Zum Inhalt der Seite

Common Ground

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen,

da bin ich schon wieder! ^^
Die ersten Kapitel kommen ein bisschen schneller, weil die schon sehr weit ausgearbeitet sind. Wie angekündigt, geht es jetzt auch für Seto richtig los mit einer vollen Ladung ...*ähem* Spaß.
Da ich sie in der vorherigen FF ebenfalls verwendet habe, habe ich mich auch hier entschieden, bei den englischen Namen zu bleiben, sodass es jetzt insgesamt ein bisschen ein Mischmasch zwischen englischen und japanischen Namen gibt. Ich hoffe, es fällt nicht zu unangenehm auf, falls doch, sagt Bescheid.

Ich glaube, viel mehr Worte verliere ich an dieser Stelle nicht (muss mir ja noch ein paar Sachen für kommende Vorworte aufsparen ^_~) und wünsche euch erstmal viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Unpleasant surprises. (More than expected.)

Seto hatte sich in der Zwischenzeit widerstrebend dem Bus genähert und seinen Koffer in den Laderaum geschoben. Im Anschluss stellte er in aller Seelenruhe seine lederne Laptop-Tasche am Boden ab, zog seinen Mantel aus, legte ihn sich über den Arm und hängte die Tasche wieder über seine Schulter. Bloß keine übermäßige Eile! Jede Sekunde, die er noch nicht in diesem Bus verbringen musste, war immens wertvoll. Schlussendlich musste er sich allerdings eingestehen, dass es sinnlos war, das Unvermeidliche noch länger hinauszuzögern und feige noch dazu. Er hatte schon ganz andere Dinge durchgestanden, da würde er doch wohl eine lächerliche Woche Klassenfahrt aushalten – mal ganz davon abgesehen, dass er nicht gedachte, für die Dauer der Fahrt komplett auf seine Arbeit zu verzichten. Es würde genügend Gelegenheiten geben, bei denen er entweder den Laptop aufklappen oder telefonieren konnte und die würde er bestmöglich nutzen, wo immer sie sich bieten würden. Insofern war doch am Ende alles halb so schlimm. Mit diesen beruhigenden Gedanken und einem letzten tiefen Atemzug stieg er schließlich die schmalen Stufen hinauf und betrat das Fahrzeug.
 

Die Platzsituation an Bord ließ leider enorm zu wünschen übrig, wie er nach einem kurzen Rundumblick feststellen musste. Ein Großteil der vorderen Plätze war bereits belegt und im hinteren Bereich hatten sich Muto und Konsorten breit gemacht. Auf der linken Seite in der Mitte konnte er dann aber doch noch einen leeren Zweiersitz entdecken. Zielstrebig reservierte er sich den Platz und rutschte ans Fenster durch. Niemand würde so lebensmüde sein und sich neben ihn setzen, so hoffte er und behielt zu seiner Zufriedenheit recht. Seine Ausstrahlung hatte einmal mehr ihren Dienst getan.

Während Seto sich noch einrichtete und seinen Mantel an einem der Haken am Fenster aufhängte, baute sich Frau Kobayashi, ihre Klassenlehrerin, vorne in der Mitte des Busses auf und blickte aufmerksam durch die Reihen ihrer Schüler. Sie war eine resolute Frau Mitte fünfzig mit einem recht uninspirierten Pagenschnitt und trug eigentlich immer Bluse, Rock und Blazer, jedoch meist in recht abenteuerlichen Mustern und Kombinationen. Heute hatte sie sich für ein bräunliches, kariertes Tweed-Kostüm und eine feuerrote Bluse entschieden. Nach einem letzten Kontrollblick auf ihre Liste sah sie auf, schob ihre Brille wieder nach oben und kam nach kurzer Zählung zu dem Ergebnis, dass alle anwesend waren. Das Starten des Motors war ihr Signal und so gab sie den offiziellen Startschuss für die Klassenfahrt, während der Bus anfuhr: „Liebe Schüler, ich freue mich sehr, dass wir gemeinsam diese wunderbare kleine Klassenfahrt nach Nagano unternehmen können. Uns erwarten ein tolles Programm und eine wunderschöne Herberge mitten in der Natur. Ich wünsche mir, dass Sie diese sechs Tage genießen werden, Interesse an den Ausflügen zeigen und alles in allem Spaß haben. Dabei erwarte ich aber natürlich, dass Sie sich trotzdem zu benehmen wissen, immerhin stehen Sie kurz vor Ihrem Abschluss und sind damit praktisch erwachsen!“

