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Dark Kingdom

von

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Sie hasste Nachsitzen.

Sie hatte es schon immer gehasst. Auch schon in der Highschool.

Und jetzt in der Oberschule verabscheute sie es noch viel mehr.

Nicht nur, dass es jetzt viel länger andauerte als damals bei Frau haruna.

Der Grund dafür war auch noch mehr als lächerlich.

Sie hatte doch nur einen Manga im Unterricht gelesen. Und wenn sie an dieser einen furchtbaren Stelle nicht so laut gelacht hätte, hätte dieser blöde Mathelehrer es auch überhaupt nicht mitbekommen.

Das war so unfair.

Sie ballte wütend die Fäuste.

Soll dieser Lehrer doch seinen Unterricht interessanter machen. Dann würde sie sich auch nicht immer so langweilen und versuchen, sich irgendwie abzulenken.

Sie war mitlerweile an der großen Kreuzung angekommen und hob den Kopf zur Digitaluhr an einem der Hochhäuser.

Schon halb neun. Ihre Mutter würde ihr den Hals umdrehen, wenn sie noch länger trödelte.

Schnell sah sie sich um.

Wenn sie die U-Bahn nehmen würde, wäre sie in einer guten halben Stunde daheim. Aber um diese Zeit waren noch die ganzen Pendler unterwegs. Sie verzog das Gesicht, als sie an die vielen schwitzenden und drängelnden Menschnmassen dachte.

Der Bus würde nicht viel anders aussehen.

Also zu Fuß. Wenn sie sich beeilte, wäre sie knapp 50 Minuten unterwegs, die Straße zog sich immer so ewig. Aber es ging ja nicht anders, stellte sie seufzend fest und lief los.

Nach ungefähr 100 Metern blieb sie doch stehen.

Es gab noch einen Weg. Und sie stand genau davor.

Ihr Blick fiel auf den Eingang des Stadtparks. Eine schöne Anlage mit vielen saftig grünen Wiesen, großen Kirschbäumen und akkurat angelegten Kieswegen.

Zumindest tagsüber.

Aber nach Einbruch der Dunkelheit verwandelte er sich in ein schwarzes Loch, das jeden Eindringling zu verschlingen versuchte.

Sie schüttelte den Kopf.

Ihre Fantasie ging mal wieder mit ihr durch.

Ja, sie sollte in der Nacht nicht durch den Stadtpark gehen. Aber es war ja noch nicht Nacht und ausserderm war das heute ein Notfall.

Der Weg quer durch die Grünanlage würde ihren nachhauseweg um mehr als die Hälfte verkürzen. Das konnte somit nur im Sinne ihrer Mutter sein.

Trotzdem blieb sie noch ein paar Sekunden unschlüssig vor dem Haupteingang stehen, ihre Schultasche vor der Brust fest umklammert.

Als sie schließlich doch auf den Weg trat, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Der kies knirschte unter ihren Sandalen und sie meinte, sich beobachtet zu fühlen.

Unsicher blickte sie sich während des Laufens immer wieder nach Links und rechts um. Der diffuse Schein der schwach leuchtenden Laternen erzeugte gruselige Schatten und verzerrte Frantzen in den angrenzenden Büschen.

Sie zitterte. Vielleicht vor Kälte, aber weitaus wahrscheinlicher vor Angst.

Sie war schon immer feige gewesen. Und meistens merkte sie erst im Nachhinein, wie dumm ihre Entscheidungen eigentlich gewesen sind.

So auch jetzt.

Warum war sie nur hier rein gegangen? Lieber hätte sie zu spät nach Hause kommen sollen als jetzt hier tausend Tode zu sterben. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Wer weiß, welche merkwürdigen Typen hier nachts umherliefen? Die wahrscheinlich nur darauf warten, ein junges hübsches Mädchen wie sie zu ...

Schluss jetzt!

Ihr verängstigtes Hirn versuchte ihr nur die schlimmsten Szenarien vorzuführen. Hier war niemand. Höchstens vielleicht ein paar Vögel und Eichhörnchen.

Eichhörnchen waren süß. Die verwandelten sich nicht plötzlich in blutrünstige Menschenfresser.

Und warum hatte sie dann unbemerkt in den letzten Minuten ihre Schrittgeschwindigkeit beschleunigt?

Vielleicht lag es eben doch an der Dunkelheit, den fiesen Schatten oder auch an der Tatsache, dass sich ihre Schritte auf dem Kiesweg merkwürdig anhörten. Als ob sie nachhallten wie ein Echo.

Sie lief langsamer. Auch das Echo verlangsamte sich, allerdings mit einer Sekunde Verzögerung.

Echos hatten für gewöhnlich keine Verzögerung, oder?

Sie hatte das gefühl, ihr Herz würde für einen kurzen Moment aussetzen.

Jemand verfolgte sie, ganz eindeutig. Sie presste ihre Tasche noch näher an die Brust, die ledernen Kanten drückten sich in ihre Haut.

Was sollte sie jetzt tun?

Schneller laufen, gar rennen? Und dem Verfolger so ihre Angst zeigen? Bei ihrem Glück würde sie noch stolpern und wäre ein noch leichteres Opfer, wenn sie der Länge nach auf die Nase fiel.

Nein, sie war stark. Auch wenn sie nur ein Mädchen war, sie würde sich nicht so leicht verängstigen lassen.

Abrupt blieb sie stehen. Auch die Schritte hinter ihr verstummten plötzlich. Noch einmal holte sie tief Luft und drehte sich dann blitzschnell um.

Der weg war leer.

Hatte sie sich ernsthaft alles nur eingebildet? Oder hatte sich der Verfolger schnell versteckt? Aber sie hatte keine weiteren Schritte oder anderweitigen Geräusche gehört.

Wieder ein Rascheln, die klangen wie Bewegungen auf dem Kies.

Und dieses mal genau vor ihr. Sie kniff die Augen zusammen, um besser etwas erkennen zu können.

Ein Eichhörnchen. Etwa fünf Meter von ihr entfernt. Kein blutrünstiger Killer mit einer Axt, sondern nur ein kleiner Nager mit einer Nuss.

Sie musste beinahe laut loslachen, als ihr klar wurde, dass sie von dem kleinen Tier so derart verängstigt wurde.

Erleichtert atmete sie aus und drehte sich um, um ihren Weg endlich fortzusetzen.

Und erstarrte.

Vor ihr standen drei Männer, die sie herausfordernd angrinsten. Sie schienen noch jung, vielleicht 20. Wäre sie ihnen tagsüber begegnet, hätte sie sie für normale Schüler oder Studenten gehalten. Ausser einer von ihnen. Dessen Gesicht war so zerfurcht, als ob ein verrückt gewordener Frisör mehrmals mit der Schere abgerutscht wäre.

»So alleine hier?«, fragte einer der Männer und kam einen Schritt auf sie zu. Er roch nach Alkohol und irgendetwas Widerlichem, dass sie nicht identifizieren konnte, und eigentlich auch gar nicht wollte.

Als sie vor ihm zurück wich, stieß sie mit dem Rücken gegen ein Hindernis.

Erschrocken erkannte sie, dass einer der Männer sich unbemerkt von ihr hinter sie geschlichen hatte.

Ehe sie richtig begriff, erfasste er ihre Arme und bog sie schmerzhaft nach hinten. Dadurch ließ sie ihre tasche fallen, die der Stinker vor ihr grinsend wegtrat.

Der vernarbte Dritte hatte sich noch gar nicht gerührt, sondern stand nur mit verschränkten Armen da und betrachtete sie eingehend von oben bis unten.

Sie zitterte vor Angst und betete inständig, die Drei würden sie nur ausrauben und dann heulend zurück lassen.

Diese Hoffnung zerschlug sich in dem Augenblick, als der Dritte grinsend auf sie zukam und mit der Hand über ihre Wange strich.

»So hübsche Mädchen sieht man hier selten.«, flüsterte er und umfasste ihr Kinn, als sie sich angewiedert wegdrehen wollte, zwang sie so, ihn anzublicken.

Von Nahem sah er sogar noch angsteinflössender aus. Die Furchen waren wirklich Narben. Dicke Wulste, die sich quer über sein Gesicht und den Hals zogen, als hätte jemand darauf Tic-Tac-Toe gespielt.

»gefalle ich dir?«, fragte er und zog ihr Gesicht näher zu seinem.

War die Frage ernst gemeint?

Mit rasendem herzen ging sie gedanklich ihre Möglichkeiten durch.

Um sich treten, wenn sie es am wenigstens erwarten und sich irgendwie befreien? Sie war noch nie besonders stark gewesen und ihre Angreifer waren auch noch in der Überzahl.

Aber sollte sie deswegen einfach alles über sich ergehn lassen?

Sie war den Tränen nahe. Warum nur war sie so dumm gewesen, den Weg durch den park zu nehmen? Ihr konnte niemand helfen. Sie war hier ganz allein.

Verängstigt schloss sie die Augen, spürte, wie ihre Wangen nass wurden.

Und einen Windzug, gefolgt von einem dumpfen Stoß gegen ihre Füße.

»Wer ist da?«, rief der Stinker in die Dunkelheit hinein.

Als sie verwirrt die Augen wieder öffnete, stellte sie fest, dass von dem finsteren Trio nur noch zwei vor und hinter ihr standen. Das narbengesicht von eben lag ein paar Meter bewusstlos am Boden.

Was war hier los?

Sie versuchte, sich zu befreien, wurde jedoch noch schmerzhafter festgehalten.

Der stinker war indessen zu seinem Narbenfreund gerannt und versuchte ihn irgendwie aufzuwecken, wobei die Methode mit den Schlägen ins Gesicht eher belustigend wirkte als sonderlich dramatisch.

Ein ruck holte sie aus ihren Gedanken.

Der Typ hinter ihr wurde von ihr losgerissen, so dass sie nach vorne geschubst wurde und unsanft auf ihren Knien landete.

Aus dieser Position konnte sie nur einen dunklen Schatten erkennen, der auf die beiden am Boden Liegenden zugerast kam.

Der Stinker wurde ebenfalls zur Seite geschleudert und kam mit einem schmerzhaften Stöhnen am nächsten Baum zum Stoppen.

Während der Schatten nun auf ihn zuraste, wahrscheinlich um ihm den Rest zu geben, wachte allerdings das Narbengesicht wieder auf, blickte sich das Chaos um ihn herum an und nestelte dann an seinem Gürtel herum.

Als sie erkannte, was er aus eben jenem Gürtel hervorzog, wurde ihr schlagartig schlecht.

Das schwarz glänzende Ding war eindeutig eine Waffe. Und das narbengesicht zielte damit genau auf den Schatten, der über den Stinker gebeugt und damit abgelenkt war.

»Vorsicht!«, rief, nein schrie, sie dem Schatten zu, der sich blitzschnell umdrehte und somit nun auch sehen konnte, was sie sah.

Innerhalb eines Wimpernschlages, wie auch immer das möglich war, war er bei dem Narbengesicht, riss seinen bewaffneten Arm empor. Und brach ihn.

Zumindest klang das trockene Knacken danach. Und auch das schmerzverzerrte Gesicht des Narbenmannes ließ darauf schließen.

»Verdammt, was...<, der Stinker sprach nicht weiter, sondern krabbelte auf allen Vieren davon, weg von dieser eskalierten Szenarie. Mit ihm sein Kumpel, der sie eben noch so schmerzhaft festgehalten hatte.

Ehe sie richtig begreifen konnte, war auch das narbengesicht verschwunden.

Und sie war allein. Mit dem Schatten.

Dieser kam nun langsam auf sie zu.

Sie war nicht in der Lage, sich zu rühren. Ja, er hatte sie gerettet, aber warum? Was hatte er jetzt vor? Wollte er den Plan des Narbentypens weiterführen? Die Stärke dazu hatte er mit Sicherheit, hatte er es doch eben mal mit drei finsteren Ganoven aufgenommen.

Der Schatten hatte sie fast erreicht und wurde nun in das gelbe Licht der nächsten Laterne getaucht.

Das dunkle alles verschlingende Schwarz verschwand.

Und vor ihr stand ein Mann.

Dieser war zwar ebenso schwarz gekleidet und hatte kurzes schwarzes Haar, aber das machte ihr weit weniger Angst. Im Gegenteil, sie war fasziniert. Von seiner Größe, dem muskulösen Oberkörper, der sich unter dem schwarzen Hemd abzeichnete und besonders von seinen Augen. Sie hatte noch nie ein so tiefes dunkles Blau gesehen. Es erinnerte sie an den Nachthimmel.

»Sollten so kleine Mädchen wie du um diese Zeit nicht schon längst zu Hause sein?«

Seine Stimme war tief, aber wohlklingend. Wie ein leicht vibrierender Bass, der einen wohligen Schauer auf ihrer Haut zurück ließ.

Was?

Sie schüttelte den Kopf. Was hatte er gesagt? Kleines Mädchen?

»Ich bin kein...«, begann sie, wurde jedoch unterbrochen, als der Unbekannte ihr seine Hand zum Aufstehen reichte.

Eigentlich war sie beleidigt. Er hatte sie als kleines Mädchen bezeichnet, dabei war sie doch fast schon erwachsen. Aber es half auch nichts, wenn sie hier weiter im Dreck saß.

Sie ergriff seine Hand.

Als ihre Finger sich berührten, spürte sie einen kleinen elektrischen Schlag, der sie zusammenzucken ließ.

Das Gefühl hielt allerdings nur kurz an. Zu kurz, um es wirklich ernst zu nehmen oder gar näher zu ergründen.

Sie klopfte den Staub von ihrem Rock und schaute unauffällig zu ihrem mysteriösen Retter.

Er sah wirklich verdammt gut aus, besonders sein markantes Profil und die scheinbar perfekt liegenden Haare.

»Renn lieber schnell heim zu deiner Mutter ..«, er bückte sich und hob ihre Schultasche auf, um sie ihr zu reichen, warf jedoch erst noch einen eingehenden Blick darauf. »Bunny Tsukino.«

Sie nahm ihre Tasche entgegen und starrte ihr Gegenüber verwirrt an.

Dieser drehte sich um, hob die Hand zum Gruß und verschwand, verschmolz wieder mit der Dunkelheit.

Erst, als er schon gar nicht mehr zu sehen war, erwachte sie endlich aus ihrer Lethargie.

Sie runzelte die Stirn, ballte die Fäuste und rief in die Richtung, in die er verschwunden war: »Ich bin kein kleines Mädchen!«, ehe sie, so schnell sie konnte, nach Hause rannte.

Sie schien zu schweben. Sanft zu gleiten durch ein dunkelblaues Meer.

Oder war es ein Himmel? Ein tiefdunkler Nachthimmel, so weit und klar wie die Augen ihres Retters. Voller Stärke und doch mit einer faszinierenden Sanftheit.

Sie verlor sich in diesen Augen, diesem herrschaftlichem dunklen Blau, dass sie umschloss und ihr Kraft zu schenken schien.

Und doch war da noch etwas in seinem Blick. Ganz tief unten, fast versteckt und kaum sichtbar.

Wenn die Augen der Spiegel der Seele waren, so schien sich in seiner Seele etwas zu verbergen. Ein dunkler Fleck, der nur bei ganz genauem Hinsehen zu erkennen war.

Ein Mal, das etwas Beunruhigendes an sich hatte. Etwas, das immer näher kam und sie zu verschlucken versuchte, nach ihr griff.

Das Dunkel wurde einnehmender, ein finsteres Schwarz, dass das angenehme Blau vertrieb, es vollkommen auslöschte.

Ihr wurde kalt. Die Dunkelheit um sie herum nahm ihr den Atem, die Kraft sich zu wehren.

Wo war ihr geheimnisvoller Retter?

Es war so finster, dass sie nicht einmal mehr die Hand vor Augen erkennen konnte. Sie spürte nur diese ungekannte Angst in ihrem Inneren aufkeimen.

So große Angst, dass sie das Gefühl hatte, eine eiskalte Faust würde sich um ihr Herz schliessen, erbarmungslos zudrücken.

Sie schloss die Augen, ergab sich dem Schmerz und hatte nur noch ein Bild vor sich. Der geheimnisvolle Unbekannte, wie er ihren Namen ausprach.

Bunny.

Immer und immer wieder.

Bunny.

Bunny.

»Bunny!«

Sie schreckte hoch.

Verwirrt lickte sie sich um. Wo war sie?

Große Fenster, Holzstühle, eine dunkelgrüne Tafel.

Die Schule, genau.

Noch immer benebelt schaute sie zur Seite. Ihre Freundin Naru starrte sie stirnrunzelnd an.

»Du hast die ganze Pause verschlafen.«, sagte diese vorwurfsvoll.

Was?

»Was?«, wiederholte sie ihre Gedanken, allerdings weitaus panischer. »Warum hast du mich nicht geweckt? Ich konnte noch gar nichts essen.«

Naru zuckte mit den Schultern: »Du warst nicht wach zu kriegen. Hast du wieder die ganze Nacht vor dem Fernseher gehockt?«

Bunny schüttelte den Kopf.

Sollte sie ihrer Freundin von ihrer nächtlichen Begegnung erzählen? Was hätte sie sagen sollen? Dass sie verbotenerweise durch den Stadtpark gelaufen war? Das hätte naru nur für unzählige Vorwürfe genutzt. In der Hinsicht war sie wie Bunnys Mutter.

Der hatte sie ihr nächtliches Intermezzo nämlich auch verschwiegen.

Sie war zwar schlussendlich doch viel zu spät zu Hause eingetroffen, aber ihre Mutter war froh, sie wohlbehalten zu begrüßen. Schließlich ist diese Stadt ja ein einziger Moloch von bösartigen Gangstern und Killern, wie sie ihrem Kind immer wieder einzutrichtern pflegte.

Ein Moloch, aus dem sie wohl nur ihr unbekannter Held erretten konnte, dachte Bunny seufzend und legte verträumt ihren Kopf auf den Tisch vor sich.

»Bist du noch da?«, Naru wedelte mit ihrer Hand hin und her und holte sie somit schon wieder aus einem wunderschönen Traum.

Obwohl. Der Traum vorhin war zum Ende hin gar nicht mehr so schön gewesen.

Im Gegenteil, er war regelrecht beängstigend real.

Konnten Träume wirklich dermaßen echt wirken?

Sie hatte die Kälte und den Schmerz körperlich wahrnehmen können. Hätte Naru sie nicht geweckt, was wäre dann wohl passiert?

Konnte man im Traum sterben? Hatte sie nicht mal irgendwo gelesen, dass man auch im echten Leben sterben kann, wenn man im Traum den Tod erfährt? Oder verwechselte sie da nur mal wieder was?

»Ach Mann.«, stöhnte sie.

Das bereitete ihr alles Kopfzerbrechen und sie hasste es, über etwas so sehr nachdenken zu müssen. Seien es schwer zu lösende Matheaufgaben oder merkwürdige unbekannte und verdammt gutaussehende Männer.

Wie wohl sein Name war?

Bestimmt irgendwas echt cooles und besonderes. Das würde zu ihm passen.

»Was ist mit Bunny?«, hörte sie weit entfernt die Stimme einer Mitschülerin und narus Antwort darauf: »Keine Ahnung. Sie ist schon den ganzen Tag so.«

Die neugierige Mitschülerin beugte sich zu Bunny hinunter. Sie konnte den forschenden Blick in ihren braunen Augen erkennen.

»Gerötete Wangen, verträumter Blick, leuchtende Augen. Das ist eindeutig. Du bist verliebt.«, stellte sie vergnügt fest und stupste mit dem Zeigefinger gegen ihre Stirn.

Sie spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg und versuchte, sich schnell wegzudrehen.

»Echt?«, Rief Naru aufgebracht. »Bunny und verliebt?«

Meine Güte, wollte sie nicht noch lauter schreien? Die Leute draussen auf dem Gang hatten es bestimmt noch nicht richtig verstanden.

»In wen?«, Naru zog an Bunnys Ärmel und zerstörte so die bequeme Poition, die sie sich mühevoll zurecht gesessen hatte.

»Kennst du nicht.«, murmelte sie frustriert.

Das war die Wahrheit. Und ebenso wahr war die Tatsache, dass sie ihn ja nicht einmal selber kannte.

Die neugierige Schülerin vor ihr quietschte erfreut. So hoch, dass es beinahe schon in den Ohren weh tat und Bunny sich sicher war, dass die Scheiben eben ein kleines bisschen geklirrt hatten.

»Wie sieht er aus? Wo hast du ihn kennengelernt? Wann stellst du ihn uns vor?«, sie ergriff Bunnys Schultern und schüttelte das arme Mädchen hin und her. Es fühlte sich an, als wäre sie ein Apfelbaum und eine wildgewordene Furie rüttelte so lange am Stamm bis jede noch so kleine Frucht nach unten gefallen war.

»Nami, der Lehrer.«, zischte Naru und Bunny war noch nie so froh gewesen, den alten Mathelehrer zu sehen.

Immerhin wurde sie nun nicht mehr hin und her geschleudert und auch nicht mehr mit Fragen bombadiert. Sie hatte sowieso keine Lust irgendwem Rede und Antwort stehen zu müssen. Sie wollte ihr Geheimnis nicht mit den anderen teilen, auch wenn sie ihre Freundinnen waren.

Ausserdem stimmte das auch überhaupt nicht, was Nami gesagt hatte. Sie war nicht verliebt. Nie und nimmer.

In ein Phantom konnte man sich schließlich nicht verlieben. Obwohl sie schon ein merkwürdiges Kribbeln spürte, wenn sie an ihn dachte. Und besonders an seine Augen.

Sie setzte sich auf.

