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Paradies

Impossible now to go back to where we began
von

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Einsamkeit?

Vorwort:

So das letzte Kapitel. Es ist nochmal traurig und am Ende kitschig irgendwie.

Es folgt der Epilog UND wie einstimmig beschlossen die Teiou/Keika Szene. Ich hoffe es geht schnell vorran damit. Weiß noch nicht so ganz wegen Uni ^^.

~kiya
 

Kapitel 8
 

Fast apathisch hockte er auf einem Felsen, starrte auf den Punkt, wo vor ein paar Stunden noch die Person gekniet hatte, die in seinem Leben am wichtigsten gewesen war.

Das grelle Licht war längst verschwunden. Die Morgendämmerung schon vorbei und die Sonne ging langsam auf. Zum ersten Mal seit Wochen schien sie wirklich warm und dennoch war ihm kalt. Tia hatte ihn verlassen.

Nachdenklich betrachtete er die Kreise, die sich in unterschiedlichen Abständen um diesen einen Punkt drehten. Genauso drehten sich die unzähligen Gedanken in seinem Kopf.

Seine Hand schloss sich locker um den langen Metallstecken seines Zanyousu. Die mächtige Streitaxt lag auf dem Boden, vor dem Felsbrocken, auf dem er sich befand. Seit Stunden sicher schon. Tau glänzte im Gras, blitze in den Strahlen der aufgehenden Sonne.

Hinter ihm huschten Soldaten hin und her. Erst seit ein paar Stunden, war die letzte Schlacht geschlagen. Die allerletzte in diesem Krieg.

Kurz und schmerzvoll war sie gewesen, aber auch heilsam für alle Beteiligten. Für ihn selbst auch?

Er wusste es nicht. Nicht mal zu Tränen war er fähig. Wollte er sich die Blöße nicht geben, oder wusste er einfach nur, dass sie nicht nötig waren, dass sie nichts ändern würden an seinem Schicksal, welches fest besiegelt war mit Tias letztem Schritt ...

Er schluckte den Kloß runter, den er schon die ganze Zeit im Hals hatte.

Er erinnerte sich an das Gespräch, was er vor ein paar Tagen mit Tiarandear geführt hatte. Danach hatte er aufgebracht den Raum verlassen ... Warum war er jetzt nicht auch einfach wütend auf ihn? Warum fühlte er bloß diese Leere? Sonst nichts?
 

Zwei Tage war es her. Tia hatte ihn gerufen, hatte ihn gebeten eine Weile bei ihm zu bleiben. Auch wenn er eigentlich zu tun gehabt hätte war er geblieben, hatte seinem Freund und Geliebten diese Bitte nicht abschlagen können. Eigentlich hatte sein Vater ihn mit einigen Dingen beauftragt, aber das konnte auch warten ...

Er erinnerte sich nicht mehr in den Einzelheiten an das Gespräch. Zu sehr hatten ihn diese Worte getroffen und aufgebracht. Eigentlich hatte er Tiarandear gar nicht wirklich zugehört...

“Ich werde dir helfen Ashray ...”

“Ich kann das alleine. Es ist meine Aufgabe dich zu beschützen, du bist der Shuten! Meinen Vater kriege ich alleine klein.”

“Ich ... ich werde nicht länger Shuten sein. Die Götter haben es entschieden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.” Tias Stimme war kaum mehr hörbar. Entsetzt starrte er ihn an. “Du bist der Shuten! Du kannst nicht gehen.” Er sprang auf, war aufgebracht.

“Mein Vater wird mich holen, früher oder später.” Seine trüben Augen waren auf den Boden gerichtet. Er sah ihn nicht an. Tia sah ihn nicht an. Sein Freund traute sich nicht, konnte es nicht ...

“Wie soll der Himmel ohne einen Shuten existieren!? Du wirst nicht gehen Tia. Ich lasse es nicht zu!” Er schrie schon fast, sah Tia zusammenzucken unter dem Tonfall seiner Worte, ignorierte es aber.

Ihm war heiß. Zu sehr regte er sich über diese Worte auf. Tia hatte aufgegeben. Er hatte tatsächlich aufgegeben ... Wie konnte er nur, jetzt, wo er beinahe am Ziel war, diesem Elend ein Ende zu setzen? Wütend schüttelte er den Kopf. Seine feuerroten Haare wehten wild umher, dann drehte er sich um und rannte raus.

