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Im Auge des Sturms

Eine unerwartete Begegnung
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Bislang lässt der Text leider noch nicht erahnen, dass er eine Fanfiction sein soll, aber im nächsten Kapitel bestimmt ;) Komplett anzeigen

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Ein schrecklicher Überfall

Eben noch war Harus Leben völlig in Ordnung gewesen. Sie hatte auf dem Rücken ihres kleinen Falbponys gesessen, mit halbem Ohr der Unterhaltung ihrer Eltern und deren Bediensteten über den diesjährigen Stoffmarkt gelauscht, während sie im Geiste ihren eigenen Gedanken nachhing. Wie schön dieses einsame, baumgesäumte Tal war, das sie grade durchquerten, wie sehr ihr das freie Leben als Händlerkind gefiel, zum Beispiel.
 

Einen Lidschlag später hingegen bestand ihre Welt nur noch aus Panik, Angst und Schmerz. Ohrenbetäubendes Gebrüll erscholl zu beiden Seiten des schmalen Pfades und ehe das Mädchen bemerkte, was dessen Ursache darstellte, bäumte sich ihr Pferd auf, sodass sie in den Matsch stürzte. Der Aufprall trieb ihr die Luft aus den Lungen. Straßenschlamm durchdrang ihre Gewänder und spritzte ihr ins Gesicht, als das Pony in Panik auf den Boden stampfte. Eisiges Wasser an ihrer Seite. Harte Wegkiesel auf ihrer Zunge, Blätter, Dreck. Staub in den Augen, dass sie tränten. Dann Schreck und Schmerz. Das Pferdchen sprang auf ihren Fuß. Mit einem gedämpften Schrei versuchte sie sich zu befreien, um sie herum das reinste Chaos. Ihre Eltern kämpften mit ihren Reittieren, die Diener ebenso. Lediglich die bewaffneten Krieger, welche zu ihrem Schutz angeheuert worden waren, zogen beherrscht die Schwerter. Der überladene Ochsenkarren, auf dem ihre Familie seit Ewigkeiten ihre Frachten transportierte, quietschte und knarzte, als würden seine Achsen zersplittern, sobald der Treiber das davor gespannte Tier zum Stehen brachte. Wertvolle Seidenbahnen rollten von der Ladefläche, wurden sofort vom Straßendreck verdorben.

Dann stand ihr Zug endlich still. Das zitternde Pony stieg von ihren Zehen, seine Nüstern rieben beinahe entschuldigend über ihren Rücken. Eine schwielige Hand schubste es beiseite und half ihr auf die Beine. Das musste Takeshi, Vaters junger Assistent und Sohn eines befreundeten Händlers, sein. Das Mädchen sollte seine Zukünftige Gemahlin werden und er kümmerte sich bereits jetzt um sie, so gut er es vermochte. „Haru, Haru, geht es dir gut?“, drängte er und wischte ihr etwas Schlamm von der Kleidung.

Durch das Wiehern der Pferde und den schmutzigen Schleier vor ihren Augen hindurch registrierte Haru dumpfe Schritte. „J-Ja!“, krächzte sie. „Meine Zehen schmerzen nur ein wenig. Was ist los?“

Takeshi schwieg angespannt und schien den Wegesrand zu betrachten.

Würgend spie sie feuchten Sand aus und rieb sich hastig durchs Gesicht.
 

Was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Ihre Reisegruppe war umstellt. Eine Horde seltsamer Wesen umzingelte sie. Mindestens zwei Dutzend an der Zahl. Schutzsuchend presste sie sich näher an Takeshi. Das Herz drohte ihr aus dem Halse zu springen. Ihr war zwar stets erklärt worden, dass Händlerzüge manchmal überfallen wurden, doch miterlebt hatte sie dies in ihren zehn Lebensjahren nie. Lediglich als Säugling hatte sie bei einem Raubzug auf dem Ochsenkarren gelegen und davon blieb selbstverständlich wenig im Gedächtnis. Gleichgültig, es hätte sie sicherlich nicht auf dieses Scheußliche Erlebnis vorbereiten können, in den Hinterhalt einer Räuberbande zu geraten. Männer mit löcherigen, räudigen Tierfellen um die Schultern, dazu verfilzte schwarze Bärte, ein grausames Funkeln in den schmalen Augen. Nagelgespickten Keulen und rostige Dolche, welche sie grölend schwenkten. Sie wirkten wie eine Horde jähzorniger Affen oder tollwütige Wölfe, bereit sich auf ihre unschuldige Beute zu stürzen. Kein Haar würden sie von ihnen übriglassen, wenn sie nicht das bekamen, wonach es sie verlangte und selbst das war kein Garant für das Leben der fahrenden Händler.
 