Seto verdrehte die Augen und massierte sich die Stirn. Wie konnte sie Lehrerin sein und gleichzeitig so viele grobe inhaltliche Fehler in ihren Äußerungen machen! Von Spaß zu reden, wenn der Kindergarten mitfuhr, ach, überhaupt alle seine unreifen, nervigen Mitschüler; von erwachsenem Benehmen zu reden, wenn insbesondere Wheeler dabei war…

Er wäre überhaupt nicht hier, wenn er es Mokuba nicht vor Jahren vermutlich in einer spontanen geistigen Umnachtung versprochen hätte. Aber gut, damals hatte er auch noch nicht gewusst, dass er mit Individuen wie dem Köter in eine Klasse gehen würde. Kurz nach Gozaburos Verschwinden hatte Seto entschieden, dass sie auf eine staatliche Schule wechseln würden, hauptsächlich, um seinem Bruder eine möglichst normale Kindheit zu ermöglichen und die Geschehnisse der letzten Monate und Jahre Stück für Stück hinter sich zu lassen. Der Kleine hatte jedoch darauf bestanden, dass auch er in der Konsequenz soweit irgend möglich ein normaler Schüler sein sollte. Dazu gehörte, dass er sich nicht aus allen Sonderaktivitäten unter dem Vorwand seiner Arbeit ausklammerte. Explizit hatte Mokuba ihm das Versprechen abgerungen, dass er wenigstens einmal mit auf eine Klassenfahrt fahren würde ‚wie ein normaler Mensch in deinem Alter’. Bisher hatte er die Einlösung erfolgreich vermeiden können, weil es bei jeder anstehenden Fahrt etwas gegeben hatte, das ihn in der Firma unabkömmlich gemacht hatte. Die jetzige Klassenfahrt war nun aber die letzte vor seinem Abschluss, sodass Mokuba darauf beharrt hatte, dass er mitfuhr, koste es, was es wolle. Und Seto Kaiba hielt nun einmal seine Versprechen, insbesondere dann, wenn es sein kleiner Bruder war, dem er sie gegeben hatte.
 

Nachdem Frau Kobayashi ihre Ausführungen beendet hatte, überlegte Seto mit einem Seufzen, was er nun in seinem rollenden Gefängnis anfangen konnte. Normalerweise wäre die Busfahrt eine gute Gelegenheit, einfach weiter zu arbeiten. Allerdings herrschte ein Geräuschpegel, der jegliche Konzentration im Keim erstickte – eine regelrechte Kakophonie der Belanglosigkeiten, über die sich seine Mitschüler überall um ihn herum unterhielten. Irgendwo hinter ihm stritten Wheeler und Taylor lauthals über die Bettenaufteilung; vor ihm erörterten zwei Mädchen ein Beziehungsdrama aus ihrem Volleyballverein.
 

„Alter, wenn es Doppelstockbetten gibt, werde ich sowas von oben schlafen!“

„Joey, das siehst du völlig falsch, ich schlafe natürlich oben.“

„Naja, und Mizumi meint, Makoto wäre ihr untreu gewesen, dabei war das gar nicht so, es war nur voll das Missverständnis. Das Mädchen, von dem sie dachte, er hätte sie mit ihr betrogen, war eigentlich nur seine Cousine, die zu Besuch war. Sie waren aber auch irgendwie beide daran schuld. Makoto hat nie gesagt, wie wichtig ihm Mizumi ist und sie hat ihn nie zur Rede gestellt, sondern einfach ihre Theorien gesponnen.“

