielt den Atem an, als eine Sternschnuppe vorbei huschte. Begeistert suchte er den Himmel mit seinen Augen ab. Das Lagerfeuer um ihn wurde allmählich kleiner, doch das störte ihn nicht, da er so den Sternenhimmel über sich noch besser erkennen konnte und er immer mehr Sternschnuppen erkannte. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit der Nacht und er ließ sich auf den Rücken fallen. Noch lange betrachtete er die Sterne, ehe er schließlich einschlief.
 

Am nächsten Morgen erwachte er erst, als er die Zunge eines kleinen Tieres in seinem Gesicht spürte. Panisch riss er die Augen auf. Das kleine Tier schnellte sofort zurück. Ein kleiner Fuchs mit großen Ohren warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Das kleine Wesen war keine 30 Zentimeter groß, doch wirkte sehr mutig und schien sich in dieser Wüste gut auszukennen. So langsam erhob sich der Junge, der seinen eigenen Namen nicht kannte und seine Neugier leitete ihn. Vorsichtig näherte er sich dem kleinen Fuchs, der noch lauter knurrte und sein Fell sträubte. Er überlegte. Irgendwann hatte er von diesem Wesen gelesen oder zumindest irgendjemand musste ihm von ihm erzählt haben. Für einen Augenblick betrachtete er das Wesen und da fiel es ihm ein: ein Fennek.
 

„Hey, Kleiner“, sagte er mit sanfter Stimme und streckte die Hand aus.
 

Das Tier biss zu und der Junge zuckte zusammen, ertrug den Schmerz jedoch und streichelte das kleine verängstigte Wesen mit seiner anderen freien Hand. Das Knurren verstummte und nach einigen Minuten öffnet der Fennek seinen Mund und ließ die Hand frei, setzte sich brav auf den Boden und schien die liebevolle Berührung zu genießen.
 

„Du hattest Hunger und wolltest sicher etwas von meinen Früchten, nicht wahr?“
 

Er lächelte und griff nach dem kleinen Fennek, nahm ihn in den Arm und trug ihn auf seinen Armen zu einer der Dattelpalmen. Sein neuer Freund wog fast nichts und er hatte nicht das Gefühl überhaupt etwas zu tragen. Erstaunlich, dass ein so zierliches Wesen in der Wüste überleben konnte und selbst am Tag nach Nahrung suchte, wenn die Sonne auf sie hinab brannte. Er wusste nicht, welche Tageszeit war, doch er wusste, dass es bereits jetzt sehr heiß war. In der Oase schützten ihn die Pflanzen und der Schatten der Bäume. Die Oase reichte sicherlich einen Kilometer und vielleicht sollte er sich etwas genauer umsehen. Mit einem kleinen Ruck zog er mehrere Datteln herunter und hielt sie dem kleinen Fennek hin. Freudig fraß dieser die mit gierigen Bissen auf.
 

Behutsam setzte er den Fennek ab und legte ihm dann die Feigen vor die Nase. Verträumt betrachtete er das Wesen, das nur nach seinen Instinkten lebte und genau wusste, wo es hingehörte. Es wusste instinktiv, was es tun musste und brauchte sich schwierigen Situationen gar nicht stellen. Ein Fennek hatte in einer solchen Wüste nur wenige Feinde. Die meisten Wesen waren nachtaktiv. Lediglich Insekten huschten über die heißen Sandböden und Dünen, aber es gab kaum ein Lebewesen, das freiwillig am Tage durch die Wüste strich. Doch dieser kleiner Fennek war mutig und strotzte all den Herausforderungen und fand stets seinen Weg.
 

„Ich beneide dich, Kleiner. Wenn ich doch nur wüsste, wer ich bin und warum ich hier bin. Wenn ich ehrlich bin, habe ich fürchterliche Angst. Ich... will hier nicht allein sterben“, sagte er und unterdrückte die Tränen. So etwas Dummes. Wieso war ihm nun zum Weinen zumute? Er war doch ein […]! Er überlegte. Was war das? Irgendetwas lag ihm auf der Zunge, doch sobald er versuchte dieses Wort auszusprechen, fühlte er sich wie gelähmt und sein Herz pochte schneller.
 

Den Fennek futterte zufrieden die Datteln auf und schmiegte sich an den Jungen, welcher ihn noch einmal liebevoll umarmte, ehe er den Fennek seinen eigenen Weg bestreiten ließ. Ihre Wege trennten sich. So wie der kleine Fennek wusste, was er in seinem Leben wollte, so musste auch er einen Sinn finden. Er atmete noch einmal tief durch und warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf das Wasser, machte sich dann bereit die Oase zu durchstreifen. Ein solch grüner, blühender Landfleck wurde doch sicherlich auch für den Anbau von Hirse oder Granatäpfeln genutzt. Er betete, dass er einen Bereich fand, der einer Plantage ähnelte, denn dann war die Wahrscheinlich groß, dass er dort Bauern finden würde, die ihn in Sicherheit bringen konnten.
 

Er kam zu einer lichten Stelle. Aus der Ferne konnte er eine Person erkennen, die mit dem Rücken zu ihm stand. Endlich hatte er jemanden gefunden! Er hatte genug von dieser Einöde und der heißen Sonne, die seine Seele zu verbrennen versuchte und ihm seine Kräfte raubte! Genug von den Zweifeln und der Angst völlig allein zu sein. Schnellen Schrittes bewegte er sich auf die Person zu. Sie trug einen violetten Umhang und mit jedem Meter, den er näher kam, breitete sich ein ungutes Gefühl in ihm aus. Sein Herz schlug so unglaublich wild, als wollte es ihn warnen. Der Mann in dem Umhang, drehte sich um, doch dadurch, dass sein Gesicht bedeckt war, konnte er nicht erkennen, wer diese Person war. Vielleicht kannten sie sich und deshalb raste sein Herz so sehr?
 

„Du hast sehr lang gebraucht“, sagte die Person. Sofort spürte er Hoffnung in sich aufkeimen. Kannte diese Person ihn etwa?
 

„Kennen Sie mich etwa? Wissen Sie, wo wir hier sind? Ich habe meine Erinnerungen verloren und habe mich in der Wüste verlaufen. Ich bitte Sie, bitte helfen Sie mir“, erklärte er seine Situation und sah den Fremden hilfesuchend an. Dieser kicherte nur, was ihn umso unruhiger werden ließ. Wieso das Lachen? Was war so lustig? Gut, er gab ja zu, dass seine Geschichte wirklich eigenartig klang und sie kaum zu glauben war, aber zum Lachen gab es nichts. Er wusste nicht, ob er sich nun angegriffen fühlen sollte oder nicht.
 

„Dummes Kind. Das hier ist die Welt deiner Erinnerungen. Doch du hast bereits ein Opfer dargebracht, daher weißt du nicht, wo du hier bist. Du befindest dich in der Wüstenoase Ta-íḥu, westlich des Nils und umrandet von der Weißen Wüste. Ich bin die Prüfung, die du bestehen musst“, erklärte der Fremde, doch nahm seinen Umhang nicht ab. Er hatte offensichtlich nicht die Absicht, sich vorzustellen.
 

„Wer seid Ihr? Und was für eine Prüfung? Ich verstehe Euch nicht!“
 

„30 Kilometer von hier entfernt, befindet sich die Weiße Wüste, in der ich auf dich warten werde. Es liegt an dir, ob du diese Prüfung annimmst oder aufgibst!“
 

Der Junge wollte noch etwas sagen, doch der Fremde löste sich in Sand auf und wurde vom Wind davon geweht. Frustriert biss er sich auf die Unterlippe. Dieser Mann wusste, wer er war! Er musste ihm folgen! Doch ausgerechnet durch die Wüste? Bereits jetzt schauderte es ihm dabei, erneut die Oase verlassen zu müssen. Und 30 Kilometer Fußweg waren alles andere als ein Zuckerschlecken. Wer auch immer diese Fremde war, er hatte hoffentlich anständige Informationen für ihn, die ihm auch weiterhalfen, ansonsten lohnte sich der Aufwand überhaupt nicht!
 

[Zur Weißen Wüste gehen. | Kapitel 19] – [Hierbleiben. | Kapitel 25]
 

Seine Herausforderung

Unschlüssig stand er inmitten der Oase und überlegte, was er als nächstes tun sollte. Plötzlich spürte er etwas Weiches zwischen seinen Beinen und schreckte auf. Als er hinabblickte, sah er den kleinen Fennek, der ihm gefolgt war und sich an ihn schmiegte. Mit großen Augen betrachtete der Fennek ihn und legte seine großen Ohren nach hinten. Der Junge konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es war ein trauriges Lächeln, denn die Sorgen und die Ängste, die ihn plagten, waren groß und ergriffen seine Seele. Er hockte sich hin und streichelte das Wesen, das seine Aufmerksamkeit verlangte. Dann biss der Fennek sich an seinem Umhang fest und zog an diesen.
 

„Whoah, Kleiner! Was hast du vor? Komm, lass mich bitte los!“, kam es von dem Jungen. Doch der Fennek dachte nicht daran, das Stück Stoff in seinem Maul loszulassen und zerrte den Jungen in eine bestimmte Richtung. Als dieser stehen blieb und sich gegen den Fennek stemmte, knurrte dieser. Was auch immer der kleine Fennek vor hatte, es war offensichtlich, dass er ihm einen Weg zeigen wollte. Doch was könnte dies sein? Wieder zog der Fuchs an seinem Umhang und er beschloss, sich zu beugen und das zu tun, was das kleine Wesen verlangte. Es war ohnehin nicht so, als hätte er etwas Anderes zu tun gehabt. Frustriert musste er feststellen, dass der Fennek ihn aus der Oase lotsen wollte. Das gefiel ihm überhaupt nicht.
 

„Das ist nicht dein Ernst, oder? Hör mal, Kleiner. Ich bin kein Fennek. Die Hitze wird mich früher oder später umbringen. Menschen sind nicht dazu ausgelegt, durch die sengende Wüste zu laufen“, erklärte er, doch der Fennek legte nur fragend den Kopf schief. Für einen Moment setzte es sich auf den Boden und betrachtete den Jungen, wartete darauf, dass dieser näherkam. Mit einem laut hörbaren Seufzer kam er dem Fennek näher und versuchte erneut zu erklären, warum er ihm nicht folgen konnte. Doch der Fennek gab nicht auf. Immer wieder setzte er sich ab und wartete geduldig darauf, dass der Junge ihm folgte. Irgendwann gab dieser auf und gemeinsam strichen sie durch die Wüste. Der Sand in der Luft machte es ihm schwer zu atmen und den Weg vor sich zu erkennen, doch der Fennek schien genau zu wissen, wo er hinwollte.
 

Rasch legte er sich seinen Umhang um, um zumindest seinen Kopf vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Er wusste nicht, wie lange er dem kleinen Fennek folgte. Zwischendurch blieb dieser stehen und wartete. Endlich eingeholt, wollte sich der Junge kurz hinsetzen, doch der Fennek biss ihn sanft und mahnend in die Wade. Sofort keuchte er auf und wollte mit dem Fennek schimpfen.
 

„Du willst nicht, dass ich mich hier ausruhe, weil du weißt, dass ich einen Hitzschlag kriegen könnte, nicht wahr?“
 

Den Fennek fiepste nur und wies ihm erneut den Weg. Plötzlich drehte der Fennek nach rechts ab und änderte die Richtung. Sein Schritt wurde schneller und der Junge hatte Probleme dem Tempo zu folgen. Erschöpft fiel er in den heißen Sand und ächzte. Der Fennek bemerkte sofort, dass sein Gefährte nicht mehr hinter ihm war und drehte um, setzte sich brav neben diesen ab und wartete darauf, dass sein menschlicher Freund sich erhob. Der Junge lachte gequält und erhob sich. Er war unsanft auf einem Stein gelandet und hatte sich das Knie aufgeschürft. Der Fennek kam näher und leckte die Wunde sauber.
 

„Du bist so nett. Ich würde dir gerne einen Namen geben. Wie wäre es mit Mahaad?“, fragte er und als er diesen Namen aussprach, wurde ihm schwarz vor Augen. Sein Umfeld verschwand. Er hörte eine Stimme aus der Ferne. Sie versuchte ihm etwas mitzuteilen und ihn zu warnen, doch er konnte sie nicht verstehen. Sein Herz sagte ihm, dass Mahaad eine wichtige Bedeutung hatte, doch sein Verstand konnte die Verbindung nicht knüpfen. Ein Hinweis zu seiner verlorenen Vergangenheit und ein Schlüssel zu seiner Bestimmung. Der Fennek schmiegte sich dankend an.
 

„Entschuldige, Mahaad. Mir war nur etwas schwindelig. Komm, lass uns weitergehen. Du bist mir treu ergeben und ich sehe in deinen Augen Vertrauen und dieses werde ich nicht enttäuschen.“
 

Sie liefen weiter durch die Wüste. Zum Erstaunen des Jungen führte der kleine Fennek ihn zu einer kleinen Wasserstelle, wo sie einen Zwischenstopp einlegten und die Nacht verbrachten. Den Fennek schmiegte sich an ihn und sie betrachteten die Sterne. Obwohl Mahaad seine Worte nicht verstehen konnte, redete er unentwegt mit ihm und dieser schien ihm aufmerksam zuzuhören. Immer wenn Angst und Zweifel ihn zu überkommen versuchten, leckte Mahaad über sein Gesicht oder schmiegte sich an, lenkte ihn ab von den finsteren Gedanken, die ihn quälten. Dafür war er dem kleinen Wesen unheimlich dankbar. In den frühen Morgenstunden, noch ehe die Sonne am Himmel stand, weckte der Fennek ihn und führte ihn zurück auf ihren ursprünglichen Weg. Der Himmel erhellte sich langsam und schon bald würde die Sonne aufgehen. Mahaad wusste instinktiv, dass es besser war, am frühen Morgen oder in der Nacht zu reisen.
 

Am Vormittag erreichten sie die Weiße Wüste. Der Junge schluckte.
 

„Du willst also, dass ich seine Herausforderung annehme“, flüsterte er. Der Fennek setzte sich in den Sand und lugte über seine Schulter zu ihm herüber. In der Ferne war eine Silhouette einer Person zu erkennen. Mit Sicherheit der Fremde, der auf seinen Gegner wartete. Der Junge bildete mit seinen Händen Fäuste und blickte wie erstarrt auf den Boden. Das hier war seine Möglichkeit endlich mehr zu erfahren! Er musste sich dem Fremden stellen und herausfinden, warum er hier war. Sein treuer Freund Mahaad hatte ihm den Weg gezeigt und dieses Vertrauen und diese Treue nicht enttäuschen.
 

„Ich danke dir, Mahaad. Du hast mir den Weg gezeigt. Ich werde nicht mehr weglaufen“, sagte er und bückte sich zu dem Fennek. Dieser lief sofort auf ihn zu und schmiegte sich an ihn. Er zog das kleine Wesen in eine Umarmung und bedankte sich noch mehrere Male, ehe sich erneut ihre Wege trennten. Dieses Mal endgültig. Er kam dem Fremden näher und blieb zwei Meter von diesem entfernt stehen. Dieser wandte sich langsam um. Noch immer trug er den Umhang und verhüllte sich.
 

„Wer seid Ihr? Was wollt Ihr von mir?“, forderte er laut und selbstbewusst.
 

Der Fremde sagte nichts. Stattdessen hob er seine Hände und bewegte diese in Richtung seines Gesichts, zog den Umhang nun herunter. Sein Atem stockte. Mit großen Augen starrte er den Fremden an. Der Fremde sah exakt genauso aus wie er! War er etwa sein verschollener Zwillingsbruder? Aber warum dann diese ominösen Worte?
 

„Du hast es bereits erkannt. Ich bin du. Ich bin die Seite deines Herzens, die du stets zu verleugnen versucht hast, mein lieber Atem.“
 

„Atem“, wiederholte er fragend.
 

„Dein, nein, unser Name.“
 

„Ich verstehe nicht, was Ihr meint. Das alles ergibt keinen Sinn!“
 

„Das hier ist die Prüfung deines Herzens. Ich bin all die Gefühle, die du seit Jahren unterdrückt und tief in deinem Herzen verschlossen hast. Hass. Wut. Angst. Abscheu. Ekel. Rachsucht. Ich bin das, was du nicht sein wolltest“, erklärte er mit einem breiten, schadenfrohen Grinsen.
 

„Und was genau soll diese Prüfung sein?“
 

„Zieh dein Schwert und kämpfe. Entweder du oder ich. Wir beide können nicht gemeinsam existieren“, erklärte er und zog sein Säbel aus seiner Scheide. Seine Augen blitzten auf und Mordlust lag in der Luft. Der Fremde, der sich als Teil seines Herzens vorgestellt hatte, wollte ihn töten. Atem verstand nicht, was all dies bedeutete. Er hatte keine Erinnerungen an seine Vergangenheit und somit konnte er nicht mit Sicherheit sagen, was es war, das er verleugnet haben sollte. Es war doch völlig normal, seine negativen Gefühle zu unterdrücken und seinen Ärger nicht an anderen auszulassen. Zumindest schien das in einer Gesellschaft angebracht. Er wusste zu wenig, um die Gesamtsituation zu verstehen und somit fiel ihm die Entscheidung unglaublich schwer.
 

[Kämpfen. | Kapitel 24] – [Nicht Kämpfen. | Kapitel 20]
 

Seine Stärke

„Ich werde nicht gegen Euch kämpfen! Dafür gibt es keinen Grund“, sagte er mit fester Stimme.
 

„Und doch hast du deine Hand in der Nähe deines Säbels, um es ziehen zu können, sollte ich dir näher kommen. Du Heuchler“, kam es kichernd und er legte den Kopf schief, zog die Augenbrauen arrogant in die Höhe.
 

„Ich kämpfe nicht.“
 

„Gut, ich hoffe du verstehst, dass wir in dieser Welt nicht gemeinsam existieren können und dass ich dich verabscheue. Mit allem, was ich habe, will ich dich zerstören! Du, die Seite des Lichts, die mich in die Schatten gebannt hat und mir nie die Freiheit gewährt hat! Versklavt hast du mich! Verletzt hast du mich! Und das allein ist Grund für mich, dich zu vernichten. Es gibt keinen anderen Weg.“
 

Atem senkte den Blick. Wenn sie ein Teil eines Ganzen waren, war es sinnlos gegeneinander zu kämpfen, sondern sie mussten zueinander finden und gemeinsam eine Lösung für ihr Problem finden. Auch ohne Erinnerung konnte er nachempfinden, was sein Anderes Ich meinte. Das Gefühl nicht frei sein zu dürfen und niemals das tun zu können, wonach einem der Sinn strebte.
 

„Eingesperrt in einem goldenen Käfig, ohne jemals den Himmel zu erblicken“, murmelte er. Erneut wurde ihm schwarz vor Augen. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn und er hob seine Hand, legte sie auf die Schläfe, in der Hoffnung, so den Schmerz unterdrücken zu können. Diese Worte. Er kannte sie. Sein Herz sagte ihm, dass diese Worte ein Teil seiner Vergangenheit war. Plötzlich sah er das Gesicht seines Anderen Ichs, welches sich rasch genähert hatte und ihn mit einem breiten, zufriedenen Grinsen von den Füßen fegte. Er trat Atem mit einer solchen Wucht in die Seite, dass dieser einige Meter wegflog.
 

„Du oder ich. Kämpfen oder nicht kämpfen. Aber du hast deine Wahl bereits getroffen. Du kannst nicht mehr zurück“, erklärte er und seine hasserfüllten Augen blickten auf ihn hinab. Atem spürte Angst. Trotzdem wollte er niemanden töten. Vor allem nicht sich selbst, denn wenn er sein Anderes Ich tötete, wer würde er denn dann noch sein? Würde dies nicht bedeuten, erneut seine Schwächen zu verleugnen? Wenn das hier eine Prüfung des Herzens war, durfte er auf keinen Fall einfach aufgeben, doch es musste eine andere Lösung geben.
 

„Unsere Entscheidungen haben immer Konsequenzen. Immer“, sagte er und blieb vor Atem, der immer noch am Boden lag, stehen. Er tippte ihn mit der Fußspitze an.
 

