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Schwere Beute

von

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Das Telefongespräch

Auf die andere Straßenseite kommen zu wollen stellte sich als eine gar nicht so einfach zu bewältigende Aufgabe heraus. Die nächsten Ampeln standen erst an der etwas weiter entfernten Kreuzung. Und ein Bakura hielt es natürlich für schwachsinnig sich einen längeren Weg zu machen als nötig.

Nun hörte man überall lautstark die Autofahrer protestieren. Bakura war nicht der einzige, der lieber den direkten Weg über die Straße nehmen wollte und somit war der Verkehr hier vor dem Bahnhof, aus dem immer wieder neue Menschenmassen hervorstießen, beträchtlich ins Stocken geraten.

Bakura flitzte über die Straße ohne die wütenden Kommentare der Fahrer zu beachten und nachdem ihn einer, der anscheinend so allmählich die Geduld mit den rücksichtslosen Fußgängern verlor, beinahe übern Haufen gefahren hatte, erreichte er trotz allem glücklicherweise unbeschädigt die andere Seite.

Seufzend erkannte er, dass die Telefonzelle gerade besetzt war. Er ließ den Blick über die belebte Straße schweifen. Line saß noch immer auf ihrer Tasche. Verträumt schaute sie den Leuten zu, die ihr Gepäck aus dem Bahnhof schleppten um sich dann das nächste Taxi zu besorgen und damit weiter zu kommen. Mütter zerrten ihre Kinder hinter sich her, die laut protestierten und sich losreißen wollten. Männer versuchten verzweifelt ein Taxi zu besorgen, während ihre Sprösslinge immer ungeduldiger wurden. Junge Leute kamen aus dem Gebäude stolziert oder lagen sich, wieder glücklich vereint, in den Armen. Geschäftsleute hasteten an ihnen vorbei und warfen immer wieder einen flüchtigen Blick auf die große Uhr, die über dem Eingangsportal hing.

Genauso viele, wie aus dem Gebäude herauskamen, wollten natürlich auch herein. Line hatte sich, kurz nachdem Bakura verschwunden war, noch ein wenig weiter an den Rand der Treppe umquartiert. Es war eine unerwartet schwierige Aufgabe gewesen, ihr Gepäck auch nur die paar Meter zu bewegen. Line fragte sich, wie Bakura seine Tasche so problemlos hatte tragen können. Als sie nun einen Blick quer über die Straße riskierte, bemerkte sie, dass er sie gerade aufmerksam beobachtete. Er stand vor der Telefonzelle. Anscheinend war sie gerade besetzt. Genau in diesem Moment wurde er allerdings aufgescheucht.

Bakura spürte plötzlich einen schmerzhaften Stoß im Rücken. Derjenige, wer auch immer es war, der dort gerade telefoniert hatte, kam nun anscheinend endlich aus der Zelle. Und er hatte Bakura dabei äußerst brutal die Tür in den Rücken gerammt. Bakura wandte sich wütend um.

Der Mann bemühte sich eilig, aus der mickrigen Telefonzelle herauszukommen. Er war nicht ganz so schmal, wie es anscheinend notwendig war, um in dieser Stadt eine Telefonzelle zu betreten. „Verzeihung.“, knurrte er ohne aufzuschauen. Dann wandte sich sofort ab und verschwand in der Menschenmasse um sich herum. Bakura starrte ihm fassungslos nach.

Dann stürzte er in die Telefonzelle. Er wählte nun eine andere Nummer als eigentlich vorgesehen.

Als er hörte, wie auf der anderen Seite abgenommen wurde, begann er sofort zu reden, ohne sich darüber Sorgen zu machen, wer wohl am anderen Ende der Leitung sei.

„Linsley, du hast mir was verschwiegen.“ Er klang verbittert.

Auf der anderen Seite herrschte Schweigen. Bakura konnte nur seinen eigenen ungewöhnlich lauten Atem hören.

„Du sollst mich nicht anrufen.“, stellte sie schließlich völlig ruhig fest. „Du weißt doch, dass mein Telefon überwacht werden könnte.“

Bakura schnaufte. „Du hättest mir ja auch gleich die Wahrheit sagen können. Dann wäre dieser Anruf nicht nötig gewesen.“

„Wovon redest du?“, fragte sie kalt.

Bakura lachte. „Du weißt, wovon ich rede. Warum hast du mir nicht gesagt, dass er hier ist? Du wusstest es doch, nicht wahr?“

Man hörte Linsley stöhnen. „Bakura, du hast zurzeit andere Sorgen. Deshalb habe ich nichts gesagt. Ich wusste, dass du dich sofort wieder an ihn dran hängen würdest. Woher weißt du überhaupt, dass er in Nagoya ist?“

Bakuras Finger spielten mit einer Ecke der aufgeschlagenen Telefonbuches, die langsam zu reißen drohte. „Ich habe einen seiner Männer, mit dem ich zufällig schon einmal eine eher unangenehme Begegnung hatte, eben getroffen. Und wenn das nicht der Fall gewesen wäre und ich hätte später erfahren, dass mir mein Lieblingsgauner mal direkt vor der Nase herumgelaufen ist, ohne dass ich es gemerkt habe, dann hättest du sehr schnell dein Testament machen sollen. Du weißt, dass du mir so etwas hättest sagen müssen.“

Linsley schien gar nicht beeindruckt. „Du hast jetzt keine Zeit für so etwas. Du musst so schnell wie möglich verschwinden. Du bist dem Knast wahrscheinlich schon weitaus näher, als du glaubst, weißt du.“

Bakura lachte nur. Es war offensichtlich, dass er diese Ansicht nicht teilte.