“Versprich mir, dass du Tenno wirst ...”, flüsterte Tia hinter ihm, aber er vernahm die Worte kaum noch und gab erst recht keine Antwort.

Das war so gesehen ihr letztes richtiges Gespräch gewesen ...
 

Jetzt starrte er nur auf die Stelle, wo Tia verschwunden war. Seit Stunden schon.

Hier, wo früher die Himmelspagode gestanden hatte, die Residenz des Shutens, hier war alles zu Ende gegangen.

Um ihn liefen immer noch die unzähligen Soldaten in weiß und schwarz gewandet. Soldaten des Ostens und des Südens. Hier und da eine blaue Uniform aus dem Westen. Alle wild

durcheinander. Gemeinsam halfen sie den Verletzten und suchten die Gefallenen der letzten Schlacht, die Tia beendet hatte.

In dieser Schlacht war der Tenno des Südens gefallen. Ashrou Entai. Bedauern tat er es nicht. War es doch sein Ziel gewesen ihn endlich zu stürzen.

Der Süden hatte den Osten angegriffen. Mehr oder weniger gut vorbereitet hatten mehrere östliche Regimenter an der Grenze zum Südreich auf sie gewartet. Es war zum Kampf gekommen. Sie waren überlegen. Die dunkelgekleideten südlichen Soldaten hatten die weißen des Ostens mühelos zurückgeschlagen. Und dann ...

... dann war da plötzlich dieses Licht. Golden und es schien direkt aus der Mitte des Gefechts zu kommen.

Er wusste nicht mehr, wie er sich seinen Weg vorgekämpft hatte, um etwas zu sehen, aber er wusste, was er gesehen hatte: Tia ... auf dem Boden hockend, in sich zusammengesunken und fremdklingende Worte vor sich hin murmelnd. Er wollte zu ihm, war aber an der Barriere aus Licht gescheitert, die Tia umgab.

“Tia!” Wie kam der überhaupt hier her? Umringt von ein paar innehaltenden Soldaten entdeckte er eines der Mädchen, welches zu denen gehörte, die Tia in ihrem Versteck Gesellschaft geleistet hatten. Sie schien verängstig. Kein Wunder, war sie doch mitten in einem Gefecht gelandet zwischen Soldaten, die ihr nicht unbedingt wohlgesonnen gegenüber standen.

Nur kurz sah er das Mädchen an, denn nun wurde alles still. Wirklich jeder hielt nun inne, starrte das Licht an, was immer intensiver wurde. Eine Hand erschien, schloss Tiarandear ein. Dann erklang eine Stimme, die in derselben fremden Sprache sprach, wie Tia zuvor.

Vor langer Zeit hatte Tia ihm einmal von seinem Vater erzählt. Enma, der durch seinen Spiegel mit ihm redete. “Manchmal”, hatte Tia gesagt, “manchmal hab ich das Gefühl dass er nach mir greift. Mich zerdrücken will, um mich zu strafen.”

Tia war nun in der Welt, in die er gehörte. Zurück in der Götterwelt. Enma war ein Gott. Er hatte diese Hand gesehen, die zusammen mit Tia verschwunden war und dann hatte sich das Licht, gleich den Kreisen die sich im Wasser bildeten, wenn man einen Stein hinein warf, ausgebreitet und plötzlich gab es keinen Grund mehr für Kämpfe.

Seitdem saß er hier. Mehr oder weniger ... Mit ein paar Generälen hatte er gesprochen. Östlichen Generälen - Teiou hatte er nirgendwo gesehen - sie hatten kurz ein paar Worte gewechselt, dass Shoou ermordet worden war von Koo, dass sie von Dämonen angegriffen würden, weil der Bannkreis instabil geworden wäre und noch mehr, was er schon nicht mehr wusste.

Die Soldaten, die noch nicht zu müde waren oder verletzt, wurden mit ihnen geschickt um den Osten zu verteidigen. Über eine mögliche Falle hatte er sich keine Gedanken gemacht. War das dumm gewesen? Nein ... eine Falle kam nach den Ereignissen der letzten Minuten nicht in Frage.

