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Schatten der Vergangenheit

von

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Du bist ein Monster

Das Leben könnte endlich einmal schön verlaufen. Doch weit gefehlt. Wieder gerät Lucy an einen Mann, aus dessen Fängen sie erst durch einen Freund entkommen kann.
 


 

Schon früh habe ich weinende Kinder gesehen. Auf Bildern zum ersten Mal und letztendlich bitterlich weinend, als ich fast 23 Jahre alt war.
 

Tränen lügen nicht. So heißt es und doch können wir so manches Mal blind sein. Die Wahrheit wollen wir nicht sehen, nicht hören und schon gar nicht trauen wir Menschen böses zu, die wir lieben.
 

Ich hätte es damals besser wissen müssen, doch ich war zu jung, um die Gefahr zu sehen. Vielleicht wollte ich sie anfangs nicht sehen, wollte nicht glauben, weil vieles keinen Sinn ergab. Kinder verarbeiten Missbrauch anders, man sieht es ihnen nicht sofort an und oftmals halten wir Tränen für gespielt, weil wir so manches Mal denken, sie sind falsch.
 

Denkt bitte nicht so!
 

Tränen laufen nicht auf Kommando, Kinder spielen nicht auf Knopfdruck, Angst, Verzweiflung und den Wunsch nach Flucht. Kinder denken sich keine Geschichten über Männer aus, die ihre Hände an ihre Schenkel legen und an Stellen, an denen sie nichts zu suchen haben!
 

Achtet auf Kinder, nicht nur auf eigene und bedenkt immer, dass Täter aus den eigenen Kreisen stammen können. Mehr noch, als aus Unbekannten.
 

⁕⁕⁕⁕
 

Fassungslos stieg Lucy in den roten Dreier BMW ihres besten Freundes ein. Sie wagte es nicht einmal, sich umzudrehen, einen Blick auf jenes Haus zu werfen, in dem dieses schreckliche Verbrechen stattfand. Markus musste ihr sogar beim Anschnallen helfen, legte den Gurt an und betrachtete sie besorgt von der Seite. Blass wirkte sie auf ihn, das Zittern ihrer Hände versuchte sie, so gut es ging, zu verstecken. Für ihn war klar, Lucy stand unter Schock.
 

„Willst du reden?“, fragte er vorsichtig nach, doch sofort schüttelte die blonde, junge Frau den Kopf.
 

„Fahr einfach bitte los“, murmelte sie kaum hörbar vor sich hin, legte die Hände in den Schoss und knetete unsicher ihre Finger. Ihren Blick ließ sie auf dem Fenster schweifen, blickte vorbeiziehende Häuser an, Bäume, Sträucher und Straßenschilder. Alles schweigend, bis auf gelegentliche, tiefe Seufzer, die sie beinahe jede Minute ausstieß.
 

„Doch Reden oder vielleicht eine Zigarettenpause?“, wollte Markus wissen und fuhr bereits rechts ran. Lucys Verhalten machte ihm Sorgen. Besonders, weil sie nicht sagen wollte, warum er sie abholen sollte. Lediglich hatte sie ihn gebeten, sie so schnell wie nur möglich abzuholen. Aus welchem Grund hatte sie nicht gesagt. So durch den Wind hatte er sie jedoch noch nie gesehen. Irgendwas stimmte nicht.
 

„Sie lügt. Sie muss lügen“, wisperte Lucy, während sie sich abschnallte, die Wagentür öffnete und ausstieg
 

„Wer lügt?“ Verwirrt folgte Markus ihr, trat um das Auto herum und auf sie zu. „Wer lügt, Lucy?“
 

Lucy atmete tief durch, lief ein paar Schritte und blieb erschrocken stehen. Sie hatten genau vor einem alten Gutshaus gehalten, einem, das ihr seltsam bekannt vorkam und ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Sogar das Absperrband der Polizei war noch da, verlieh dem Gebäude einen unangenehmen Beigeschmack. Hier hatte ein wirkliches Verbrechen stattgefunden. Keine Lüge eines kleinen Mädchens wurde erzählt, das sich irgendetwas durch den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs erhoffte.
 

Wütend über diese Dreistigkeit kickte Lucy einen Stein weg und sah Markus danach an. „Die Kleine von meinem Nachbarn behauptet, mein Freund hätte sie unsittlich angefasst.“
 

„Ist das sicher?“, fragte Markus kritisch nach. Weder das Mädchen kannte er, noch dessen Vater. Von Lucy wusste er nur, dass sie recht arm und bescheiden lebten, der Mann ziemlich übergewichtig war und den ganzen Tag auf dem Sofa verbrachte. Lucys Freund war ihm dafür umso bekannter. Aber ein Kinderschänder? Würde er so weit gehen? Markus fiel sofort der Spruch ein. „Wer Frauen schlägt, der frisst auch kleine Kinder.“
 

„Lucy? Du kennst deinen Freund, weißt, wie er tickt und ganz unschuldig ist er nicht, wenn ich dich daran erinnern darf!“
 

Sofort zuckte Lucy zusammen. Sie wusste, was Markus ansprach. Aber rechtfertigte das so einen Verdacht? Konnte ihr Freund wirklich so weit gehen und ein Kind sexuell nötigen, es missbrauchen? Lucy dachte nach, doch zu vieles sprach in ihren Augen dagegen. Besonders die Alpträume, die sie binnen weniger Minuten angeblich haben sollte. Kein Mensch schlief so schnell ein, träumte schlecht und meist erinnerte man sich nicht mal an seine Träume. Kinder noch weniger als Erwachsene. Dazu Tränen, die nicht flossen. Ein gespieltes Weinen, der krampfhafte Versuch, überzeugen zu wollen.
 

Für Lucy war klar, sie log und machten allen etwas vor.
 

„Sorry Markus, zu viel spricht für eine Lüge. Mag sein, dass mein Freund mich schlägt, beinahe vergewaltigt hat, aber ein kleines Mädchen unsittlich berühren?“ Die Wut schwang deutlich in ihrer Stimme mit, während sie argwöhnisch das Anwesen betrachtete. „Schon gruselig, vor dem Haus eines Kannibalen zu stehen.“
 

Kurz schüttelte sich Lucy, dann endlich steckte sie sich ihre Zigarette an und schritt auf ihren besten Freund zu. Sofort nahm dieser sie in seine Arme, drückte sie an sich und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. „Egal, was war, es wird sich klären. Die Polizei wird die Wahrheit herausfinden.“
 

Lucy nickte schwach, vertraute auf die Worte ihres besten Freundes, die sich bald bewahrheiten sollten. Das Nachbarsmädchen hatte er nicht angefasst, dafür aber Lucys kleine Schwester, die zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zwölf Jahre alt war. Ein Schlag ins Gesicht, eine Tat, die sie nicht verzeihen wollte und konnte. Auch heute nicht. Für Lucy war diese Person gestorben und alle Erinnerungen an ihn ausradiert.



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