„Sag mir den Namen des Hotels.“, sagte er lächelnd.

Einen Moment lang herrschte Stille.

„Nein.“, knurrte Linsley. Dieses eine Mal wollte sie sich nicht überreden lassen.

Bakura grinste, was sie natürlich nicht sehen konnte. „Doch.“, sagte er bestimmt.

Inzwischen hatte sich der Papierfetzen ganz von der Buchseite gelöst. Er hielt ihn zwischen den Fingern und betrachtete ihn gelangweilt. Ein paar Ziffern standen darauf, völlig zusammenhangslos.

Die junge Frau wirkte ein wenig verzweifelt. „Du kannst dich darum jetzt nicht kümmern. Du bist in Gefahr, das weißt du. Und das Mädchen auch.“

Anscheinend hatte sie gedacht, das würde Bakura umstimmen. Damit lag sie allerdings im Irrtum.

„Sie ist nicht in Gefahr.“, erwiderte Bakura kalt. „Wenn man uns findet, wird sie sicherer sein, als sie es wohl jemals in ihrem Leben gewesen ist. Solange sie bei mir ist, ist sie in Gefahr.“

Linsley klang als würde sie heulen. „Aber du bist in Gefahr.“, rief sie wütend.

Bakura lehnte sich an eine der Seitenwände der Telefonzelle. „Jetzt hilf mir schon. Sag mir den Namen.“

Er sah, wie ein Mann ihm mit Gesten versuchte mitzuteilen, dass er warte. Bakura beachtete ihn nicht.

Linsley atmete laut. Eine Weile rührte sich gar nichts. „Ich will das nicht.“, sagte sie leise.

Bakura richtete sich ungeduldig auf. Er warf einen Blick nach draußen, wo er Line hoffte zu erblicken, aber der Verkehr war inzwischen so dicht geworden, dass man die andere Straßenseite kaum noch erkennen konnte.

„Hör zu, ich hab nicht ewig Zeit. Und du weißt genau, egal, ob du mir die Adresse gibst oder nicht, ich werde zu ihm gehen. Wenn du mir nicht hilfst, muss ich mir meine Informationen eben selber suchen. Und das dauert garantiert länger. Also tu mir den Gefallen und gib mir die Adresse.“

Einen Moment herrschte Schweigen. Dann fragte Linsley leise: „Hast du einen Zettel?“

Bakura stürzte sich förmlich auf das Telefonbuch und riss ein weiteres im Unterschied zu dem anderen aber größeres Stück heraus. „Okay.“

Linsley gab ihm die Adresse. Als er sie notiert hatte, verstaute er den Kugelschreiber hastig wieder in seiner Tasche. Nervös schaute er sich nach dem kleinen Mann um, der inzwischen wütend auf das Glas einschlug.

„Bakura, pass bitte auf dich auf.“, murmelte Linsley betrübt.

Bakura machte eine unfreundliche Geste in Richtung des temperamentvollen Mannes draußen vor der Telefonzelle.

„Mach dir keine Sorgen. Kümmer dich lieber um Fred.“

Und er legte ab. Als er aus der Telefonzelle trat, wurde er von dem kleinen Zwerg bereits mit lautem Schimpfen empfangen. Bakura hörte nicht darauf, was er ihm entgegen schrie. Er hatte nun allerlei wichtigere Dinge, die er erledigen musste. Dazu gehörte erst einmal über die Straße zu kommen. Und das war nun bei weitem nicht mehr so einfach, wie es vorhin gewesen war. Seufzend entschied er sich für den sicheren Weg über die Ampel. Bevor er noch bei so etwas simplen wie einem Verkehrsunfall ums Leben kam, nahm er lieber ein paar Meter mehr in Kauf, die er zurücklegen musste, um zu Line zu gelangen.

„Du hast lange gebraucht.“, stellte das junge Mädchen vorwurfsvoll fest, als Bakura schließlich endlich wieder vor ihr stand. Sie hievte sich hoch und reckte sich. Bakura nahm ohne etwas zu erwidern die Taschen auf und forderte sie auf, ihre eigene zu nehmen. Seufzend tat Line, was er sagte.

Er wandte sich sogleich um und es dauerte nicht lange, da hatte er ein Taxi besorgt. Begeistert ließ Line sich ihre schrecklich schwere Tasche sofort wieder von dem Fahrer abnehmen und nahm eilig auf dem Rücksitz Platz. Wenig später saß Bakura dann neben ihr. Er hatte kurz ein paar Worte mit dem jungen Mann gewechselt, bevor er in den Wagen gestiegen war. Jetzt waren sie endlich unterwegs zu ihrem Hotel, vermutete Line.



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