„Was ist los? Bist du etwa hingefallen? Aber nicht doch“, sagte er, ehe er anfing zu kichern und dann hysterisch lachte. „Versuch gar nicht erst wieder aufzustehen! Bleib liegen! Gib auf! Du warst von Anfang an nicht stark genug, um diese Prüfung zu bestehen! Du willst nicht kämpfen und trotzdem gewinnen? Du willst niemanden töten und dennoch deinen Willen durchsetzen? Schwächling. Wer verliert, stirbt. Nur der Sieger überlebt.“
 

Atem sah ihn mit festen Blick an. Entschlossenheit lag in diesen Augen und er wankte nicht.
 

„Wenn der Tod mein Schicksal ist, dann werde ich dies akzeptieren. Doch ich werde dich nicht weiter verleugnen.“
 

Sein Anderes Ich zuckte zusammen und schien für einen Moment verwirrt. Dann trat er ihm erneut in die Seite und trat dann mehrere Male auf ihn ein. Jeden Tritt nahm er an, ohne sich zu schützen. Sein Körper schmerzte. Doch er hatte keine Angst. Nicht mehr. Seine Erinnerung lag im Dunkeln und außer seinen Namen wusste er nichts über sich, doch sein Herz zeigte ihm den Weg und er vertraute ihm. Mit allem, was er hatte, vertraute er seinem Herzen und erhob sich ein letztes Mal. Sein Anderes Ich wirkte nun erschöpft und rang nach Atem. Er hatte sich völlig verausgabt, doch seine Wut war immer noch nicht gestillt. Die Augen seines Gegenübers flackerten in einem leuchtenden Rot auf, erfüllt von Hass, Zorn und dem Willen zu Töten. Atem sah ihn nur mitleidig an und zwang sich erneut zu einem Lächeln. Dann hetzte sein Anderes Ich auf ihn zu und rammte ihm seinen Säbel mitten ins Herz. Atem verteidigte sich nicht. Bis zum letzten Atemzug zog er seinen Säbel nicht und machte keinerlei Anstalten sich zu wehren. Noch immer lächelte er, hustete dann und spuckte Blut.
 

„Ich werde dich nicht mehr verleugnen. Sei frei, mein Herz. Ich akzeptiere auch deine Schwächen“, erklärte er und schloss seine Augen.
 

„Ich danke dir“, flüsterte sein Gegenüber und auch er trug nun ein trauriges Lächeln auf den Lippen, löste sich im nächsten Moment in Sand auf und rieselte vor ihm zu Boden.
 

Er wollte nach dem Sand greifen, noch bevor er diesen mit seinen Fingerspitzen berühre konnte, veränderte sich sein Umfeld und er befand sich in einem Tempel. Fragend blickte er sich um. Der Tempel war dunkel, plötzlich gingen Kerzen an allen Seiten an und erleuchteten einen Pfad. Staunend betrachtete er die Tempelanlage, die in einem Mitternachtsblauen Saphirton gehalten war und dessen Ornamente und Wandmalereien in einem feinen Gold getauft waren. Die Bilder an den Wänden wurden vom sanften Kerzenschein erstrahlt. Er betrachtete diese eigenartigen malereien und diese Schriftzeichen an den Wänden. Er fühlte eine tiefe Verbundenheit.
 

Er folgte dem Weg zu Altar. Kurz hielt er inne. Er spürte, dass dies ein Ort war, an dem er Demut zeigen musste und so ging er auf die Knie. Die Lichter der Kerzen, die den direkten Weg zu diesem wiesen, flackerten für einen Moment. Wissen sprudelte in seinen Kopf. Dieser Altar war dem Gott des Mondes – Thot – gewidmet. Er war es auch, der den Menschen die Hieroglyphen geschenkt hatte. Es war die Schrift der Gottesworte. Ehrfürchtig warf er einen Blick auf die schöne Wandmalerei vor ihm, die den Gott mit seinem ibisähnlichen Kopf darstellte und stolz sein Was-Zepter hielt und ein Ankh in der anderen Hand trug.
 

Was wirst du aufgeben?

Dein Herz? Oder wirst du nichts darbringen?

Wähle mit Bedacht.
 

[Herz. | Kapitel 21] – [Nichts Aufgeben. | Kapitel 22]
 

Seine Hingabe

„Wer spricht dort?“, fragte Atem nach und sah sich suchend um. Er konnte niemanden erblicken.
 

Du musst Herz und Erinnerungen opfern, um die wahre Macht der Götter zu erhalten. Nur wenn du deine irdischen Verbindungen ablegst und all deine Menschlichkeit aufgibst, wirst du in der Lage sein, zum Gott der Götter zu werden. Nur dann wirst du dem Herrscher der Finsternis, Zorc Necrophades selbst, entgegentreten können.
 

„Ich verstehe Euch nicht! Bitte zeigt Euch mir und erklärt mir, was hier los ist! Ich habe meine Erinnerungen verloren, das einzige, das ich noch weiß, ist, dass mein Name Atem lautet.“
 

Atem, der du der Gott der Götter bist, erfülle dein Schicksal.

Das hier ist die Prüfung des Auserwählten. Du hast deine Erinnerungen geopfert.

Nun musst du dein Herz aufgeben, um so die wahre Macht der Götter zu erhalten.

Fürchte dich nicht vor dem, was vor dir liegt. Sei mutig. Sei stark.
 

Eine Vision zeichnete sich in Atems Kopf ab, für einen Augenblick sah er eine wunderschöne Göttin, die am Himmel ihre goldenen Schwingen ausbreitete und gütig auf die Menschen herabblickte. Sie trug eine goldene Rüstung und strömte eine mächtige Aura aus, die allen das Fürchten und Demut lehrte. Er wollte einen weiteren Blick erhaschen, doch die Vision verschwand und Atem schluckte. Diese Stimme gehörte einer Göttin. Und sie brauchte seine Hilfe. Sie nannte ihn den „Gott der Götter“, was auch immer dies hieß. Eines stand fest, er hatte ein Schicksal zu erfüllen. Sein kleiner Freund Mahaad hatte ihm den Weg gezeigt und er hatte die Schwäche seines Herzens überwunden, also musste er diese Prüfung bestehen und das tun, was richtig war.
 

Die Welt, die du kennst, wird bedroht von einem Schatten.

Die Finsternis wird sich über die Welt legen und Chaos wird alles zerstören.

Jegliches Leben wird vernichtet und nur noch die Dunkelheit wird existieren.

Nur du kannst dieses Schicksal verhindern. Du musst aufgeben, was dich ausmacht.

Du musst zum göttlichen Gefäß werden, welches die Macht der Finsternis erobert.

Du musst die Stärke haben, die uns Göttern verwehrt bleibt.

Nur du hast diese Macht.
 

Atem war fassungslos. Die Welt zerstört? In ewiger Finsternis? Er mochte keine Erinnerungen haben, doch der Gedanke, dass der Fennek, der ihm geholfen hatte und dem er einen Namen geschenkt hatte, vernichtet wurde, ließ ihn schwermütig werden. Mahaad hatte sicher eine Familie, die auf ihn wartete. Er durfte nicht zulassen, dass diese Welt zerstört wurde und wenn er zum Gefäß werden musste, um diese Welt und das Licht zu retten, dann würde er das tun.
 

„Ihr wollt mein Herz? Nehmt es!“, sagte er und legte seine Hand auf die Brust, zeigte symbolisch auf sein Herz.
 

Gott der Götter – Atem – der du dich dieser Prüfung stellst!

Wisse, dass dein Opfer gleichsam bedeutet, dein Leben als Mensch aufzugeben.

Ohne Erinnerungen und ohne Herz wirst du bis zum Tag der Wiedergeburt in den Tiefen des Puzzles verbleiben.

Du wirst dich ganz allein der Finsternis stellen müssen und gegen sie kämpfen.

Bis zu dem Tag, an dem der Auserwählte, seine Hand nach dir ausstreckt.
 

„Der Auserwählte?“, fragte Atem unsicher nach.
 

Der Auserwählte wurde noch nicht geboren.

Sein Licht ist noch verborgen.

Doch er wird kommen und ihr werdet euch gemeinsam gegen Zorc stellen.

Nur er kann dir helfen, das wiederzuerlangen, was du geopfert hast.

Nur er kann das Puzzle zusammensetzen.
 

Atem senkte nachdenklich den Blick. Ein weiterer Auserwählter? Jemand, der mit ihm gemeinsam kämpfen sollte? Ein weiterer Gefährte würde ihm sicher helfen können und der Gedanke, dass er nicht alleine kämpfen musste, war tröstlich und er fühlte sich viel sicherer und stärker. Gemeinsam würden sie diesen starken Gegner bezwingen. Atem fragte sich, wie der andere Auserwählte wohl war und ob sie Freunde werden würden. Doch warum war es überhaupt nötig, dass ein weiterer Auserwählte geboren wurde? So viele Fragen brannten ihm auf der Zunge, die nicht auszusprechen vermochte. Nachdenklich blickte er auf den Boden vor sich, er umklammerte sein Oberteil und als er den Kopf senkte, klimperten seine Ohrringe.
 

„Dieses Puzzle, von dem Ihr sprecht. Was bedeutet das? Wieso kann ich Zorc nicht allein bezwingen?“
 


 

Du bist nicht stark genug, um dich dem Herrscher der Finsternis zu stellen.

Du musst eine wichtige Eigenschaft erlangen, die dir noch fehlt.

Du besitzt sie bereits, diese besondere Eigenschaft, doch du hast sie verschlossen.

Tief in deinem Herzen schläft sie.

Nur der Auserwählte wird dein wahres Potential wecken können.
 

Atem zuckte zusammen.
 

„Bitte versteht, dass ich verwirrt bin, aber ich möchte Euch vertrauen. Mein Herz sagt, dass dies die richtige Entscheidung ist“, erklärte er und verneigte sich demütig vor dem Altar.
 

Du brauchst dich nicht zu fürchten.

Du wirst viel ertragen müssen.

Doch du wirst es sein, der dieser Welt das Licht zurückbringen wird und die Finsternis mitsamt der sieben Schlüssel versiegeln wird.

Es ist nötig, dass du deine Menschlichkeit aufgibst, um die Macht des Puzzles nutzen zu können.

Du wirst der Träger des Puzzles sein. Und mit dem Puzzle wirst du Gerechtigkeit bringen.

Als Gott der Götter sind die Lehren der Maat tief in deinem Bewusstsein verankert.

Auch ohne Erinnerungen wirst du wissen, was zu tun ist.

Du wirst ein neuer Mensch sein. Neue Erfahrungen sammeln und die Welt anders sehen.

Dieses neu erlangte Wissen wird sich dir in deinem Kampf als nützlich erweisen.
 

„Ich danke Euch. Ihr seid so gütig und habt Geduld mit mir und ich kenne nicht einmal Euren Namen“, erklärte Atem und hob seinen Kopf noch immer nicht.
 

Plötzlich ein helles Leuchten, das den ganze Raum erfüllte. Die Kerzen flackerten erneut. Atem hob seinen Blick und versuchte zu erkennen, was vor ihm geschah. Eine göttliche Gestalt tauchte vor ihm auf. Sie war in einem sanften Leuchten gehüllt und ihre Augen waren sanftmütig und warm, so auch ihr zaghaftes Lächeln, das sie dem Pharao schenkte. Sie hatte große, goldene Flügel und sie schien eine Rüstung zu tragen, die ihren Körper schützte und ihr eine anmutige, aber vor allem mächtige Aura verlieh. Auf ihrer Stirn befand sich ein leuchtendes Udjet-Auge, das ihn anzublicken schien. Atem wusste nicht, wer diese Gottheit war. Ehrfürchtig ging er auf die Knie und verneigte sich vor dem Wesen. Sie hob die Hand und bat ihn darum, sich zu erheben.
 

Ihre hellblaue, blasse Haut und ihre Augen waren so unglaublich schön, doch am meisten faszinierte ihn diese starke Aura, die ihn zu übermannen drohte. Sie war mächtig und gütig. Selbst durch die Finsternis des Puzzles hatte sie ihren Weg gefunden, um ihm zu helfen und leitete ihn auf seinem beschwerlichen Weg.
 

Ich bin Horakhty – die Erschafferin des Lichts.

Du wirst nun dein Herz aufgeben.

Alles, was ich dir jetzt sagen werde, wirst du vergessen.

Als Auserwählter wirst du die Sangenshin beschwören müssen.

So wie die Finsternis Schlüssel braucht, um ihre wahre Macht zu entfalten, so braucht auch das Licht einen Schlüssel.

Die Namen der Sangenshin – Osiris, Obelisk und Raa – sind in deiner Zeit verloren gegangen.

Doch sie sind der Schlüssel, um mich in die irdische Welt zu beschwören.

Gott der Götter – Atem – dein Name soll der Schlüssel für deine Macht sein.

Ein Name ist ein Schicksal! Erfülle dein Schicksal und bringe das Licht zurück!

Bestehe die Prüfung und kämpfe mit dem anderen Auserwählten.

Ich warte auf dich.
 

Atem gab nun auch sein Herz auf und wartete 3000 Jahre lang auf die Person, die das Puzzle aus seinem Grab holen würde und ihn zum Auserwählten brachte. Ohne Herz und Erinnerungen war er nur noch ein Schatten seiner Selbst. Eine leere Hülle. Verwirrt. Verzweifelt. Doch voller Zorn. Der Wahnsinn ergriff ihn und all die Jahre, die er schlafend in der Finsternis verbracht hatte, ohne zu wissen, wo er sich befand und wer er war, hatte ihn verändert. Rücksichtslos nutzte er die dunkle Magie des Puzzles. Er besaß keinerlei Empathie mehr und tat das, von dem er glaubte, dass es richtig war. Irgendetwas in ihm strebte nach Gerechtigkeit. Woher dieses Gefühl kam, vermochte er nicht zu sagen. Doch er wusste, dass dieses Gefühl ihm gehörte und etwas war, das ihn auszeichnete.
 

Als Mutou Yuugi das Puzzle zusammensetzte, beobachtete er ihn und er nutzte die Macht des Puzzles, um den Besitzer des Körpers schlafen zu legen und an seiner statt gegen die Bösewichter zu kämpfen, die es wagten das Recht und die Ordnung der […] zu stören. Er spürte, dass dies sein Schicksal war. Je länger er den kleinen und schwachen Yuugi beobachtete, je mehr verspürte er das dringende Bedürfnis dieses Kind zu beschützen und er fand einen neuen Sinn in seiner Existenz.
 

Und so begann die Geschichte von Yuugi-ou – dem König der Spiele.
 

Du hast die richtigen Entscheidungen getroffen.

Die Konsequenzen unserer Handlungen und Entscheidungen sind uns nicht immer bewusst.

Manchmal ist es nur ein Wort, das über unseren späteren Werdegang entscheidet.

Ein Wort, um jemanden von uns zu stoßen oder ihn in unser Leben zu lassen.

Worte haben Macht. So auch ein Name.

Dank dir wird die Finsternis besiegt werden können.
 

[Eine Geschichte, die das Herz berührt.]
 

Sein Eigensinn

Der Sohn der Götter hatte keine Ahnung, was los war und entschloss, dass er der Stimme, die sein Herz wollte, nicht trauen durfte und zog sich langsam zurück von diesem eigenartigen Ort. Die Wandgemälde schienen ihn anzusehen und ihn mit ihren Blicken zu durchbohren. Dass diese Bilder an den Wänden lebendig sein könnten, gefiel ihm nicht und er vermied es, sich weiter umzusehen und entschloss, dass es das beste war, diesen Ort ohne weiter nachzudenken, zu verlassen. Anstelle sein Herz zu opfern, lief er zum Ausgang des Tempels und warf einen Blick in den Himmel. Der Pharao ohne Erinnerungen wanderte viele Jahrtausende durch die Welt des Puzzles, ohne jemals einen Ausweg zu finden. Doch da er keine Erinnerungen hatte, wusste er nicht einmal, dass er sich in dem Puzzle befand und wurde über die Jahre hinweg immer gehässiger.
 

Manchmal befand er sich in diesem Labyrinth, das ihn einerseits zu töten versuchte und andererseits neue Wege öffnete. Er verstand den Sinn dahinter nicht und entschied eines Tages, dass er in einem kleinen Dorf bleiben würde. Man erzählte, dass ein kleines Fischerdorf einen Jungen aufnahm, der dort zum besten Angler wurde und viele Fische aus dem Nil zog und dem Dorf Wohlstand brachte. Doch dies war nie wirklich geschehen. Nichts weiter als eine Alternative Zeitlinie, die durch eine dumme Entscheidung herbeigerufen worden sein könnte. Denn wer würde die Stimme einer Göttin nicht erkennen und sich ihr verwehren? Fürwahr, niemand mit Verstand! Doch der Ruf der See berührt nun mal das Herz eines jeden, nicht wahr?
 

[Eine Geschichte, die Appetit auf Meer macht!]
 

Seine Ketten

„Ich kenne Euch nicht, doch Eure Stimme ist mir vertraut“, erklärte Atem und wartete auf eine Antwort.
 

Diese Stimme wollte ihm einen Weg aus der Finsternis zeigen. Jetzt, wo er sein Herz geopfert hatte, wusste er nicht, wie er den richtigen Weg finden sollte und so war ihm jede Hilfe recht. Dennoch blieb ein ungutes Gefühl in seiner Magengegend und es fühlte sich so an, als würde jemand aus weiter Ferne zu ihm rufen und ihm sagen, dass er seine Entscheidung überdenken sollte. Doch diese Stimme war lauter und eindringlicher und sie versprach ihm, einen Weg zu finden. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihm half und ihn warnte.
 

ԃυ ԋαʂƚ ԃҽιɳ ԋҽɾȥ ɠҽσρϝҽɾƚ, ɱҽιɳ ʂƈԋöɳҽʂ ƙιɳԃ.

ʂιƈԋҽɾ Ⴆιʂƚ ԃυ ɳυɳ ʋҽɾɯιɾɾƚ υɳԃ ʂυƈԋʂƚ ԃҽɳ ɾιƈԋƚιɠҽɳ ɯҽɠ.

ԃσƈԋ ԃυ Ⴆɾαυƈԋʂƚ ɱιƈԋ ɳιƈԋƚ ȥυ ϝüɾƈԋƚҽɳ. ʂƈԋʅιҽßҽ ԃҽιɳҽ αυɠҽɳ.

ιƈԋ ɯҽɾԃҽ ԃιɾ ҽιɳҽ ʋιʂισɳ ʂƈԋιƈƙҽɳ.
 

Atem zögerte für einen Moment und überlegte, doch dann entschied er sich dazu, das zu tun, worum die Stimme ihm bat. Kaum hatte er seine Lider geschlossen, glaubte er, in Ketten gelegt zu werden. Panisch riss er die Augen auf. Man hatte ihn in finstere Ketten gelegt und am Himmel leuchteten zwei tiefrote Augen auf ihn hinab, die sich ihm langsam näherten. Der Kopf der Bestie ragte nun aus dem Nebel und sein stinkender Atem kam dem jungen König entgegen, sodass er angewidert das Gesicht verzog. Er versuchte sich zu befreien. Das war dieselbe Bestie, die ihn im Kampf gegen Bakura erwartet hatte und die ihn hinterhältig abgeschossen hatte.
 

Das Wesen der Finsternis lachte und seine riesige Klaue ragte nun auch aus der Finsternis. Behutsam legte er seinen gigantischen Finger unter Atems Kinn und ergriff erneut das Wort.
 

ɳαιʋҽʂ ƙιɳԃ. ԃυ Ⴆιʂƚ ʂσ ɯҽιƚ ɠҽƙσɱɱҽɳ.

ԃυ ԋαƚƚҽʂƚ ҽʂ Ⴆҽιɳαԋҽ ɠҽʂƈԋαϝϝƚǃ ԃσƈԋ αɱ ҽɳԃҽ ɯαɾʂƚ ԃυ ȥυ ʂƈԋɯαƈԋ.

ԃιҽ ɠöƚƚҽɾ ɯҽɾԃҽɳ ԃιɾ ɳιƈԋƚ ɱҽԋɾ ԋҽʅϝҽɳ.

ιɳ ԃҽɱ ɱσɱҽɳƚ, ιɳ ԃҽɱ ԃυ ɳαƈԋ ɱҽιɳҽ ԋιʅϝҽ Ⴆαƚҽʂƚ, ԋαʂƚ ԃυ ԃιƈԋ ʋσɱ ρϝαԃ ԃҽʂ ʅιƈԋƚʂ αႦɠҽɯҽɳԃҽƚ υɳԃ ԃιҽ ƚüɾ ʂҽʅႦʂƚ ʋҽɾʂƈԋʅσʂʂҽɳ.

