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Trink das Leben in vollen Zügen

von

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Das Begrüßen der Schwester

Der andere reichte ihm die Hand.

„Ich bin Marti“, sagte er und lächelte Jako sichtlich erfreut an.

Jako versuchte ein Wort rauszubringen. Doch es kam nichts weiter als ein trockenes Krächzen. Immerhin brachte er sich dazu, die Hand des anderen zu ergreifen und nach einem weiteren Versuch sagte er schließlich:

„Jako. Ich bin Jako.“
 

Marti grinste. „Kannst du mir mal helfen?“ Er versuchte, seine Reisetasche im schon recht vollen Gepäcknetz unterzubringen.

„Na klar...“

Jako sprang auf und half ihm drücken und schieben, bis das Gepäckstück endlich dazwischen passte. Dann setzte Marti sich auf den Platz schräg gegenüber Jako und strahlte ihn dankbar an.

„Danke“, sagte er. „Ähm ... schön, dass wir uns wiedertreffen.“

Einen Moment lang schwiegen sie, keiner wusste recht, was sie nun reden sollten. Oder ob überhaupt ... Vielleicht will er ja einfach seine Ruhe haben, dachte Jako, und ich sollte ...
 

„Wohin geht’s?“, fragte Marti.

„Nach Hause zu meinen Eltern, ein kleines Dorf bei Stuttgart. Und du?“

„Auch nach Hause. Aber ich muss nicht ganz so weit. Nur bis Salzgitter. Ebenfalls zu meinen Eltern.“

Okay, jetzt oder nie, dachte Jako und fragte:

„ ... und zu deiner Freundin?“

Herr Gott, was tust du da, dachte er im nächsten Moment. Du kennst den Typen nicht, also was soll das?
 

„Freundin?“ Der andere schaute irritiert drein. Dann ging ihm anscheinend ein Licht auf. „Ach so, du meinst die junge Frau, die mich beim letzten Mal am Bahnhof abgeholt hat? Das ist mein Schwesterchen.“

Er grinste.

„Ich habe keine Freundin.“

Ich auch nicht, hätte Jako gerne gesagt, aber aus irgendeinem Grund traute er sich nicht.

Er erkannte sich selbst kaum wieder. Denn der Jako, der er normalerweise war, verfügte über ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl und war nicht auf den Mund gefallen. Aber hier? Jetzt? Was war nur los mit ihm ...
 

„Ich studiere in Berlin und fahre jedes Wochenende nach Hause“, sagte Marti und sah ihn fragend an.

„Ich fahre alle zwei Wochen ...“ erklärte Jako, und begann, dem wildfremden jungen Mann, er da schräg vor ihm saß, von seinen Eltern und seinen Sorgen zu erzählen ... Und nun kamen die Worte wieder flüssig aus seinem Mund. Es fühlte sich so richtig an und der andere hörte ihm einfach nur zu. Er lauschte ihm auf eine gute Weise, ohne ungebetene Ratschläge zu erteilen, wie einem das so oft geschah; er strahlte Interesse aus, und auch Mitgefühl.

Doch das ehrliche Interesse war es, was Jakos Seele gut tat.

Es war eine Wohltat, einfach mal alles loswerden zu können an jemand völlig unbeteiligten.
 

Marti wiederum erzählte von seinen Eltern und Geschwistern. Er hatte einen Bruder und eine Schwester und war selber der älteste der drei. Er fuhr jede Woche nach Hause, weil seine Eltern sich so sehr freuten, wenn er kam. Er lebte nun schon ein Jahr in Berlin, hatte aber aus diesem Grund noch keine wirklichen Freundeskreis dort.

Er tat es aber gerne, denn er liebte die Eltern von Herzen und konnte Jakos Absichten gut nachvollziehen.

„Das ist sicher anstrengend für dich, ich meine, du bist ja viel länger auf der Bahn als ich, oder?“

Jako nickte.

„Ja, zumal ich dort auch nicht viel Zeit zum Ausruhen habe, ich helfe meiner Mama viel und versuche zwischendurch noch zu lernen, damit das Studium nicht allzu sehr darunter leidet. Es gerät schon ein bisschen ins Hintertreffen. Und zum Musik machen komme ich auch kaum noch ...“

„Musik?“ Marti spitzte die Ohren. „Erzähl!“
 

Und Jako erzählte davon, was er so alles spielen konnte ...

Marti lauschte fasziniert und berichtete, dass auch er einige Instrumente spielte und zu Hause in Salzgitter mit Freunden manchmal nur zum Spaß Songs aufnahm, die mit Hilfe von Klängen, seiner Stimme und einer Loop-Maschine entstanden.
 

Sie hatten sich viel zu sagen, die beiden, und so verging die Zeit wie im Fluge.

Ein Blick auf die Uhr zeigte Jako an, dass sie bald Braunschweig erreichen würden.

„Hör mal“, sagte er. „In zwei Wochen, sehen wir uns da wieder?“

„Wäre schön“, sagte Marti.

Jako überlegte einen Augenblick, dann sagte er:

„Wenn ich mein Ticket buche, dann lass mich doch das deine mit bestellen. Dann kann ich nämlich zwei Plätze zusammen reservieren und wir können auf jeden Fall wieder zusammen sitzen. Was meinst du?“

Marti nickte begeistert.

„Klar, prima, ich gebe dir dann das Geld, wenn wir uns treffen, okay?“

Jako nickte. „Ja, das ist in Ordnung.“
 

Marti schmunzelte.

„Das heißt, wir haben dann in zwei Wochen eine Verabredung?“

Jako spürte, wie seine Wangen zu glühen begannen. Seine Augen wurden groß.

Versuchte der andere da etwa gerade, mit ihm zu flirten?

Nein, nun bilde dir mal nicht gleich so etwas ein, schimpfte sein so überaus vernünftiges Gehirn.

Er seufzte innerlich. Hast ja recht, dachte er.

Dann straffte er sich und ging auf das unverfängliche Necken ein.

„Klar“, sagte er. „Ich freue mich drauf!“
 

Schließlich fuhr der Zug tatsächlich in Braunschweig ein. Marti schnappte seine Tasche, verabschiedete sich und verließ den Zug. Draußen stand wieder die junge Frau, seine Schwester, und umarmte ihn. Ein winziger Stich Eifersucht durchzog Jako.

Dämlich, sagte er zu sich selbst und seufzte.
 

Er Zug fuhr weiter. Er schnappte sich sein Handy und öffnete erneut die Musikdatei. Michael Schulte. Play.

Als die ersten Klänge an sein Ohr fluteten, fiel ihm ein:

Verflixt noch mal. Wir haben ja nicht mal die Handynummern ausgetauscht.



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