„Tris, ich bitte dich. Ich bin viel agiler als du und leichter außerdem.“

„Agil? Du kannst doch noch nicht mal eine Leiter hochklettern, ohne dir tödliche Verletzungen zuzuziehen. Und wie viel wiegst du nochmal?“

„Echt? Das ist ja ein Ding. Ja, Vertrauen ist wirklich der Kern jeder Beziehung, da kann man sagen, was man will. Man muss einfach ehrlich miteinander über seine Gefühle reden und sich zuhören, sonst gibt es nur Probleme.“

„Jungs, Jungs, wartet doch erstmal ab. Vielleicht gibt es mehrere Doppelstockbetten und ihr könnt beide oben schlafen?“

„Ja, das hab ich ihr ja auch gesagt. Jedenfalls haben sie sich jetzt wieder vertragen und sind voll glücklich zusammen.“
 

Um Himmels Willen, dachte Seto, konnte er nicht noch kurzerhand aus dem Bus springen und die Woche über irgendwo ausharren? Er war doch im Grunde ein genügsamer Mensch: Wasser, Strom, Internet und ein bisschen Ruhe, das war doch wirklich nicht zu viel verlangt. Nach seiner Rückkehr würde er Mokuba dann einfach erzählen, was für eine tolle Klassenfahrt es gewesen war und ihm jeglichen Kontakt zum Kindergarten auf Lebenszeit verbieten, weil sie die Wahrheit kannten (und ihm generell den letzten Nerv raubten).

Unbewusst schüttelte er den Kopf. Nicht zu fassen, kaum zehn Minuten waren vergangen und er wurde schon albern. Außerdem fühlte er, wie sich erste Kopfschmerzen ankündigten. An geschäftliche Telefonate war unter diesen Umständen natürlich überhaupt nicht zu denken, geschweige denn daran, den Laptop herauszuholen, um die aktuellen Produktionsstatistiken weiter auszuwerten. Dafür benötigte er Ruhe und Privatsphäre und beides war aktuell so unerreichbar wie das nächste Sonnensystem oder ein IQ über 100 für Wheeler. Es nützte alles nichts, er konnte erst dann weiter arbeiten und vor allem seinen Marketingleiter zurückrufen, wenn sie angekommen waren. Notgedrungen ergab sich Seto daher in sein Schicksal, holte Kopfhörer aus seiner Tasche und verband sie mit seinem Smartphone. Musik zu hören war doch bei weitem angenehmer als an den unqualifizierten Gesprächen seiner Mitschüler teilhaben zu müssen. Mit verschränkten Armen ließ er sich tiefer in den Sitz sinken. Während am Fenster die herbstliche Landschaft vorüber zog, umfingen ihn die ersten vertrauten Klänge. Oh ja, wesentlich besser! Eine Weile sah er noch nach draußen, bis er schließlich seine Augenlider nicht mehr länger offen halten konnte und langsam eindöste.
 

Nach einigen Stunden Fahrt erreichten sie gegen 17 Uhr Nagano. Seto erwachte aus seinem dämmerigen Halbschlaf, als der Bus langsamer durch den Stadtverkehr manövrierte. Die Herberge befand sich allerdings nicht direkt in der Stadt, sondern etwas außerhalb, sodass der Bus nur kurze Zeit später die urbane Zivilisation wieder weitestgehend hinter sich ließ. Über immer engere und sich stärker windende Straßen erklommen sie einen dicht bewaldeten Berg. Mit jeder neuen Haarnadelkurve fragte sich Seto, ob sie am Ende der Fahrt wirklich eine Jugendherberge oder nicht eher eine einsame Burgruine auf schroffen Felsklippen erwarten würde. Schließlich bogen sie jedoch in eine Einfahrt ein und kamen vor einem mehrstöckigen, älteren Haus zum Stehen. Da es bereits dämmerte, war von dem umliegenden weiträumigen Freigelände nicht mehr viel zu sehen, aber Frau Kobayashi hatte hier und da fallen lassen, dass es wohl auch Sportanlagen geben sollte. Nur wenige hundert Meter weiter war dann allerdings schon nichts als Wald zu sehen. Willkommen in der Einöde, dachte Seto nur bitter und hoffte, dass man hier in den letzten Jahren wenigstens in der Lage gewesen war, eine halbwegs ordentliche Internetleitung zu verlegen.
 

