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Der Kreis schließt sich

von

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Pater Bartholomäus

Pater Bartholomäus atmete tief durch. Der herbe Geruch nach frischem Holz, mit einer leicht scharfen Prise von Leim und Lack stieg ihm in die Nase. Seine alten Finger strichen zufrieden über die glatt gehobelte Oberfläche des dunklen Holzes. Er spähte durch das Dunkel des engen Betstuhles und entsann sich an die zwei duzend elfenbeinfarbener Kerzen von 2 Ellen, die heute gespendet wurden. Zufrieden dachte er an die neue Borte aus Silber- und Goldfäden. Das doppelreihige Stickmuster, einer Büßerin, mit religiösen Motiven, zierte jetzt die neue Altardecke. Nichts erfreute den Pater so sehr, wie das Schmücken seiner Kirche zur Anbetung Gottes. Pater Bartholomäus war kein Fanatiker, kein Gelehrter und kein Martyrer, aber er erhoffte sich mit Dingen, wie eine tadellos gestärkte Altardecke, in einem peinlichst gesäuberten Kirchenhaus mit neuen Buntscheiben Bonuspunkte, wenn er nach Beendigung seines irdischen Lebens vor dem göttlichen Richter stand. Pater Bartholomäus vergaß nicht das Elend, die Armut und das Leid, dass an das menschliche Leben auf Erden gebunden war. Er verschloss nur lieber die Kirchentür davor. Hier herrschte das Sakrale, das Göttliche, die Anbetung der Dreifaltigkeit und das Profane der menschlichen Natur ward ausgesperrt.

Jetzt leider musste er sich den äußerst irdischen Dingen widmen und ihnen die göttliche Note der Buße verleihen. Pater Bartholomäus seufzte.

"Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, was kann ich für dich tun mein Sohn?"

"Erlöse mich Vater, denn ich habe gesündigt!"

"Ja?"

Schweigen!

"Ja, mein Sohn? Sprich!"

Das schemenhafte Gesicht hinter dem verzierten Sichtfenster räusperte sich verlegen.

"Das ist nicht so einfach, Pater. Ich kann Euch nichts Genaues sagen."

"Aber mein Sohn, es ist deine christliche Pflicht! Wenn du Vergebung für deine Sünden erlangen willst, dann muss du sie beichten!"

"Aber ich empfinde keine Schuld, Pater."

"Nicht?"

"Nein."

Pater Bartholomäus seufzte resigniert. Warum konnte die Beichte nicht immer so schnell und unkompliziert ablaufen, wie bei Madam Jaque. Die Waschfrau empfand es als Schuld, dass sie in besonders schwachen Stunden ihrem Ehegatten juckende Furunkel am Hintern wünschte. Drei Ave Maria und Pater Bartholomäus' war seiner Pflicht entbunden.

"Kein Mensch ist frei von Schuld und Sünde, mein Sohn. Für unsere Sünden starb der Herrgott am Kreuz", erklärte der Pater belehrend.

"Ich weiß", sagte die Stimme neben ihm, "... ich weiß, dass das was ich tue Sünde ist ... aber Pater, ich empfinde dennoch keine Schuld."

Pater Bartholomäus wurde langsam unruhig. Er übte sich in Nachsicht.

"Wie kann ich dir dann helfen?"

Der unbekannte Sünder seufzte schwer.

"Es ist so Pater, ich trage schon zu lange mein Geheimnis mit mir herum. Ich hoffe durch die Beichte Erleichterung zu empfinden, auch wenn ich gar nichts sagen darf."

Schweigen!

"Was ist Pater ... wird die Schuld vermindert, wenn man um sich zu schützen falsch handeln musste?"

"Das käme auf das Vergehen an, mein Sohn. Es würde uns wesentlich weiterhelfen, wenn du konkreter werden würdest."

"Was ist, wenn man jemand vorgibt zu sein, der man nicht ist und sich seinem Vormund widersetzt."

"Ich verstehe nicht, mein Sohn?"

"Pater, was ist ... wenn man unter falschem Namen lebt und anders lebt als es sich die Gesellschaft vorstellt?"

"Mordest du, mein Sohn?"

"Nein?"

"Bereicherst du dich unehrlich?"

"Nein?"

"Gibst du dich der Wolllust hin?"

Ein ersticktes Lachen antwortete. "Nein."

"Betrügst du, lügst du?"

"Ja, Pater? Aber nicht um anderen zu Schaden oder aus böswilliger Absicht."

"Lüge bleibt Lüge, mein Sohn, dass ist eine Todsünde, der Dorn in der Dornenkrone Jesu. Spende zwei Silberstücke der Gemeinde und faste bis Monatsende!" Das Kreuz Christi benötigte einen neuen Blattgoldüberzug.

"Zwei Silberstücke? Das ist ein ganzer Monatssold ... was ist mit Rache Pater?"

"Rache? Der Herr sprach, dass 11. Gebot: ,Wenn dich jemand schlägt, dann halte die andere Wange hin'. Ego te absolvo. In nomine patriet filii et spiriti sancti. Amen. Zur Buße 3 Vater unser und 3 gegrüßt seiest du Maria, jeden Abend zur Läuterung!" erklärte der Pater bestimmt.

"Aber Mose sagte: ,Auge um Auge, Zahn um Zahn'", widersprach die unbekannte Stimme ein.

"Drei Silberstücke, mein Sohn!", entschied Pater Bartholomäus.

"Warum?"

"Weil du einem Priester widersprochen hast. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!"

"Amen!"
 

Der Pater seufzte schwermütig und schob sich das Kissen unter seiner fleischlichen Sitzfläche bequemer zurecht. Die Bank im Beichtstuhl war zuweilen recht hart. Es raschelte.

"Pater, mein Mann ..."

"Gemach, meine Tochter", bremste der Pater die aufgeregte Frauenstimme. "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, was kann ich für dich tun?"

"Ich habe es schon wieder gemacht, Pater", erklärte sie bekümmert. "Ich war sicher, dass er der Nachbarin schöne Augen machte und da habe ich ..."

"Nein!"

"Doch ...", bestätigte sie, "... rotes, juckendes ..."

"Nein ..."

"kratzendes, eitriges Geschwür, das seine ganze Kehrseite bedeckt."

"Meine Tochter!", wies Pater Bartholomäus sie streng zurecht.

"Ich weiß, Pater", gab sie kleinlaut zurück, "... die Bilder waren einfach da. Vielleicht versteht der Herr mich ... ich bin sicher, wenn er meinen Mann gestraft wäre ..."

"Madam Jaque", rief der Pater sichtlich empört, "... du hast gelobt deinem Mann zu gehorchen. Der Herr kennt deinen Mann. Drei Ave Maria, wie üblich und einen deiner köstlichen Honigkuchen! Übe dich in Mäßigung, meine Tochter! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!"

"Amen!"
 

"Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, was kann ich für dich tun, mein Sohn?"

Welch anstrengende Stunde. Pater Bartholomäus unterdrückte ein Stöhnen.

"Erlöse mich Vater, denn ich habe gesündigt."

Der Pater räusperte sich zurückhaltend. Eine ziemliche autoritäre Männerstimme.

"Um welche Art von Vergehen handelt es sich, mein Sohn?"

"Ich begehre jemanden, den ich nicht lieben darf."

Der Pater nickte weise. Diese Art von Sünde. Wie gut war es, seine Liebe nur Gott zu schenken. Eine Frau brachte nur Unglück und Leid mit sich.

"Ist sie verheiratet?"

"Nein."

"Jemanden anderes versprochen?"

"Nein?"

"Auch nicht Gott?"

"Nein"

"Gehört sie einem anderen Glauben an? Einem anderen Land? Einem anderen Stand?"

"Nein."

"Eine Krankheit ...?"

"Nein, Pater."

"Dann verstehe ich deine Sorge nicht, mein Sohn? Was ist es?"

"Das kann ich Euch nicht sagen, Pater. Aber es ist eine Sünde, dass ich begehre.

Der Pater überlegte angestrengt.

"Nun, mein Sohn, dass ist menschlich, wir alle begehren. Aber du willst doch nicht sagen, dass dein Begehren die zu unsittlichen Handlungen verleitet."

"Nein, Pater, aber es quält mein Gewissen, weil es verboten ist."

"Verboten?"

"Von Gott nicht gewollt", erklärte er.

"Sicher? Dann ist sie doch verheiratet oder ..."

"Nein!"

"Nein?" Pater Bartholomäus war ratlos.

"Ich verstehe mich ja selbst nicht mehr, dass ich solche Gefühle hege ..." die Stimme brach. "Es darf nicht sein", schloss er leise.

"Lockt sie dich mit ihren Reizen, mein Sohn?"

"Nein, ganz sicher nicht Pater. Es scheint auch alles normal, wenn wir uns sehen, aber dann ein Blick und Bilder steigen in meinen Kopf, die nicht sein dürfen. Ich sehe ihn dann anders ..."

"Ihn?"

"Ich meine 'sie'."

"Halte dich von ihr fern, mein Sohn", riet der Gottesmann.

"Ich kann nicht, Pater. Wir sehen uns jeden Tag, sind gezwungenermaßen viele Stunden zusammen und es sind die Träume. Ich kann meine Gedanken im Schlaf nicht kontrollieren, Pater. Am Tage ist alles normal."

"Dann bete, mein Sohn. Bete wann immer dich die Gedanken an sie überwältigen! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!"

"Danke, Pater! Amen!"
 

"Erlöse mich Vater, denn ich habe gesündigt."

"Joseph, es nützt nichts, wenn du beichtest und dann deine Sünden erneut begehst!" sagte Pater Bartholomäus ungehalten.

"Aber Vater, ich versuche es ja. Wirklich!", beteuerte der junge Mann.

"Joseph, habe ich dich nicht mit der Frau des Bäckers zusammen gesehen?"

"Aber Pater, wie könnt Ihr annehmen, dass ich ..."

"Leugnest du und das im Haus Gottes! Du missratener Junge gestehe!", brüllte der Pater außer sich.

"Das Kind von ihr ist rothaarig, obgleich diese Farbe in der Familie nie auftauchte, aber dein Schopf in der Farbe des Feuers leuchtet! Genau wie das Fegefeuer, in dem du landen wirst, Unflätiger. Wer ist es nun?"

So wütend hatte Joseph den Pater noch nie erlebt.

"Magalie, die Tochter des Schmieds!" gab er kleinlaut zu.

"Magalie also?" Der Pater wurde still. In jedem Leben eines Priesters gab es eine Zeit der Prüfung und Magalie mit ihren wiegenden Hüften gehörte gewiss dazu.

"Ja, Pater!"

"Halte dich von ihr fern Joseph. Hast du mich verstanden! Du wirst im ewigen Fegefeuer braten, wenn du nicht meine Anweisung befolgst ... und Joseph ...!"

"Ja, Pater?"

"Wehe ich sehe noch ein rothaariges Kind in meiner Gemeinde!"

"Ja, Pater!"
 

"Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, was kann ich für dich tun mein Sohn?"

Der Pater rieb müde seine Stirn und lockerte seine verkrampften Füße. Wann war dieser unsägliche Tag nur zu Ende.

"Pater?"

Die Stimme von vorhin. Der Sünder ohne Schuld.

"Empfindest du jetzt Schuld für dein Tun, mein Sohn?"

"Nein!"

"Nein? Weswegen bist du dann zurückgekehrt, mein Sohn?"

"Ich habe vorhin etwas vergessen."

"Nun?"

Verlegendes Räuspern.

"Ich liebe jemanden und empfinde Schuld gegenüber meiner anderen Liebe, der ich versprochen war, weil sich meine Gedanken unablässig darum kreisen."

"Was ist aus ihr geworden?"

"Tot. ... ein Blick und die Zeit steht still und ich wünsche mir etwas, was nicht sein darf." Die Stimme wurde immer leiser, bis sie verstummte.

Pater Bartholomäus stutze und versuchte sich zu erinnern, wo er etwas ähnliches schon einmal gehört hatte. War es heute gewesen?

"Die Trauerzeit um, mein Sohn?"

"Ja, seit 7 Jahren, Pater."

"Dann begehst keine Sünde, so fern du dich ihr nicht unsittlich näherst oder sie jemanden anderes versprochen bist oder du jemanden verpflichtest bist. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!" Bartholomäus fiel etwas ein.

"Mein Sohn?"

"Ja, Pater?"

"Die Buße von drei Silbermünzen ... Bringe sie heute Abend vorbei!"

Madam Julebear benötigte frische Stärke und die Kirchenkassen waren leer.

"Ja, Pater, Amen!"

"Amen!"
 

Die Sonne hatte ihre Runden am Himmel beendet. Ein schmaler apriko farbender Streifen zeigte sich noch am Horizont. Das letzte Sonnengold des Tages lag auf den zahlreichen Dächern der Hauptstadt.

Der Pater, geistlicher Hirte der umliegenden Häuser und seiner Familien, trat mit einem Besen bewaffnet aus dem Hauptportal. Von der Terrasse gingen 4 Stufen zu dem umliegenden Platz ab. Er wollte gerade zu kehren beginnen, als er aus dem Schatten der seitlichen Stucksäulen ein leises Stöhnen vernahm. Neugierig ging er näher und sah die undeutliche Gestalt eines am Boden liegenden Körpers. Verwundert, aber zögerlich trat er näher und begutachtete den zusammengesunkenen Körper genauer. Erschrocken prallte er zurück.

"Madam Julebear, kommen Sie", rief der Pater, lehnte den Besen an die Wand und beugte sich nieder.

Lumpen verhüllten nur spärlich einen ausgezehrten Frauenkörper. Seitlich, die Beine an die Mitte gepresst lag sie im Schmutz der Pflastersteine. Wieder stöhnte die Unbekannt und murmelte unverständliche Worte, mit blutleeren, rissigen Lippen. Fiebrig und blicklos sahen ihn ihre Augen an. Etwas Wildes lag in den Tiefen der Iris. Der Pater sah sich um. Niemand war zu sehen. Der Platz und die umliegenden Straßen waren leer. Wie lange lag die Frau schon zu Fuße seiner Kirche?

"Pater?" Mit gerafften Röcken eilte die üppige Gestalt seiner Haushälterin aus der Kirche.

"Helfen Sie mir!" Gemeinsam hoben sie die jämmerliche Gestalt auf und zogen sie nähern ins Licht.

"Wir benötigen Wasser und Decken", erklärte Pater Bartholomäus, drehte die Unbekannte herum und erstarrte. Er zog augenblicklich seine Hände zurück und sprang zurück. Entsetzen stand in seinem Blick. Bewusstlos fiel die Frau auf das Pflaster zurück. "Was ist denn?" Schützend zog der Pater seine Haushälterin zurück und kniete sich erneut nieder, um mit spitzen Fingern ein Teil der Lumpen über der linken Schulter zurückzuschlagen. Fassungslos schlug Madam Julebare die Hände vor den Mund.

"Ist das ...?"

"Ja! Sie ist gebrandmarkt."

Der Pater nahm die Füße der Verurteilten und zog sie wieder in den Schatten der Kirchenmauern. Der ausgezehrte Körper schliff kraftlos über das Pflaster. Er wischte sich sorgfältig die Hände an seinem schwarzen Rock ab, dann nahm er seine Haushälterin beim Arm und führte sie in die Kirche zurück, um das Portal ordentlich zu verriegeln.

Nächtlicher Spaziergang

Athos stand lange in der Dunkelheit und tat nichts, als zum Fenster hinauf zu starren. Um ihn herum war es still. Das riesige Tier Paris, mit seinen vielen Stimmen und Lauten, hatte sich zur Ruhe gebettet. Der Abendwind trieb den Hauch von frischer Luft durch die schmalen Gassen der Hauptstadt, welche gesättigt mit dem Aroma von Abfällen, verbrannten Fett, Urin, tierischen, wie menschlichen Ausdünstungen war. Er schmiegte sich eng in den Schatten, dass seine Gestalt mit der Dunkelheit verschmolz. Nur sein gleichmäßiger Atem war zu hören. Irgendwo schrie ein Nachtvogel und eine Katze miaute. Wer die Augen des stillen Musketiers gesehen hätte, wäre über die Traurigkeit, die in seiner Tiefe lag, erschrocken gewesen. Die Straße und eine Mauer aus Stein stand zwischen ihnen und doch fühlte er sich der Person, die dahinter schlief nahe, wenn er zu dem Fenster hinaufstarrte. Er verstand seine Gefühle nicht. Sie bereiteten ihm Unbehagen und Angst und darum vermied er es, sie in Worte zu fassen. Aber tief ihn ihm, konnte er nicht verleugnen, dass sie da waren.

"Was machst du hier?"

Erschrocken fuhr Athos herum und er glaubte das Herz würde ihm in der Brust stehen bleiben.

"Aramis?" Mehr war er nicht fähig zu äußern. Sonst fehlten ihm nie die Worte. Athos gehörte zu den Menschen, die sorgfältig durchdachten, was sie äußerten, bevor sie sprachen. Da sein Geist erheblich reger und von schnellerer Auffassungsgabe, als den der meisten Menschen war, fiel dies kaum seinen Gesprächspartnern auf. Aber angesichts des plötzlichen Auftauchens seines Freundes, war sein Gedächtnis wie ausgelöscht. Er fühlte wie sein Herz in seiner Brust schneller schlug und wie Mücken in seinem Nacken surrten und kribbelten.

Sein Freund sah in einfach nur an. Er konnte die Farben seiner Augen nicht in der Dunkelheit erahnen, aber er erinnerte sich an zwei unglaublich helle Augen, wie der Himmel und das Meer.

"Und?" Neugier schwang in Aramis Stimme und leichte Ungeduld.

"Ich konnte nicht schlafen und bin spazieren gegangen", sagte er schließlich und fühlte den Kloß in seinem Hals rutschen. "Und dann bin ich auf einmal hier gelandet und habe mich gefragt, ob du schon schläfst."

"Oh, diese Frage kann ich dir beantworten", erwiderte Aramis vergnügt. "Nein!"

Aramis seufzte und folgte seinem Blick zum Schlafzimmerfenster. "Ich auch nicht und Paris riecht einfach besser in der Nacht. Die Stadt ist dann ganz still und leer. Man vergisst fast, wie viele Menschen hier wohnen. Möchtest du mit rein kommen? Vielleicht macht ein Glas Wein uns müde?"

Athos nickte, obwohl sein Verstand ihm sagte, dass er umdrehen und gehen sollte. Egal wohin, nur nicht dorthin, wohin ihn sein Herz ohne sein Zutun hinzog.

Beide betraten Aramis Stube und setzten sich. Aramis war glücklich, Athos ungestört um sich zu haben. Es war eine stille Freude, die sie nur mit sich selbst teilte. Ihr Geist war ungebunden und musste nur die Ängste und Zweifel, die ihre Verkleidung mit sich brachte, überstehen, aber nach fast sieben Jahren als Musketier, war nur noch ein geringer Teil von ihr auf der Hut. So lang sie als Mann und Musketier weiterhin bestand, konnte sie Athos Gegenwart und Freundschaft ungestört genießen und davon in Träumen zerren. Anstatt mit ihrer unerwiderten Liebe zu hadern, fand sie etwas unglaublich schönes darin, wovon sie ihre Kraft speiste. Die Tage waren strahlender, jetzt da sie wieder liebte. Als Frau, so musste sie sich offen eingestehen, hätte er sie wahrscheinlich kaum beachtet, aber als Mann, konnte sie sein Freund sein und solange gehörte er ihr. Und das machte sie zufrieden.

Es war ein heißer Sommer und für jemanden wie Aramis eine weitere Prüfung. Ihre Verkleidung verlangte Kleidung aus festem, unverräterischen Stoff. Es musste kein Feuer im Kamin entzündet werden. Das gleichmäßige Flackern einer Kerze reichte. Sie saßen nebeneinander am Tisch, tranken Wein und unterhielten sich. Die lange Zeit ihres Zusammenseins, erlaubte ihnen ganz seicht in ihre persönliche Vergangenheit zu tauchen.

"Ich war heute in der Kirche", sagte sie leise und erschrak über sich selbst, weil sie das Thema angeschnitten hatte.

"Und?", fragte Athos nicht weniger erschrocken. Gestand er sich doch selbst nicht zu, was er dem Beichtvater versucht hatte anzuvertrauen. Auf keinen Fall, wollte er daran erinnert werden. Weshalb war Aramis dort gewesen? "Was hast du gesucht?"

Sie zuckte die Schultern. "Vergebung?", erwiderte sie leichthin.

"Hast du sie gefunden?"

Aramis lächelte still. "Nein. Keine Buße kann das." Kein Ave Maria und kein kleines Vermögen in Silbermünzen, dachte sie und die Last ihrer Verstellung und Lügen lag schwer auf ihr. Als Mädchen hatte sie ohne bedenken der dunklen Stimme hinter den Gittern des Beichtstuhls geglaubt. Dieser körperlosen Stimme im geheimnisvollen Dunkeln. Doch jetzt, als erwachsene Frau? Wie konnte sie nur so dumm sein, anzunehmen, dass ein fremder Priester, ihr die Schuld nehmen konnte. Jetzt, da ihre Rache an Francois Mörder vollzogen war, hatte sie kein Grund als Musketier in Paris bleiben. Doch wohin? Die Kirche gab ihr darauf keine Antwort. Nicht der Priester, noch Gott.

"So viele Sünden?"

"Die eines ganzen Lebens." Sie lächelte erneut. "Ist das verwunderlich bei einem Musketier? Ich war das letzte Mal in der Kirche, als ich noch bei meinem Vormund lebte."

Athos sah sie überrascht an. "Deine Eltern leben nicht mehr?"

"Nein", gestand Aramis. "Sie starben, als ich noch ein Kind war. Mein Onkel zog mich groß."

"Dann bist du ein Einzelkind." Sie nickte und seufzte. "Wie sehr habe ich mir eine große Familie gewünscht. Mit vielen Geschwistern und Verwandten. Meine Tante starb auch recht früh und so waren wir beide alleine." Der Schein der Kerze zeichnete Aramis Züge weicher.

Athos nickte. "Meine Eltern bekam ich kaum zu Gesicht. Ich habe eine Schwester, aber sie lebte in ihrer Welt und ich in meiner." Während Athos von seiner Familie erzählte, beobachtete sie ihn. Die gleichmäßigen Züge, eingerahmt von vollem dunklem Haar, die grauen Augen unter den gebogenen Brauen in einem ovalen Gesicht mit kantigem Kinn. Ihre Augen streichelten seine Züge. "Jungen und Mädchen sind zu verschieden."

Sie stützte den Kopf in die Hand. "Glaubst du das wirklich?", fragte sie beunruhigt.

"Sie hatte ihre Kleider, ihren Unterricht in Tanz, gutem Benehmen und Konversation und ich hatte Fecht- und Reitunterricht."

"Das ist, weil Männer und Frauen unterschiedlich aufwachsen. Würden Frauen mehr die Dinge der Männer tun, würde man sehen, dass beide gar nicht soweit entfernt sind." Mit angehaltenem Atem wartete sie auf seine Antwort. "Das mag gut möglich sein." Er lächelte entschuldigend. "Aber bislang traf ich noch keine, die so war. Leichter ist es mit Männern zu reden. Keine Frau kann das gut machen, was zwischen zwei Männern und einer guten Flasche Brandwein läuft", sinnierte er, aber Aramis hörte es nicht mehr. Ihr Kopf knickte weg und sie schlief ein, in der weichen Beuge ihres Armes.

"Aramis?" Er seufzte. "Ich bin ganz deiner Meinung, was diesen Teil unseres Gespräches betrifft." Der Atem ging gleichmäßig. Wie von selbst streckten sich seine Finger aus "Das darf nicht sein", flüsterte er, während seine Hand, eine Locke aus ihrem Gesicht strich und wie verbrannt zog er sie zurück. Fluchtartig verließ Athos die Wohnung seines Freundes und stürzte in die Nacht hinaus, die für seinen Geschmack viel kälter sein müsste. Das Geräusch der zuschlagenden Tür weckte Aramis und sie lief zum Fenster. Von dort aus, sah sie ihm nach, obgleich sie wegen der Schwärze der Nacht kaum mehr als einen wagen Schatten erkennen konnte. Würde die Liebe sich jemals legen, wenn sie unerwidert blieb? Würde aus verzehrendem Sehnen, Zuneigung in Freundschaft werden? Oder würde dieses Feuer der Begierde, der Schmerz der unerfüllten Liebe, die Sehnsucht nach einer Berührung und das Surren im Nacken sie ständig begleiten? Hätte Athos für sie Interesse gezeigt, wenn er sie als Frau kennen gelernt hätte? Wie würde er sie als solche sehen, wenn er ihr wahres Geschlecht kannte, - als potenzielles Ziel amouröser Absichten oder gar als jemanden an seiner Seite? Aramis seufzte schwer. Was nützten diese Fragen, da es gar nicht erst passieren durfte, dass er sie als was anderes wahrnahm, als Aramis den Musketier. Ihre Freundschaft hätte ein Ende. Für ihn war und blieb sie ein Mann, auch wenn das Kribbeln auf ihrer Haut, bei jeder noch so kleinen Berührung zeigte, dass ihr Körper das nicht zu begreifen schien.
 

Was tat er da, fragte er sich, während er durch die Nacht lief. Schwermütig fuhr er mit der Hand durch das Haar. Das was er hier tat, war nichts unrechtes oder gar verwerfliches. Nichts womit er sein Gewissen belasten musste. Sein Kollege und Freund trank mit ihm. Und dennoch ... Porthos und D'Artagnan tauchten nicht in seinen Träumen auf. Die beiden weckten keine Sehnsucht in ihn, obwohl sie ihm am Herzen lagen. Wann hatte das angefangen? Wann war seine Beziehung zu Aramis kompliziert geworden? Nein, nicht kompliziert, musste er sich berichtigen, beängstigend, für ihn widernatürlich, weil Aramis ein Mann war. Ab wann wollte er ständig in der Nähe seines Freundes sein und ihn berühren? Gefühle, die er nur einer Frau entgegengebracht hätte, brachte er einem Mann entgegen. Er widerte sich fast selbst an, mochte kaum über sich nachdenken oder gar in den Spiegel sehen. Jahrelang hatte er Aramis nur als Kollege und Freund gesehen und dann war ein Tag wie jeder andere, einfach ein Tag zuviel gewesen. Athos lief schneller. An der Rue de Fossiliè eilte er an Damen des käuflichen Gewerbes in knapp sitzenden Kleidern mit üppigem weißgepuderten Dekollete und grell geschminkten Gesichtern vorbei. Manch eine verbarg das Kratzen oder einen keuchenden Husten. Syphilis mochte kein Kunde als Zugabe haben. Betrunkene, lüsterne Kunden räumten ihm widerwillig den Weg. Verdammt, dachte er, er war doch ein gesunder Mann, mit gesunden Gelüsten gewesen. 29 Jahre war er es wenigsten gewesen. Athos lief immer schneller. Er hatte versucht gegen sein Herz anzukämpfen, wollte es sich herausreißen und vergessen. Verdammt, aber auch. Zuneigung oder gar einfach nur Liebe wären ja noch angegangen gewesen. Er rannte fast. Häuser, Gassen, die wenigen Menschen auf den Straßen flogen an ihm vorbei. Aber Begehren und körperliches Sehnen waren zuviel. Nun rannte er wirklich, kraftvoll und mit tiefen Atemzügen, bis seine Gedanken ruhiger wurden. Zwischen der Rue de Roi und dem Point Saint Michel, wo tagsüber die Blumenhändler standen und ein Meer von Farben dem Käufer anboten, wo am Markt zwei Straßen weiter die Fischweiber, Obstverkäufer und Rattenfänger nach Abnehmern schrieen, schwor er sich vor, das das aufhören musste. Gleich Morgen, wenn er wieder Aramis Nähe suchte.

Der Auftrag

Der Karren ruckelte über die Landstraße. Jedes Schlagloch, jeder Stein, jede Rille fuhr seinen Insassen durch die Glieder. Sie lagen dicht gedrängt auf der Ladeoberfläche, nachdem man sie wie leblose Dinge auf den Wagen geworfen hatte. Jede Bewegung riss Splitter, von den rauen Holzplanken in die Haut. Leib an Leib, unmenschlich zusammengepfercht wie Kleidungsstücke in einem übervollem Wäschesack. Für die Gesellschaft zählten seine Insassen schon lange nicht mehr zu den Menschen. Sie standen auf der gleichen Stufe, wie ein verwilderter Straßenköter und waren weder der Humanität noch des Mitleides wert. Es war ein einfacher Holzkarren, mit fünf Fuß hohen offenem Spalier an den Seiten. Arme und Beine der menschlichen Fracht, baumelten durch die Seitenstäbe hindurch. Schmutzbefleckte Haut, mit Wunden und eitrigen Schwären übersät, gehüllt in stinkenden Lumpen und Fetzen.

Paris hatte seine Armenspitäler geleert. Es musste seine Tore vor dem stetig zunehmenden Strom an Armen und Hungernden schließen. Um Platz zu schaffen, wurden die Kranken und Halbtoten selektiert und auf das Land verteilt. Wo genügend Land für Massengräber und die weitere Reise ins Jenseits vorhanden waren.