Sie hatten alle erkannt, wie töricht sie gewesen waren. Alle, die sie hier waren, auf dem Schlachtfeld in der Nähe der Ruinen des Himmelsturms.

In den Städten die hohen Adligen dachten sicher anders, aber die Hauptschuldigen waren nun tot. Waren Opfer ihrer eigenen Gier geworden ... und hatten unzählige Leben dafür geopfert. Auch das eines Shuten ... unverzeihlich ...

“Ashray-dono, verzeiht, aber würdet ihr ...” Die Stimme riss ihn aus seinen Betrachtungen und er blickt auf, sah in das zerfurchte und dreckige Gesicht eines Soldaten, der nun einen Schritt zurückwich. Sah er wirklich so angsteinflößend aus? Er bemerkte, wie sich seine Hand fester um sein Zanyousu geschlossen hatte. Er hatte sich angespannt, musste aussehen, als würde er den Soldaten jeden Moment anfahren und angreifen.

“Ich soll euch bitten die nördlichen Gebiete nach Verletzen abzusuchen. Ihr ... ihr seid der Schnellste von uns und ... und die meisten anderen sind zur Verteidigung gegen die Dämonen ausgesandt.” Während er sprach, stockte der Soldat, als wäre er eingeschüchtert. Als er fertig gesprochen hatte, verneigte er sich, gab auf Nachfrage auch den Namen des Generals preis, der ihn schickte.

Er nickte nur. Vielleicht war es gut etwas zu tun, hier nicht nur untätig rumzusitzen. Auf etwas zu warten, was eh niemals eintreten würde. Tia würde nicht zurückkommen, egal wie lange er diesen Punkt anstarrte ... Niemals! Es war endgültig. Es war vorbei ...

Etwas schwerfällig stand er aus der Hocke auf. Seine Glieder waren steif von der stundenlangen Bewegungslosigkeit.

Einige Soldaten kamen auf ihm zu. Er kannte sie. Es waren schnelle, geschickte Krieger, die er oft herausgefordert hatte, da sie zu den Wenigen gehörten, die mit ihm mithalten konnten. Außerdem hatten sie mit zum Widerstand gehört, den er angeführt hatte. Sie waren ihm treu ergeben. Jetzt würden sie ihn begleiten. In die raueren Gefilde des Nordens, der zum größten Teil vom Osten annektiert worden war. Auf dem Weg, weitere Opfer dieses Krieges zu finden ...
 

Um ihn herum standen dicht aneinander Nadelbäume. Es war ruhig hier. Der Wald war still, nur das Rauschen des Windes war zu hören und das Rascheln des Grases, das den Boden hier noch bedeckte. Er trat aus dem Dickicht heraus. Seine Begleiter waren in einiger Entfernung, jeder für sich, am suchen.

Es war kalt hier. Sehr kalt. Eigentlich gab es im Himmel nicht diese Temperaturgefälle, aber durch den Krieg war so vieles anders.

Unter seinen Stiefeln knirschte es. Das Gras war hier nur noch spärlich am wachsen und er stand auf nacktem Fels, der so reich an den Rohstoffen des Himmels war. Das wertvolle Eisen, hinter dem er so lange her gewesen war und was ihn jetzt wenig kümmerte.

“Ich hab was”, erscholl eine Stimme, die vom Berg zurückgeworfen wurde und widerhallte.

Er blickte auf. Ein ganze Stück über ihm befand sich ein Felsvorsprung. Einer seiner Begleiter schwebte knapp an der Klippe und verschwand auf dieser.

Noch zögerte er, wusste nicht wirklich was ihn erwartete ... oder eigentlich doch. Er hatte ein ungutes Gefühl, ganz komisch. Hier waren sie so weit weg von der Schlacht ... wer sollte sich verletzt hierhergeschleppt haben?

Endlich lösten sich seine Füße vom Boden und er stieg hoch, bis zu dem Vorsprung, der gerade so groß war, dass vielleicht sieben Leute darauf Platz fanden. Vor ihm hockte Rael, der Soldat, der eben noch gerufen hatte.