Auch wenn es vielleicht dumm war, gar verrückt. Sie musste einfach wissen wer er war. Wie er hieß. Und ob er öfter hilflose Mädchen rettete.

Ausserdem hatte sie sich ja noch gar nicht bei ihm bedankt. Das fiel ihr erst jetzt ein.

Er hatte ihr das leben gerettet und sie hatte ihm nicht einmal dafür gedankt. Jetzt hielt er sie ganz bestimmt für unhöflich.

Das konnte sie nicht auf sich sitzen lassen. Niemand sollte von ihr denken, sie wäre unhöflich und undankbar.

Der entschluss war gefasst. Sie musste ihn wiedersehen. Nur um Danke zu sagen natürlich.

Aber wie sollte sie ihn finden?

Stirnrunzelnd blickte sie nach vorn.

Dieser elende Lehrer hatte es doch tatsächlich geschafft innerhalb von gerade einmal 10 Minuten die komplette Tafel mit elend langen Formeln zu füllen.

Bunny stöhnte lautlos auf.

Das würde eine verdammt lange Stunde werden.

Naja, so hatte sie wenigstens genug Zeit, über einen Plan nachzudenken, wie sie ihren blauäugigen Unbekannten wiederfinden konnte. Um sich zu bedanken, ermahnte sie sich in Gedanken und lächelte vor sich hin. Nur bedanken.

Ok, sie war also wieder hier.

Ziemlich dumm, wenn man daran dachte, was ihr hier gestern wiederfahren war.

Schalu dagegen, dass sie diesmal tagsüber hergekommen war.

Sie hatte die letzten beiden Stunden tatsächlich durchgestanden ohne einen Tadel oder Nachsitzen aufgebrummt zu bekommen.

Das war etwas Besonderes. Sie war zwar kein Dauergast beim Nachsitzen, aber doch hatte sie bereits so einen Bekanntheitsgrad erreicht, dass der aufsichtspflichtige Lehrer ihr in fast jeder Pause zuwinkte.

Seufzend setzte sie sich auf eine der freien Parkbänke. Es war schon ein Armutszeugnis, dass sie ständig als eine der Letzten die Schule verließ. Ihre Noten waren auch im Keller und ob sie jemals die Abschlussprüfung schaffen würde, war ebenfalls fraglich.

Ihr Blick fiel auf die gegenüberliegende Wiese, wo es sich ein junges Pärchen auf einer großen bunten Decke gemütlich gemacht hatte. Sie fütterten sich gegenseitig mit Weintrauben und gaben sich dazwischen immer wieder verliebt zärtliche Küsse.

Es war schön, ihnen zuzusehen und Bunny fühlte plötzlich eine vorher nie dagewesene Sehnsucht in sich aufkommen.

Sie wollte auch dort sitzen und Trauben essen.

Nicht mit dem Pärchen, sondern mit ihrem eigenen Freund.

Nur blöd, dass sie keinen hatte.

Es war das erste Mal, dass sie wirklich das Bedürfnis spürte, ebenfalls jemanden an ihrer Seite zu haben.

Sie war sowieso alt genug dafür. Und bereit.

Zwar hatte sie schon für den ein oder anderen Jungen geschwärmt, aber wirklich nahe gekommen war sie dem anderen Geschlecht noch nicht.

Im Gegensatz zu Naru.

Die war schon seit über einem Jahr mit dem Superstreber Umino zusammen und schwärmte fast täglich, wie toll das doch war.

Überhaupt alle in ihrer Stufe hatten schon einen Freund. Nur sie wurde immer als kleines Mädchen hingestellt, das überhaupt keine Erfahrung hat.

Kleines Mädchen.

So hatte der Unbekannte sie auch genannt.

Sah er in ihr etwa auch nur ein naives Schulmädchen?

Wirklich erwachsen wirkte sie ja nun nicht, ok. Sie alberte ständig herum, schlief am liebsten den ganzen Tag und war ein Tollpatsch und eine Heulsuse.

Ganz zu schweigen von ihrer kindischen Frisur.

Sie nahm eine ihrer blonden Haarsträhnen zwischen Daumen und Zeigefinger.

Schon seit dem Kindergarten hatte sie immer dieselbe Frisur, man konnte es sozusagen als ihr persönliches Markenzeichen bezeichnen.

Zwei Zöpfe, die von jeweils einem runden Haarknoten geschmückt wurden. Überall war sie damit zu erkennen.

Ob sie nicht doch mal was Neues ausprobieren sollte? Manchmal half ein vollkommen neues Styling ja, sich zu verändern, zu verbessern. In ihrem Fall wäre die Verbesserung wohl, endlich erwachsen zu werden. Selbst ihre Eltern lagen ihr damit täglich in den Ohren.

Und möglicherweise würde der Unbekannte sie dann nicht mehr als kleines Mädchen bezeichnen. Wenn sie sich veränderte.

Moment mal.

Bunny schürzte die Lippen.

Warum sollte sie sich für einen Mann verändern? Sie gefiel sich super, so wie sie war. Und wenn diesem Typen das nicht gefiel, war das sein Pech.

Sie sprang fast von der Bank hoch, schreckte dabei ein paar Tauben auf, die fluchtartig davon flogen. Bunny sah ihnen hinterher.

Vogel müsste man sein, dachte sie. Ihr Blick fiel auf den Parkausgang am Ende des Weges.

Sie bezweifelte, dass der Fremde noch kommen würde. Warum sollte er auch. Ihre Begegnung war sicherlich nur rein zufällig gewesen.

Es war albern und kindisch, darauf zu hoffen, dass sie ihn ausgerechnet hier und ausgerechnet jetzt wiedersehen sollte. Es sei denn, er wohnte im Park.

Bunny schüttelte mit dem Kopf. So ein Unsinn konnte ja wieder nur von ihr kommen.

Nagut, dann würde sie eben nach hause gehen und sich mit Schokokeksen vollstopfen. Die halfen immer.Einigermaßen gut gelaunt, schlenderte sie dem Parkausgang entgegen, riskierte einen Blick in die Schaufenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite und blieb abrupt stehen.

Das konnte nicht sein.

Ihr Hirn spielte ihr definitiv einen Streich.

Sie rieb sich die Augen, bis sie bunte Punkte sah. Und doch verschwand die vermeintliche Halluzination nicht.

Da war er. Eindeutig. Dieses Profil würde sie unter Hunderten wiedererkennen. Die pechschwarzen Haare sowieso. Aber am auffälligsten waren die Augen. Diese wunderschönen tiefblauen Augen, die sie überrascht ansahen.

Wie lange standen sie wohl einfach nur da und starrten sich an? Bunny auf der einen, der Unbekannte auf der anderen Straßenseite. Bunny mit ihrer Schultasche, der Unbekannte mit einem Kaffeebecher in der Hand.

Sie hob den Arm zur Begrüßung, lächelte freundlich.

Und er?

Schaute sie zuerst stirnrunzelnd an und wechselte dann den Gesichtsausdruck zu ... wütend?

Sie hatte noch immer den Arm erhoben, legte jetzt noch verwirrt den Kopf schief.

Warum schaute er sie so an? Hatte sie etwas falsch gemacht? Ihn bei irgendwas Wichtigem gestört?

Und warum warf er plötzlich seinen Kaffeebecher zur Seite weg und kam auf sie zugestürmt? Alles schien sich in Zeitlupe abzuspielen. Merkwürdig.

Sie folgte seinem Blick und musste nüchtern feststellen, dass sie direkt in ein Paar blend heller Scheinwerfer starrte, die zu einem schwarzen Auto gehörten, dass seltsamerweise genau auf sie zu kam.

Verdammt, dachte sie. Jetzt erfahre ich doch nicht seinen Namen.

Ein harter Schlag traf sie und sie wurde zu Boden geschleudert.

Sie spürte einen stechenden Schmerz an ihrem Hinterkopf. Und dann nichts mehr.

Es wurde dunkel. Wie in ihrem Traum.

Doch diesmal war die Dunkelheit nicht unangenehm. Sie war warm und roch gut. Nach Rosen.

Ihr Kopf schmerzte.

Und ihr Rücken.

Überhaupt tat ihr alles weh. Sie richtete sich stöhnend auf.

Was war nur passiert?

Das Auto!

Sie blickte sich panisch um. Wo war sie überhaupt?

Sie erkannte den Park, der mittlerweile ieder in das Licht der gelben Laternen getaucht war. Die Sonne war untergegangen und sie lag auf einer der Bänke.

Das war ein ganz schlechtes Zeichen.

Sie tastete sich ab, alles war noch wie es sein sollte. Ein blick zur Seite verriet ihr, dass ihre Tasche genau neben der Bank auf dem Boden stand.

Beruhigt seufzte sie auf.

Moment mal. Wie kam sie überhaupt hier her?

Ihre letzte Erinnerung war, dass sie beinahe von einem Auto überfahren worden wäre. Oder war das nur ein Traum?

War sie vielleicht nur auf der bank eingeschlafen und hatte nur geträumt, dass sie den Unbekannten wieder getroffen hatte?

»endlich wach?«

Sie fuhr erschrocken zusammen.

Jemand saß auf der gegenüberliegenden Bank.

Er. Ihr Retter mit den schönen Augen.

Er hatte seinen Ellenbogen auf den Oberschenkel abgestützt, das Kinn auf die Fingerknöchel gelegt.

Und er starrte sie ungeniert an, taxierte sie förmlich mit ernstem Blick.

»Du.«, war alles, was sie sagen konnte.

Er hatte sie gerettet. Schon wieder.

Sie wollte ihn wiedersehen, ja. Aber doch nicht auf diese Art und Weise.

Und doch war er jetzt hier. Er hatte die ganze Zeit hier gesessen, bis sie aufgewacht war.

Ihr wurde bei dem Gedanken daran warm ums Herz und sie musste unwillkürlich lächeln.

»Es scheint dir ja besser zu gehen.«, er erhob sich.

Wollte er gehen? Jetzt schon?

»Nein.«, rief sie. Ein bisschen zu laut, so dass sie sich peinlich berührt die hand vor den Mund hielt.

Der Unbekannte sah sie nur fragend an.

»Ich wollte mich bedanken.«, stotterte sie. Ihr Herz schlug auf einmal so schnell und so laut, dass sie Angst hatte, er könnte es hören. »Für das Retten und so.«

Und so.«, wiederholte er in denselbem Tonfall.

Bunny zuckte nur mit den Schultern. Sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen. Sie hatte ja schließlich keinerlei Erfahrung im Umgang mit Männern und wie man mit ihnen eine Konversation führte.

»Kann ich mich irgendwie revanchieren?«, fragte sie deshalb. Alleine nur, um ihn davon abzuhalten wieder einfach so zu verschwinden.

»Bitte?«, er schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Naja.«, sie kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. »Für deine Hilfe. Ich möchte das irgendwie mit was gut machen.«

Er grinste und antwortete: »Kleine Mädchen wie du sollten vorsichtig mit solchen Angeboten gegenüber erwachsenen Männern sein.«

Da war es wieder.

Dieses furchtbare Wort aus seinem Mund.

Aber diesmal würde sie es nicht ignorieren oder über den Sinn nachdenken. Sie sprang wütend von der Bank hoch und baute sich mit demonstrativ vorgeschobener Lippe vor ihm auf.

»ich bin kein kleines Mädchen!«, blaffte sie ihn an , schaute dann kurz an sich herunter und dann wieder zu ihm auf. »Ok, körperkich gesehen vielleicht schon, aber da kann ich ja nichts dafür, dass du so ein langer Lulatsch bist. Aber ansonsten bin ich kein kleines Mädchen. Ich bin immerhin schon fast 18. So.«

Sie stampfte nochmal mit dem Fuß auf, um ihren Worten Stärke zu verleihen.

Gut, das war dann vielleicht doch ein bisschen übertrieben, aber so war sie nun mal.

Der unbekannte versuchte mit aller Kraft ernst zu bleiben, doch Bunny konnte erkennen, dass seine Mundwinkel gefährlich zuckten.

Sie hatte sich mal wieder zum Affen gemacht.

Und das ausgerechnet vor ihm. Sie spürte, wie ihr Gesicht sich erhitzte und wäre am liebsten auf der Stelle im Boden versunken.

Da hinten war ein Sandkasten. Vielleicht sollte sie sich einfach dort einbuddeln bis zu dem Tag, an dem sie sich endlich wie ein normaler Mensch benahm.

»Na dann.«, sagte er plötzlich.

Bunny sag zu ihm auf. Seine meerblauen Augen waren genau auf sie gerichtet und es fühlte sich an, als ob die Zeit stehengeblieben war.

»Du willst dich also gebührend revanchieren?!«, stellte der Unbekannte fest. Oder war es eine Frage?

Er kam einen Schritt auf sie zu.

Sie konnte die Mimik in seinem perfekt wirkenden Gesicht nicht deuten, aber irgendwie hatte sie plötzlich ein ganz merkwürdiges Gefühl. Es war wie ein Ziehen in ihrem Bauch, als er mit seinen durchdringenden Augen auf sie herabblickte. Nicht einmal ein schlechtes Gefühl, nur eben anders. Unbekannt, so wie er.

Aber er hatte Recht, als er sagte, sie solle vorsichtig mit ihren Äusserungen sein. ER war bereits erwachsen, zumindest sah er so aus. Und er hatte demnach sicherlich auch schon mehr erlebt als sie und somit mehr Erfahrung. Egal in welcher Hinsicht.

Plötzlich war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee war, hier nochmal aufzutauchen.

Seine Mundwinkel zuckten, er öffnete den Mund und Bunny wartete gespannt, aber auch mulmig auf seine Worte.

»Ein Kaffee.«, sagte er.

Hähh?

Bunnys Gesicht musste einem einzigen Fragezichen gleichen.

»Ich habe meinen vorhin weggeworfen.«, erklärte er mit zuckenden Schultern.

Stimmt. Sie erinnerte sich, dass er ihn einfach fallen lassen hatte, ehe er todesmutig in ihre Richtung gehechtet war. Sie hatte alles in Zeitlupe gesehen, jede einzelne Bewegung, jeden Wimpernschlag. Auch, als sie das Auto entdeckte. Warum war es nur da gewesen? Sie konnte sich nicht erinnern, auf die Straße gelaufen zu sein. Sie war sich sogar ganz sicher, dass sie sicher auf dem Bürgersteig stand. Oder doch nicht?

Sie nickte stumm.

Doch dann hellte sich ihr Gesicht auf und sie strahlte ihn förmlich an, was ihn überrascht wirken ließ.

Was hatte er gedacht? Dass sie Nein sagen würde? Es war doch bloß ein Kaffee.

Obwohl sie sich fragte, ob sie bei einem anderen Angebot auch so leichtfertig zugestimmt hätte.

»Da vorne ist ein Café, die haben jetzt bestimmt noch auf.«, sagte sie und zeigte in Richtung der hell erleuchteten Einkaufspassage.

Der Unbekannte blickte wortlos ihrem Finger hinterher. Wirklich begeistert wirkte er ja nicht von ihrer Idee. Hatte sie schon wieder etwas falsch gemacht?

»Lieber da lang.«, er nickte in die entgegengesetzte Richtung.

Dort hin, wo es dunkel war und fast alle Geschäfte bereits geschlossen. Bis auf einen kleinen Kiosk.

Warum wollte er ausgerechnet dahin? War es ihm etwa peinlich, mit ihr gesehen zu werden? Lag es an ihrer Schuluniform? Oder hoffte er doch auf mehr? Würde er sie vielleicht in eine unbeleuchtete Seitengasse ziehen und...

Ihr Gesicht wurde puderrot.

Was hatte sie da bloß für unsittliche Gedanken? Verlegen räusperte sie sich und schaute unauffällig durch ihren Pony hindurch zu dem Unbekannten.

Er blickte sich nach Links und Rechts um. Suchte er etwas? Oder fühlte er sich gar verfolgt?

Eigentlich war es ja schon saudumm, was sie hier tat. Sie stand mit einem völlig Fremden in der Dunkelheit. Sie wusste rein gar nichts über ihn. Er konnte auch ein gefährlicher Gangster sein.

Und trotzdem fühlte sie sich wohl in seiner Nähe und es zog sie immer wieder magisch zu ihm hin. War sie womöglich doch verliebt? Gab es sowas? Dass man sich einfach so in einen völlig Fremden verlieben konnte?

»Für wen stürze ich mich eigentlich in so immense Unkosten?«, fragte sie plötzlich.

»Was meinst du?«, er schaute sie überrascht an.

»Naja.«, sie kickte einen der Kieselsteine vor ihren Füßen weg, der mit einem leisen Rascheln im nächsten Gebüsch landete. »Wie heißt du?«

»Wozu willst du das wissen?«

Sie starrte ihn verständnislos an. Was sollte denn diese Frage? Vielleicht einfach, um ihn endlich beim Namen zu nennen und nicht irgendwann mal aus Versehen Mister Unbekannt zu ihm zu sagen? Dieses Ausweichen machte sie stutzig.

»Du kennst meinen Namen immerhin auch.«, argumentierte sie deshalb leicht schmollend.

»Bunny, richtig.«, er strich sich nachdenklich über sein Kinn.

Diese Geste wirkte so unglaublich sexy, dass sie sich beherrschen musste, ihn nicht sabbernd anzustarrten.

»Nagut.«, sagte er schließlich und reichte ihr die Hand. »Mamoru.«

»Mamoru.«, wiederholte sie flüsternd und ergriff diese.

Da war es wieder. Dieses elektrische Gefühl , wie beim letzten Mal. Und dieses Mal konnte sie es nicht leugnen oder als Unfug abtun. Ob er es auch gespürt hatte? Sein gesicht verriet rein gar nichts.

»Darf ich die wieder haben?«, er deutete auf seine Hand, die von Bunny noch immer fest umklammert wurde.

»Ja! Natürlich!«, ertappt lies sie ihn los, als ob sie sich verbrannt hatte. Und wieder spürte sie, dass ihr die Röte ins Gesicht stieg. Wie oft konnte ein normaler Mensch es eigentlich aushalten, dass das Blut immer wieder hoch und runter wanderte?

Reiss dich zusammen, Bunny. Du benimmst dich ja wie ein kleines Kind. Oder noch schlimmer, wie ein verknallter Teenager. Kein Wunder, dass er dich nicht ernst nimmt. Oder gar für verrückt hält.

Sie würden jetzt einen Kaffee trinken gehen. Gemeinsam. Wie Erwachsene. Und sich dabei unterhalten. Wie Erwachsene.

Sie wusste zwar noch nicht über was, aber im Moment war ihr das auch egal.

Es zählte das Hier und Jetzt.

Und das war äusserst zufriedenstellend. Denn es bestand nur aus ihr, Mamoru und dem Mond.

Der Kioskbesitzer sah sie erst überrascht an, als sie um diese Uhrzeit noch zwei Kaffee bestellte.

Dann allerdings, mit einem Seitenblick auf den großgewachsenen Mann neben ihr, verwandelte sich sein gesicht in eine zweideutig grinsende Fratze.

Das fand sie einerseits unerhört. Was glaubte er, da vor sich zu haben? Ein Pärchen, das nach einem Schäferstündchen in einem der angerenzenden Hotels noch einen gemeinsamen Kaffee trinkt? Und selbst wenn es so wäre, könnte ihm das vollkommen egal sein.

Aber andereseits...

Es hatte etwas für sich, als Freundin dieses attraktiven und geheimnisvollen Mannes gesehen zu werden. Optisch betrachtet gaben sie mit Sicherheit ein tolles Paar ab.

Sie dachte wieder an die beiden Verliebten von heute Nachmittag, die sich gegenseitig mit Trauben gefüttert hatten. In ihrem Kopf verwandelte sich das Pärchen wie automatisch in sie und Mamoru. Sie stellte sich vor, wie er zärtlich über ihre Wange strich, sich ihr entgegenbeugte und...

»Wie soll er sein?«, hörte sie eine Stimme, weit entfernt in ihren Gedanken.

»Liebevoll.«, seufzte Bunny.

Sie erwachte schlagartig aus ihrem Tagtraum, als sie merkte, dass sie ausgerechnet diesen Gedanken laut ausgesprochen hatte.

Peinlich berührt starrte sie in das verblüffte Gesicht hinter dem Tresen und hatte den sehnlichen Wunsch, sich augenblicklich in Luft aufzulösen.

»Schwarz reicht, danke.« Mamoru nahm sich seinen Becher selbst und sie konnte aus den Augenwinkeln beobachten, wie er lässig zu einem der Stehtische ging.

Ihr Blick rutschte automatisch nach unten und blieb förmlich kleben an seinem Hinterteil, das in der schwarzen Jeans prachtvoll betont wurde.

Ihre Beobachtung blieb nicht lange unbemerkt, wie das leichte Grinsen im Gesicht des Schwarzhaarigen zeigte, als sich ihre Blicke trafen.

Bunny schaute schnell weg und kümmerte sich übertrieben detailliert um ihren Kaffee.

Sie goss sorgsam Milch in das heiße Getränk und häufte Zucker auf den Löffel, den sie dann vorsichtig in den Becher rieseln ließ.

Eigentlich mochte sie überhaupt keinen Kaffee. Eine große Tasse heiße Schokolade wäre ihr wesentlich lieber gewesen.

Aber sie wollte ja erwachsen wirken und Erwachsenen tranken nun mal dieses scheußliche Zeug.

»Willst du noch ein bisschen Kaffee in deinen Zucker?«

Sie blickte zu Mamoru auf. Der hatte gerade seinen Becher an die Lippen gesetzt.