αႦҽɾ ιƈԋ ɠҽʂƚαƚƚҽ ԃιɾ ɱҽιɳ ԃιҽɳҽɾ ȥυ ɯҽɾԃҽɳ. αʅʂ ҽԋҽɱαʅιɠҽɾ ҽɾɯäԋʅƚҽɾ ԃҽɾ ɠöƚƚҽɾ ɯιɾʂƚ ԃυ ҽιɳ ρɾäƈԋƚιɠҽʂ ԋαυʂƚιҽɾ αႦɠҽႦҽɳ υɳԃ ɯιɾʂƚ ʝҽԃҽɳ ƚαɠ ԃαɾαɳ ԃҽɳƙҽɳ ɱüʂʂҽɳ, ɯιҽ υɳɠʅαυႦʅιƈԋ ʂƈԋɯαƈԋ ԃυ ɯαɾʂƚ.
 

Atem wollte etwas erwidern, doch ehe er den Mund aufmachen konnte, griff die Hand nach ihm und drückte fest zu, zerquetschte seinen Körper. Schmerzensschreie erklangen in der Finsternis. Irgendwann hatte er keine Kraft mehr zu schreien und seine Stimme verstummte. Er keuchte und drohte das Bewusstsein zu verlieren. Er hatte sich täuschen lassen und war in eine Falle getappt.
 

Die riesige monströse Pranke ließ ihn endlich los. Er landete auf dem harten Boden und versuchte nicht einmal mehr, sich aufzurichten. Es fühlte sich so an, als hätte man ihm sämtliche Knochen im Körper gebrochen und ihm all seine Kräfte ausgesaugt. Gedanklich flehte er um Hilfe und wünschte sich so sehr, dass Mahaad nun an seiner Seite war und ihm in diesen schweren Zeiten seine Unterstützung schenkte, doch er war hier allein. Vollkommen allein. Seinem größten Widersacher hilflos ausgeliefert. Die dunklen roten Augen am Himmel verschwanden und der Herrscher der Finsternis löste sich in kleine Partikel auf, nur um im nächsten Moment in menschlicher Gestalt vor dem jungen König aufzutauchen.
 

Er trug einen roten Umhang und hatte die Form des Räubers Bakura angenommen. Das einzige, das sich unterschied waren die leuchtend roten Augen, die tief in seine Seele zu blicken schienen und diese in Flammen legte. Der finstere Herrscher in seiner dunklen Gestalt kam dem hilflosen König näher und beugte sich zu ihm und streichelte zärtlich über dessen Wange.
 

ʂσ ʂƈԋɯαƈԋ. ʂσ ԋιʅϝʅσʂ. ʋҽɾʅαʂʂҽɳ ʋσɳ ԃҽιɳҽɳ ɠöƚƚҽɾɳ.

ƙҽιɳ ԋҽɾȥ ɱҽԋɾ, ԃσƈԋ ԃҽɾ ʂƈԋɱҽɾȥ ʂσ υɳʂαɠႦαɾ ɠɾσß.

ƙҽιɳ ρϝαԃ, ԃҽɾ ʂιƈԋ ԃιɾ ȥҽιɠƚ, ɳυɾ ƚɾöʂƚҽɳԃҽ ϝιɳʂƚҽɾɳιʂ.

ƙҽιɳҽ ʂσɾɠҽ, ʂƈԋöɳҽʂ ƙιɳԃ. ԃυ ԋαʂƚ ԃιҽ ρɾüϝυɳɠ ԃҽɾ ɠöƚƚҽɾ ɳιƈԋƚ Ⴆҽʂƚαɳԃҽɳ.

ιƈԋ ɠҽႦҽ ԃιɾ ԃҽιɳ ԋҽɾȥ ȥυɾüƈƙ υɳԃ Ⴆҽԋαʅƚҽ ԃιƈԋ αʅʂ ƚɾσρԋäҽ.

ιƈԋ ɯҽɾԃҽ ҽʂ ɠҽɳιҽßҽɳ, ɯҽɳɳ ԃαʂ ϝҽυҽɾ ιɳ ԃҽɳ αυɠҽɳ ҽɳԃʅιƈԋ ҽɾʅιʂƈԋƚ.
 

Der formlose Herrscher der Finsternis hatte keine eigene Gestalt und konnte so jegliche Form annehmen, die ihm gefiel. Er behielt den König als seinen Diener und legte ihn in Ketten, genoss seine Schmerzensschreie, die auch nach vielen Jahrhunderten nicht verstummen wollten. Sehnsüchtig wartete er auf den Tag, an dem der Pharao nichts weiter mehr war als eine Marionette, die das tat, was man ihm sagte und sich problemlos steuern ließ. Dafür musste er lediglich Zweifel in dessen Herzen säen und ihn davon überzeugen, dass er einen Pakt mit der Finsternis schließen musste. Die Ängste des Pharaos nahmen Überhand und er schwor Zorc ewige Treue. Es hatte lediglich ein paar tausend Jahre gedauert, bis der stolze Herrscher Kemets und einstiger Auserwählter der Götter, nachgab und sein Wille gebrochen war. So hatte er einen treuen Diener, der ihm dabei half, die Finsternis in die Welt zu bringen und so den Kreislauf des Lebens zu unterbrechen.
 

Als das Puzzle 3000 Jahre später von dem jungen Japaner Mutou Yuugi gelöst wurde, übernahm Atem dessen Körper und sammelte die sieben Millenniumsartefakte, um so das Tor der Unterwelt zu öffnen und die irdische Welt mit dieser zu verschmelzen. Der Himmel verdunkelte sich und die Lebenden konnten nicht mehr sterben. Alle Lebewesen waren dazu verdammt, für immer zu leben. Jene Seelen, die getötet wurden, wurden für immer gelöscht und der Kreis der Wiedergeburt und des ewigen Ausgleichs wurde unterbrochen. Da Dämonen und Ka-Bestien nun ebenfalls auf der Welt wanderten, wurden Menschen in vielen Regionen der Welt versklavt, da sie den monströsen Gestalten nichts entgegenzusetzen hatten.
 

Kriege brachen weltweit aus und Menschen kämpften gegeneinander, um die wenigen Ressourcen, die ihnen noch übrig blieben. Denn auch Pflanzen, die starben und abgeerntet wurden, verschwanden für immer. Zorc Necrophades, der die Gestalt des Räubers Bakura weithin beibehielt, hielt sich den gebrochenen König als Sklaven, der brav sämtliche Dienste und Aufgaben erledigte, die man ihm auferlegte.
 

Die Göttin Horakhty konnte nicht erweckt werden, da niemand von ihr wusste und keiner sich die Mühe gemacht hatte, die Namen der Sangenshin zu finden und diese zu beschwören. Die Welt wurde niemals gerettet.
 

[Eine Geschichte, die kein gutes Ende nimmt.]
 

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Du hast alles gegeben und trotzdem ist es so geendet.

Du fragst dich, wo die Gerechtigkeit ist und du ersehnst ein anderes Ende.

Du bist verwirrt und wünscht dir einen Ausweg, doch du scheinst verloren zu sein.

Wirst du weitergehen?

Oder stehenbleiben?

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Du möchtest noch eine Chance?

Aber ist das nicht das Ende, das du wolltest?

Du bist unzufrieden und willst es noch einmal versuchen.

Deine Entscheidungen haben Konsequenzen.

Glaubst du wirklich, dass du die Folgen deiner Taten ignorieren kannst?

Dass dich die Konsequenzen nicht betreffen?

Du wirkst nachdenklich. Demütig.

Ich spüre, dass du dies nicht gewollt hast.

Du bist unwissend und suchst den richtigen Weg.

Das ist nicht immer einfach.

Du möchtest also die Fehler der Vergangenheit gutmachen.

Ich sehe deine Entschlossenheit und deinen Mut.

Du, der du die Macht der Entscheidung hast, ich gebe dir eine besondere Kraft.

Ich bin die Erschafferin des Lichts. Mein Name lautet Horakhty.

Ich gebe dir die Macht des Rückgangs.

Ich gestatte dir, deine Entscheidungen zu überdenken.

Doch du selbst musst den Weg finden.

Ich kann dir dabei nicht helfen.

Du selbst musst herausfinden, wo du welche Entscheidung treffen musst.

Diese Bürde kann dir niemand abnehmen.

Finde den Weg aus der Finsternis und bringe eine Geschichte zum Ende, die im Licht endet.

Fürchte dich nicht. Ich weise dir den Weg.

Auch wenn du dich verloren fühlen magst, wisse, die Götter wachen über dich.

Mit dieser besonderen Kraft wirst du das Ende finden, das du ersehnst.

Nutze diese Kraft, wann immer du sie für nötig hältst.

Im Licht werde ich auf dich warten.


 

Seine Prüfung

Kämpfen? Nicht kämpfen? Er hatte keine Zeit, um sich weitere Gedanken zu machen, da sein Gegenüber erbarmungslos mit seinem Säbel auf ihn einschlug. Hätte er seinen Säbel nur einige Sekunden später gezogen, hätte er die folgenden Angriffe nicht parieren können. Immer wieder schlug der Fremde auf ihn ein. Ihre Klingen kreuzten sich und klirrten. Schweiß lief ihm bereits über die Stirn und er wurde langsam in die Enge getrieben. Die Weiße Wüste war gespickt von vielen kleinen Felskonstruktionen, die eigenartige Formen und Muster annahmen. Aus der Ferne hatte er einen Felsen erblickt, der einem Kamel glich, doch er hatte keine Zeit, sich mit den unnatürlichen Felsen und Steinen auseinanderzusetzen und seine Umgebung zu bestaunen.
 

Weitere Schlägen prasselten auf ihn ein und es fiel ihm zunehmend schwerer, diese starken Angriffe zu parieren und als seine Verteidigung durchbrochen wurde und der Fremde seinen Säbel in seine Brust rammen wollte, warf er sich rasch zu Boden und rollte zur Seite weg, um den kommenden Schlag auszuweichen. Keuchend betrachtete er den Fremden. Zügig stand er auf, ging erneut auf Abstand und hob seinen Säbel schützend vor seine Brust. Der Fremde hatte gesagt, dass es nur einen Sieger geben konnte. Sterben. Nicht sterben. Entweder er erwiderte den Angriff und erwiderte den Kampf oder er parierte diese mächtigen Angriffe so lange, bis er keine Kraft mehr hatte und nicht mehr abwehren konnte. Doch er wollte nicht sterben. Es gab noch so vieles, das er nicht wusste! Jetzt wo er seinen eigenen Namen kannte, musste er mehr erfahren. Wo er herkam und wieso er sich gegen den Fremden behaupten musste!
 

Sie umkreisten sich wie hungrige Hyänen und jeder schien auf den nächsten Angriff zu warten, aber ihn nicht beginnen zu wollen. Atem betrachtete den Fremden, der ihn bis aufs Haar glich. Das einzige, was sie unterschied, waren die leuchtend roten Augen, die in seine Seele zu blicken versuchen.
 

„Erklärt mir bitte, warum wir kämpfen müssen. Gibt es keinen anderen Weg?“, fragte er unsicher nach, behielt seine Haltung bei und achtete auf jede Bewegung seines Gegenübers.
 

„Mit allem, was ich habe, will ich dich zerstören! Du, die Seite des Lichts, die mich in die Schatten gebannt hat und mir nie die Freiheit gewährt hat! Versklavt hast du mich! Verletzt hast du mich! Und das allein ist Grund für mich, dich zu vernichten. Es gibt keinen anderen Weg.“
 

„Ich verstehe nicht, was Ihr meint! Legt Euer Schwert nieder, Fremder und lasst uns gemeinsam eine Lösung finden“, versuchte Atem es erneut.
 

Atem senkte den Blick. Wenn sie ein Teil eines Ganzen waren, war es sinnlos gegeneinander zu kämpfen, sondern sie mussten zueinander finden und gemeinsam eine Lösung für ihr Problem finden. Auch ohne Erinnerung konnte er nachempfinden, was sein Anderes Ich meinte. Das Gefühl nicht frei sein zu dürfen und niemals das tun zu können, wonach einem der Sinn strebte.
 

„Eingesperrt in einem goldenen Käfig, ohne jemals den Himmel zu erblicken“, murmelte er. Erneut wurde ihm schwarz vor Augen. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn und er hob seine Hand, legte sie auf die Schläfe, in der Hoffnung, so den Schmerz unterdrücken zu können. Diese Worte. Er kannte sie. Sein Herz sagte ihm, dass diese Worte ein Teil seiner Vergangenheit war. Plötzlich sah er das Gesicht seines Anderen Ichs, welches sich rasch genähert hatte und ihn mit einem breiten, zufriedenen Grinsen von den Füßen fegte. Er trat Atem mit einer solchen Wucht in die Seite, dass dieser einige Meter wegflog.
 

„Du oder ich. Kämpfen oder nicht kämpfen. Aber du hast deine Wahl bereits getroffen. Du kannst nicht mehr zurück“, erklärte er und seine hasserfüllten Augen blickten auf ihn hinab. Atem spürte Angst. Trotzdem wollte er niemanden töten. Vor allem nicht sich selbst, denn wenn er sein Anderes Ich tötete, wer würde er denn dann noch sein? Würde dies nicht bedeuten, erneut seine Schwächen zu verleugnen? Wenn das hier eine Prüfung des Herzens war, durfte er auf keinen Fall einfach aufgeben, doch es musste eine andere Lösung geben.
 

„Unsere Entscheidungen haben immer Konsequenzen. Immer“, sagte er und blieb vor Atem, der immer noch am Boden lag, stehen. Er tippte ihn mit der Fußspitze an.
 

„Was ist los? Bist du etwa hingefallen? Aber nicht doch“, sagte er, ehe er anfing zu kichern und dann hysterisch lachte. „Versuch gar nicht erst wieder aufzustehen! Bleib liegen! Gib auf! Du warst von Anfang an nicht stark genug, um diese Prüfung zu bestehen! Du willst nicht kämpfen und trotzdem gewinnen? Du willst niemanden töten und dennoch deinen Willen durchsetzen? Schwächling.“
 

Atem überlegte für einen Moment. Vielleicht gab es wirklich keinen anderen Weg. Er wollte hier nicht sterben. Seine Reise hatte doch gerade erst begonnen und der kleine Mahaad wartete geduldig auf ihn. Als sein Anderes Ich näher kam, zuckte er kurz zusammen und instinktiv trat er ihm in die Kniebeuge, sodass dieser hinfiel und er genug Zeit hatte, erneut Abstand zu gewinnen. Wieder hob er sein Schwert.
 

„Versteh doch, es gibt keinen anderen Weg! Entweder ich töte dich oder du mich! Du musst mich töten, wenn du wahre Stärke erlangen willst, doch ich bin das Hindernis, das du niemals überwinden wirst“, kicherte sein Gegenüber, welcher sich nun langsam erhob und mit den Schultern zuckte, dabei herausfordernd grinste und Atem einen gespielt mitleidigen Blick entgegenwarf.
 

„Im Gegensatz zu dir habe ich keine Hemmungen dich zu töten. Doch weil du ein Feigling bist, lässt du dich lieber töten, bevor du selbst die Klinge erhebst. Oder ist es gar dein Wunsch zu sterben?“
 

Atem grummelte und senkte sein Schwert für einen winzigen Augenblick hinab, genug Zeit für seinen Gegenüber diese Schwäche auszunutzen und erneut mit heftigen Schwung anzugreifen. Atem versuchte den kommenden Angriff zu parieren, wurde jedoch von der Klinge gestreift. Die eiserne Klinge hatte um ein Haar sein Auge verfehlt. Eine blutige Bahn zog sich quer über seine Wange und das Blut tropfte sein Kinn hinab. Vor Schmerz keuchte er zusammen, versuchte den Abstand zwischen ihnen zu vergrößern, doch sein Gegenüber dachte nicht einmal mehr daran, nun zurückzuschrecken. Er hatte klar und deutlich gemacht, dass er ihn töten würde und keinerlei Hemmungen besaß. Atem fürchtete, dass ihm nichts anderes mehr übrig blieb und instinktiv erwiderte er nun die Angriffe. Wie ein wildes Tier wartete er darauf, dass sein Gegenüber seine Deckung vernachlässigte, was bei genauer Betrachtung ihm viele Schwachpunkte offenbarte.
 

Sein Gegenüber, sein Anderes Ich, griff frontal an und vernachlässigte seine Deckung. Er machte sich nicht einmal die Mühe seine lebenswichtigen Organe zu schützen und schwang seinen Säbel im großen Bogen um sich, während Atem darauf achtete, seine Klinge in Körpernähe zu lassen, um in der Not schnell zurückweichen und abwehren zu können. Wie ein wildes Tier attackierte sein Gegenüber, ohne Verstand, erfüllt von Hass und Zorn. Seit Atem ging unregelmäßig und er spürte die Müdigkeit in seinem ganzen Körper. Seine Kleidung war durchtränkt von Blut und klebte unangenehm an ihm und im Eifer des Gefechts hatte er seine Krone verloren. Auch sein violetter Umhang hatte viel Schaden erlitten und war nichts weiter mehr als ein Fetzen, der von seinem Rücken hinabhing.
 

„Du gibst einfach nicht auf“, murmelte sein Anderes Ich und kicherte dann amüsiert.
 

„Wenn ich aufgebe, tötest du mich, nicht wahr?“
 

„Richtig. Nur eine Unachtsamkeit und mein Schwert durchbohrt dein Herz“, erklärte er und lächelte beinahe liebenswert.
 

„Ich will nicht verlieren. Wenn ich jetzt verliere, sterbe ich. Nur der Sieger kann überleben. Der Verlierer verliert auch sein Anrecht auf das Leben“, sagte Atem, doch hatte das merkwürdige Gefühl, dass diese Worte nicht seine eigenen waren, sondern dass irgendjemand sie ihm mal zugeflüstert haben musste.
 

Er wollte nicht sterben. Doch er durfte keine Schwächen mehr zeigen und so fixierte er seinen Gegner, welcher wieder auf ihn zulief, zunächst seine Klinge auf ihn richtete, diese jedoch blitzschnell zurückzog und ihm stattdessen mit seiner freien Hand ins Gesicht schlug, sodass er seine Balance verlor und einige Schritte zur Seite baumelte. Ehe er sein Umfeld wieder klar erkennen konnte, spürte er die kalte Klinge in seiner Schulter, die sich in sein Fleisch bohrte. Manisch lachend drehte sein Gegner die Klinge in seiner Schulter hin und her, sodass Atem vor Schmerzen schrie und reflexartig nach der Klinge griff und sie aus seinem Körper ziehen wollte. Sein Gegenüber ließ dies jedoch nicht zu und zog sein Schwert mit aller Kraft nach unten und riss Atem seinen Arm ab. Schreiend warf er sich zu Boden.
 

Minutenlang betrachtete sein Anderes Ich ihn und sah ihm dabei zu, wie er vor Schmerzen schrie und weinte und sich an die Stelle fasste, wo zuvor sein linker Arm gewesen war. Genervt sah er zu ihm hinab und wartete darauf, dass Atem sich endlich beruhigte und den Kampf erneut aufnahm.
 

„Hör mal, wenn du wegen einem verlorenen Arm so jammerst, will ich nicht wissen, wie du dich anstellst, wenn ich dir sämtliche Gliedmaßen abreiße“, erklärte er und zuckte nur mit den Schultern.
 

„Steh auf, denn ein verlorener Arm ist nicht deine größte Sorge, mein Lieber. Wenn du dich jetzt nicht zusammenreißt, werde ich dich langsam in Stücke schneiden und dir beim Ausbluten zusehen. Oder glaubst du wirklich, dass deine Tränen mich beeindrucken? Ich bin der Hass. Zorn. Wut. Mir macht es Spaß dir beim Leiden zuzusehen und wenn du nicht mit der Intention kämpfst, mich zu töten, ist deine Prüfung des Herzens schneller vorbei als du gucken kannst“, erklärte er und tippte nun ungeduldig mit dem Fuß auf und ab.
 

Atem keuchte. Sein Umfeld war verschwommen und sein Körper zitterte, gehorchte ihm nicht mehr. Aber der Fremde hatte recht. Er musste jetzt kämpfen, denn wenn er sich nicht endlich zur Wehr setzte und selbst einen Angriff startete, würde dies sein Ende bedeuten. Trotz der Schmerzen schaffte er es irgendwie aufzustehen. Noch immer tropfte das Blut zu Boden und er glaubte, dass er chancenlos war. Wie sollte er mit nur einem Arm und solch schweren Wunden seinen Gegenüber bezwingen können? Ich muss ihn austricksen... doch wie? Ich will nicht sterben! Ich will so nicht enden!, dachte er und hob dabei sein Schwert hoch. Sein Atem ging unregelmäßig und er versuchte sich an einen Angriff, lief auf seinen Gegenüber zu und schwang seine Klinge nach ihm.
 