Erst als er einen Schritt auf ihn zuging, konnte er eine Gestalt erkennen, die am Fels lehnte, in sich zusammengesunken ...

“Sie sind beide tot.” Raels Stimme war leise und wurde durch den Wind noch gedämpft. “Wir sind zu spät.” Rael drehte sich zu ihm um. Sah ihn lange an. “Beide?” Er war verwirrt. Hatte er doch nur eine Person gesehen. Der Andere nickte und trat nun einen Schritt zur Seite, so gut es eben ging auf dem kleinen Vorsprung. “Es tut mir leid.” Während er dies sagte, sah er ihn mitleidig an.

Nun sah er, was Rael mit beide meinte. Vor ihm sah eine dunkelhaarige Gestalt, in deren Armen eine weitere Person lag, die ganz eng an die erste gedrängt war.

Es waren keine Unbekannten. Der dunkelhaarige Soldat in der weißen Uniform, die mit Blut getränkt war, war eindeutig ... “Teiou”, entfuhr es ihm leise. Er ging noch näher heran. Sank vor seinem toten Freund in die Knie, streckte die Hand aus und legte zwei Finger an seinen Hals, um sich zu vergewissern, dass er wirklich nicht mehr lebte.

Teiou war eiskalt.

Hastig zog er die Hand weg. Fast schon ängstlich, ungläubig ...

Das durfte nicht sein, nicht auch noch Teiou. Seine Hand streifte etwas seidig Weiches. Sein Blick fiel nun auf die sehr zierliche Gestalt in Teious Armen.

Lange silbrige Haare, allerdings stumpf und nicht glänzend. Die Haut in einem zarten lila, allerdings totenblass. “Keika”, flüsterte er, strich einmal durch dessen lange Haare. Auch er war kalt, lebte nicht mehr.

Teiou hatte also Keika wiedergefunden. Der war gar nicht tot gewesen. Keika ... Keika, derjenige, der Teiou so sehr gefehlt hat, der für dessen völlige Kapitulation vor seinen Brüdern verantwortlich war. Keika, der Dämon, der für Teiou alles gewesen war. Er war wieder hier und er war tot.

In den Armen seines Geliebten gestorben.

Er beneidete Keika. Sie waren nie Freunde gewesen, aber er hatte einen gewissen Respekt vor dessen Wissen gehabt, auch wenn er es ihn nie hatte merken lassen. Das war alles so endlos weit weg.

Er beneidete Keika. Er freute sich für Teiou, er wusste nicht was er fühlte in diesem Moment.

Die beiden hatten sich wiedergefunden und nun waren sie gemeinsam gestorben. Was hier passiert war, war nebensächlich.

Warum hatten sie ihn alle alleine gelassen? Tia, Teiou und sogar Keika ...

Jemand fasste ihn an der Schulter, schob ihn sanft zur Seite. Er sah auf, erkannte Leiyan, der nun kurz einen Blick mit Rael tauschte, bevor er sich vor Teiou und Keika niederließ.

Schweigend sah er zu, wie er die beiden ebenfalls nochmal untersuchte. Erst mit Blicken, dann löste er Keika vorsichtig von Teiou und betrachtete dessen Uniform und den Urquell des Blutes darauf.

Er wusste, dass Leiyan Ahnung hatte. Er war kein Arzt aber der Sohn eines Heilers und hatte diesen Beruf auch gelernt, bevor er als Soldat dem Krieg beiwohnte. “Er ist verblutet”, stellte er sachlich nüchtern fest, dann fiel sein Blick auf den schmalen Keika, der zwar immer schon schlank gewesen war, jetzt allerdings viel zu dünn erschien. Eine Weile betrachtete er ihn schweigend, dann sah er zu ihm hoch. “Erfroren würde ich sagen. Die Nächte hier werden kalt und er ist viel zu dünn, da helfen die Kleider auch nichts.”

Abwesend nickte er. Er verstand die Worte, aber sie hörten sich so weit weg an, als müssten sie durch eine Nebelwand zu ihm durchdringen. Neben ihm packte Rael die weißen Leinentücher aus, die sie mitgebracht hatten für die Toten. Er hatte so sehr gehofft sie nicht zu brauchen.

