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1000 Ways to Die in the West

Die Memoiren eines Flohgeistes
von

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Es gehört Mut dazu sich einer Angst zu stellen und sie auszuhalten

Hoimar von Ditfurth

 
 

Ich starrte Meister Nekohiko und Hikari nach, als sie in Richtung des Bannkreises verschwanden. Wann genau hatte sich mein Schicksal derart gegen mich gekehrt? Als ich beschloss nie zu heiraten, nie das Dorf zu verlassen? Nicht nur, dass ich jetzt an einen Daiyōkai gebunden war, um noch satt zu werden, ja, werden zu können, nein, ich war anscheinend auch an diese eine bestimmte Blutlinie gebunden, die augenblicklich nur noch aus zwei Personen bestand. Ein Kind, zwar beschützt von der Mutter und einem Heer Krieger, aber für mich gerade deswegen unerreichbar, zusätzlich vermutlich Ziel einer Drachenarmee – und dessen Vater, ein Mann, der mir das Leben gerettet hatte, und vermutlich gerade jämmerlich im Kerker der Drachen starb.

Gut, danke. Irgendwo musste mindestens eine Gottheit sitzen, die mich hasste.

Wie hatte Meister Mikoto vor scheinbar ewiger Zeit gesagt – das Leben endet immer tödlich? Ja. Aber musste es denn so ….so ohne jede Hoffnung sein?

Drachen galten als blutdürstig, natürlich nicht mit einem Floh zu vergleichen. Und ich musste daran denken, dass dieser Daiyōkai mir schwachem Geschöpf nicht nur erlaubt hatte sein Blut zu trinken, mich so gerettet hatte, sondern eigenhändig mich in in seinen Hals gestoßen hatte. Da war die Erinnerung an warmes Gold in den Augen, das edle, süße Blut, und dann dieses Lächeln. Oh nein, nicht dasjenige, das wie die Vorankündigung des Todes war, sondern das andere, das wirklich Erheiterung zeigte. So ein warmes Lächeln, und er hatte erfolgreich so getan, als wären wir in irgendeiner Weise ebenbürtig, ja, Freunde. Eine Illusion, wie ich nur zu gut wusste, aber, das hätte er nicht tun müssen.

Vielleicht nicht einmal tun sollen, denn weder das Lächeln noch der Blick gingen mir mehr aus dem Kopf.

 

Ich sah erst auf, als ich hörte, dass der Meister zurückkehrte, sehr nachdenklich. So blickte ich zu ihm. „Ihr macht Euch Sorgen?“

„Das wäre untertrieben.“ Er ließ sich nieder. „Das Höllenschwert verschwunden und bald in der Klaue Ryuichis. Das wäre das Ende der Welt wie wir sie kennen.“

Ein Reflex trieb mich dazu mehr erfahren zu wollen. „Es tötet alles Leben?“

„Der Tod wäre gnädig. Es tötet, ja, aber es raubt auch die Seelen, schluckt sie förmlich. Der Träger wäre in der Lage aus dem Schwert eine Armee Untoter zur rufen. Und wenn dieser Träger dann unter der Kontrolle des höllischen Geistes dieser Klinge steht…“

„Warum kam es überhaupt hierher? Ich meine, es scheint ja wirklich in die Unterwelt zu gehören.“

„Ja, aber ein Drache, Vater oder Großvater von Ryuichi, stahl es.“

„Aus der Hölle?“ vergewisserte ich mich. „Das stelle ich mir nicht gerade einfach vor.“

„War es wohl auch nicht, aber sobald das Schwert hier war, übernahm es den damaligen Drachenkönig und das Grauen begann. Erst als der Vater des jetzigen Taishō es an sich nahm, um genau zu sein, er forderte den Drachenkönig zu einem Duell in der wahren Form, wo dieser So´unga nicht einsetzen konnte, und dem die rechte Vorderpfote abbiss, gehörte ihm auch diese Klinge. Und nur Hundeblut, dieses eine, kann sie zähmen.“ Er musterte mich nachdenklich. „Wenn du ihn getroffen hast und er das Schwert trug – hast du nicht die Macht dieser Klinge gespürt? Wollte dich der Höllendrache nicht rufen?“

„Äh, nein, seinsei. Ich spürte wohl eine dunkle Aura, aber, ich meine, ich bin ein Floh und erschien ihm wohl nicht der Mühe wert.“