Oh, wie gern würde sie in diesem Moment mit dem Becher tauschen.

Halt, was hatte er gerade gefragt?

Sie betrachtete ihre Hände.

Himmel, wie viele Löffel Zucker hatte sie in ihren Kaffee gemacht? Die Zuckerdose war eben noch voll. Und jetzt halbleer.

»Ich trinke den immer so.«, versuchte sie vollkommen normal zu klingen und rührte betont lässig in ihrem Getränk.

Zumindest versuchte sie es, was sich aber schwieriger gestaltete, als erwartet. Der Boden des Bechers war mit Zucker bedeckt. Bunny schätzte die Höhe auf bestimmt 10 Zentimeter. Und warum rührte sie dann immer noch darin rum?

Als sie einen Schluck ihres Kaffees, wenn man es denn noch so nennen konnte, nehmen wollte, lächelte sie ihr Gegenüber freundlich an. Der beobachtete sie eingehend, fast wie ein wissenschaftliches Projekt.

Jetzt bloß nichts anmerken lassen. Du bist cool und erwachsen. Los, Bunny, du schaffst das.

Sie sezte den Pappbecher an ihren Mund, schloss die Augen, ließ das Gebräu ihre Kehle hinunter laufen.

Und spuckte alles wieder aus. Zum Glück neben sich und nicht direkt vor Mamorus Füße.

»Ihgitt!«, sie schnappte sich einen großen Stapel Servietten vom Tisch und schrubbte damit ihre Zunge ab. Sie musste einen herrlichen Anblick bieten.

Doch Mamoru blieb vollkommen ruhig.

Entweder er hatte eine wahnsinnige Selbstbeherrschung, obwohl er innerlich wahrscheinlich bereits auf dem Boden kugelte vor Lachen. Oder er war einfach nur so nett, sie nicht auszulachen. Der Kioskbesitzer hatte da weniger Hemmungen, was ihm einen bösen Blick von Bunny einbrachte.

»Tut mir leid.«, seufzte sie in seine Richtung, während sie versuchte, ihre verwuschelten Haare wieder einigermaßen zu richten.

Mamoru zuckte mit den Schultern.

Oh Gott, es war noch viel schlimmer. Er hatte nicht gelacht oder sich peinlich berührt weggedreht, weil ihm ihr Auftritt scheinbar schlichtweg egal war. Sie war ihm egal. Wenn es etwas gab, was mehr weh tat, als dumme Sprüche auf ihre Kosten oder offene Ablehnung, dann war es Ignoranz. Egal wie sehr man sich anstrengte und was man sagte oder tat. Wenn es dem Gegenüber egal war, spürte man regelrecht, wie einem der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

»Bist du immer so theatralisch?«, fragte er.

Bunny starrte ihn fragend an.

»Du solltest für deine Nummern Eintritt verlangen.«, er zeigte mit dem Finger auf das Chaos an Servietten, dass um sie herum lag.

»Dir scheinen sie ja nicht besonders zu gefallen.«, rutschte Bunny heraus, während sie die einzelnen Papierfetzen einsammelte.

Schon wieder zuckte er mit den Schultern. Was hatte er nur mit dieser geste? War ihm schlichtweg alles egal oder hatte er ein krankhaftes Nervenleiden, dass ihn dazu veranlasste, ständig seinen Rücken mit der Bewegung zu entlasten?

»Ich finde es nur merkwürdig, dass sich jemand in deinem Alter noch so benimmt.«

Bunny drehte sich angesäuert zu ihm um. Sie hatte vor Wut die Servietten in ihren Fäusten zusammengeknüllt.

»Kann ja nicht jeder so obercool rüberkommen wie du. Und was soll das eigentlich mit dem ständigen Schultergezucke? Findest du das lässig, wenn jeder denkt, dir ist alles so furchtbar egal?«, sie piekte ihn mit dem Zeigefinger in die Schulter.

Es sollte keine böse Geste sein, sie wollte ihm auch nicht weh tun oder so. Aber wenn man irgendwas gegen sie sagte, was ihr missfiel, wurde tief in ihr drinnen ein übellauniges moserndes Monster geweckt, das erst Ruhe gab, wenn alle Beschimpfungen endlich draussen waren.

Mamoru schien das nicht zu wissen, woher auch.

Als sie ihn zum zweiten Mal pieksen wollte, ergriff er ihr Handgelenk.

»Deine Schimpftiraden könnten bei den falschen Leute gefährlich enden.«, sagte er.

Bunny wusste im ersten Moment gar nicht, was sie sagen sollte. Sie stand vor ihm, so nah, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte.

»Und du gehörst auch zu den falschen Leuten?«, fragte sie schließlich flüsternd. Sie wagte nicht, sich zu bewegen.

»Möglicherweise.«, war seine knappe Antwort.

Sein ernster Blick bereitete ihr Unbehagen. Es war nicht so, dass seine Nähe ihr Angst machte, aber da war wieder dieses Dunkel in seinen Augen. Dieser schwarze Schatten, der sie zu verschlingen drohte.

»Willst du mir auch den Arm brechen?«

Mamoru verstand die Anspielung und ließ ihr Handgelenk beinahe zu schnell los.

Sie rieb die lädierte Stelle, die sich bereits rötlich verfärbte.

Ehe sie sich ihren Unterarm noch genauer ansehen konnte, ergriff Mamoru ihn bereits wieder, diesmal sanfter. Mit seinen Fingern strich er vorsichtig über die Rötung.

Bunny hielt den Atem an. Diese zarte Berührung schickte eine wahre Welle aus Glücksgefühlen durch ihren Körper und sie spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam. Hoffentlich bemerkte er es nicht.

»Dieser Typ hatte es verdient.«, erklärte er und strich mit seinem Dauemen über ihr Handgelenk. Sie wusste, dass er die Aktion gestern Abend meinte, aber sie konnte sich kaum auf seine Worte konzentrieren. Zu sehr genoss sie, wie er sie anfasste. »Es ist ekelhaft, eine Frau gegen ihren Willen...«

Er stockte und Bunny sah wieder zu ihm auf.

»Entschuldige.«, sagte er sanft.

Meinte er damit, dass er ihr weh getan hatte oder seine Worte gerade eben?

»Ist ok.«, flüsterte sie wieder und zwang sich, ihm nicht zu lange in die Augen zu sehen. Wer weiß, was sonst noch mit ihrem Körper passiert wäre.

Ihr Blick fiel auf seinen Hals. Und besonders auf eine kleine dunkle Stelle daran. Was war das? Es sah aus wie eine Zeichnung, eine Art Muster. Ja, ein Tattoo, eindeutig. Am Ende seines Halses konnte man so etwas wie eine verschnörkelte schwarze Spitze sehen, die unter dem Kragen seines Hemdes verschwand. Wie groß war wohl die Tättowierung. Und was stellte sie dar?

Sie versuchte sich vorzustellen, wie Mamoru wohl ohne sein Hemd aussah. Breite Schultern, eine muskulöse Brust und ein durchtrainierter Bauch.

Er lies ihre Hand los, was sie aus ihrer Fantasie riss.

Sorgsam richtete er seinen Kragen, das Tattoo war so nicht mehr zu erkennen. Hatte er ihren Blick bemerkt?

»Danke für den Kaffee.«, sagte er plötzlich.

»Du willst schon gehen?«, sie versuchte, nicht allzu verzweifelt zu klingen.

»Es ist spät.«, seine Stimme klang wieder hart. Wo war die Wärme von eben hin? Hatte sie es etwa schon wieder geschafft, innerhalb von Sekunden durch ihre Blödheit alles kaputt zu machen?

»Du solltest nach Hause.«, er holte etwas aus seiner Hosentasche. »Hier. Für ein Taxi.«

Bunny betrachtete die beiden großen Scheine in ihrer Handfläche. Sie waren warm. Wie lange trug er die wohl schon mit sich herum?

»Aber das ist doch viel zuviel.«, sie sah auf. Und stockte. Wo war er hin? Wie konnte er so schnell verschwinden? Und vor allem, ohne dass sie es mitbekommen hatte. Stirnrunzelnd blickte sie sich um, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass er sich schon wieder einfach in Luft aufgelöst hatte.

»Wie macht er das immer?«, fragte sie leise, mehr zu sich selbst.

Sie rieb sich ihr Handgelenk.

Dabei war schon gar nichts mehr zu sehen. Schon lange nicht mehr.

Eigentlich war die Rötung bereits am nächsten Tag verschwunden.

Was merkwürdig war, behielt Bunny ihre kleinen Wehwehchen doch sonst eine kleine Ewigkeit. Und durch ihre dauerhafte Tolpatschigkeit war sie oft genug von blauen Flecken nur so übersät.

Aber die Stelle, an der der Unbekannte, nein, Mamoru war sein Name, sie so grob angefasst hatte, sah aus wie immer. Die helle Haut an ihrem Unterarm schien vollkommen unversehrt.

Fast, als ob nie etwas passiert wäre. Sie ihn nie getroffen hätte.

Aber das hatte sie, ganz sicher.

Auch wenn ihr Handgelenk als Beweis nicht mehr taugte, sie hatte noch immer das Geld von ihm.

Sie sollte sich ein Taxi davon nehmen, hatte er gesagt.

Was sie nicht getan hatte. Nicht, weil sie entgegen seiner Bitte handeln wollte. Aber dann hätte sie das Geld ausgeben müssen.

Das Geld, das er aus seiner Hosentasche geholt hatte. Das warm war, sogar ein bisschen nach ihm och. Nach Rosen.

Sie wusste das, weil sie ernsthaft daran geschnuppert hatte, als sie nach Hause gelaufen war.

Mit Sicherheit bot das einen albernen Anblick. Doch es war ihr egal. In dem Moment hätte die Welt um sie herum in Tausende von Scherben zerbersten können.

Sie seufzte.

Schon mehr als eine Woche war es her.

Sie war seitdem jeden Tag im Park gewesen. Vergeblich.

So wie ihre Rötung war auch er verschwunden.

Mamoru. Drei kleine Silben. Ma Mo Ru.

Ein schöner Name. Er passte zu ihm.

Sie vermisste ihn. So gerne hätte sie ihn wiedergesehen.

Noch einmal Zeit mit ihm verbracht. Wenn auch nicht unbedingt beim Kaffee trinken. Darauf konnte sie nach der letzten peinlichen Aktion getrost verzichten.

Sie wäre auch zufrieden, wenn sie Mamoru nur gegenüber sitzen und betrachten könnte, einfach nur ansehen. In seine wunderschönen blauen Augen blicken könnte und versuchen würde, seine Mimik und Gesten zu ergründen.

»Hörst du mir überhaupt zu?«

Bunny schaute auf.

Direkt in das fragende Gesicht ihrer Freundin Naru.

Diese legte den Kopf schief: »Du bist echt komisch. In letzter Zeit hängst du nur noch in den Wolken.«

»Stimmt doch gar nicht.«, protestierte Bunny.

»Und was habe ich dann gerade gesagt?«, fragte ihre Freundin mit hochgezogenen Augenbrauen.

Spätestens jetzt musste sie sich eingestehen, dass Naru Recht hatte.

Sie war ja so schon immer zerstreut und leicht abzulenken, aber seit sie Mamoru begegnet war, bestimmte die Gedanken an ihn ihren kompletten Tagesablauf.

Sie dachte nur an ihn, trämte gar von ihm und gelegentlich spielte ihr Hirn ihr sogar einen Streich und sie hatte Halluzinatioen von ihm.

»Ok, wir gehen jetzt ein großes Eis essen und dabei erzählst du mir alles von ihm.«, Naru hakte sich bei ihr ein und zog sie einfach mit sich.

Bunny wusste, dass sie ihrer Freundin schon lange nichts mehr vormachen konnte.

Lächelnd liß sie diese also gewähren.

Und ein Eis war schließlich nie verkehrt.

»Wie heißt dein Traumprinz eigentlich?«, fragte sie grinsend, während die Freundinnen die Einkaufsstraße entlang schlenderten.

Bunny überlegte.

Sollte sie Naru wirklich von Mamoru erzählen? Viel gab es da eh nicht zu berichten. Wusste sie ja selber kaum etwas von ihm.

Gerade, als sie zum Sprechen ansetzen wollte, fiel ihr Blick auf das große Schaufenster eines Restaurants.

Es sah relativ edel und teuer aus, aber das war nicht das, was Bunny stutzen ließ.

Es waren die Personen, die sie durch das Glas im Inneren erkennen konnte.

War das möglich?

Einer der Gäste sah haargenau aus wie Mamoru. Da war sie sich zu hundert Prozent sicher, selbst wenn sie nur seinen Rücken erkennen konnte. Auch wenn ihr Hirn ihr in letzter Zeit ständig Streiche spielte, das hier war echt. Er war echt.

Bunny blieb stehen, so dass Naru neugierig ihrem Blick folgte.

»Ich glaube nicht, dass es dort Eis gibt.«, sagte sie, doch Bunny hörte nur mit halben Ohr hin. Ihre Füße hatten bereits wieder ein Eigenleben entwickelt und so näherte sie sich langsam dem Restaurant, ihren Blick nicht von Mamorus Hinterkopf abgewand.

»Was willst du hier?«, Narus Stimme klang fast ein wenig verzweifelt.

Scheinbar wusste sie selbst genauso, dass Schulmädchen wie sie in so einem Laden normalerweise nicht zu finden waren.

Vielleicht lag es aber auch an den dutzenden Augenpaaren, die auf die Mädchen gerichtet wurden, als Bunny, noch immer mit Naru im Schlepptau, die Tür öffnete und eintrat.

Bunny ignorierte den Kelnner, der auf sie zu kam.

Im Gegensatz zu Naru, die sich von Bunny löste und irgendwas zu dem stirnrunzelnd dreinblickenden Mann im Smokig sagte.

Auch darum scherte sich Bunny nicht.

Sie ging langsam auf den Tisch zu, an dem Mamoru saß.

Er war in ein Gespräch vertieft. Ihm gegenüber saß ein Man in einem schneeweißen Anzug.

Irgendwas an ihm beunruhigte Bunny. Sie wusste nicht, ob es an seinen schulterlangen silber wirkendem Haar lag oder an seinen purpurfarbenen stechenden Augen.

Mamoru schaute erst auf, als sie direkt neben seinem Stuhl zum Stehen kam.

Er wirkte überrascht, beinahe schon geschockt.

»Hallo.«, war alles, was sie über die Lippen bekam.

»Ihr kennt euch?«, fragte der Mann in Weiß und lächelte sein Gegenüber an. Es war ein kaltes Lächeln, beängstigend und Bunny lief es kalt den Rücken runter, als sie Mamorus ausdruckslosen Blick entdeckte.

»Flüchtig.«, antwortete dieser knapp.

Seine Stimme klang eisig.

»Seit wann verkehrst du mit Kindern?«, fragte der silberhaarige Mann lächelnd. Entgegen seiner Haarfarbe wirkte er jung und doch umgab ihn diese respekteinflößende Aura, die ihr eine Gänsehaut bereitete.

»Tue ich nicht.«, hörte sie Mamoru antworten.

Bunny starrte ihn verständnislos an.

Wieso war er so zu ihr? Er hatte ihr zweimal das Leben gerettet.

Andere Männer würden damit prahlen. Es vielleicht sogar für einen Wink des Schicksals halten.

Und er? Ignorierte sie infach. Trank seinen dämlichen Kaffee und tat so, als wäre sie gar nicht hier.

»Ist sonst noch was?«, fragte er schließlich, blickte sie dabei noch immer nicht an.

»Nein.«, flüsterte sie.

Sie verstand die Welt nicht mehr. War sie so peinlich, dass man jeglihe Bekanntschaft leugnen musste?

Den Tränen nahe drehte sie sich weg, entfernte sich langsam vom Tisch.

»Süßes Ding.«, hörte sie noch den Silberhaarigen sagen.

Toll, dass wenigstens er sich für sie interessierte, Mamoru schien sie ja vollkommen egal zu sein.

Warum hatte er sie dann gerettet? Warum hatte er mit ihr Kaffee getrunken? Warum hatte er ihr Taxigeld gegeben?

Das Geld.

Bunny hielt inne.

In ihrem Inneren brodelte es.

So einfach würde sie diesen arroganten Lackaffen nicht davon kommen lassen.

Wenn er schon nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, sollte er sie wenigstens gebührend in Erinnerung behalten.

Wutschnaubend drehte sie sich wieder um, lief zielsicher auf den Tisch zu.

»Was jetzt noch?«, Mamoru schien sichtlich genervt.

Das brachte das Fass zum Überlaufen.

Bunny knallte wütend eine Handvoll Geldscheine vor ihm auf die Tischdecke, direkt neben seinen Kaffetasse, die gefährlich auf dem klirrenden Unterteller ins Schwanken geriet.

»Hier.«, schnaubte sie. »Ich brauche deine Almosen nicht. Es ist nicht das komplette Geld, weil ich mir Kuchen gekauft habe. Aber ich will dir nichts schuldig sein.«

Mamoru starrte sie überrascht an und dan alamiert zu seinem Gegenüber, der sich dieses Schauspiel lächelnd und mit verschränkten Armen ansah.

»Was ist daran so lustig?«, blaffte Bunny ihn verärgert an. »Ich frage mich, wie Sie mit so einem Blödmann befreundet sein können.«, sie zeigte auf Mamoru, ehe sie sich wieder zu diesem umdrehte und verachtend flüsterte: »Lauf mir bloß nie wieder über den Weg.«

Er erntete noch einen vernichtenden Blick, ehe sich Bunny umdrehte und erhobenen Hauptes daon stolzierte.

»Was war das denn?«, fragte Naru sie geschockt.

Bunny zuckte nur mit den Schultern und zeigte ihr, das Restaurant zu verlassen.

Als sie die warmen Sonnenstarhlen in ihrem Gesicht spürte, hatte Bunny das Gefühl, eine schwere Last wäre von ihren Schulten gefallen.

Klar, sie hatte sich gerade wieder komplett daneben benommen, ber jetzt waren die Fronten wenigstens endlich geklärt.

Dieser Mamoru war überhaupt kein toller Held, sondern nur ein arroganter Wiederling. Und sie fragte sich, wie sie auch nur einen Gedanken an ihn verschwenden konnte.

»Gehen wir jetzt endlich ein Eis essen?«, grinste Bunny ihre Freundin an.

>>Das war wirklich eine der verrücktesten Aktionen, die du bisher gemacht hast.«, kicherte Naru.

»So schlimm war es auch nicht.«, gab Bunny grinsend zurück und leckte an ihrem riesigen Schokoladeneis, das sich in der heißen Nachmittagssonne langsam aber sicher in seine Bestandteile aufzulösen schien.

»Hast du gesehen, wie dieser Oberkellner geguckt hat? Ich dachte jeden Moment, er wirft uns raus.«

Eine Weile saßen die beiden Mädchen schweigend auf der Bank einer Haltestelle und hingen ihren Gedanken nach, während jede von ihnen nach und nach ihre Eistüte verschlang.

»War das der Junge, in den du verliebt bist?«, unterbrach Naru plötzlich die Stille.

Bunny antwortete erst nach einiger Zeit: »Ich weiß nicht, ob ich wirklich in ihn verliebt war.«

»Er sah gut aus.«

»Ja.«

»Du willst nicht darüber reden, oder?«

Bunny seufzte. Was gab es da zu reden? Sie hatte sich in einen vollkommen Fremden verknallt. In ihrer Vorstellung war er der Traummann schlechthin. Dass die Wirklichkeit vollkommen anders aussah, wusste sie jetzt auch. Im Nachhinein betrachtet war es beinahe schon zum Heulen.

Nicht nur, dass sie sich zum absoluten Idioten gemacht hatte, mehr als einmal. Sie hatte noch dazu die letzten Wochen damit vergeudet einem Wunschtraum nachzuhängen.

Was hatte sie erwartet? Dass Mamoru sie voller Euphorie in die Arme schließt und nie wieder los lassen würde, bis sie gemeinsam dem Sonnenuntergang entgegen liefen?

Sie schaute in Narus große fragende Augen.

Sie war ihre beste Freundin. Irgendeine Erklärung war sie ihr schuldig.

»Weißt du... «, begann Bunny, wurde aber jäh unterbrochen, als ein schwarzer Sportwagen in die Haltebucht für Busse einbog und mit quietschenden Reifen zum Stillstand kam.

Sie wollte den Fahrer gerade lautstark zur Rede stellen, was ihm denn einfiele, als die verdunkelte Scheibe herunter gelassen wurde und Bunny vor Schreck beinahe ihr Eis aus der Hand fiel.

»Steig ein.«, sagte Mamoru knapp.

Sie konnte seine Augen nicht erkennen, da er eine große Sonnenbrille trug, aber seine Stimme klang ernst genug, um sie wissen zu lassen, dass dies keine nette Aufforderung, vielmehr eine Drohung war.

Sie öffnete ihren Mund, um ihn gleich darauf wieder zu schließen.

Verwirrt schaute sie zu Naru, die nur mit den Schultern zuckte.

Unsicher ging Bunny auf das Auto zu.

»Ohne Eis.«, sagte Mamoru schroff.

Sie starrte verwirrt auf die Waffel in ihrer Hand und dann wieder zu Mamoru.

»Gib schon her. Es ist eh fast geschmolzen.«, Naru nahm ihr die Entscheidung ab und klaubte ihr das Schokoeis einfach aus den Fingern.

»Ruf mich dann an.«, zwinkerte sie ihr zu und Bunny nickte nur sprachlos, ehe sie in den Wagen stieg.

Eine fast schon unangenehme Kälte aus der Klimaanlage hieß sie willkommen, als sie sich in den tiefen Ledersitz fallen ließ.