“Den Dämon auch?”, fragend sah Rael ihn an, bekam aber keine Antwort, sodass Leiyan um Keika einfach auch ein Tuch schlug. Dabei murmelte er nur sowas wie “der gehört zu Prinz Teiou, Dämon hin oder her”.

Endlich erreichten auch die beiden anderen sie, sahen kurz zu ihm, dann auf die beiden in Leinen gewickelten leblosen Körper. “Bringen wir sie in den Süden?” Fragend sah einer in die Runde. Leiyan wollte gerade zustimmen - er hatte mehr oder weniger das Kommando für ihn übernommen.

Schnell schüttelte er den Kopf, hielt einen Arm ausgestreckt vor Leiyan, damit der schwieg. “Es handelt sich um Prinz Teiou.” Er war erstaunt, dass seine Stimme so fest war und nicht brach. “Wir bringen sie beide in den Osten.” Er schluckte, betrachtete noch einmal die eingewickelten Toten, dann wandte er sich ab.

Er hört ein leises Rascheln. Hinter ihm nahmen zwei der vier die Körper auf und trugen sie in den Osten ...

Von wo alle Winde wehten und wo auch alle Winde wieder angelangten.
 

Monate waren vergangen.

Sie hatten Teiou und Keika in den Osten gebracht. Dort hatte Tahou, der sich aus eigener Kraft den Thron des Tennos gesichert hatte, lange überlegt und letztlich war er zu dem Entschluss gekommen, seinen Onkel nicht zu begraben, wie es hier Sitte war. Er sollte mit dem, der ihm immer am liebsten gewesen war, verbrannt werden, nach Sitte der Dämonen. Allerdings hatte Tahou auf das weiße Band bestanden, welches man den Toten über die Augen legte. Sowohl bei Teiou, als auch bei Keika, dem Dämon ... viele hatten diese Entscheidung des jungen Tennos als ketzerisch angesehen, aber letztlich nichts mehr gesagt.

Er selbst hieß es gut. Seinen Freund, den ungestümen Prinzen des Ostens und den hübschen, besonnenen Dämon verband etwas Tiefgreifendes. Ihnen sollten die gleichen Rituale zuteil werden. Es war sicher nach Teious Wunsch.

Dieses Ereignis lag nun ein gutes Jahr zurück. Viel hatte sich verändert. Die Länder waren wieder gemäß den alten Richtlinien aufgeteilt worden. Jeder hatte die eroberten Gebiete abgetreten. Dies war fast sofort nach Tias Verschwinden passiert. Nur ein zwei Wochen danach.

Tahou hatte sich schnell an sein Amt gewöhnt. Es war erstaunlich und er bewunderte ihn, empfand er es selbst doch als unglaubliche Last und lästige Pflicht.

Wie gerne hätte er seine Schwester auf dem Thron gesehen. Wie gerne wäre er nur ihr Berater gewesen, der Feldherr, der für sie die Dämonen in die Flucht schlägt. Aber es war nicht so ...

Er saß bereits in dem großen Raum, den Resten der Hallen des Himmelsturms. Ein großer Tisch stand hier. War hierher gebracht worden mit einigen edlen Stühlen. Über den noch aufragenden Gemäuern war ein Zeltdacht gespannt. Hier wartete er. Hier würde der neue Bund besiegelt werden, das offizielle Ende dieser unsinnigen Auseinandersetzung.

Er hatte die Ellenbogen auf den Tisch gestützt und den Kopf in die Hände gelegt. Es war der erste offizielle Anlass. Bisher hatte er nur im Süden regiert, hatte dort seine Aufgaben als Tenno wahrgenommen und war eher im Hintergrund geblieben so gut es eben ging. Zu viel Gedanken spuckten noch in seinem Kopf umher. Tia verfolgte ihn bis in seine Träume und Teiou verfluchte er heimlich, weil dieser einfach so gestorben war und sie ihn alle alleine ließen mit diesem schweren Amt, mit der Aufgabe dem Himmel wieder Frieden zu bringen.