„Möglich. Oder du konntest widerstehen, weil du eben dieses Blut getrunken hattest. Wie schon einmal erwähnt, über Flohgeister ist wenig bekannt. - Immerhin scheint der Taishō das Schwert so gut verborgen zu haben, dass es möglichst niemand finden kann. Was leider nur bedeutet, dass er früher oder später Ryuichi erzählen wird, wie der dran kommt. Niemand kann das verschweigen. Es gibt da probate Mittel. Leider.“

Ja, das war mir klar. „Und es ist unmöglich ihn da rauszuholen.“

Der Katzenmagier schien die nicht vorhandenen Augenbrauen zu heben. „Myōga, du kleiner Dummkopf. Aus der Drachenburg? Das gesamte Heer des Westens stünde vor dem Bannkreis wie die Narren. Kein Daiyōkai kommt da durch, ebenso kein feindlicher Drache, übrigens, wie einst bei einem Drachenkrieg bewiesen wurde. Schlicht niemand.“ Er betrachtete mich. „Du möchtest ihm helfen, weil er dir das Leben gerettet hat? Und du ohne ihn keine Chance auf weiterleben hast? Verständlich, aber einfach undurchführbar.“

Ich dachte wieder an das Lächeln. „Ich weiß, ich meine, ich kann es mir vorstellen. Aber, Meister, wenn Ihr dort im Kerker wärt, würdet Ihr nicht auch hoffen, dass es irgendjemand wenigstens versucht?“

„Myōga.“ Er klang plötzlich sehr ernst. „Sieh mich an. Nein, sieh mir in die Augen. Hörst du doch das Rufen des Höllenschwertes und bist dir dessen nur nicht bewusst?“

„Nein, gewiss nicht, sensei.“ Da war ich mir sicher. „Ich habe sogar ziemlich Angst, aber, so wie es aussieht muss ich so oder so bald sterben, denn Ihr lasst mich ja nicht hier um aus der Quelle weiter zu trinken.“

„Das geht nicht, mein Schüler. Und das liegt nicht an mir. Die Zeit im Hekashin endet für alle einmal, so habe ich ihn einst geschaffen. Und, du weißt wenig von Magie, aber das sollte dir bewusst sein – Bedingungen kann man nicht einfach ändern.“ Er musterte mich nochmal.

Es war mir direkt unangenehm, aber ich hielt dem Blick stand, ehe ich doch zugab: „Es ist wegen diesem Daiyōkai selbst. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll… Er hat mich gerettet, ja, in dem er mir sein Blut gab. Aber danach haben wir uns einfach unterhalten, als ob wir gleichrangig wären, einfach ein Gespräch unter Freunden. Natürlich eine Illusion, dessen bin ich mir bewusst, aber er hätte sie nicht für mich erschaffen müssen. Oder mich, bevor wir uns trennten, noch eine Stunde auf seiner Schulter sitzen lassen, nur, damit ich wenigstens diese eine Stunde noch in Sicherheit wäre.“

„Du weißt, dass es eine Illusion war.“

„Ja, natürlich.“ Nein, das mit dem Lächeln würde ich auch dem Meister nicht erzählen. „Vielleicht ist er kein gewöhnlicher Daiyōkai. Aber, wenn ich schon so oder so sterben muss, dann will ich es wenigstens bei dem Versuch tun ihn zu retten.“ Meinen einzigen Freund, ja. Aber das würde ich auch nie zugeben.

„Ich kann dich nicht davon abhalten.“ Meister Nekohiko musterte mich noch einmal, plötzlich nicht mehr abschätzend, eher aufmerksam neugierig. „Es gibt ein Sprichwort unter Menschen: ein Floh kann einen Löwen in den Wahnsinn treiben, aber nie ein Löwe einen Floh. Nun, womöglich gilt das auch für Drachen und so hast du wirklich als einziger eine Chance. Komm mit in die Hütte.“

 

Da der Katzenmagier offensichtlich in einem Regal zu suchen begann, ließ ich mich auf meine Matte nieder, bis er sich umdrehte.

„So,“ meinte er. „Du bist wild entschlossen?“

„Ich habe keine Wahl,“ flüsterte ich. Zugegeben, es war Angst, die mir die Kehle zuschnürte, aber – was hatte ich denn für eine Wahl? Wenn ich mit dem bisschen Leben, das mir verblieb, noch etwas Sinnvolles anfangen wollte, mein ganzes erlerntes Wissen einsetzen wollte, war das der einzige Weg, der mir offen stand. Der Weg direkt in die Burg der Drachen. In den sicheren Tod.