»Anschnallen.«

Bunny gehorchte.

Seit wann gab sie bei solchen strengen Aufforderungen keine patzige Antwort?

Als sie das Klicken der Gurtveriegelung hörte, blickte sie Mamoru an.

Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, trat er bereits das Gaspedal durch und sie wurde unsanft in den Sitz gepresst.

Das Auto schien immer schneller zu werden und bei jedem Gangwechsel heulte der laute Motor auf.

Bunny kam nicht einmal dazu, irgend etwas zu äussern.

Vielmehr war sie damit beschäftigt, ihre Finger in den Sitz zu krallen und bei jedem riskanten Überholmanöver die Luft anzuhalten.

Was hatte dieser Irre vor? Wollte er sie beide umbringen?

Sollte das die Rache dafür sein, dass sie ihm so eine Szene gemacht hatte? Warum zur Hölle war sie überhaupt in seinen Wagen gestiegen?

Nervös beobachtete sie ihn aus den Augenwinkeln.

An seinen dunklen Brillengläsern vorbei konnte sie seine blauen Augen erkennen, die stur auf die Straße starrten- Sein ernster Gesichtsausdruck faszinierte Bunny. Auch wenn er wie der Teufwl fuhr, schien er das Auto komplett unter Kontrolle zu haben.

Sie hatte noch nie zuvor in so einem Wagen gesessen. Die Innenausstattung war dunkel und edel und alles beinahe klinisch rein, nirgends auch nur ein Staubkorn auszumachen. Wenn sie da an das Chaos aus leeren Plastikflaschen und Verpackungen im Wagen ihres Vaters dachte, war Mamorus Auto beinahe ein OP-Saal.

Vor lauter Nachdenken bemerkte sie erst nach einiger Zeit, dass das Fahrzeug langsamer geworden war.

Neugierig schaute Bunny sich um.

Und wurde kreidebleich.

Sie hatten ein altes Fabrikgelände erreicht. Ein einsames altes Fabrikgelände.

Was wollte er mit ihr an so einem gruseligen Ort?

Sie schreckte hoch, als Mamoru den Motor ausmachte.

Um sie herum war nichts ausser verfallenen Häusern und rostigen Eisengerüsten. Sonst nichts. Keine Menschenseele. Und sie war vollkommen allein mit ihm.

Was hatte er vor?

Bunny lief es eiskalt den Rücken herunter.

Er würde ihr doch nichts antun, oder?

Sie wusste, dass er das konnte, hatte sie doch seine Fähigkeiten bereits bewundern dürfen.

Ok, sie war wie eine betrogene Ehefrau durch das Restaurant getobt. Aber war das ein Grund sie hier inmitten von Ruinen und überwucherten Wegen zu ermorden und irgendwo zu verscharren?

Dabei sah er doch nicht einmal aus wie ein Killer. Aber die unauffälligsten waren ja schon immer die Schlimmsten.

Mamoru schnallte sich ab, nahm seine Brille von der Nase und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen.

Bunny zitterte.

Und diesmal lag das definitiv nicht an der Klimaanlage.

Wie konnte man vor einem grausamen Verbrechen so ruhig und lässig bleiben?

Als er seinen Kopf zu ihr drehte, erstarrte Bunny.

Seine Augen waren dunkel, fast schwarz. Und sie konnte absolut nichts darin lesen?

Er beugte sich zu ihr.

Bunny versteifte. Jetzt war es also soweit. Ihre lezten Minuten hatten geschlagen. Ob es wohl weh tun würde?

Und dabei konnte sie sich noch nicht einmal von ihrer Familie verabschieden.

Sie war den Tränen nahe, als seine Hand immer näher kam.

»Naru weiß, dass ich mit dir unterwegs bin!«, schrie sie panisch.

»Deine Freundin von vorhin?«, fragte er mit ruhiger Stimme und öffnete das Handschuhfach.

Oh Gott. Was hatte er da drin? Eine Waffe? Ein Messer?

Alle Gangster und Mörder hatten ihr Tatwerkzeug im Handschuhfach, so war es im Krimi auch immer.

Bunny hielt die Luft an und schloss die Augen.

Hoffentlich würde es schnell gehen.

Sie hörte ein Rascheln.

Jetzt war es soweit.

Sie kniff die Augen zusammen. So sehr, bis sie nur noch bunte Punkte sah.

Doch nichts geschah.

Wieviel Zeit wollte er sich dafür lassen?

Bunny öffnete vorsichtig die Augen.

Mamoru hatte ein kleines schwarzes Etui aus dem Handschuhfach geholt.

Bewahrte man in so etwas eine Waffe auf?

Verblüfft stelle sie nach einigen Sekunden fest, dass es sich lediglich um ein Brillenetui handelte. Für seine Sonnenbrille.

Sie hätte am liebsten laut aufgelacht, beließ es dann aber doch lieber bei einem beruhigten Seufzer.

»Dachtest du, ich tue dir etwas an?«, fragte Mamoru ruhig, während er das Etui wieder im Handschuhfach verstaute.

Als er dabei versehentlich ihr Knie berührte, zuckte Bunny kurz zusammen.

»Nein.«, versuchte sie lachend abzuwinken.

Er hatte sie ertappt, verdammt.

»Das würde nur den Wagen schmutzig machen.«, erklärte er nüchtern.

Bunny blieb ihr albernes Lachen im Halse stecken. Das meinte er doch nicht wirklich ernst, oder?

»Und...«, sie räusperte sich, als Mamorus Blick sie traf. Für diese Augen brauchte er eindeutig einen Waffenschein. »Und du bist jetzt mit mir hier in diese einsame Gegend gefahren, weil?«

»Was denkst du ist der Grund?«

»Ähh..«, diese Frage überforderte sie. Was wollte er hören? Sicher war das eine Falle.

Sie waren ein Mann und eine Frau. Alleine in einem Auto. Unbeobachtet.

Was sollte sie da denken?

Entweder das hier würde sich zu einem Kriminalfall entwickeln, oder...

Bunny schoss das Blut in den Kopf.

Das hatte er doch nicht ernsthaft vor. Sie kannten sich doch kaum.

Unruhig rutschte sie tiefer in den Sitz.

»Ich weiß nicht?«, quietschte sie unbeholfen.

Mamoru schmunzelte und drehte den Kopf so, dass er zur Windschutzscheibe hinaus blicken konnte.

»Ich weiß nicht, was du dir erhoffst.«, begann er mit ruhiger Stimme. »Aber ich bin nicht der edle Ritter auf einem weißen Pferd.«

Stimmt. Statt des weißen Rosses hatte er ein schwarzes motorisiertes Monstrum. Das machte ihn aber nicht minder interessant. Vielleicht war es genau dieses gegenteilige Verhalten, was Bunnys Herz höher schlagen ließ mit jedem Mal, den sie ihn traf.

»Das vorhin tut mir leid.«, versuchte sie sich zu entschuldigen. Für was eigentlich genau? Dass sie sich wie ein Kind benommen hatte? Das war ja schon fast an der Tagesordnung, besonders in seiner Nähe. Er musste sie wahrscheinlich für eine Verrückte halten.

»Ich weiß nicht, ob du naiv bist oder einfach nur lebensmüde.«, sprach Mamoru ruhig weiter.

»Lebensmüde?«, sie legte den Kopf schief.

»Der Mann, der mit mir am Tisch saß, heißt Diamond.«, erklärte er, sah sie aber noch immer nicht an. »Du tust gut daran, nie wieder in seine Nähe zu kommen. Und auch nicht in meine.«

Bunny glaubte, sich verhört zu haben.

»Du entführst mich in die Einöde, nur um mir zu sagen, dass ich mich von dir fernhalten soll?«

Sie schnaufte enttäuscht und suchte nach dem Türöffner. Was hatte sie nur getan, dass ihr das Schicksal immer wieder ein Bein stellte?

Frustriert stellte sie fest, dass sich die Tür nicht öffnen ließ. Sie blickte sich suchend im Innenraum um. Der Schalter für die Zentralverriegelung befand sich auf der Innenverkleidung an Mamorus Tür.

»Natürlich.«, seufzte sie, drehte sich trotzdem auf ihrem Sitz und beugte sich zum Fahrersitz hinüber.

Was war eigentlich in sie gefahren, dass sie sich so benahm? Glaubte sie, Mamoru hätte den verdammten Schalter nicht auch selbst, auf ihr Bitten hin, betätigt?

Jetzt balancierte sie hier halb auf der Mittelkonsole herum und versuchte krampfhaft bloß nicht auch nur irgendeinen Körperteil des Schwarzhaarigen zu berühren.

Endlich hatte sie ihr Ziel erreicht und mit einem gezielten Knopfdruck entriegelten sich klickend die Türen des Wagens.

»Was soll das eigentlich werden?«, fragte Mamoru ruhig.

Bunny erstarrte. Sein warmer Atem kitzelte ihren Hals. War sie ihm wirklich so nah? Sie wagte es nicht, sich zu bewegen, oder auch nur ihn anzusehen.

»Wenn das eine Verführung werden soll...«

»Nein!«, schnitt ihm Bunny das Wort ab. »Ich wollte nur... raus.«, sie zeigte mit dem Finger auf die Scheibe.

»Es gefällt dir nicht hier drin?«

Konnte sie da ein leichtes Grinsen erkennen?

Er machte sich lustig über sie. Gut, er hatte allen Grund dazu, sie benahm sich ja auch ziemlich eigenartig. Aber trotzdem gab ihm das nicht das Recht, sie auszulachen.

Böse funkelte sie ihn an. Erfüllte vielleicht nicht wirklich den Zweck, den es sollte, schließlich verrenkte sie sich dabei halb. Es brachte ihn trotzdem zum Schweigen.

»Setz dich, ich fahr dich zur nächsten Bahnstation.«, er zeigte mit einer Geste in Richtung des Beifahrersitzes.

»Bahn fahren?«, maulte Bunny. Darauf hatte sie jetzt so gar keine Lust. Er hatte doch immerhin ein so tolles schnelles Auto. Was würde es da ausmachen, wenn er sie einfach nach Hause fuhr. Oder dem Sonnenuntergang entgegen.

»Ich will nur verhindern, dass wir zusammen gesehen werden.«, Mamoru schien eindeutig Gedanken lesen zu können.

»Entweder du bist berühmt oder ein Gangster.«, schlussfolgerte sie mit ernstem Blick.

Warum sonst dürfte niemand wissen, dass sie sich kannten? Oder war er etwa verheiratet und hatte eine extrem eifersüchtige Ehefrau?

»Setz dich einfach.«

Seine tonlose Anweisung löste bei Bunny eine Gänsehaut aus. Was war das nur für ein Typ? Und warum war sie nicht schon längst schreiend davon gelaufen? Irgendwas schien mit ihrem Hirn falsch zu laufen.

Ungelenk krabbelte sie zurück auf den Beifahrersitz.

Sie hätte noch immer Gelegenheit auszusteigen. Und doch tat sie es nicht. Auch wenn ihr gesunder Menschenverstand sie förmlich anschrie ihre Beine in die Hand zu nehmen. Sie konnte es nicht, wollte nicht.

Lieber vefolgte sie jede Handbewegung Mamorus. Wie er sich anschnallte, wie er den Schlüssel umdrehte, die Handbremse löste und den Griff um den Schaltknüppel verstärkte.

Seine Hände waren schön. Sir wikten stark und zugleich sanft. Wie es wohl wäre, von diesen Händen berührt zu werden?

Wie albern ihre Gedanken doch waren. Sie würde gleich aus dem Auto steigen und Mamoru wahrscheinlich nie wieder sehen. Ihren Retter, der eigentlich keiner sein wollte. Ihr dunkler Prinz.

»Wir sind da.«

Bunny schaute auf.

Er hatte an einer kleinen Parkanlage gehalten, direkt neben der Beschilderung zu einer nahe gelegenen Ubahnstation.

»Ok, dann..«, sie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. »Dann heißt es wohl auf Wiedersehen.«

»Eher nicht.«, erwiederte er kühl. »Vergiss einfach, dass es mich gibt.«

Bunny nickte stumm.

Sie schaute ihn an, verlor sich ein letztes Mal in seinen Augen.

Und umarmte ihn. Nur kurz. Und doch genoss sie es. Sie wollte dieses Gefühl in sich abspeichern. Diese Wärme, der Geruch. Alles wollte sie in sich aufnehmen und tief in sich verschließen.

»Danke fürs Retten.«, flüsterte sie und stieg schnell aus.

Mamoru sah noch immer etwas überrumpelt aus, als er schließlich den Motor aufheulen ließ und mit durchdrehenden Reifen davon fuhr.

Ihr geheimnisvoller Ritter auf seinem schwarzen Ross.

Wie sollte sie ihn vergessen können?

Was war das überhaupt für ein Schwachsinn? Erst entführte er sie halb, nur um ihr mitzuteilen, dass sie sich nie wieder sehen dürften.

Und warum dürfte sie ihn nicht wiedersehen? Weil es gefährlich war? Bisher hatte sie sich in die gefährlichen Situationen selber reingeritten, dank ihrer Tollpatschigkeit. Er war nur so gnädig und hatte sie beide Male daraus befreit.

Sie seufzte.

Niemals wiedersehen. Das war relativ einfach in einer so großen Stadt.

Dass sie ihn letztens entdeckt hat, war nur Zufall. Normalerweise konnte man nicht damit rechnen, jemanden in Tokio ein zweites Mal zu treffen.

»Hey, wieso ist mein Lieblingsgast so schlecht drauf?«

Die bekannte Stimme eines jungen Mannes ließ sie aus ihren Gedanken aufschrecken.

»Motoki.«, sie lächelte freundlich. Der jugendliche Kellner war fast so etwas wie ein guter Freund. Verbrachte sie doch die letzten Jahre fast ihre gesamte Freizeit in dem kleinen Café mit der angrenzenden Spielhalle.

»Darf ich dir mal eine Frage stellen?«, Bunny musterte ihn unbemerkt. Er war schon ziemlich süß mit seinem blonden Wuschelkopf und dem jungenhaften Grinsen.

»Ich bin ganz Ohr.«, er stellte sein leeres Tablett auf Bunnys Tisch und setzte sich ihr gegenüber. Scheinbar war gerade eh wenig zu tun. Aber das war eben Motoki. Freundlich, lieb und offen. Theoretisch würde er mit seiner gutgelaunten Art wunderbar zu ihr passen.

Bunny legte den Kopf schief, hörte tief in sich hinein. Konnte es sein? Hatte sie jahrelang einen hübschen jungen Mann vor sich und war einfach nur blind gewesen?

Sie hielt die Luft an, wartete auf erste Anzeichen, während sie ihm tief in seine strahlend blauen Augen schaute. Es war ein anderes Blau als das von Mamoru. Das hier glich dem Himmel an einem strahlend schönen Sommertag. Nett, aber überhaupt nicht geheimnisvoll.

Mist. Es hätte ja zu schön sein können. Sie hätte Mamoru wesentlich leichter vergessen können, wenn sie sich mit einem anderen ablenken könnte.

Motoki starrte sie fragend an.

Stimmt, sie wollte ihn ja was fragen. Er musste sie für vollkommen Banane halten, dass sie ihm gegenüber saß und nur blöd angaffte.

Sie räusperte sich: »Warum sind Männer so verdammt kompliziert?«

Der blonde Mann blickte sie überrascht an, lächelte dann aber in seiner gewohnt charmanten Art und sagte: »Na, ihr Frauen seid auch nicht gerade leicht zu durchschauen.«

»Vielleicht passen Männer und Frauen einfach nicht zusammen.«, Bunny stupste mit ihrem Finger einen Krümel von der polierten Tischplatte.

»So darfst du nicht denken.«, sagte Motoki freundlich, holte einen gelben Lappen unter seiner Schürze hervor und wischte damit über die Stelle, an der Bunny gerade noch ihre Hand hatte. Was hatte es nur immer mit dieser Poliererei auf sich? »Manchmal ist es doch viel spannender, wenn es kompliziert ist. Wenn alles passt, kommt irgendwann Langeweile auf.«

»Ja, wahrscheinlich.«, Bunny schaute nachdenklich aus dem Fenster.

Ab und zu war Langeweile nichts Schlechtes. Langeweile bedeutete Ruhe und Erholung.

Diese Worte konnte sie allerdings kein Stück mit Mamoru in Einklang bringen. Er war einfach zu mysteriös.

Und jetzt weg.

Vielleicht war seine Aufforderung ihn zu vergessen einfach nur ein nett umschriebenes "Ich will nichts von dir".

Das hätte sie wenigstens verstanden.

Ihr Blick fiel auf ein schwarzes Auto. Irgendeine große Limousine mit auffälligem Emblem auf der Motorhaube. Auf alle Fälle sehr teuer.

Was wollte ein so reicher Fahrer in einer Gegend wie dieser hier?

Das schien sich wohl auch Motoki zu fragen, war er doch ihrem Blick gefolgt und starrte nun ebenso interessiert auf die Szenarie.

Die hintere Tür öffnete sich. Jemand stieg aus.

Bunny konnte gerade noch einen erschrockenen Aufschrei unterdrücken.

Der Mann, der aus dem teuren schwarzen Auto steig, sie kannte ihn. Was heißt kennen? Sie war ihm schon einmal begegnet, gezwungenermaßen.

Es war derselbe Mann, der letzte Woche im Restaurant saß. Gegenüber von Mamoru.

»Diamond.«, flüsterte sie, biss sich aber auf die Unterlippe, als sie Motokis fragenden Blick entdeckte.

Was machte er hier? Und dann noch in so einem Aufzug?

Mit seinem maßgeschneiderten weißen Anzug passte er in diese Gegend wie ein Elefant an den Nordpol. Und fiel auch dementsprechend auf.

Die vordere Tür öffnete sich ebenfalls. Ein schwarzer Schopf kam zum Vorschein.

Bunnys Herzschlag setzte aus.

Und setzte wieder en, als sie erkannte, dass der Fahrer nicht Mamoru war.

Er sah ihm ähnlich, ja. Aber sein Verhalten war ganz anders, sein Gang, seine Bewegungen. Alles wirkte kalt und arrogant.

Der Schwarzhaarige mit der dunkelblauen Jacke schaute sich um, als wollte er sich absichern. Wovor denn?

Dass sie niemand gesehen hat? Recht unwahrscheinlich bei so einem Auftritt.

Ihre Blicke trafen sich.

Bunny hielt die Luft an. Es wirkte, als starre er sie direkt an. Konnte er sie sehen?

Ihr wurde heiß und kalt zugleich.

Nach einer gefühlten Ewigkeit verschwanden Diamond und sein gruseliger Begleiter in einem Haus genau gegenüber.

»Merkwürdige Typen, oder?«

Bunny drehte langsam ihren Kopf zu Motoki und nickte schweigend.

Was musste das für ein Anblick gewesen sein? Er stutzte und kratzte sich grinsend den Kopf: »Du wolltest einen Schokoladenshake, oder?«

Sie erwachte endlich aus ihrer Lethargie. Schokolade schien das Zauberwort gewesen zu sein.

»Ja.«, lächelte sie freundlich.

»Da bist du ja! Ich hab überall nach dir gesucht.«, Naru sezte sich schwer atmend auf den Stuhl, den eben noch Motoki besetzt hatte.

»Ich hab dich überall gesucht. An dein Handy gehst du ja auch nicht.«, beschwerte sie sich, keuchte dabei noch immer, als hätte sie gerade einen Marathon hinter sich.

»Alles ok?«, fragte Bunny ihre Freundin besorgt.

»Ja ja.«, sie winkte ab. »Halt dich fest. Ich hab uns Karten für diesen neuen Club besorgt, der erst vor kurzem aufgemacht hat.«

»Eine Disko?«, das war nun überhaupt nicht das, was Bunny lag. Sie hatte eh kein Talent zum Tanzen und dunkle laute Räume waren ebenso wenig eine Leidenschaft von ihr.

»Nicht nur irgendeine Disko. Das ist der angesagte Laden in der Stadt.«, erklärte Naru voller Leidenschaft. »Meine Mutter kennt einen der Türsteher und hat uns VIP-Pässe besorgt.«

»Und?«, Bunny war es ziemlich egal, ob man ihr das Desinteresse ansah. »Warum gehst du nicht mit Umino?«

Naru blinzelte überrascht, fasste sich aber schnell wieder: »Weil ich mit meiner besten Freundin gehen will. Komm schon, das lenkt dich von deinem Liebeskummer ab.«

»Ich hab keinen Liebeskummer.«, um den zu bekommen müsste man schließlich erst einmal verliebt sein. Und das war sie nun mal überhaupt nicht. Sie dachte lediglich ein bisschen nach.

»Komm schon, Bunny.«, Naru ergriff ihren Arm und legte ihren flehendsten Blick auf. »Du musst mal wieder unter Leute und besonders unter Jungs.«

»Ich bin doch unter Leuten.«, protestierte sie und hob gestikulierend den freien Arm.

»Das ist eine Spielhalle. Ausser ein paar Nerds und dem süßen Kellner gibt es hier gar gix.«

Bunny zuckte entschuldigend mit den Schultern.

Hey, warum musste sie sich überhaupt rechtfertigen?

Sie war gerne hier. Und sie unterhielt sich auch gern mit Motoki. Und vielleicht würde da ja eines Tages mehr draus.

»Also?«, Naru betrachtete sie eindringlich. »Willst du deiner besten Freundin wirklich was abschlagen?«

Bunny gab nach. Sie wusste, dass ihre Freundin sie sonst ewig genervt hätte. Darin war sie eine Meisterin und sogar besser als sie selbst.