Dieser kicherte nur amüsiert, parierte den Angriff mühelos und warf Atem erneut zu Boden.
 

„Wie süß. Ein Frontalangriff? Sonderlich klug bist du nicht. Aber so ist das nun mal. Die Seite des Lichts glaubt immer, dass sie mit Liebe und Freundschaft und ihrer Güte alles retten kann und verleugnet ihre negativen Gefühle. Sag, warum ist Hass schlecht? Warum darf ich diese Gefühle nicht haben? Warum darf ich mich nicht wehren, wenn man mir ein Leid antut? Warum ich? Warum immer ich? Ich habe mir diese Last nicht ausgesucht! Ich wollte nie König sein, ich wollte einfach nur leben!“, brüllte sein Gegenüber und wirkte nun aufgebracht.
 

Atem versuchte sich erneut aufzurichten, doch schaffte es nur sich auf den Rücken zu legen. Mit seiner rechten Hand umklammerte er sein Schwert. Sein Gegenüber kam ihm näher. Seine Augen leuchteten noch heller als zuvor. Ein blutrotes, dämonisches Leuchten und der Wunsch all seinen Hass zu entladen.
 

„Warum hat man mir dieses Schicksal aufgebürdet? Alles, was ich wollte, war ein normales, ruhiges Leben und meine eigenen Entscheidungen treffen! Doch man legte mich in Ketten und zwang mir eine Rolle auf, die ich von Anfang gar nicht erfüllen konnte! Aber beschweren oder gar klagen durfte ich nie! Stattdessen musste ich meine wahren Wünsche, Träume und Ziele begraben und mein eigenes Wohl unterordnen! Wo ist die Gerechtigkeit? Ich wollte nie der Sohn eines Pharaos sein!“
 

Sein Gegenüber blieb vor ihm stehen und warf ihm einen hasserfüllten Blick zu.
 

„Ich bringe es nun zu Ende. Dein Gesicht zu sehen, macht mich krank. Du glaubst, du wärst was Besseres, weil du mich verleugnest? Und deine Pflichten erfüllst? Du wirst niemals wahres Glück und Freude empfinden, weil du ein Sklave der Götter bist. Gebunden an dein Schicksal, mit dem Irrglauben, dass du selbst entscheidest, welchen Weg du gehst. Doch unsere Entscheidungen haben Konsequenzen“, sagte er und beugte sich nun über Atem, welcher nicht mehr die Kraft hatte wegzukommen und seinen Blicken auszuweichen versuchte.
 

„Du hast Angst? Die hatte ich auch! Aber ich durfte sie niemals zeigen. Ich war stets allein. Niemanden durfte ich meine Gefühle offenbaren“, sagte er und legte seine Stirn auf die von Atem, ehe er in einer ruhigen, beinahe liebevollen Stimmlage weitersprach.
 

„Aber es ist vorbei. Wir beenden es hier uns jetzt und befreien uns von den Ketten, die man uns auferlegt hat“, flüsterte er und legte seine Hände um Atems Hals und würgte ihn. Er keuchte und zuckte. Seine rechte Hand umklammerte den Griff des Säbels, zuckte zusammen und fand seinen Weg zum Feind. Seine Klinge ruhte in der Brust seines Gegenübers. Dieser ließ sofort los und keuchte, während sein Blut die Klinge hinabfloss. Sein Blick veränderte sich und er lächelte traurig, beinahe mitleidig.
 

„Ich wünschte... du hättest die Prüfung des Herzens bestanden. Ich wünschte, du hättest mich als einen Teil von dir akzeptiert, doch stattdessen lehnst du mich ab“, sagte er mit sanfter Stimme, während Blut aus seinem Mundwinkel hinablief. Das rote, dämonische Leuchten verschwand und seine Augen nahmen den üblichen amethystfarbenen Ton an, wurden langsam glasig. Sein Körper löste sich in Sand auf. Atem konnte sich nicht mehr bewegen. Ein stechender Schmerz durchzog seine eigene Brust und als seinen Blick auf diese warf, erkannte er eine große Wunde, die an der Stelle klaffte, wo sein Herz sich befand. Er lachte leise, ehe sein Lachen in erbittertes Weinen umschwang.
 

„Das habe ich nicht gewollt. Verzeih mir“, hauchte er, ehe sein Umfeld sich in tiefes Schwarz tauchte.
 

Der Pharao hatte die Prüfung des Herzens nicht bestanden. Er hatte sein Anderes Ich, sein eigenes Herz durchbohrt und somit seine Schwächen verleugnet. Der kleine Fennek Mahaad kam dem toten, kalten Körper näher und winselte, schmiegte sich erneut an diesen und wimmerte, als hoffte er, dass sein Begleiter aufstand. Doch nichts geschah. Die Dämmerung brach hinein. Es wurde dunkel und der kleine Fennek blieb an seiner Seite sitzen, leckte über seine Wange und tiefe Trauer überfiel ihn.
 

Man sagte, dass der Fennek für alle Ewigkeit darauf wartete, dass sein Begleiter wiederkehrte. In der Welt des Puzzles, die von den Erinnerungen des Pharaos verändert wurde und dennoch ein Teil der Finsternis war, gab es kein Entrinnen. Das Licht des Auserwählten erlosch vollständig. Die Götter akzeptierten niemanden, der ein schwaches Herz hatte. Atem war nicht mutig genug gewesen, um seine eigenen Schwächen zu erkennen und zuzulassen. Und so kam es, dass die Geschichte vom Yuugi-ou – dem König der Spiele – niemals stattgefunden hatte und die beiden Auserwählten sich niemals über den Weg liefen. Bis zum heutigen Tag wartete Mahaad auf die Rückkehr seines Freundes.
 

[Eine Geschichte, die im Sand verläuft.]
 

.

.

.

Du hast alles gegeben und trotzdem ist es so geendet.

Du fragst dich, wo die Gerechtigkeit ist und du ersehnst ein anderes Ende.

Du bist verwirrt und wünscht dir einen Ausweg, doch du scheinst verloren zu sein.

Wirst du weitergehen?

Oder stehenbleiben?

.

.

.

Du möchtest noch eine Chance?

Aber ist das nicht das Ende, das du wolltest?

Du bist unzufrieden und willst es noch einmal versuchen.

Deine Entscheidungen haben Konsequenzen.

Glaubst du wirklich, dass du die Folgen deiner Taten ignorieren kannst?

Dass dich die Konsequenzen nicht betreffen?

Du wirkst nachdenklich. Demütig.

Ich spüre, dass du dies nicht gewollt hast.

Du bist unwissend und suchst den richtigen Weg.

Das ist nicht immer einfach.

Du möchtest also die Fehler der Vergangenheit gutmachen.

Ich sehe deine Entschlossenheit und deinen Mut.

Du, der du die Macht der Entscheidung hast, ich gebe dir eine besondere Kraft.

Ich bin die Erschafferin des Lichts. Mein Name lautet Horakhty.

Ich gebe dir die Macht des Rückgangs.

Ich gestatte dir, deine Entscheidungen zu überdenken.

Doch du selbst musst den Weg finden.

Ich kann dir dabei nicht helfen.

Du selbst musst herausfinden, wo du welche Entscheidung treffen musst.

Diese Bürde kann dir niemand abnehmen.

Finde den Weg aus der Finsternis und bringe eine Geschichte zum Ende, die im Licht endet.

Fürchte dich nicht. Ich weise dir den Weg.

Auch wenn du dich verloren fühlen magst, wisse, die Götter wachen über dich.

Mit dieser besonderen Kraft wirst du das Ende finden, das du ersehnst.

Nutze diese Kraft, wann immer du sie für nötig hältst.

Im Licht werde ich auf dich warten.


 

Seine Bestimmung

Atem überlegte hin und her, doch der Gedanke allein durch die Wüste zu wandern, ohne Proviant und Wasser, ohne den Weg zu kennen, ließ ihn erschaudern. Gut möglich, dass der Fremde wichtige Informationen hatte, doch kein Mensch mit Verstand lief freiwillig durch den heißen Wüstensand! Er hatte nur wenige Stunden in der Hitze verbracht und das hatte ihm wirklich gereicht. Er brauchte keine weitere Expedition durch die Wüste. Außer brennender Sonne, riesige Sanddünen, verdorrte Pflanzen und kleine, giftige Lebewesen gab es ohnehin nichts zu sehen. Was auch immer der Fremde wollte, es war sicher nichts Gutes. Er erforschte die Oase und machte sich ein genaues Bild der Umgebung. Er hatte mehrere Bäume mit Granatäpfeln gefunden, also mussten Menschen dieses Fleckchen Erde auch für die Agrarwirtschaft nutzen und würden früher oder später vorbei kommen.
 

Am nächsten Tag kam eine Händlerkarawane vorbei, welcher sich Atem anschloss. Er erfuhr von den freundlichen Männern und Frauen, dass sie die Pflanzen hier ernteten und sie bei ihren Reisen verkauften. Als er ihnen von seiner Situation erklärte, erlaubte man ihm, sich ihrer Truppe anzuschließen. Atem konnte keine Hinweise zu seiner Vergangenheit finden, doch bereiste mit der Händlerkarawane den Kontinent und lernte viele Menschen kennen. Er fand eine neue Bestimmung und einen Lebensziel darin, Früchte auf dem Markt zu verkaufen. Als Marktschreier, der mit köstlichen Granatäpfeln und anderen Früchten warb, wurde er berühmt und sowohl Männer als auch Frauen erlagen seinem Charme. Auch ohne Erinnerungen fand er Erfüllung. Aber auch dies war nur eine Alternative Zeitlinie, die vielleicht niemals stattgefunden hatte. Alles nur in der Welt des Millenniumspuzzles, geformt von dem Opfer des ehemaligen Pharaos. Er stellte sich niemals der Prüfung des Herzens und begann ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung.
 

Eine Geschichte, die neue Leidenschaften weckt!]
 

Seine Wahl


 

Du fürchtest das, was vor dir liegt.

Verschließt die Augen vor der Vergangenheit.

Ertrinkst im Meer der Schuld.

Läufst vor der Wahrheit davon.

Verbrennst im Feuer deiner Seele.

Legst dich selbst in Ketten.

Suchst nach dem richtigen Weg.
 

Konnte er diese Bestie überhaupt besiegen, wo er doch nur einen Säbel bei sich trug? Mit verführerischen Versprechen wollte Zorc ihn auf seine Seite locken, doch nun, wo er merkte, dass dies nicht funktionierte, zeigte er seine wahre Natur. All die Jahre hatte Zorc selbst zu ihm gesprochen und ihn manipuliert. Nicht seine Götter sprachen zu ihm, sondern die Finsternis selbst, die die Schwäche seines Herzens schamlos ausnutzte und ihm vorgaukelte, ihn zu unterstützen, obgleich er ihn nur für seine Zwecke missbrauchen wollte. Atem war eine Marionette der Finsternis gewesen. Die formlose Gestalt in seinen Träumen, die wegweisende Stimme, nichts weiter als eine Täuschung, eine Falle, die nur darauf gewartet hatte, endlich zuschnappen zu können.
 

Der ehemalige Pharao war verwirrt und obgleich er sein Herz und seine Gefühle geopfert hatte, wusste er, wie sich Angst anfühlte, da die Erinnerung tief in ihm war und in diesem Moment erweckt wurde. Die Furcht davor einem übermächtigen Gegner entgegenzustehen, im richtigen Augenblick die falsche Entscheidung zu fällen und dabei eine Niederlage zu erleiden. Es gab kein Zurück mehr. Atem umklammerte seinen Säbel und hielt ihn hoch. Er musste mutig sein und kämpfen! Wenn er jetzt einfach aufgab, würde die Finsternis siegen und sein Zögern würde das Ende der Welt bedeuten. Das durfte er nicht zulassen.
 

Er zog seinen Säbel aus der Scheide, doch im selben Moment spürte er einen stechenden Schmerz im Rücken und er wurde in die Luft gehoben, seine Beine baumelten über dem Boden und er ließ seine Waffe fallen, die klirrend zu Boden fiel und weiter von ihm wegrutschte, ehe sie liegen blieb. Atems Blick lag zunächst auf seinen Säbel, dann versuchte er über seine Schulter nach hinten zu sehen und erkannte im Blickwinkel, dass die monströse Gestalt der Finsternis seine Klauen durch seinen Körper gebohrt hatte und ihn nun in die Nähe seines Gesichts hob. Während sich die gigantischen Finger durch sein Fleisch frästen, versuchte er mit seinen Händen irgendwie von der Bestie wegzukommen und sich aus dem Griff zu befreien, doch durch seine Bewegungen, riss er seine Wunden nur tiefer auf und er keuchte, hustete Blut und kämpfte gegen das Bedürfnis vor Schmerzen schreien zu wollen. Vor diesem barbarischen Monster durfte er sich keine Blöße geben.
 

Nur der Sieger überlebt. Eine Niederlage ist gleichbedeutend mit dem Tod. Wer stirbt, verliert, hörte er die Worte seines Lehrmeisters Gebelk, die ihn leise auflachen ließen. Genau genommen war er bereits tot. Würde das nicht bedeuten, dass er schon längst verloren hatte und ein schlechter Verlierer war? Er spürte Zorcs eiskalten Atem auf seiner Haut, dieser hielt nun seine andere Hand unter ihm und zog seine scharfen Klauen aus seinem Körper, sodass er in die andere Hand plumpste. Der Aufprall entfachte eine weitere Welle der Schmerzen und er winselte leise, erinnerte sich sogleich daran, dass er diesem Monster nicht die Genugtuung geben wollte, wie ein ängstliches Kind zu schreien oder gar um Gnade zu flehen. Er war der Pharao. Ein Auserwählter der Götter.
 

Zorc hob langsam seine Hand und strich mit einem Finger beinahe sanft über seinen Kopf, tippte ihn an und versuchte ihm eine Reaktion zu entlocken. Das menschliche Herz mochte zerbrechlich sein, doch der Körper selbst war auch nicht viel beständiger. Der Junge in seiner Hand war nichts weiter mehr als ein Häufchen Elend. Ohne Gefühle wusste er sicher nicht einmal, was er jetzt empfinden sollte.
 

ԃυɱɱҽʂ ƙιɳԃ. ɯαɾυɱ ɳυɾ ԋαʂƚ ԃυ ɠҽȥöɠҽɾƚ ԃҽιɳҽ ɯαϝϝҽ ȥυ ȥιҽԋҽɳʔ

ʂιҽԋ ɳυɾ, ɯαʂ ԃυ αɳɠҽɾιƈԋƚҽƚ ԋαʂƚ. ԃυ ʅҽιԃҽʂƚ ʂσ ʂҽԋɾ.

ԃαʂ ԋäƚƚҽ ʋҽɾɱιҽԃҽɳ ɯҽɾԃҽɳ ƙöɳɳҽɳ, ԋäƚƚҽʂƚ ԃυ ԃιҽ ɾιƈԋƚιɠҽ ҽɳƚʂƈԋҽιԃυɳɠ ɠҽƚɾσϝϝҽɳ.

ιƈԋ ɠҽႦҽ ԃιɾ ҽιɳҽ ʅҽƚȥƚҽ ƈԋαɳƈҽ, ɱҽιɳ αɾɱҽʂ ƙιɳԃ.

ʂƈԋʅιҽßҽ ԃιƈԋ ɱιɾ αɳ υɳԃ ʂƈԋɯöɾҽ ɱιɾ ԃιҽ ƚɾҽυҽ σԃҽɾ ɯäԋʅҽ ԃιҽ ҽɯιɠҽ ϝιɳʂƚҽɾɳιʂ.

ɯҽɳɳ ԃυ ɱιƈԋ ʋҽɾʅҽυɠɳҽʂƚ, ɯιɾԃ ԃҽιɳ ʅҽႦҽɳ ҽɳԃҽɳ υɳԃ ιƈԋ ɯҽɾԃҽ ԃҽιɳҽ ʂҽҽʅҽ ʋҽɾʂρҽιʂҽɳ.
 

Atems Umfeld wurde langsam schwammig und er kämpfte damit, bei Bewusstsein zu bleiben. Er war doch bereits tot. Warum also sollte er den Tod fürchten? Er hatte sein Herz und seine Gefühle geopfert und all seine Entscheidungen waren getrieben von dem Gedanken, dass er seine Pflicht erfüllen musste. Sein ganzes Leben hatte man ihm Demut gegenüber den Göttern gelehrt und ihm jeden Tag daran erinnert, dass er als Herrscher des Landes niemals zögern durfte und immer die richtigen Entscheidungen treffen musste. Jetzt war es an der Zeit die richtige Entscheidung zu treffen. Was nur war der richtige Weg?
 

Er atmete tief ein. Eine gigantische Wunde klaffte in seiner Brust und dennoch war es ihm nicht vergönnt zu sterben.
 

ɳαιʋҽʂ ƙιɳԃ, ԃυ ԋαʂƚ ԃҽιɳ ԋҽɾȥ ɠҽσρϝҽɾƚ. ԋöɾҽ ɳιƈԋƚ αυϝ ԃҽιɳҽɳ ʋҽɾʂƚαɳԃ.

ʅαʂʂ ԃҽιɳҽɳ ιɳʂƚιɳƙƚ ʂρɾҽƈԋҽɳ. ɯιʅʅʂƚ ԃυ ϝüɾ ιɱɱҽɾ ʋҽɾʂƈԋɯιɳԃҽɳʔ

ʂƈԋɯöɾҽ ɱιɾ ԃιҽ ƚɾҽυҽ υɳԃ ιƈԋ ɯҽɾԃҽ ԃιɾ ҽιɳҽ ȥɯҽιƚҽ ƈԋαɳƈҽ ɠҽႦҽɳ.

ԃυ ɯιɾʂƚ ҽιɳҽɳ ƙöɾρҽɾ ҽɾԋαʅƚҽɳ υɳԃ ҽιɳ ɳσɾɱαʅҽʂ ʅҽႦҽɳ ϝüԋɾҽɳ ԃüɾϝҽɳ.

αʅʅҽʂ, ɯαʂ ιƈԋ ԃαϝüɾ ʋσɳ ԃιɾ ɯιʅʅ, ιʂƚ, ԃαʂʂ ԃυ ɱιɾ ƚɾҽυ ҽɾɠҽႦҽɳ Ⴆιʂƚ.

ʋҽɾʅҽυɠɳҽ ɱιƈԋ υɳԃ ԃυ ɯιɾʂƚ ϝüɾ ιɱɱҽɾ ԋöʅʅҽɳϙυαʅҽɳ ҽɾʅҽιԃҽɳ.

ιƈԋ ɯҽɾԃҽ ԃιƈԋ ιɱɱҽɾ υɳԃ ιɱɱҽɾ ɯιҽԃҽɾ αυʂ ԃҽɱ ƚσƚҽɳɾҽιƈԋ ԋσʅҽɳ.

ԃυ ɯιɾʂƚ ɳιҽɱαʅʂ ϝɾιҽԃҽɳ ϝιɳԃҽɳ.

ιƈԋ ɯҽɾԃҽ ԃιƈԋ ʂσ ʅαɳɠҽ ϙυäʅҽɳ, Ⴆιʂ ԃυ ɱιƈԋ ԃαɾυɱ αɳϝʅҽԋʂƚ, ԃιƈԋ ȥυ ϝɾҽʂʂҽɳ.
 

„Ich“, flüsterte Atem, doch konnte seine Stimme nicht finden. Er war zu sehr geschwächt, als dass er hätte weitersprechen können. Zorc seufzte und seine roten Augen leuchteten magisch auf. Im nächsten Moment waren Atems Wunden verheilt und sein Umfeld wieder klar.
 

ԃυ Ⴆҽϝιɳԃҽʂƚ ԃιƈԋ ιɱ ιɳɳҽɾҽɳ ԃҽʂ ɱιʅʅҽɳɳιυɱʂρυȥȥʅҽʂ.