Bei Nacht und Nebel verließen die Karren die Hauptstadt und schaukelten über die Landstraßen. Ihre Passagiere hatten längst das Reich des Bewusstseins verlassen. Der Fuhrmann band sich als Schutz vor dem Gestank den seine Fracht verströmte ein Tuch vor die Nase. Leises Stöhnen und Wimmern drang aus dem Lumpenhaufen zu ihm. Keiner kannte den Grund, noch das Ziel ihrer grausigen Kutschfahrt. Es interessierte sie auch nicht. Dem Zeichen der dunklen Lilie maß hier keiner Bedeutung bei...
 

Die Hände auf dem Rücken verschränkt, schritt der Kapitän mit autoritärem Ausdruck auf den kantigen Gesichtszügen, vor seinen strammstehenden Musketieren auf und ab. Es war dem Kapitän kaum möglich, jemals etwas anderes als Unnahbarkeit und Autorität auszustrahlen. Eine natürliche Fähigkeit zu Führung und Macht war ihm in die Wiege gelegt worden. Die unbeschriebenen Seiten der Persönlichkeit, des noch nicht geboren wordenen D'Treville, waren für die Laufbahn des Soldaten vorgemerkt. Die schwarzgetränkte Schreibfeder des Schicksals hielt sich bei D'Treville, perfide genau an die Eigenheiten eines Vollblutoffiziers. Der Kapitän wachte seit einem halben Jahrhundert hindurch, noch vor dem ersten Hahnenschrei auf und stand stramm. Sein Bett hatte lange Zeit die Härte eines Feldbettlagers besessen und erst mit den ersten Altersgebrechen, kaum an relevanter Bequemlichkeit gewonnen.

Seine Musketiere hielten den Körper durchgedrückt, den Blick nach vorn gerichtet, die Hände am Körper ,- kein Haar, keine Wimper rührte sich, kein Gesichtsmuskel zuckte. Es wäre nicht nötig gewesen, jedoch die Leibwache des Königs klammerte sich zu weilen mit übertriebener Leidenschaft an die militante Ordnung.

"Der König möchte auf sein Schloss nach Châtellerault. Die Strecke wird zwei Reisetage in Anspruch nehmen. Er wird mit Königin, Minister und 150 Adligen aus dem Hochadel reisen. Bedienstete, Zofen, Kammerdiener, Pagen, Leibwache und Beichtväter nicht mitgerechnet." Der Kapitän betrachtete seine Männer, Einen nach dem Anderen, ohne dass sein Gesicht mehr als die übliche Reserviertheit preisgab.

"Der Zeitplan sieht vor, dass der König nach der Morgenmesse abreist."

Er seufzte innerlich. Wann würde der Junge endlich die kindlichen Züge verlieren und härtere Partien annehmen. D'Artagnan brachte noch nicht die nötige Statur mit, um sich Respekt zu schaffen.

"Von Arpaion geht es über Angerville nach Orlèans, dann nach Lamotte-Benvron und Salbris."

Umso mehr Masse nahm Porthos Körper in Anspruch. Während der Kapitän weiter den Reiseplan des Königs erklärte, vermerkte er sich vor, Porthos auf die nötige Beweglichkeit im Degengefecht zu beobachten. Und Aramis, -ein größerer Seufzer, als bei D'Artagnan und Porthos war von Nöten. Diese Züge würden nie männlicher werden. Um Aramis gleichwertig zu akzeptieren, ja als Elitemitglied seiner Garde zu betrachten, musste er einfach vergessen, dass sie eine Frau war und er wusste, wie viel Kraft, Selbstdisziplin und ständige Vorsicht sie aufbringen musste, um ihre Rolle aufrecht zu erhalten.

"Auf Wunsch des Königs, wird in der Abtei von Blois übernachtet. Für den Großteil der Mitreisenden werden die umliegenden Bauern ihre Betten geben müssen, aber das soll nicht unser Problem sein ..."

Der Kapitän stutzte je und trat misstrauisch zurück, um seinen Musketier näher ins Auge zu fassen. Schlief Athos schlecht? Tiefe Augenringe und Müdigkeit lagen auf seinem Antlitz, die nicht nur von einer schlaflosen Nacht herrühren konnten. Eine Augenbraue rutschte hoch. "Schläfst du in letzter Zeit schlecht, Athos?"

Die Frage traf Athos unvorbereitet. Er zuckte. "Ausreichend, Kapitän", erwiderte er, seine Gesichtszüge wieder vollkommen unter Kontrolle.

Beide Brauen im Gesicht des Kapitäns trafen sich wieder auf gleicher Höhe. "Gut", sagte er und setzte seine Wanderung fort, "denn du und Aramis, ihr werdet nach Blois und Châtellerautlt vorreiten und jede einzelne Station überprüfen!"

"Nur Athos und Aramis?", entfuhr es Porthos.

"Ihr werdet auch die Stationen zwischen den Stationen überprüfen", fuhr der Kapitän fort, als hätte es keinen Einwand gegeben. "Egal ob der König einen Spaziergang unternehmen möchte, oder nicht. Egal ob er ein stilles Örtchen aufsuchen könnte, oder nicht!"

"Aber Kapitän ..."

Ein strenger Blick brachte ihn zum Verstummen.

"Ich möchte von euch einen genauen Bericht, wo ich welche Musketiere doppelt, wann und wie genau einzusetzen habe ... ja, Porthos möchtest du etwas sagen?" Wippenden Fußes sah er zu dem Musketier auf. Mit zusammengepressten Lippen schüttelte dieser den Kopf.

"Ich kann Euch nicht immer gemeinsam losschicken. Erstens benötige ich dich und D'Artagnan in Paris, zweitens wittert der Kardinal ohnehin schon Verschwörungen über Verschwörungen und drittens würden vier Personen die Reise nur unnötigen verlangsamen. Ich gebe Euch drei Tage", sagte er zu Aramis und Athos gewandt. "Nutzt sie! Wie lange braucht ihr, um reisefertig zu sein?"

"Eine Stunde", sagte Athos.

"20 Minuten", widersprach Aramis und kein Gesichtsmuskel zuckte.
 

Der Regen fiel in Strömen vom wolkenverhangenen Himmel. Der Frühlingsmonat Mai brach herein und mit ihm die warmen, feinen, ausdauernden Sommerregen. Aramis hob den Kopf. Das Blätterdach über ihr trug schwer an seinen nassen Blättern. Die Bäume und Wiesen standen in der Blüte des Frühlings. Ihre Farben erstrahlten in kräftigem, sattem, hervorstechendem Grün. Die Wipfel der Bäume neigten sich an ihren Kronen zueinander. Ein dichtes Dach aus Blättern, seine Stützbalken, das weitverzweigte Gitter aus den Ästen, die Baumriesen seine Säulen. Hier und da rieselten Tropfen durch lichte Stellen. Sie konnte den Regen hören, das leise Flüstern und Fisseln wenn Abermillionen Tropfen auf die Blätter schlugen. Lächelnd schlug sie ihre Kapuze zurück und lauschte. Leise wieherte ihr Pferd und bewegte sich unruhig. Es wollte weiter und seinem Artgenossen folgen. Aramis tätschelte ihn zärtlich und ließ ihn traben. Sie beugte sich vor dem herabhängenden Laub tief zu seinem Hals hinunter.

"Glaubst du wirklich, dass der König in den Wald hineinkriecht?", fragte sie sanft spöttelnd über Athos Beharrlichkeit. "Die Damen würden mit ihren Röcken nicht einmal durch die Böschung dort kommen. Die Zweige würden sie aufspießen. Traurig hängen sie dann in den Ästen. Der Wind rauscht durch ihre Unterröcke, der Schnee legt sich auf ihre Lockentürmchen und sie geraten in einsame Vergessenheit. Hörst du schon den Wind in ihren Unterröcken rauschen, Athos?"

Athos rauschten nicht Lüftchen durch Damenunterwäsche in den Ohren, sondern ein übertriebenes Pflichtbewusstsein. "Spotte nur", erwiderte er ruhig. "Ein guter Musketier weiß alle Eventualitäten abzuschätzen."

"Ich dachte immer, bei den Musketieren geht es um Weib, Wein und Schlägerein. Deswegen bin ich Musketier geworden."

"Seid wann geht es bei dir um Weiber und Wein, Aramis? Sich mit seiner Vermieterin zu streiten, läuft nicht auf dasselbe hinaus. Vor allem, weil die Dame längst über ihre besten Jahre ist."

Aramis Brauen zuckten spöttisch. "Sie will auch nur mein Geld."

"Armer Aramis, keine bleibt nur für die Liebe?" Sichtliche Erheiterung zuckte um Athos Mundwinkel.

Sie sah ihn bittend an. "Können wir wieder auf die Straße zurück? Mir läuft gerade das Wasser in den Nacken. Es sind nur noch anderthalb Meilen bis zum nächsten Dorf und hoffentlich einem Gasthof." Das Haar hing ihr feucht und schwer in die Stirn.

Sekunden zu lange sah er in die Augen. Er blinzelte und nickte. "Gut, lass uns zurückkehren!" Sekunden zu spät hatte er den Blick gesenkt. Was hatte D'Treville seinem Seelenheil nur angetan, ihn drei Tage alleine mit Aramis auf Reisen zu schicken?
 

Der Regen hielt an. Es regnete Bindfäden auf dem Weg nach Angerville, es tröpfelte über Toury, der Wind bei Orléans drehte die Richtung und trieb den Regen seitlich. Die Erde der schlecht befestigten Straßen bei Lamotte-Beuvron verwandelte sich in Schlamm. Aramis konnte dem Geräusch von fallendem Regen nichts mehr romantisches abgewinnen, höchstens die Konsequenz einer baldigen Lungenentzündung. Sie fror in der klammen Kleidung

Athos indes inspizierte jeden Winkel des Landes. Für jede Ortschaft benötigten sie bald die doppelte Zeit. Unter seiner penetranten Beharrlichkeit dehnten sich die Stunden im Regen. Aber Aramis murrte nicht. Sie ignorierte die Nässe, sie verdrängte das taube Gefühl in den Gliedern, sie vergaß, dass ihr Magen sich knurrend zusammenzog. Geduldig wartete sie.

Endlich erreichten sie Blois. Die Abendstunden waren schon längst angebrochen. Die Sonne verbrannte gerade am Horizont. Für wenige Minuten lag über dem Land eine strahlenlose Helligkeit, das schattenlose Zwielicht der Zwischenstunde, bis sich das Firmament nachtschwarz verdunkelte. Sie hatten das Kloster erreicht, eine mächtige Burg aus dem Mittelalter, die erhöht auf einem Hügel lag. Die wenigen Häuser seiner Gemeinde schmiegten sich an den Hügelrand. Steifbeinig durch den langen Ritt, lief Athos zum Tor und Klopfte. Dem Torwächter erklärte er ihr Anliegen und den Grund ihres Besuches. Er öffnete das schwere Holztor und ließ sie ein. Als Hüter und Herr dieser Region zog das Kloster seine beträchtlichen Einkünfte aus den Abgaben seiner Bauern. Entsprechend groß war der gesamte Klosterkomplex. Ein Mönch führte sie über den Steinhof, zum Gästetrakt. Dunkel schmiegten sich die Wirtschaftsgebäude und die Ställe an die Klostermauer. Ein Knecht nahm ihnen die Pferde ab und führte sie ab. Fahler Lichtschein drang durch die Fenster. Über allen Gebäuden ragte die Basilika, mit seiner Bibliothek auf. Meditative Stille lag über dem geistlichen Teil der Abtei. Nicht so sein irdischer Bereich. Die Abtei beherbergte Reisende aus allen Teilen des Landes. Die Gebeine des heiligen Sebastian lagen in der der Abtei von Blois begraben. Gläubige aus allen Teilen des Landes und der Welt kamen hierher. Wegen seines christlichen Schatzes, war das Bettenhaus ständig besetzt. Der Speisesaal war überfüllt mit Menschen. Ein gewaltiger Stimmenchor erfüllte die Steinhalle. Der Saal war lang gestreckt. In seiner Mitte befand sich ein mannshoher Kamin aus breiten Steinquadern, dessen Feuer den Raum wohlig erwärmte. Die Wärme vieler Menschen auf engerem Raum tat ihr übriges hinzu. Erhöht saß der reichere Teil der Reisegesellschaft, bei Wein und Fleischkeulen. Seine ärmeren Besucher drückten sich auf langen Steinbänken zusammen oder saßen mit ihren Habe auf der Erde und löffelten ihr Abendmahl aus breiten Holzschüsseln. Pilger in dunklen Mänteln, die langen Pilgerstöcke auf ihren unterschlagenen Beinen ausgebreitet, Mönche in den rauen Ordenskutten, Fremdlinge mit exotischem Aussehen. Menschen mit Reichtum, Reisende mit nichts als Lumpen auf der Haut und über all dem, ein Stimmengewirr von babylonischem Ausmaß.

Aramis saß eingekeilt neben einem Spanier und einem Franziskanischen Mönch aus den südlichen Provinzen des Landes. Normalerweise waren die Übernachtung in einem Kloster etwas aufregendes, wenn auch unbequemes. So viele Reisende trafen aufeinander. Es war schwer sich nicht der Faszination der Neuigkeiten aus aller Welt zu entziehen. An diesem Abend war Aramis einfach zu durchgefroren und müde, um die Gesprächsbereitschaft ihres Tischnachbarn zu teilen. Der dickflüssige Graupeneintopf half ihr wärmer zu werden, stachelte aber nicht gerade die Sinnesfreuden ihres Gaumen an.

Der Großteil der Anwesenden verbrachte die Nacht in dem Saal, ausgestreckt auf den Bänken und Steinboden. Wer ein Bett bekam, der teilte es sich mit Fremden. Aufgrund ihrer begünstigten Stellung als Musketier und ihres Auftrags, wurde ihnen eine der schmalen Mönchzellen zugeteilt. Ein Bett war sein einziges Möbelstück, das Holzkreuz sein einziger Schmuck. Kein Kamin, keine Binsen auf dem kahlen Boden. Das kleine Gitterfenster war mit Schafdarm bespannt. Während Athos die allgemeinen Örtlichkeiten aufsuchte, um ein letztes Bedürfnis vor dem Schlafengehen zu stillen, schlüpfte Aramis in ein neues Hemd, verschnürte ihre Brust neu, schlüpfte unter die raue Decke und rollte sich zur Wand. Wenig später kam Athos, wechselte seine Kleidung und nahm die andere Seite des Bettes ein. Die Schlafpritsche maß drei Armspannen und ließ gerade wenige Fingerbreit Platz zwischen ihnen. Athos blies das Binsenlicht aus und Dunkelheit senkte sich über die schmale Zelle. Im Kloster kehrte Ruhe und Schlaf ein.

Es klapperte dumpf.

"Was ist das?"

"Meine Zähne!"

Mit der Regelmäßigkeit eines Baumspechts hackten sich Aramis Zähne durch die Dunkelheit. Die Kälte des Gemäuers und der Nacht waren in ihre durchfrorenen Glieder gekrochen. Sie hatte sich fest in das Betttuch gewickelt, die Knie angezogen und die Arme um den Oberkörper geschlungen, aber es vertrieb die Kälte nicht.

Athos seufzte und schob sich näher. In der Nacht heulte ein Wolf. Bauern schreckten in ihren Betten auf und beteten zu ihren Schutzheiligen, den Wächter der Schafe.

"Du zitterst ja immer noch", stellte er fest.

"Ich friere ja auch immer noch", echote sie und daran änderte auch Athos wärmende Kehrseite nichts.

Athos wartete. Es klapperte weiter. Er seufzte schwer und resigniert und drehte sich herum. Das schwach konstruierte Bettgestell ächzte gequält. Athos schob sich näher. Er hob seinen linken Arm unter seinen Kopf und legte seinen rechten Arm über Aramis' fest an ihren Körper gepresste Arme, dann zog er sie heran. Achtete aber darauf, dass nur sein Oberkörper ihren Rücken berührte. Er spürte wie sich Aramis erst versteifte und dann entspannte.

"Danke", flüsterte sie gerührt. "Das ist das netteste, was jemand seit langem für mich getan hat." Ein warmes Lächeln huschte in beiderseitigem Verständnis über ihre Gesichtszüge.

"Ich bin schon ein toller Kerl", gähnte Athos schläfrig. Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Ohr.

Die Kälte legte sich und mit ihr kam der Schlaf. Wenige Augenblicke später war Aramis eingeschlafen. Jetzt, da das Zittern aufgehört hatte, spürte dafür Athos Aramis mit all seinen Sinnen. Wenige Augenblicke später war er hellwach.

Er starrte in die Dunkelheit und lauschte den gleichmäßigen Atemzügen. Draußen rauschten Wind und Regen vor dem schmalen Fensterspalt.

Die Armmuskeln und Schultern wurden ihn schwer, bald brannten die Muskeln, so verkrampft hielt er Aramis umfangen, weil er nicht zulassen konnte, dass er sich danach sehnte, seinen Freund fester in die Arme zu schließen. Sein Herz schlug hart in seiner Brust und er wagte kaum tief zu atmen. Er kämpfte und litt. Dann gab er nach. Aramis grub sich im Schlaf tiefer in seine Arme. Er spürte Rückenwirbel, das Heben und Senken des Oberkörpers beim Atmen. Athos senkte den Kopf und vergrub die Nase in Aramis Haar. Es roch nach Frühling. Tief in seinem Inneren spürte er schmerzhaftes Verlangen und unsagbare Schuld.

Das Wiedersehen

Der Abt schenkte sich Wein ein, als wären die beiden Musketiere hinter ihm nicht anwesend. Das Licht der Morgensonne fiel durch die hohen Rundbogenfenster und brach sich auf den schweren Ringen an seiner Hand.

Der kostbare Stoff der Ordensrobe flüsterte und knisterte, bei jedem seiner Bewegungen. Der Wohlstand der Abtei lag sichtbar um seine Hüften und der dreilagigen Kinnpartie. Sein fortgeschrittenes Alter im lichten Haarkranz und der fettig-glänzenden Halbglatze.

Clemens de Spoleto fühlte den lästigen Blick seiner Besucher im Rücken. Mit Absicht bedachte er sie mit Unaufmerksamkeit. Aus rein perfiden, törichten Machtgelüsten eines schwächlichen Kleingeistes, ließ er Besucher, die er unter seinem Stand ansah, die Nichtigkeit ihrer Existenz spüren, indem er sie warten ließ. Vielleicht lag es an seinen Stand als dritter Sohn eines Landgrafen oder einfach an dem Schicksal, das ihm den Charakter eines kleinlichen Mannes vermacht hatte. Sein dümmlicher Anspruch an die Psychologie seiner Mitmenschen, kannte keinen anderen Weg, als die zeitliche Zermürbung bei kalkulierter Ignoranz. Stille senkte sich über den Raum. Seine Heiligkeit der Abt sah nachdenklich aus dem Fenster, während seine Hände unentwegt mit dem Weinkelch spielten. Lautlos zählte er die Sekunden die verstrichen. Endlich hielt er es an der Zeit sich herumzudrehen. Die beiden Männer in seinem Rücken wirkten jedoch weder ungeduldig, noch gereizt. Der Ältere von ihnen sah ihn einfach nur an. Was die Undurchsichtigkeit seines Mienenspiels betraf, war Athos unschlagbar. Wenn es um Geduldigkeit und Ruhe ging, hatte Clemens de Spoleto in diesem Musketier seinen Meister gefunden. Ein zuvorkommendes Lächeln zeichnete sich wie auf Knopfdruck auf Athos Züge. Sein Kollege sah träumerisch zur Decke und nagte an seiner Unterlippe. Beide Männer vereinten Ebenmäßigkeit und Ästhetik in ihren Zügen, waren von hohem Wuchs und jung. Über erste Vorzüge, verfügte Clemens de Spoleto selbst vor zwei Jahrzehnten nicht und fühlte einen Anflug von Neid. Der Abt räusperte sich und scharrte ungeduldig mit dem Fuß.

"Monsieurs?"

Die blauen Augen des blonden Musketiers richteten sich lediglich auf ihn, doch sie schienen in ihn nicht mehr zu sehen, als eine kurzweilige Unterbrechung in seinen Tagträumen. Ohne respektlos zu wirken, zeigten die beiden Männer in ihrem Auftreten die Ermangelung an genau diesem.

"Der König wird in sieben Tagen hier sein", informierte ihn der dunkelhaarige Musketier ruhig. Der dicke Abt verneigte sich erhaben.

"Wir sind uns der Ehre bewusst, die uns mit dem Erscheinen seiner Majestät zuteil wird. Doch seit wann sendet der König einfache Soldaten zur Vorbereitung seiner Reise?"

"Der Kapitän der Musketiere seiner Majestät schickt uns. Der Hofmeister wird in wenigen Tagen anreisen, um alles für seine Majestät in Auftrag zu geben."

"Der Kapitän, so so." De Spoleto zog die Mundwinkel herunter.

"Wir sollen die Sicherheit der Reiseroute überprüfen."

"Ich bin nicht informiert worden und habe nicht die Zeit mich mit derartigen Dingen zu befassen."

Der Abt von Blois wollte ohnehin erst bei der Ankunft des Königs in Erscheinung treten. Es störte ihn, so früh am Morgen von zwei unbedeuteten Musketieren gestört worden zu sein. Lediglich durch die Beharrlichkeit von Athos und einem völlig nervlich geschafften Pater Benedikt, nahm er sich der beiden persönlich an. Auf ihn wartete eine reich gedeckte Morgentafel.

"Das solltet Ihr aber. Wir haben hier das Schreiben von Kapitän D'Treville", erklärte Athos ohne es weiterhin an Freundlichkeit mangeln zu lassen. "Es erklärt Euch alles!"

"Kapitän D'Treville", spie er aus. "Wir unterstehen als Abtei von Blois und ich als sein weltlicher Fürst direkt dem König und ..."

"Euer Vorgänger war Vincent von Albric?", unterbrach ihn Athos.

Der Abt geriet ins Schleudern. "Ja, aber ich wüsste nicht was dies ...."

"Ist von Albric nicht abgesetzt worden, weil bei der königlichen Reise anlässlich der Krönungsfeierlichkeiten, ein abtrünniger Mönch in Blois sich unter der Prozession mischte und den König beleidigte?"

Erbleicht nickte der Abt.

"Und verdankt Ihr nicht Eure Stelle als Abt von Blois dem König?"

De Spoleto neigte unbestimmt den Kopf, konnte sich aber zu keiner Antwort entschließen.

"Wir wollen doch hoffen, dass dem König bei dieser Reise nicht zustößt. Ich muss Euch nicht darauf hinweisen, was dann mit Euch geschieht?!"

Der blonde Musketier öffnete die Lippen zu einem zarten Lächeln und sagte im sanften Singsang: "Der Herr gibt es und der Herr nimmt es!"
 

Aramis gähnte wohlig, als sie dem Mönch über den sonnenwarmen Hof folgte, erwacht in der ersehnten Umarmung, zweier männlicher Arme. Athos unterdrückte seine Müdigkeit, Zeugnis einer langen schlaflosen Nacht und sah sich mit wachen Augen um.

Bruder Benedikt hatte sich wieder erholt und führte sie durch die Abtei. Diesmal zeigte sich das Wetter zu ihren Gunsten und der Himmel erstrahlte in wolkenlosem Blau. Die Strahlen der Sonnen glitzerten in den Wasserlöchern am Boden. Noch war der Boden aufgeweicht von den langen Regenfällen und jeder der sich längere Zeit auf unbefestigten Boden aufhielt, hatte bald eine dicke Schmutzkruste um sein Schuhwerk. Der Abt führte sich durch die Örtlichkeiten des Klosters. Es war eine weitgehende Anlage mit eigenem Kräutergarten und anschließenden Heilräumen. Die Mosaikbilder mit Blattgoldverzierungen im hohen Kirchenschiff verriet ihren Reichtum. Der Kreuzgang, gesäumt mit marmornen Heiligenfiguren führte zu dem palastähnlichen Teil des Klosters, den der Abt bewohnte und seinem König als Unterkunft zur Verfügung stellen würde. Je weiter sie vordrangen, desto prunkvoller wurden die Gemächer und Räume. Es war ein fremdes Terrain, auf dem es tausend Winkel und Ecken gab, die ein möglicher Angreifer nutzen konnte. Auf die Musketiere wartete viel Arbeit.

Benedikt war ein kleiner Mann, dessen ganze Gestik und Mimik Gemütlichkeit ausdrückte. Ein gutmütiges Lächeln erhellte seine Züge. Behäbig ging er, die Hände in den weiten Ärmeln seiner Kutte verborgen, vor den beiden Musketieren. Die Sandalen unter der braunen Kutte schienen ihn vorwärts zu tragen, ohne den Boden verlassen zu müssen.

"Hier endet der Heilgarten der Abtei", erklärte er, während er über den Außenhof schlürfte "Wir sind überaus glücklich, dass seine Majestät uns besucht. Wird der Kardinal bei ihm sein?" An der Nordseite der Abtei wollte der Mönch umkehren, aber Athos hielt ihn zurück.

"Ich denke schon", erwiderte er unverbindlich und sah aber den Heilgarten, der sich zu seinen Füßen ausbreitete. Der Garten mit mehreren Reihen säuberlich gezogener Heilpflanzen lag an einem Abhang. Über die brüchige Mauer, die das Klostergelände, samt Garten umschloss, konnte man in das Tal sehen. Grün und fruchtbar breitete es sich zu Füßen der Anhöhen aus. Bauern, winzige Schemen in der Ferne, arbeiteten auf den Feldern. Da unten lag satt und prall das Anbauland der Abtei, reif gepflügt zu werden, um in die Tasche des Klerus zu fließen und den Bauern Brot und Wasser zurück zu lassen.

"Und dahinter?", verlangte Athos zu wissen und Finger wanderte zu einem verfallenden Gebäude, welches abseits stand.

Wiederwillig löste Aramis ihren Blick vom Tal und folgte seinem Finger. Der Bruder zuckte die Schultern. "Nicht weiter von Belang, dort wurden früher Aussätzige isoliert untergebracht."

"Ich will es mir trotzdem ansehen."

Der rundliche Mönch hatte seine Mühe, mit seinen kurzen Beinen zu folgen. "Aber Monsieur, dass Gebäude ist halb verfallen und der König wird gewiss nicht einmal in die Nähe kommen. Es könnte Gefahr bestehen, dass sie Steine aus dem Mauerwerk lösen und jemanden erschlagen. Es ist viel zu gefährlich", Er schob die Hände aus der Kutte und rang sie aufgebracht durch die Luft. "Aber Monsieur, so warten Sie doch ... Monsieur ..."

Athos betrachtete den aufgeregt hüpfenden Mann, hob die Braue und verwettete sein rechtes Bein, samt Fußgelenk, dass es sich hier um keine Belanglosigkeit handelte.

Er bog um die Ecke und blieb derart abrupt stehen, dass der Mönch gegen ihn prallte.

Mehrere zerlumpte Gestalten traten aus dem Gebäude und stolperten auf einen offenen Karren zu. Sie waren kaum mehr als Menschen zu erkennen. Lumpen und Deck umhüllte sie. Keiner ging aufrecht und gerade. Vielmehr bewegten sie sich schlürfend und gebeugt vorwärts. Der Mönche, der sie bewachte, vermied es tunlichst sie zu berühren.

"Was ist das?", fragte Athos und wies auf das jämmerliche Abbild von Menschlichkeit.

"Kranke Bettler aus dem Armenhaus in Paris. Man hat sie hier her gebracht, weil die Armenhäuser dort überfüllt sind. Sie werden weiter geschickt, um ihren Anblick dem König zu ersparen."

"Der König wird nie diesen Teil des Klosters betreten. Ist das denn wirklich notwendig", begehrte Aramis auf, der die Gestalten leid taten. Je näher sie ihnen kamen, desto mehr, schmerzte der Anblick.

"Der Abt hat Recht. Es wäre zu unvorhersehbar, wenn sie hier blieben", erklärte Athos ruhig und sah sie milde an. Aramis sah in seinen Augen nur berufliches Interesse. Ihr Blick wanderte wieder zu den Karren.

"Es wäre vielleicht von Vorteil, wenn der König sie sehen würde. Frankreich ist nicht besonders reich und Paris ist voll von ihnen."

"Das ist blasphemisch, Aramis", wies Athos sie ruhig zurecht.

"Es wäre sonst Blindheit", begehrte sie auf.

"Du weißt, dass der König besondere Vorsicht verlangt, seit der Affäre mit dem Eisenmann."

"Ja, aber ..."

"... das ändert auch nicht die Tatsache, dass er, wie seine Gefolgsleute tot ist. Es war ein unsägliches Kapitel, aber es ist noch nicht abgeschlossen."

"Ja, aber wo werden sie hingebracht?"

"Ja, Bruder Benedikt, wo werden sie hingebracht?"

Benedikt, der gerade froh war, dass ihr Interesse nicht mehr ihm galt, sah sich der geballten Aufmerksamkeit der beiden Musketiere gegenüber. Er schluckte.

"Das weiß ich nicht", gestand er kläglich. Abt de Spoleto hoffte wahrscheinlich, dass sie die Zeit dahinraffen würde und sie dieser Sorge enthoben waren. In der ungesegneten Erde, war noch jede Menge Platz für sie.

"Wahrscheinlich werden sie in ein anderes Kloster gebracht. Der ehrwürdige Abt wird wissen, was mit ihnen passiert. Sie könnten ihn fragen, aber er hat sich gerade auf Reisen begebe."