Naja, möglicherweise tat ihr ein bisschen Ablenkung gut.

Auch wenn sie keine Diskos mochte. Oder laute Musik. Oder viele Menschen.

Sie seufzte. Das konnte ja nur ein guter Abend werden.

Erneut schaute sie aus dem Fenster. Der schwarze Wagen war verschwunden. Es sah alles aus wie vorher, als wäre nie etwas gewesen. Und doch wurde Bunny dieses mulmige Gefühl einfach nicht los.

Der tiefe Bass der Musik ließ ihr Innerstes vibrieren und Bunny fragte sich nicht zum ersten Mal an diesem Abend, warum sie eigentlich mit her gekommen war.

Zwar hatte Naru sie mal wieder stundenlang förmlich bekniet und sie am Ende mit dem Versprechen überredet, dass die Beiden den Abend gemeinsam verbringen würden.

Und doch stand sie nun wieder alleine hier an der Bar und schlürfte die wässrige Cola durch einen neonfarbenen Strohhalm, der wahrscheinlich das Gefühl vermitteln sollte, wie cool und hip hier doch alles war.

Bunny hatte weder das Gefühl, das Eine, noch das Andere zu sein.

Solche Clubs waren einfach nichts für sie.

Es war zu laut, zu voll und Lust auf Tanzen machte die Musik auch nicht wirklich. Stirnrunzelnd betrachtete sie die vielen Menschen auf der Tanzfläche, die sich zu der Mischung aus quietschenden Tönen und hämmernden Bässen bewegten.

Unter den zuckenden Körpern entdeckte sie auch ihre Freundin, die gerade dabei war, ihren Po am Schritt irgendeines Unbekannten zu reiben. Als die Rothaarige ihren Blick bemerkte, winkte sie freudestrahlend zurück und kam, noch immer mit dem Hintern wackelnd, auf sie zu.

» Hast du Spaß?«, schrie sie ihr ins Ohr, dass diese mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück wich.

Sie schenkte ihrer Freundin nur ein müdes Lächeln und zog wieder an ihrem Strohhalm.

Naru stemmte die Hände in die Hüften und blickte sie beinahe vorwurfsvoll an.

Was erwartete sie?

Ein gestelztes Grinsen und dümmliches Nicken?

Sie müsste doch langsam wissen, dass Bunny nur aus Höflichkeit ihre Freundin in jede noch so schäbige Diskothek dieser Stadt begleitete.

Genauso, wie sie sich jetzt von ihr in den VIP-Bereich zerren ließ.

Hier war zumindest die Musik nicht mehr so extrem laut, war doch alles mit riesigen Glasscheiben abgetrennt von den restlichen normalen Gästen.

Bunny kam sich schäbig vor. Sie wollte nicht besser sein als irgendjemand anderes. Und sie wollte eigentlich auch gar nicht hier sein.

Sie wollte zu Hause sein, in ihrem Bett liegen und über Mamoru nachdenken.

»Auch eins?«

Naru hielt ihr ein Sektglas unter die Nase.

Beinahe angewidert schob Bunny es von sich. Sie mochte keinen Alkohol. Nicht nur, weil sie minderjährig war und demnach auch noch gar keinen trinken dürfte. Er schmeckte ihr einfach nicht. Und dieses Blubberwasser schon mal gar nicht.

»Du solltest viel mehr riskieren. Sonst hast du überhaupt keinen Spaß am Leben.«, philosophierte Naru mal wieder.

»Ich riskiere bereits einen Tinnitus, reicht das nicht?«, entgegnete Bunny ihrem Gegenüber, erntete aber nur ein Augenrollen.

»So sieht man sich wieder.«

Sie drehte sich erschrocken um, wollte wissen, wer sie da angesprochen hatte. Ob die Person überhaupt sie gemeint hatte.

Hatte sie, eindeutig.

»Bunny, nicht wahr?«

Sie nickte stumm. Die Musik wurde plötzlich zu einem Rauschen, die vielen Menschen um sie herum waren wie ausgeblendet. Sie stand einfach nur da und starrte ihr Gegenüber an.

»Diamond.«, flüsterte sie.

Der Angesprochene nickte lächelnd. Es wirkte unecht, fast beängstigend.

»Schön, dich hier zu sehen.«, er ergriff ihre Hand und gab einen Kuss darauf. Er gab ihr ernsthaft einen Handkuss. »Gefällt dir mein Club?«

»Er gehört Ihnen?«, stotterte Bunny. Sie kam noch immer nicht über den Handkuss hinweg. Aus welchem Jahrhundert war dieser Typ ausgebrochen?

»Ach, warum so förmlich? Duzen wir uns doch.«, er griff nach einem Tablett, auf dem dutzende Gläser mit Sekt standen und reichte ihr eines. Dabei erkannte sie einen Ring an seinem Finger. Der war groß und auffällig. Silberfarben, wenn man das in diesem diffusen Licht genau erkennen konnte, mit einem glänzenden schwarzen Halbmond darauf.

Wann war es Mode geworden, dass Männer solche Schmuckstücke tragen?

Wie automatisch nahm Bunny das Glas entgegen.

»Französischer Champagner.«, er deutete mit einem Nicken auf das blubbernde Getränk. »Ich habe ihn extra einfliegen lassen.«

»Ich trinke eigentlich gar keinen Alkohol.«, erklärte sie entschuldigend.

»Unsinn, ich lade dich ein.«, wieder dieses merkwürdige Lächeln. »Freunde von Mamoru sind auch meine Freunde.«

Mamoru.

Wie sollte sie ihn vergessen, wenn sie ständig mit ihm konfrontiert wurde?

»Wir sind eigentlich keine...«, Bunnys Blick wanderte an dem silberhaarigen Mann vor sich vorbei.

Da war wieder dieser Typ von heute Morgen. Der, der Mamoru so ähnlich sah.

Er stand lässig an die Glaswand gelehnt nur ein paar Schritte hinter Diamond. Und vor ihm stand Naru. Täuschten sie ihre Augen oder himmelte ihre beste Freundin gerade diesen unheimlichen Typen an?

Und er flirtete eindeutig zurück.

Bunnys Herzschlag setzte aus. Wenn sie jemals nach einem Grund zum Trinken gesucht hatte, war er jetzt gefunden.

Ihr Traummann hatte sie verlassen und ihre beste Freundin bandelte mit dem Bösen an.

Sie prostete ihrem Gegenüber zu und wollte gerade trinken, als ihr jemand das Glas aus den Fingern stahl.

»Hey, was...«, sie erstarrte.

Das war keine Halluzination.

Da stand er. In Fleisch und Blut. Und er sah noch immer so verdammt gut aus.

»Keine gute Idee.«

Und er sprach auch noch. Definitiv keine Halluzination.

»Warum wusste ich, dass du hier sein würdest?«, fragte Diamond lächelnd, schüttelte dabei den Kopf.

»Vielleicht um zu verhindern, dass du kleine Schulmädchen zum Trinken verführst.«, erwiderte Mamoru ernst.

»Na hör mal.«, mischte sie sich jetzt doch ein. Nicht nur, weil er sie schon wieder als kleines Mädchen tituliert hatte. Sie griff nach ihrem Glas. »Das ist doch nur Sekt.«

Mamoru wich ihr elegant aus. Ein Leichtes für ihn, war er doch wesentlich größer.

»Nur Sekt gibt es bei Diamond für gewöhnlich nicht. Was ist da drin?«, er roch am Inhalt.

»Schätzt du mich wirklich so niveaulos ein?«

»Willst du das wirklich wissen?«

Diamond lächelte süffisant: »Charmant wie immer.«

Bunny verdrehte genervt die Augen und fragte: »Seid ihr dann fertig?«

Dieses alberne Gehabe war zu viel für sie. Noch ehe sie eine Antwort erhielt, zwängte sie sich an den beiden vorbei, ließ auch Naru links liegen, die bei ihrer ganzen Flirterei jegliches Zeitgefühl verloren zu haben schien.

Bunny verließ die abgetrennte Lounge über die Glastreppe.

Was hatte sie nur geritten, hier her zu kommen?

»Wo willst du hin?«

Mamoru ergriff ihr Handgelenk, hinderte sie so am Laufen.

»Was interessiert es dich?«, blaffte sie ihn an.

Diese Reaktion schien er nicht erwartet zu haben, sein überraschter Gesichtsausdruck sprach Bände.

»Hast du mir nicht gesagt, es ist das Beste, wenn wir uns niemals wiedersehen?«, Bunnys Kopf war rot vor Wut, was ihr Gegenüber in der schlechten Beleuchtung allerdings nicht sehen konnte. Was vielleicht besser war.

»Ich habe eher das Gefühl, du verfolgst mich.«

»Bitte?«, Bunny schnappte nach Luft. »Mach dich nicht lächerlich.«

»Und was willst du dann hier?«, Mamoru verschränkte die Arme vor seiner Brust. Meine Güte, war die muskulös und breit.

Sie schüttelte den Kopf, schob den Gedanken beiseite.

»Warum gehen Frauen wohl in eine Disko?«, fragte sie herausfordernd.

»Ich habe dich bisher nicht tanzen sehen.«

»Ich warte eben auf das richtige Lied.«, warum zur Hölle musste sie sich für ihr Hiersein rechtfertigen?

Mamoru verzog den Mund zu einem Schmunzeln.

Das war zu viel. Bunny schnaufte erbost: »Ich verfolge dich ganz bestimmt nicht. Ich wusste ja nicht einmal, dass du hier bist.«, sagte sie, streckte ihm die Zunge raus und drehte sich um, um in der Menge zu verschwinden.

So ein Blödmann.

Und wieder hatte sie sich wie ein Kind benommen, dachte sie frustriert.

Die Damentoilette war genauso durchgestylt wie der Rest des Ladens. Überall Glas, schwarze Fliesen und Schwarzlichtlampen.

Bunny stand vor dem Waschtisch mit dem riesigen Spiegel, der sich über die gesamte Wand erstreckte.

Ihre Wangen waren rosig und ihre Haut glühte.

Eigentlich müsste ihr kalt sein, zumindest wenn man ihre Klamotten betrachtete.

Naru hatte sie fast zwei Stunden in ein Outfit nach dem anderen gesteckt, bis sich Bunny schließlich ergeben hatte und dieses verdammt kurze schwarze Kleid mit den dünnen Trägern ausgewählt hatte.

Es stand ihr, keine Frage.

Und es ließ sie älter wirken. Aber trotzdem zog und zupfte sie die ganze Zeit über an sich herum. Entweder am Saum, weil der Stoff wieder zu weit hochgerutscht war oder an ihrem Ausschnitt, wenn ihrer Meinung nach viel zu viel zu sehen war.

Es nützte dennoch nichts.

Mamoru sah nur das kleine Mädchen in ihr.

Die Tür öffnete sich quietschend.

»Was denn? Nicht mal hier hab ich meine Ruhe?«, Bunny drehte genervt den Kopf. »Oh, Naru.«

»Bunny, hier ist es der Wahnsinn, oder?«

»Naja.«, sie drehte den Wasserhahn auf. Scheinbar hatte Naru ein paar Gläser zu viel geleert, hatte sie doch Mühe, sich neben ihr am Waschtisch festzuhalten.

»Dieser Saphir ist ein Traum.«, schwärmte sie lallend.

»Saphir also.«

Warum benannte man seine Kinder nach Edelsteinen? Oder waren das nur Künstlernamen?

»Ich bin vorher echt noch nie einem Mann begegnet, der so gutaussehend und geheimnisvoll ist.«

»So toll ist das auch wieder nicht.«, Bunny trocknete stirnrunzelnd ihre Hände ab. Und sie wusste, wovon sie da redete. Die attraktiven mysteriösen Männer schien sie ja magisch anzuziehen. Sie hatte wahrscheinlich sogar den König unter ihnen kennenlernen dürfen.

Und trotzdem war er ein Idiot, der sie immer wieder zu einer neuen Peinlichkeit verleitete.

Zähneknirschend zerknüllte sie das Zellstoffpapier in ihrer Hand.

»Du Bunny?«, fing Naru an. »Würde es dir was ausmachn, wenn du alleine nach Hause fährst?«

Bunny drehte sich überrascht um: »Was?«

»Saphir hat mich noch auf eine Privatparty eingeladen.«

»Aber du kennst ihn doch gar nicht.«, das konnte nicht ihr Ernst sein. Dieser Typ war die Unheimlichkeit in Person. Von so jemandem lässt man sich nicht einladen.

»Ist doch egal. Manchmal begegnet man einem Menschen und...«

»Naru.«, Bunny umklammerte die Schultern ihrer Freundin. »Das ist wirklich nicht gut. Dieser Typ ist gefährlich.«

»So ein Blödsinn.«, Naru riss sich los. »Du bist nur neidisch.«, schrie sie und rannte aus dem Waschraum.

Neidisch? Auf so einen Typen?

Bunny hoffte inständig, dass es nur am Alkohol lag, dass ihre Freundin so reagiert hatte.

Und überhaupt... Sie war doch mit Umino zusammen. Die beiden waren das Traumpaar der Schule. Hatte sie das etw vollkommen vergessen?

Vielleicht hatte Mamoru Recht. Und in diesem elenden Blubberwasser war wirklich irgendwas drin. Irgendwas, dass aus freundlichen Mädchen wilde Partymäuse machte, die jede Vorsicht vergessen hattn.

Sie musste verhindern, dass so etwas passierte.

Naru war doch ihre Freundin.

Bunny hechtete aus der Tür. Ihr schlug diese furchtbare laute Musik entgegen und eine Wolke aus Schweiß, billigem Parfum und Zigarettenrauch hüllte sie ein.

Sie zwängte sich vorbei an heißen Körpern, die sie gar nicht wahrnahmen in ihrem Rausch aus Tanz und lkohol.

Irgendwann hatte sie es doch geschafft.

Und sah gerade noch, wie Naru in einen blauen Sportwagen stieg, dessen Tür von Saphir aufgehalten wurde.

Bevor auch er um sein Auto lief und einstig, blickte er in ihre Richtung. Nein, nicht nur in ihre Richtung. Er sah sie direkt an.

Bunny fröstelte. Das konnte nie und nimmer ein Zufall sein. Dieser Typ war ihr unheimlich und diese Aktion verbesserte ihr Bild über ihn nicht ein Stück.

Saphir starrte sie noch immer durchdringend an, schaute dann kurz nach oben.

Bunny folgte seinem Blick, drehte sich um.

Auf einer Art Balkon stand Diamond, in seiner Hand ein Glas, dass er ihr lächelnd zuprostete.

Sie schüttelte verwirrt den Kopf, drehte sich zu Saphir zurück.

»Verschwunden.«, stellte sie frustriert fest.

Wie machten diese Typen das immer?

Bunny eilte auf die Straße, vielleicht konnte sie noch sehen in welche Richtung das Auto gefahren war.

»Na sieh mal einer an.«

Bunny erstarrte.

Diese Stimme.

Wie in Zeitlupe drehte sie sich um.

Da stand er. Das Narbengesicht.

Zufrieden stellte Bunny fest, dass sein rechter Arm in einer Schlinge ruhte.

»Wir haben noch eine Rechnung offen.«, wisperte er und kam auf sie zu.

Bunny wich zurück. Sie hatte Angst. Sie war schon wieder vollkommen allein und hilflos.

»Und diesmal kann dir dein Freund nicht helfen.«, das Narbengesicht zog ein Messer, zeigte damit auf sie.

»Ganz sicher?«, hörte sie hinter sich.

Bunny drehte sich um, blickte genau auf Mamorus Brust. Wo kam er so plötzlich her?

»Du! Wegen dir ist unsere Gang die Lachnummer der Stadt.«, das Narbengesicht spuckte ihr vor die Füße.

»Vielleicht lachen sie auch, weil ihr euren Haufen ernsthaft als Gang bezeichnet.«, erwiederte Mamoru trocken.

»Du elender...«, der Narbengesichtige setzte zum Sprung an, kam auf sie zu.

Bunny kniff die Augen zusammen, wartete auf den Angriff.

»Das hatten wir doch schon mal.«, Mamoru war zur Seite gegangen, ihm so ausgewichen, hatte in derselben Bewegung allerdings auch den gesunden Arm des Mannes ergriffen und drückte ihm den jetzt auf den Rücken.

»Willst du deinen anderen Arm auch noch einbüßen?«, fragte Mamoru rohend.

»Mamoru, nein!«, Bunny sah ihn flehend an. So viel Gewalt konnte sie einfach nicht ertragen. »Lass ihn.«

»Wie du willst.«, Mamoru zuckte mit den Schultern und stieß das Narbengesicht von sich, dass er unsanft auf dem Bürgersteig landete.

»Du kannst sie nicht immer beschützen.«, grinste er, während er sich mit dem Handrücken über den Mund wischte.

Mamoru drehte sich erneut zu ihm, blickte ihn mit kalten Augen an: »Lass deine Finger von ihr.«

Bunny durchfuhr es eiskalt. Dieser Mamoru machte ihr eindeutig Angst. War es das, wovor er sie gewarnt hatte?

»Alter, weißt du wer das ist?«

Bunny drehte sich zu der flüsternden Stimme. Sie gehörte einem jungen Mann, der scheinbar zu dieser Gang gehörte. Ihm war die nackte Angst ins Gesicht geschrieben.

Wen meinte er?

Sie folgte seinem Blick. Der war genau auf Mamoru gerichtet. Aus dieser Position konnte man seine geheimnisvolle Tättowierung erkennen. Hatte es etwas damit auf sich?

»Willst du hier bleiben?«, fragte Mamoru plötzlich.

Sein Blick hatte sich wieder geändert. Er war immer noch ernst, aber nicht mehr so eisig.

Sie schüttelte stumm den Kopf und folgte ihm eilig.

Bunny musste sich beeilen mit Mamoru Schritt zu halten.

Ausserdem war sie noch immer dabei, irgendwie ihre verworrenen Gedanken zu sammeln.

Was war da gerade passiert?

Nicht nur, dass er sie erneut aus einer misslichen Lage gerettet hatte, so langsam gewöhnte sie sich daran.

Aber die Reaktion dieses Jungen. Kannte er Mamoru? Was wusste er über ihn? Am liebsten wäre sie zurück gegangen und hätte ihn so lange geschüttelt, bis er mit der Sprache raus rückte.

Wer war Mamoru? Was war sein Geheimnis? Und wieso war er hier? Wieso war er immer dort, wo auch sie war? Und immer dann, wenn sie Hilfe brauchte.

Sie verlor das Gleichgewicht, hüpfte schnell ein paar Schritte nach vorne und konnte sich so, mehr schlecht als recht, vor dem Hinfallen retten.

Überrascht schaute sie, worüber sie gestolpert war.

»Oh Mann.«, seufzte sie frustriert und hob ihren abgebrochenen Absatz vom Boden auf.

»Alles ok?«, Mamoru hatte sich zu ihr umgedreht.

»Nein.«, ihre Stimme klang gereizter, als sie wollte. Ich scheine das Chaos nur so anzuziehen. Und die merkwürdigen Typen auch.«

Mamoru kam auf sie zu.

Das mit den Typen war ihr nur so rausgerutscht. Das nahm er sich doch jetzt nicht zu Herzen, oder?

Bunny wollte zurück weichen, war aber wie festgetackert.

Sie hatte gerade erst erlebt, wie er sein konnte, wenn man ihn wütend machte. Am eigenen Leib erfahren wollte sie das ganz bestimmt nicht.

Mamoru streckte die Hand nach ihr aus.

Und hob sie einfach hoch.

Das überraschte sie jetzt aber wirklich. Der letzte Mann, der sie auf Händen getragen hatte, war ihr Vater und da war sie ein Kind gewesen.

Bunny musste unwillkürlich den Impuls unterdrücken nicht vor Freude "Hui" zu rufen.

Es war schön in seinem Arm, sie fühlte sich geborgen, beschützt.

Und sie hatte einen erstklassigen Blick auf sein Tattoo, wie sie überrascht feststellte.

Zum ersten Mal konnte sie es sich genauer ansehen.

Das tiefe Schwarz der verschnörkelten Linien, die ganz dünn knapp hinter seinem Ohr begannen, den Hals hinunter führten und unter dem Stoff seines halb geöffneten Hemdes verschwanden.

Wie groß es wohl war? Hatte es weh getan?

So gerne würde sie seine Haut berühren. Nur um zu wissen, ob sich die Verzierung vom Rest abhebte, ob man einen Unterschied fühlen konnte.

Bunny schreckte auf, als Mamoru sie auf das kalte Blech einer Motorhaube setzte.

Nach kurzem Umsehen erkannte sie, dass es die Haube seines schwarzen Sportwagens war. Sie konnte nicht einmal genau sagen, um was für ein Fahrzeug es sich handelte. Es war weder ein Name noch ein eindeutiges Symbol zu erkennen. Nicht, dass Bunny sich mit Autos auskannte. Aber die gängigsten Modelle waren ihr ein Begriff.

»Der Schuh ist wohl hin.«, murmelte Mamoru, nachdem er ihr das kaputte Kleidungsstück ausgezogen hatte.

»Na toll. Die waren echt teuer.«, seufzte sie. Und noch nicht mal ihre. Naru würde ihr vermutlich den Hals umdrehen.

Sie beobachtete, wie Mamoru den Schuh zur Seite legte und in seine hintere Hosentasche griff. Er würde doch wohl nicht schon wieder auf die Idee kommen...

»Hör auf mir ständig Geld zu geben.«, beschwerte sie sich. »Hast du zu viel davon, dass du es an andere verteilen kannst?«

Zur Antwort gab es nur ein Schulterzucken.