ιƈԋ ʂαɠƚҽ ԃσƈԋ, ԃαʂʂ ԃαʂ ρυȥȥʅҽ ҽιɳ ƚҽιʅ ɱҽιɳҽɾ ʂҽҽʅҽ ιʂƚ υɳԃ ʂσɱιƚ ɱҽιɳ ɾҽιƈԋ.

ιƈԋ Ⴆιɳ ԃιҽ ϝιɳʂƚҽɾɳιʂ. ιɳ ԃҽɱ ɱσɱҽɳƚ, αʅʂ ԃυ αɱ αʅƚαɾ ԃҽιɳ ԋҽɾȥ αυϝɠҽɠҽႦҽɳ ԋαʂƚ, ԋαႦҽ ιƈԋ ɳαƈԋ ԃιɾ ɠҽɠɾιϝϝҽɳ.

ԃυ ɯαɾʂƚ ȥυ ʂƈԋɯαƈԋ, υɱ ԃιҽ ρɾüϝυɳɠ ȥυ Ⴆҽʂƚҽԋҽɳ.

ԃιҽ ɠöƚƚҽɾ ʋҽɾʂƚσßҽɳ ԃιƈԋ υɳԃ ԃҽιɳ σρϝҽɾ.
 

Zorc hob die Hand und eine sanft leuchtende Kugel erhob sich aus seiner Handfläche hervor. Ein kleiner Kristall leuchtete, hatte jedoch einen Sprung in der Mitte. Atem wollte sich aufrichten, doch Zorc umfasste ihn nun, bemühte sich jedoch darum, den schwachen Menschenkörper nicht zu zerquetschten.
 

ԃαʂ ԋιҽɾ ιʂƚ ԃҽιɳ ԋҽɾȥ. ԃҽιɳ ԋҽɾȥ ιʂƚ Ⴆҽʂƈԋäԃιɠƚ.

ԃιҽ ɯυɳԃҽɳ ԃҽιɳҽɾ ʂҽҽʅҽ ʂιɳԃ ȥυ ƚιҽϝ. ʂσ ʂҽԋɾ ɱυʂʂƚҽʂƚ ԃυ ʅҽιԃҽɳǃ

ԃυ ɯαɾʂƚ ҽιɳ ɠҽϝαɳɠҽɳҽɾ υɳԃ ԃҽιɳ ʋҽɾȥɯҽιϝҽʅƚҽʂ ɾυϝҽɳ ɯυɾԃҽ ɳιҽ ҽɾԋöɾƚ.

ԃҽιɳ σρϝҽɾ ιʂƚ ԃҽɳ ɠöƚƚҽɾɳ ɳιƈԋƚ ɠυƚ ɠҽɳυɠ υɳԃ ɯιɾԃ ɳιҽɱαʅʂ ɾҽιƈԋҽɳ, υɱ ɱιƈԋ ȥυ Ⴆҽʂιҽɠҽɳ.

αʅʅ ԃҽιɳҽ Ⴆҽɱüԋυɳɠҽɳ ɯαɾҽɳ ʋσɳ αɳϝαɳɠ αɳ ʋҽɾɠҽႦҽɳʂ.

ʋҽɾʂƚҽԋʂƚ ԃυ ԃҽɳɳ ɳιƈԋƚ, ԃυ ԃυɱɱҽʂ, ɳαιʋҽʂ ƙιɳԃʔ


 

Er ließ die Kugel nun auf den ehemaligen Pharao zufliegen und sie verschwand in seiner Brust. Atem keuchte und rang nach Luft. Er hatte seine Gefühle zurückerlangt.
 

ʂҽʅႦʂƚ ɯҽɳɳ ԃυ αʅʅҽʂ αυϝɠιႦʂƚ, ԃυ ɯιɾʂƚ ɳιҽɱαʅʂ ɠʅüƈƙʅιƈԋ ɯҽɾԃҽɳ.

ʋσɳ αɳϝαɳɠ αɳ ɯαɾʂƚ ԃυ ɳιƈԋƚʂ ɯҽιƚҽɾ αʅʂ ҽιɳ σρϝҽɾʅαɱɱ.

ϝüɾ ԃιƈԋ ɠαႦ ҽʂ ɳιҽ ȥυƙυɳϝƚ σԃҽɾ ɠαɾ ԋσϝϝɳυɳɠ.

ԃιҽ ɠöƚƚҽɾ ʅαƈԋҽɳ üႦҽɾ ԃιƈԋǃ ʂιҽ ԋαႦҽɳ ԃιƈԋ ʋҽɾʂƚσßҽɳ.

ιƈԋ ϝɾαɠҽ ԃιƈԋ, ɯαʂ ɠʅαυႦʂƚ ԃυ, ɯιɾԃ ɠҽʂƈԋҽԋҽɳ, ɯҽɳɳ ԃυ ԃҽιɳ ʂƈԋɯαƈԋҽʂ ԋҽɾȥ σρϝҽɾʂƚʔ

ԃαʂ ʅҽυƈԋƚҽɳ ԃҽιɳҽɾ ʂҽҽʅҽ, ԃҽιɳҽʂ ԋҽɾȥҽɳʂ, ɯιɾԃ ɳιҽɱαʅʂ ɠҽɳυɠ ʂҽιɳ, υɱ ԃιҽ ϝιɳʂƚҽɾɳιʂ ιɳ ԃιҽ ƙɳιҽ ȥυ ȥɯιɳɠҽɳ.

ԃҽιɳҽ ɠöƚƚҽɾ ɯιʂʂҽɳ ԃαʂ υɳԃ ʅαʂʂҽɳ ԃιƈԋ ʅҽιԃҽɳ. ʂιҽ ԋαႦҽɳ ԃιƈԋ Ⴆҽɾҽιƚʂ ҽɾʂҽƚȥƚ.

ʂιҽ ԋαႦҽɳ ҽιɳҽɳ ɳҽυҽɳ ρԋαɾασ ҽɾɯäԋʅƚ υɳԃ ԃιƈԋ αʅʂ ʋҽɾɾäƚҽɾ ɠҽႦɾαɳԃɱαɾƙƚ.

ԃιҽ ɳαƈԋɯҽʅƚ ɯιɾԃ ɳιҽɱαʅʂ ʋσɳ ԃιɾ ҽɾϝαԋɾҽɳ.

ɳιҽɱαɳԃ ɯιɾԃ ɯιʂʂҽɳ, ɯιҽ ʂҽԋɾ ԃυ ɠҽʅιƚƚҽɳ ԋαʂƚ.

ɳιҽɱαɳԃ ɯιɾԃ ʝҽɱαʅʂ ԃҽιɳ ɾυϝҽɳ ҽɾԋöɾҽɳ.
 

„Das ist nicht wahr! Ihr lügt! Lasst mich sofort los!“, knurrte er und versuchte sich zu befreien, doch Zorc umklammerte seinen Körper fester und seine Knochen begannen bereits zu knacken. Seine dunkle Aura schien sich in seine Seele zu nagen und sein ganzer Körper erzitterte. Wieso nur konnte er das Zittern nicht unterdrücken? War das etwa... Angst? Ich darf keine Angst haben, ich muss stark sein!, versuchte er sich gedanklich Mut zuzusprechen und ehe weiter über seine Situation nachdenken konnte, sprach das gigantische Wesen weiter.
 

ԃυ ɱυʂʂƚ ʂƚαɾƙ ʂҽιɳ. ƙäɱρϝҽɳ. ɳιҽɱαʅʂ αυϝɠҽႦҽɳ.

ҽʂ ιʂƚ ԃҽιɳҽ ρϝʅιƈԋƚ, ԃιƈԋ ȥυ σρϝҽɾɳ.

αႦҽɾ ԋαʂƚ ԃυ ԃҽɳɳ ɳιҽɱαʅʂ ɳαƈԋɠҽԃαƈԋƚ, ɯαʂ ԃυ ɯιʅʅʂƚʔ

ɯҽɾ ƙσɱɱƚ ԃιɾ ȥυ ԋιʅϝҽ, ɯҽɳɳ ԃυ ιɳ ԃҽɾ ƙʅҽɱɱҽ ʂƚҽƈƙʂƚʔ

ʂƈԋɾҽι ɳαƈԋ ԋιʅϝҽ, ԃσƈԋ ҽʂ ɯιɾԃ ɳιҽɱαɳԃ ƙσɱɱҽɳ.

ԃҽɳɳ ԃҽιɳҽ ɠöƚƚҽɾ ԋαႦҽɳ ԃιƈԋ ʂƈԋσɳ ʅäɳɠʂƚ ϝαʅʅҽɳ ɠҽʅαʂʂҽɳ.
 

[Um Hilfe rufen. | Kapitel 27] – [Schweigen. | Kapitel 28]
 

Seine Bitte

„Ich werde mich Euch nicht beugen. Ganz egal, was Ihr sagt, Ihr werdet meinen Willen niemals brechen! Ihr könnt Eure Klauen durch mein Fleisch bohren, meine Knochen verbrennen und mir so viele Lügen auftischen wie Ihr wollt, doch mein Glaube ist unerschütterlich!“, rief Atem und schrie direkt auf, als die riesige Klaue ihn noch fester umklammerte. Er musste stark sein. Zorc wollte seinen Verstand vergiften und er war sich sicher, dass das nur eine Probe war. Zorc ließ nicht locker und ihm blieb die Luft weg. Einmal mehr wurde ihm schwindelig und er glaubte, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren.
 

Mahaad... bitte helft mir!, flehte er gedanklich, wissend, dass dieser ihm unmöglich helfen konnte. Im selben Augenblick wurde ein schwarzer Magiestrahl abgefeuert, der Zorcs Hand traf und den jungen Pharao befreite. Er fiel hinab und erwartete den harten Aufprall, stattdessen wurde er von zwei starken Armen aufgefangen. Keuchend öffnete er die Augen und blickte in das Gesicht einer Ka-Bestie, die seinem loyalen Diener Mahaad ähnlich sah. Seine Augen strahlten dieselbe angenehme Wärme aus und sein Lächeln weckte in ihm ein Gefühl von Geborgenheit. Sie landeten am Boden und der Magier in seiner violetten Kluft legte eine Hand auf seine Schulter.
 

„Ihr müsst keine Angst mehr haben, mein Herrscher.“
 

„Unmöglich“, hauchte Atem und sah seinen Gegenüber mit großen Augen an.
 

„Ich meine mich zu entsinnen, dass Ihr Euer Herz geopfert habt und nicht Eure Erinnerungen oder habe ich so wenig Eindruck hinterlassen, dass Ihr Euch nicht an mein Gesicht erinnern könnt?“, sagte der Magier mit gespielt beleidigter Tonlage und zwinkerte einmal.
 

„Mahaad... Ihr seid hier? Warum?“, hauchte Atem und betrachtete den schwebenden Magier vor sich. Dieser senkte den Blick nur.
 

„Ich habe es Euch doch versprochen, mein Herrscher. Bis über Euren Tod hinaus werde ich über Euch wachen. Meine Loyalität Euch gegenüber kennt keine Grenzen. Die Rufe der Finsternis, die aus dem Millenniumsring strömten, haben meine ureigene Magie und somit auch meine Ka-Bestie vergiftet, doch ich bin so unendlich froh, dass ich auf diese Weise Euch nützlich sein kann. Als Schwarzer Magier kann ich Euch auch hier zur Seite stehen und habe daher Euren Hilferuf wahrgenommen.“
 

Atem lächelte und sie nickten sich zu. Gemeinsam würden sie die Bestie der Finsternis nun besiegen. Er ging auf seinen Säbel zu und hob diesen hoch in die Luft, umklammerte ihn mit fester Hand. Die Götter waren immer noch auf seiner Seite und auch sein Hilferuf wurde von seinem treuesten Diener und Hohepriester erhört.
 

„Dia Ha!“, rief Atem und zeigte mit dem Finger auf die Bestie, lief gemeinsam mit seinem treuen Diener der Bestie entgegen. Mit seiner magischen dunklen Magie konnte er die Bestie zumindest für einen Moment ablenken, so dass diese auf die Knie ging, gleichzeitig begab sich Atem auf den Rücken dessen und rammte seinen Säbel in dessen Hals, sodass die Klinge tief in dessen Fleisch steckte. Mit einem kräftigen Ruck bewegte er den Säbel seitlich und zerteilte den Hals des Monsters, köpfte den Herrscher der Finsternis. Der Schwarze Magier stand mit einem zufriedenen Lächeln vor ihm und nickte.
 

Atem und er sahen sich ein letztes Mal in die Augen und traten sich gegenüber.
 

„Mahaad, ich danke Euch. Ich bin so froh, dass Ihr hier seid, auch wenn dies bedeutet, dass...“, sagte er und senkte betroffen den Blick. Mahaad schüttelte nur den Kopf und legte seine große Hand auf Atems Schulter und sagte ihm, dass alles in Ordnung wäre. Er bereute es nicht, für seinen geliebten Bruder gestorben zu sein.
 

„Mein Pharao, ich werde auf Euch warten. Ihr müsst keine Angst haben, die Götter stehen hinter Euch und wir werden gemeinsam die Finsternis besiegen. Geht Euren Weg mit erhobenem Haupt und besteht die Prüfungen, die die Götter Euch auferlegen.“
 

„Doch Zorc sagte, dass mein Herz nicht stark genug wäre. Warum ist der Kristall meines Herzens gesprungen?“
 

Mahaad legte seine Hand nun auf die Brust des Pharaos, dieser sah ihn nur fragend an. Die leuchtende Kristallkugel schwebte erneut aus seinem Körper. Noch immer hatte sie einen großen Kratzer in der Mitte. Beinahe liebevoll strich Mahaad über die Kristallkugel.
 

„Euer Herz ist nicht vollständig, deshalb müsst Ihr diese Prüfungen bestehen. Das, was Eurem Herz fehlt, wird am Ende auf Euch warten. Der Weg vor Euch mag beschwerlich sein, doch seid Euch immer im Klaren, dass ich immer hinter Euch stehe. Vielleicht nicht in meiner Form als Mensch, aber die Verbindung unserer Herzen wird sich niemals lösen und mein Ba wird auch als Ka nach Euch suchen. Eines Tages werden wir uns wiedersehen und erneut Seite an Seite kämpfen“, meinte er lächelnd, ehe er verschwand und seinen geliebten Pharao zurück in der Finsternis ließ.
 

Atem betrachtete die leuchtenden Partikel, die langsam zu Boden glitten und warf einen weiteren Blick auf das Monster, welches in seinem eigenen Blut lag. Er glaubte nicht daran, dass er wirklich gesiegt hatte, denn Zorc hatte selbst verlauten lassen, dass das hier das Puzzle war und er sich in Wirklichkeit gar nicht hier befand. Der Herrscher der Finsternis selbst wartete vermutlich immer noch in den Schatten, hoffte darauf, dass die sieben Artefakte, die sieben Schlüssel, endlich zum Millenniumsstein gebracht wurden und das Tor geöffnet wurde. Das hier war lediglich der Beginn seiner Quest. Doch jetzt, wo er die Finsternis im Puzzle besiegt hatte, konnte er sie für sich selbst verwenden.
 

Noch bevor er seine nächsten Schritte planen konnte, veränderte sich sein Umfeld und er befand sich erneut in einem Tempel. Dieses Mal eine Tempelanlage in einem Mitternachtsblauen Saphirton, lediglich die Ornamente der Wandmalereien leuchteten in einem feinen Gold und wurden von dem sanften Kerzenschein erstrahlt. Er folgte dem Weg zu Altar. Die Lichter der Kerzen, die den direkten Weg zu diesem wiesen, flackerten für einen Moment. Dieser Altar war dem Gott des Mondes – Thot – gewidmet. Er war es auch, der den Menschen die Hieroglyphen geschenkt hatte. Es war die Schrift der Gottesworte. Ehrfürchtig warf er einen Blick auf die schöne Wandmalerei vor ihm, die den Gott mit seinem ibisähnlichen Kopf darstellte und stolz sein Was-Zepter hielt und ein Ankh in der anderen Hand trug.
 

Was wirst du aufgeben?

Deine Erinnerungen? Oder wirst du nichts darbringen?

Wähle mit Bedacht.
 

[Erinnerungen. | Kapitel 13] – [Nichts Aufgeben. | Kapitel 29]
 

Sein Schweigen


 

Du versuchst zu verstehen, doch bist rastlos.

Du erfüllst die Rolle und tust, was man vor dir erwartet.

Doch du willst die Ketten sprengen. Ausbrechen aus dem Käfig.

Zu früh um aufzugeben. Zu spät um zurückzukehren.

Die Augen der Finsternis ruhen auf dir.

Du wirst Teil des Nichts.
 

Atem senkte den Blick. Es ziemte sich nicht für einen König um Hilfe oder gar Gnade zu flehen. Selbst wenn diese Bestie all seine Knochen brach und sein Fleisch in Flammen setzte, durfte er dem Bedürfnis zu schreien oder gar zu wimmern, nicht nachgeben. Er war ein Herrscher, ein Anführer und der Hoffnungsträger eines ganzen Volkes. Sohn des Horus und somit erwählt eine große Rolle zu füllen. Von Anfang an ging es nie darum, was er wollte oder brauchte. Seine Wünsche, Pläne und Träume hatten noch nie von Wert und würden es auch niemals. Sein Herz zog sich bei diesem Gedanken schmerzlich zusammen. Je mehr er sich davon zu überzeugen versuchte, stark sein zu müssen, desto lauter wurde der Schrei seines Herzens. Doch aussprechen würde er diese Gedanken niemals. Dafür war er zu stolz. Immerhin hatte man ihn 16 lange Jahre zur Perfektion gedrillt und dieses königliche Verhalten war alles, was er jemals kennengelernt hatte. Selbst wenn er es gewollt hätte, hätte er nicht gewusst, wie er sich ausdrücken sollte.
 

Die Bestie mit den roten Augen ließ ihn wortlos fallen. Zorc schien enttäuscht, aber auch verwirrt. Der Wille des Pharaos war schwer zu brechen, doch dies war eine Herausforderung, der er sich stellen wollte. Schwach fiel Atem zu Boden und keuchte leise auf. Sein Säbel befand sich nur einige Meter von ihm entfernt, doch die Schmerzen zwangen ihn in die Knie und es war ihm unmöglich, sich aufzurichten und nach diesem zu greifen. Das war es also. So würde er ein weiteres Mal sein Ende finden. Erst wurde er von einem Säbel durchbohrt und von einem magischen Blitzstrahl getroffen und nun machte man ihn bewegungsunfähig und überließ ihn seinem Schicksal. Eine Tragödie. Ein König sollte in einer Pyramide begraben werden und rituell gereinigt werden, stattdessen verrotete sein Körper in der Außenwelt und seine Seele wartete nur noch darauf, von der ewigen Finsternis verschlungen zu werden.
 

Atem war zu schwach um zu kämpfen, doch zu stark um einfach aufzugeben. Ein leises Lachen entwich seinen Lippen und er ballte seine Hand zur Faust. Einfach aufgeben? Liegenbleiben? Auf sein Ende warten? Nein, so wollte er nicht sterben. Es gab doch noch so viele Dinge, die er tun musste. Wer würde sich Zorc stellen und die Finsternis dorthin verbannen, wo sie hingehörte, wenn er es nicht tat? Außerdem wollte er den Göttern mit erhobenem Haupt im Totenreich gegenüberstehen und seinem Vater ins Gesicht blicken und ihm sagen, dass er die Wunden heilen konnte. Vater... was würdet Ihr denken, würdet Ihr mich so sehen? Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit miteinander verbringen können. Es gab so vieles, das ich Euch fragen wollte, überlegte Atem und lachte spöttisch über sich selbst.
 

Diese Antworten wollte er finden. Hatte sein Vater ihn wirklich geliebt? Oder war es ihm vollkommen gleichgültig, in welchem Zustand er sein Land seinem einzigen Erben und rechtmäßigen Thronfolger überließ? Wieso hatte er Mutter nicht beschützt und hatte sie an jenem Tag davon abgehalten, diesen Tempel zu besuchen? Wieso hatte er ihm verheimlicht, wie die Millenniumsartefakte in die Welt gerufen worden waren? Es gab so viele Fragen, auf die er niemals eine Antwort erhalten würde. Aber vielleicht würden diese Antworten nur noch mehr Fragen und Unsicherheit in ihm hervorrufen.
 