Ihr Vater trieb sein Pferd, flankiert von ihren Beschützern, an die Spitze der Truppe. Sein wettergegerbtes Gesicht wirkte angespannt, aber beherrscht, die lange Seidenrobe verlieh ihm ein Aussehen, das einem Adeligen zur Würde gereicht hätte. „Was ist euer Begehr? Seid ihr in Frieden gekommen, so lassen wir euch gnädig ziehen, hegt ihr niedere Absichten, werdet ihr diesen Überfall bereuen!“, knurrte er bedrohlich und präsentierte den langen Dolch an seinem Gürtel.

Allerdings schien dies nicht die gewünschte Wirkung zu erzielen. Auch aus der Gruppe der ungepflegten Banditen trat ein riesenhafter Mann hervor. Sein Aussehen jagte Haru eiskalte Schauer über den Rücken: Seine narbenzerfurchte Nase war gebogen wie ein Falkenschnabel und sein Rücken krumm wie der eines Oni. Die fleischigen Lippen öffneten sich zu einem höhnischen Grinsen, welches eher einem Zähnefletschen glich. „Wie unhöflich, werter Herr! Ein Glück, dass wir nichts weiter als dumme Räuber sind, die erbarmenswerte Reisende überfallen. Eure Höflichkeit wäre verschwendet. Sagt, seid Ihr Hayate Kinuito, der Seidenhändler, unterwegs nach Heian-kyo, um Eure Ware zu verkaufen?“

„Meine Identität tut nichts zur Sache. Wer sich meinem Zug in den Weg stellt, wird merken, dass er sich nicht ohne weiteres aufhalten lässt. Es mag sein, dass wir Händler sind und unsere Ware in der kaiserlichen Residenzstadt veräußern möchten. Zum jährlichen Frühlingsfest werden Gäste, sowie Pilger aus allen Teilen des Landes erwartet und Gesindel wie ihr treibt auf den schmalen Bergpässen sein Unwesen. Doch heute habt ihr euch mit den Falschen angelegt. Der Kaiser rechnet mit unserer Ankunft in drei Tagen und ihn mit einer Verspätung zu verärgern wäre beschämend.“

Die schlotternde Haru konnte nicht umhin, ihren Vater für seine entschlossenen Worte zu bewundern. Sie wäre eher in Ohnmacht gefallen, als diesem Berg von einem Mann die Stirn zu bieten. Dafür gab es schließlich die noble Kriegerkaste.
 

Tatsächlich hoben ihre Leibwächter ihre Katana, bereit auf die Räuberbande los zu preschen.

Der Anführer der Diebe stieß ein röhrendes Lachen aus. „Ha, wie ich euch fahrende Händler liebe! Weniger wert als der schmutzigste Bauer und zu schwach ein Schwert zu halten, aber mit einer Zunge aus Stahl! Nicht einmal seinen Namen möchte mir der edle Herr verraten, so überheblich sitzt er auf seinem hohen Ross! Keine Sorge, Hayate, Euer Mut wird euch früh genug verlassen. Männer, holt euch unsere Beute und wenn sich einer wehrt, schlagt ihnen die Schädel ein!“

Doch noch rührte sich keiner. Hinter ihm schlich sich ein magerer Bursche an. „Herr?“, hechelte er und katzbuckelte vor dem brutalen Blick des Räuberhauptmanns.

„Was hast du, du schleimige Made?“, brummte dieser, versetzte dem Untergebenen einen abschätzigen Tritt.