Nachdem alle ihr Gepäck aus dem Bus geholt hatten, sammelte sich die Klasse dicht gedrängt im Foyer der Herberge; Grüppchen standen zusammen und quasselten aufgeregt durcheinander. Frau Kobayashi wechselte einige Worte mit der Empfangsdame und bekam von ihr eine Belegungsliste auf einem Klemmbrett ausgehändigt, prüfte sie kurz und blickte dann durch die Reihen ihrer Schüler.

„Meine Damen und Herren, wenn ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte! Zur Zimmerbelegung: Für die Mädchen haben wir zwei Viererzimmer, es sollte also genau aufgehen. Für die Jungen hatten wir ursprünglich vier Viererzimmer gebucht. Allerdings hat auch eine andere Schule ab übermorgen parallel einen Aufenthalt hier und bei der Buchung ist etwas durcheinander geraten, sodass wir nur noch drei Viererzimmer haben können. Zusätzlich gibt es aber noch ein einzelnes Zweierzimmer, auf das wir glücklicherweise ausweichen können, sodass sich niemand das Zimmer mit Unbekannten teilen muss. Ich gebe Ihnen jetzt insgesamt fünf Minuten Zeit, sich auszumachen, wer mit wem in ein Zimmer zieht und das hier in diese Liste einzutragen. Und bitte bleiben Sie zivilisiert!“

Während ihrer Ansprache hatten sich schon dutzende Blicke in der Klasse getroffen. Als Frau Kobayashi geendet hatte, wuselten die Schüler durcheinander und es wurde laut diskutiert. Seto blieb als einziger vollkommen unbeteiligt, ging stattdessen in aller Seelenruhe zu der Liste und trug sich für das Zweierzimmer ein. Wenn er schon den Raum und damit ein Stück seiner Privatsphäre mit jemandem teilen musste, dann doch bitte nur mit einer und nicht gleich mit drei anderen Personen. Wer auch immer sich das unsägliche Konzept „Viererzimmer“ ausgedacht hatte, gehörte ernstlich bestraft. Im Grunde war schon eine zweite Person in seinem Schlafzimmer eine zu viel, aber Ausnahmen wie Hotel- oder Einzelzimmer durfte es für ihn, Mokuba sei Dank, ja nicht geben.

Während die Liste sich weiter füllte, hatte Frau Kobayashi bereits die Schlüssel in Empfang genommen. Als die vorgegebene Zeit um war, nahm sie das Klemmbrett und rief nach und nach die einzelnen Gruppen auf.

„Zimmer 14: Gardner, Ishiguro, Takahashi, Yuki.“ Tea nahm ihr den Schlüssel aus der Hand und stieg mit den drei anderen Mädchen die Treppe hinauf. Die Lehrerin fuhr der Reihe nach mit dem anderen Mädchen- und dem ersten der Jungenzimmer fort. Beim zweiten Jungenzimmer horchte Seto unwillkürlich kurz auf.

„Zimmer 29: Muto, Wheeler, Taylor, Bakura.“

„Sorry, Alter!“ hörte er den Köter zu irgendjemandem sagen, bevor dieser mit Yugi und den anderen dreien die Treppe hochstieg. Nachdem auch das letzte Viererzimmer vergeben worden war, sah Seto, wer offenbar von Wheeler gemeint gewesen war. Nur er und Devlin standen noch in der Eingangshalle, wobei letzterer gerade den Zimmerschlüssel für Nummer 21 ausgehändigt bekam und ihn dann auffordernd ansah. „Kommst du, Kaiba? Sieht so aus, als wären wir die Glücklichen mit dem eigenen Badezimmer.“