Es erstaunte ihn, dass Zorc einfach verschwunden war. Minutenlang lag er dort am Boden, umgeben vom Nebel der Finsternis, darauf wartend, dass die Krallen der Bestie endlich zuschnappen würden, doch der stolze Jäger schien mit der gefangenen Beute nicht zufrieden zu sein und hatte sich zurückgezogen. Trotz der Schmerzen wagte er es, sich zu erheben und nach seinem Säbel zu greifen. Sein linker Arm baumelte einfach herab. Ein Glück, dass es nur der linke Arm war, da er als Rechtshänder seine Waffe stets mit der rechten Hand hielt. Seinen linken Arm opferte er somit den Göttern. Es war nicht das Opfer, das er bringen sollte, doch es war mehr als gar nichts.
 

„Mein armer Atem“, drang eine ihm unglaublich vertraute Stimme zu ihm. Er hatte sie so lange nicht gehört und beinahe vergessen, wie wohltuend sie war. Sofort drehte er sich um und starrte ungläubig in die Richtung, aus der er die Stimme vermutete. Dieses Gesicht, dieses warme Lächeln, diese königliche Haltung und diese Präsenz würde er immer und überall wieder erkennen. Doch wie war das möglich? Hatten die Götter gesehen, in welch misslicher Lage er sich befand und entschlossen, ihm Hilfe zu senden?
 

„Mein armes Kind“, sagte er und öffnete die Arme und wartete darauf, dass sein Sohn auf ihn zukam, damit er diesen in die Arme schließen konnte.
 

[Vertrauen. | Kapitel 30] – [Nicht Vertrauen. | Kapitel 31]
 

Seine Flucht


 

Du läufst davon?

Kennst du den Weg?

Du gibst deine Pflichten und deine Verantwortung auf.

Entscheidest, dass der Weg vor dir zu schwer ist, um ihn zu bestreiten.

Versuchst nicht, deine Schwächen zu überwinden.

Akzeptierst das dir auferlegte Schicksal nicht.

Fliehst vor dir selbst.

Suchst einen Schuldigen.

Weigerst dich in den Spiegel zu sehen.

Ignorierst die Konsequenzen deiner Taten.
 

Niemand konnte mit Bestimmtheit sagen, warum der Pharao sich dem Opfer verwehrte. Plötzlich war ihm alles egal und er entschloss, dass die Götter, Licht, Finsternis und all seine Pflichten als Auserwählter ihn nicht mehr interessierten. Es war ihm schlicht und ergreifend egal und so endete die Geschichte, bevor sie anfangen konnte, weil der Protagonist der Geschichte sich nicht entscheiden konnte und keine Lust mehr hatte. Böse Zungen behaupteten, der Pharao hätte nur genervt mit den Schultern gezuckt und den Göttern und all jenen, die ihm bei seiner Reise zusahen, den Mittelfinger ausgestreckt. Doch was wirklich geschah, erfuhr die Nachwelt nie. Niemand konnte wissen, was den Pharao zu dieser Entscheidung getrieben hatte. Nicht einmal die Götter konnten dies verstehen.
 

[Eine Geschichte, die nie beginnen konnte.]
 

.

.

.

Du hast alles gegeben und trotzdem ist es so geendet.

Du fragst dich, wo die Gerechtigkeit ist und du ersehnst ein anderes Ende.

Du bist verwirrt und wünscht dir einen Ausweg, doch du scheinst verloren zu sein.

Wirst du weitergehen?

Oder stehenbleiben?

.

.

.

Du möchtest noch eine Chance?

Aber ist das nicht das Ende, das du wolltest?

Du bist unzufrieden und willst es noch einmal versuchen.

Deine Entscheidungen haben Konsequenzen.

Glaubst du wirklich, dass du die Folgen deiner Taten ignorieren kannst?

Dass dich die Konsequenzen nicht betreffen?

Du wirkst nachdenklich. Demütig.

Ich spüre, dass du dies nicht gewollt hast.

Du bist unwissend und suchst den richtigen Weg.

Das ist nicht immer einfach.

Du möchtest also die Fehler der Vergangenheit gutmachen.

Ich sehe deine Entschlossenheit und deinen Mut.

Du, der du die Macht der Entscheidung hast, ich gebe dir eine besondere Kraft.

Ich bin die Erschafferin des Lichts. Mein Name lautet Horakhty.

Ich gebe dir die Macht des Rückgangs.

Ich gestatte dir, deine Entscheidungen zu überdenken.

Doch du selbst musst den Weg finden.

Ich kann dir dabei nicht helfen.

Du selbst musst herausfinden, wo du welche Entscheidung treffen musst.

Diese Bürde kann dir niemand abnehmen.

Finde den Weg aus der Finsternis und bringe eine Geschichte zum Ende, die im Licht endet.

Fürchte dich nicht. Ich weise dir den Weg.

Auch wenn du dich verloren fühlen magst, wisse, die Götter wachen über dich.

Mit dieser besonderen Kraft wirst du das Ende finden, das du ersehnst.

Nutze diese Kraft, wann immer du sie für nötig hältst.

Im Licht werde ich auf dich warten.


 

Sein Vertrauen

„Vater! Sagt, wie ist das möglich?“, wollte er wissen und kam diesem näher und blieb nur eine Armlänge Abstand zu diesem stehen. Er hielt seinen Säbel fest in der Hand umschlossen, doch als sein Gegenüber näher kam und seine Arme um ihm schloss, ließ er seine Waffe fallen und legte seinen rechten Arm um diesen, um diese Umarmung zu erwidern.
 

„Mein armes Kind“, begann er erneut und streichelte zärtlich über Atems Kopf, ehe er weitersprach, „so viel musstest du leiden! Doch nun bin ich hier, um dich zu beschützen. Du befindest dich im Puzzle und deine Seele beginnt bereits, mit der Finsternis zu verschmelzen. Deine Erinnerungen haben mich hierher geführt.“
 

„Ich bin so froh, dass Ihr hier seid“, murmelte Atem und drückte sich an den warmen Körper vor ihm und wünschte sich, dass er niemals wieder loslassen müsste. Plötzlich ein stechender Schmerz in seinem Rücken. Schockiert riss er die Augen auf. Es war ihm nicht möglich, etwas zu sagen. Sein Mund füllte sich erschreckend schnell mit seinem Blut und er gurgelte, schnappte nach Luft. Verzweifelt krallte er sich an diesen Mann, wissend, dass dies sein Ende war, dieser strich ihm erneut behutsam über den Kopf.
 

„Mein armes Kind“, sagte er einfühlsam und drückte den Pharao noch einmal an sich.
 

„Ich beende dein Leiden. Ich nehme dir die Last von den Schultern. Lass uns gemeinsam in der Finsternis vergehen“, waren die letzten Worte des Pharaos, ehe sein Bewusstsein erlosch und seine Seele von den Schatten gefressen wurde.
 

ʂƈԋσɳ Ⴆαʅԃ ƙσɱɱƚ ԃҽɾ ƚαɠ, ɯσ ɱαɳ ԃιɾ ԋιɳƚҽɾɾüƈƙʂ ҽιɳҽɳ ԃσʅƈԋ ιɳ ԃҽɳ ɾüƈƙҽɳ ɾαɱɱƚ υɳԃ ԃιҽʂҽ ρҽɾʂσɳ ɯιɾԃ ʝҽɱαɳԃ ʂҽιɳ, ԃҽɳ ԃυ ɠҽʅιҽႦƚ ԋαʂƚ. ʋҽɾƚɾαυƚ ԋαʂƚ.

ԃυ ԃαɾϝʂƚ ƙҽιɳҽ ʂƈԋɯäƈԋҽ ȥҽιɠҽɳ.

ԃҽιɳ ҽɳԃҽ ɳαԋƚ, ɯҽɳɳ ԃυ ԃҽɱ ρϝαԃ ԃҽιɳҽʂ ʋαƚҽɾʂ ϝσʅɠʂƚ.
 

[Eine Geschichte, die das Vertrauen missbraucht.]
 

.

.

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Du hast alles gegeben und trotzdem ist es so geendet.

Du fragst dich, wo die Gerechtigkeit ist und du ersehnst ein anderes Ende.

Du bist verwirrt und wünscht dir einen Ausweg, doch du scheinst verloren zu sein.

Wirst du weitergehen?

Oder stehenbleiben?

.

.

.

Du möchtest noch eine Chance?

Aber ist das nicht das Ende, das du wolltest?

Du bist unzufrieden und willst es noch einmal versuchen.

Deine Entscheidungen haben Konsequenzen.

Glaubst du wirklich, dass du die Folgen deiner Taten ignorieren kannst?

Dass dich die Konsequenzen nicht betreffen?

Du wirkst nachdenklich. Demütig.

Ich spüre, dass du dies nicht gewollt hast.

Du bist unwissend und suchst den richtigen Weg.

Das ist nicht immer einfach.

Du möchtest also die Fehler der Vergangenheit gutmachen.

Ich sehe deine Entschlossenheit und deinen Mut.

Du, der du die Macht der Entscheidung hast, ich gebe dir eine besondere Kraft.

Ich bin die Erschafferin des Lichts. Mein Name lautet Horakhty.

Ich gebe dir die Macht des Rückgangs.

Ich gestatte dir, deine Entscheidungen zu überdenken.

Doch du selbst musst den Weg finden.

Ich kann dir dabei nicht helfen.

Du selbst musst herausfinden, wo du welche Entscheidung treffen musst.

Diese Bürde kann dir niemand abnehmen.

Finde den Weg aus der Finsternis und bringe eine Geschichte zum Ende, die im Licht endet.

Fürchte dich nicht. Ich weise dir den Weg.

Auch wenn du dich verloren fühlen magst, wisse, die Götter wachen über dich.

Mit dieser besonderen Kraft wirst du das Ende finden, das du ersehnst.

Nutze diese Kraft, wann immer du sie für nötig hältst.

Im Licht werde ich auf dich warten.


 

Seine Zweifel

Unsicher betrachtete er seinen Vater, der ihn mit diesem liebevollen und warmen Lächeln bereicherte und im selben Atemzug all seine inneren Instinkte weckte. Irgendetwas in ihm sagte ihm, dass dieser Mann nicht sein Vater sein konnte. War dies ein weiterer Weg des Herrschers der Finsternis, um seinen Willen zu brechen und seinen Verstand zu vergiften? Er blieb auf der Stelle stehen und wartete ab. Sein Gegenüber schien darauf zu warten, dass er näherkam. Sein Vater hätte nicht gezögert und wäre auf der Stelle zu ihm gekommen. Der echte Akhenamkhanen hätte die Wunden seines eigenen Kindes sofort erkannt, doch dieser Mann schienen seine Verletzungen nicht zu stören und erwartete von ihm, zu ihm zu kommen, wo er doch kaum mehr die Kraft hatte, sich auf den Beinen zu halten.
 

„Wer seid Ihr?“, knurrte er und fixierte den Mann mit einem finsteren Blick.
 

„Mein armes Kind, du musst verwirrt sein. Siehst du denn nicht, dass ich dein über alles geliebter Vater bin?“, sagte er und legte den Kopf fragend schief und lachte einmal leise und versuchte den jungen Pharao erneut dazu zu bringen, ihm zu vertrauen und auf ihn zuzukommen. Stattdessen umklammerte Atem den Griff seines Säbels noch fester. Sein ganzer Körper stand unter Spannung.
 

Mein über alles geliebter Vater?“, wiederholte Atem und grinste breit.
 

„Mein Vater und ich hatten kaum Kontakt zueinander. Zuletzt war er so krank, dass er mich nicht einmal mehr erkannte und man ihm zwangsläufig die Herrschaft entriss, ehe er unter großen Schmerzen starb. Wer auch immer Ihr seid, mein Vater hätte meine Wunden nicht ignoriert und wäre sofort zu mir gekommen. Mein Vater würde vor mir auf die Knie fallen und sich für das entschuldigen, was er mir überlassen hat“, erklärte er und hob den Säbel in die Luft, forderte diese Gestalt der Finsternis zum Kampf heraus. Plötzlich leuchteten die Augen seines falschen Vaters auf. Ein blutrünstiges und markerschütterndes Leuchten, das seinen ganzen Körper zu lähmen versuchte. Er kannte dieses Gefühl. Das war die Finsternis selbst, die seine Seele zu zerbrechen versuchte und mit ihren hinterhältigen Tücken einen Weg in sein Herz suchte, um ihn von innen heraus zu zerstören. Atem entschloss, dass er sich von dem Äußeren dieser Person nicht blenden lassen durfte. Auch wenn dies die Gestalt seines eigenen Vaters war, musste er stark sein.
 

„Mich täuscht Ihr nicht. Ich weiß, dass Ihr dahinter steckt, Zorc!“, brüllte er dann und kämpfte erneut gegen die Ohnmacht an. Sein Körper schmerzte. Seine Seele weinte und selbst das Herz, das er von Zorc zurückbekam, wurde erobert von all den Gefühlen der Trauer im Angesicht dessen, dass sein Vater von der Finsternis missbraucht wurde und man ihn auf so hinterhältige und abartige Art und Weise zu täuschen versuchte. Die Finsternis kannte keine Grenzen und selbst die Ruhe der Toten wagten sie zu stören. Sein Vater mochte viele Fehler gemacht haben und war zuletzt nicht mehr in der Lage mit klarem Verstand über sein Land zu herrschen, doch er hatte diese Respektlosigkeit nicht verdient.
 

Mit 12 Jahren wusste Atem bereits, dass die Herrschaft seines Vaters nicht mehr lange bestehen würde. Gebelk hatte ihn gewarnt und darauf vorbereitet, ein Land des Aufbruchs zu erben, in dem ein jeder den Glauben hatte, tun und lassen zu können, was er wollte. Akhenamkhanen konnte keine Gesetze mehr erlassen und hatte die Führung seinen Priestern und Beratern überlassen und Atem, der seinen Vater aufgrund seiner harten Ausbildung kaum sehen konnte, hatte lediglich seine Schmerzensschreie und den Wahnsinn gehört, der ihn von innen heraus zerfraß. Und nun fragte sich Atem, ob dieser Wahnsinn, der ihn befallen hatte, seinen Ursprung im Millenniumspuzzle selbst lag. In dem Moment, als er die Wahrheit über die Millenniumsartefakte erfuhr, wurde sein Wille gebrochen und die Macht der Finsternis plagte ihn und raffte ihn langsam dahin. Erst jetzt wurde ihm so richtig bewusst, wie gefährlich diese Artefakte sein konnten. Nur ein starker Träger mit einer festen und unerschütterlichen Seele konnte ihrer Herr werden.
 

Ich habe an mir und meinen Entscheidungen gezweifelt. Verstehe. Ich selbst habe die Tür zu meinem Herzen geöffnet und der Finsternis Einlass gewährt. Vater, ich verstehe Euch nun etwas besser. Doch nun ist es zu spät, denn auch ich habe gegen diese dunkle Macht verloren und mir fehlt die Kraft, mich ihr entgegenzusetzen, dachte er und zwang sich dazu, weiterhin aufrecht stehen zu bleiben und den Säbel in der Luft zu behalten. Doch sein Arm zitterte, so auch sein ganzer Körper und es fiel ihm so schwer, wach zu bleiben. Immer wieder wurde sein Umfeld schwarz, doch er würde dieser Bestie nicht unterliegen und bis zum bitteren Ende Widerstand leisten.
 

„Du bist alles andere als dumm, Atem. Trotzdem hast du mir nichts entgegenzusetzen“, lachte sein falscher Vater und zuckte mit den Schultern, zog dann seinen eigenen Säbel.
 

„Wirst du etwa gegen die Gestalt deines Vaters kämpfen? Ist dein Wille stark genug, deinen eigenen Vater zu töten, um deine Ziele zu erreichen?“
 

[Kämpfen. | Kapitel 32] – [Nicht Kämpfen. | Kapitel 35]
 

Seine Überwindung

Sein Herz klopfte unnachgiebig gegen seinen Brustkorb und das Atmen fiel ihm plötzlich so schwer. Bis eben hatte er damit gekämpft, den Säbel in der Luft zu halten und nun verließen ihn all seine Kräfte und er senkte die Klinge, starrte auf den Boden und die wacklige Klinge. Wackelte der Boden? Nein, einmal mehr hatte er die Kontrolle verloren. Sein Körper bebte und er glaubte, dass ihm seine Waffe jeden Moment aus der Hand gleiten würde. Wenn er nicht kämpfte, würde dies bedeuten aufzugeben und das Schicksal zu akzeptieren. Dann würde die Finsternis die Welt umschlingen und sie in ihren eisernen Griff nehmen und niemals wieder loslassen, doch das durfte er nicht zulassen. Jetzt aufzugeben, würde heißen, dass er weder seinen Ahnen noch seinem echten Vater jemals ins Gesicht sehen könnte, denn der Scham darüber, versagt zu haben, würde zu unerträglich sein.
 

Musste er wirklich seinen eigenen Vater niederstrecken? Gab es denn keinen anderen Weg? Noch ehe er seinen Gedankengang fortsetzen konnte und eine Entscheidung treffen konnte, sah er im Augenwinkel ein verheißungsvolles Glänzen, als er seinen Blick hob, sah er die Klinge eines Säbels, die direkt vor seinen Augen baumelte. Sein falscher Vater hatte sich ihm unbemerkt genähert und hätte ihn direkt besiegen können, stattdessen betrachtete er ihn mit einem Lächeln.
 

„Atem“, sagte er und keuchte angestrengt. Angesprochener riss die Augen auf. Das dämonische Leuchten der Augen flackerte und er glaubte, dass zwei Seelen um diesen Körper kämpften. Die Klinge vor seinem Gesicht bewegte sich hin und her, als würden zwei Personen an einem Seil ziehen und versuchen die Oberhand zu gewinnen. Sein falscher Vater wurde von irgendjemanden aufgehalten.
 

„Du darfst nicht aufgeben. Du musst mich töten, ansonsten werde ich niemals in Frieden ruhen können. Ich flehe dich an, lass nicht zu, dass ich das Blut meines eigenen Sohnes vergießen muss“, erklärte er und Tränen liefen über seine Wangen. Dann flackerten seine Augen. Ruckartig sprang Atem nach hinten und vergrößerte den Abstand zwischen sich und seinem Gegner. Unmöglich! Hatte Zorc es etwa gewagt, die Seele seines Vaters aus dem Reich der Toten zu zerren? War es denn nicht schon schlimm genug, dass sein irdischer Körper geschändet wurde und man sein Grab beraubte? Der Grabräuber hatte seinen toten Körper hinter sich her geschleift, doch damit war es nicht genug, der Herrscher der Finsternis hatte seine Seele gestohlen. Atem musste seinen Vater befreien. Sie hatten Differenzen gehabt und auch wenn er nur wenig Zeit mit ihm verbringen konnte, so wollte er unter keinen Umständen, dass sein Vater als Marionette der Finsternis missbraucht wurde.
 

„Zorc!“, schrie er mit all seiner Kraft. Er war erfüllt von Zorn und abgrundtiefen Hass. Der Körper vor sich zuckte wie ein wildes Tier. Seine Augen waren leer und keinerlei Gefühl mehr zu erkennen. Atems Herz schmerzte, doch er war erfüllt von einer Kraft, die er bis eben nicht gekannt hatte. Er würde siegen und die Seele seines Vaters befreien. Er durfte nicht mehr zögern. Er musste kämpfen!
 

Atem! Bitte verzeih mir! Ich werde versuchen, ihn aufzuhalten und die Kontrolle über diesen Körper zu erlangen, aber du darfst keine Sekunde mehr zögern. Du musst mich töten. Lass nicht zu, dass meine Schwäche die Welt vernichtet, hörte er die Stimme seines Vaters in seinem Kopf und biss sich auf die Unterlippe. Er wollte seinen Vater hassen. So sehr wollte er es! Mit allem, was er hatte, wollte er ihn verleugnen, denn nur so hätte er die Fesseln der Vergangenheit durchtrennen können, doch vollkommen egal, wo er hinging, überall war sein Schatten, der sich über ihn legte und ihn zu erdrücken versuchte. Die Erfolge des großen Pharaos Akhenamkhanen, der den Krieg beendet hatte und in der Oberstadt gefeiert wurde und sogar die Macht der Millenniumsartefakte und somit eine Verbindung zu den Göttern brachte, waren schwer zu übertreffen. Die einen hassten Akhenamkhanen und die anderen waren ihm dankbar.
 