„Sie haben nich nur Seide geladen, sondern auch hübsche Pferde. Wir können ‘n paar von denen gebrauchen, im Winter sin‘ schon wieder zwei abgekratzt, weil wir kein Heu für sie hatten. Un was is mit dem Mädchen, das sich zwischen den Gewändern des Schwächlings dahinten versteckt?“

Überrascht hob der mächtige Mann den kantigen Schädel. „Wo hast du Trunkenbold ein Mädchen gesehen? Spielt dir der Sake schon wieder Streiche?“

Ein weiterer ergriff das Wort, er stand Haru am nächsten. „Cho hat Recht, da ist wirklich eine Kleine neben dem Karren. Außerdem ist Sake unter hundert Arzneien die Beste!“
 

Der Riese stampfte um den Tross herum, ignorierte die Krieger wohlweißlich. „Hmpf, meine Augen werden mit jedem Sonnenaufgang schlechter!“ Dann fiel sein Blick auf Haru. „Ah, da ist sie ja! Ausnahmsweise hast du mal nicht gelogen, Cho. Ihr habt eine wichtige Entdeckung gemacht. Ein gelungener Raubzug sollte angemessen gefeiert werden, wohl wahr! Und wenn sie wider Erwarten keinem von uns gefällt, werden wir sie einfach mit der Seide verkaufen“, schnaufte der Anführer, wobei seine Lippen sich gierig kräuselten.

Haru schmiegte sich so eng wie möglich an den Diener, wollte am liebsten in den Falten seiner Reisekleidung verschwinden. „Bei den Göttern, sie ist doch noch ein Kind!“, stöhnte Takeshi und legte einen Arm um ihre Schultern, um sie vor den begehrlichen Blicken abzuschirmen.

„Ha, Bursche, willst sie wohl später mal selbst heiraten und hast Angst, dass wir dir das Weib wegnehmen, was?“, feixte der Hüne.

Hayate Kinuito wendete sein Pferd und drängte sich vor den Räuberhauptmann. Seine Stimme glich einem zornigen Donnergrollen: „Krümme meiner Tochter ein Haar und dein Kopf wird auf dem Ast dieses überhängenden Baumes enden. Aufgespießt von einem deiner eigenen Leute, den ich dazu zwinge, zuerst dir und danach sich selbst den Bauch aufzuschlitzen!“

„Oho, Händler, wollt Ihr mir drohen? Mit Eurem winzigen Dolch? Mir, dem König des Berglands?“, spottete der Räuber.

„Ich werde alles tun, um meine Ware und meine Familie zu verteidigen“, entgegnete Kinuito und ging ohne Vorwarnung auf den unberittenen Mann los.

Haru wechselte einen verzweifelten Blick mit ihrer Mutter, die ebenfalls vor Furcht erstarrt zu sein schien. Wie gerne würde sie sich nun an ihre Seite schmiegen anstatt an Takeshi, aber sie konnte unmöglich zu ihr gelangen, ohne dass irgendetwas Fürchterliches passieren würde.
 

Die Räuber befanden sich in der Überzahl, vier Wächter würden sie nur mit viel Glück in Schach halten können. Um sie herum begannen die Büsche zu wogen. Zahllose Männer brachen aus der Böschung hervor und attackierten die Händler mit ihren primitiven Waffen. Das Durcheinander war vollkommen. Scheuende Pferde, Männerbrüllen und dazwischen das hohe Klirren von Stahl und dumpfe Aufschläge von Holzknüppeln.

Ihre Eltern verschwammen in der wogenden Menge. Nur die Wächter, vermutlich Samurai aus der Kaiserstadt, welche den Transport der erlesenen Hayate-Seide eskortieren sollten, hielten sich problemlos. Sie mähten dank ihrer tödlichen Schwerter Männer nieder wie Weizenhalme.