„Gut. Dann gehen wir zu der Quelle, damit du dich noch einmal stärken kannst. Und dann wandern wir in den Osten des Hekashin, soweit er reicht. Ich werde dir auf diesem Weg noch etwas über Bannkreise beibringen.“

„Ihr meint, ich käme durch?“

„Möglich. Jeder Bannkreis schützt nur vor dem, an das sein Erschaffer dachte. Ich weiß nicht, ob Drachen überhaupt wissen, dass es Flohgeister gibt, sie sind nicht eure Beute, gewöhnlich, oder?“

„Nein,“ musste ich zugeben. Also, davon hatte Meister Mikoto nie erzählt.

 

Der Katzenmagier ging schweigend weiter und ich folgte ihm. Ich kannte ihn doch inzwischen gut genug um zu wissen, dass er mir alles, was er für wichtig hielt, nach der Quelle auf dem Weg in den Osten mitteilen würde. Zunächst war jedenfalls erst einmal wichtig, dass ich ein letztes Mal aus der geheimnisvollen Quelle trank, so viel, wie nur in mich hineinging ohne unbeweglich zu werden. Es war absehbar, dass dies meine letzte Mahlzeit sein würde, die ich zu mir nahm. Es sei denn, mir gelang es tatsächlich den Taishō zu retten. Einem Floh gegen Drachen. Es war nachgerade lächerlich.

 

Meister Nekohiko schwieg noch immer, als ich fertig getrunken hatte, aber er führte mich an den Rand des Hekashin, wanderte dann langsam nach Osten. Erst da fiel das nächste Wort.

„Vermutlich haben die Drachen und ihre Schamanen dein Volk und andere Kleine übersehen. Dann kommst du durch den Bannkreis um die Drachenburg. Wenn nicht – war es das. Aber natürlich gibt es noch ein Problem mit der Magie. Wenn du zurück willst, möglichst ja wohl mit dem Daiyōkai – diesen wird der Zauber abweisen.“

Zugegeben, an den Rückweg hatte ich bislang nicht gedacht, eigentlich zu sicher, dass es keinen mehr geben würde für mich. Erst im nächsten Moment erkannte ich, dass er die Pfote nach hinten ausstreckte. Etwas Goldenes lag darin, das ich eilig nahm. Eine Münze. „Sensei?“ Ich begriff gerade nichts.

„Eine sehr wertvolle Kleinigkeit,“ sagte der Katzenmagier. „Sie öffnet jeden Bannkreis. Ein einziges Mal. Falls du auf dem Hinweg bereits am Bannkreis scheiterst, sollte dir klar sein, dass du sie für den Rückweg dann nicht mehr benutzen kannst. Gelangst du als Floh jedoch hindurch, wirf sie auf dem Rückweg in den Zauber. Sie wird sich auflösen und der Taishō kann hindurch. Falls er schnell genug ist. Nach Tagen im Kerker wage ich zu bezweifeln, dass sein Yōki noch sonderlich hoch ist, geschweige denn von seinem psychischen Zustand zu reden. Es mag sein, dass er dich gar nicht mehr wahrnimmt oder zumindest nicht erkennt. Ryuichi und seine Söhne interessiert ihr Ziel, nicht, wie viel Schmerz jemand ertragen kann.“

„Danke,“ war sicher die richtige Antwort für die Münze, auch wenn die weiteren Informationen dazu führten, dass ich Schweißperlen am Rücken und auf der Stirn verspürte. Es wurde nicht besser oder aussichtsreicher, je mehr ich hörte. War das wirklich der einzig richtige Weg? Ich konnte doch unmöglich einen Daiyōkai tragen?!

 

Fast zwei Stunden später blieb Meister Nekohiko erneut stehen. Ich konnte mir den Grund denken, wieder spürte ich die Barriere, wenngleich nun seltsam vertraut. Er sah zu mir. „Wir gehen jetzt durch und ich werde dir den restlichen Weg beschreiben, so gut ich es vermag. Fragen, die du noch hast, solltest du daher bald stellen, denn dann werden wir uns trennen.“

Ich schluckte und nickte. Oh ja, ich hatte Angst, vor der Welt da draußen, die sich als so feindselig gegenüber Flohgeistern gezeigt hatte, vor den Drachen, geschweige denn davor in deren bewachte Festung gehen zu sollen, zu wollen. Ich musste irgendwie komplett übergeschnappt sein. Aber ich sah damals keinen anderen Weg, nun, um ehrlich zu sein, würde ich auch heute keinen anderen sehen. „Woran merke ich, dass ich an dem Bannkreis der Drachen bin, sensei?“