Seit seiner Kindheit war Atem hin und hergerissen zwischen den Meinungen anderer, doch was dachte er über seinen Vater? Was war es, was er fühlte, wenn er an ihn dachte? Ich wollte, dass Ihr mich anseht und mir sagt, dass Ihr mich liebt und dass Ihr stolz auf mich seid. Das war alles, was ich wollte. Eure Zuneigung! Jetzt, wo ich Euch endlich wiedertreffe, muss ich Euch mit meinen eigenen Händen niederstrecken? Oh, Ihr Götter! Warum nur tut Ihr mir das an?, fragte er sich gedanklich und er konnte nicht verhindern, dass einzelne Tränen seine Wangen hinabliefen. Das hier war die Prüfung, die er bestehen musste. Er musste seine Vergangenheit überwinden und seinen eigenen Weg finden. Niemals wieder durfte er zurück sehen und musste alles hinter sich lassen.
 

Erneut flackerten die Augen seines Vaters und er wusste, dass der echte Akhenamkhanen gegen Zorc ankämpfte und ihn daran hinderte, seinem Sohn Leid zuzufügen und obwohl Atem das wusste, konnte er seine Klinge nicht durch den wehrlosen Körper vor sich stoßen.
 

[Töten. | Kapitel 33] – [Nicht Töten. | Kapitel 35]
 

Seine Tränen

Atem hob seinen Säbel und rammte die eiserne Klinge in den Körper seines eigenen Vaters. Sein Herz schrie. Seine Seele brannte. Sein Wille drohte zu brechen. Er ließ den Griff los und fiel auf die Knie. Hemmungslos weinte er und schluchzte. Er schrie. Seine Schreie endeten nicht. Sie wurden lauter und betäubten seine eigenen Ohren. Der Vater seines Körpers fiel zu Boden und lag bewegungslos vor ihm. Atem hob seinen Blick, doch durch all die Tränen war alles verschwommen. Seine Lippen bebten, rasch erhob er sich und zog den Säbel aus dem Körper seines Vaters. Vorsichtig ließ er seine Finger über dessen eiskalte Wange streifen. Die Augen waren leer und starrten in das Nichts. Er schüttelte seinen Kopf, als wollte er dies verneinen, doch er konnte nichts mehr ändern. War das der Pfad, den die Götter sich für ihn ausgedacht hatten?
 

Erneut schrie er und drückte sein Gesicht auf die Brust des Mannes, der einst sein Vater war. Stundenlang hatte er geweint und er hatte seine Stimme verloren. Er konnte dies nicht ungeschehen machen. Zitternd legte er seine Hand auf das Gesicht seines Vaters und schloss seine Augen, damit er ihn nicht mehr so sehen musste.
 

„Ihr Götter“, flüsterte Atem, schaffte es aber nicht seine Stimme wiederzufinden. Zu groß der Schmerz. Zu unerträglich das Leid. Trotzdem musste er weitergehen. Er war der Auserwählte. Sein Vater hatte ihm dieses Land anvertraut und Atem war sich sicher, dass dieser nicht wollte, dass er hier einfach aufgab und seinen Weg beendete. Energisch wischte er sich die Tränen weg und schniefte.
 

Vater, auch wenn ich es Euch nie zeigen konnte... ich habe Euch geliebt. Doch ich hatte zu sehr Angst, dies zuzugeben und fürchtete, dass man diese Schwäche ausnutzte. Dabei wollte ich doch so sehr an Eurer Seite sein. Warum nur musste es so enden? Warum nur quälen die Götter mich auf diese grausame Art? Vater, verzeiht mir. Ich habe das nie gewollt, sinnierte er und torkelte weiter. Seine Körper war verletzt, sein linker Arm untauglich und es fiel ihm so schwer, weiterzugehen und doch war da etwas, das ihn antrieb. All die Dinge, die er erlebt hatte, mussten doch einen Zweck haben. Für irgendetwas musste all dies doch gut gewesen sein! Oder? War er letztendlich nichts weiter als eine Schachfigur, die vom Feld genommen wurde und ihren Beitrag geleistet hatte?
 

„WO SEID IHR!?“, schrie er urplötzlich und blieb nun stehen. Zorn kam in ihm auf.
 

„Ihr, die Ihr mich hierher gebracht habt! Habt Ihr Spaß daran, mir dabei zuzusehen, wie ich zu Grunde gehe? Ich dachte, Ihr wolltet, dass ich meine Erinnerungen und mein Herz aufgebe! Ich gebe Euch alles! Denn ich habe alles verloren! Nehmt meinen Stolz! Meine Ehre! Mein Leben! Ich ertrage all dies nicht mehr!“, fluchte er und griff nach seinem Säbel, betrachtete die blutverschmierte Klinge. Es gab keinen Weg. Die Götter hatten ihn verlassen. Niemand half ihm.
 

[Es beenden. | Kapitel 34]
 

Sein Ende

Atem lächelte und ging auf die Knie. Seine Hand zitterte. Er lächelte nur.
 

Ich bin endlich frei. Vater, verzeiht mir. Die Bürde war zu schwer. Ich ertrage es nicht länger. Ich wollte doch nur meine eigenen Entscheidungen treffen und ein normales Leben führen. Doch ich fürchte den Weg vor mir. Ich möchte nicht mehr weitergehen, dachte er und hob seinen Säbel, legte die Spitze seiner Klinge an seine eigene Kehle. In dem Moment, als er diese durchtrennen wollte, spürte er eine Hand auf seiner Schulter ruhen, ehe er sich umdrehen konnte, entriss man ihm die Waffe. Bevor er realisieren konnte, was geschah, fühlte er eine unglaubliche Hitze auf seiner Wange. Den lauten Knall hatte er erst danach bemerkt. Vor ihm stand sein in Tränen aufgelöster Vater, der ihm eine schallende Ohrfeige verpasst hatte. Er sagte nichts, sondern legte seine Arme um sein Kind, drückte dessen Kopf an seine Brust und zerquetschte den kleinen Körper fast, der unaufhörlich bebte.
 

„Was hast du dir nur dabei gedacht?! Mein Junge! Oh, Ihr Götter! Seht Ihr denn nicht, dass er noch ein Kind ist?“, sagte er laut und ließ sein Kind nicht los, streichelte über dessen Rücken. Langsam hob Atem seine Hand und legte sie um diesen Mann. War das hier sein echter Vater? Oder war dies erneut ein Trugbild der Finsternis? Wem nur durfte er vertrauen? Sicher, war auch das hier eine Falle. Kraftlos ließ er seinen Arm wieder fallen und versuchte sich aus den Armen zu befreien. Das musste eine Falle sein.
 

„Warum hast du denn nicht um Hilfe gerufen?! Du dummer Junge!“
 

Sein Vater schluchzte, legte beide Hände auf seine Schultern und sah ihm mit traurigen Augen an. Tränen liefen über seine Wangen und es war ihm anzusehen, dass er mit dieser Situation überfordert war.
 

„Niemand erwartet von dir, dass du das Schicksal der Welt allein auf deinen Schultern trägst! Ach, mein lieber, kleiner Atem!“, sprudelte es aus ihm heraus, doch Atem senkte nur den Blick, wagte es nicht, seinem Vater ins Gesicht zu sehen.
 

Er will mich täuschen. Das hier ist nur eine Illusion. Mein Vater ist tot. Ich selbst habe ihn getötet.
 

„Hörst du mir überhaupt zu?“, fragte er dann, doch Atem reagierte nicht. Seine Augen waren leer und sein Gesicht ausdruckslos.
 

„Gibst du etwa auf?“, wollte Akhenamkhanen wissen und legte zärtlich seine Hand unter Atems Kinn und zwang ihn dazu, ihn anzusehen.
 

„Bitte“, hauchte Atem, sprach dann weiter. „tötet mich einfach. Ich habe genug von Euren Spielchen. Es kümmert mich nicht mehr. Ich bin es leid, dieser ewiger Kampf von Licht gegen Finsternis. Gut gegen Böse. Es ist mir egal, wer gewinnt, denn ich habe nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnt.“
 

Ich bin ein Mörder. Ein Versager. Es soll einfach nur noch aufhören.
 

„Atem! Ich habe dir diesen Namen aus einem guten Grund gegeben! Du kannst hier nicht einfach aufgeben. Ich weiß, dass es so unglaublich schwierig für dich ist, hier weiterzugehen, doch du musst endlich einsehen, dass du nicht allein bist! Du musst nicht alles alleine schaffen. Ich weiß, dass ich versagt habe. Ich war zu schwach, um gegen die Finsternis anzukämpfen. Ich wurde ein Teil der Finsternis, denn meine Seele und mein ganzes Wesen wurden von dem Millenniumspuzzle absorbiert. Nur deshalb bin ich hier.“
 

„Ihr gebt also zu, dass Ihr die Finsternis seid und mich erneut in eine Falle locken wollt. Hört auf mit diesen kindischen Spielchen und lasst mich sterben. Ich habe den Willen zu kämpfen verloren“, meinte Atem nur. Akhenamkhanen rüttelte an ihm und drückte seine Stirn gegen die von Atem. Sein warmer Atem legte sich über Atems Haut und er erschauderte, konnte die Tränen nicht mehr aufhalten.
 

„Verzeih deinem schwachen Vater, der gegen die Finsternis verloren hat. Doch ich bin hier und ich werde niemals zulassen, dass du dasselbe Ende nimmst. Du musst aufstehen und weitergehen. Und wenn der Weg noch so schwer ist, wisse, dass ich immer an deiner Seite sein werde. Ich bin dein Vater und liebe dich. Mehr als alles andere. Und wenn ich die Götter verleugnen und bekämpfen muss, dann werde ich auch das tun, um mein geliebtes Kind zu beschützen“, sagte er und stand auf, zog Atem vorsichtig auf die Beine und legte seine Arme um ihn, drückte ihn einmal mehr an sich.
 

Atem schluchzte leise.
 

„Bitte helft mir, Vater. Ich schaffe das nicht allein. Bitte weist mir den richtigen Weg“, wimmerte er und drückte sein Gesicht in den Stoff, schluchzte mehrmals auf und brach dann in den Tränen aus. Akhenamkhanen hielt ihn geduldig in seinen Armen und wartete darauf, dass sein Sohn sich beruhigte. Atem mochte volljährig sein, doch er war noch viel zu unerfahren, um seinen Weg allein zu gehen.
 

„Du bist nicht allein. Du wirst wahre Freunde finden und mit ihnen gemeinsam gegen die Finsternis kämpfen. Es ist vollkommen in Ordnung, Angst zu haben, auch diese Gefühle sind ein Teil deiner Seele und du darfst sie nicht verleugnen. Lerne aus deinen Fehlern und wachse an deinen Aufgaben. Auch das gehört zum Leben dazu, mein Sohn.“
 

„Aber...“, murmelte Atem, doch sein Vater legte seine Hand auf seinen Kopf und strich mit einem warmen Lächeln über sein Haar.
 

„Du bist niemals allein. Auch wenn du dich verloren fühlen magst, es gibt immer einen Weg. Doch wenn du einfach aufgibst und dich selbst bemitleidest, werden Türen und Pfade für immer verschlossen sein. Du wirst viel Leid ertragen müssen, doch ich verspreche, dass das Licht am Ende auf dich wartet. Folge dem Licht, Atem. Vertraue deinem Herzen und lass die Fehler der Vergangenheit ruhen. Nur wenn du deine Vergangenheit hinter dir lässt, wirst du nach vorne gehen können.“
 

„Vater, Ihr habt recht! Aber“, begann er und senkte den Blick, suchte nach den richtigen Worten.
 

„Was ist, mein Sohn? Was bedrückt dich?“
 

„Zorc meinte, dass mein Herz beschädigt sei und ich frage mich, ob ich stark genug bin. Der Kristall meines Herzens ist gesprungen“, erklärte er und ehe er weitersprechen konnte, legte Akhenamkhanen seine warme Hand auf Atems Brust und im nächsten Moment erschien ein warmes Leuchten und der Kristall schwebte vor ihnen. Akhenamkhanen hielt seine Hand entgegen und der Kristall landete von selbst in seiner Hand. Das warme Licht erhellte die Finsternis, in der sie sich befanden und gab Atem ein Gefühl von Sicherheit. Als er seinen Kopf hob, wirkte sein Vater wie ein wahrer Pharao, erleuchtet von dem Herzenslicht und stolzem Blick. Diesen Anblick und dieses warme Lächeln erfüllte ihn mit neuer Hoffnung und Mut.
 

„Atem, dein Herz war schwach und hat sich von der Finsternis verführen lassen. Es war die Finsternis selbst, dir dein Herz verletzte und nur du kannst diese Wunde heilen. Aber das geht nur, wenn du lernst, die Fehler, die du gemacht hast, als einen Teil von dir zu akzeptieren. Die Zeit heilt alle Wunden und das, was dir fehlt, wird auf dich warten, wenn du weiter gehst. Der Weg vor dir mag beschwerlich sein, doch sei dir immer im Klaren, dass ich immer hinter dir stehe. Und auch dein Bruder Mahaad, all deine Hohepriester – wir alle warten auf dich und wir wissen, dass du diese dir von den auferlegte Pflicht erfüllen wirst.“
 

„Oh, Vater“, seufzte Atem und lächelte, warf sich noch ein letztes Mal in die Arme seines Vaters und versprach ihm, mit erhobenem Haupt voranzugehen. Akhenamkhanen sah seinem Sohn zu, wie dieser erneut den Kampf gegen die Bestie aufnahm und dieses Mal siegreich hervorging. Sein Wille war stark.
 

Ich war nicht stark genug, um der Finsternis zu widerstehen. Sie verschlang meine Seele und lähmte meinen Körper. Doch du bist der Gott der Götter und die Götter haben dich auserwählt. Es war nie meine Bestimmung das Licht zu finden, sondern deine. Mein liebster Sohn, ich bin so stolz auf dich und ich werde immer hinter dir stehen, auch wenn du vom Weg abkommst.
 

[Eine Geschichte, die die Liebe eines Vaters beweist.]
 

[Kapitel 13]
 

Sein Schmerz

„Ich kann das nicht“, hauchte Atem und ließ seinen Säbel fallen und verschloss die Augen vor der schmerzhaften Realität.
 

Im nächsten Augenblick rammte diese Gestalt, die das Aussehen seines Vaters angenommen hatte, seine Klinge in seinen Körper und er landete unsanft auf dem Boden. Er gurgelte und erbrach sein eigenes Blut, griff sich an die Brust und warf einen letzten Blick zu dem Mann hoch, den er als seinen Vater erkannte. Das rote Leuchten in seinen Augen war nun verschwunden und er fiel auf die Knie, packte sich an den Kopf und zerzauste sein Haar, schrie und weinte, um seinen Sohn. Er hatte die Kontrolle verloren und wurde verzehrt von der Finsternis. In dem Moment als Akhenamkhanen von der Wahrheit hinter den Millenniumsartefakten erfuhr, hatte er den Willen zu kämpfen verloren und ließ die Finsternis in sein Herz. Das Puzzle raubte ihm seinen Verstand und lähmte seinen Körper. Er verlor sich in den wirren Wegen des Puzzles und fand den Weg ins Licht nicht zurück.
 

Und nun hatte die Finsternis ihn dazu gebracht, seinen eigenen Sohn zu töten. Das Blut seines eigenen Fleisch und Bluts haftete nun an seinen Händen. Er umklammerte den kalten Körper seines Kindes, wiegte ihn hin und her. Atem war nichts weiter mehr als eine leere Hülle. Die Finsternis verschlang sie beide und Zorc hatte mit einem hinterhältigen Trick den Auserwählten des Lichts getötet und somit eine Katastrophe über die Welt heraufbeschworen. Mit der Seele des Pharaos und dessen Vater hatte er zusätzliche Macht erhalten, die es ihm möglich machte, das Licht selbst zu infiltrieren und so nutzte er seine Chance, den nächsten Auserwählten auf den Pfad der Finsternis und des Verderbens zu führen.
 

[Eine Geschichte, die ins Verderben führt.]
 

.

.

.

Du hast alles gegeben und trotzdem ist es so geendet.

Du fragst dich, wo die Gerechtigkeit ist und du ersehnst ein anderes Ende.

Du bist verwirrt und wünscht dir einen Ausweg, doch du scheinst verloren zu sein.

Wirst du weitergehen?

Oder stehenbleiben?

.

.

.

Du möchtest noch eine Chance?

Aber ist das nicht das Ende, das du wolltest?

Du bist unzufrieden und willst es noch einmal versuchen.

Deine Entscheidungen haben Konsequenzen.

Glaubst du wirklich, dass du die Folgen deiner Taten ignorieren kannst?

Dass dich die Konsequenzen nicht betreffen?

Du wirkst nachdenklich. Demütig.

Ich spüre, dass du dies nicht gewollt hast.

Du bist unwissend und suchst den richtigen Weg.

Das ist nicht immer einfach.

Du möchtest also die Fehler der Vergangenheit gutmachen.

Ich sehe deine Entschlossenheit und deinen Mut.

Du, der du die Macht der Entscheidung hast, ich gebe dir eine besondere Kraft.

Ich bin die Erschafferin des Lichts. Mein Name lautet Horakhty.

Ich gebe dir die Macht des Rückgangs.

Ich gestatte dir, deine Entscheidungen zu überdenken.

Doch du selbst musst den Weg finden.

Ich kann dir dabei nicht helfen.

Du selbst musst herausfinden, wo du welche Entscheidung treffen musst.

Diese Bürde kann dir niemand abnehmen.

Finde den Weg aus der Finsternis und bringe eine Geschichte zum Ende, die im Licht endet.

Fürchte dich nicht. Ich weise dir den Weg.

Auch wenn du dich verloren fühlen magst, wisse, die Götter wachen über dich.

Mit dieser besonderen Kraft wirst du das Ende finden, das du ersehnst.

Nutze diese Kraft, wann immer du sie für nötig hältst.

Im Licht werde ich auf dich warten.


 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Diese Fanfiktion folgt einem Multiple Choice System. Lediglich die ersten Kapitel sind chronologisch angeordnet. Am Ende jedes Kapitels steht geschrieben, wo ihr hinmüsst. Eure Entscheidungen haben Konsequenzen und nehmen Einfluss auf das Ende.

Mit 13 Jahren galt man im Alten Ägypten als volljährig und wurde normalerweise verheiratet und zeugte daraufhin bald die ersten eigenen Kinder. Das lassen wir hier mal aus. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Am Sonntag (11.08.19) folgen Kapitel 7-35 in einem Rutsch. Bitte bedenkt, die Kapitel nicht chronologisch zu lesen und euch an die Anweisungen zu halten. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Der letzte Satz bezieht sich auf den Epilog des Mangas:

»In dieser Geschichte ging es nicht um einen besonderen König. Jeder hat seine eigene Geschichte. Eine Geschichte, die im Licht ihr Ende gefunden hat...

Und meine Geschichte fängt jetzt erst an!«
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Kommentare zu dieser Fanfic (11)
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Von:  SuperCraig
2019-09-16T23:34:44+00:00 17.09.2019 01:34
Genau sowas habe ich mir gedacht. Wenn Atem sein anderes Ich annimmt, ist der Kampf gewonnen. Dass er so passiv war, und sich gar nicht gewehrt hat, hätte ich ihm auch nicht zugetraut, aber trotzdem. Fand ich schön, denn es hat gezeigt, dass in ihm irgendwo noch immer der Pharao steckt, der allmählich lernt, dass auch ein Gott eine Schattenseite besitzt.

Dass er Mitleid für sein "böses" Dasein empfindet, macht das Ganze noch zusätzlich pikant. Ironischerweise bemitleidet er sich somit selbst, was im Umkehrschluss bedeutet, dass er langsam lernt, seine Fehler zu sehen und auch zu verstehen. Finde ich eine gute Charakterentwicklung, die dem normalen Atem nie möglich gewesen wäre.

Noch ein Opfer? Das ist aber schon ausgesprochen...frech. :D Wenn er nun noch sein Herz gibt, was bleibt dann noch? Ist es das Ziel der Götter, Atem von Grund auf neu zu formen? Sein eigenes Ziel? Natürlich weiß er nichts von seinem vorigen Opfer, aber noch einmal - lehnt er instinktiv ab? Ich weiß es nicht, und wäge noch ein wenig ab. Mal sehen!
Von:  SuperCraig
2019-09-16T11:57:01+00:00 16.09.2019 13:57
Naaah, der kleine Fennek Mahaad. Auch wenn es falsch sein mag, doch ich glaube fest daran, dass ein Stück des echten Mahaads in ihm wohnt. Der den Pharao begleitet und beschützt, zumindest bis an diesen Punkt.