Theatralisch hob Bunny die Arme: »Gib mir meine Tasche. Da sind Ersatzschuhe drin.«

Eine kleine Ewigkeit wühlte sie in der rosafarbenen Handtasche, das einzige Acessoire, auf das sie bei der Kleiderauswahl von Naru bestanden hatte. Das war ihre Lieblingshandtasche und die würde sie nie und nimmer gegen ein anderes Exemplar tauschen wollen. Dresscode hin oder her.

Endlich hatte sie die besagten Schuhe gefunden. Hübsche schwarze Ballerinas.

Sie ließ sich von der Motorhaube gleiten, zupfte zum gefühlten hundersten Mal ihr Kleid zurecht und schlüpfte in die bequemen flachen Schuhe.

»Soll ich dich nach Hause fahren?«, fragte Mamoru leise.

Warum fragte er das so vorsichtig?

Sie schüttelte mit dem Kopf: »Da um die Ecke ist gleich eine Ubahnstation.«

»Um diese Uhrzeit? Hälst du das für eine gute Idee so ganz allein?«

Bunny zuckte mit den Schultern: »Eigentlich wollte ich ja mit Naru zurück...«, aber die musste ja unbedingt mit diesem Heini verschwinden. Auf eine Privatparty, pfff. Wahrscheinlich saßen sie eh nur bei ihm daheim und himmelten sich weiter gegenseitig ein.

Ein Geistesblitz durchfuhr sie.

»Wo wohnt dieser Saphir?«, fragte sie Mamoru.

»Ich weiß es nicht.«, entgegnete er kühl. Was denn? Glaubte er etwa, sie wolle den Typen einen Mitternachtsbesuch abstatten?

»Ich dachte, ihr seid alle miteinander befreundet.«

Er schüttelte den Kopf: »Saphir ist Diamonds Bruder.«

»Aber den kennst du doch. Ihr wart Kaffee schlürfen.«, beharrte sie weiter.

»Ich arbeite nur ab und an für ihn.«

»Aber der muss doch wissen, wo sein Bruder wohnt.«, jetzt kam der Moment, wo sie langsam etwas weinerlicher klang.

»Die beiden haben viele Wohnsitze.«, Mamoru dagegen blieb cool wie immer. Ein wahrer Eisklotz. Verdammt gutaussehend, aber eisig.

Bunny seufzte lautstark.

»Verstehst du denn nicht, dass ich Naru nur helfen will? Es ist alles meine Schuld, dass sie mit diesem Typen mitgegangen ist.«, sie vergrub ihre Finger in seinem Hemd. Das sich ziemlich teuer anfühlte, deswegen lockerte sie den Griff etwas. »Wenn ihr jetzt was passiert...«

»Ich denke, sie ist alt genug, um selber auf sich aufzupassen.«, unterbrach er sie.

Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er ihre Hände wegschiebt, aber er regte sich gar nicht. Stand einfach nur da und schaute sie an. Aus diesen unglaublich tollen Augen. Verdammt, Bunny. Besinn dich auf das eigentliche Thema.

»Aber..«, sie räusperte sich unbemerkt. »Hast du nicht selber gesagt, diese Typen wären gefährlich?«

Sie konnte sehen, wie es in ihm arbeitete.

Er sah sie immer wieder an, schaute dann an ihr vorbei, er überlegte wohl wirklich, was er sagen sollte.

»Steig ein.«, seufzte er schließlich.

»Oh Danke.«, sie schlang die Arme um ihn, begriff dann aber, was sie gerade tat und ließ wieder von ihm ab.

Sie starrte unbeholfen auf den Boden, wusste nicht wohin mit ihren Armen und verschränkte sie deshlab vor der Brust.

Was ihren Busen nur noch mehr anhob als dieser elende PushUp von Naru und somit Mamorus interessierten Blick erklärte.

Bunny wollte vor Scham im Boden versinken, beließ es dann aber beim Rotwerden und einem peinlichen Räuspern, ehe sie ihre Arme doch wieder schlaff nach unten hängen ließ.

»Hast du nicht gerade selber gesagt, du weißt nicht, wo er wohnt?«, fragte sie in die unangenehme Stille hinein.

»Saphir nimmt seine Frauenbekanntschaften nicht mit nach Hause.«, erklärte Mamoru, während er ins Auto steig.

»Sondern?«, fragte Bunny zurück, stieg ebenfalls ein. »In ein abgelegenes Haus in den Wäldern, wo niemand ihn stört, während er sie ausweiden kann?«

Mamoru blickte stirnrunzelnd in ihre Richtung: »Deine Fantasien sind echt merkwürdig.«

»Ich hab nur Angst um Naru.«, entschuldigte sie sich und schnallte sich an.

»Die ist nicht unberechtigt.«

»Also doch!«, triumphierte Bunny. Er gab ihr endlich mal Recht. »Was sind das für Typen mit denen du da rumhängst?«

»Ich hänge nicht mit ihnen rum. Ich sagte bereits, dass ich gelegentlich für Diamond arbeite.«

»Als was?«

Mamoru antwortete nicht. Ob es daran lag, weil er sich aufs fahren konzentrieren musste oder ihr die Frage partout nicht beantworten wollte, wusste sie nicht.

Also wählte sie eine andere Taktik.

»Wer ist dieser Diamond?«, fragte sie eindringlich.

Mamoru fuhr auf den Seitenstreifen. Bunny schaute sich erstaunt um. Waren sie da? Die paar Meter hätten sie aber auch laufen können.

Sie blickte erneut zu Mamoru, der sich mit der Hand durch die haare fuhr. Was für eine wahnsinnig aufregende Geste.

»Ich sagte bereits, dass es gefährlich in meiner Nähe ist.«

»Und Diamond ist der Grund dafür?«, fragte Bunny flüsternd.

»Auch.«

Sie wurde ungeduldig: »Jetzt rede schon.«

»Diamond gehört zur Yakuza.«, antwortete Mamoru ernst.

»Die mafia.«, Bunnys Stiime war kaum zu hören, trotzdem nickte ihr Gegenüber und erklärte weiter: »Ihm gehört halb Tokio. Hauptsächlich aber das Rotlichtmilleu.«

»Und du?«, Bunnys Gedanken drehten sich im Kreis. Sie hatte das Gefühl gerade Achterbahn gefahren zu sein. Ungefähr vierzig mal hinereinander.

»Ich bin kein fester Bestandteil. Aber ich bewege mich ebenfalls in diesen Kreisen, ja.«

Deswegen dürfte sie ihn nicht wiedersehen. Deshalb seine Abneigung gegen öffentliche Plätze, an denen er gesehen werden könnte.

»Hast du Angst?«

Hatte sie die? Bunny betrachtete ihn lange und eingehend. Er hatte sie gerettet. Mehrfach. Warum sollte er das tun, wenn er zu den Bösen gehörte?

»Ich weiß nicht.«, antwortete sie stattdessen wahrheitsgemäß. »Aber ich weiß, dass Naru in Gefahr ist.«

Mamoru antwortete nicht.

Was wusste er?

»Was wird mit ihr passieren?«, fragte sie vorsichtig.

Mamoru schüttelte den Kopf: »Ich weiß nicht, was Saphir mit ihr vor hat.«, er startete den Wagen wieder. »Wahrscheinlich will er nur etwas Spaß haben.«

»Spaß?«, Bunny dachte kurz nach, was er damit meinen konnte. »Achso.«

Sie wusste nicht, was schlimmer war.

Sie konnte nicht sagen, wie lange sie unterwegs waren.

Die ihr bekannte Innenstadt hatten sie längst hinter sich gelassen und irrten nun halb durch einen dunklen Vorort.

Bunny wurde immer mulmiger zumute.

Mamoru hatte ihr gerade erst gestanden, dass er ein Verbrecher war, zur Yakuza gehörte. Oder sich zumindest mit ihr umgab.

Aber machte ihn das wirklich zu einem Gangster?

Vielleicht war die Sache ja auch ganz harmlos. Vielleicht kochte er nur ab und zu für sie.

»Wir sind da.«

Bunny schreckte aus irren wirren Gedanken hoch.

»Wow.«, sie staunte nicht schlecht. Vor dem Wagen erhob sich ein herrschaftliches altes Haus, wie sie es nur aus Filmen kannte. Filme, die in Europa spielten, mit tollen Kostümen und Lords und Ladys. Sie hätte nie gedacht, dass so ein Gebäude in Japan existieren würde. Und dann noch so nah an Tokio.

Wie es wohl im Inneren aussehen würde.

»Du bleibst im Wagen.«, sagte Mamoru, als er sich abschnallte.

»Was? Nein. Naru ist meine Freundin.«

»Bleib einfach hier.«, die Art wie er das sagte, ließ sie gehorchen.

Sie beobachtete, wie er an einem bulligen Türsteher vorbei ging, dem er zunickte.

»So ein Idiot.«, fluchte sie und stieg ebenfalls aus.

Naru war ihre beste Freundin und sie würde einen Teufel tun und einfach nur hier warten.

Sie lief schnellen schrittes zum Eingang, blieb allerdings in respektvollem Abstand vor dem großen glatzköpfigen Türsteher stehen. Der begrüßte sie mit dem Hochziehen einer einzelnen Augenbraue.

»Ich gehöre zu ihm.«, stotterte sie und zeigte mit zittrigem Finger auf Mamoru, der sich natürlich prompt umdrehte.

»Bunny! Hatte ich nicht gesagt, du sollst im Auto bleiben?«

»Naru kennt dich nicht. Warum sollte sie also mit dir zurück kommen?«

»Geh zurück zum Auto.«, forderte er.

»Was soll schon passieren. Es ist nur eine normale Party.«

»Ihr seid zusammen?«, fragte eine freundliche weibliche Stimme direkt neben ihr.

Sie gehörte zu einer schlanken, ziemlich hübschen und ziemlich nackten Blondine. Welcher grausame Veranstalter lässt Frauen bei solchen kühlen Temperaturen nur in Unterwäsche die Eintrittskarte verkaufen?

Was hatte sie gesagt? Bunny wiederholte in Gedanken noch einmal den Satz und erschrak förmlich.

»Nein!«, winkte sie schockiert ab.

»Ja.«, erwiderte Mamoru stattdessen kühl, ergriff ihre Hand und hielt sie der schönen Frau fast vors Gesicht.

»Was?«, Bunny starrte ihn fassungslos an. Es schien ihn vollkommen kalt zu lassen, was sie von dieser plötzlichen Tatsache hielt.

Ein Klicken holte sie zurück.

»Handschellen?«, sie blickte mit offenem Mund auf die golden glänzenden Fesseln an ihrer Hand, Mamorus Handgelenk umschloss die andere Hälfte.

»Eine normale Party, ja?«

»Du wusstest davon?«, Bunny war der Ohnmacht nahe.

Dieses Gefühl verstärkte sich allerdings um ein vielfaches, als die großen eisernen Flügeltüren vor ihnen geöffnet wurden.

Der Eingangsbereich des Anwesens war so, wie Bunny es sich ausgemalt hatte. Parkettfußboden, antike Möbel, eine riesige Wendeltreppe mit alten Gemälden an der Wand. Sie hätte sich das mit Sicherheit stundenlang anschauen können.

Wären da nicht die vielen Menschen gewesen.

Ausschließlich Pärchen. Ebenfalls aneinander gekettet so wie sie an Mamoru.

Mit einem Unterschied.

Sie waren nackt. Und scheinbar waren sie nicht nur hier, um etwas zu trinken.

Bunny schnappte nach Luft.

Wo zur Hölle war sie hier rein geraten?

Wo zur Hölle war Naru hinein geraten?

»Ich sagte dir doch, du sollst im Auto warten.«, hörte sie Mamorus Stimme.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

>>Er ist so cool. Hast du sein Auto gesehen? Ein blauer Ferrari.«

Naru ging ihr langsam aber sicher auf die Nerven.

Normalerweise liebte sie ihr sonntägliches Treffen im Crown, wo sie über alles mögliche schwatzten und kicherten. Aber seit sie hier waren hatte eigentlich nur Naru gesprochen. Oder eher geschwärmt.

»Du hattest also Spaß.«, stellte Bunny nüchtern fest und nippte an ihrer heißen Schokolade.

»Aber sowas von. Heute Abend wollen wir essen gehen.«

»Ihr trefft euch nochmal?«, fragte sie erstaunt.

»Natürlich.«, Naru nickte grinsend. »Glaubst du, so ein Sahnestückchen lasse ich mir entgehen?«

Sahnestück? Dieser Typ?

Ok, hässlich war er nicht. Aber unheimlich. Sie war noch nie einem Menschen begegnet, der so kalte Augen hatte. Sie wirkten unecht, fast wie aus Glas, ohne jede Emotion.

»Willst du mit ihm zusammen sein?«, fragte sie ernst.

Naru zuckte mit den Schultern und tippte dabei auf ihrem Mobiltelefon herum.

Wie Bunny diese elende Angewohnheit doch hasste. Sie konnte kein normales Gespräch mehr führen, ohne dass das Gegenüber mit einer Gehirnhälfte irgendwo in den Weiten des Netzes unterwegs war.

»Und was ist mit Umino?«

Naru hob den Blick, schaute sie stirnrunzelnd an: »Es ist komisch geworden zwischen uns. So langweilig.«

Was war denn nur so schlimm an Langeweile? Lieber eine weniger aufregende Beziehung als eine komplizierte Situation nach der anderen. Oder als gar keine Beziehung.

»Ich dachte, du liebst ihn.«, Bunny blickte ihr Gegenüber fragend an.

»Ich weiß es nicht, ok?«, Narus Antwort klang ein wenig spitz. »Das mit Saphir.«, sie atmete tief durch. »Vielleicht ist es nur eine Ablenkung, um mir meiner Gefühle für Umino klar zu werden. Oder es ist mehr.«

Bunny starrte ihre Freundin sprachlos an.

Wie gern würde sie sie jetzt am liebsten schütteln. Ihr sagen, dass sie sich diese Gedanken aus dem Kopf schlagen muss.

Aber mit was für einem Grund wollte sie argumentieren?

Bunny wusste, womit Saphir und sein Bruder ihr Geld verdienten. Aber wusste das auch Naru?

Und würde sie ihr auch glauben, wenn sie die Wahrheit erzählte?

»Was ist mit dir?«

Bunny sah nachdenklich auf.

»Du warst gestern auch in diesem verrückten Haus. Was habt ihr so gemacht?«, Naru zwinkerte ihr verschwörerisch zu und Bunny versuchte mit allen Mitteln die Erinnerungen an gestern Nacht zurück zu drängen. Sie wusste, dass sie sonst automatisch die Farbe einer Tomate annehmen würde, was sie sofort verraten würde. Und dann würde Naru ihr noch mehr Fragen stellen.

»Um ehrlich zu sein.«, begann sie. »Eigentlich haben wir dich gesucht. Ich hab mir Sorgen gemacht.«

»Warum?«, Naru wirkte verblüfft.

»Du bist einfach so mit Saphir weg, obwohl du ihn kaum kennst.«, erklärte sie ihr.

Naru verschränkte die Arme und schenkte ihr einen süffisanten Blick: »Ich erinnere dich daran, dass du letztens auch einfach in das Auto eines Fremden eingestiegen bist.«

Ok, das stimmte.

Aber Mamoru konnte man doch nun wiklich nicht mit Saphir vergleichen. Oder?

Bunny schob ihre Bedenken beiseite.

»Ja, aber...«, sie musste die Frage einfach stellen. »Weißt du überhaupt, was Saphir so macht? Womit er sein Geld verdient?«

Naru nickte: »Er und sein Bruder haben mehrere Immobilien.«

»So kann man das auch nennen.«, flüsterte Bunny.

Naru starrte sie überrascht an, doch als Bunny zum Erklären ansetzen wollte, unterbrach sie das laute Heulen eines Automotors.

Ihr Herz begann zu klopfen. Konnte es sein?

Sie blickte auf, die Enttäuschung war jedoch groß, als nur ein blauer Sportwagen vorfuhr.

>Saphir.«, quietschte Naru mit so hoher Stimme, es klingelte beinahe in den Ohren.

»Na, Baby.«, er schwang sich großkotzig aus dem Wagen. »Hast du mich vermisst?«

Bunny verdrehte ziemlich genervt die Augen.

»Bunny.«, wieso sprach er sie an? »Schön dich zu sehen.«

Sie lächelte gequält. Allerdings nur, weil Naru ihr wahrscheinlich wieder eine Standpauke gehalten hätte, sie möge doch nicht immer so unfreundlich reagieren, besonders nicht zu ihrem neu auserkorenen Schatz.

»Ihr seid gestern schnell verschwunden, Mamoru und du.«, Saphir blickte auf sie herunter, Naru im Arm.

»Ja, du kennst das ja. Arbeit und so.«, sie versuchte so gelangweilt wie möglich zu klingen.

Saphir lächelte eiskalt: »Du scheinst dich ja relativ gut mit seinem Job abgefunden zu haben.«

Bunny stutzte.

Das war ein Test, eindeutig. Er wollte nur herausfinden, was sie wusste, wieviel Mamoru ihr erzählt hatte.

Was sollte sie tun?

Das wäre die beste Gelegenheit gewesen, etwas etwas über Mamoru zu erfahren. Aber dann müsste sie sich die Blöße geben, ausgerechnet vor Saphir.

»Sicher.«, entgegnete sie stattdessen.

»Bewundernswert. Seine Branche ist in letzter Zeit ziemlich gefragt.«

Verdammt, er wollte sie wirklich herausfordern. Sie musste sich zusammenreissen, um nicht, wie sonst immer, irgend etwas dummes zu sagen, sich so zu verraten.

»Bei deinem Bruder auch?«, sie starrte ihr Gegenüber herausfordernd an.

Sie erkannte definitiv eine Regung in seinem Gesicht. War er überrascht? Schockiert?

Nur einen Wimpernschlag später hatte er sich wieder gefangen, wirkte so professionell arrogant wie sie ihn kennenlernen durfte: »Es scheint ihm ernst zu sein, wenn er dir bereits so etwas erzählt.«

Er machte eine Pause, musterte sie und fuhr schließlich fort: »Ich hoffe für dich, dass wir alle auf deine Verschwiegenheit zählen können.«

War das eine Drohung?

Bunny schluckte einen Kloß im Hals hinunter.

»Saphir, können wir jetzt?«, Naru zog ihn am Arm zu seinem Auto, doch Saphir nahm seinen Blick noch immer nicht von Bunny.

»Wir sehen uns wieder.«, sagte er leise, folgte schließlich Narus Flehen und Ziehen.

Das war auf jeden Fall eine Drohung.

Erst als sie nur noch die grellen Rücklichter des Sportwagens sah, konnte sie wieder normal atmen.

Worauf hatte sich ihre Freundin da nur eingelassen?

Wo hinein war sie da selber geraten? War es das alles wirklich wert?

Bunnys Gedanken kehrten zurück zu gestern Nacht. All diese seltsamen Situationen, die sie erlebt hatte.

Das merkwürdige Gespräch mit Diamond, die Schlägerei vor der Disko. Und dann natürlich Mamoru. Wie er sie gerettet hatte, wie sie in seinen starken Armen lag. Wie sie ihn geküsst hatte.

Oh mein Gott, sie hatte ihn geküsst.

Noch immer hatte sie Schmetterlinge im Bauch, wenn sie daran dachte. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Auf die Lippen, die seine berührt hatten. Es war so unglaublich, unbeschreiblich schön, verrucht, aufregend, dunkel.

Ja, als sich ihre Lippen berührten, hatte sie das Gefühl, die Dunkelheit um sie herum nahm zu, verschlang sie förmlich. Mamoru mochte in einer gefährlichen dunklen Welt beheimatet sein, aber vielleicht war es genau dieses Unbekannte, dass Bunny so anzog.

Und vielleicht ar es genau das, was ihr so viel Angst machte.

Der Krümel vor ihr hatte die Form eines Herzens.

Sie stupste ihn mit der Fingerspitze hin und her, drückte immer wieder darauf herum bis er schließlich in der Mitte auseinander brach.

Jetzt war es ein gebrochenes Herz, fein säuberlich in zwei Hälften zerbrochen.

Ja, so passte das viel besser, stellte Bunny zufrieden fest. Dieser elende kleine Krümel sollte sich genauso fühlen wie sie selber. Kaputt, zerbrochen.

Sie schnippte eine Hälfte des Krümels säufzend vom Tisch.

»Bunny, was ist denn los?«, ihre Mutter ließ sich auf einen Stuhl ihr gegenüber nieder und legte nachdenklich den Kopf in die Hand. »Seit Tagen ziehst du ein Gesicht wie 7 Tage Regenwetter. Hast du eine schlechte Note bekommen?«

»Nein.«, antwortete sie nuschelnd. »Auch nicht mehr als sonst.«

»Das war nicht unbedingt die Antwort, die ich hören wollte.«, ihre Mutter zog die Augenbrauen hoch.

»Tut mir leid.«, sie hob den Blick, als ihr Vater die Küche betrat. »Hallo, Papa.«

Er sah sich kurz um, als ob der die vorherrschende Stimmung deuten wollte.

»Uhh, Frauengespräche. Da geh ich wohl mal wieder.«, grinste er schief und wollte gerade wieder den Raum verlassen.

Bunnys Mutter hinderte ihn jedoch daran und strich ihm beschwichtigend über den Arm: »Ach Unsinn.«, sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter, Bunny mochte diese liebevollen Gesten ihrer Eltern. Sie wünschte sich oft, irgendwann auch einmal eine so harmonische Beziehung wie die Beiden zu führen. Aber bisher sah ihr Liebesleben ja eher trostlos aus.