“Alles in Ordnung?” Samtener Stoff streifte seine Wange, er sah auf. Tahou lächelte ihn an. Der Junge mit den dunkelbraunen Haaren, die im Licht seltsam bunt schimmerten, trug die königlichen Gewänder. Seine Berater und Begleiter standen hinter Tahous Platz rechts neben dem seinigen. Erschrocken nickte er nur und Tahou wandte sich schwungvoll von ihm ab und setzte sich auf seinen eigenen Platz.

“Sind Santo-dono und Suiteio-dono noch nicht angekommen?” Erst hatte er fragen wollen ‘wer?’ dann fiel ihm aber wieder der Grund für sein Hiersein ein. Die Versammlung aller vier Tennos.

Er musste sich konzentrieren, aus den trüben Gedanken hervorkommen, die er die letzten Monate gehabt hatte. Eigentlich hatte er hinter einer Nebelwand in seinen Gedanken gelebt und nur ‘ja’ und ‘amen’ zu allem gesagt.

“Sie kommen sicher noch.”

Tahou lächelte wieder, dann streckte er einen Arm aus, als erwarte er etwas. Ein flatterndes Geräusch erklang, ein protestierender Schrei, als einer der Diener das Vögelchen fangen wollte, das gerade herein flatterte und sich nun immer noch unter Protesten auf Tahous Hand niederließ.

Er musterte das Tierchen. Ein etwa taubengroßer, blaugefiederter Vogel, der dem rech ähnlich war, den Keika immer gehabt hatte und danach Teiou. Tahou schien seinen Blick zu bemerken.

“Das ist Hyogyoku.” Er lächelte ganz glücklich, beugte sich zu ihm rüber und fügte flüsternd hinzu: “Mein engster Berater und treuster Untergebener.” Jetzt lachte er und streichelt dem Vogel über den Kopf, der freudig gurrte.

Etwas verwundert sah er den deutlich Jüngeren an. Wenn man das hörte, konnte man ihn echt für verrückt halten, aber er schien glücklich mit dem Vögelchen zu sein, dass nun auf seine Schulter hüpfte und dort verharrte.

“Wie kommst du klar?” Erstaunt sah er Tahou an, der hier anscheinend nett plaudern wollte. Es war nicht der höfische Umgangston, sondern klang normal, so wie sich Schuljungen miteinander unterhielten. Es war erst irritierend, dann aber durchaus angenehm. Schnell schaute er sich um, aber die Bediensteten und Höflinge beachteten sie im Moment nicht wirklich, so dass er in gleichem Ton mit ihm sprach. “Geht so”, er zuckte mit den Schultern. “Ich vermisse alle ... den Shuten, deinen Onkel Teiou, meine Schwester, die aus unerfindlichen Gründen nicht zurückkommt ...” Er seufzte leise. Tahou nickte verständnisvoll.

“Deine Schwester taucht heute sicherlich auf.” Er grinste wissend. “Aber ich bezweifle, dass sie in den Süden zurückkehrt.” Gerade wollte er Tahou dazu bringe zu sagen, was mit seiner Schwester war und warum die sich nicht bei ihm meldete, als jemand verkündete, dass Suiteio eingetroffen sei, der Tenno des Westens.

Sofort saßen sie beide wieder ordentlich auf den Stühlen, den Blick auf den Ankömmling gerichtet, der Carmia, den Kronprinzen im Schlepptau hatte, der nun neben seinem Vater Platz nahm. Carmia war wohl so alt wie Tahou. Allerdings würde es wohl noch dauern, bis er die Regierungsgeschäfte übernehmen würde.

Höflich begrüßten sie einander, als erneut der Eingang in ihr provisorisches Zelt geöffnet wurde.

“Santo-dono und seine Begleiterin.” Einer der Diener neben dem Eingang sprach dies verkündend und verneigte sich vor den Eintretenden, wie schon zuvor bei Suiteio und Camina.

Hinter Santo, dem blonden Tenno des Nordreiches tauchte eine hochgewachsene rothaarige Schönheit auf. Sie war in weite Gewänder gekleidet, die im Wind flatterten, der nun wieder durch ihren mehr oder weniger unter freiem Himmel befindlichen Tagungsraum wehte.

Mit offenem Mund saß er da. Glaindaath, seine Schwester, hatte sich sehr verändert. Aber hatte er das nicht auch? Sie war immer eine Kriegerin gewesen und nun war sie in die feinen Gewänder einer Edelfrau gekleidet und sah so gar nicht mehr kriegerisch aus ...