"Wie günstig", knurrte Aramis leise und schwieg. Athos hochgezogene Braue schien ihr zu sagen, was ihre Pflicht war.
 

"Denkst du noch immer über sie nach?", fragte Athos, nachdem sie schon eine geraume Zeit unterwegs waren. Bisher war nicht eine Silbe über Aramis Lippen gedrungen. Schweigsam hatten sie ihre Reise auf der Straße zurückgelegt. Sie zuckte die Schultern ohne ihn anzusehen. "Versteh mich bitte nicht falsch, Aramis", sagte Athos und ritt näher an sie heran. Der Wind trug seine Worte fort. "Ich empfinde genauso Mitleid mit ihnen, wie du und hätte ihnen gern geholfen, aber im Augenblick kann ich an ihrem Los nichts ändern."

Aramis warf ihm einen kurzen nachdenklichen Blick zu. Ein schmales Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, wechselnde Mimik zwischen Entschuldigung und Wehmut.

"Das Leben ist ungerecht."

"Das ist es", bestätigte Athos. "Was das Schicksal den einen gibt, nimmt es den anderen."

Aramis konnte ihm nicht sagen, dass sich beim dem Anblick der Bettler, ihr eigenes Bild vorschob. Wenn man erfuhr, dass sie eine Frau war, würde sie mittel- und vormundlos im Armenhaus landen? Die Kaltblütigkeit des Staates, was seine Menschen betraf, ängstigte sie.

Der Karren setzte sich in Bewegung und rumpelte durch den Wald. Die Räder sprangen über Äste und Löcher im Boden. Seine Insassen wurden wild durchgeschüttelt. Arme und Beine wirbelten hilflos umher. Leib auf Leib, Lumpen auf Lumpen, Dreck auf Dreck, Krankheit auf Krankheit. Die drei Reiter der Apokalypse folgten dem Wagen, den die Menschen tunlichst mieden. Krankheit, Hunger und Tot vereinte sich auf seiner Ladefläche. Die Hälfte der Kreaturen, hatte ihr Leben ausgehaucht. Der Karren fuhr durch ein besonders tiefes Loch. Sein Kutscher klammerte sich mit verkrampften Fingern am Sitzbrett fest. Weiter trieb er die Tier an, um möglichst schnell sein Ziel zu erreiche und seine Insassen loszuwerden. Die Angst saß ihm im Nacken, dass die Achse oder ein Rad brechen könnte. Dann wäre er allein mit ihnen.

Er merkte nicht wie er ein Teil seiner Fracht verlor....
 

Sie hatten Châtellerault erreicht. Die kleine Ortschaft lag idyllisch eingebettet in blühend, fruchtbarer Landschaft. Absurderweise, erinnerte die Ebene an einen Suppenteller, flach und rund. Ringsrum säumten das Tal Berge, den Grund des Tellers bildeten Weiden, von Kühen und Rindern gesprenkelt und schimmerndes goldgelb der Getreidefelder. Die kräftigen Farben des Frühlings malten ihr Bild in die Wiesen und Felder. Das Sommerschloss des Königs stand verborgen vor der Stadt, abseits hinter dem Wald gelegen. Hier endete ihre Aufgabe und es blieb ihnen nichts weiter zu tun, als auf den nächsten Morgen zu warten, um nach Paris zurück zu reisen. Die von Tag zu Tag kräftig werdende Sonne, hatte den Tag noch nicht der Dunkelheit freigegeben.

Ruhelos trieb es Athos aus dem Gasthof, indem sie abgestiegen waren. Der Wirt hatte ihnen erzählt, dass Châtellerault den Frühling feierte. Alle Stadtbewohner hatten sich auf dem Festplatz zum Vergnügen eingefunden. Ihre beiden Zimmer zeichneten sich durch eine resolute Kargheit in seiner Einrichtung aus und die Kundschaft des Gastwirts war schwindend gering. Es war ein schöner anbrechender Frühlingsabend, dessen untergehende Sonne, den Festplatz in ein zauberhaftes rot-goldenes Licht tauchte. In Châtellerault war das Ziel ihrer Reise. Sie hatten die Strecke in zwei Tagen zurückgelegt, die Wegstrecke und die Abtei überprüft. Der Regen war überstanden. Anders die Nacht. In der Abtei war ein Stücken von Athos Seelenheil zurückgeblieben und die Sehnsucht Aramis wieder in den Armen zu halten. Den Körper des Anderen an sich zu spüren und in seine Nähe einzutauchen. Oberflächlich gesehen, begegneten sich Aramis und Athos wie immer, aber unter einer dünnen Schicht aus Vernunft und Verwirrung, tobten die Gefühle einen zwiespältigen Kampf. Gedanklich konnte sich Athos von der Vorstellung, Aramis wieder in seinen Armen zu halten, distanzieren, aber Seele und Körper konnten es nicht. Was blieb, war ein schmerzvolles Sehnen, dass sich von der Magengrube bis in die Zehenspitzen zog. Ein stetig trockener Hals, wann immer er seinen Freund ansah, der nichts von seinen Gefühlen zu ahnen schien und ein schneller schlagendes Herz. Ihre Beziehung hatte bald einen Klippe erreicht, die nur den metaphorischen Absturz brachte. Eine ausgelassene Stadt in Feierstimmung, war genau das richtig, um ihn abzulenken und da sie, wie Athos annahm, zwei junge, lebenslustige Männer waren, hielt sie nichts mehr in der Wirtsstube. Ein Fest zu besuchen, war alles im alles kein schlechter Abschluss für einen Auftrag.

Die Musik von Fideln und Tamburin, untersetzt mit lauten Stimmen und mannigfaltigem Gelächter aus Grunzen, Wiehern und der vermischten Dissonanz betrunkener Stimmen.

Menschen aus der Stadt und den umliegenden Dörfern drängten sich um die Stände. Während sich die eine Hälfte vor Trunkenheit kaum mehr auf den Beinen halten konnte, tat die Andere nichts mehr, als eben diesen Zustand zu erreichen. Hölzerne Stände boten Waren an. Bunte Wimpel flatterten über ihnen im Wind. Hinter Holzgattern wurden Wettkämpfe ausgefochten oder die schönste Dorfkuh gekürt. Eine Gauklergruppe spielte auf einer fahrbaren Holzbühne und ein waghalsiger Jongleur wirbelte brennende Fackeln durch die Luft. Athos und Aramis sahen sich um, ohne stehen zu bleiben. Aramis Blick glitt ohne Interesse über vielfältige Auslage an Samt- und Seidenstoffe in den schönsten Farben, die den umstehenden Mädchen Rufe des Verzückens entlockten. Die Freiheit ohne Zofe oder Anstandsdame sich durch das bunte Volk zu mischen, wog schwerer, als Kleider und Schmuck.

"Oliver?"

Athos spürte, wie ihm jemand am Ärmel zog und drehte sich herum. Er sah in ein schönes, ebenmäßiges Gesicht und in dunkle Augen, die er schon vergessen geglaubt hatte.

"Diana?" Er spürte, wie ihn seine Stimme verließ. Athos hatte das Gefühl von einem Stillstand der Zeit, ein Déja-vu das auf ihn einbrach. Die Zeit drehte sich rückwärts und er war wieder 17 Jahre alt.

"Was machst du hier?"

Ihre feingeschwungenen Lippen zeichneten ein Lächeln. "Das könnte ich dich fragen. Seit Jahren hat dich niemand mehr gesehen."

Sie sah zu ihm und er zu ihr.

Aramis konnte spüre wie die Welt eine andere wurde und nur die beiden einschloss. Sie sahen sich mit ungläubigem Erstaunen an, als wäre der andere ein Traumbild, zu unwirklich, um physisch zu sein. Ein falscher Laut, eine Bewegung und die Traumblase würde zerplatzen.

In Aramis Hals kratzte es. Erschrocken schluckte sie. Verdammt bei Hölle und Himmel, saß das Gefühl Schmirgelpapier zu atmen saß fest. Es wollte sich zu einem Räuspern verwandeln, wenn nicht gar zu einem mittelschweren Huster. Aramis zog die Luft ein und hielt sie fest. Verdammt sollen Dinge am falschen Ort, zur falschen Zeit sein. Aramis spürte wie sie begann rot anzulaufen und das dumpfe Rasseln einer kommenden Erstickung.

Dianas Hand legte sich auf Athos Arm. Ihre Augen hielten seinen Blick fest. Aramis verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, schnappte nach Luft und rasselndes Donnern entrollte ihre Kehle.

Zwei Augenpaare sahen sie an. Eins Überrascht, eines verstört, aber mit der einem Ausrufezeichen, das dem Störenfried - ihr - galt. Oh Verdammt! Sie hätte sich gerne entschuldigt, wenn sie Luft dafür gefunden hätte. Ihr Körper schüttelte sich vor Husten und Tränen rannen über ihr Gesicht. Eine hilfreiche Hand klopfte auf ihren Rücken.

"Diana, darf ich dir einen Kollegen von mir vorstellen?", stellte Athos vor, erinnert an Aramis Gegenwart. "Monsieur Aramis, wir sich geschäftlich unterwegs."

Aramis hustete.

"Comtesse de Claivice", erwiderte die Gräfin.

Aramis hustete.

Athos klopfte ihr noch einmal nachdrücklich auf den Rücken und erklärte, dass sie beiden alte Bekannten waren, aus einer Zeit, da er noch nicht in Paris lebte.

Natürlich war sie das und die Art, wie die beiden sich ansahen, wischten die letzten sechs Jahre in Paris davon. Sie kannte ihn aus einer Zeit, von der er nie erzählte. Sie kannte ihn in einem Alter, in dem Athos noch nicht glaubte, sie durch eine schweigsame Reserviertheit schützen zu müssen.

Noch nie hatten Athos Empfindungen so deutlich auf seinem Gesicht geschrieben gestanden.

Diana de Claivice nickte ihr freundlich zu, dann drehte die Welt sich nur noch für sie.

Aramis wischte den Tränenschleier von den Augen und räusperte sich. Sie fing an Flusen von ihrem Wams zu zupfen, dann fiel ihr nichts mehr ein.

"Ich lasse Euch allein. Dort hinten veranstalten sie ein Wettschießen mit Pfeil und Bogen", sagte sie, als sie das Bild der beiden nicht mehr ertrug und machte sich auf, froh eine Ausrede gefunden zu haben.
 

"Oh, Oliver, so viel Zeit vergangen."

Athos nickte. "Das ist es."

Sie lächelte. "Aus dem Jüngling ist ein Mann geworden." Und was für ein Mann. Ihr Blick verhehlte nicht, was sie bei seinem Anblick empfand.

"Und aus dem Mädchen eine Frau. Ich hoffe, du bist mit deiner Heirat glücklich geworden." Er sagte es ohne Bitterkeit, aber auch ohne eine andere Empfindung.

"Mit dem Glück ist das so eine Sache, Olivier", raunte sie und sah ihm tief in die Augen. "Es langweilt sich schnell und sucht sich einen anderen Ort."

Er schwieg und verschloss das Gesicht.

"Ich musste de Claivice heiraten. Meine Familie wollte es so", sagte sie bittend.

"Mir hast du damals etwas anderes erzählt. Du wolltest den Comte heiraten. Der Titel einer Comtesse schien dir so begehrenswert."

Ihre dunklen Augen schimmerten ihn verständnissuchend an. "Oliver, dass musste ich dich glauben lassen, damit du leichter gehen konntest. Erst dieser furchtbare Streit mit deinem Vater und dann ich, die du nicht haben durftest. Versteh doch!"

Athos resignierte. Sie nahm ihm den Grund sie zu hassen. Sie vernichtete die Jahre der mühsam errichteten Mauer der Gleichgültigkeit. Sie stahl das Vergessen. Sie brachte die Erinnerung.

Hinter der Maske seiner teilnahmslosen Mimik herrschte ein Durcheinander an Gefühlen, ein babylonisches Stimmengewirr, aus Verwirrung, Schuld, Hoffnung, Verzweiflung und Selbstbeherrschung. Dianas Schönheit war zur vollen Blüte erblüht. Das Mädchenhafte war einem gesunden Selbstbewusstsein und der Fraulichkeit gewichen. Vor ihm stand die Verkörperung unzähliger Männerwünsche.

"Ich wünschte, du hättest es mir gesagt."

"Ich war fast noch ein Kind, ich hatte Angst", gestand sie leise.

"Jetzt ist es zu spät, du bist verheiratet", räumte er ein. Sie war Comtesse de Claivic, die Ehefrau eines Anderen.

"Sieh nicht weg, Oliver!", forderte sie ihn auf. "Ich trage seit einem halben Jahr Trauer. Der Comte starb vor mehreren Monaten." Wie durch Nebel hörte er ihre Worte. Er dachte an Aramis, dann an die Frau die vor ihm stand und verglich beide miteinander. Diana, eine Frau von dem Scheitel bis zur Sohle. Es wäre so leicht. Aramis, das Gefühl von Schuld, wegen einer Sehnsucht, die nicht sein durfte und das Wissen, dass sich diese niemals erfüllen würde.

Es wäre so leicht. Kein Gewissenskampf der seine Schultern niederdrückte. Sie war so schön, so vertraut. Sie war seine Vergangenheit ... und sie war zum Greifen nah.
 

Aramis kehrte zurück, als die Sonne langsam versank und sie keinen Grund mehr finden konnte, wegzubleiben. Die Comtesse und Athos standen auf demselben Flecken Erde, auf dem Aramis sie verlassen hatte. Sie zog ein Schwein an einem langen Seil hinter sich her. Das Tier trottete gutmütig hinter ihr her.

"Wo warst du?"

"Beim Bogenschießen."

Stirnrunzelnd sah Athos auf das Schwein. "Und das?"

"Der erste Preis!"

"Herzlichen Glückwunsch!"

Sie nickte zuvorkommend.

"Aramis, warum hast bist du zum Bogenschießen angetreten?"

"Weil ich wusste, dass ich gewinne!", erklärte sie selbstverständlich.

"Sie werden es nicht mögen, dass ihr Schwein ein Fremder gewonnen hat."

"Darum würde ich jetzt gern gehen."

Athos wendete sich seiner zauberhaften Gesprächspartnerin zu. "Adieu, Diana, ich hoffe, dich wiederzusehen."

"Wo wirst du sein."

"In Paris, frage nach Athos den Musketier."

"Das werde ich", versprach sie. Athos sah von Aramis zu Diana und alles erschien ihm leichter. Er beugte sich über ihre Hand und streifte sie mit seinen Lippen. Keine übliche Form sich zu verabschieden. Seine Lippen auf ihrer Haut waren sein Versprechen und Aramis kam sich plötzlich ziemlich dämlich mit dem Schwein im Schlepptau vor. Diana nickte, mit flammenden Rot auf den Wangen.

"Willst du nicht wissen, wie ich es genannt habe?", fragte Aramis, während sie über den Platz gingen.

"Wie?"

"Rochfort!"

"Es hat keine Augenklappe!"

"Aber die gleiche Kinderstube", erwiderte sie und drückte einem alten, blinden Mann, der mit unterschlagenen Beinen am Rand hockte und die faltige Hand bettelnd vorstreckte, die Leine in die Hand.

Badeanstalt

Aramis warf sich auf den Rücken und blickte zur Decke. Die Deckenbalken verloren sich in der Schwärze des dunklen Zimmers. Zu sehen gab es nichts. Im Gasthaus war es still. Wenige Sekunden später rollte sie sich zur Seite, stopfte ihr Kissen unter die Armbeuge und schmiegte unglücklich ihre Wange in das Leinen hinein. Sie hörte ihr Herz einsam in ihrer abgeschnürten Brust schlagen und hätte gerne aufgeseufzt, wenn es das enge Band aus straff gewickelten Leinen erlaubt hätte. Aus Angst vor Entdeckung, schlief Aramis mit eingewickeltem Busen. Der Verband war ihr ohnehin zur zweiten Haut geworden. Ohne ihn kam sie sich seltsam nackt vor.

Eine dünne Bretterwand weiter Athos den Arm nach hinten und zog die rutschende Unterhose gänzlich über seine Kehrseite. Er grub sich tiefer in die Delle der Matratze und schloss die Augen, doch der Schlaf wollte nicht kommen. Sein ganzer Körper und sein Geist waren viel zu wach, um zur Ruhe zu kommen. Aus seiner Erinnerung tauchten längst vergangene Tage, wie die vergilbten Seiten eines eingestaubten Buches heraus. Er hörte, wie das Bettgestell im Nebenzimmer knarrte und ächzte, weil sich sein Bewohner unruhig hin und her warf.
 

Der neue Tag begrüßte sie mit wolkenlosem Himmel und Sonnenschein. Athos verlagerte seinen Sitz im Sattel und sah zu den Strahlen im Himmel auf. Er sah auf Wiesen und Felder in endloser Weite, er hörte das Wispern und Rauschen des Wassers im Bach, er roch den Duft von Gras und Blumen, den der Wind mit sich brachte. Alles im allen, fand Athos, dass der Tag kein besseres Gewand haben konnte. Er reckte das Gesicht in die Sonne und summte leise vor sich hin. Neben ihm hob Aramis die müden Augen und bedachte ihn mit einem mürrischen Blick. Alles im allen, fand sie das der Tag beschissen war. Alles im allen, setzte sie Diana de ... auf die Liste der Personen, die sie gerne am Bratspieß übers Feuer halten wollte.

Sie ritten in Richtung über ... in Richtung ....

"Sprühender Frühling, noch frisch im Jahr,

in der Blüte so frisch, die Luft so klar, Farben wie ich sie bisher noch nie sah.

Tauchst das Land in den ersten Sonnenschein,

sollst der Liebe Begleiter sein ...," schloss Athos und atmete tief die frische Morgenluft ein.

Aramis sah ihn prüfend an. "Ich wusste gar nicht, dass du zu den Naturliebhabern gehörst?"

"Oh, doch, doch", bestätigte er und schien über diesen Umstand nachzudenken und für gut zu befinden.

"Und du scheinst zu den Poeten übergegangen zu sein."

Das Grinsen eines kleinen Jungen schlich sich auf sein Gesicht. "Zweifellos."

Aramis gab ihrem Pferd die Sporen und trieb es schneller an. Staub wirbelte unter seinen Hufen auf und mit der frischen Morgenprise und dem Geruch von Gras und Blumen, wehte ein Schwall Sand direkt in Athos Gesicht.

Nach mehreren Stunden Ritt, die Sonne war am Zenit schon lange nach Süden gewandert, spürten beide Musketiere jeden Knochen in ihrem Körper. Sie hatten eine kurze Pause bei Wasser und Brot zur Mittagszeit gehabt und seither durchgeritten. Athos, der in der Ferne die Stadtmauern der Stadt ... auftauchen sah, fand es an der Zeit, Aramis' Höllenritt Einhalt zu gebieten, bevor seine gute Laune gänzlich schwand. Vor der Stadt befanden sich Reste einer römischen Siedlung, die an dieser Stelle aufgrund mehrerer Heilquellen, in Vorchristlicher Zeit erbaut worden war. Zur Zeit des Mittelalters hielt das gemeine Volk nicht viel vom Baden. Seine Landesfürsten noch viel weniger. Ein Ritter badet vier Mal in seinem Leben-. Bei seiner Taufe, beim Ritterschlag, bei seiner Hochzeit und zum Zeitpunkt seines Todes. Wobei beim Letztern die letzte Ölung wichtiger war und es dem göttlichen Gericht egal zu sein schien, wie der Angeklagte roch. Im späten Mittelalter hielten ein Teil der Menschen das Baden für eine Form von Reinlichkeit, der andere für zuviel Reinlichkeit, der Klerus Lasterhaft und der Rest schlichtweg lästig. Nackt in einer Waschschüssel konnte man sich alle möglichen Arten von Krankheit zuziehen. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen, der den Menschen erklärt, dass die Kuh im Schlafzimmer viel mehr Erreger anzog, als ein Badetrog. Heilbäder waren dennoch sehr beliebt, auch wenn nur ein geringer Teil der Bevölkerung Frankreichs Zeit dafür fand.

Das verwitterte Holzschild an der Straßenkreuzung, das zu einer Abzweigung zeigte, brachte Athos auf eine Idee.

Er zügelte sein Pferd und brachte es zum Stehen.

"Was ist?" Aramis riss die Zügel zurück und sah ihn verwundert an.

"Es ist Zeit für eine Pause", stellte Athos fest, schwang sich steifbeinig aus dem Sattel und rieb sich beredend über sein Hinterteil. Aramis sah pikiert zu ihm herab. Er wusste, dass sein Freund ihn an sein übermäßiges Pflichtbewusstsein vom Vortag erinnern wollte. Ein zuversichtliches Lächeln erschien auf seinen Zügen.

"Aramis, sieh mal! Wir haben für den Rückweg die doppelte Zeit, als für den Hinweg, da wir direkt nach Paris reiten. Lass uns den Umstand ausnutzen. Weißt du, was wir machen können? Mir kommt eine glänzende Idee!"

Ohne ein weiteres Wort nahm er sein Pferd am Halfter und führte es, mit merkwürdig steifem Gang zur Abzweigung. Aramis sah ihn verwundert in der schmalen Allee verschwinden. Eichen säumten den Weg der Straße und neigten ihre Häupter in den Kronen zusammen. Verwundert hob sie die Stimme "Wo willst du hin?"

"Komm!", erschallte es vergnügt und wenig aussagekräftig, aus dem Dunkel der Baumgasse. Aramis folgte ihm lammfromm. Der lange Ritt hatte ihre schlechte Laune vertilgt.

Vor ihnen öffnete sich der Weg und gab den Blick auf ein Haus im antiken Stil frei. Umgeben von Ruinen, machte es lediglich den Eindruck von Benutzung, nicht von Pflege. Aramis Blick glitt von der Backsteinfassade zu den gebrannten Dachziegeln hoch.

"Was ist das?", fragte sie, in der Annahme, dass Athos sie zu einem Gasthof geführt hatte.

Im Gebäude schien rege Betriebsamkeit zu herrschen, aber es fehlte jeder Hinweis auf ein Gasthaus. Pferde und Kutschen unbekannter Besitzer standen zur linken Seite bereit und ein kleiner, schmächtiger Junge, mit knochigen Gliedern rannte herbei und nahm Athos Zügel ab.

"Ein Badehaus", antwortete Athos schlicht. Aramis sah ihn mit einem Gesichtsausdruck an, als hätte sie Zahnschmerzen. Sie spürte, wie etwas Eiskaltes durch ihre Glieder lief und ihr Magen flatterte.

"Du willst baden?", entfuhr es ihr fassungslos. Athos grinste das Lächeln eines Schuljungen.

"Ja", er gluckste. "Genau das richtige, um müde und steife Glieder wieder munter zu machen.

"Ich will nicht baden", würgte Aramis hervor. "Wir haben keine Zeit, wir müssen ..."

"Natürlich haben wir Zeit. Wir haben in den letzten Stunden mehr Zeit als genug aufgeholt." Er sah sie an, mit dem nachsichtigen Lächeln eines Mannes der für etwas Geduld aufwies, für das er notfalls kämpfen würde. Es zog ihn in das Badehaus, in die Umkleidekabine, zusammen mit Aramis!

"Komm! Von D'Artagnan weiß ich, dass du das Baden liebst. Es ist genau das Richtige für dich."

"Nicht in Gesellschaft, nein", erwiderte Aramis trocken und krampfte die Hände zusammen.

"Keine Widerrede!" Athos sah großzügig über ihr Zögern hinweg und ging näher zu ihr. "Ich bitte dich, Aramis. Wir bleiben ein, zwei Stunden hier und reiten dann weiter."

Aramis klappte den Mund auf und wieder zu. Ihr Magen krampfte sich zu einem Klumpen zusammen. Sie schluckte trocken. Innerlich schüttelte Athos den Kopf und ging hinein. Warum benahm sich Aramis wie ein kleines, schamhaftes Mädchen? Vor was hatte er Angst? Er war gerade gewachsen, jung und zeigte nirgends an Anzeichen von Aussatz.

Aramis folgte ihm zögernd. Das Badehaus stammte noch aus der Zeit der Römer und entsprach mit seinen hohen Fenstern und den Säulengängen der Bauweise der Antike. Die Eingangshalle war in Marmor gefasst, dessen Decke von Säulen getragen wurde. Ein Brunnen, dessen Wasser schon lange nicht mehr geflossen war, nahm seine Mitte ein.

Über drei Stufen gelangten sie zum eigentlichen Bereich der Schwefelbäder. Vor einer langen Holzwand mit breiten Fächern, saß an einem Tisch ein Mann unbestimmten Alters. Die Falten in seinem Gesicht konnten dem Alter oder der ständigen Unzufriedenheit, die sein Gesicht nach außen trug herrühren. Er trug einen einfachen Kittel aus braunem Leinen und offene Holzpantinen.

"Vier Sou die Stunde, fünf Sou jede weitere", leierte er, mit monotoner Stimme und gleich bleibenden Gesichtsausdruck herunter. "Allerdings können Sie für nur 14 Sou drei Stunden im Voraus nehmen."

Athos runzelte die Braunen. "Ich würde nichts sparen."

"Aber auch nichts verlieren." Er schmatzte säuerlich und sang weiter. "Essen, Trinken und Frauen sind im Badehaus nicht erlaubt, in das Becken pinkeln oder andere Aktivitäten die dem gleichkommen, sind strengstens untersagt. Ihre Waffen müssen Sie abgeben. Wollen Sie ein Tuch mittlerer oder großer Größe?"

"Das größere Bitte."

"Ein Badehemd?"

"Muss nicht sein und ich nehme die drei Stunden."

"Das macht 14 Sou für die Schwefelbäder und 20 Sou für das Tuch."

Athos war nun sichtlich entrüstet. "Das Tuch ist ja teurer, als das ganze Schwefelbad."

Es zutschte wieder misstönend. "Das Wasser war schon da, die Tücher nicht." Zähneknirschend bezahlte Athos und stapfte voraus.

"Vier Sou die Stunde, fünf Sou jede weitere. Allerdings können Sie für nur 14 Sou ..."

"Das weiß ich," unterbrach Aramis ihn und beugte sich neugierig näher. "Sie haben Badehemden?"

"Mittlere Größe oder die große Größe."

"Die große Größe und Ihr größtes Handtuch!" Er reichte ihr ein gefaltetes Hemd und ein riesiges weißes Tuch aus groben Leinen. Aramis zog ihren Geldsack hervor und suchte nach der geforderten Summe. Ihre Hand verharrte über seinem ausgestreckten Handteller, ohne sich zu öffnen.

"Muss man sich Vorreinigen ... also ein Vorbecken mit klarem Wasser?", fragte sie misstrauisch.

"Vorreinigen." Seine Mundwinkel beschrieben einen Bogen durch seine untere Gesichtshälfte und blieben im angewidert, pikierten Zustand, nach unten gezogen über dem Kinn liegen. "Monsieur, ich halte schon Schwefelbäder für tödlich. Der Teufel kommt mit dem Bade. Die Reinheit mit der Eitelkeit!" Beredend sah Aramis auf seinen ausgestreckten Handteller, in dessen Hautlinien sich der Schmutz gegraben hatte. Sie öffnete ihre Hand und ließ das Geld fallen.

"Der Körpergeruch auch", murmelte sie und folgte ihrem Freund.
 

"Der ist doch nicht ganz bei Verstand", murrte sie und betrat den Umkleideraum durch eine der Seitentüren. Eine lange Holzbank ging durch den Raum. An der Wand befanden sich weitere Regale. Die Herren trugen ihre Geldbörsen am Gürtel um die nackte Taille. Diebstähle waren ein Kavaliersdelikt, der Geschädigte höchstens zu bedauern und kleiderlos auf seinem Heimweg.

"Der Teufel kommt mit dem Bade, dass ich nicht lache."

"Hör auf zu meckern und beeile dich!" Athos streckte ihr schon seine bloße Kehrseite entgegen und gürtete sich seinen Geldbeutel um. Aramis tat nichts dergleichen. Sie ließ sich stattdessen mit missmutigem Gesichtausdruck auf die Bank fallen und behielt ihr Badezubehör im Arm. Als Athos sich unvermittelt zu ihr umdreht, benötigte sie eine halbe Minute, eh ihr bewusst wurde, dass sie nicht mehr nur seinen Hintern anstarrte. Sie räusperte sich und hob den Blick zu einem Punkt, schräg über seiner Schulter. Da sie es nicht vermeiden konnte, überzog eine verräterische Röte ihre Wagen. Irritiert sah Athos sich um und blickte über seine Schulter.

"Aramis?"

"Ich komme nach, geh schon vor!" Selbst ihre Stimme unterlag nicht mehr ihrer Kontrolle.

Athos sah ungeduldig zu Aramis herunter, der nicht die mindesten Anstalten machte, sich umzukleiden. Mit Ungeduld wartete er, dass Aramis endlich seine Kleider ablegte. Aramis tat gar nichts, als vor sich hin zu starren. Athos der bisher nie falsche Verlegenheit, ob ohne oder im bekleideten Zustand, vor anderen Menschen gezeigt hatte, fühlte sich plötzlich peinlich berührt, in Aramis Gegenwart. Also ging er. Er hatte wirklich gehofft, Aramis nackt zu sehen. Vielleicht hätte dann die geheime Anziehungskraft aufgehört, mit der Aramis ihn umklammert hielt. Es war nicht aller Tage Abend und er würde Aramis drinnen sehen.