Ich will nicht sterben!, schoss es Haru durch den Kopf. Takeshi zückte eine Sichel und hieb mit mehr Glück als Verstand einen Banditen nieder, der sich gradewegs auf sie gestürzt hatte. Unsanft zerrte er die Tochter seines Herrn in seinen Rücken drängte sie gegen den Karren, um sie nur auf der Vorderseite verteidigen zu müssen. Haru stolperte erschrocken hinter ihn, die geprellten Zehen schonend. Doch es half nichts, ihre Gegner befanden sich in der Überzahl. Ihr Beschützer stöhnte auf, als eine Dolchkling an seinem Arm abglitt, entledigte sich dessen Besitzer jedoch schnell. Takeshis Blut benetzte seine weiten Ärmel, während er erfolglos versuchte, die Wunde abzudrücken. Haru spürte, wie Tränen über ihre Wangen liefen. Es war ihre Schuld, dass Takeshi verletzt wurde, wo er ohne sie doch sicherlich hätte fliehen können. Doch er dachte gar nicht daran. Unter Aufgebot all seiner Kräfte schlug er sich mit ihr eine Schneise zum Rande der Schlacht. „Lauf, Haru, du musst fort von hier. Flüchte in den Wald und schlage dich bis zum nächsten Bauerndorf durch“, zischte er und schubste sie mit letzter Kraft zwischen zwei Angreifern hindurch.

Ihr blieb keine Gelegenheit zu widersprechen. Mit einem Mal hatte Haru den Ring der Kämpfenden durchbrochen. Kein Hindernis mehr zwischen ihr und dem bewaldeten Berghang. Aber…, zögernd warf sie einen Blick über die Schultern, ich kann doch meine Eltern nicht im Stich lassen!
 

Plötzlich ging ein heftiger Ruck durch ihren Nacken. Haru kreischte auf. Ihre Kopfhaut pochte schmerzhaft, als sich die Finger eines Angreifers in ihren Haarknoten gruben.

„Hab ich dich, du kleines Miststück!“, frohlockte seine näselnde Stimme.

Das Mädchen wirbelte panisch herum, sah neben sich ein grobknochiges Pferd mit ebensolchem Reiter tänzeln. Der Geruch von Schweiß und verwestem Fleisch stieg ihr in die Nase. Mit aller Macht stemmte sie sich gegen den qualvollen Zug.

Das Tier rollte nervös mit den Augen und buckelte, doch der Reiter schlug ihm wütend auf die Kruppe. „Du blödes Vieh, benimm dich! Na komm Mädchen, wenn du dich wehrst müssen wir dir wehtun, das willst du doch nicht.“

Ihr Götter, was soll ich tun? Gleich zieht er mich auf sein Pferd und dann werden die Räuber mich verschleppen und wahrscheinlich umbringen!

„Mutter, Vater, Takeshi! Hilfe!“

„Bist du wohl still!“ Der Mann mühte sich ab, sein Ziel zu verwirklichen, bereitete ihr jedoch lediglich weitere Schmerzen. Auf einmal frischte der Wind auf. Eine kalte Böe, frisch und voller Frühlingsduft, aber nur für Menschen angenehm: Das Pferd wieherte schrill und versuchte zu steigen.

„Vater! Bitte hilf mir!“

„Dein Vater kann dich nicht hören, dummes Ding“, lachte ihr Peiniger. „Du gehörst jetzt zu uns! Freu dich drauf, wir durften seit Wochen keine Frau mehr in unserer Mitte willkommen heißen, alle werden sich um dich reiß- ah!“
 

Ein heftiger Windstoß fuhr auf sie herab, raschelte und klirrte im Zaum des Pferdes, wirbelte seine Mähne auf. Schreiend sprang es auf die Hinterbeine. Warf den Räuber in den Dreck. Krachend landete er in derselben Pfütze, in welche zuvor Haru gestürzt war, riss ihr dabei eine Hand voll schwarzer Haare aus und zog sie mit in den Schlamm. „Du verfluchtes Gör! Sobald ich dich zufassen kriege, breche ich dir alle Knochen und verfüttere sie an die Hunde!“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während sein Reittier davon galoppierte.

Wieder versuchte er, ihren Schopf zu fassen zu bekommen, aber Haru trat seine blind tastenden Finger fort. Eine erneute Windböe erfasste den Mann, drückte ihn nieder. Um das Mädchen jedoch floss sie herum, als wolle sie ihr zur Hilfe kommen. Heulend wälzte der Kerl sich herum, da war sie bereits aufgesprungen und stürmte auf den rettenden Wald zu. Keinen Augenblick später verriet nur noch ein wippender Ast, wo sie verschwunden war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Lasst mich doch wissen, wie es euch gefallen hat. :) Komplett anzeigen

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