“Glaindaath”, er sah sie an. Auf dem Platz neben ihm kicherte Tahou nun leise, fing sich aber bald wieder. “Ashray.” Sie lächelte ihn an, unterließ es aber ihn mit einer Umarmung zu begrüßen oder ähnliches. Unter seinen Blicken ließ sie sich auf dem Platz neben Santo nieder, der eigentlich für die Königin oder den Thronfolger bestimmt war. Dementsprechend saßen Tahou und er alleine da.

Einer der Beamten trat vor, breitete Pläne und Verträge aus und er hatte keine Zeit mehr weiter darüber nachzudenken, warum seine Schwester neben Santo saß ... es gab viel wichtigere Dinge.
 

Es war später Abend geworden. Sie waren so viele Verträge durchgegangen, die sie alle vier gegenzeichnen mussten. Unter anderem hatten sie den Wiederaufbau des Himmelsturms beschlossen. Es war ermüdend und er wollte nur zurück in den Süden und in sein Bett.

Tahou neben ihm war schon aufgestanden und spielte schon wieder mit Hyogyouku, der den ganzen Tag auf seiner Schulter geschlafen hatte. Suiteio war schon mit Carmia verschwunden. Nur er saß noch und streckte sich erstmal ausgiebig. Neben ihm wurden Stühle gerückt und Santo, sowie seine Schwester erhoben sich.

Aus den Augenwinkeln sah er zu ihnen rüber. Santo kam auf ihn zu, neben ihm Komei, der im Laufe der Sitzung auch angekommen war und für ein paar amüsante Unruhen gesorgt hatte, unter anderem auch, weil Hyogyouku ihn geärgert hatte.

“Ich möchte Euch um etwas bitten, Ashray-dono.” Er verneigte sich vor ihm, seine Schwester stand ein wenig abseits hinter dem Blonden und lächelte sacht.

Erstaunt betrachtete er den Tenno des Nordens. Schnell überwand er sein Erstaunen und antwortete, da er doch neugierig war, mit welcher Bitte er nun kam.

“Ich möchte Glaindaath als Frau nehmen. Sie soll meine Königin werden.” Er sah ihn ernst an. “Ich muss Euch fragen, da Ihr der Tenno seid und sie Eure Schwester.”

Prüfend sah er seine Schwester an, die nun neben Santo trat und einen Arm um diesen legte. “Verzeih mir, dass ich nicht zurückkomme, dass ich dir nicht geschrieben hab in den letzten Monaten, aber in unserem Land gibt es zu viele, die mich tot sehen wollen für das, was ich in diesem Krieg alles getan habe.” Er wusste wovon sie sprach. Sie hatte den Zorn des Adels erregt und auch den ihres Vaters. Sie war vogelfrei, immer noch und im Süden absolut nicht mehr sicher.

Er hörte den beiden zu, nickte dann zögernd. Warum sollte er seiner Schwester ihr Glück verweigern, welches sie unübersehbar gefunden hatte. “Du darfst machen, was du möchtest. Wo du möchtest. Wenn du bei Santo bleiben willst auch das.” Er lächelte etwas bitter. Wieder eine Vertraute, die nicht zurückkommen würde.

“Ich werde dich besuchen kommen Bruder. So oft ich eben kann.” Sie lächelte, trat nun neben Santo hervor und umarmte ihn. “Bald schon”, flüsterte sie ihm zu. Der Stoff ihres Gewandes war ganz weich und fein, streifte seine Wange kurz. “Du sollst doch deinen Neffen sehen.”

Neffen? Verwirrt sah er sie an. Sie richtete sich wieder auf und lachte. Vermutlich sah er sehr irritiert aus. Neben ihm lachte auch Tahou, der anscheinend davon gewusst hatte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie keinen Gürtel trug und die Stoffe weit um ihre sonst so schlanke Gestalt fielen.

Sie lachte immer noch, fasste ihr Gewand und zog es stramm herb, sodass es eng anlag und man erkennen konnte, dass sie ein Kind erwartete.