Der Katzenmagier warf mir tatsächlich eine etwas irritierten Blick zu, ehe er meinte: „Es ist sehr schwer für mich daran zu denken, dass du wirklich keine Ahnung von Magie hast, obwohl du sie ein wenig ausstrahlst. Sie ist nur geliehen, nicht die deine. Was spürst du hier?“

„Jetzt etwas wie ...Widerstand. Aber als ich von außen das erste Mal auf sie traf… ja, auch, aber anders.“

„Weil du nun von innen kommst. Gehen wir hinaus.“

Er öffnete die Barriere mit seinem Stab, den er unverzüglich auch wieder verschwinden ließ, und schritt hindurch. Ich sprang eilig hinterher. Im nächsten Moment spürte ich ein seltsames Kribbeln, vor allem am Kopf, aber auch am ganzen Körper. Und, als ich hastig zu meinen Haaren griff, sah ich nur noch, wie sie schwarz und lang an mir vorbeiglitten und zu Boden fielen. Meine tastenden zwanzig Finger trafen auf den blanken Kopf. Ich war kahl! Nun ja, wie mir hektisches Tasten bewies, ich besaß noch einen Haarkranz außen rum, aber das war es. Dafür allerdings war mein Schnurrbart deutlich länger geworden, und, soweit ich es erschielen konnte, ergraut. Um es kurz zu machen, ich sah fast aus wie jetzt. „Meister!“

„Keine Panik, Myōga. Im Hekashin vergeht keine Zeit, aber natürlich bist du älter geworden, erwachsen. Das hast du soeben nachgeholt. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich nie weiter als wenige Schritte vom Bannkreis entferne. Ich weiß nicht, wie alt ich hier draußen geworden bin, und selbst, wenn man behauptet, ein Kater hätte neun Leben… Nun, wenn du zu dem an sich undurchdringlichen Bannkreis der Drachen kommst, wirst du ihn entweder so spüren wie hier meinen. Vermutlich sogar aus größerer Entfernung, denn er ist deutlich stärker.“

„Mächtiger als Ihr?“

„Kleiner Floh, ich sagte stärker, nicht mächtiger.“

„Verzeihung,“ murmelte ich hastig.

„Wenn du ihn spürst, wird er auch dich abwehren und dann kannst du eigentlich gleich umdrehen. Wenn du ihn jedoch nichts spürst, weil er nicht auf Wesen wie dich mit ausgelegt wurde, wirst du ihn kaum oder sogar gar nicht bemerken. In diesem Fall gelangst du auch ebenso wieder hinaus. Solltest du den Taishō dabei haben, wird dir die Münze noch gute Dienste erweisen.Was willst du noch wissen?“

So viel, dachte ich in einem seltsamen Wechselbad aus Panik und Resignation. Oh, so viel. „Wie komme ich zu der Burg? Und, wie groß sind Drachen?“

„Siehst du dort hinten den Rauch? Das ist der Hoyama, den du ja schon kennst. Geh ungefähr in diese Richtung, wenngleich immer schräg weiter nach Osten. Hier, wo mein Hekashin endet, beginnt bereits das Drachengebiet. Du kannst bereits bald auf eine Patrouille treffen. Oder auch nicht. Sei behutsam. Und spare dir deine Kräfte auf. Teile das Blut in dir genau ein. - Drachen, ja. In ihrer wahren Form sind sie schlangenartig und je nach Alter wahrlich riesig. Der König besonders. Allerdings sparen sie sich oft die Unannehmlichkeiten, die diese Größe mit sich bringt, zumal die Krieger hier draußen, und sind in einer menschenähnlichen Form, ähnlich Yōkai, und auch ungefähr so groß. Sie haben ebenso spitze Ohren, lange Haare, aber ein kleines zweites Gesicht auf der Stirn, das ihnen auch in ihrer wahren Form eigen ist. Daran kannst du immer einen Drachen erkennen. Überdies sind die Krieger in Rüstung und bewaffnet, zumeist mit Schwertern. Nur die Mächtigsten haben nicht einmal das, sie töten durch ihr Yōki und Flammenbälle, die sie aus dem Mund schleudern können. Auch dies ist Yōki.“

Gefressen oder gebraten oder von einem Schwert aufgespießt, also. Was für Aussichten. Und da vorne warteten auch schon wieder die Einöden des Hoyama? Ich warf einen Blick zu dem Berg, ehe ich etwas kleinlaut fragte: „Aber ich muss nicht mehr in die Einöden?“

„Nicht in die des Hoyama. Allerdings neigen Drachen nicht dazu Menschen zu dulden. Du wirst hier keine Felder finden oder auch nur Wälder, sieh nur vor dich. Grasige Steppe, dazwischen immer wieder vulkanische Aktivität, wenn Ryuichi oder seine Söhne zur Übung oder in gewissem Zorn ihren Mächten freien Lauf gelassen haben.“