Aramis klammerte sich an das Handtuch in ihren Armen, das die Handknöchel weiß hervortraten. Mit dem Bündel in ihrem Arm, machte sie sich auf, die hölzernen Latrinen zu besuchen, deren Geruch schon Strafe genug war.
 

Heiß stieg der Dampf aus dem Becken auf. Verdichtete sich über dem Wasser und zog in milchigen Schwaden über den Beckenrand ab. "Sie müssen tief einamten, es ist das schwefelhaltigste Wasser in ganz Frankreich", sagte ein Diener im grauen Kittel salbungsvoll und zeigte auf den milchigen Dunst, der sich über dem großen Becken erhob. "Es heilt Körper und Seele. Schon sein Geruch ist genesend." Hinter dem Eingangsportal lag die riesige Anlage des Heilbads, mit Badhaus, Umkleideräumen, Räume für Masseuren und Chirurgen, für eine reinigende Schröpfung und schattigen Bogengängen zum flanieren im weitläufigen Garten. Das Becken war so riesig, dass es den Thronsaal im Louvre eingenommen hätte. Und über alledem lag der Gestank nach Schwefel wie eine Wolke, - Luzifers Vorhof. Aramis spürte, wie das Badehemd klamm wurde und auf ihrer Haut klebte.

"Sobald Sie eintauchen, werden Sie sich besser fühlen."

"Ich werde mich besser fühlen, wenn ich diesen Ort verlassen kann", murrte Aramis leise.

"Darf ich Ihnen das Handtuch abnehmen?"

"Nein!" Erstickt presste Aramis das Handtuch fester an die Brust und eilte weiter. Ihre bloßen Füße rutschten auf den nassen Fliesen. Sie war noch nie in einem Badehaus gewesen. Seit ihrer Kindheit war sie kerngesund und ihr Onkel hatte Badehäuser immer als Sündenpfuhl und Brutstätte orgiastischer Ausschweifungen betrachtete. Da eine Mauer beide Geschlechter voneinander trennte und nur das Lachen der Frauen hinüber drang, konnte Aramis nichts verwerfliches Entdecken. Die Männer saßen im Dunst verborgen im Becken, riefen nach den Badewächtern, lagen sonnend am Beckenrand oder flanierten in Handtüchern gehüllt am Bogengang entlang. Einige saßen auf hölzernen Bänken, bei Plausch, Schachspiel oder einem Krug Wein. Ein babylonisches Stimmengewirr erhob sich über dem Badehaus. Soweit Aramis sehen konnte, trugen nur ältere Herren Badehemden. Ansonsten waren die Herren der Schöpfung alle nackt, wie Gott sie schuf. Sie atmete tief ein. Noch nie hatte sie den anatomischen Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern so deutlich gespürt, wie in diesem Moment. Unwillkürlich rollte sie die Schultern nach vorn, um sich zu verbergen. Der Badewächter öffnete erneut den Eingang und ließ einen ältlichen Herrn herein, dessen Gliedmaßen so verkümmert waren, dass er in einer Sänfte in das Becken gelassen werden musste. Aramis nutze die Gunst der Stunde und schob sich hinter die Sänfte um unbemerkt zum Beckenrand zu gelangen. Das Becken hatte flache Stufen, die ins Wasser führten. Sie legte ihr Handtuch griffbereit an den Beckenrand und ließ sich in das warme, dampfende Wasser und atmete den Geruch nach faulen Eiern ein. Aramis spürte augenblicklich, wie sich das Hemd, wie eine zweite Haut auf ihren Körper legte. Sie sah sich nach einem Versteck um und watete tiefer in das Wasser, damit es ihr bis zum Kinn reichen konnte. Das weite Hemd bauschte sich um ihre Knie und schob sich langsam höher. Sie ruderte ein paar Mal hin und her, zu nervös, um ihre steifen Glieder im warmen Wasser zu entspannen. Nervös sah sie sich nach Athos um, der jeden Moment aus der Dunstwolke oder hinter einer Säule auftauchen konnte. Die heißen Wellen, die sein nackter Anblick in ihrem Körper auslöste, gefielen ihr ganz und gar nicht. Zum einen würde sie sofort erröten, zum anderen befürchtete sie eine seiner Ideen, die sie vielleicht unter der Hand eines Masseurs bringen würde. Besser er fand sie nicht.

Sie paddelte einige Meter nach links, einige Meter nach rechts, tauchte unter und hielt immer die Schultern unter Wasser. Der Adrenalinspiegel hatte mittlerweile beängstigende Höhen erklommen und die Angst umfasste ihr Genick wie eine kalte Hand die unbarmherzig zudrückte. Aramis sah sich nervös nach ihrem Handtuch um. Unachtsame Füße hatten es vom Beckenrand weggeschleudert. Halblaut fluchend kraulte sie zum Rand zurück und hielt sich unter Wasser. Sie versuchte nach dem Tuch zu greifen, aber es war zu weit fort geschleudert worden. Um heranzukommen, musste sie sich nach oben stemmen und den Oberkörper über den Beckenrand beugen. Als ihre Finger nach dem Tuch griffen und sie hochsah, begegneten ihre Augen den freudig, überraschten Blick eines verirrten Badegastes. Aramis platschte erschrocken ins Wasser zurück und sah ihn näher kommen. Er verbeugte sich leicht und das Handtuch rückte bedrohlich tiefer über die Hüften. Aramis wich zurück. "Gilbourn de Fleure, mein Name." Der Mann war lang und hager und hatte etwas Raubtierhaftes in seinen Gesichtszügen. Aus seinen Gesten sprach eine seltsame Mischung aus Unsicherheit und Selbstzufriedenheit. Aramis wich noch weiter zurück. "Es erfreut mich Jugend und Anmut hier zu sehen, wo meist die Kranken und Alten die Schwefelbäder aufsuchen." Ein schleimiger Unterton lag auf seiner Stimme. Ein unscheinbarer Mann, den Aramis auf der Straße sicherlich übersehen hätte, der seine Sehnsüchte hinter der verschlossenen Tür eines untadligen Bürgers führte. Sie wusste nicht, ob er die Frau oder den Jüngling in ihr gesehen hatte. "Die Augen eines älter werdenden Mannes sehen gerne, wie es war in der Blüte seines Lebens zu stehen", säuselte er salbungsvoll und glitt ins Wasser. Seine Bewegungen erinnerte an einen schläfrigen Löwen, der erwachte.

"So glatte Haut, so wohlgeformte Glieder ... Sag wie heißt du?" Jetzt glaubte Aramis eindeutig Begehren aus der Untertonschwingung seiner Worte zu hören. Sie hastete davon. Wasser spritzte auf. Aramis schlängelte sich durch die nebelhaften Gestalten im Wasser. Sie rutschte aus, tauchte unter und kam pustend wieder an die Oberfläche, mit beiden Armen ruderte sie sich den Weg frei und hörte weiterhin ihren Verfolger hinter sich nach ihr rufen. Die anderen Badegäste protestierten, als Aramis sie beiseite stieß und Wasser entgegenschaufelte. Wenn sie nur mehr gesehen hätte. Noch immer war er hinter ihr. Panikerfüllt drehte sie sich um und sah das Ende des Beckens näher kommen. Wohin dann fliehen. Sie drehte sich noch einmal hastig um ... Sie stieß mit der Schulter gegen die volle Längsseite einer nackten Brust.
 

Athos sah, wie Aramis plötzlich aus dem Dunst auftauchte, sich umdrehte und gegen ihn prallte, mit einer Kraft, dass ihm die Luft aus der Lunge wich. Er umfasste ihre Arme und drehte sie herum.

"Was treibst du da?" Aramis rutschte aus, ihre Füße gaben nach und sie sackte wie ein nasser Sack unter die Wasseroberfläche, als ihre Füße schon wieder den Boden verloren und sie wie ein nasser Sack untersackte. Er hielt sie an den Armen fest und sah in das von blonden, nassen Strähnen bedeckte Gesicht. Jetzt erst registrierte er das lächerliche Badehemd, dass Aramis trug.

"Warum hast du das lächerliche Hemd an?"

Aber Aramis gab keine Antwort. Angstvoll sah sie sich wieder um, holte Luft und tauchte abwärts, im selben Moment, als sich die Nebelschwaden wieder teilten und einen neuen Besucher ausspuckten.

"Haben Sie einen Jüngling mit blondem, langem Haar gesehen?"

Athos sah ihn prüfend an und fragte scharf. "Sollte ich?" Der Blick des Fremden ruhte nicht mit der Gleichgültigkeit eines anderen Mannes auf ihm.

"Haben Sie?" Er wurde ungeduldig.

"Nein, mir ist kein Jüngling untergekommen."

Aramis tauchte auf und rang rasselnd und keuchend nach Luft. Das Gesicht hatte eine ungesunde rote Farbe angenommen.

"Was war denn das?", fragte er und erntete nur qualvolles Husten. Er schob die Arme über den Beckenrand und lehnte sich zurück, dass die Muskeln über die Brust in die Arme spannten und sah für Aramis Geschmack viel zu gut und männlich aus. Ihr stockte der Atem. Er feixte unübersehbar "Du Jüngling, du? Lachst du dir hier Badebekanntschaften an?"

"Er ist mir hinterhergelaufen."

"Warum?"

"Mein Hintern ist zu rosig", erwiderte Aramis lahm und drehte sich ohne ein weiteres Wort um, um sich diesmal gemächlicher zurück zu kämpfte. Erst jetzt registrierte Athos, dass er Aramis noch immer nicht nackt gesehen hatte, doch seine Haut fühlte noch den Zusammenstoß, der seltsam zart und doch weich war. Seine Hände konnten es nicht fassen, bei einem Mann, der mit einer Waffe umgehen konnte, so dünnen Arme gefühlt zu haben und sein Körper entschied sich, anders zu reagieren, als ein Mann bei einem anderen Mann sollte. Je mehr Zeit er mit seinem Freund verbrachte, je mehr verblasste Dianas Erinnerung.

Als er einige Zeit später entschied, dass es genug war, fand er Aramis wieder voll bekleidet, mit finsterem Blick in der Umkleidekabine. Das Haar lag nass auf dem blauen Wams und das Gesicht, dass viel schöner wirkte, wenn man die hohen Wangenknochen sehen konnte, hätte besser ausgesehen, wenn Aramis nicht den Gesichtsausdruck eines Wasserspeiers mit Mordlust getragen hätte. Wieder fühlte er sich merkwürdig peinlich berührt, vor Aramis nackt zu sein, obwohl sein Freund ihn gar nicht ansah. Auf einmal glaubte Athos zu verstehen. Wahrscheinlich war Aramis schon immer durch die androgyne Gestalt aufgefallen und lüstern betrachtet worden, von Männern die lieber Männer mochten. Er tat ihm leid, obwohl ihm das Verlangen danach nicht mehr fremd erschien. Athos atmete scharf aus und drehte Aramis abrupt den Rücken zu. Das musste aufhören, schwor er sich.

Die andere Frau

Das Leben verlangte Aramis fünfundzwanzigsten Lebensjahr nur die alltäglichen Dinge ab. Verkleidet hinter Männerkleidung und angeeigneten männlichen Gebärden, viel Training, Durchhaltungskraft und Biss, einer Portion übereifriger Vorsicht und Wagmut, verrichtete sie tagtäglich ihren Dienst im Musketierchor. Der König galt beschützt zu werden, das Volk auf sicherer Distanz zu ihrem herrschaftlichen Souverän zu halten, schneidig auszuschauen und die eine oder andere Rauferei mit den Rotröcken des Kardinals zu bestehen.

Das Europa dieser Zeit war indes verstrickt in einen Krieg zwischen vier Großmächten, um die einzig wahre Religion, die Hegemonie der mächtigsten Königshäuser und jedem der glaubte Recht zu haben.

Da alle Kämpfe auf dem Territorium des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ausgefochten wurden, blieb es in Frankreich ruhig. Nach der Bartholomäusnacht, war die Grenzen zwischen den verbotenen Hugenotten und der Vormachtstellung des katholischen Glaubens in Frankreich gezogen. Jeder kannte seinen Platz und noch war es nicht an der Zeit, für Frankreichs Söhne, in den Krieg zu ziehen.

Eine abgeschwächte Eiszeitperiode hatte mehrere Ernten ruiniert und der Landbevölkerung das tägliche Brot geraubt. In Paris herrschte unter dem dauernden Nieselregen, eitler Sonnenschein.

Der Tag hatte recht gut begonnen. Aramis sprang ausgeruht aus ihrem Bett, frühstückte ausgezeichnet an einem durch ihre Nachbarin geschenkten Honigkuchen, traf in Hochstimmung auf die anderen Musketiere, scherzte, salutierte und stand stramm, um sich wenig später auf eine Verabredung mit Athos zu einem längeren Ausritt zu freuen. Das Leben war wunderbar. Frei und ungebunden, mit einer gewissen Sorglosigkeit, aufregend gewürzt mit einer Prise Abenteuer, Wagmut und Witz … für einen Mann. Bis zu diesem Zeitpunkt belog sie sogar sich selbst.

Die Sonne auf ihrem langen Weg der Abenddämmerung entgegen, glitzerte noch hoch am wolkenlosen Himmel, über den langen Arm der Seine. Hinter den letzten Häusern der Hauptstadt, schlängelte sich der Fluss über Felder und Wiesen, in die Wälder der Boulongie. Aramis stand mit ihrem Pferd am Zügel im Schatten einer riesigen Buche. Sie wartete auf Athos. Das Herz schlug ungewohnt aufgeregt in der Brust, ihre Beine vermochten kaum stillzustehen und die Zähne kauten vor lauter Ungeduld nagend auf ihrer Unterlippe. Sie fühlte sich schlicht wie ein Mädchen vor ihrer ersten Verabredung.

Aramis lauschte den fernen Geräuschen des Tages aus Vogelrufen und Windrascheln. Windmühlen drehten sich schwerfällig im lauen Wind des Sommers, einzelne Fuhrwerke rollten über die staubige Straße in der Ferne, eine Herde Schafe folgte blökend ihren Weg, Lastkahne schipperten zum gefräßigen Herz der Stadt.

Sie fühlte das Kribbeln tief in ihren Beinen, bis zu ihrem im Hals schlagenden Herzen, als sie den Reiter näherkommen sah. Doch es war nicht der elegante Grauschimmel, den Athos ritt und sein Reiter hatte auch wenig von der athletischen Statur des Erwarteten. Stattdessen war er von breiter Statur mit gemütlicherem Umfang. Ein gutmütiges Lächeln erhellte sein Mondgesicht. Aramis fühlte ihre Erwartung unter der Enttäuschung in sich zusammenbrechen und bewahrte nur mühsam scheinbare Gelassenheit. Sie grüßte ihn und späte hinter den breiten Rücken hervor, als würde ein weiterer schwarzer Punkt in der Ferne erscheinen und Athos ausspucken.

„Wenn du Athos suchst, der kommt nicht mehr“, erklärte Porthos gleichmütig.

„Ach so“, kommentierte Aramis lakonisch.

„Ja, das soll ich dir ausrichten.“

„Ach so“, behielt es Aramis dabei.

„Er entschuldigt sich und meint er hätte seine Gründe.“

„Ach so“, mehr fiel ihr nicht ein. „Und warum grinst du dabei so breit?“

„Weil ich den Grund gesehen habe“, erwiderte Porthos und grinste noch breiter. Aramis verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Augenbraue zusammen. „Und“, fragte sie langgezogen, „verrätst du ihn mir auch?“

„Hör mal, mein Lieber“, großmütig schloss sich ein Drei-Bizeps Arm um ihre Schultern und drückte sie väterlich an die breite Brust. „Glaube mir einfach. Ich habe den Grund gesehen und es lohnt sich WIRKLICH dafür alles andere zu vergessen, ja Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen und das Unterste zu Oberst kehren, nur um bei ihr zu sein. Schon ganz und gar, wenn es sich nur um ein Milchgesicht wie deines handelt.“ Seine Worte tropften vor selbstzufriedener Gefälligkeit.

„Also ist der Grund eine Frau“, schloss Aramis.

„Zweifelst du daran? Es ist immer eine Frau. Wenn ein Mann einen anderen Mann versetzt, ist es eine Frau, aber… “, es folgte eine rhetorische Spannungspause, „in diesem Falle, was für eine Frau. Mich wundert es, das Athos überhaupt noch daran denken konnte, mich zu dir zu schicken.“

„Dann muss ich dafür wohl dankbar sein?“

„Ja, in diesem Fall schon mein Lieber, weil du und ich, wir würden einen Mord begehen, um überhaupt in die Nähe einer solchen Frau zu kommen.“ Er sah sie schief an. „Nun, ich auf jeden Fall, bei dir bin ich mir nicht so sicher. Aber weißt du, warum wir Glück haben?“

„Warum?“ Und Aramis musste widerwillig grinsen, wie sie so in Porthos Baumstammarm hing und bei Porthos eine Leidenschaft entdeckte, die nichts mit dem Essen zu tun hatte.

„Wir kennen den Mann, der sie kennt. Damit kennen wir sie praktisch auch.“

„Vielleicht stellt sie Athos uns vor und dann kennst du sie.

„Wäre sie mein, würde ich sie niemand zeigen.“

„Solltest du aber.“

„Warum?“

Aramis lächelte jetzt sehr sehr breit. „Weil dir sonst niemand glauben würde.“

Schmollend schob er sie in Richtung Stadt.

„Ich wollte aber ausreiten“, wandte Aramis ein.

„Aber nicht doch“, erklärte Porthos und schob sie samt ihrer Einwände weiter. Aramis hätte praktisch gegen eine Lawine kämpfen können. „Bei so einem schönen Wetter, isst es sich ausgezeichnet im St. Michael.“
 

Eine andere Frau. Warum sollte eine weitere Frau in Athos kurzweiligen Beziehungsleben sie erschüttern? Sie kamen und gingen, um sich an ihnen kurzweilig zu erfreuen, um ihm sein Bett zu wärmen und um sie wieder zu vergessen. Was sie beide verband war mehr, als nur die flüchtige Leidenschaft einiger Nächte. Es war nichts, was ihr inneres Gleichgewicht erschüttern würde oder ihre Eifersucht schüren könnte.

Keine Frau verbrachte mit ihm seit mehreren Jahren fast jeden Tag. Hatte mit ihm gekämpft, die Nächte am Lagerfeuer verbracht, Gefahren überstanden, getrunken, gezecht, gespielt, verloren, gelitten, gelacht …keine Frau hatte das. Das war es ja, sie war keine Frau für ihn. Niemand hatte bisher herausgefunden, dass sie eine Frau war. Sie war gut und das machte sie stolz. Sie war zu gut und das ärgerte sie ein wenig.

Auch diese Frau würde kommen und wieder gehen. Schöne Frauen gab es in Paris wie Sand am Meer; gepflegte Frauen geputzt wie ein Pfau, gingen im Palast ein und aus; professionelle Frauen mit den kunstvollsten Fertigkeiten waren für nur ein/zwei Silberstücke zu kaufen, ob eine oder zwei. Mägde hoben ihre Röcke in den dunklen Ecken; Bürgersfrauen öffneten die Hintertüren, wenn die Männer vorne raus gingen; gut behütete Töchter entwischten ihren Vätern; Witwen trauerten mit weit geöffneten Beinen; jede Hofdame barg ein kleines Geheimnis an ihrem gepuderten Busen.

Sie war nicht beunruhigt. Sie war nicht beunruhigt, während die verbliebenen Tagesstunden zähflüssig an ihr vorbei flossen, sie war nicht beunruhigt, als sie an ihren Fingernägeln knabbernd bis in die frühen Morgenstunden wach lag. Als das zarte Erwachen des neuen Tages die Dunkelheit langsam zurücktrieb, glaubte sie zu erkennen, welche Frau Porthos beschrieben hatte. Da war sie beunruhigt.
 

„Fahren Sie beiseite!“ Monsieur musterte sein Gegenüber durch das Monokel und klopfte mit seinem Stock nachdrücklich auf das gegnerische Kutschrad ein. „Mein Lieber, seht Ihr das fünfte Wappenzeichen? Ich denke, Ihr solltet die Straße räumen und dann will ich die Sache vergessen.“

Sein Kontrahent vergrub die Nase in seinem Spitzentuch und Ph-fte laut und vernehmlich. Es war völlig klar, das in der nächsten Zeit nichts dergleichen passieren würde.

Zwei Kutschen weiter, hielt eine Gräfin ihren stattlichen spitzenumwobenen Busen aus dem Kutschfenster und verlangte, dass man die Straße freiräumen sollte. Direkt vor ihr starrte einer der Fuhrmänner welche Fässer entluden, in die fleischliche Pracht und erntete vom Lakai der Gräfin eine Maulschelle, weil dieser es wagte den Busen seiner Herrin anzustarren. Sein Hosenbeutel in Körpermitte spannte sich und die Gräfin ging mit dem zufriedenen Gefühl ihren Busen nicht umsonst, unters Kinn gepresst zu haben. Wenig später war die Rue Eugéne Oudine bis zur Rue Cantagree verstopft, dass Sänftenträger über die Rue Resal auswichen und das Geschrei der Wartenden erhob sich bis über die Seine.

Die Anwohner hier wussten, dass das häufig passierte, denn manchmal sah eine gebrochene Achse oder ein bockiger Zuggaul nicht ein, warum sie einer goldbeschlagenen Equipage Vorrang geben sollten. Für die Einen war es sehenswert, für Andere schlichtweg lästig, für die Meisten ein notwendiges Übel in der einwohnerreichsten Stadt des Landes.

Ungeachtet des Gedrängels und der unzähligen Menschen, öffnete sich die Tür eines kleinen Zweisitzers. Ein Mann sprang hinaus und reichte der geöffneten Tür die Hand. Eine weiße Hand glitt hinein.

Einer der Passanten stoppte, ein Zweiter verharrte still, ein Dritter begann zu träumen, der Vierte träumte und prallte in den Zweiten. Die Frau die der Hand folgte war schön. Sie war wirklich schön. Der Zierrat der Frauen gemeinhin schöner machte, gab ihr nur einen Rahmen. Man konnte viele Worte finden, um sie zu beschreiben oder es einfach bei schön belassen. Der Busen der Gräfin war nur eine ganze Manneslänge wert gewesen. Sie war der Splitter der das Zeitgefüge kurz innehalten hielt. Die Welt atmete erst aus, als sie den zierlichen Sonneschirm vor das Gesicht schob, um es vor den hellen Strahlen der Sonne zu schützen.

Der Mann und die Frau lächelten einander an. In einer Geste inniger Vertrautheit drückte er ihre Hand, während er sie über die Straße führte. Monsieur Gaspar Parfümhändler an der Rue de Rivollin stand zur Mittagsstunde gerade an seiner Ladentür, um sich eine saftige Ohrfeige seiner Frau einzufangen, weil er das Starren nicht unterließ, während der angrenzende Schuhmacher Monsieur Hoffart vor Verzückung ganz aus dem Häuschen geriet, als sie seinen Laden betraten. Für den Rest des Tages mochte er nicht mehr seine Hände waschen, weil er ihren Fuß berühren durfte. Um seine Nachtruhe war es gesehen, weil er die schmalen Fußfesseln bis zur Wade hinauf sehen konnte. Um Madam Hoffart Nachtruhe war es gesehen, weil ihre Mann die schmale Fußfessel und Wade gesehen hatte.
 

„Wir müssen absteigen!“ Aramis glitt von ihrem Pferd und hielt einen der vorbeilaufenden Pariser Straßengören auf, um ihm ihre Zügel in die Hand zu drücken. „Hier Kleiner, nimm das und warte auf uns! Passt du drauf auf, bekommst du eine Kupfermünze. Tust du es nicht, hetze ich ihn auf dich!“ Und ihr Daumen glitt über ihre Schulter, um auf den weniger behänden Porthos zu zeigen. Der Junge beeilte sich zu nicken.

„Komm!“, befahl sie und rannte los. Aramis rannte???? Porthos Augen folgten den Fragezeichen, die aus seinem Sichtfeld verschwanden. Er brachte seine Schwungmasse in Bewegung.

„Beeil dich“, rief sie über die Schulter und tauchte in einer Gruppe Studenten mit den Roben der medizinischen Fakultät ein, die das Spiel lustig fanden mitzuschupsen.

„Ja, ja“. Porthos nahte schnaufend heran und pflügte sich durch übermütige Studentengruppe ohne sich die Mühe zu machen, seine Hände einsetzen zu müssen. Empörte Schreie folgten ihm.

„Willst du sie nun sehen?“

„Ja …ja …“ Das zweite Ja, blieb im Schnaufen hängen. „Dann beeil dich!“ Der blaue Hut mit der wippenden Feder verschwand. Worauf hatte er sich da eingelassen? Der Koloss presste die Fäuste in die Seiten und stampfte los. Er hatte vergessen, wann er das letzte Mal gerannt war. Eine Dame kreischte erschrocken auf, als er sie am Unterrock mitzog, ein Händler mit schwerem Rückenkorb zog es nach hinten und er kippte wie ein gepfählter Baum. Ein Schwarm Hühner rannte ihm zwischen die Beine. Wo kamen die Hühner her? Porthos rannte und rannte und rannte und … den Gesetzen der Physik zufolge, ist es möglich den Aufprall einer bestimmten Masse Y, angetrieben durch eine Geschwindigkeit X, über eine Strecke von Z zu errechnen… die Realität sagte folgendes aus: War eine Masse wie Porthos erst einmal in Schwung und einen relativ kurzen Bremsweg mit minimalem Hindernis, so begrub Masse Porthos, angetrieben durch Schwung das Hindernis namens Aramis. Was folgte war für beide recht peinlich und schmerzhaft. Aramis fiel hart und schwer, da Aramis zu schmal war, fiel auch Porthos hart und schwer.
 

Zwei Köpfe späten gespannt um die Ecke.

„Siehst du, dort steht ihre Kutsche.“

„Warum steht sie?“

Zwei Köpfe sahen wissbegierig zu dem Kutscher auf.

„Guter Mann, wo ist ihre Herrin?“

Zwei müde Augen blickten gelangweilt herab.

„Wer will das wissen?“

„Wir?“

Zwei Köpfe lächelten im synchronen Einklang, zuvorkommend und mit sehr viel Zähnen.

Der Kutscher schwieg. Porthos zog ihn unberührt am Kragenhemd vom Kutschbock und schüttelte ihm. Freundlich sah Aramis zu ihm herab.

„Mein Freund ist etwas ungestüm. Sagen Sie es ihm einfach!“ Der Finger des Kutschers schnellte vor, plötzlich sehr erpicht darauf, die richtige Richtung preiszugeben.

Zwei Köpfe folgten den Finger sehr interessiert zu Monsieur Hoffarts Schuhladen.

Sie näherten sich dem Laden von links, im Querverlauf nach rechts und späten vorsichtig durch die offene Tür. Die meisten Ladenbesitzer ließen angesichts der Nachmittagshitze ihre Türen offenstehen. Niemand war zu sehen.

„Also hier ist keiner.“ Porthos betrat den leeren Laden. Der Verkaufsraum wirkte leer. Für einen Schuhladen hatte er … nun ja Schuhe erwartet. Viele Schuhe und Leder und Holz, Leim und Stoff oder wenigstens einen Verkäufer, aber abgesehen von einer eleganten Sitzgruppe und einzelnen sorgsam drapierten Modellen, war der Raum leer.

„Wo sind die Schuhe?“, flüsterte Porthos verwirrt und da er flüsterte, hatte seine Stimme die normale Tonstärke.

„Das ist nur der Empfangsraum“, zischte Aramis und wünschte, Porthos würde seine Stimme mäßigen. Dieser schaute sich interessiert um und schien auf einmal mit ganz anderen Dingen beschäftigt zu sein. „Ob ich mir hier gleich neue Lederstiefel machen lasse?“

„Schuhe von hier, kannst du dir mit deinem Sold nicht leisten. Komm, wir gehen wieder, Porthos! Porthos?“ Zu ihrem Leidwesen wollte ihr Freund ganz und gar nicht gehen.

„Oh, sind die hässlich“, entfuhr es ihm. „Schau mal, Aramis, die haben einen rosa-gefärbten Pudel draufgeklebt.“ Und beide schauten mit widerwilliger Faszination auf ein Paar Pantoffeln aus Rosaplüsch.

„Oh, an ihren Füßen sehen sie bestimmt zauberhaft aus.“

„Darauf wette ich“, erwiderte Aramis böse und haute ihm die ausgestreckten Finger runter.

Die Atmosphäre hatte sich verändert. Sie wurde „mehr“.

Peinlich berührt drehten beide sich herum. Es herrschte Schweigen. Unangenehmes Schweigen, in dessen unerquicklichen Stille, die beiden Eindringlinge sich Athos und seiner Begleiterin gegenüber sahen. Nun sie hatten sie schließlich gesucht. Nun hatten sie sie gefunden.

Sie waren im Synchronlächeln sehr geübt, sehr breit und mit sehr viel Zähnen. Wobei der Koloss versuchte sich hinter seinen räumlich schmaleren Freund zu verstecken. Dabei presste er die Arme eng an den Körper und zog selbst das Gesicht länger.

„Nun, was wollt ihr hier?“ Athos Blick war streng.