“Es wird keine Ansprüche an Euer Reich geben.” Santo sah ihn an. “Es wird der Thronfolger des nördlichen Reiches und niemand wir Ansprüche an den Süden erheben.” Er lächelte. Stimmt, es würde sicher noch Probleme geben, wenn man das erfuhr in den Reichen. Die Prinzessin des Südens und der Tenno des Nordens. Aber vielleicht war das gar kein Problem. Vielleicht war das ein Zeichen dafür, dass sie sich zusammenreißen mussten für den Frieden.

Er lächelte endlich. “Ich freue mich auf euren Besuch.”

Dann stand er auf und verließ das Zelt. Er atmete die kühle Nachtluft tief ein.

Der Grundstein war sicher gelegt. Er war zwar alleine, aber nicht so, wie er gedacht hatte. Tahou war Teiou sehr ähnlich und schon jetzt irgendwie sein Freund und Schicksalsgefährte, seine Schwester stand auch noch zu ihm und Tia würde er in guter Erinnerung wahren.

Er würde den Süden führen, so gut es ging.

Ein leises Schnauben war zu hören, dann spürte er den warmen Luftzug an seiner Hand. Als er neben sich sah, stand da Komei, das schwarze Kirin, welches Santo seit Jahren begleitete. Jetzt schmiegte das stolze Tier seinen Kopf an seiner Hand.

“Komei.” Er lächelte. Das Kirin war selten so anhänglich. Zwar verband sie seit seiner Kindheit schon eine Freundschaft, aber meist war Komei eigensinnig und stur und war selten so angekommen.

“Ich muss in den Süden. Geh mit Santo und Glaindaath.” Vorsichtig schob er Komei in Richtung Zelt, ging selbst ein paar Schritte zu der Sänfte, die ihn in den Süden bringen würde. Komei folgte ihm wie ein Schatten.

Noch einmal drehte er sich um. “Willst du etwa mit?” Ein leises Schnauben. “Wird Santo dich nicht vermissen?” Er musterte das Tier, welches nun verneinte, indem es den Kopf schüttelte, was sehr elegant wirkte.

Er musste lächeln. Santo brauchte Komei nicht mehr, aber er würde Komei brauchen. Komei war stark und würde ihn sicher von weiterem Trübsalblasen abhalten ...

Er würde seinen Teil dazu beitragen Himmel und Erde zu schützen und diese Welt wieder aufzubauen ... Zusammen mit den drei anderen Tennos und mit Komei an seiner Seite.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Yukiko16
2007-10-24T16:40:49+00:00 24.10.2007 18:40
armer Ashray *schnief*
Teiou und Keika sind zwar tot aber wenigstens zusammen
aber Tia is jetzt wieder in der Götterwelt und er ist so ziemlich allein *heul*
wenigstens hat er jetzt Komei ^^

des Ende is zwar voll traurig aber es gefällt mir auch voll gut ^^
freu mich schon auf den Epilog und warte gespannt ;-))

willst nich auch mal was mit hauptsächlich Ashray und Tia schreiben?
sorry, aber ich mag deinen Stil und deshalb hab ich gedacht ich frag einfach mal nach ^^°

Ciao Yukiko
Von: abgemeldet
2007-10-17T20:39:00+00:00 17.10.2007 22:39
So, jetzt komm ich endlich mal dazu^^"

Das ist ein total schönes Ende, auch wenn ich wirklich wieder Taschentücher gebraucht hab ;__; Wo schon Teiou und Keika gestorben sind hab ich mir doch erhofft, dass Ashray mit Tia zusammen kommt >.<
Trotzdem hat mir das Ende mit Ashray und Komei sehr gut gefallen hat und schön ist es auch, dass Santo endlich seine Frau gefunden hat *-* Also ist doch nicht alles so deprimierend XD

Ich freu mich schon auf den Epilog *-*
Von:  Youji_das_Stuntschaf
2007-10-17T17:15:27+00:00 17.10.2007 19:15
*schnüff*
mir tut Ashray so Leid..... er hat schon Recht, Keika und Teiou sind immerhin zusammen gestorben; aber wenigstens ist der Krieg vorbei, auch wenn es ein großes Opfer war...
wieder mal einfach nur toll geschrieben *geheult hat*



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