Ein eigenes Badezimmer? Na wenigstens etwas, dachte sich Seto, nahm stumm seinen Koffer und stieg hinter Devlin die Treppe hinauf. Da insgesamt nicht vier, sondern fünf männliche Wesen dem Kindergarten angehörten, hatten sie wahrscheinlich ausgelost, wer als einziger nicht zusammen mit den anderen ins Zimmer kam. Dieses Los hatte also Devlin ereilt, wofür Seto der guten Fortuna ein wenig dankbar war. Nicht auszudenken, er hätte eine Woche mit Taylor oder, Gott bewahre, Wheeler in einem Zimmer verbringen müssen. In diesem Fall hätte er sich auch gleich eine Kugel geben können. Nein, Devlin war wohl noch einer der erträglicheren Teile der Gurkentruppe.

Ihr Zimmer war das letzte auf der linken Seite des Ganges im zweiten Stock. Devlin schloss auf und trat ein, Seto folgte ihm auf dem Fuße. „Oh.“, stieß der Schwarzhaarige überrascht aus und schnell erkannte Seto den Grund dafür. Der karg eingerichtete Raum enthielt neben zwei Schränken, zwei Stühlen einem winzigen Tisch und zwei Nachtschränkchen nur … ein Doppelbett, das an der rechten Seite des Raumes stand.

Seto schloss kurz entnervt die Augen: „Ernsthaft?!“

Devlin ging weiter in den Raum hinein. „Hm, versteh’ mich nicht falsch, Kaiba, ich schreie jetzt auch nicht gerade Hurra, aber wir müssen uns wohl damit abfinden. Kobayashi-sensei meinte vorhin schon am Rande, dass das kein Standardzimmer ist und wir es nur wegen der Mehrfachbelegung bekommen haben.“ An ihn gewandt schlug er mit einem ironischen Grinsen vor: „Ich kann aber natürlich auch gerne fragen gehen, ob Tristan mit dir tauschen möchte. Also falls du lieber in einem Doppelstockbett mit Joey schlafen und das Gemeinschaftsbad nutzen möchtest, dann …“

Zähneknirschend gab Seto zurück: „Danke, ich verzichte.“

„Dachte ich mir.“, erwiderte der Schwarzhaarige noch immer grinsend und fragte ganz sachlich weiter: „Also dann, wer schläft auf welcher Seite?“

Schon allein die Tatsache, dass er sich mit derartigen Fragen auseinandersetzen musste, ließ Seto die ganze Klassenfahrt-Aktion noch mehr bereuen als ohnehin schon. Aber im Moment waren seine Alternativen nun einmal stark limitiert. Schicksalsergeben entschied er schließlich: „Ich schlafe am Fenster.“

„Okay, dann die Türseite für mich.“ antwortete Devlin lächelnd und warf seine Reisetasche auf die entsprechende Seite des Bettes.

Wie um alles in der Welt konnte Devlin das so gelassen nehmen? Sein eigener Enthusiasmus, so eng und privat mit jemandem in einem Raum zu leben und vor allem zu schlafen, den er kaum kannte, hielt sich in den engsten nur vorstellbaren Grenzen. Während Seto dieser Gedanke noch durch den Kopf ging, inspizierte Devlin das Badezimmer, zu dem eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Bettes führte. „Hm, gar nicht mal schlecht.“ stellte er fest, als er wieder hinaus trat.

Seto hatte unterdessen beschlossen, seine Gedanken und seine Energie nicht länger an die zweifelsohne missliche Gesamtsituation zu verschwenden, an der er aktuell ohnehin nichts ändern konnte, sondern sie stattdessen in etwas Produktives zu investieren. Laut seiner Armbanduhr hatten sie noch etwa 45 Minuten Zeit, bis es um 18 Uhr Abendessen gab, und die würde er für seine aufgeschobenen Telefonate und ein paar E-Mails nutzen. Routiniert öffnete er seine Tasche, die er wie seinen Mantel auf dem Bett abgelegt hatte, und griff in das Laptop-Fach.