„Wie viele Söhne hat er denn?“

„Zwei. Angeblich, aber das hörte ich damals, da mag sich etwas dran geändert haben, sei es, dass er einen weiteren bekam, sei es, dass sich die Brüder gegenseitig umbrachten. Drachen, eben.“

Es wurde wirklich immer besser. „Und diese Drachenburg?“

„Sie ist aus Stein, angeblich wurde sie einst aus diesem Felsen buchstäblich herausgeschnitten. Sie ist von einer hohen Mauer umgeben. Ich hörte, aber ich fürchte, das hat noch keiner gesehen, der da lebendig herauskam, dass das Haupthaus gigantisch ist, denn in dem Thronsaal liegt Ryuichi zumeist in seiner wahren Gestalt. Und, falls du mich fragen willst, wo der Kerker ist – ich vermute im Keller, dazu Bannkreise, aber, das musst du wirklich selbst herausfinden.“

Jede Menge wertvoller Hinweise – und zugleich zum Wegwerfen, weil mehr Angst einjagend. „Sensei, eine Frage habe ich noch.“ Ich hörte selbst, wie meine Stimme zitterte und meine Kleidung am Rücken nass war. „Angenommen, es gelingt mir mit dem Taishō aus der Burg zu kommen – wohin sollte ich dann?“

„Wenn er nicht selbst laufen kann wird es schwierig, das ist dir klar. Ansonsten, so rasch es geht dorthin, wo er So´unga verborgen hat. Dort sind Krieger, hatte Hikari gesagt. Da kann er sich das Höllenschwert nehmen und Boten schicken, die das Heer rufen. Dann wäre der Westen sicher.“ Der Katzenmagier hob etwas die Pfote. „Geh nun, mein Schüler. Ich wünsche dir viel Erfolg. Du hättest es verdient, denn du bist der mutigste Mann, den ich je kennengelernt habe.“

„Aber, ich habe doch solche Angst.“

„Nur ein Narr hat keine Angst, kleiner Myōga. Und du bist keiner.“

 

Das war wohl ein ziemliches Kompliment, dachte ich und hüpfte etwas weg. Als ich mich umdrehte, hob ich zum Abschied noch einmal zwei Hände, Meister Nekohiko winkte zurück, ehe er wieder im Bannkreis verschwand und alles nur noch dichter Urwald zu sein schien. Ich war allein.

Nicht ganz, denn irgendwo vor mir befanden sich Drachenkrieger, denen ich sicherlich besser aus dem Weg gehen sollte. Ja, und irgendwo vor mir lag der Mann, dem ich mein Leben verdankte, der so nett zu mir gewesen war, vermutlich sterbend im Kerker. Ich sprang weiter, mit gleichmäßigen Sprüngen in die angewiesene Richtung Südosten.

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das mit dem Löwen und dem Floh ist ein Zitat von Alfred Brehm. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: Morgi
2022-11-25T09:18:13+00:00 25.11.2022 10:18
Hallo!

Auf zum ersten Himmelfahrtskommando, bei dem sich Bannkreise und Drachen als ungesunde Zwischenfälle entpuppen dürften. Ich denke immer noch an die Spinne, die listig kicherte und frage mich, ob deren Charme auch den erwähnten Schamanen zu eigen sein wird. Wozu Drachen die brauchen, wenn sie sich gegenseitig fressen? Und wie weit wird die Schilderung des Burgaufbaus von der Realität abweichen? Wie viele Kreaturen können dort unbemerkt hausen und doch etwas gegen Flohgeister haben?
Nebenbei überlege ich, ob Hikari und dessen Männer nicht selbst Interesse haben könnten, den Taishou aus dem Weg zu räumen. Bleibt das Höllenschwert verschwunden, taugt das irgendwann auch nur zur schlechten Geschichte, mit der man Welpen ängstigt. Naja, andererseits wollen wir nicht vergessen, dass der Hausherr nützlich wäre, um Köpfe zu retten.

Viele Grüße, Morgi
Von:  Sanguisdeci
2022-07-28T18:23:57+00:00 28.07.2022 20:23
Ich bin sehr gespannt, was Myoga vorfinden wird *-* So schön geschrieben, danke dir!
Antwort von:  Hotepneith
29.07.2022 18:55
Dankeschön. Langsam wundert einen nicht mehr, warum der Floh Gefahren so weiträumig erahnen kann... hartes Training.


hotep


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