„Ähm …wir interessieren uns für Hauspantoffeln.“

„Wirklich“, Monsieur Hoffart lächelte zuvorkommend und schob sich näher. „Welche?“

„Die rosafarbenden“, kam es einstimmig.
 

„Weißt du, ich würde für so eine Frau töten“, meinte Porthos, als sie beide wieder nur einander hatten. Man hatte sie auf die Straße gesetzt.

„Oder sterben, weil zweifellos dein Verstand ausgesetzt hat und du nicht mehr weißt, was du tust“, schlussfolgerte Aramis.

„Dann sterbe ich halt für sie. Für eine solche Frau kann man auch sterben.“ Porthos schmollte und das ziemlich räumlich.

Sie seufzte. „Welche Verschwendung am Leben, du hättest nichts mehr von ihr.“

„Ich wäre für sie gestorben. Männer die für seine wahre Liebe sterben, finden sicher ewige Glückseeligkeit.“

„Ach ja? Wen willst du fragen“, erwiderte Aramis trocken.

Sie verstand die Männer nicht. Jede Frau besaß doch dasselbe Equipment. Nur ihre Beschaffenheit, Farbe und Anordnung unterschieden sie voneinander. Zu ihrem Verdruss war leider das Gesamtarrangement an Diana de Claivice nahezu perfekt. Sie war sehr beunruhigt.

Karneval

Der König lud sein Volk zum Karneval ein.

Im mittelalterlichen Europa feierte man - zwar in Kirchen, jedoch nicht kirchlich - „Narrenfeste“, vom 12. Jahrhundert bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, um den Epiphaniastag (6. Januar) zu ehren. Aber das ein König seine Stadt zum Maskenball einlud, war neu. Es würde reichlich Gesprächsstoff geben.

Es war der Sommer 1627 in Frankreich. Der Kaiser des römisch-deutschen Reiches befand sich mit Christian IV. König von Dänemark im Krieg. Seit fast zwei Jahrhunderten brachte das österreichische Herrschergeschlecht die Habsburger, den römisch-deutschen Kaiser hervor. Ein weiter Zweig der Familie regierte Spanien und herrschte zudem über die Niederlande. Vom immer größer werdenden Machtbereich der Habsburger, fühlte sich nun auch Frankreich bedroht. Aber Frankreich konnte zu dieser Zeit nur auf die Zeit hoffen. Noch war seine Flotte zu schwach und es stand keine ausreichende Armee zur Verfügung. Deshalb versprach Richelieu dem schwedischen König Geld und Unterstützung und während seine tapferen Schweden die Habsburger beschäftigten, begegnete man der Bedrohung von Außen, mit einer saloppen Geste der Unbekümmertheit von Innen. Frankreich war offiziell noch im Frieden.

… Und ganz Paris sprach davon. Für das gemeine Volk sollte die Arbeit für diesen Tag ruhen. Wenige Wochen vor Beginn des Festes, begannen Handwerker mit der Arbeit an Tribünen und Schaubuden. In den Künstlerwerkstätten, bei den Schneidern und Hutmachern war man emsig am Werk. Die Aufträge häuften sich. Auf der Seine staute es, als Kolonnen von Lastbooten zusätzliche Lebensmittel in die Stadt brachten. Menschen aus dem ganzen Land reisten an. In Herbergen und Gasthäuser war jedes Zimmer, jeder Stallwinkel belegt.

Die Rue de France sollte zur Festallee werden, die Gärten der Tullerien zum Tanzplatz, entlang der Seine wurden Handelsstände von der Voie Georges Pompidue bis zum Quai de Bercy errichtet.

Der König rief und Gauklergruppen, Schauspieler und Sänger kamen. Selbst ein fahrender Zirkus schlug sein Zelt unweit des Place de Victories auf. Der Adel plante prächtige Bälle und der König versprach Musik, Feuerwerk und ein rauschendes Fest im Louvre.

In der ganzen Stadt steckten Gruppen junger Menschen die Köpfe zusammen, die Alten schlugen die Hände über den Kopf zusammen, der Klerus schüttelte missbilligend den Kopf und der Finanzminister ergraute über Nacht. Die glücklichsten Menschen der Stadt waren zweifellos die Bankiers. Frankreichs Nonchalant verschlang die Geldreserven des Staates.
 

Als Monsieur Bonacieux am Morgen des Festes vor die Tür trat, kostet es ihn einige Lebensjahre. Aus dem Nichts sprang ihn ein Mann von grausigem Äußeren an und brüllte wie ein Wahnsinniger. Gemeinerweise hatte der Unbekannte einen Mordsspaß, während Monsieur Bonacieux kurz vor einem Herzinfarkt stand. Monsieur Bonacieux bekam den Schreck seines Lebens. Dem tapferen Schneider schlotterten die Knie, während er verschreckt aufquietschte. Von dem Geschrei angelockt, kamen D`Artagnan und Jean heraus, während sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Fenster öffnete und jemand schlecht gezielte Tomaten auf sie warf.

Jean nahm Anlauf und sprang dem Unbekannten auf den Rücken, während sich D`Artagnan von vorne gegen ihn warf. Der grausige Unhold rang nun mit zwei Angreifern und einen ganzen Eimer fauler Kartoffeln, welche nun aus dem gegenüber liegenden Fenster hagelten, da die Tomaten ausgegangen zu sein schienen. Eine zeitlang rang er mit seinen beiden Angreifern, die wie lästige Blutegel an ihm klebten, dann rief er: „Aufhören!“ Die Stimme klang gedämpft.

D`Artangna stutzte und ließ von dem schaurigen Mann ab, um ihn genauer zu betrachten. Seine Kleidung war zerschlissen und staubig. Haarreste bedeckten einen fast kahlen Schädel, dessen dünne graue Haut sich wie eine Membrane über einem dichten Netz aus dicken Venen spannte. Das Gesicht war von Narben und Beulen entstellt. Er stutzte. Es war eine Maske. Eine täuschend echte Maske, aber eine Maske.

„Porthos?“

„Toll, nicht wahr“, erklang eine Stimme, mit der Resonanz eines Eimers und Porthos nahm stolz die Maske ab. „Von Monsieur Simon, fürs Theater normalerweise.“ Sein echtes Haar klebte ihm schweißnass im Nacken. Monsieur Bonacieux hielt sich noch immer zittrig an seinem Türrahmen fest. Um ihn herum lagen Kartoffeln und Tomaten. Er starrte reichlich schockiert den Musketier an, unfähig ein Wort zu sagen.

Porthos zeigte indes stolz seine Maske den beiden Jungen. „Der Mann ist ein Genie. Seht nur die Venen und Beulen. Ihr habt es für echt gehalten, gebt`s zu!“ Der Stolz in Porthos Augen hatte die Leuchtkraft von zwei 60 Volt Scheinwerfern.

„Monsieur Porthos“, entfuhr es dem alten Schneider schockiert und er griff sich an sein Herz.

„Oh Bonacieux, wieso halten Sie sich an Ihrem Türrahmen fest“, dröhnte Porthos fröhlich. „Oh keine Angst. Heute Abend ziehe ich den neuen Wams an, den Sie extra für mich gemacht haben, versprochen.“ Und er hieb ihm fröhlich auf die Schulter. Bonacieux sah ihn verwirrt an, erntete aber nur ein selbstzufriedenes Grinsen.

„Jetzt gehe ich Aramis suchen und erschrecke ihn derart, dass er sich in die Hosen macht, das Milchgesicht.“

„Warum das?“, wollte D`Artagnan wissen.

Porthos blinzelte verwundert. „Warum nicht, das ist doch lustig? Es ist Karneval, da haben alle Spaß.“

„Und wie willst du Aramis finden? Ganz Paris feiert. Ich meine, alle sind verkleidet, oder haben sogar Masken auf. Er könnte praktisch überall sein."

"HA-HA", brüllte Porthos triumphierend und wedelte mit einem weißen Tuch vor D´Artagnans Nase.

"Damit!"

"Damit?"

"Ja, damit“, und sein Gesicht leuchtete vor Übermut. „Ein Rotztuch von Aramis. Ja, ich habe vorausgedacht", erklärte er und setzte einen Gesichtsausdruck auf, von dem er glaubte, es wirke gerissen.

"Du klaust Aramis sein Taschentuch?", fragte D Artagnan zweifelnd. "Glaubst du, er sucht danach und kommt zu dir?"

"NNNNNNNNnnnein", donnerte der Untote und zog das Nein in die Länge. "Rosinante

wird ihn für mich finden."

"AAAAAAAAAAAA", schoss D`Artagnan hinterher und holte mit einem langestreckten Ah auf.

"Ja, dank der ausgezeichneten Nase deines putzigen Pferdchens, finden wir Aramis."

Das putzige Pferdchen holte aus und stellte die Vorderhufe auf Porthos Zeh ab. Dieser verzog leicht die unteren Gesichtszüge und trat zurück.
 

Aramis lief in Richtung Louvre. Sie war nervös. Ihre Sohlen klapperten hohl über das grobe Pflaster der Straße. Nur noch über die Point Neuf, dann war sie dort. Die blaugrauen Mauern des Königspalastes tauchten vor ihr auf. Sie wusste, dass die gehobene Klasse der Pariser Bürger sich in den Gärten der Tuileries zum Feiern eingefunden hatte. Ganz Paris war ein Straßenfest, doch man suchte auch verborgen hinter Kostümen und Masken Seinesgleichen und wo strahlte der Glanz heller, als beim König selbst.

Sie rannte jetzt die Rue de Rivoli entlang. Seit der Mittagsstunde feierte das Volk. Vormittags hatte sie ihren Dienst beim König versehen und ihn auf seinen offiziellen Gängen schützend begleitet. Für den Nachmittag hatten die vier Musketiere frei. Die Garde des Kardinals schützte das Königsarenal. Sie wusste, dass Athos sich mit Diana de de Claivice traf, so wie fast jeden Tag seit den letzten Wochen. Ein Stich der Eifersucht stach in ihren Herzen. Bevor Porthos fragen konnte, war sie nach Hause geeilt und hatte sich umgekleidet. Die Turmglocke von Notre Damm schlug die zweite Nachmittagstunde.

Aramis war aufgeregt. Sie trug seit über sieben Jahren zum ersten Mal Frauenkleider und fühlte sich merkwürdig schutzlos und nackt. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Die Handflächen waren kalt und klamm, obwohl ihre Haut vor Hitze glühte. Noch hielt sie die Maske in der Hand. Ansonsten sah sie aus wie eine gewöhnliche Schankmagd. Das Hemd schloss am Hals, darüber trug sie ein rostrotes Mieder mit gleichfarbenen Rock. Ihr Kleid war schmucklos und unscheinbar. In der Masse der exotischen Kostüme fiel sie nicht auf. Aramis wollte nur kurz gucken gehen, nur ein wenig sich ihm nähern. Sie wollte ja gar nichts. Sie wollte nicht erkannt werden, sie wollte nicht mit ihm tanzen oder gar reden. Es würde nur Spaß sein. Für Athos würde sie Aramis der Musketier bleiben. Ein Mann, ein Freund, ein Arbeitskollege. Niemals würde sie das aufs Spiel setzen. Ein gefühlsdusliger Teil von ihr, wollte sich nur einmal im Kleid, als Frau, Athos nähern. Die Maske würde sie verbergen. Er würde gar nicht wissen dass sie es war.

Dort waren die Gärten der Tuileries. Bunte Papierlampions hingen von Ast zu Ast und säumten die Köpfe der Feiernden. Blumenbuketts schmückten steinerne Amphoren, Diener eilten mit Platten von Leckerein umher.

Ihr Herz klopfte schneller. Fast wäre sie über den ungewohnten Rocksaum gestolpert. Fahrig fuhr sie sich über den Sitz ihrer Frisur.

Die Menschen tanzten einen Reigen. Eine wogende Masse aus ineinandertanzenden Ketten.

Sie setzte die Maske auf. Das Spiel begann.
 

Athos tanzte mit Diana. Keinen Reigen, sondern eine langsame Paarschrittfolge. Aramis Blick folgte jeden ihrer Bewegungen. Gräfin de Claivice sah so schön, so bezaubernd aus. Sie trug keine Maske und ihre Augen hingen an Athos Gesicht. Sie gingen auseinander. Zwei Schritte, sie trafen sich wieder, ihre Hände berührten sich, ihre Blicke fanden sich. Aramis näherte sich ihnen ohne ihr Zutun. Sie sah jeden zärtlichen Blick, jede zarte Handberührung und spürte die Eifersucht in ihr Herz stechen.

Eine Drehung, zwei Schritte seitwärts, zwei Schritte zurück, ein Blick in ihre dunklen Augen, mit vier Schritten sie umrundet, ein tiefer Blick in seine grauen Augen. Der Tanz der Beiden war nicht für Außenstehende bestimmt. Aramis bemerkte nicht die Hand, die sich zur Tanzaufforderung ihr entgegenstreckte. Sie spürte nicht, wie man gegen sie stieß und ihr etwas zurief. Sie sah nur die beiden. Ihre Kehle wurde trocken und sie schmeckte die bittere Galle. Er würde sie nie so ansehen. Warum ging sie nicht oder sah wenigstens weg? Der tanzende Reigen zerrte seine gefangenen Tänzer durch die geordneten Reihen der Tanzpaare. Mit munteren Zurufen durchbrachen sie die sorgsamen Formationen und hüpften fröhlich zwischen die einzelnen Paare und trennten sie. Doch wer wollte es ihnen an solch einem Tag übel nehmen? Lachend nahm Athos Dianas Hand und führte sie fort. Dabei legte er zärtlich den anderen Arm um ihre Taille und zog sie damit an sich. Die Gräfin lächelte versonnen und lehnte den Kopf an seinen Arm, dass das dunkele Braun ihrer Haare sich wie ein Schleier auf seiner Schulter ausbreitete. Eine kalte Hand griff nach Aramis Herz und drückte zu.

Athos hob den Blick und sah eine Frau, die unbeweglich in der Menge stand und in ihre Richtung sah. Sie war ungewöhnlich hochgewachsen und strahlte Einsamkeit und Trauer aus. Diana flüsterte ihm etwas ins Ohr und er spürte ihren süßen Atem auf seiner Wange. Als er hochblickte, sah die Frau noch immer unverwandt zu ihnen. Sie trug eine Maske und doch kam sie ihm vertraut vor.

Plötzlich passierte alles gleichzeitig. Athos sah in ihre Richtung. Aramis bekam einen Stoß in den Rücken, der sie zwei Schritte näher taumeln ließ. Jemand griff lachend um ihre Taille und riss ihr die Maske vom Gesicht. Erschrocken starrte Aramis in das fröhliche Gesicht des jungen Mannes.

„Na so ein Goldschatz.“ Jauchzte er ihr vergnügt ins Ohr. Bevor sie reagieren konnte, nahm er ihr Gesicht in beide Hände und drückte ihr einen schallenden Kuss auf die Lippen.

„Die ist zu groß für dich“, rief einer seiner Freunde.

„Oh, mehr zum Liebhaben“. Der Fremde zwinkerte vergnügt und kniff ihr in die Hinterbacke, um sich schnell dem losen Ende der Reigenkette anzuschließen und fortzuhüpfen. Schrecklich bleich und erschrocken sah sie Athos an. Diana de Claivice musterte sie nicht unfreundlich, aber uninteressiert.

Athos zog nachdenklich die Brauen zusammen. Sie sah die Veränderung in seinem Gesicht, blickte schnell zu Boden und biss sich auf die Unterlippe. Unter ihren Füßen lagen zertretene Blütenblätter und Papierschnipsel. Wortlos nahm Athos Dianas Hand und ließ sich von ihr fortziehen. Aramis hob den Blick unter den halbgesenkten Wimpern und glaubte weinen zu müssen. Die Schultern sackten zusammen und ihre Arme hingen schwer herab. Der Reigen zog sich um sie herum. Eine Kette lachender, scherzende Tänzer, laute Stimmen, schelmisches Augenzwinkern, vergnügtes Lachen, ein verstohlener Kuss, eine vorwitzige Hand. Niemand beachtete die große blonde Frau mit dem traurigen Gesicht in ihrer Mitte.
 

Porthos stieß einen Laut puren Entzückens aus. „Gleich haben wir ihn.“ Eine Gruppe tanzender Menschen zog an ihnen vorbei und er hüpfte ausgelassen ein Paar Schritte hinterher, weil sie ohnehin in die Richtung lief, in die sie Rosinante führte. Porthos glaubte fehlende Eleganz mit Enthusiasmus wettmachen zu können. Er war in Karnevalekstase. D`Artagnan folgte dem jauchzenden Mann im Gruselgewand, dessen verwestes Gesicht so gar nicht zu dem Freudentaumel passte, mit dem er seinen großen Körper hinter den Tanzenden herzappeln ließ und wünschte sich weit weg. Die letzte Frau in der Schlange drehte sich um, schrie schrill und rannte davon. Der Kopf der Schlange zuckte, sah sich um und bog hopsend in eine andere Straße ab.

„Eigentlich sollte ich bei Constance sein und mit ihr feiern!“, murrte er. Porthos ignorierte ihn und behielt unbekümmert seinen Tanzstil bei. Er stieß einen Triumphschrei aus, als er sah, wie Rosinante hinter einer großen Frau hielt und bestätigend wieherte. Das Pferd ließ seinen Schwanz kreisen. Kein Zweifel. Euphorisch rannte Porthos näher. Die Frau stand mit dem Rücken zu ihnen und war zu sehr in Gedanken versunken, um das Pferd in ihrem Rücken zu registrieren. Das Geschrei der feiernden Massen war viel zu laut.

Berauscht von der Vorfreude und mit einer Inbrunst sprang der riesige Untote ihr vor die Füße.

„Uaaaaaaaaaaaaarg“, Keine Antwort erfolgte. „Uaaaaaaaaaaaarrrr“.

Porthos stutzte und versuchte es erneut. „UUUUUuuuuuuuuaaaaaaaargggggggggg“ Noch ein wenig lauter, „Uuurrrrg“, dann betrachtete sie genauer und riss die Maske vom Kopf.

„Du siehst aber echt aus.“ Aramis war vor Schreck erstarrt.

„Warum siehst du aus wie eine Frau?“

„Es ist Karneval“, stotterte sie hilflos. Seine Blicke glitten immer wieder an ihrem Körper auf und ab, dass ihr schwindlig wurde. Porthos wurde ein ziemlich blasser Untoter.

„Aber du siehst aus … „ Er rang nach Worten, „… du siehst aus wie eine normale Frau.“ D`Artagnan schwieg lieber. Sonst hätte er ihr gesagt, dass sie sehr hübsch aussah. Vielleicht hätte es sie gefreut. So hüstelte er nur gequält.

„Das ist die Verkleidung“, versuchte sie zu erklären. Porthos starrte sie nur verständnislos an.

„Ein Mann verkleidet als Frau“, half Aramis nach. Sein Blick blieb auf ihrem Busen haften.

„Und das da?“ Er zeigte mit spitzem Finger drauf. D´Artagnan verschluckte sich und wurde rot.

Wortlos zog Aramis zwei Sockenpaare aus ihrem Mieder und drückte sie Porthos in die Hand. Porthos sah die Socken an, dann ihre Brust und wieder die Socken in seinen großen Händen. Aramis sah von den Socken zu ihrem Mieder.

„Das sieht dumm aus“, beschloss sie und griff nach den Socken, um sie wieder zurückzustopfen.

„Du bist komisch“, sagte Porthos und runzelte die Brauen.

Sie zog ein langes Gesicht. „Es ist Karneval.“
 

Aramis zupfte sich das Spangenheer aus den Haaren, bis es ihr wieder auf die Schultern fielen. Sie fühlte sich gedemütigt und lächerlich und sehr, sehr einsam. Was hatte sie sich beweisen wollen? Das sie wie alle Frauen war, die sich verlieben konnten und träumten? Es hatte so einfach geklungen. Verkleidete Menschen und Masken.

Sie konnte keine Frau mehr sein. Dieses Leben hatte sie sich schließlich gewählt. Sie würde irgendwann als Musketier sterben, oder vorher durch ein Unglück entdeckt werden und dann sterben. Das war der Weg den sie gewählt hatte. Aramis stolperte nach Hause als die ersten Tropfen fielen. Der zugezogene Himmel verdunkelte sich und öffnete seine Schleusen. Der Regen wischte die Festdekoration hinfort. Die Menschen flohen vor ihm, die Stände schlossen sich, die Gauklertruppen zogen ab. Im Schlamm der Turnierfelder kämpften nur noch die Unerbittlichen. Der Regen zerstörte die Blumenarrangements, durchnässte die Pavillions, die bunten Wimpel, die bemalten Fahnen, spülte Essensreste und die ein, oder andere Maske hinfort. Der Regen vermischte sich mit den Tränen auf Aramis Wangen. Der Rock war nass und schwer, die Haare klebten im Gesicht, der kalte Regen lief ihren Körper hinab. Ein Schuh löste sich von ihrem Fuß und blieb auf der Straße liegen.

Endlich war sie zu Hause.

Sie erschrak, als sie den Schatten im Halbdunkel bemerkte. „Also warst du es doch?“ Es war Athos Stimme, die da sprach. Sie hob hilflos die Hände und schwieg. Ihre Stimme hätte sie verraten.

„Warum?“, fragte er.

„Es ist Karneval“, brachte sie mühsam hervor, weil ihre Stimme brach. „Es sollte ein Spaß sein“, flüsterte sie leise. Er trat näher und sah sie an. Männlich und schön. Sie konnte seinen Duft riechen. Aramis strich sich unbewusste die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Eine seltsam weibliche Geste. Er zuckte zusammen, als es heiß durch seinen Körper fuhr. Er musterte den schlanken Körper im dunklen Licht. Das Kleid hing wie ein nasser Sack herab und irgendwo auf der Straße lagen zwei Sockenpaare. Aramis sah lächerlich aus und sehr verletzlich und doch pochte es in seiner Körpermitte vor unbewusster Erregung. „Es sollte nur ein Spaß sein“, wiederholte sie leise. Athos sah sie mit einem merkwürdigen Ausdruck auf dem Gesicht an. Sie seufzte.

„Geh nach Hause, Athos“, sagte sie müde. „Dort wartet sicherlich jemand.“ Er sah sie schweigend an, sie blickte zu Boden. Eine Weile sagten beide nichts mehr. Dann ging er. Sie blickte weiterhin beharrlich zu Boden, auch als er an ihr vorbeilief. Athos verließ sie mit einem merkwürdigen Gefühl und war reichlich verwirrt.

Verwirrende Gefühle

Rote Schlieren tanzten vor ihrem inneren Auge, als sie sich schmerzvoll aus der Bewusstlosigkeit erhob. Sie fühlte nichts außer Schmerz und Benommenheit. Qualvolle Minuten verstrichen, bevor sie einzelne Geräusche, Gerüche und Bilder ausmachen konnte. Der Schleier vor ihren Augen zerteilte sich und sie sah zu einer niedrigen Holzdecke. Altes Holz, von den Jahren und Holzwürmern fasrig und löchrig, darüber das strohbedeckte Dach. Mit jeder schmerzhaften Minute wurden es mehr Einzelheiten. Sie schob ihre Empfindungen weg von ihrem Körper und den Schmerzen. Ihre Unterlage hart. Das Stroh klumpig, einzelne Halme, die durch die Matratze stachen.

Das Leinen grob, abgenutzt und klamm. Der Raum dunkel und niedrig. Der Geruch von Armut in der Luft. Ein abgestandener Duft nach ungewaschenem Mensch, nassem Stroh, feuchtem Lehm, schalem Essen und Sex? Sie schloss die Augen und verzog angewidert das Gesicht. Es war der süßlich widerliche Geruch, den Männer hinterließen, wenn sie wie brunftige Tiere die Frauen bestiegen und ihren Samen vergossen. Sie hatte einmal den Fehler gemacht, die Lust eines Mannes mit Liebe zu ihr zu verwechselte. Seitdem war der Liebesdienst für sie die Macht, die sie über die Männer besaß und umgekehrt ein verächtliches Lächeln für deren Trieb, der sie in ihre Arme trieb. Sie selbst empfand Sex als widerlich. Hier lag sein Geruch drückend und schwer in der Luft. Es raschelte neben ihr und mit einem Ruck schlug sie die Augen auf, um in das besorgte Antlitz einer Frau zu blicken. Die Unbekannte hatte sich zu ihr heruntergebeugt, um das nasse Tuch auf ihrer Stirn zu wechseln. Sie erstarrte und beide Frauen blickten sich an. Ihr Körper spannte sich zum Sprung bereit an, auch wenn sie nicht die Kraft hatte, auch nur eine Hand zu bewegen. Ihr Atem ging stoßweise. Sie sah in ein Gesicht, das lebensalt schien. Das Halbdunkel der Hütte zeichnete die harten Gesichtszüge weich. Die Frau trug dicke Schminke mit grellen Farben. Augenblicklich wurde ihr klar, welches Gewerbe sie betrieb und warum es süßlich roch. Doch die Augen der Hure waren dunkel und warm. Sie entspannte sich wieder.

„Keine Angst, ich will nur das Tuch auf deiner Stirn wechseln“. Die beruhigenden Worte waren wie ein singendes Flüstern. Im selben Augenblick hatte sie wieder der Schlaf übermannt.
 

Der Wolkenbruch hatte sich verzogen und einzelne verspätete Sonnenstrahlen stahlen sich durch das dichte

Wolkennetz. Athos ging nachdenklich nach Hause. Es war ein merkwürdiger Tag, in mehr als einer Hinsicht. Das Bild von Aramis wollte ihm nicht aus dem Sinn gehen und er spürte, wie die Haare auf seinem Unterarm senkrecht standen. Ein spannungsgeladenes Gefühl ging über seine Haut. Als Athos sein Haus erreichte, glaubte er hinter dem mittleren Fenster Licht zu sehen, dass durch die schmalen Schlitze seiner Fensterläden schien. Er konnte sich aber auch irren. Athos wohnte in einer Gegend in der meist kleine Kaufleute und Händler ansässig waren. Drei Zimmer im einzigen Obergeschoss, eine tiefer gelegte Küche und ein Zimmer im Dach, welches er nie nutzte, nannte er sein eigen, nachdem er das Schloss seiner Vorfahren, gegen den schmalen Sold eines Musketiers getauscht hatte. Seine Möbel waren benutzt und zweckmäßig. Kleine Annehmlichkeiten aufgrund seines adligen Geburtsrechtes, leistete er sich in schweren Weinjahrgängen im Keller, einigen gold-verzierten Rapieren und einer nicht unerheblichen Bibliothek aus den Klassikern seiner Zeit. Ansonsten gab er sich bescheiden.

Seine Hausverwalterin putzte seine Wohnung, eine namenlose Magd nahm seine schmutzige Wäsche und brachte frische zurück, sein Abendessen gab die Garküche und der Müll landete in der Straßenrinne, wo ihn der Regen fortspülte. Athos liebte es wohlgeordnet und überschaubar. Ein Mann konnte nur dann König, Ehre und Vaterland schützen, wenn die notwendigen Dinge ums leibliche Wohl in den unbeachteten Händen fähiger Frauen lagen. Athos war intelligent, gut aussehend und kultiviert. Selbstbewusst, kaum selbstkritisch, nie selbstzweifelnd. Sprich, Athos war von Gott mit all dem gesegnet, was einen Mann seiner Zeit auszeichnen sollte. Er war kein Mann mit stürmischem Gemüt und überhitztem Wesen. Empfindungen ging er eher besonnen an. Seinen eigenen Gefühlen gab er sich reserviert hin. Er mochte sein Privatleben eher unkompliziert. Am liebsten war es ihm, wenn er seine Mätresse besuchen ging. Er empfing sie ungern bei sich zu Hause.

Athos war nach Paris gekommen, um ein Musketier zu werden. Sein einziges Bestreben war es

dem König zu dienen. Bis zu diesem Zeitpunkt war sein Leben durchaus unkompliziert verlaufen.
 

Es war Diane, die auf ihn gewartet hatte. Erst war er ärgerlich, weil sie in sein Reich eingedrungen war, dann erleichtert. Diana war genau die Richtige, um ihn von seinen Hirngespinsten um Aramis zu befreien, um seine schon körperlichen Gefühlen für ihn loszuwerden. Diana war schön, sie war willig und Aramis war vergessen.

Athos spürte wie sein Körper lebendig wurde. Er grinste überlegen, als sich die Vorfreude in seiner Hose bemerkbar machte. Das drängelnde Begehren, gab ihm das Gefühl wieder er selbst zu sein.

Mit der aufgehenden Sonne und der nackten Frau in seinen Armen, hatte er sein inneres Gleichgewicht zurück gewonnen. Sein Leben lag wieder in der richtigen Bahn. Mit der Selbstzufriedenheit ganze drei Mal seine Männlichkeit bewiesen zu haben, dachte er sogar daran, Aramis auf eine gemeinsame Trainingsstunde einzuladen. Ab jetzt begann sein Leben wirklich kompliziert zu werden.
 

Als sie erneut erwachte, war sie alleine. Ihre Hände lagen in dichten Bandagen und auch ihr Gesicht war mit Leinenstreifen bedeckt.