Als er seine Hand wieder hinauszog, fand er darin jedoch nicht etwa seinen Computer vor, sondern ein dünnes Buch ähnlicher Größe und Schwere mit dem Titel „Die Dinosaurier und ihre Welt“ – ein altes Kindersachbuch, das Mokuba einst abgöttisch geliebt hatte. Darauf prangte mittig ein gelbes Post-It mit einem gekritzelten, kleinen Strubbelkopf darauf, der ihm die Zunge herausstreckte.

Oh nein! Nein, nein, nein! Das konnte nicht wahr sein! Und bitte nicht auch noch …

Seto ließ das Buch auf das Bett fallen, als hätte er sich daran die Finger verbrannt und kramte fast schon panisch in seinem Mantel nach seinem Smartphone. Bitte nicht auch noch das Handy, bloß nicht! Ein prüfender Blick von allen Seiten bestätigte ihm, dass es aussah wie immer. Vorhin im Bus war ihm ja auch nichts ungewöhnliches daran aufgefallen und seine Musik war auch darauf gewesen. Empfang hatte er, aber offenbar kein mobiles Internet. Trotzdem atmete er erleichtert auf. Gut, immerhin konnte er telefonieren und endlich seinen Marketingleiter zurückrufen. Er navigierte in das Adressbuch, um die Nummer zu wählen, fand dort jedoch … nichts. Das Adressbuch enthielt nur einen einzigen Eintrag: Mokuba Kaiba. Just in diesem Moment bitterer Erkenntnis vibrierte das Gerät in Setos Hand – er hatte eine SMS von besagtem einzigen Kontakt erhalten.
 

Hey Seto, du solltest mittlerweile festgestellt haben, dass ich dein Telefon und deinen Laptop ... nun ja, ersetzt habe. ;-P Auf dem neuen Handy hast du weder Internet noch Telefonnummern. In eurer Unterkunft gibt es auch kein WLAN, ich habe mich im Vorfeld erkundigt. Das heißt für dich 7 Tage ganz ohne Arbeit! :D
 

Als er fertig gelesen hatte, schloss er kurz die Augen und atmete tief durch. ‚Ganz ruhig bleiben!‘, dachte er mit seinem letzten Rest an Selbstbeherrschung. Er tippte zurück:
 

Das wird ein sehr(!!!) ernstes Nachspiel haben, Mokuba!!!
 

Normalerweise war er kein Freund der exzessiven Nutzung von Interpunktion, aber in diesem Fall schien es ihm ausgesprochen angebracht, um seine Stimmung zu unterstreichen. Die Antwort kam nahezu postwendend:
 

Mir egal, das war es wert! Viel Spaß!!! ;-D
 

Und dahin ging seine Selbstbeherrschung. „Verdammt, dieser kleine …!“

Wütend schleuderte er das Telefon auf den Boden. Da es über eine stabile Hülle und das Zimmer über Teppich verfügte, passierte dem Gerät zum Glück nichts. Wenige Sekunden später schalt er sich in Gedanken für seinen kurzen Ausbruch und hob es wieder auf. Dabei bemerkte er, dass ihn grüne Augen fragend und ein wenig erschrocken musterten.

Ach ja, Devlin war ja auch noch da. Wahrscheinlich sollte er die Situation zumindest kurz erläutern, wenn er nicht von der Person für vollkommen wahnsinnig gehalten werden wollte, mit der er sich in den kommenden Tagen das Zimmer – und bedauerlicherweise auch das Bett – würde teilen müssen.

Mit einem Seufzen erklärte er an den Schwarzhaarigen gewandt: „Mokuba hat …“

Er musste gar nicht weitersprechen, denn offenbar hatte Devlin bereits zwei und zwei zusammengezählt. „Dich arbeitsunfähig gemacht, wie ich vermute. Mein Beileid, würde ich mal sagen.“

Hätte Seto genauer hingesehen, hätte er in Dukes Blick eine kleine Spur Belustigung erkennen können. So aber beachtete er ihn nicht weiter und nickte nur mechanisch, anstatt etwas zu erwidern. Er ließ sich auf der Bettkante nieder, stützte die Ellenbogen auf die Knie und massierte sich die Schläfen. Schon wieder diese Kopfschmerzen! Aber so wie sich seine Lage darstellte, war es ja auch kein Wunder. Eine ganze Woche umgeben nur von Idioten und er konnte die Zeit nicht im entferntesten sinnvoll nutzen. Warum zum Teufel wollte ihn sein Bruder nur so über Gebühr quälen? Und seit wann steckte eigentlich so ein kleiner Sadist in ihm? Das waren ja ganz neue Seiten, die sich da offenbarten.