Auch dass sich Atem an den kleinen Fuchs klammert, finde ich schön. Jetzt, wo er frei von der Bürde des Pharao ist, zeigt sich seine weiche, liebevolle, ängstliche Seite, die er auch auslebt. Er ist ein richtiger Mensch geworden, keine personifizierte Gottheit, die stark und mächtig sein muss. Endlich darf er Schwäche zeigen.

Er spricht auch ganz anders, finde ich. Junge, kein Pharao. "Whoa", alleine dieses Wort verhilft ihm zu einem eher altersgemäßen Verhalten. Das gefällt mir gut, denn es zeigt die Wandlung und die Komponente des Fehlens der Erinnerungen.

Nun, kämpft er, oder nicht? Ich bin zwiegespalten. Der Atem mit seinen Erinnerungen hätte sicher gekämpft, aber der hier? Es stellt sich noch eine Frage: Wenn dieser Fremde ein Teil von ihm ist, wie kann er ihn dann töten? Beide sind eins, und müssen als Ganzes existieren, auch wenn der Kerl was Anderes behauptet. Mal sehen, wofür sich der Pharao, nein der junge Atem entscheidet. Instinkt oder Angst?
Von:  SuperCraig
2019-09-16T11:45:37+00:00 16.09.2019 13:45
Wie ironisch, dass Atem jetzt, wo er sich nicht mehr erinnern kann, genügend Zeit für seine damaligen Wünsche aufbringen kann. Wollte er nicht einmal den Skarabäen (ist das denn die Mehrzahl von Skarabäus) zusehen, wie sie arbeiteten? Der Fennek war natürlich die Dreingabe.

Ich bewundere es, Yuugii, wie du eine trostlose Einöde so lebendig gestalten hast können. Wirklich, ich bin begeistert und auch schwer beeindruckt. Damit meine ich weder Wüstenfuchs noch Insekt, auch nicht die Oase, sondern deinen Stil und den schmalen Grat zwischen "Ich habe die Information, die dem Charakter fehlen" und "schreibe dennoch so, als würde er nichts wissen", meisterst.

Auch deine Andeutungen. Ich habe mich dabei ertappt, wie ich Atem in Gedanken einfach dabei geholfen habe, den Satz zu vollenden. "Ich bin ein...Pharao."

Auch der Vergleich mit einem Tier, dass seinen Instinkten folgt, wie Atem gerade - vielleicht muss ein Gott erst ein Mensch werden, um zu begreifen, was Göttlich bedeutet.

Die Entscheidung ist natürlich schwierig, zumal der Pharao jetzt nicht mehr weiß, dass er bereits tot ist, und eher nicht nochmal sterben kann. Das Verlangen, zu erfahren, was denn mit ihm passiert ist, muss groß sein, aber andererseits: Es steht ein Fremder am Rande der Pampa und faselt etwas von Erinnerungen und deren Welt, von Atem selbst. Könnte auch ein Spinner sein. Wieder ein Abwägen.

Die Weggabelungen in der FF hast du schön gehalten. Fühle mich in meiner Entscheidung nur durch mich selbst beeinflusst, nicht aber durch dich oder eine persönliche Präferenz deinerseits, was auch ungemein schwer sein muss, den Wunschweg nicht auszuführen.

Lg
SuperCraig
Von:  SuperCraig
2019-09-16T11:14:39+00:00 16.09.2019 13:14
Wahnsinn, was ein Kampf!

Kurz und knackig, und dabei doch punktiert mit genügend Spannung, um zu wissen, dass Atem kein Anfänger ist. Er hat sich in meinen Augen gut geschlagen. Vor allem nutzt er alles aus, was er hat. Ein Aspekt, der sich bei seinen Duellen immer widerspiegelt. Dort zaubert aus Nichts auch eine Kombination, die den Gegner in die Knie zwingt. Echt schön, und eine Parallele, die mir jetzt erst auffällt.

Diese Entscheidung ist mehr als schwer, denn wer sein Herz aufgibt, gibt normalerweise sein gesamtes Sein auf. Herz und Seele werden in der Literatur oft eng verwoben, fast gleichgesetzt.

Die Erinnerungen sind aber genauso schlimm. Alles was er war wird ausgelöscht. Eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Ich weiß zwae schon, was Atem aufgeben wird, aber trotzdem...

Es ist natürlich ein Opfer, dass eines Gottes würdig ist. Ich bin gespannt wie es weitergeht.

Lg
SuperCraig
Von:  SuperCraig
2019-08-22T23:45:28+00:00 23.08.2019 01:45
Der Seelenraum!

Den habe ich vor allem in Staffel 0 geliebt. Die Prüfungen, die Shadi auf sich nehmen musste, um den Pharao zu treffen, die endlosen Türen, Fallen...herrlich! :D

Ich musste ein wenig schmunzeln, als sich Atem indirekt fragte, was wohl passieren würde, wenn er hier erneut sterben würde. Das ist übrigens auch für mich eine äußerst interessante Frage, die in vielen Religionen und Mythologien (existiert dieses Wort in der Mehrzahl überhaupt?) angedeutet, aber nicht aufgegriffen wird.

Diese fremde Stimme, ich komme einfach nicht drauf. An Atems Mutter habe ich auch schon gedacht, die du btw sehr schön eingeführt hast, aber, nein. Ich tippe auf Horakhty. Jedenfalls spannend. :D

So, und nun, die Frage der Fragen: Wie wird sich Atem entscheiden? Kapitel 14 klingt verlockend, aber ich glaube fest an einen mutigen Pharao, der mit jugendlichem Leichtsinn und Stolz in die nächste Gefahr stürmt.

LG
SuperCraig
Von:  SuperCraig
2019-08-20T00:17:57+00:00 20.08.2019 02:17
Ah, hier schließt sich der Kreis, die Lücke, die ich so verzweifelt versiegeln wollte.

Bakura spricht ein interessantes, philosophisches Dilemma an, in dem Fall den Utilitarismus, das aber ein wenig wie blanker Hohn und Spott aus seinem Munde wirkt: Unrecht kann Unrecht auch nicht vergelten. Das war aber sicher nicht nur seine Intention; Zorc hat seine eigenen Regeln, und ein Stück weit somit auch Bakura.

Ja! Atem, endlich nicht ein ruhiger, kühler, kalkulierender Charakter, sondern ein Mensch; ein Mensch der durchdreht, und dessen Erziehung, getaucht in Selbstsicherheit und dem Mythos, der Sohn der Götter zu sein, sich nun endlich rächt.

Ein Heer aus Ka-Bestien zu besitzen ist keine Hilfe, wenn man im entscheidenden Moment zu stolz ist, sie einzusetzen. Atem war am Ende doch noch ein Kind, mit teils schlechten Lehrern, einer zu frühen Herrschaft und einem zu schweren Erbe. Dafür hat er sich gut geschlagen, aber trotzem...

Die Zweifel, die in Atem beim Kampf aufkeimen, dann wieder der Wahnsinn, das Adrenalin, das durch seinen Körper strömt; ich habe diese Parallelen zu Bakura gesehen und genossen, selbst ohne den Vergleich des Königs der Diebe. Der Irrsinn, der an Bakura nagt, scheint auch dezent bei Atem vorhanden zu sein.

Wahnsinn, Yuugii, die Sprache, derer du dich im Dialog der beiden Kontrahenten bedienst, das ist genau meins. Erinnert mich ein wenig an meinen Ritter in einem anderen RPG. Altertümlich, mit einem Hauch von unterschwelliger Höflichkeit, die alsbald vom Hass und dem aufkeimenden Zorn aufgebrochen wird.

Auch die Kampfszene; sie war nicht überladen, man konnte dem Geschehen gut folgen, und wusste irgendwie bald, dass Atems Stunde geschlagen hat - trotzdem war da der kleine Hoffnungsschimmer, er würde Bakura vernichten.

Wüsste ich nicht, ob der nächsten Kapitel, ich würde das Handy weglegen und fast ein wenig traurig sein. Das liest sich so endgültig; Atems Verzweiflung, die aufkommende Stille und Schwärze, und das Wissen, versagt zu haben. Wunderschön, auch wenn es makaber klingen mag.

So, und nun, die Frage der Fragen: Was passiert jetzt? Ich bin gespannt.

Ganz liebe Grüße von einem geflashten

SuperCraig
Von:  SuperCraig
2019-08-19T23:54:40+00:00 20.08.2019 01:54
Ah ja, endlich, tritt Bakura persönlich in Erscheinung. Ein Vagabund, ausgestattet mit einer mächtigen Ka-Bestie, und klug genug, sich vorerst mit den Außenbezirken zu begnügen.

Die kurze, knackige Beschreibung vom Anführer der Räuber war aus zweierlei Sicht heraus, gut gewählt: Kazemde hatte sicher Angst ob der Bestie, die, wie ich stark vermute, Diabound sein wird, und seine Sinne waren dementsprechend getrübt, sowie es dem Charakter Bakura selbst auch etwas Geheimnisvolles verleiht.

Ich finde deine Einbindung der ägyptischen Kultur herausragend. Sobek war mir vorher schon ein Begriff, aber einfach zu erwähnen, was er macht, welche Hoffnungen der Pharao in ihn setzt (und auch Mahaad, dessen vermeintlicher Egoismus zu seiner inneren Zerrissenheit passend); ich muss gerade an Papyrus denken, ein Stück Kindheit. Sobek hat Papyrus ein wenig beschützt, weil seine Tochter, Nebu ihm das Schwert gewährt hat. Und er ließ mit sich feilschen, als Meren-Re im Sterben lag; ein grausamer Gott, der aber Leben verspricht, wenn man einmal an die Nil-Schwemme denkt.

Dass Atem dem Bitsteller Hilfe gewährt hat, finde ich aus politisch-taktischer Sicht heraus gut und richtig. Er hat den Pharao mit wertvollen Informationen versorgt, und sollte dafür belohnt werden. Außerdem kann Atem so sein Image ein wenig aufbesseren, wenn er ein paar Hilfsgüter und Soldaten stellt, die obendrein Bakura auskundschaften können.

Wer die Stimme ist, würde mich interessieren. Kisara? Zorc? Die Fusion der Göttermonster? Ich habe eine Vermutung, aber, ich bin mir nicht sicher. Das hast du wieder mal gefinkelt gelöst. xD Werde heute sicher grübelnd ins Bett steigen.

Die Idee mit der Schrift ist klasse. Ich wusste, da muss etwas sein, dass es wert ist, entziffert zu werden. Das sind so Kleinigkeiten, die einfach viel Mühe zum Werk ausdrücken, und das merkt man bei all deinen FFs. Nur mal als Randnotiz.

So, ich stürze mich gleich ins nächste Kapitel!

SuperCraig
Von:  SuperCraig
2019-08-19T23:38:24+00:00 20.08.2019 01:38
Also hat sich Atem dazu entschlossen, deutlich anders zu handeln, als sein Vater. Er zeigt Präsenz, dort wo es notwendig ist, und scheut sich auch nicht davor, die Ka-Bestien zu nutzen.

Ich müsste lügen, würde ich sagen, diesen Atem nicht zu begrüßen. Er mag zwar jung sein und impulsiv handeln, aber er muss auch beinahe mit einer tödlichen Dosis an Gewalt/Krieg das aufholen, was sein Vater verabsäumt hat.

Mit Mahaad hat er einen guten Berater und Freund, sowie einen exzellenten Magier. Ob ich das Gleiche über Seth und Karim behaupten kann; wenn Letzterer eine gemäßigtere, ruhige Form an den Tag legen sollte, dann hat Atem zweifelsohne die richtige Mischung erwischt.

Ich finde übrigens deine Darstellung eines fleischgewordenen Gottes, was der Pharao ja im Endeffekt auch ist, bzw. ein Abkömmling davon, sehr schön. Man spürt die Präsenz, Aura und Ehrfurcht, die von ihm ausgeht.

Bakura hast du hier wieder schön eingebaut; ein Hauch von einem Verweis, der einen gleich mit der Frage konfrontiert: "Was macht der Dieb?"

War wieder ein spannendes, wenn auch kürzeres Kapitel, aber, das tut dem Faktor "Freude beim Lesen" exakt null Abbruch. Ich finde die Aufteilung sehr gut, weil du mit kürzeren Teilen ein wenig Lockerung einbringst, was beim Lesen entspannt.

Liebe Grüße
SuperCraig
Von:  SuperCraig
2019-08-11T01:08:27+00:00 11.08.2019 03:08
Gebelk ist genau das, was ich vermutet hatte. Es gibt sicher noch mehr von seiner Sorte, aber er ist halt der Herausragendste gerade. Verschlagen, manipulativ, ein guter Schauspieler; zu oft haben solche Ratgeber ganze Weltreiche zugrundegerichtet, aus Habgier und Machtversessenheit. Eine, in meinen Augen, widerwärtige Person.

Ich bin in der Geschichte nicht so bewandert wie du, zumindest was das alte Ägypten angeht, aber, ich weiß ob der Wesire der Sultane des Osmanischen Reichs, und dass der Diwan oft selbst ein korrupter Haufen gewesen ist. Außerdem ist Gebelks Einstellung zu den anderen Kulturen und Völkern etwas, dass, über kurz oder lang, zum Untergang führen muss. Nicht einmal das alte Ägypten, Kemet, der Nabel der Welt, kann es mit allen aufnehmen, und dann vielleicht noch zeitgleich.

Ich dachte mir fast, selbst ohne das Insiderwissen, dass, wenn nicht Sachmet Atems Patronin wird, es Thot sein könnte, der ihn "leitet". Atem wirkte immer wissbegierig. Ich hoffe, nein, ich glaube, dass er den Lehrer durchschaut; und der dann seine eigene Waffe, die er zu formen versucht, tief ins Herz gebohrt bekommt.

Fällt den Schützlingen erst einmal auf, dass sie manipuliert werden, ist die Retourkutsche meist blutig und grausam. Das Land kann derzeit keine schwachen, egoistischen Priester brauchen, genauso wie es keinen zu gütigen, milden Pharao brauchen kann.

Das Spiel hast du angedeutet übrigens schön erklärt, genauso wie die Bedeutung des alten Ägyptens in Bezug auf Astronomie und Astrologie. Auch deine "Vokabeln"; alles schon mal gehört, aber wieder vergessen.

Danke für das Kapitel, ich sehe zu, aufzuholen!


Von:  SuperCraig
2019-08-06T21:06:57+00:00 06.08.2019 23:06
Hallo Yuugii!

Wie kann es sein, dass eine ganze Nation einfach glaubt, oder hofft, dass ein Kind, auch wenn er bald als volljährig gilt, das zustandebringen kann, was ein Pharao samt Gefolge nicht geschafft hat? Dieser Druck, dieses Leiden, diese Erwartungen - es wundert mich, dass Atem nicht spätestens jetzt, kurz vor dem Antritt seiner Pflichten, einfach zusammenbricht. Er soll geradebiegen, was sein Vater verabsäumt hat. Er erbt die Fehler, soll gleich werden wie er, nur perfekt, sprich, nicht das tun, was sein Vater getan hat.

Ich kann die Beweggründe Pharao Akhenamkhanens nachvollziehen. Auch wenn es vielleicht falsch wirken mag, so ist Krieg nicht die Lösung, die auf Dauer Frieden bringen wird. Wer will außerdem als Kriegsherr in die Geschichte eingehen? Natürlich gibt es Einige, doch meist verblasst die Erinnerung daran oder wird ausgeschmückt, und zwar nicht in die noble Richtung. Egal, was man über Atems Vater denken mag, er ist zumindest bis zum Ende zu seinen Prinzipien gestanden, und hat mit Milde und Güte versucht zu schaffen, was Anderen mit Härte und Strenge nicht gelungen ist.

Ich persönlich befürchte, oder weiß es eher, bedingt durch dich, dass Atem wahrscheinlich das Gegenteil sein wird; streng, und vielleicht gerecht. Strenge ist aber auch nicht der Weg, der dazu anregt, einem Gott zu huldigen. Auch nicht die Wunder, die er verspricht, sondern oftmals sind es Liebe, Gnade, Güte und Milde, die einen in die Arme einer Gottheit treiben. Worte können den Schmerz oft mehr lindern, als materielle Zuwendungen. Ich hoffe für den kleinen Pharao, dass er die richtige Balance finden wird.

Jetzt habe ich das mit Seth erst geschnallt. Damit hat Atem wirklich zwei loyale Unterstützer (in der Theorie zumindest), und einer, der wird, wenn die Story nicht zu sehr abweicht, sein treuester Begleiter werden. Das hast du bereits schön angedeutet, mit der Lebensschuld, die Mahaad gegenüber Pharao Akhenamkhanen zu begleichen hat. Er scheint es auch sehr ernst zu nehmen, und sich wirklich um Atem zu sorgen.

Der Ring, endlich, ich habe schon darauf gehofft, dass er irgendwie versucht, den Geist zu korrumpieren, den Träger schleichend dem Wahnsinn preiszugeben. Dieser langsame Verfall, der bereits hier, im zweiten Kapitel angedeutet wird, genauso wie die Tatsache, dass nicht jeder beliebige Penner die Milleniumsgegenstände tragen kann, das erfreut mich ungemein, denn es ist spannend zu lesen und weckt die Lust auf mehr. Außerdem ist Mahaad einer meiner Lieblingscharaktere, und natürlich ist man da besonders erpicht darauf, zu lesen, wie es weitergeht.

Trotz allem, der Last, dem Dasein als zukünftiger Pharao, hat Atem nicht ganz sein kindliches Dasein ablegen können, was ihm, in meinen Augen, einen natürlichen, echten und vor allem authentischen Charakter verleiht. Wie soll denn auch ein zwölfjähriges Kind, mag es noch so sehr zu Pflicht und Perfektion gedrillt werden, sein urinnerstes Ich ablegen? Ein großes Lob an deine Gedanken dazu, und wie du sie verpackst. Mich persönlich spricht das sehr an, und ich möchte unbedingt erfahren, wie sich der 16-jährige Atem am Ende verhält.

Weißt du, was das Ganze so besonders prickelnd macht? Du lässt den Weg wirklich offen; ich meine, du leitest den Leser schon an, bringst ihn auf die richtige Spur, aber dann kommt wieder irgendetwas, wo man total unsicher ist, und überlegt: Was mag jetzt wohl passieren? Ich bin davon ausgegangen, dass Atem bremst, und die Frösche eben nicht besucht. Genauso, wie den aufkeimenden Gedanken an den Nil, der immerhin Mittelpunkt des ägyptischen Reichs gewesen ist, zu unterdrücken. Auch der Exkurs in die Vergangenheit, das Verstecken in Vasen, ich musste schmunzeln.

Der Dialog zwischen Mahaad und Atem war übrigens sehr schön. Er hat, mit dem Rückblick in die Vergangenheit, eine Symbiose erschaffen, die perfekt in das Bild passt, dass ich vom Anime noch kenne, und das Ganze dabei wieder um einige Facetten bereichert, die mich wieder staunen lassen, was ich alles so verpasst haben könnte. Wunderschön.

"Sie brachten ihnen den Frieden, waren im Gegenzug aus Blut geschmiedet. An ihnen haftete die Sünde selbst." Dieses zweischneidige Schwert, dass die Milleniumsgegenstände darstellen, hat dieser Satz besonders gut eingefangen. Mir hat sich der Gedanke eines Schmiedes aufgedrängt, der am Amboss steht, sein Hammer, genauso wie die Schmiedeunterlage, blutbefleckt, während er unermüdlich das feinste Gold in eine edle Form hämmert. Sehr bildhaft.

Liebe Yuugii, ich weiß gar nicht, was ich dir sonst noch alles schreiben soll. Ich würde wahrscheinlich bei jedem Absatz ein Gespräch mit dir suchen wollen, um herauszufinden, wie weit ich denn daneben lag, was deine Intentionen angeht. Lange Rede, kurzer Sinn:

Dieses Kapitel war wieder großartig, mit dem richtigen Maß an Information, Handlung, Auflockerung durch Umgebungsbeschreibung, Flashbacks, Andeutungen und Heranführen an die nächsten "Protagonisten" bzw. Darsteller, die sich im Verlaufe der Fanfiction als wichtig herausstellen werden. Du schaffst es, harte Fakten mit weicher Umschmeichelung zu versehen, und einen angenehmen Text zu erschaffen, der dem Lesefluss gut tut, und dabei aber zum Nachdenken anregt.

In Vorfreude auf das nächste Kapitel, ganz liebe Grüße

SuperCraig


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