Sie wollte ihr Gesicht abtasten, aber ihre Hände waren zu Fäustlingen verschnürt. Sie fühlte Durst. Ein fauliger Geschmack wie Schwefel lag auf ihrer ausgedörrten Zunge. Sie versuchte sich auf den Unterarmen aufzurichten, aber ihre Kraft reichte nicht. Nachdem die Schliere vor ihren Augen verschwand und das wild pochende Herz sich beruhigte, versuchte sie es erneut. Die fadenscheinige Decke rutschte von ihren Schultern. Sie war nackt. Am linken Oberarm zeichneten sich hässliche Flecke wie Brandflechte ab. Die linke Schulter zierte der Einbrand eines Brandeisens. Selbst nach 20 Jahre verriet es sie.

Die Tür ging auf und mit den Sonnenstrahlen des Nachmittags trat die Hure in die kleine Hütte. Schnell ließ sie sich wieder zurückfallen und versuchte ihren Körper unter der Decke zu verbergen. Obwohl sie jemand vorher ausgezogen und die Brandnarbe und den Ausschlag entdeckt haben musste, versuchte sie ihren Körper zu verbergen.

Die Hure lächelte und stellte den Korb an ihrem Arm ab. Sie war wirklich nicht mehr jung. Eigentlich wirkte sie schon zu alt für ihr Gewerbe, aber manche Männer wählten nicht und was blieb einer Hure, wenn ihre Jugend schwand?

„Du bist wach?“ Sie hatte eine raue, herb klingende Stimme, die zu dem kantigen Gesicht und dem kräftigen Körperbau passte. Die vielen Ecken und Kanten, an dieser gar nicht schönen Frau, flößten ihr Vertrauen ein - soweit es ihr verlerntes Zutrauen gegenüber anderen Menschen zuließ. Ein Teil von ihr, tauchte aus ihrem Kokon auf und stellte sich vorsichtig lauernd auf ihren Gegenüber ein. Sie wollte Fragen stellen, aber ihre Stimme versagte und ihre Lippen rissen unter der ungewohnten Anstrengung auf. Sie leckte sich die spröden Lippen und die Hure griff zu einem Tuch, um es in Wasser zu tauchen. Gierig saugte sie das kühle Wasser. Es tat weh, mit der wunden Kehle zu schlucken.

„Wer seid ihr?“ stöhnte sie mühsam.

Die Hure setzte sich an ihre Bettkante und lächelte milde.

„Jemand der dir helfen will. Du kannst mich Catharina nennen. Ich fand den Namen schön, also nahm ich ihn.“ Sie zuckte gleichmütig mit den Schultern. „Willst du mir deinen verraten?“ Sie überlegte kurz und spielte das Spiel mit. „Danielle“. Die Hure legte den Kopf schief und überlegte. „Auch ein schöner Name. Aber ich behalten meinen.“ Sie wollte ihr helfen, sich aufzurichten. Abrupt warf sie sich auf ihre rechte Schulter, um sie vor Blicken zuschützen.

„Ach Kindchen, “ meinte die Hure sanft, „Lass mich dir helfen“ und zog das kraftlose Bündel Mensch ohne auf Widerstand zu stoßen hoch. Die Decke stopfte sie sorgsam um den eingefallenen Oberkörper fest.

„Schreckt euch das nicht ab?“ Ihr Kinn glitt zur Lilie.

Die Hure zuckte gleichmütig die Achseln. ”Was soll eine gebrannte Lilie eine Hure schon abschrecken. Du bist hier in Ploumeur Hier leben nur Schmuggler, Diebe und Prostituierte, du bist in guter Gesellschaft.”

”Um so merkwürdiger, dass genau sie noch ein Herz für Menschen zu haben scheinen.”

Die Hure lachte freudlos. ”Mein Körper ist stumpf und stumm, mein Herz noch nicht.” Ihre Hand schlug sie auf den Brustkorb. ”Unter dieser Schale schlägt es noch.”

”Dann haltet es gut fest.”

”Die Schale ist dick. Mein Kind, was soll mich denn noch treffen?” Auf einmal leuchteten die härmen Züge in

dem zu früh gealterten Gesicht auf und ließen es sanft und weich, fast schön erscheinen.

„Du wirst schon wieder zu Kräften kommen“, versprach sie.

Sie nickte ernsthaft. „Manchmal möchte man eher zum Tod, als zu Leben und doch klammert man sich daran.“

„Ich schwor mir nicht mehr so tief zu fallen.“ Hohn verzerrte die Züge.

„Warum ist mein Gesicht umwickelt?“ krächzte sie und das Lächeln verschwand aus dem Gesicht der Hure. Sie schwieg und sah sie mitleidig an.

„Gib mir einen Spiegel“, verlangte sie. Die Hure schwieg noch immer und das Mitgefühl auf ihren Gesichtszügen versetzte sie in Wut.

„Einen Spiegel!“ Sie bellte heiser, verschluckte sich und ihr Körper schüttelte sich in Krämpfen, dass das letzte bisschen Leben fast aus ihr wich. Mehrere Minuten vergingen, bevor sie wieder nach einem Spiegel verlangen konnte.

Die Hure nickte jetzt und erhob sich. Sie reichte ihr einen Handspiegel, dessen Spiegelseite sie nach unten hielt. Langsam drehte sie ihn nach oben und ihr Gesicht erschien in der Spiegelfläche und warf ihr Antlitz zurück.

Der Schrei der folgte, kam grell, hysterisch, panisch. Dann fiel sie in Ohnmacht und erwachte für den Rest des Tages nicht mehr.
 

So langsam keimte der Unmut in Aramis. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und klopfte sich nervös mit den Fingern auf den Oberarm.

„Ich wette mit dir um den Grund, warum er später kommt“, erklärte Porthos großspurig.

„Warum?“ murrte sie.

Er sah sie mit großen Augen an: „Warum ich wette? Damit du verlierst.“

„Nein, warum er später kommen sollte?“

„Na wegen eine Frau“, Er gab sich überlegen. „3 ‚Sou dass eine Frau dahinter steckt.“

„Er hat mir doch extra eine schriftliche Nachricht zukommen lassen, dass er sich mit mir um ein Uhr Nachmittags verabreden will. Das ist nicht Athos Art Verabredungen zu Verschieben, wegen so einer Nichtigkeit wie eine Frau. Es ist irgendetwas passiert.“, widersprach sie ärgerlich. „Gut, die Wette gilt.“

Porthos grunzte empört „Eine Frau ist keine Nichtigkeit. Mit dir stimmt wirklich etwas nicht.“

Endlich näherte sich Athos vergnügt pfeifend. Er hatte seine Beweisarbeit auf ein viertes und fünftes Mal ausgedehnt und über sprudelndes Testosteron die Zeit vergessen.

In seinem Überschwang, übersah er beflissen den säuerlichen Ausdruck auf den Gesichtern seiner Freunde. Die Frage nach dem Grund seines zuspätkommens überhörte er großzügig. Der kurze Ausdruck von Schuldgefühl als Porthos ihn direkt auf den Grund ansprach, verriet ihn jedoch.

„3 Sou, also“ Porthos grinste selbstgefällig. „Ich hab es dir schon einmal gesagt, es ist immer eine Frau. Ich bekomme 3 Sou von dir.“

Aramis schmollte und schob die Unterlippe vor.

„Du hast geschummelt.“

„3 Sou und keinen Heller weniger.“ Die geöffnete Hand wippte fordernd mit den Fingern.
 

Porthos ging seinen neuerworbenen Gewinn in Nährwerte umzuwandeln und die beiden Musketiere machten sich auf den Weg zur Trainingshalle. In diesem Sommertag lang eine gewisse Unbeschwertheit, die die Herzen der Menschen leichter machte. Athos hatte sich wieder gefangen und zeigte das gewohnt gleichmütig ruhige Bild von sich. Er freute sich auf einen anständigen Kampf. Es gab kaum Gegner die ihn forderten. Zu den wenigen gehörte Aramis und auch wenn er der bessere Degenfechter war, weil er ihr an Kraft und Ausdauer überlegen war, würde er all seine Konzentration und sein Können brauchen, um nicht zu unterliegen.

Aramis sah ihn von der Seite an. Athos war kein Mensch der schnell vergaß und doch verriet er mit keinem Blick oder Geste, was gestern vorgefallen war. Es lag keine Spannung mehr zwischen ihnen in der Luft und fast schien es so, als hätten sie in ihren alten Umgang miteinander zurückgefunden. Ihr Herz schlug schneller und sie sah immer wieder unauffällig zu ihm. Durfte sie hoffe, dass alles wie früher wurde?

Die Trainingshalle war ein langgestrecktes Gebäude, das an einen großen Stall erinnerte. Der Boden war aus festgetretenem Sand. Obere schmale Fensterschlitze schützten vor einer direkter Sonnenblendung der Kontrahenten. Es gab Rapiere aus gepolstertem Stahl, hölzerne Übungspuppen und Umkleidekabinen. Die Halle war für die Allgemeinheit zugängig und dennoch bezweifelte Aramis, dass je eine andere Frau außer ihr, dieses Heiligtum mit ihrer Selbstverständlichkeit betreten hatte.

„En Garde“, rief Athos vergnügt und griff spielerisch an. Aramis parierte leichtfüßig und spielte den Vorteil schneller und behänder zu sein aus. Beide bewegten sich wie im Tanz auf einander zu, wichen sich aus und griffen an. Bald hatte sich eine dichte Zuschauertraube um sie gebildet. Die Zeit verging. Schweiß stand auf beiden Gesichtern und Athos spürte, wie die Anstrengungen der vergangen Nacht seinen Körper schwächten und seine Ausdauerkraft minderten.

„Was ist denn mit dir los?“ Sie lachte spöttisch. „Du bist heute keine Herausforderung für mich.“

Angetrieben von ihrem Spott, stürmte er los. Sie wollte beiseite springen, verkeilte aber ihre Füße ineinander und blieb stehen. Athos der ein Ausweichen erwartet hatte und mit einer direkten Finte angriff, kam nicht mehr zum stehen und stürzte auf Aramis, den Degen gerade noch rechtzeitig wegreißend. Er traf sie mit voller Längsseite und riss sie beide zu Boden.

Er lag auf ihr. Beide versuchten gleichzeitig aufzustehen und sich zu entwirren. Sie verkeilten sich nur noch mehr ineinander. Er fühlte ihre Wange an seiner, er roch den Duft ihrer Haare, er spürte ihren Körper unter sich … und plötzlich begann sein Körper, der eigentlich keine Kraft mehr haben durfte, sich zu regen.

Er fühlte es mit aller Deutlichkeit. Gehetzt sprang er auf. Hatte Aramis gespürt, wie es um ihn stand? Er blickte sie panikerfüllt an. Aramis sah vom Boden aus verdattert zu ihm auf. Das schlimmste war, dass er sich sofort wieder auf sie stürzen wollte. Das er sich danach sehnte, den Körper seines Freundes wieder unter seinen zu spüren. Sein Denken bekam etwas raubtierhaftes. Es spiegelte sich wohl in seinen Zügen wieder. Schnell sprang Aramis auf die Beine und rieb sich die schmerzenden Arme.

„Wir sollten aufhören“, murmelte sie und sah zu Boden.

Wie in Trance nickte Athos, drehte sich um und stürzte davon. Verwirrt sah sie ihm nach.
 

Als er die Rue de Marzarin Wie ein gehetztes Tier herunterlief, fing er an zu beten. Vielleicht zermalmte ihn Gott und setzte ihn neu zusammen. Wenn er dann neu erstanden war, war es wie früher. Nicht, dass er Aramis als Freund aufgeben oder gar nicht mehr sehen wollte. Er wollte ihn nur einfach nicht lieben.

Tränen

ramis lag wach in ihrem Bett. Sie lag nackt und lang ausgesteckt auf ihrem Bett in der dunklen Nachtkammer. Die kühle Nachtluft strich über ihre bloße Haut. Es war still und sie lauschte ins Dunkel ohne sich zu rühren. Ihr Atem ging flach.

Der Nachtwächter rief die dritte Nachtstunde aus. Eine Gruppe betrunkener jugendlich-tollkühne Raufbolde zog marodierend die Straße hinab, bis sich der muffig stinkende Inhalt einer Nachtschüssel über sie ergoss. Die Frau schrie erschrickt auf, als die tollwütigen Männer kurzerhand ihre Tür zertrümmerten und in das Haus eindrangen. Ihr Schreien hallte schrill die nächtliche Gasse hinunter, als sie ihren Mann im weißen Nachtgewand ergriffen und in die leere Regentonne steckten. Der Nachtwächter sah, wie sie ihn lachend die Gasse runterrollten. Er lief davon, um die Männer des Kardinals zu holen. Die Männer waren reich, ihre Familien privilegiert. Das Gesetz galt ihnen nicht. Der Rest des Viertels schlief oder stellte sich schlafen. Der arme Mann rollte.

Dann war es wieder still. Beim anfänglichen Lärm, hatte Aramis reflexartig die Decke über ihren Körper gezogen. Nun schob sie sie wieder beiseite und lauschte. Die Schatten der Nacht krochen aus ihren dunklen Ecken hervor. Mit ihr die angstgepeinigten Gefühlen der schlaflosen Menschen. Ihr Herz schlug plötzlich schneller. Sie legte ihre Hände auf die Schlüsselbeine und strich andächtig und langsam über ihre Körper hinab, fast staunend, einen Frauenkörper zu fühlen. War er schön? Noch war er jung und unverbraucht, vielleicht zu groß und schlank, mit Muskeln und vielen Narben. Aber die Haut war weich und glatt, die Rundungen von Busen und Po, fest und rund. Würden je Männerhände über die weiche Haut streicheln, sie küssen, halten und schön finden? Das Gefühl von plötzlicher Einsamkeit brach über sie ein. Sie vermisste Francoise, eine Vertraute, jemanden Eingeweihtes. Doch da war niemand und der Weg den sie gewählt hatte, war ein einsamer Weg. Ihr Herz tat plötzlich weh. Aramis drehte sich auf die Seite und zog die Beine eng zum Körper an, beide Arme um sie geschlungen. Sie hatte Angst etwas zu verlieren und wusste nicht einmal was.

Am nächsten Morgen hatte sie sich wieder gefangen, übernächtigt zwar und müde, aber mit passender Maske.

Der neue Tag brachte wieder Sonne und Hitze.
 

Es war eine einsame Nacht gewesen und sollte ein merkwürdiger Tag werden. Die Hitze lähmte die Stadtbevölkerung. Der König hatte sich in seine Gemächer zurückgezogen, nachdem er die Tagesgeschäfte zermürbend über die königlich trägen Gedanken hatte fließen lassen. Nun hing er müde auf einer Chaiselongue und jagte Fliegen. Der Kardinal kämpfte mit einem heftigen Anfall Schizophrener-Angst-Attacken und die Königin hatte Migräne. Ihr Hofstaat samt Gardetruppe war in die Untätigkeit entlassen.

Im Hauptquartier der Musketiere harrte man aus. Die Dienstzeit sah eine strickte Bereitschaft und Anwesenheit im Hauptquartier vor, ob es nun Arbeit gab oder nicht. Wurde der König nicht bewacht, wurde die Fechtkunst geübt. So standen sie dichtgedrängt im Schatten des großen Baums im Hof und stachen müde auf die Luft und Fliegen ein. Übermütige Musketiere gab es derzeit nicht. Ihnen stand nicht der Sinn nach Wein, Weib und hemmungsloser Abenteuerlust.

Porthos jagte Fliegen und seine Langeweile. Der Koloss seufzte. Er litt an Hitze und Einsamkeit. Wo war Athos? Wo war die unbeschwerte Geselligkeit des berühmt berüchtigten Quartet. Es blieb nur die Erinnerung und für einen Moment stahl sich ein kurzes glückseliges Lächeln über die Mondgesichtszüge. Porthos sah sich gern in einem endlosen Jugendtraum, - vorwährender Spaß, Freßgelage und Abenteuer. Er seufzte und sah zu seinem heute sehr schweigsamen Freund, der Löcher in die Luft starrte und in ihm erwachte der unstillbare Drang, Aramis kräftig eine runterzuhauen.
 

Aramis schlängelte sich am Quai des Gesvres durch die Händler, die ihre Waren einpackten und langsam nach Hause rollten. Ihre Schicht war zu Ende. Als sie den Weg zu ihrem Haus einschlug, stand die Sonne schon tief und ihr Magen knurrte mit leerer Bauchhöhle. Porthos hatte sie gebeten mit ihm und D`Artagnan ins St. Michael zu gehen, aber ihr stand nicht der Sinn danach. Im Dienst war sie heute schweigsam und zurückhaltend gewesen. Die Hitze drückte zusätzliche auf ihr Gemüt und die Müdigkeit machte ihr zu schaffen. Heute trug sie die Last ihrer Verkleidung besonders schwer. Es wurde Zeit, dass sie nach Hause kam und in die Kälte ihrer Küche flüchtete. Am Place de Revolin war der Pranger heute besetzt. Ein Hund flog dem armen Verurteilten entgegen und biss jaulend dessen Ohr ab. Die Menge jodelte. Am Place de la Grave drängelten sich die Frauen um den öffentlichen Brunnen, da das Wasser langsam versiegte. Sie schwatzten aufgeregt, wie eine Schar aufgebrachter Hühner. Dabei beugte sich einer der Mägde hinunter, griff in das Wasser und ließ das kühle Nass über ihren Nacken laufen. Das Wasser lief ihren Nacken herab in das Tal zwischen ihren Brüsten. Ein junger Mann verharrte still. Sie hob wie zufällig den Blick unter dem dunklen Kranz ihrer Wimpern und sah zu ihm hin. Ihre Hand fuhr über ihren Nacken herunter, dabei pressten ihre Arme noch mehr Fleisch aus ihrem Mieder. Der junge Mann wurde rot und gaffte weiter, bis ein daherkommender Pfaffe den gaffenden jungen Mann keifend weiter trieb. Ein tadelnder Blick traf die junge Frau.

Die Magd lächelte fein und selbstzufrieden. Aramis war stehen geblieben und beobachtete die Szene. Es war ein altes Spiel.

Sie wollte weitergehen, als sich plötzlich vom anderen Platzende her ein Paar näherte. In letzter Zeit ein wohlvertrautes Bild. Sie erstarrte und sah sich hektisch um.

Nach Links oder geradezu zu gehen, hätte bedeutet, ihnen direkt in die Arme zu laufen. Zurück ging es nicht, weil hinter ihr eine Sänfte den Weg versperrte. Der Ausweg blieb ein Sprung nach rechts und ohne sich um ihr genaues Ziel zu kümmern, sprang Aramis direkt in eine Gruppe sorgsam behüteter Klosterschülerinnen hinein, die vom Stundengebet kamen und es gar nicht so lustig fanden, dass es einen Mann in ihre Mitte verschlug. Die Mädchen kreischten auf, der Hyänenhals der Oberin richtete sich auf, witterte, erspähte den scheinbaren Mann und scheuchte den Sittenstrolch unsanft aus ihrer Mädchenschar. Ein paar Passanten blieben stehen und lachten. Aramis sah sich schädlich wieder aus der Menge hinausgetrieben und stand noch mit hochrotem Kopf Athos und seiner Begleiterin gegenüber. Beide musterten sie, Aramis glühte und kuckte ziemlich dämlich.

Athos zog beredend eine Augenbraue hoch.

„Was war das?“

„Ich … ich wollte … ich.“ Nun stotterte sie sogar noch. Sie zuckte hilflos die Achseln, grinste noch dämlicher und schwieg.

„Sind sie nicht ein bisschen jung für dich“, tadelte Athos scherzhaft. Seine Mundwinkel zuckten. Aramis stotterte noch mehr und trat hilflos von einem Bein auf das andere. Sie spürte, wie die Gräfin sie interessiert musterte. Ihr Blick ruht auf ihrem Gesicht und sie runzelte leicht die Stirn.

Athos wandte sich an Diana de Claivice und wies mit der Hand auf Aramis.

„Du erinnerst dich sicherlich an meinen Kollegen, meine Liebe.“ Ihre Gesichtszüge glätteten sich wieder und sie erwiderte mit „Monsieur Aramis, es freut mich Euch wiederzusehen.“

Aramis schluckte hart und verbeugte sich zuvorkommend. Die dunklen Augen sahen sie jetzt freundlich und zuvorkommend an. Das war es ja. Nichts an ihr, zeigte Aramis, dass sie nicht gut für Athos war. Sie war wunderschön, anmutig und sanft.

Beide sahen sie in tadelloser Erscheinung an. Die Hitze schien ihnen nichts auszumachen. Ihre Kleidung saß, ihr Haar lag, ihre Zähne glänzten. Aramis schlürfte, schmorte und transpirierte. Wann immer sie Diana de Claivice in seiner Nähe sah, wurde Athos ihr fremd und jetzt bat er sie förmlich, sie besuchen zu dürfen, wenn er Diana bei ihrem Hotel abgeliefert hatte. Aramis blieb nichts weiter als mechanisch zu nicken, sie förmlich zu verabschieden und sehr nachdenklich nach Haus zu gehen.
 

Die folgende Szene würde Aramis immer im Gedächtnis bleiben. Es war schon dunkel, als Athos endlich kam.

Ihr Kopf war leer und sie wusste nicht recht, was er von ihr wollte. Viele merkwürdige Dinge waren geschehen und zwischen ihnen beiden war es nicht mehr wie früher. Doch was kam, traf sie unerwartet und damit umso schrecklicher.

„Möchtest du etwas essen?“ Sie drehte sich in der dunklen Küche um die eigene Achse, um ihr Geschirr zu suchen. Der Kopf war leer. Athos stand ruhig und vollkommen beherrscht hinter ihr. Er sprach leise, fast emotionslos.

”Aramis, ich werde heiraten.”

Sie erstarrte in ihrer Bewegung. Aramis stand mit dem Rücken zu Athos und hielt den Teller in ihrer Hand. Der Teller entglitt ihren leblosen Händen und fiel zu Boden. Es klirrte, als er in tausend Teile zerbrach. Sie stand in dem Scherbenhaufen und konnte sich nicht rühren. Der Herzschlag hatte sich um ein fünffaches beschleunigt, das Blut rauschte in ihren Ohren und ihre Knie zitterten. Ihr war elendig, ihr war schlecht, sie fühlte das Würgen von Tränen und Schluchzern in ihrer Kehle.

Verwundert sah Athos den regungslosen Rücken seines Freundes an und bückte sich, um die Tonscherben aufzuheben. Mit den Scherben in der Hand, umrundete er Aramis und kam vor ihr zum Stehen. Aramis Hände zitterten und das Gesicht war aschfahl. Dies war keine Reaktion eines vernünftig denkenden Menschen.

”Was ist mit dir?”

Aramis schüttelte unter zusammengepressten Lippen den Kopf. Wenn sie jetzt den Mund öffnete, war es um ihre Selbstbeherrschung geschehen. Eine Sintflut aus Tränen wartete auf ihren Ausbruch.

Athos riss die Augen auf und starrte sie wortlos an, als ihm bewusst wurde, was der Gefühlsausbruch seines Freundes zu bedeuten hatte. Es war Liebe. Verzweifelte, aufzehrende, bedingungslose Liebe, die sich Mann und Frau entgegenbrachten. Doch war sie weniger heftig, weil Aramis für ihn ein Mann war? Athos fiel es wie Schuppen von den Augen und Worte, Handlungen und Reaktionen, die er vorher nicht verstanden hatte, waren ihm jetzt klar. Er wusste nicht was er sagen sollte oder wie er ein Gespräch beginnen musste. Hier stand nun sein Freund vor ihm und zeigte ihm deutlicher als es je Worte vermocht hätten, das er ihn liebte. Vielleicht hatte Aramis schon immer Männer geliebt. Athos selbst konnte sich nicht mehr vorlügen, wie sehr er sich zu diesem Mann hingezogen fühlte. Mit Aramis Erwiderung dieser Liebe war die letzte Barriere gefallen. Er durfte Aramis nie zeigen, wie es um ihn bestellt war, sonst gab es kein Zurück mehr. Das hier durfte nicht sein. Es waren

keine Zeiten der Griechen und Römer mehr, wo gleichgeschlechtliche Liebe erlaubt war. Ihr beider Seelenheil war in Gefahr. Er wagte es nicht einmal Aramis zu berühren.

”Ich gehe jetzt”, flüsterte er fahrig und stürzte davon. Das Zittern übermannte Aramis und sie brach zusammen. Hilflos auf ihren Knien sitzen vergoss sie nicht enden wollende Tränen über Tränen und schluchzte sich die Seele aus dem Leib.

Porthos Leiden

Die kommenden Wochen geschah etwas merkwürdiges. Athos verwandelte sich in einen Grafen.

Die Veränderung begann ganz allmählich. Der Stil seiner Kleidung wurde exquisiter, sein freizeitlicher Umgang erkletterte von der unteren Stufe ihrer Stammschenke, die oberen Sprossen der gesellschaftlichen Schicht. Aus Athos wurde Graf de la Fere und hatte sich der wahre Status und Name des Musketiers erst herumgesprochen, häuften sich die Einladungen bei denen er, am Arm seine zauberhafte Verlobte, erscheinen musste. Dafür verschwanden die Abende, die er mit seinen einstigen Freunden verbracht hatte. Stück für Stück wurde aus dem Musketier wieder der Graf.

Nachdem Aramis die Nachricht erst einmal verdaut hatte, gestand sie sich selbst ein, dass es so kommen musste. Selbst wenn er herausfand, dass sie in Wirklichkeit eine Frau war, gehörte sie nicht zu dem Frauentyp, den Athos bevorzugte und für sie selbst war vollkommen klar, dass er auch nie das geringste romantische Interesse an ihr äußern konnte.

Porthos nahm die Nachricht von Athos baldiger Hochzeit schlimmer auf. Für die folgenden Tage verfiel der Koloss in depressive Stimmung. Es nahm beängstigende Formen an, als ihm der Appetit versagte. Binnen einer Woche lag sein Wams in Falten um seinen Leib. Nachdem Porthos selbst den Huren im Bordell entsagte, auf Arbeit nicht erschien und Rauferein aus dem Weg ging, war das schmaler werdende Gesicht und der apathischen Ausdruck in seinen Augen, die erschreckensten Anzeichen seiner seelischen Verfassung. Aramis beschloss etwas zu unternehmen. Die Sorge um Porthos hatte sie abgelenkt und so glaubte sie, Athos sogar normal begegnen zu können.

Um wirklich sicher zu sein, schnappte sie sich D’Artagnan und zerrte den verdutzten Jungen vor Athos Haustür.

Energisch klopfte sie gegen das Holz, um ja den Nachdruck zu behalten, der sie hierher getrieben hatte.

Verwundert blickte Athos seine beiden Eindringlinge an, die kaum das sich die Tür geöffnet hatte, in sein Heiligtum gestürmt waren. Nicht nur, dass sie unverhofft bei ihm eindrangen; -nachdem die Notwendigkeit der Situation erklärt war und Aramis von kleinen stimmlichen Patzern mit Oktavensprüngen und zittrigen Knien das Wiedersehen mit Athos überstanden hatte, sah er sich auf die Straße gesetzt. Das Trio zog weiter und fiel wie das Donnergericht bei Porthos ein.

Ihr Freund litt. Das Ende der vier Musketiere kam seiner persönlichen Apokalypse gleich. Mit der ganzen Leidenschaft, mit der Porthos Trinken, Kämpfen, Frauen beglücken und allem voran Essen konnte, gab er sich seinem Leiden hin. Der vierte Musketier lag, alle Glieder von sich gestreckt auf seinem Bett und starrte zur Decke. Seine entzündeten Augenlieder nahmen mit einer gewissen Genugtuung wahr, dass man sich um ihn bemühte. Dunkle Bartstoppeln bedeckten sein Gesicht.

„Bonjour, meine Freunde“ begrüßte er sie, mit einer vor Selbstmitleid rauer Stimme und die rotgeränderten Augen sahen mitleidig zu ihnen auf. „Was verschlägt euch in mein bescheidenes Heim?“ Das bescheidene Heim hatte sich in eine muffige Hütte mit verdunkelten Räumen und einen Haufen Fliegen, als Untermieter verwandelt, die zufrieden um seinen vollen Nachtopf kreisten.

„Athos“, seufzte er glückselig und rollte mit den Augen. Eine Hand verscheuchte träge den übelriechenden Dunst, der seinen Mund entrang. Aramis stieß die Fensterläden auf, um tief durchzuatmen. Ihr Patient stöhnte gequält und kroch in sich zusammen.

„Was soll das, Porthos?“, fragte Athos streng und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Mein lieber Athos, erinnerst du dich noch an die kleine Blonde aus Faubourg St. Victor?“

Athos blickte verständnislos.

„Du hast sie vor einem Jahr ein paar Mal besucht.“

„Du meinst Caroline?“

„Heißt sie so? Ein nettes Mädchen“, Es folgte eine Atempause.