»Ich habe nur gerade versucht herauszufinden, warum unsere Tochter in letzter Zeit so niedergeschlagen ist.«, erklärte ihre Mutter.

»Vielleicht hat sie endlich festgestellt, dass sie mit ihrem blöden Mondgesicht nie einen Jungen findet.«, lachte Shingo hämisch und stahl sich einen Apfel aus der Obstschale auf dem Tisch.

Wann bitte war ihr kleiner Bruder hier aufgetaucht? Und warum musste er zu allem immer einen seiner saudämlichen Kommentare abgeben?

Bunny schnaubte vor Wut und stampfte hinter ihm her.

»Shingo, du Blödmann!«, sie schnappte sich ebenfalls einen Apfel, den sie jedoch als Wurfgeschoss nutzte und in die Richtung ihres Bruders warf.

Dank ihres nicht vorhandenen Talents im Werfen, oder auch jeder anderen Sportart auf diesem Planeten, landete das Obst allerdings nicht wie gehofft an Shingos Hinterkopf. Sondern stieß die Aktentasche ihres Vaters vom Esstisch.

»Hey, passt ein bisschen auf. Mein Unterlagen.«, stöhnte dieser.

»Entschuldige, das war nicht mit Absicht.«, Bunny ging augenblicklich in die Hocke und sammelte die vielen einzelnen Blätter ein, die ihr Vater, seines Zeichens Journalist einer der größten städtischen Zeitungen, eigentlich immer mit sich herum schleppte.

Sie sortierte Unmengen an Grafiken, beidseitig beschriebenen Papierstücken und Fotos zusammen.

Als sie unter dem Tisch endlich das letzte Foto aufhob, warf sie einen kurzen prüfenden Blick darauf. Sie hoffte, dass nichts schmutzig geworden war.

Und erschrak so sehr, dass sie ihren Kopf an der Tischplatte stieß.

»Au!«

»Alles ok, mein Schatz?«, ihr Vater hatte sich zur ihr herunter gebeugt und schaute sie besorgt an.

»Woher hast du das?«, stammelte sie und zeigte das gefundene Foto.

»Das? Aus unserer Presseabteilung.«, gab er offen zur Antwort und griff nach dem Bild.

Doch Bunny zog ihre Hand zurück, krabbelte unter dem Tisch hervor und legte ihren Fund auf den Tisch. Am liebsten hätte sie das Foto gar nicht aus den Fingern geben wollen, aber wäre wohl zu auffällig gewesen. Besonders ihre Mutter hatte da spezielle Antennen für.

Dann wären nur unnötige Fragen gekommen und Bunny hatte keine Ahnung, wie sie ihr erklären sollte, dass sie eine der abgebildeten Personen kannte.

»Wer ist das?«, ihre Mutter schielte an ihr vorbei.

»Ein sehr reicher Spediteur.«, erklärte ihr Vater. »Chiba heißt er. Sein Konto hat mehr Nullen als Japan Einwohner hat.«

»Und das?«, Bunny versuchte, ihre Hand ruhig zu halten, als sie mit dem Finger auf die Person neben besagtem Spediteur deutete.

»Das? Nur sein Neffe. Mamoru ist sein Name, glaube ich.«, er wandte sich wieder an seine Frau. »Ja also dieser Chiba ist so pressescheu, es ist fast unmöglich, ihn für ein Interview zu begeistern. Aber vor dir steht der Mann, der es geschafft hat. Morgen Nachmittag bin ich auf ein Fest in seiner Villa eingeladen.«

»Oh Schatz, das freut mich so für dich.«

»Darf ich mit?«, Bunny schaute ihren überraschten Vater mit flehendem Blick an.

»Das Geht nicht so einfach.«, er kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Dort sind eine Menge wichtiger Leute aus der Wirtschaft. Ich weiß nicht, ob das das Richtige für dich ist.«

»Schämst du dich für mich?«, ihr Blick war forschend.

»Nein, im Gegenteil. Aber was soll ich sagen, wer du bist?«

»Nimm sie doch als deine persönliche Assistentin mit.«, schlug ihre Mutter vor. Eine ausgezeichnete Gelegenheit. Sie dankte dem Himmel mal wieder, dass sie die Tochter einer so wunderbaren Frau war.

Obwohl ihr Vater nichts darauf ntwortete, oder vielleicht genau deshalb, sprach sie ruhig weiter: »Bunny ist alt genug. Vielleicht gefällt ihr ja die Arbeit. Vergiss nicht, sie ist bald mit der Schule fertig und das könnte doch ein Ansporn sein, eventuell in deine Fußstapfen zu treten.«

Ok, das ging jetzt wohl ein Stück zu weit.

Sie hatte ganz und gar nicht das Interesse daran, den ganzen Tag über vor einem Computer zu sitzen und hochgradig langweilige Berichte zu tippen.

Auf diese Feier wollte sie aber. Um jeden Preis.

»Bitte Papa. Ich bin auch ganz brav.«, sie setzte ihren unschuldigsten Blick auf, der hatte bei ihrem Vater bisher immer gezogen.

»Ok.«, seufzte dieser und lächelte gequält.

»Danke Papa!«, sie umarmte ihn stürmisch. So dankbar war sie ihm lange nicht mehr. Zum Glück wusste er nicht, warum.

»Und wer weiß? Vielleicht lernt sie ja dort auch einen netten Jungen kennen.«, sagte ihre Mutter nachdenklich mit Blick auf das Foto.

»Was? Aber doch nicht meine kleine Prinzessin.«

Bunny schaute erstaunt zu ihrer Mutter, die sie augenzwinkernd angrinste.

Ihr Gespür war wirklich beängstigend.

Bunny stockte der Atem, als sie vor dem riesigen Gebäude stand.

Das war kein Haus, sondern ein Palast. Ein riesiges Konstrukt aus Glas und Stahl, das kaum ein Fünkchen Wärme ausstrahlte. Passte ja perfekt zu Mamoru, dachte sie finster.

»Na dann, wollen wir mal.«, ihr Vater schob sie sanft durch das weit geöffnete Eisentor.

Mit jedem Schritt, dem sie der schwarz glänzenden Haustür näher kam, pochte ihr Herz schneller.

»Ich hab eindeutig den falschen Beruf gelernt.«, seufzte ihr Vater kopfschüttelnd.

Bunny folgte seinem missmutigen Blick und erstarrte augenblicklich.

Auf einem kleinen Parkplatz neben dem Haus standen mehrere Nobelkarossen. Die meisten der Marken waren ihr unbekannt, aber sie sahen mehr als teuer aus. Eines der Fahrzeuge war ihr jedoch sehr bekannt. Der schwarze Sportwagen, der genauso mysteriös war wie sein Besitzer.

»Was ist das da für ein Auto?«, fragte Bunny ihren Vater so beiläufig wie möglich.

Er schob mit dem Zeigefinger seine Brille höher und besah sich das Fahrzeug genauer.

»Wenn mich nicht alles täuscht ist das ein Aston Martin Vanquish. Tolles Auto, aber unbezahlbar für normale Menschen wie uns.«, erklärte er. »Es sei denn, du hast 40 Millionen Yen übrig.«

Sie starrte ihn fassungslos an.

Hatte sie ernsthaft auf der Motorhaube eines so teuren Autos gesessen?

Sie betete, dass ihr Hintern keine Delle oder einen Kratzer hinterlassen hatte. Am liebsten wäre sie sofort zu dem Wagen gerannt um genau das zu überprüfen.

Nicht nur die Anwesenheit ihres Vaters hinderte sie daran, auch die Tatsache, dass soeben die Einganstür geöffnet wurde.

Bunny wich unweigerlich einen Schritt zurück.

Vor ihnen erschien ein wahrhaftiger Hüne. Der Mann musste mindestens zwei Meter groß sein und ebenso breit. Dafür schien sein Anzug wesentlich kleiner, spannte er doch an den Nähten und besonders der oberste Knopf seiner Jacke beunruhigte Bunny. Das glänzende Ding war genau auf sie gerichtet. Ein zu tiefer Atemzug und sie könnte die nächsten Wochen herausfinden, wie sich wohl ein stilechter Pirat fühlte.

»Die Einladung?«, die Stimme des Türöffners kam einem Donnergrollen nahe. Bunny wunderte sich nicht, dass ihr Vater einen Ticken nervöser das silber glänzende Kärtchen aus seiner Jackettinnentasche holte und dem Riesen überreichte. Konnte sie da ein Zittern erkennen?

»Alles klar.«, brummte es erneut, er wich zur Seite, ließ sie eintreten.

Der Eingangsbereich, es war eher eine Halle, wirkte ebenso kalt wie die Fassade. Die vorherrschenden Farben waren kühles Grau und eisiges Weiß. Nirgendwo konnte Bunny gemütliche Materialien oder verspielte Details finden. Die Atmosphäre des Gebäudes war beinahe unmenschlich.

»Gemütlich hier.«, sagte ihr Vater sarkastisch und sprach damit das aus, was sie dachte.

»Die Feier ist im Garten.«, der Hüne zeigte mit seinem fetten großen Finger auf die gegenüberliegende Seite des Raumes, dessen Wand ebenfalls wieder aus Glas bestand und einen Blick in eine riesige parkähnliche grüne Landschaft gewährte.

In regelmäßigen Abständen waren links und rechts jeweils ein Dutzend weiße Pavillons aufgebaut, unter denen sich unglaublich viele Menschen vor der heißen Mittagssonne drängten.

Bunny fühlte sich unwohl, als sie hinter ihrem Vater die Treppe zum Garten hinunter trottete.

Sie hatte zwar mit ihrer Mutter stundenlang überlegt, was sie auf so einer Feierlichkeit anziehen könnte, aber die weiße Bluse mit den kurzen Puffärmeln und der rote knielange Minirock dazu schienen spätestens jetzt viel zu schick.

Die Frauen hier trugen zum größten Teil kurze weiße Sommerkleider und auch Bunnys Vater war mit seinem obligatorischen Set aus Anzug und Krawatte sozusagen overdressed.

Bei einem Blickaustausch mit ihm erkannte sie, dass er ebenso dachte. Wenigstens das brachte sie zum Schmunzeln, sie wurde deutlich ruhiger.

Als sie endlich ein Glas Orangensaft in Händen hielt, hatte sie auch endlich Gelegenheit, sich unauffällig umzusehen.

Der Großteil der Gäste waren ältere Männer mit jungen Frauen. Fast meinte sie, den ein oder anderen von der merkwürdigen Nackt-Party letztens wieder erkannt zu haben.

Sie schüttelte irritiert den Kopf.

Und dann sah sie ihn.

Er stand nicht einmal weit entfernt, vielleicht zehn Meter.

Aber er war abgelenkt. In ein Gespräch vertieft mit einem der wohl schönsten Mädchen, die Bunny je gesehen hatte. Ihr langes schwarzes Haar glänzte in der Sonne und ihr ebenmäßiges Gesicht hatte einen so vornehmen und erwachsenen Ausdruck, dass Bunny schon aus der Ferne einen mächtigen Respekt vor ihr hatte.

Und da war noch etwas. Ein merkwürdiges Gefühl tief in ihrem Innern.

Sie beobachtete die Beiden weiter. Sie wirkten so vertraut, beinahe wie ein Liebespaar.

Bunny verwarf den Gedanken, blickte wieder zu Mamoru.

Er sah so gut aus in seinem weißen Hemd und der engen schwarzen Jeans. Ihr wurde erst nach einigen Sekunden bewusst, dass sie ihm tatsächlich auf den Hintern gestarrt hatte.

Ihre Wangen röteten sich leicht.

Und wurden leichenblass, als sie aufsah.

Mamoru hatte sie entdeckt, fixierte sie. Mit einer Geste zeigte er ihr, ihm zu folgen.

Bunny drehte sich zu ihrem Vater, der allerdings in ein Gespräch mit irgendeinem älteren Mann im auffälligen Hawaiihemd vertieft war.

Also lief sie so langsam wie es ihr möglich war in die Richtung, in die Mamoru zuvor verschwunden war. Nur nicht anmerken lassen, wie aufgeregt sie war. Er sollte sich nur nichts darauf einbilden, dass sie hier war. Immerhin unterstützte sie nur ihren Vater bei seiner Arbeit.

Sie erkannte ihn schon aus der Ferne.

Er stand etwa hundert Meter entfernt unter einem großen Kirschbaum, der noch immer in voller Blüte stand. Der Anblick triefte ja förmlich vor Kitsch und Romantik. Und was war das überhaupt für ein riesiger Garten mitten in der Stadt und wieso war der ihr vorher nie aufgefallen?

»Was willst du hier?«, der liebevollen Szenarie zum Trotz klang Mamorus Stimme kühl.

Bunny interessierte das kaum, hatte sie sich doch die Nacht um die Ohren geschlagen und sich die perfekten Worte für genau diese Situation jetzt überlegt.

Sie öffnete entschlossen den Mund.

Und schloss ihn wieder. Alles war weg, ihr Kopf war leer gefegt.

Das konnte doch wohl nicht wahr sein. War sie ernsthaft schon so durch den Wind, dass der bloße Anblick dieses schwarzhaarigen jungen Mannes ihr Hirn zu einem Klumpen Wackelpudding verwandelte?

»Hey, Mamoru.«

Bunny und auch der Angesprochene selbst drehten sich in die Richtung aus der der Zuruf gekommen war.

Ein junger blasser Typ mit raspelkurzen braunen Haaren kam grinsend auf sie zugelaufen.

Aus dem Augenwinkel konnte Bunny an Mamorus Mimik erkennen, dass ihm das mehr als miesfiel. Wow, scheinbar ließ der kalte Eisblock nur tagsüber Gefühle zu und zeigte diese auch seinen Mitmenschen.

»Ich stör euch doch wohl hoffentlich nicht?«, grinste der Unbekannte weiter.

Bunny zuckte unwissend die Schultern, ein Blick zu Mamoru, der nur gequält lächelte.

»Wie läuft dein Studium?«, der Unbekannte drehte den Kopf und sah jetzt direkt Bunny an: »Du musst wissen, Mamoru und ich sind Komilitonen.«

Sie schaute Mamoru fragend an, der allerdings, wie so oft, keinerlei Regung zeigte.

»Er ist der Star an der Uni und der Beste im Jahrgang der Wirtschaftswissenschaften.«, erzählte der Unbekannte weiter.

Doch Bunny hörte kaum noch hin. Student also.Von wegen geheimnisvoll oder gar gefährlich. Er hatte sie, kurz gesagt, einfach nur auf den Arm genommen. In ihr begann es zu brodeln.

»Shinji, lässt du uns einen Moment allein?«, hörte sie plötzlich Mamorus Stimme.

»Ok, ich versteh schon.«, der Unbekannte grinste erneut, diesmal noch breiter als vorher und besah sich Bunny von oben bis unten.

Das machte ihn ihr nicht gerade sympathischer.

»Wir sehen uns ja in der Uni.«, er setzte zum Rückzug an. »Übrigens gute Wahl.«, und zwinkerte Mamoru zum Abschied zweideutig zu.

Der fuhr sich mit der Hand durch seine Haare und drehte den Kopf wieder seufzend zu ihr.

»Entschuldige, ich...«

Bunny unterbrach ihn zornig.

»Ist das ein Spiel für dich? Findest du das lustig?«, fragte sie ihn mit zusammengebissenen Zähnen. »Dumme kleine Schulmädchen an der Nase herum führen?«

»Ich dachte, du bist kein kleines Mädchen?«, grinste er ihr entgegen.

Das machte sie sogar noch wütender, sie ballte die Fäuste: »Von wegen du arbeitest für Diamond. Was machst du denn? Seine Buchhaltung?«

»Verurteilst du mich gerade, weil ich studiere?«, fragte er mit zusammengekniffenen Augen.

»Nein, ich verurteile mich selber, weil ich auf deine Lügen reingefallen bin. Und dein tolles Auto hast du auch nur vom Geld deines Onkels bezahlt, oder?«

»Eigentlich nicht.«, antwortete er ruhig.

»Ich frage mich wirklich, wie ich mich in einen wie dich...«

»Mamoru?«

Schon wieder eine unbekannte Stimme. Bunny verdrehte genervt die Augen: »Was denn jetzt noch?«, drehte sich um. Und erstarrte.

Da stand ihr Vater. Mit Herrn Chiba.

Der sah genauso einflussreich und respektvoll aus wie auf dem Foto, Bunny schloss augenblicklich den Mund.

»Bunny, was machst du hier?«, fragte ihr Vater verständnislos.

Verdammt. Sie sah zu Mamoru, der ebenfalls einfach nur da stand, und wieder zurück zu ihrem Vater und seinem Begleiter.

»Ich...«, begann sie stotternd. »Also..«, sie räusperte sich, drückte dann aber den Rücken durch und antwortete: »Ich dachte, wenn du schon ein Interview mit Herrn Chiba machst, solltest du auch seinen Neffen dazu holen. Wusstest du, dass er studiert? Wirtschaften oder so.«

»Wirtschaftswissenschaften.«, flüsterte ihr Mamoru unbemerkt zu.

»Wirtschaftswissenschaften.«, wiederholte Bunny freundlich lächelnd. »Also wird er wohl irgendwann die Geschäfte seines Onkels übernehmen.«

»Das stimmt.«, antwortete Herr Chiba tonlos. Sein ernster Blick wanderte zwischen ihr und Mamoru immer wieder hin und her.

»Nun, wenn Sie nichts dagegen haben?«, fragte Bunnys Vater vorsichtig.

»Sicher.«, die Stimme von Herrn Chiba wirkte kühl. Jetzt wusste Bunny wenigstens, von wem Mamoru das augenscheinlich geerbt hatte. »Aber nicht hier. Wir gehen in mein Arbeitszimmer.«, er drehte sich zum Gehen. »Und Ihre Tochter begleitet uns, nehme ich an?«

Das klang weniger nach einer Frage, sondern einem Befehl.

Bunny lief es eiskalt den Rücken herunter. Sie hatte ein ganz merkwürdiges Gefühl in der Magengrube.

Und daran konnte nicht einmal die Anwesenheit von Mamoru etwas ändern.

Sie saß die ganze Zeit über auf einem der unbequemen, aber topmodern geschnittenen Stahlstühlen. Dieser war nicht nur so hart, dass sie langsam aber sicher das Gefühl in ihrem Hintern verlor. Das Metall war auch so kalt, dass sie förmlich spürte, wie eine Blasenentzündung näher rückte.

Aber sie benahm sich, schon allein wegen ihres Vaters, und schrieb akkurat jedes Wort auf, dass in dem Arbeitszimmer gesprochen wurde.

Wenn man das wirklich noch als normalen Raum bezeichnen konnte. Die Wände waren mit schwarzen Hochglanzfliesen bedeckt, der Boden dagegen mit matten Stahlplatten. Und wieder gab es eine Wand komplett aus aus Fensterglas.

Bunny verstand nicht, wie man sich hier wohl fühlen konnte. Sie kam sich vor wie in einem Museum für moderne Kunst. Und mehr als Fehl am Platz. Ob Mamoru sich hier zu Hause fühlte? Wie wohl sein Zimmer aussah? Wahrscheinlich genauso durchgestylt und kühl.

»In Ordnung. Das war es dann.«

Bunny sah auf. Ihr Vater klappte seinen Notizblock zu und erhob sich schnell, rieb sich unbemerkt über den Po, und verstaute dann seine Aufzeichnungen in seinem dunkelbraunen Aktenkoffer.

Das war auch das Zeichen für sie, endlich aufstehen zu können.

Ihre Beine kribbelten, als endlich wieder Blut hindurch fließen konnte und sie musste kurz die Augen schließen. Ihr Kreislauf war eindeutig nicht ausgelegt für solch künstlerisch wertvolles Mobiliar.

»Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen bedanken.«, hörte sie ihren Vater sagen. »Es war mir eine Ehre, Sie in Ihrem Zuhause besuchen zu dürfen.«

»Sicher.«, antwortete Herr Chiba kühl. Er erinnerte Bunny irgendwie an seine Stühle. Gutes Aussehen, aber je näher man ihm kam umso kälter und härter wurde er. Sie fragte sich nicht zum ersten Mal wie Mamoru es hier wohl aushielt.

Sie linste unter ihrem Pony hervor. Mamoru stand mit verschränkten Armen an die Fensterscheibe gelehnt und blickte ausdruckslos hinaus. Was wohl in ihm vorging?

»Herr Tsukino, darf ich mit Ihrer Tochter noch kurz unter vier Augen reden?«

Bunny hob überrascht den Kopf. Ihr Vater schaute sie fragend an, doch sie nickte nur vorsichtig.

»Natürlich.«, sagte dieser schließlich und verließ den Raum, nicht ohne noch einmal einen undefinierbaren Blick auf seine Tochter zu werfen.

Es herrschte Stille im Zimmer, keiner sagte ein Wort.

Mamoru starrte unverändert aus dem Zimmer, der durchdringende Blick seines Onkels ruhte auf ihr. Bunny fühlte sich unwohl, ihre Finger umklammerten das kleine Notizheft vor ihrer Brust.