„Ich geh mal zu den anderen, ihr Zimmer angucken. Den Schlüssel lasse ich dir hier. Bis dann!“, hörte er Devlin wie aus weiter Entfernung sagen. Die Tür fiel hinter dem Schwarzhaarigen ins Schloss und Seto war zum ersten Mal seit heute Morgen wieder ganz sich selbst überlassen. Kaum allein, ließ er sich rücklings auf das Bett fallen und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und durch die Haare. Womit hatte er das alles nur verdient?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Soweit die Leiden des Jungen Seto. Wie ihr vielleicht unschwer erkannt habt, hatte ich gerade bei der letzten Szene das Coverbild im Sinn, weil es einfach wunderbar dazu passte.
Beim nächsten Mal erleben wir den ersten Abend und die erste Nacht der beiden auf ihre Weise unglücklichen und unfreiwilligen Zimmergenossen.

Bis dahin!
LG
DuchessOf Boredom Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yui_du_Ma
2021-09-22T18:09:26+00:00 22.09.2021 20:09
Da hat Mokuba seinen Bruder aber ganz schön reingelegt.
Mal sehen, ob Seto wirklich eine Woche ohne Arbeit auskommt.
Find es aufjedenfall gut! ^.^
Von:  Hypsilon
2021-03-08T14:39:43+00:00 08.03.2021 15:39
Ahahaha, da kommt Freude auf - Schadenfreude.
Moki ist schon durchtriebenes kleines Biest haha.
Das kann ja heiter werden, Duke ist das natürlich vollkommen egal, der ist vielleicht bei aller Freundschaft dennoch recht froh, dass er so doch mehr Ruhe hat und hin und wieder was für sein Problem erarbeiten kann - vielleicht bekommt er ja sogar Hilfe vom Experten ^^

Auf jeden Fall ein tolles Kapitel, macht neugierig auf mehr =)
Antwort von:  DuchessOfBoredom
08.03.2021 19:29
Ja, Mokuba hat seinen Bruder ganz schön unter der Fuchtel, auch wenn der das vielleicht gar nicht immer so wahrhaben will ;-)
Und Duke wird definitiv Hilfe brauchen, aber da kommen wir in den nächsten Kapiteln noch dazu.

Bis dahin! :)
Von: Karma
2021-03-06T21:57:21+00:00 06.03.2021 22:57
😆😆😆😆😆
Herrlich, einfach herrlich! Ich kann Seto gut verstehen. Für ihn muss das pure Folter sein, aber für mich ist es beim Lesen Entertainment pur.
😁
Ich bin schon sehr gespannt auf die weitere Klassenfahrt und den nächsten Teil der "Leiden des jungen Seto".
😈
Antwort von:  DuchessOfBoredom
06.03.2021 23:00
Haha, ja so ging es mir auch! Wenn Seto leidet, lässt sich das einfach wunderbar schreiben und geht super von der Hand. Eine ordentliche Ladung Menschenhass und man ist gefühlt schon mittendrin im Charakter XD

Freut mich mega, dass es dir gefällt und bis zum nächsten Mal! :)
Antwort von: Karma
07.03.2021 19:54
Ja, das liebe ich an Seto auch so sehr. Man kann ihn so schön leiden lassen und irgendwo hat man zwar auch immer etwas Mitleid, aber im Hinterkopf ist trotzdem der Gedanke: Eigentlich hat er's ja irgendwie auch verdient ...
So geht's zumindest mir.
^^°


Zurück