„Nun,“ Er nahm den Faden mit schwächenden Stimmchen wieder auf. „Ich wollte sie besuchen.“ Pause. „Erst sagte Sie nicht einmal etwas.“ Pause. „Sie lachte.“ Pause „Dann brüstete sie sich mit dir. Da wusste ich, es ist vorbei.“ Er seufzte unglücklich und der dunkle Flaum aus der losen Hemdöffnung seines schmuddligen Nachgewands erzitterte. „Alles vorbei, Porthos sagte ich mir. Mach dir nichts vor. Dein Vater ein einfacher de Portau, ein Sekretär. Und er ist Protestant.“ Porthos heulte und schnäuzte sich laut. „Meine Freunde, verurteilt mich nicht“. Er schniefte. „Er … „ Seine Hand wies auf Athos, „Er ist ein de Sillègue de Fere, mit dem richtigen Stammbaum und der richtigen Religion. Und nun geht er. Die Zeit der vier Musketiere ist vorüber“, Er richtete sich halb auf den Unterarmen auf. „Ich spüre Schmerzen im Rückrat, auch meine Zeit ist vorbei. Ich stinke schon nach Tod.“

„Das ist dein Atem, Porthos.“ stellte Athos sachlich richtig und versuchte nicht zu lachen. „Du bist ein kerngesunder Mann, in den besten Jahren.“

Es folgte eine Standpauke, die Porthos Tränen in die Augen trieb. Ein Musketier hatte sich nicht so gehen zu lassen. Eine gewisse Contenance musste bewahrt werden. Heulend bat er um Verzeihung, welche ihm nur gnädig widerwillig gewährt wurde, weil es sonst die Dramaturgie verdorben hätte.

„Und nun?“

„Nun gehen wir einen Trinken.“

Ihr Patient strahlte und wischte sich eine Krokodilsträne fort. „Wie könnte ich das ablehnen, wo du das so hübsch ausdrückst, aber … ich bin zu schwach.“ Das Bettgestell ächzte, als sich knapp 200 Pfund zurückfallen ließen. Zu dritt stemmten sie ihn hoch. Zwei zogen ihn auf die Beine, einer drückte von hinten. Aramis rümpfte die Nase.

„Wir sollten ihn vorher in die Regentonne stecken, wenn er nicht so dick wäre. Pfui, Porthos, du solltest dich schämen!“, schimpfte sie, weil sie unter seiner schweißstinkenden Achselhöhle hockte.

„Ja, bei Monsieur Simon im Theater wärst du gut aufgehoben“, pflichtete D`Artagnan ihr bei und stemmte beide Hände in das breite Hinterteil.“

Porthos schmollte. „Ihr seid ungerecht. Ich leide.“

„Reichen dir denn D`Artagnan und ich nicht?“

„Ph, ein Hänftling und ein Milchgesicht“, schnaubte es hoheitsvoll. „Es ist übrigens nett von dir, Aramis, dass du mir einen ausgeben willst.“

„Wer sagt denn so was?“

Er schniefte laut. „Ihr seid echte Freunde.“

Athos schielte unter der rechten Armbeuge hervor. Dieses Geplänkel würde ihm fehlen … und noch einiges mehr. Sein Blick glitt zu Aramis. Sein Herz bekam einen Stich.
 

Es wurde ein netter Abend mit viel Bier und Wein, einer anständigen Kartenrunde mit nicht unerheblichen Verlusten und etlichen derben Witzen, die mit zunehmendem Alkoholpegel erheblich an Niveau verloren. Ein jeder der vier gaukelte sich vor, es wäre wie in alten Zeiten und würde immer so bleiben. Leider kam mit dem Kater und dem Erwachen aus der Beseligung eines anständigen Saufgelages, die bittere Erkenntnis, dass sie bald nur noch zu dritt waren. Wobei sich schon die Dritte im Bunde fragte, wie lange der Glücksstern Fortuna noch ihr wahres Geschlecht verbarg.

Zwei Tage später, Aramis stand bei Monsieur Brix am Point St. Michel in seinem Buchladen. Am Point St. Michel drängelten sich die Buchläden dicht an dich, fahrende Buchhändler standen an der Seine, wegen des nahe gelegenen Collége am Point Royal. Aber nur wer wirklich gute und manchmal auch verbotene Lektüre suchte, ging zu Monsieur Brix. Seit der Amtszeit des Kardinals als erster Minister im Lande, hatte sich die Bücherzensur verstärkt, was das Abenteuer des Lesens noch aufregender machte, aber nicht jeder wackere Buchhändler mochte diese Abenteuerlust teilen.

Zurück in Monsieur Brix´s staubigen, nach Mottenpulver, Leder und alten Buchseiten riechenden Ladenraum, mit den bis zur Decke reichenden Regalen, die sich in langen Reihen durch den Verkaufsraum zogen. Licht mochte Monsieur Brix nicht, weil es die Farbe der Einbände ausblich und so hatte es jeder Kunde schwer, in den dicken oder dünnen Büchern, schweren Wälzern, Broschüren oder Heften zu schmökern. Monsieur Brix war wie seine Bücher vom Wesen her staubig und alt. Doch das Wissen, dass hinter der hohen kahlköpfigen Stirn und den kleinen flinken Augen lag, war grenzenlos, wie die endlosen Reihen seiner Bücher.

Aramis fühlte sich wohl bei Monsieur Brix und kam ab und zu bei ihm vorbei, um ein Buch zu kaufen, obwohl sie ein sparsamer Mensch war. Sollte sie, was fragwürdig war, doch mit ihrer Verkleidung noch einige Jahre durchkommen, dann benötigte sie ein ausreichendes finanzielles Ruhepolster. Das hieß bis dahin, Gesundbleiben, keine Verletzungen und das vermeiden jeglicher Ärztekonsultation, - ein Zustand, den der Berufsstand eines Musketiers nicht gerade förderte. Nun stand sie gerade zwischen der schweren Entscheidung eines fragwürdigen Schiffberichtes über die sogenannte neue Welt und einer kritischen Gesellschaftsanalyse, die es von der verbotenen Liste des Kardinals, unter den Ladentisch von Monsieur Brix geschafft hatte. Sie war abwechselnd in beide Lektüren vertieft. Sie beugte die Nase bis in das Buch hinein, um im Funzellicht, etwas lesen zu können. Die Ladenglocke bimmelte und die schnarrige mit sparsamer Freundlichkeit bestückte Stimme des Buchhändlers erklang. Seine Kundin sprach. Diese Stimme kannte sie. Aramis Kopf schnellte hoch und sie schielte vorsichtig um die Ecke, den Finger umsichtig zwischen die gelesenen Seiten geklemmt.

Vor der Ladentheke stand Diana de Claivice und gab mehrere Bücher in Auftrag. Monsieur Brix schrieb emsig mit. Eine Stundenbibel, ein Lösungsbuch, leichte Liebesgedichte, eine naturwissenschaftliche Sammlung über heimische Pflanzen und ein Werk über tugendhafte Ehefrauen. Aramis zog angewidert die Nase kraus. Die Namen der Werke kamen ihr äußerst bekannt vor. Solche Bücher schlugen umsichtige Tanten zur Eheschließung vor. Ihr kam Tante Julliett in den Sinn und sie seufzte. Oh, nein, nie wieder würde sie sich mit einem ganzen Buch voll schwachsinniger Liebesgedichte mit abgedroschenen Phrasen abgeben, dessen Schwülstigkeit in ihrer Nase kitzelte oder eine ellenlange Abhandlung über die Butterblume.

Wie immer, wenn sie Diana sah, verkrampfte sich ihr Herz vor Eifersucht und sie betrachtete widerwillig fasziniert die zierliche Gestalt in dem eleganten Kleid. Bald würde sie Athos Namen tragen, bald mit ihm auf sein Schloss ziehen, Teil seiner Familie werden und selbst eine Familie gründen. Doch das war ihr eigentlich egal. Der Athos den sie kannte, war ein namenloser Musketier aus der Rue de Saint Martin nahe des Temple, mit einem bescheidenen Haus von zwei Zimmern und einem ungenutzen Zimmer unter dem Dach. Mit diesem Athos würde sie das Bett teilen, Zärtlichkeiten austauschen und empfangen und dieses Wissen schmerzte. Die einzelnen Frauenbekanntschaften hatten nicht sein Herz berührt, nur seine Begierde. Doch bei Diana war das anders. Ohne es besser zu wissen, gab sie Diana die Schuld, dass Athos sich von ihnen distanzierte. Von seinen verwirrten Gefühlen ihr gegenüber ahnte sie nichts.

Aramis war derart mit Beobachten vertieft, dass sie nicht mitbekam, wie sie ihrerseits beobachtet wurde.

Sie fuhr dementsprechend erschrocken zusammen, als ihr jemand sachte auf die Schulter tippte und ließ polternd eins der Bücher fallen. Erschrocken sah sie sich Athos gegenüber.

„Ließt du oder stierst du?“ fragte er und bückte sich nach dem Buch.

Erwischt. Sie fühlte sich ärgerlich erröten und runzelte die Stirn. „Ich lese“, erklärte sie hochmütig und blätterte energisch um.

Er lächelte? „Verkehrt herum?“

Ertappt. Sie zuckte leicht die Schultern. „Mich interessierte eben, was Frauen so lesen.“

„Und sind deine Fragen beantwortet?“

„Butterblumen.“

„Butterblumen?“, fragte er verwirrt.

„Ja“, erwiderte sie gedehnt. „Butterblumen.“ Und griff nach ihrem Buch in Athos Händen.

„Und was liest du?“ Er zog das Buch zurück und ihre Finger berührten sich. Aramis Hand zuckte zurück und blieb unschlüssig in der Luft. Sie bemerkte den merkwürdigen Blick, mit dem Athos ihre langen schlanken Finger bedachte und ließ die Hand schnell fallen.

Normalerweise vermied sie es, ihre bloßen Hände zu zeigen, wie auch sonst einen Quadratzentimeter Haut.

Athos drehte das Buch in seinen Händen und pfiff leise. „Das ist Abraham Ortelius`s Ex vetusto codice“, bemerkte Athos anerkennend. „So etwas ließt du?“

„Warum denn nicht“, erwidere Aramis schnippisch und riss ihm das Buch aus der Hand. Sie fühlte sich gekränkt. Athos hob beschwichtigend die Hände. „So war das nicht gemeint. Ein gutes Buch. Aber du weißt, dass es verboten ist und auf der Verbotsliste des Kardinals steht?“

„Na und woher weißt du dann, dass es gut ist, Herr Musketier?“, erwiderte sie bauernschlau und grinste.

Er grinste zurück. „Weil es bei meinen anderen verbotenen Büchern zu Hause ist.“

„Es war nett gestern Abend“, bemerkte sie leise und traurig. „Wie früher.“

Athos seufzte und sein Blick verdunkelte sich. „Das war es.“

Sie strahlte „Weißt du noch, der Auftrag in Montlucon?“

Dieses feine leicht süffisante Lächeln, erschien auf seinen Zügen, dass ihr die Knie immer schwach werden ließ. „Ja, wir hatten uns gerade erst kennengelernt und mussten das Pferd teilen, weil deins auf der Straße nach Chaillot lahmte.“

„Kurioserweise hält Porthos Pferd immer durch. An den Abend in Montlucon, betranken wir uns so derb, dass wir am nächsten Tag vor dröhnendem Schädel nicht reiten konnten.“ Aramis lachte mit ihm.

Sie wollte fragen, warum er heiraten musste, aber sie konnte nicht und so standen sich beide schweigend gegenüber und musterten einander bekümmert gegenüber. Jeder von ihnen aus demselben Grund. Weil sie nicht zueinander finden konnten und nichts so bleiben durfte wie es war. Als sich Diana zu ihnen gesellte, erlosch die besondere Verbindung, die gerade zwischen ihnen gewesen war.

Chevalier D`Estauville

Die nächsten Tage regnete es und das Wetter passte ausgezeichnet zu Aramis Stimmung. Gott hatte es beschlossen Bindfäden regnen zu lassen. Es regnete mit Südwestwind am Donnerstag, es regnete mit Ostwind am Freitag, es tröpfelte leicht durch den Freitag, Sonnabend und des Herren heiliger Tag, um dann im Sturmgewitter bis Dienstag zu Donnern und zu Blitzen.

Am Mittwoch kroch die Sonne müde und müßig hervor und gedachte noch ein letztes Mal zu scheinen, bevor sie sich langsam in den Herbst zurückzog. Das nächste Ereignis nahte, was die vier Freunde weiter von Athos entfernte.
 

Chevalier D´Estauville war ein Geck, wie er im Buche stand. Ein Mann der Extreme. Er litt an übertriebener Selbstüberschätzung, er neidete aus übertriebener Missgunst, er provozierte aus übertriebenem Hochmut und schoss mit seiner Kleidung gern über das Ziel guten Geschmacks hinaus. Er sah sich als Sahnehaube des gesellschaftlichen Kuchenbüfetts und er ertrug schwer Menschen in seiner Umgebung, die mit Makel behaftet waren. Egal ob der Fehler in seiner gesellschaftlichen Herkunft, Auftreten oder Aussehen war. Er war wohl das, was man eine rechte Tratschtante nannte.

Als Vetter von Diana geborene de Sillégue, als auch von Oliver de la Fere, war er außerordentlich scharf auf seine Cousine und äußerst neidisch auf seinen Cousin.

Wie sich herausstellte, hatte der Erbe der de la Feres, einige Jahre als Musketier im Dienste des Königs verbracht. Nun kehrte er zurück, mit der besten Partie der Provence am Arm. »Dieser Teil des Erbes würde ihm nun nicht mehr zufallen«, dachte er verdrießlich und grub sich tiefer in den hohen Lehnsessel, »Außer, ihm passierte etwas.« Er war zu phantasielos für so etwas.

Der Chevalier starrte in die prasselnde Glut im großen Kamin. Sein Kleingeist erfreute sich zuweilen an den kleinen Gemeinheiten im Leben. Er streckte unvermittelt die langen Beine aus, dass sein Kammerdiener kurzerhand drüber flog, samt Tablett und Kristallkelch zu Boden ging und über den glattpolierten Marmorboden glitt. Der Chevalier hob zufrieden eine Augenbraue. Er befahl seinen Diener zu sich, um ihm anständig in den Hintern zu treten. Baptist war das von seinem cholerischen Dienstherren gewöhnt. Er nahm es schon mit Gleichmut hin.
 

Als sich im Sommer 1612 der Skandal um das plötzliche Verschwinden des junge Oliver de la Feres ereignete, hatte Chevalier D`Estauville gerade die gehässigen Klauen der Pubertät überstanden und betrachtete die Welt mit der Arroganz junger Männer, dem das Leben den Goldlöffel gereicht hatte. Als die Pickel abschwollen, die Stimme sich gesenkt hatten, war es an der Zeit sich einen schmucken Kinnbart zuzulegen und der Welt zu zeigen, wer man war. Zu dieser Zeit zerriss sich die überschaubaren Welt des dritten Standes, mit seiner Dekadenz, Klatschsucht und Gefallsucht das Maul, über die unglückliche Liebesgeschichte von Diana de Sillégue und dem Erben der de la Feres. Mit seinen 16 Jahren war der Jüngling noch nicht reif genug für seine älteste Tochter, fand der in Finanzschwierigkeiten geratene Grafen de Sillégue und meinte die Jüngere tät es später auch. Kurz drauf verheiratete er seine Älteste an den reichen Graf de Claivice und brach dem Jüngling das Herz. Als der junge Graf kurz drauf spurlos verschwand, rechnete D`Estauville nach und befand die neue Konstellation in der Erbkette, zu seinen Gunsten verschoben.
 

Endsommer 1627. Sein Cousin war nach 15 Jahre unvermittelt aus der Versenkung erschienen. Die Dankbarkeit eines gut beschützten Königs im Ärmel und eine steinreiche steile Witwe am anderen Arm. Man sah dem Mann auch seine Geburt noch im Waffenrock an. Gott, war D`Estauville scharf auf seine schöne Cousine. Ihm juckte es in der Hose. Doch der Neid hatte sich seiner besten Waffe bemächtigt. Zu seiner Schande endete die Liaison mit seiner Mätresse im Bett gestern kläglich. Die ganze Sache hatte sich auf seine Standfestigkeit gelegt. Man erwachte in seidenen Laken und fraß mehr als man scheißen konnte und doch konnte einem das Leben in die Suppe spucken. Der zurückgekehrte Graf de Fere rief und die Verwandtschaft kam, auch wenn es nur die bescheidene Bleibe eines Musketiers des Königs war, noch dazu in einer Gegend, in welche der Adel normalerweise nicht ein Fuß setzte, es sei denn, er beliebte zwielichtige Alchimisten aufzusuchen, die ihm mit etwas Gift bei der Erbfolgereglung helfen sollten.

Ihr Paris begrenzte sich von der Rue de Saint Honoré bis zum Abbey of St. Germain des Pres. Man fuhr höchstens noch zum Jardin du Roi oder nach Luxembourg, zur Jagd, während sich Le Pelletier sechs Familienmitglieder und das Hausschwein ein Zimmer teilten und im St. Lazare erneut eine Seuche ausbrach.

Chevalier D`Estauville verfluchte die Einladung die ihn zu dieser merkwürdigen Zusammenkunft gerufen hatte. Da stand er nun und versuchte sich nicht anzulehnen. Die Tür ging auf und spuckte aus den übel logierten Pariser Seitengassen drei weitere Gäste aus. Unvermittelt sah der Chevalier seine Hand von einer kräftigen Pranke ordentlich durchgeschüttelt, dass er westwärts kippte. Der Mann war von großer wie breiter Körperfülle mit gutmütigem Gesicht. Was ihn zu der übereilten Einschätzung kommen ließ, es handle sich hierbei um einen Schwachkopf.

„Mein Name ist Porthos und Ihr seid?“ Oh, dieser breite Dialekt. Dem Chevalier stellten sich die Nackenhaare auf.

„Wer oder was ist ein Porthos?“

„Ich gehöre zu den Portaus?“

„Wer sind die Portaus?“

„Sekretäre.“ Porthos zog sich schmollend zurück.

Unvermittelt sah sich der Chevalier der nächsten Kuriosität gegenüber. Ein Halbwüchsiger, noch ein Knabe. Ein Gesicht mit einem Ausdruck unverbrauchter Fröhlichkeit. So etwas trugen Bauern.

„Euer Name?“, brachte er gelangweilt hervor.

„D`Artagnan.“ Der Chevalier hob interessierte eine Braue. „Die D`Artagnans aus der Saverne.“ Der Knabe überlegte und schüttelte den Kopf. „Nein, aus der Gascogne. Mein Vater war Musketiere.“ D`Estauvilles Gesichtsausdruck sagte deutlich, was er von Musketieren hielt.

Er wendete sich dem dritten Begleiter zu und stutzte, als er in das feingeschnittene Gesicht sah. Seine Gefühle teilten ihm mit, dass er in die Gesichtszüge einer Frau sah, doch Träger dieser Züge war ein Mann. Sein Gegenüber lächelte fein.

„Fragt mich nicht nach meinem Namen“, sagte eine Stimme mit hohem Hinterton und einem ironischen Zwinkern im Auge. „Die Antwort würde Euch wenig befriedigen.“

Sein Schwager schwankte vorüber. Unschöne Weinflecken hatten sich auf dem spitzengesäumten Wamskragen verbreitet.

„Wein“, brüllte er über seine Schulter und schwankte noch mehr. „Trinkt alle auf die Gesundheit meines alten Freundes Oliver de la Fere. Er möchte, dass heute keiner mehr nüchtern bleibt.“ Er musterte den Chevalier fröhlich und rülpste ausgiebig. „Mein Lieber, wenn ich volltrunken bin, sag meinem Diener, er soll mich zum Palais de Estauville tragen.“ Der Chevalier ließ seine Schwager angewidert zurück. Dieses Tier bestieg seine Schwester, die passionierte Nonne. Er blähte die Nasenflügel und sah den femininen Mann hinterher.

D´Estauville erkundigte sich. Der Mann hieß Aramis und war ebenfalls ein Musketier des Königs. Mehr erfuhr er nicht. Der Mann war ein Mann der Geheimnisse.

Amand der alte Diener der de la Feres zog sein gichtes Bein nach und schenkte Cognac nach, glücklich seinen alten Herrn wieder dienen zu dürfen. Madam Ameri, der alten Hausverwalterin bedurfte es jetzt nicht mehr, sehr zu deren Unmut.
 

Der Abend schritt voran. Der Chevalier beobachtete.

Er sah, wie sich sein Cousin mit den anderen Musketieren unterhielt. Athos saß in einem hohen Lehnsessel vor dem Kamin, ein Weinglas in den langen Fingern. Die Jahre als Musketier hatten ihm gut getan. Er strahlte eine stille, kraftvolle Würde aus. Neben ihm beugte sich der blonde Musketier herab. Der Widerschein des Kaminfeuers glitzerte in beiden Augen. Der Chevalier bemerkte diese Vertrautheit zwischen ihnen. Es brauchte nicht viel Fantasie, sich etwas zwischen den beiden vorzustellen. Er stellte sich vor, wie sein Vetter den schmalen Körper des anderen Mannes liebkoste und Ekel stieg in ihm auf.

„So vertraut?“ D´Estauville lächelte boshaft. „Ich nehme an, dies ist ein Kollege von dir, mein guter Oliver.“ Athos nickte abwartend. „Sein Aussehen befremdet mich, mein Freund?“

„Wieso?“, fragte Aramis.

„Nun, ich nahm an, ein Musketier müsste aus härterem Holz sein, um den König zu schützen?“

„Nun, ich schütze den König ganz gut“, erklärte Aramis ruhig.

„Ach ja?“

„Nun, er lebt ja noch.“ Ein paar der Umstehenden lachten leise. „Was gefällt Euch an meiner Bauart nicht?“

„Nun, der Bestand ist zu weich, zu fein.“

Athos lachte leise. „Du solltest ihn bei einer Rauferei mit den Männern des Kardinals sehen. Aramis genießt einen gewissen Ruf und den nicht zu unrecht. Paris schleift sich seine Männer schon zu Recht.“

„Das wirst du besser wissen, mein Vetter“, D`Estauville verbeugte sich leicht. „Du suhlst dich in seinen dreckigen Gassen.“

„Der scheißt auch nur auf Abort“, murrte Porthos und schob seine stattliche Gestalt näher. „Ja, aber ein Lakai wischt seinen Hintern“, murmelte Aramis.

Der Abend schritt voran und immer wieder bleckte der Chevalier beim Anblick von Aramis die Zähne und deutete spöttisch auf ihn. Er sagte etwas, zu seinem Nebenmann, der lachte.

„Was hast du, Vetter?“ fragte Athos der es sah.

„Nun, ich erklärte gerade den Unterschied zwischen einem mageren Knabenhintern und den schwellenden Formen einer Frau.“

„Nun, wenn du ihn kennst.“

D`Estauville lachte ohne eine Spur Humor in seinem Lachen.

„Ich hatte gehofft, du sagst es mir.“ Er deutete auf Aramis: „Ich gebe ja zu, er sieht hübsch aus …“ Mehr sagte er nicht, aber jeder verstand. Stille senkte sich über den Raum. Porthos brüllte, sprang vor, packte den verwirrten Chevalier und schüttelte ihn kräftig.

„Lass ihn los Porthos.“ Bestimmt ging Aramis dazwischen und schob seine Hand runter.

„Ihr habt mich angefasst“, keifte der fallengelassene Chevalier und spuckte. Er sah zu Porthos. Es hatte keinen Sinn, sie zu ärgern, wenn sie so groß waren.

„Ihr habt mich beleidigt und muss Euch darum zum Duell fordern“, erklärte sie vollkommen ruhig und sah auf ihn herab.

„Aramis, nein!“, rief Athos und zog sie an der Schulter zurück, damit sie ihn ansah, aber ihr Blick blieb auf dem Gesicht von Chevalier D`Estaouville fixiert, den ein Lakai aufhalf. Porthos stand immer noch wie ein wütender Stier schnaubend hinter ihr.

„Wählt Euren Sekundanten und die Waffe.“

„Aramis.“ Athos drehte sie schmerzhaft zu sich um. „Lass das!“, befahl er scharf mit wütendem Blick.

„Nimm ihn nicht ernst. Letztendlich hat er mich beleidigt.“ Sie sah ihn wie eine Nebensächlichkeit an und meinte verächtlich. „Wenn du keine Vergeltung für deine Ehre forderst, ist das deine Sache. Ich tue es. Du weißt, dass ich mir das als Musketier nicht gefallen lassen kann.“

„Er ist mein Vetter. Das darfst du nicht“, stieß Athos hart hervor.

„Darf ich das nicht?“, fragte sie nüchtern zurück. „Muss ich mich also beleidigen lassen?“

„Ich verbiete dir das zu tun.“

D`Estauville hatte sich wieder gefangen und klopfte seinen Wams sauber. Er maß Porthos Körperfülle, dann Aramis schmalen Körperbau und war sich seiner körperlichen Überlegenheit gegen sie vollkommen sicher. „Ich für mein Teil, bin bereit die Sache zu vergessen.“ Er grinste süffisant und erklärte mit übertrieben weicher Handbewegung und aufgesetztem Gesichtsausdruck. „Nehmt es als Geplänkel, mein Freund.“

„Ich bin nicht Euer Freund und ich nehme Eure Worte ernst. Es bleibt bei der Herausforderung. Ihr habt mich beleidigt. Ich fordere Satisfaktion!“ sagte Aramis fest und schüttelte Athos Hand von ihrer Schulter ab. Bei ihren letzten Worten hob der Chevalier beredend die Augenbraue und strich sich über seinen gestutzten Kinnbart und figurierte sie langsam und offensichtlich von Kopf bis Fuß. Der hart hervortretende Kehlkopf hüfte herausfordernd. Seine Begleitschaft grinste.

„Ich wähle den Degen.“

„Nein“, schrie Athos auf und stellte sich zwischen die beiden Kontrahenten. „Tu das nicht, Aramis“, beschwor er.

„Du hast Angst um ihn“, stellte Aramis sachlich fest, ohne überheblich zu klingen. Porthos nickte heftig. „Er tut recht, ihm zum Duell zu fordern. Er hat ihn beleidigt“, sagte er rau und laut. „Hätte Aramis ihn nicht herausgefordert, hätte ich es getan“, begehrte er auf.

„Oder ich“, rief D`Artagnan und sprang hinzu. Die drei bildeten eine Mauer gegen Athos uns seinen Freund. D`Estauville feixte dünkelhaft. „Das Hündchen und sein Wurf blecken die Zähne.“ Scharf wies ihn Athos zurecht und dennoch richtete sich seine Forderung nach Kapitulation an Aramis.

„Hast du vergessen, wer deine Freunde sind?“ brüllte Porthos und ballte die Faust. D`Artagnan nickte traurig, Aramis wartete ab. „Er ist ein d'Autevielle la Fere.“ wies der Chevalier die Freunde zurecht und brüstete sich mit seinem Blut.

„Ja, er ist Graf de la Fere, aber er ist auch Athos der Musketier gewesen. Doch dies scheint er vergessen zu haben, seit er seinen alten Namen wieder trägt.“ Sie bebte vor Wut und knirschte mit den Zähnen. Auch hinter ihrem wirklichen Namen lag ein langer, dunkelblauer Stammbaum.

„Ich sehe Euch mit Sekundant Übermorgen zur Mittagsstunde im Jardin du Roi. Bringt einen Degen mit, der taugt!“ warf sie herausfordernd ein. Ohne ein weiteres Wort, drehte sie sich auf dem Absatz herum und stampfte in die kalte Nachtluft hinaus. Porthos und D`Artagnan folgten ihr schweigend und bekümmert.
 

Die drei Freunde saßen schweigend in ihrer Schenke.

„Irgendwie hatte ich gehofft, Athos würde kommen“, murmelte der Jüngste unter ihnen und starrte betrübt in sein Bier.

Aramis und Porthos schwiegen. Das tiefe Dekollete der Schrankmagd erntete heute nur mäßiges Interesse vom stattlichsten der Musketier.

„Nein, tut er nicht“, erwiderte Aramis einsilbig und verschloss den Kummer in ihrem Blick. Um sie herum schwoll der Lautstärkepegel der abendlichen Schenkbesucher an. Tonklirren vermischte sich mit dem Scharren der Stühle, harten Schritten, vielen Worten, Lachen und lautem Rufen nach mehr Bier.

„Warum will Athos nicht, dass du dich duellierst?“ Aramis zuckte die Achseln. „Weil er sein Cousin ist. Blut ist dicker als Wasser.“

Porthos Faust fuhr hart auf den Tisch „Und unsere Freundschaft, was ist die ihm wert? Alles war gut, bis diese Frau kam.“

„Vor kurzem wolltest du noch den Boden küssen, auf dem sie gewandelt ist“, wandte Aramis spöttisch ein.

„Keine Frau ist gut, wenn sie sich zwischen einen Mann und seine Kameraden stellt.“ Seine große Hand fuhr über ihre Runde. „Das hier ist eine Männersache. Wir sind Kameraden. Wir kämpfen zusammen, wir trinken zusammen.“ Er wurde prosaisch und senkte eindringlich die Stimme, wobei seine Augen sie beschwörend unter den buschigen Brauen anstierte.

„Das hier ist etwas Größeres und es schließt keine Frauen ein.“ Er merkte nicht, wie Aramis zusammenzuckte und ein kalkweißern D`Artagnan zurückstierte. „Aber wenn sich Aramis nicht mit ihm duelliert …“

Porthos Faust donnerte erneut nieder und die Bierkrüge hüpften. „Natürlich muss sich Aramis mit ihm duellieren. Das sind die Regeln.“ Aramis pflichtete ihm wild nickend bei.

„Porthos erkläre es ihm!“

„Kein Musketier darf eine Beleidigung auf sich sitzen lassen. Das ist Gesetz, punktum. Sowas spricht sich nämlich schnell rum und kein Mann kann sich nach solch einer Bemerkung mehr auf der Straße blicken lassen. Aber …“ Er rang mit seinen Worte. „Recht hat er.“ Die beiden anderen sahen in unverständlich an.