»Die Tochter eines Journalisten also.«, begann Herr Chiba mit fester Stimme. »Ich werde mit Mamoru reden müssen, dass er sich seine Bettgefährtinnen besser aussuchen soll.«

»Onkel.«, Mamoru hatte ihm den Kopf zugewandt, der beachtete seinen unfreundlichen Blick allerdings nicht, sondern fuhr mit unveränderte Miene fort: »Ich kenne die Intensität eures Verhältnisses nicht, aber ich nehme doch an, dass Sie Stillscweigen bewahren, Fräulein Tsukino.«, seine Augen verengten sich. »Besonders, was die privaten Geschäfte des Unternehmens Chiba betrifft.«

Bunny nickte nur eingeschüchtert, trat langsam zwei Schritte zurück, ehe sie sich schließlich höflich verabschiedete und das Arbeitszimmer verließ.

Auf dem Gang angekommen lehte sie ihre Stirn gegen die kühlen Wandfließen und versuchte, ihren Herzschlag zu beruhigen.

Ein Geräusch hinter sich ließ sie aufsehen.

Mamoru schien ihr gefolgt zu sein.

»Entschuldige. Ich hab dich in Schwierigkeiten gebracht.«, flüsterte Bunny und drehte sich wie in Zeitlupe zu ihm.

Seine tiefblauen Augen ruhten auf ihr, dieser Blick allein verwandelte ihre Kniegelenke in Pudding und sie musste sich zusammen reissen sich nicht vor ihm an der glatten Wand hinunter rutschen zu lassen.

»Ich muss mich entschuldigen. Mein Onkel hält dich für eine billige Affäre.«

Stimmt. Sie registrierte erst jetzt, dass sein Onkel sie als Bettgefährtin von Mamoru betitelt hatte. Das war sie ja nun ganz und gar nicht. Sie hatte Mamoru gerade mal geküsst. Da konnte man nun wirklich nicht von einer Affäre reden.

Obwohl sie schon gerne gewusst hätte, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn seine großen Hände über ihre erhitzte Haut strichen und sie...

Bunny räusperte sich.

»Ich wusste nicht, dass...«, sie überlegte kurz. »Ich hab dir nicht geglaubt. Aber das ist auch alles so irreal.«

Mamoru stützte seinen Arm an der Wand ab, genau neben ihrem Kopf.

Bunny zuckte erschrocken zusammen. Sein Gesicht war genau vor ihrem. Sie stutzte. Seine sonst blauen Augen waren dunkler geworden, wirkten jetzt fast schwarz.

»Du wirst deinem Vater doch nichts erzählen, oder?«, fragte er leise, seine Stimme klang beinahe drohend.

»Versuchst du mir Angst zu machen?«, fragte sie flüsternd.

»Funktioniert es?«

Bunny dachte darüber nach. Eigentlich sollte es das. Sie stand hier, eingekesselt zwischen ihm und der kalten Wand hinter sich. Und doch gingen ihr immer wieder nur zwei Worte durch den Kopf. Küss mich.

Es war alles, woran sie denken konnte.

Er war so nah, sie konnte seinen warmen Atem auf ihren Lippen spüren.

Küss mich.

Seine dunklen Augen ruhten auf ihr. So wenige Zentimeter zwischen ihnen.

»Nein.«, antworte sie stattdessen.

Mamoru hob die Augenbrauen. War er überrascht?

»Es ist gefährlich in meiner Nähe.«, flüsterte er beinahe lautlos. Er schien noch näher gekommen zu sein.

Küss mich.

»Das hast du schon mal gesagt.«, hauchte sie. Sie schloss die Augen, schob sich ihm entgegen.

»Ich wollte dich nur noch einmal daran erinnern.«, sagte Mamoru.

Bunny öffnete überrascht die Augen.

Er hatte sich von ihr weggedreht. Was war passiert? Was war mit dieser elektrisierten Stimmung, die gerade zwischen ihnen geherrscht hatte? Hatte sie etwas falsch gemacht?

»Warum beschützt du mich dann immer?«, wollte sie wissen.

»Du scheinst die Gefahr scheinbar magisch anzuziehen.«

Bunny sah ihn mit großen Augen an: »Dich auch?«

»Du bist ein merkwürdiges kleines Mädchen, Bunny Tsukino.«, seine Mundwinkel zuckten.

»Ich bin kein kleines... «, begann sie ärgerlich.

»Denk an meine Worte.«, sagte er, drehte sich um und ließ sie stehen, ohne sich noch einmal umzudrehen.

»Da bist du ja.«

Bunny sah zur Seite, ihr Vater stand lächelnd in einer Seitentür.

Alles in Ordnung?«, er schaute sie besorgt an.

Sie nickte: »Ja.«, ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Vielleicht war es echt. Vielleicht aber auch nur ein Reflex ihres Körpers, ihre wahren Gefühle zu überdecken.

Sie musste nicht einmal besonders lange suchen. Der Artikel war bereits auf der zweiten Seite abgedruckt, inklusive großem Foto.

Bunny seufzte und biss ein großes Stück ihres Schokoriegels ab. Sie wollte nicht nur die Zeitung kaufen, was sowieso schon eine Sensation war. Wann hatte sie das letzte Mal einen Kiosk betreten und neben Mädchenzeitschriften und Süßigkeiten eine ganz normale Tageszeitung gekauft? Normalerweise war ihr das akuelle Tagesgeschehen relativ egal, besonders wenn es um trockene Wirtschaftsthemen ging.

Aber sie wollte wissen, was ihr Vater aus dem Interview gemacht hatte. Und ob er dafür auch ihre Aufzeichnungen benutzt hatte.

Zumindest war er so stolz auf sie wie lange nicht. Selbst ihrer Mutter hatte er wahrlich vorgeschwärmt wie hilfreich sie doch war. Besonders, da sie das Doppelinterview möglich gemacht hatte.

Wenn ihr Vater wüsste, was sie wirklich für ein Verhältnis zu Mamoru hatte, wäre er wohl nicht mehr ganz so stolz.

Aber was hatte sie überhaupt für eins? Bis auf die Tatsache, dass Mamoru sie ständig aus der Schusslinie zog war da gar nichts zwischen ihnen. Gut, der eine Kuss. Der wirklich toll war und ihr noch immer eine Gänsehaut bereitete, wenn sie nur daran dachte. Nie zuvor war sie so geküsst worden. Viele Vergleichsmöglichkeiten hatte sie zwar nicht, aber es hatte bisher auch kein Mann geschafft sie nur durch seine bloße Anwesenheit so aus dem Konzept zu bringen.

Mamoru war wirklich etwas Besonderes. Abgesehen von seiner wahnsinnigen Attraktivität war da auch dieses Geheimnisvolle, dass sie immer und immer wieder in den Bann zog.

Er mochte gefährlich sein, allein durch seine Kontakte zur Mafia. Aber Bunny konnte sich ihm einfach nicht entziehen, wollte es auch gar nicht.

Er war der erste Mann, der wirkliche Gefühle in ihr weckte. Sollte sie das aufgeben, nur weil er vielleicht nicht gut für ihr Ansehen war?

Da war etwas zwischen ihnen. Sie hatte es gespürt. Und sie wusste, dass auch er das gespürt haben musste.

Sie starrte auf das Zeitungsfoto.

Wie er da stand neben seinem Onkel.

Er sah so verdammt gut aus. Alleine sein Anblick ließ ihr Herz schneller schlagen.

Sehnsüchtig biss sie erneut in die klebrige Süßigkeit in ihrer Hand. Während die Schokolade in ihrem Mund schmolz, schaute sie sich gelangweilt in der Gegend um. Ihre Füße hatte sie schon wieder in die Nähe des Stadtparks getragen. Normalerweise müsste sie um das große Stückchen Grün einen riesigen Bogen machen, hatte sie hier doch beinahe einen ihrer schlimmsten Albträume erlebt. Aber hier war sie auch Mamoru zum ersten Mal begegnet, dachte sie lächeln.

Ihr Blick streifte ein schickes schwarzes Auto.

»Das ist doch...«, sie stutzte. Diesen schwarzen Sportwagen würde sie nicht mehr so schnell vergessen. Was hatte ihr Vater gesagt? Ein Aston Martin. Wie James Bond ihn immer fährt.

Sie erkannte Mamoru sofort, als er aus dem Eingang eines großen Wohnkomplexes kam.

Er war vollkommen in Schwarz gekleidet.

Die Lederjacke, die er trug, stand ihm ausgezeichnet, dachte Bunny und biss sich auf die Unterlippe.

Sollte sie zu ihm gehen?

Diesmal wäre sie ihm bestimmt nicht peinlich. Trug sie doch zum Samstag nicht die übliche kindische Schuluniform, sondern hatte sich fast ein bisschen zu sehr aufgebrezelt.

Aber bei diesen heißen Temperaturen in den letzten Tagen war es fast normal, dass ihr heutiges Outfit auch nur aus einem engen pinken Top und einem kurzen weißen Faltenrock bestand. Ihr Vater hätte sie so wahrscheinlich nie aus dem Haus gelassen, aber der war ja als Reporter auf einer Pressekonferenz im Einsatz.

Sie schüttelte den Kopf.

Warum machte sie sich gerade jetzt Gedanken über sowas?

Ihr Entschluss stand fest. Sie schaute noch einmal an sich herunter, ob alles da saß wo es auch hingehörte.

Der Schokoriegel in ihrer Hand landete, wenn auch mit einem Hauch Wehmut, im nächsten Papierkorb, als sie versuchte, so lässig und gleichzeitig sexy wie möglich auf Mamou zuzugehen.

Nur noch wenige Schritte war sie von ihm entfernt.

Nun bekam sie doch Zweifel. Was sollte sie zu ihm sagen? Was wenn er beschäftigt war? Was wenn er sie einfach an sich zog und küsste, bis ihr die Luft weg blieb?

Beruhige dich, Bunny. Es ist mitten am Tag und hier sind dutzende von Leuten. Ihm würde nicht mal im Traum einfallen dich hier auf der Straße zu küssen, wenn er schon die Gelegenheit im Haus seines Onkels verstreichen lassen hatte.

»Mamoru.«, sie grinste ein bisschen zu stark, als sie ihn anblickte.

»Du?«

Er wirkte enrsthaft überrascht. Und gehetzt.

»Hast du schon gesehen? Du bist in der Zeitung.«, sie hielt ihm das schon halb zerknitterte Altpapier vor die Nase.

»Was machst du hier?«, fragte er kalt, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Stattdessen schien er etwas zu suchen. Oder Jemanden.

»Ähhh...«, sie war kurz sprachlos vor soviel Kaltschnäuzigkeit. »Ich war auf dem Weg nach Hause.«, ihr Blick fiel auf seine Hände.

Schwarze Lederhandschuhe. Seine Jacke war ja schon übertrieben, aber auch noch Handschuhe?

»Dann lass dich nicht aufhalten.«, unterbrach er ihre Gedanken.

»Was?«, sie legte den Kopf schief.

»Geh nach Hause, Bunny.«

Mit diesen Worten drehte er sich einfach weg und ging zu seinem Auto.

Wie ein Depp stand sie da auf dem Fußweg und starrte fragend ein Loch nach dem anderen in die Luft.

»Warte doch mal.«, sie erwachte aus ihrer Starre und hatte gerade noch die Möglichkeit, Mamorus Arm zu fassen.

Eigentlich wollte sie ihn doch nur irgendwie dazu bekommen, sich noch einmal zu ihr zu drehen. Ihr zu sagen, dass sie heute besonders hübsch aussah und vielleicht in einem der vielen kleinen Cafés einen Eisbecher zu teilen.

Stattdessen schüttelte er ihre Hand ab, ziemlich rau sogar. Überrascht schaute sie auf.

Mamorus kalter Blick ließ sie einen Schritt zurückweichen.

»Geh einfach.«, zischte er durch die geschlossenen Zähne.

Bunny war beinahe froh, als diese eisigen dunklen Augen nicht mehr auf sie gerichtet waren.

Mamoru stieg wortlos in seinen Wagen und fuhr einfach davon.

Ohne eine Verabschiedung und einen letzten Blick.

»Was war das?«, flüsterte sie zu sich.

Das war nicht der Mamoru, den sie kannte.

Wer war dieser Mann? Wo war die geheimnisvolle, aber trotzdem beruhigende Aura von sonst?

Sie verstand es nicht. Hatte sie ihn genervt? Er schien zwar beschäftigt, aber musste er sie deswegen so behandeln? So ging man einfach nicht mit einem netten Mädchen um.

Bunny knüllte wütend die Zeitung zusammen und stopfte sie in einen Papierkorb neben sich.

Was war nur los mit ihr?

Normalerweise würde sie sich so ein Benehmen nicht gefallen lassen.

Wieso machte ihr das so zu schaffen? Wo war nur ihre sonst so gute Laune hin?

Sie seufzte, als sie erkannte, dass sie, wieder einmal, im Stadtpark angekommen war. Dieser Ort schien sie magisch anzuziehen, hatte es den Anschein.

Müde setzte sie sich auf eine freie Bank.

Lag es am Wetter, dass sie so lustlos war?

Oder war doch Mamoru Schuld? Warum machte sie sich nur so viele Gedanken um einen Mann, der scheinbar gar nichts von ihr wollte, sie sogar von sich stieß?

Nachdenklich schloss sie die Augen. Die bleiernde Müdigkeit schloss sich wie ein Umhang über sie. Sie wollte nicht mehr nachdenken, sie wollte einfach nur schlafen.

Es war dunkel.

Doch die Dunkelheit war nicht beängstigend. Es war eine angenehme warme Dunkelheit. Sie hörte ein gleichmäßiges Atmen, spürte warme Finger auf ihrem Körper, sanfte Küsse auf ihrer Haut.

Träumte sie?

Ja, es musste so sein.

Sie hatte sich so viele Gedanken über ihn gemacht, dass er sich jetzt sogar in ihre Träume geschlichen hatte.

Es war schön, seine Lippen an ihrem Hals zu spüren. Ob es sich wohl wirklich so anfühlen würde, wenn er sie mit seinen Händen streichelt?

»Mamoru.«, seufzte sie leise und öffnete die Augen.

Es war bereits dunkel. Sie musste wirklich eingeschlafen sein. Noch immer leicht verwirrt sah sie sich um.

Ihr Herzschlag setzte aus.

Das war kein Traum.

Das Streicheln, die Küsse. Alles war echt.

Aber nicht Mamoru war der Urheber dieser Berührungen.

»Du.«, ihre Stimme zitterte, ihr Körper verkrampfte sich.

»Guten Morgen Prinzessin.«, grinste das Narbengesicht hämisch und strich ihr über die Wange.

Angeekelt versuchte Bunny sich zu befreien. Doch als sie aufstand, wurde sie unsanft zurück auf die Bank gedrückt, lag nun auf der Sitzfläche, unfähig sich zu befreien.

»Du willst schon gehen? Ich fand es gerade so schön.«, das Narbengesicht presste sich gegen ihren Körper, dräbgte sich zwischen ihre Beine.

Bunny keuchte entsetzt auf. Sie schlug um sich, kratzte mit den Fingern über das vernarbte Gesicht. Das Gefühl, als ihre Nägel über die unebene schlecht verheilten und verkrusteten Wunden fuhren, drehte ihr den Magen um.

Eine Geste des Vernarbten ließ einen weiteren Mann auf der Bildfläche erscheinen. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, als er ihre Handgelenke ergriff und sie unsanft über ihrem Kopf zusammenhielt.

»Keine Sorge. Jeder meiner Freunde kommt mal dran.«, flüsterte das Narbengesicht keuchend und schob seine nasse Zunge in ihr Ohr.

Bunny wurde schlecht. Das war ein Albtraum.

Mit jeder Berührung stieg ihre Angst. Sie versuchte sich zu befreien, doch sie schien wie angekettet, konnte sich nicht rühren. Konnte nichts unternehmen, als das Narbengesicht mit der Hand unter ihr Oberteil fuhr. Sie hielt die Luft an, als er über ihren Hals leckte und sein Gesicht zwischen ihren Brüsten versenkte.

Sie war unfähig sich zu rühren, ihre Kehle war wie zugeschnürt. Warum schrie sie nicht? Warum kam ein Ton aus ihrem Mund?

Tränen liefen ihr über die Wangen.

Der Narbengesichtige verlagerte sein Gewicht, fuhr mit der Hand zwischen ihre Beine und unter ihren Rock.

»Du bist echt schön.«, stöhnte er und presste ihre Oberschenkel auseinander.

Ein Ruck ließ sie aufschrecken.

Ihre Hände waren frei. Was passierte jetzt?

Sie ergriff geistesgegenwärtig die Chance und schob das Narbengesicht von sich herunter.

Noch während er sich überrascht umsah, sprang sie auf. Wurde jedoch hart am Arm gepackt und zurück gezogen.

»Du bleibst schön hier.«, das Narbengesicht umfasste ihre Taille und bugsierte sie auf seinem Schoß.

Bunny spürte etwas hartes an ihrem Hintern und ihr drehte sich augenblicklich wieder der Magen um.

»Lass sie gehen.«

Diese Stimme. Bunny schaute auf.

Ein dunkler Schatten ragte zwischen den Bäumen auf der gegenüberliegenden Seite auf.

»Du bist ihr Bodyguard oder was?«, spuckte das Narbengesicht. Er schien Mamoru ebenso erkannt zu haben, auch wenn er sein Gesicht nicht sehen konnte.

Mamoru trat in den Schein der Laterne.

Er war noch immer komplett in Schwarz gekleidet, wirkte fast unheimlich.

»Lass sie gehen.«, wiederholte er mit ruhiger fester Stimme. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt und sein Mund war nur noch ein Strich.

»Sei doch nicht so. Die Kleine ist süß.«, der Narbengesichtige leckte ihr über die Wange. »Wir können sie uns ja teilen.«

In Mamorus Blick blitzte etwas auf. Würde Bunny nicht festgehalten, spätestens jetzt wäre sie zurück gewichen. Hatte sie vorhin noch gedacht, er hätte ihr seinen kältesten Blick geschenkt, wusste sie jetzt, dass es noch wesentlich böser ging.

Sein Arm hob sich.

Bunny stutzte. Mamoru hielt etwas schwarz glänzendes in der Hand.

Als sie den Gegenstand erkannte, sog sie scharf die Luft ein.

Auch Narbengesicht zuckte deutlich zusammen, als er die Waffe erkannte.

»Was willst du machen?«, stotterte er. »Uns beide erschießen?«

»Nein.«, antwortete Mamoru ruhig. »Nur dich.«

Er senkte den Arm. Und drückte ab.

Bunny registrierte den Schuss kaum. Es klang merkwürdig dumpf, vollkommen anders, als sie es aus Filmen kannte.

Dafür war der Schrei des Narbengesichtigen umso lauter.

»Scheisse, du verdammter...«, er hielt sich den Oberschenkel, ließ Bunny los, dass sie von seinem Schoß rutschte und starrte Mamoru hasserfüllt an.

Sein Satz endete in einem Gurgeln, als Mamoru nochmals abdrückte.

Bunny saß noch immer auf der Bank. Sie bewegte sich nicht, konnte es gar nicht.

Sie registrierte, dass das Narbengesicht neben ihr von der Bank rutschte und mit einem dumpfen Geräusch auf dem staubigen Boden aufprallte.

Sie registrierte auch, dass Mamoru langsam auf sie zukam, seine Jacke auszog und sie ihr um die Schultern legte.

Und doch bewegte sie sich nicht. Ihr Körper schien in eine Schockstarre verfallen zu sein. Sie hatte keine Macht mehr über ihn. Schlug ihr Herz überhaupt noch?

Mamoru sah ihr in die Augen, das Einzige, was sie noch bewegen konnte.

Sie wollte etwas sagen, doch sie konnte nicht einmal ihre Lippen öffnen.

Seine Finger streiften ihren Arm.

Dieses warme Gefühl schien sich in ihr auszubreiten, sie nach und nach aufzutauen.

Sie öffnete den Mund, blickte Mamoru an.

Und dann wurde ihr schwarz vor Augen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (46)
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Von:  bella230109
2015-11-14T20:42:08+00:00 14.11.2015 21:42
Wollte fragen ob es weiter geht wurde mich freuen


Von:  solty004
2015-02-18T08:53:16+00:00 18.02.2015 09:53
Hey,
Sorry das ich wieder einmal so spät schreibe. Doch ist was vor drei Wochen was passiert wo mich etwas aus der Bahn geworfen hat. Es könnte auch noch so eine Weile bleiben das ich erst später meinen Senf dazu gebe.
Es wird auch eher kurz sein als gewohnt von mir.

Es waren echt spitzen Kapiteln!

Bin schon gespannt wie es weiter geht, Neugier halt durch bis zum nächsten Kapitel.
Freu mich schon auf das nächste Kapitel von dir für mein Kopf Kino.

LG Solty

Von:  fahnm
2015-01-29T02:18:31+00:00 29.01.2015 03:18
Hammer Kapitel
Von:  fahnm
2015-01-29T02:18:05+00:00 29.01.2015 03:18
Spitzen Kapitel
Von:  fahnm
2015-01-29T02:16:01+00:00 29.01.2015 03:16
Spitzen Kapitel
Von:  fahnm
2015-01-29T02:15:23+00:00 29.01.2015 03:15
Unheimlich^^
Von:  Lunata79
2015-01-28T20:47:42+00:00 28.01.2015 21:47
Oha, nicht gut. In zweierlei Hinsicht.
Der Erste, dass sie das mitansehen oder miterleben musste.
Der Zweite, dass Mamoru tatsächlich so kaltblütig jemanden killen kann.
Von:  Lunata79
2015-01-28T20:39:34+00:00 28.01.2015 21:39
Ob das so klug ist?
Von:  Lunata79
2015-01-28T20:31:49+00:00 28.01.2015 21:31
Interessant.
Von:  Lunata79
2015-01-28T20:23:59+00:00 28.01.2015 21:23
Uh, gruselig.


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