„Nun, ein Mann hat doch gewisse Gelüste.“

Aramis stöhnte und rutschte auf der harten Holzbank hin und her. „Nicht schon wieder ein Gespräch über dein Liebesleben.“

„Nein, nein,“ beschwichtigte er. „Wir reden über deins.“

„Ich habe doch keins.“

„Eben, mein guter Aramis, eben. Zwei Häuser neben dir, wohnt eine wackere Witwe mit strammen Brüsten. Siehst du nicht die glutvollen Blicke, die sie dir zuwirft?“ D´Artagnan wurde rot und rutschte tiefer in die Bank.

„Ist mir entgangen“, murrte Aramis.

„Dann der Stoffhändler, der neben dir wohnt. Seine Magd besteigt ein Knecht nach dem anderen im Hinterhof und noch einige andere Männer mehr.“

„Das ist mir nicht entgangen.“

„Ich höre ihr Stöhnen, bis in die Sorbonne. Das ist doch die Hölle, diese ständigen Lustschreie, selbst für einen reifen Mann wie mich und ich bin es gewohnt Rückschläge einzustecken.“

Er langte über den Tisch auf ihren Teller und bediente sich, was er sehr gerne tat. Porthos amüsierte sich bei solchen Gesprächen meist königlich. Das war fast schon Sex.

„Irgendwas stimmt mit dir nicht“, bemerkte er schmatzend und biss herzhaft in den Hähnchenschenkel, dass das Bratfett seine Mundwinkel herablief und das Fleisch zwischen seinen Zähnen rotierte. „Irgendwann juckt`s doch jeden Mann in der Hose.“ Widerlich Fasziniert beobachtete sie die zermalmende Kauleiste.

Er hielt inne. „Aramis, ich rede mit dir.“ Aramis schreckte auf. „Entschuldige, Porthos, ich war abgelenkt.“

Duell

Es war noch dunkel. Eine Eule gurrte in der Dunkelheit, Kleintier huschte durch das Geäst. Nächtliche Kälte lag über dem Tal.

Mehrere Gestalten stolperten durch den Wald, um das uralte Anrecht verletzter männlicher Eitelkeit einzufordern - das Recht auf Vergeltung, Sühne und Genugtuung, zur Wahrung des einzigen was zählte - die Ehre eines Mannes. Keine Frau wäre zu diesem Zweck zu dieser Morgenstunde aufgestanden. Das Weib war zweckmäßig, praktisch und fleißig, der Mann war eben edel und stolz.

Lautes Fluchen hallte durch die Dunkelheit. Eine Wurzel war der Übeltäter gewesen.

Eine der Gestalten blieb abrupt stehen, die zweite Gestalt prallte gegen die Erste. „Wer will mein Sekundant sein?“

Die dritte Gestalt schob sich vor. „Ich bin dein Sekundant“, forderte sie heiser und beharrlich. „Wenn dieser Wicht betrügt, ramm ich ihn ungespitzt ihn den Boden und prügle ihn zu Brei.“

Der Zweite neben ihm nickte. Die Stimme zurückhaltender, ernster. „Ich würde es auch tun, aber ich lasse Porthos den Vortritt.“ Eine Hand knallt zustimmend und kameradschaftlich gegen die schmaleren Schultern. „Recht so, Kleiner. Ich lasse dich auch zuhauen.“

„Dann kommt!“ Ihr Anführer verschwand im Dickicht und wühlte sich durchs dichte Blätterwerk. Zweige knackten. „Ich schneid ihn ohnehin in kleine Scheibchen.“ Grummelnd, trotzig, gedämpft und noch ein Busch blieb kahl zurück. Der Jüngere unter ihnen blickte ihm besorgt hinterher. Er glaubte zu wissen, was im Kopf des anderen vorging. Er verstand die Gefühle auch. Er erahnte die existenzielle Angst hinter der Forderung nach Satisfaktion.

Seit er wusste, dass sich unter der Uniform des dritten Musketiers ein Frauenkörper verbarg, hatte er gewaltigen Respekt vor ihr. Für ihn waren die kleinen und großen Unterschiede, die sie als Frau kennzeichneten jetzt ganz offensichtlich und trotzdem vergaß er ihr Geschlecht, wenn er mit ihr zusammen war. Sie war der willensstärkste Mensch den er kannte. Er war für den Zeitgeist seiner Epoche mit einer ungeheuren Toleranz und Unvoreingenommenheit gesegnet.

Er verstand nur nicht, was gerade mit den vier Musketieren geschah. Neben Athos baldiger Hochzeit und seinem Weggehen von den Musketieren, hörte er die feinen Untertöne, die ihm sagten, dass da noch viel mehr war. Und das bereitet ihm Sorgen.

„Was ist?“ Der große dunkle Schatte vor ihm war ebenfalls stehengeblieben. „Du sorgst doch nicht etwa um Aramis? Der nimmt so einen eingebildeten Hänfling zum Frühstück.“

„Nein“, D`Artagnan schüttelte nachdenklich den Kopf, „ich mache mir Sorgen um Athos.“
 

Die Morgendämmerung kroch langsam aus dem Unterholz hervor. Ihr kaltes Licht legte sich über den Wald und tauchte die Welt in sein gespenstiges Zwischenlicht. In den wenigen Minuten zwischen Morgendämmerung und Sonnenwanderung wurde die Welt still. Selbst der Wind schwieg.

Sie trafen auf der Lichtung aufeinander. Zwei Kontrahenten, zwei Sekundanten, ein besorgter Freund und eine Menge Schaulustiger, welche die Hohngarde des Chevaliers verstärken sollte. Es stand drei zu sieben. Nebelschwaden wallten über den Boden, der Tau auf den zarten Blätterspitzen erzitterte. Der Wald wurde grau. Die Kontrahenten: Die einen getaucht in kaltes Schweigen und verbissenem Ernst, trafen in der Mitte der Lichtung auf die anderen, spöttisch lachend und vor selbstzufriedener Unbekümmertheit stinkend. Sie hatten Wein und einen Diener mit Rehkeulen dabei. Das Duell wurde zum Schauspiel degradiert.

Die Kontrahenten stellten sich indes breitbeinig zueinander, die Hände auf den Degenknauf ruhend. Das Laubwerk teilte sich und spuckte einen weiteren Besucher aus. Ernst, die Gesichtslinien hart, die Lippen zum festen Strich geschlossen.

Aus ihrem Augenwinkel sah Aramis Athos näher kommen. Ihr Herz schlug schnell, die Halsschlagader pochte, doch sie zwang sich unter Kontrolle. Ihr Blick blieb fest auf dem Gesicht von Chevalier D`Estauville liegen. Hohn stand auf seinem Gesicht und Selbstsicherheit spielte seine Körperhaltung, doch kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und seine Augen huschten erregt hin und her. Wohl war er sich seiner scherzenden Gefährten im Rücken bewusst, die sich lässig am Waldrand tummelten und den das Ganze unflätig kommentieren. Doch der wütend ernste Ausdruck auf dem Gesicht seines Gegners zeigte ihm, das das Salongeplänkel nun Ernst angenommen hatte. Seinem Begleiter hüpfte der Adamsapfel vor Aufregung auf und ab. Die Nebelschwaden krochen um ihre Füße. Jemand rülpste aus der Hinterbank.

„Ihr seid gekommen, schön“, eröffnete Aramis mit provozierend sanft klingender Stimme und doppelschneidigem Unterton, Athos verbissenes Gesicht wohlweislich ignorierend. D`Estauville nickte zuvorkommend und deutete einen knappen Diener an. Er wies auf seinen Begleiter. „Graf de Varol, mein Sekundant.“

Aramis nickte zu Porthos. „Porthos, der Musketier, mein Sekundant.“

„Ah“, der Chevalier hob das Kinn. „Der Sekretär.“ Seine Begleiter lachten. Porthos riesiger Kiefer zermahlte seine Hinterzähne.

» Ah, ein Anfänger«, dachte Aramis. „Ich gewähre Euch die Möglichkeit einer Entschuldigung“, bemerkte sie großzügig, mit bösem Glitzern in den Augen.

Ein feines abfälliges Lächeln zeichnete sich auf die Züge des Chevaliers, sein Blick wanderte an ihrem Körper ab. „Ich kann nicht widerrufen, was offensichtlich ist“, sagte er mit wohlgesetzter Stimme.

Anzügliche Pfiffe aus dem Zuschauerraum.

Aramis atmete scharf ein und ging in Fechtstellung. Ihr Herz hämmerte wild in ihrer Brust. Nicht weil sie Angst vor dem Duell hatte, sondern weil er aussprach, was nicht ausgesprochen werden durfte. Es kostete sie alle Willenskraft, nicht zu Athos zu sehen.

Als sie das feine Sirren der herausziehenden Degenschneide hörte und das ausbalancierte Gewicht in der Hand spürte, wurde sie sicherer. Keine Frau konnte kämpfen wie sie. Ihre Gedanken wurden ruhig. Sie musterte ihren Gegner. Der Chevalier knöpfte seinen Wams auf und händigte ihn seinem Freund aus. Das dünne Seidenhemd schmiegte sich um den trainierten Männerkörper. Jung und kraftvoll, als Adliger und möglichen Kadettenanhänger hatte er sicherlich ausreichend und gute Fechtstunden gehabt. Nur würde ihm die Kampferfahrung mit wirklichen Gegnern fehlen. Leicht würde es nicht werden, das war es mit trainierten Kontrahenten nie, aber letztendlich machten alle Fehler. Sie war geübt darin, Finten vorauszuahnen und Schwachstellen zu entdecken. Er deutete erneut einen Diener mit gestrecktem Vorderbein an und deutete an sich herab. Das Hemd steckte um die schmale Taille in der engen Kniehose die vorn eine ordentliche Beule aufwies. Der Chevalier strotzte vor Männlichkeit.

„Wollt ihr euch nicht frei machen?“ D`Estauville bleckte die Zähne.

„Nicht nötig“, erwiderte Aramis und spürte Athos prüfenden Blick im Nacken.

„Aber Ihr werdet ins Schwitzen kommen“, konterte er mit schamlosem Grinsen auf dem Gesicht. Applaus von seiner Hinterseite.

„Lasst das meine Sorge sein“, knurrte Aramis und unterdrückte mühsam ihren Zorn. Der Chevalier drehte sich mit theatralischer Geste seinem Publikum zu. „Er traut sich nicht.“ Sie jodelten.

Porthos sprang vor und hinderte sie, ihn von hinten niederzustechen. „So nicht“, zischte er und schob sie auf ihren Platz zurück.

„Fangt endlich an!“ befahl Athos, die Gefühle hinter einer Maske verschanzt. Es blieb das einzige was er vorerst sagte.

Ihr Blick richtete sich auf sich selbst und sie zwang sich nieder, bis sie nur noch den ruhigen Herzschlag in ihrer Brust hörte und das Blut das durch ihren Körper pulsierte.

Ein letzter prüfender Blick auf Athos, doch der starrte nur finster zurück.
 

Irgendwo krähte ein Hahn und die Sonne schob sich langsam den Horizont hinauf.

Die beiden Sekundanten traten rechts und links neben die Kontrahenten um sie seitlich im Auge behalten zu können. Chevaliers Sekundant schob sich theatralisch nach vorne.

„En Garde“ Er musterte die beiden Gegner. „Prêts!“ Als keine Antwort erklang, nahm er dies als Zustimmung und rief, „Allez!“.

Die Degen prallten aufeinander. Aramis war wütend. Wenn sie wütend kämpfte lag weniger Kraft ihren Stößen, sondern eine präzise Zielkraft und eine gewissen Hinterlist. Nach wenigen Minuten war das Lächeln auf den Zügen des Chevaliers erloschen. Auf der Lichtung war es still. Acht Augenpaare verfolgten jede ihrer Bewegungen. Vergessen lag der Wein im Gras und versickerte im Boden. Mit unglaublicher Schnelligkeit drosch Aramis den Chevalier nieder, dem es schlicht an der Gemeinheit unzähliger Auseinandersetzungen mit der Garde des Kardinals fehlte. Sie parierte seinen Angriff in der Septin, täuschte eine Doppelfinte an und streifte ihn am Arm. Blut floss und beschmutzte das weiße Hemd.

Immer wieder piesackte sie den erschöpfenden Grafen, der mühsam über das taunasse Gras schlidderte. Wie Vieh trieb sie ihn über die Lichtung. Ein weiteres Mal prallten die Degen in der Bindung aufeinander, ein Körper versuchte den anderen wegzudrücken. Aramis roch seinen säuerlichen Weinatem und sah die Adern an seinen Schläfen dunkel hervortreten.

„Ihr seid ein Weib“, zischte er mühsam und stoßweise hervorstoßend und stieß sie mit seiner überlegenden Kraft weg, dass Aramis ins Schleudern geriet. Sie strauchelte und fing sich wieder. Folgende Worte waren nur als Beleidigung bedacht, aber in ihr begann die Wut zu brodeln, über die verbale Unbekümmertheit und Leichtigkeit mit der er ihr sorgsam errichtetes Lügengerüst zum Einstürzen bringen konnte. Aramis sah zu Athos. Sie ahnte seine prüfenden und sorgsam analysierenden Gedanken hinter den schlauen grauen Augen und irgendwas trieb sie, gemein zu kämpfen, nicht nur um den Kampf zu gewinnen, sondern demütigend für ihren Gegner zu demütigen.

Der Chevalier brüllte wie ein Stier und stürmte wie ein Berserker auf sie los. Aramis sprang beiseite und drehte sich, um ihn ein Bein zu stellen und einen Fausthieb auf den Rücken zu versetzen. Der Chevalier torkelte vorwärts. Ein weiterer Streifhieb in seinen Rücken, der das Hemd mit Blut benässte. Der Chevalier stöhnte, drehte sich und erntete einen Stich in den schon verletzen Arm. Mit blutunterlaufenen Augen sah er zu ihr auf, versuchte zuzustechen. Sie drehte sich seitlich, packte seinen Arm und riss ihm die Füße weg. Ein Knie landete hart auf seinem Brustkorb, die Faust mit Degenknauf haute zu. Blut spritzte aus seiner Nase. Der Chevalier lag reglos da. Auf der Lichtung war die Stille nun greifbar. Niemand sagte etwas, keiner rührte sich.

Aramis sah keuchend auf das Häuflein Elend unter ihrem Knie nieder. Ihre Brust hob sich schwer atmend gegen die enge Brustverschnürung. Sie spürte den Schweiß ihr Rückrat herunter laufen und das Schweigen der anderen im Rücken. Sie spürte keinen Triumph. Wortlos stand sie auf und trat beiseite. Die Freunde von D`Estauville kamen und halfen ihrem stöhnenden Freund auf. In ihren Augen lag Hass und dieselbe Abscheu, welche sie einem räudigen Straßenköter entgegengebracht hätten. Sie hatte für ihre Ehre gekämpft, aber gegen irgendwelche ungeschriebenen Regeln verstoßen. Der Pöbel hatte sich gemeinhin vom Adel zusammenschlagen zu lassen. Und sie hatte wie ein Strauchdieb in der Gosse gekämpft, denn sie hatte ihn demütigen wollen. Gemeinsam nahmen sie den röchelnden Graf zwischen sich und zogen ihn fort.
 

In Athos Gesicht stand Ablehnung und Verachtung.

„Du hast ihn vor allen erniedrigt“, klagte er an und brach einen handfesten Streit vom Zaun.

„Er hat mich beleidigt“, fauchte sie zurück.

„Du hast wie in der Gosse gekämpft. Nicht wie ein Musketier.“

Störrisches Schweigen antwortet ihm, die Arme vor der Brust verschränkt, das Gesicht in trotzigen Falten.

Er wies mit der Hand auf sie. „Sieh dich doch an. Du bist merkwürdig.“ Die Worte blieben in der Luft hängen.

„Was sagst du da?“ zischte Aramis und ihre Augen sprühten Funken. D`Artagnan legte beruhigend die Hand auf ihren Arm. Sein Blick war besorgt. „Hör nicht auf ihn, er meint es nicht so. Nimm das zurück“, forderte er und widersprach zum ersten Mal dem Älteren. Athos zog die Luft laut und vernehmlich ein. Seine Nasenflügel bebten. „Doch das meine ich so“, sagte er ruhig. „Du wirft eine Menge Fragen auf, Aramis.“ Sie starrten sich alle schwer atmend an. Da waren zu viele Fragen, die ihn verwirrten. Und er gab Aramis Andersartigkeit die Schuld, warum sich seine Gedanken ständig in beängstigender Art und Weise um ihn kreisten. Wäre Aramis ein Mann wie andere Männer auch, wäre er nicht in der Zwiespältigkeit seiner Gefühle gefangen.

„Hör auf, es ist doch, Aramis“, warf Porthos ein. „So ist er eben. So war er schon immer. Was stört dich daran plötzlich.“

„Ja, so ist Aramis“, erklärte Athos hart und die grauen Augen sahen sie ablehnend an. Er drehte sich weg.

Sie konnte als Frau nicht Athos Liebe gewinnen, deshalb waren ihr als Freund seine Anerkennung und sein Respekt umso wichtiger gewesen. Seine Worte verletzten sie unendlich mehr, als wenn sie von jemand anderes gesprochen worden wären. In ihrem Inneren zerbrach etwas. Glassplitter zerbohrten ihr Herz. Die Glut der Wut in ihren Augen erlosch und wurde trüb. Die Entgültigkeit seiner Hochzeit, erreichte endlich ihr Bewusstsein. Sie hatte Athos verloren.

Aramis machte auf dem Absatz kehrt und ging. Sie kam nur nicht weit.

Aus dem Dickicht brachen dutzende Rotröcke mit gezogenen Waffen hervor. Sie zählte eine Handvoll vor sich und eine weitere die rechts neben ihr auf die Lichtung lief und links von ihr Aufstellung bezogen. Bald waren die drei Musketiere von allen Seiten von Rotuniformierten umzingelt, die nicht als Freund gekommen waren. Eine der Begleiter von D`Estauville kam gefolgt mit dem Gardehauptmann. Ein wohlbekanntes Gesicht. Er wies mit dem Finger auf Aramis.

„Sieh an, sieh an. Meine Freunde die Musketiere.“ Rochefort stellte sich breitbeinig auf und grinste zufrieden. „Ein Vogel zwitscherte mir, dass hier ein verbotenes Duell stattgefunden hat.“ Das Vögelchen stand indes schadenfroh neben ihm. Es war der Sekundant des Grafen.

Die vier Freunde rückten näher zusammen, ein kleiner Punkt im rotumrandeten Kreis.

„So viele Rotröcke kommen doch nicht zufällig daher“, knurrte Porthos. „Sieh an, wer in ihrer Begleitung ist!“

„Sie waren Pilze sammeln und pflügten einen faulen Pilz“, spottete D`Artagnan.

Männer des Kardinals soweit das Auge sah. Sie zogen einen immer engeren Ring um die vier. Aramis seufzte resigniert. Sie sah keinen ihrer Freunde an. „Das sind zu viele für uns.“

„Feine Verwandtschaft hast du da“, stänkerte Porthos in Richtung Athos. Der knurrte nur als Antwort.

„Ich nehme es mit allen auf“, warf der Jüngste ein, blähte die Brust und zog den Degen. Bevor die Klinge die Scheide verlassen hatte, hatte Aramis Hand ihn in die Hülle zurückgedrückt. „Nein, lass das.“ Noch immer sah sie keinen an.

Sie trat aus dem Kreis und ging Rochefort entgegen.

„Aramis, nein! Komm zurück, wir kämpfen!“ hallte es hinter ihr her, doch sie lief unbeirrbar weiter. Für Aramis verlor sich der Sinn. Sie fühlte nichts. Porthos brüllte wie ein sich windender Stier. Der rote Ring rückte enger und zog den Kreis zusammen.

„Es war mein Duell“, rief sie in Richtung Rochfort. „Reicht es euch, mich zu verhaften?“

Der Gefolgsmann des Kardinals zuckte frohlockend die Achseln. „Einer ist besser als Keiner.“ Er nickte in Richtung Athos. „Euer Oberhaupt geht bald. Wenn ich dich im Kerker habe, sind der große Trampel und Jungspurnd ohnehin machtlos.“ Er lachte gehässig. „Dann komm, dein neues Heim wartet, Monsieur Musketier!“ Rochfort strich sie zufrieden über seinen Kinnbart und warf sich triumphal in die Brust. Zwei seiner Leute griffen Aramis unter die Arme und bogen sie nach hinten. Ein Dritter nahm ihr den Degen ab. „Aramis?“ Porthos brüllte, D`Artagnan rief. Sie glaubte Athos Stimme zur hören, aber sicher war sie sich nicht.

Im Gefängnis

Sie waren nicht gerade zimperlich, als sie sie die Stufen ins Kellergewölbe stießen. Ihre Hände waren hinter ihrem Rücken mit rostigen Eisenketten zusammengeschnürt. Mit jedem Stoß bemühte sie sich verzweifelt das Gleichgewicht zu finden, doch sie fiel, wurde auf die Beine gezerrt und mitgeschliffen. Das Eisen drückte in die Haut.

Das Chateletgefängnis vereinte mehrere Welten. Da gab es den annehmlichen Teil für die höhergestellten Insassen, wo jegliche Annehmlichkeiten zu kaufen waren. Den praktischen Teil für die Wachen, den Wirtschaftsteil für diese in sich geschlossene Welt und das unterste Kellergewölbe. Wer diesen Teil als Gefangener betrat, sah nie wieder das Sonnenlicht. Die Gefangenen aus dieser Ebene wünschten sich bald den Tod. Wenn er gnädig war, kam er bald. Wer den niedrigen Torbogen zum Hades betrat, hörte auf für die Oberwelt zu existieren.

Immer tiefer ging es in den Untergrund hinab. Es roch nach Moder und verbranntem Fleisch. Schwarze Schatten und Albträume krochen aus allen Winkeln, wo der spärliche Schein der Fackeln nicht hingelangte. Die Seitenwände bestanden aus rohem, unverputzten Stein, feucht, dreckig, schimmlig und alt. Die Decke kaum hoch genug für einen ausgewachsenen Mann. Der Boden so dreckig, dass der schwache Lichtschein gnädig den gröbsten Unrat verbarg. Das Kellergewölbe verzweigte sich in unendlich vielen Gängen.

Ein weiterer Wächter erschien. Groß und bullig, mit einer schwarzen Lederweste bekleidet. Sie stießen sie ihm entgegen und flohen. Zwei fettig glänzende, muskelbepackte Arme packten sie. Er grinste anzüglich und mit schwarzen Stummelzähnen auf sie herab. In seinen Augen lag etwa animalisches, primitiv stumpfsinniges. Aramis zuckte zusammen und würgte, als seine große dreckige Hand über ihr Haar fuhr. Er grunzte zufrieden und zerrte sie tiefer in das Labyrinth hinein. Sie gehörte jetzt ihm.

Aus vergitterten Nischen mit rostigen Eisentoren streckten sich ihr dürre, verkrüppelte, dreckverkrustete Arme entgegen. An einer Weggablung hingen Eisenkäfige mit blutigen Nägeln und schaurigen Inhalt. Irgendwo brannte Feuer. Es zischte, ein Schrei, nicht mehr menschlich, anhaltend, schrill und wahnsinnig. Aramis glaubte sterben zu müssen. Durch das Gewölbe hallte eine Geräuschkulisse aus ständigem Stöhnen, Jammern, Wimmern und Schreien. Ein Schauriges Echo mit grausigem Schall. Sie schloss die Augen, denn der Koloss schlief ungeachtet ihres Zutuns sie durch den Gang. Sie versuchte Bilder und Geräusche auszublenden, doch sie jagten mit ihrem wild klopfenden Herz und der reinen Panik durch ihr Hirn. Sie war in ihrem eigenen Körper und der grausigen Wirklichkeit gefangen und wollte doch Schreien und weglaufen.

Das Ungeheuer nahm ihr die Eisenketten ab und stieß sie in eine der Zellen. Sie waren grob ins Gestein gehauen, wie kleine Felsenlöcher, modrig und muffig von zuviel Feuchtigkeit, Ausdunstungen von Angst und Tod und überquellenden menschlichen Ausscheidungen.

Er fuhr ihr wieder grunzend über die Haare, hob es prüfend hoch und tätschelte ihre Wange. Panikerfüllt drückte sie sich in die Zellenecke. Doch er ging. Als die völlige Dunkelheit sie umfing und die Ratten näher kamen, da begann sie zu schreien.

Gefängnisratten kannten keine Scheu, nur Hunger. Aramis Fuß trat zu, blindlings. Manchmal traf sie, manchmal nicht.

Irgendwann kam der grunzende Wächter wieder. Er hielt eine Fackel über sie und grunzte. Sie kroch tiefer in den Schatten. Er grunzte und deutete auf ihre Stiefel. Er redete nicht. Die einzige Form seiner Artikulation war Grunzen.

Als sie sich nicht regte, griff er grob zu und zerrte an ihrem Bein, dass sie grob über den Boden rutschte. Endlich verstand sie und zog beide Stiefel aus. Er grunzte zustimmend. Seine kleinen boshaften Augen huschten unentwegt über ihre Gestalt. Aramis kroch zurück zur Wand und zog die Beine eng an den Körper. Der Riese runzelte die buschigen Braunen und grunzte erneute. Die gierigen Augen sah sie selbst im fahlen Licht der Fackel. Als sie nicht verstand, griff er in ihren Wams und zog sie hoch. Sie roch seinen fauligen Atem. Schnell wand sie sich aus ihrer Oberjacke und warf sie weit von sich. Er grunzte, tätschelte mit seiner fettig glänzenden, tellergroß und schrecklich behaarten Hand ihr Haar und verschwand mit Wams und Licht.

Die Stunden vergingen. Wahrscheinlich waren es nur Minuten, doch sie dehnten sich zu Stunden, Tage, Jahre, ganze Menschenleben.

Und mit den Schreien, die nie aufhörten und der ständigen Dunkelheit, kam der Wahnsinn. Irgendwann blendete ihr Verstand die Realität aus und sie versank in Lethargie aus Traumbildern und Erinnerungsfetzen. Eine Schüssel schimmligen Brots und trüben Wasser wurde in ihre Zelle geschoben. Unter den dreckigen Bodenbinsen raschelte es und knisterte. Dann verschwand das Brot.
 

Am dritten Tag öffnete sich das schwere Eisengitter, rostig knarrend und jammernd. Schwacher Lichtschein kroch über die Schwelle, doch selbst das Licht wollte nicht hinein.

Eine Ratte huschte durch den Lichtkegel und verschwand im schwarzen Schatten. Was Aramis einmal gewesen war, hockte zusammengesunken in der hintersten Ecke. Vollständig im Dunkel verborgen. Als sich die Fackel näherte kniff sie vor der ungewohnten Helligkeit die Augen zusammen und grub sich tiefer in die Ecke. Jemand hockte sich vor sie hin und zog scharf die Luft ein. Ihr Instinkt durchbrach die Teilnahmslosigkeit mit der sie die Stunden hier über sich ergehen ließ und reagierte mit Panik vor tastenden Händen und grunzender Gier. Sie schlug blindlings nach den Händen die zu ihr wollten.

Zwei Hände versuchten sie festzuhalten, aber sie kämpfte, schlug, kratzte und verletzte, doch die Hände hielten sie fest. Eine sanfte zärtliche Stimme rief ihren Namen, immer und immer wieder, bis sie sich beruhigte und still hielt. Dann sprach die Stimme nicht mehr, sondern kniete dort im Dreck bei ihr und wartete. Endlich ließ sie zu, dass die Hände ihr tröstend über die Arme strichen und sie hochzogen, um sie rauszuführen. Wieder durch die langen Gänge und Treppen, hinauf ans Licht, ins wirkliche Leben zurück.
 

Athos kniete sich nieder. Ein Eisenblock lag auf seiner Brust. Er hatte das Gefühl lebendig begraben zu sein. Die Gestalt vor ihm, von der er annahm, dass sie Aramis war, konnte er in der Dunkelheit nicht richtig sehen. Sie hockte dort, stumm und ohne Regung. Er war so entsetzt über diesen Ort, dass er sich wie gelähmt fühlte. Und für einen Moment hoffte er, dass man sich geirrt hatte und Aramis nicht der Schatten vor ihm war. Er streckte die Hand aus, weil sie sich noch immer nicht rührte. In diesem Moment fing sie an um sich zu schlagen und zu kratzen. Da wusste er, dass es Aramis war und fühlte Verzweiflung und sein Herz brechen. Für dies hier gab er sich die Schuld. Er rief seinen Freund und kämpfte, bis dieser endlich aufgab. Einen Moment kniete er dort mit ihm in der Dunkelheit und versuchte das Grauen und das Entsetzen, was die Sinne seines Freundes getrübt haben musste, mit ihm zu teilen. Er wollte ihn in den Arm nehmen und forttragen und als er ihm über die Arme strich und langsam hochzog, wusste Athos dass er Aramis mehr liebte, als alles auf der Welt und diesmal entsetzte es ihn nicht. Zu groß war sein Bestürzung über diesen Ort.

Er führte ihn hoch, nach Oben ins Licht, zu Porthos und D`Artagnan die ungeduldig auf sie warteten.
 

Sie sprachen nicht, als sie endlich Aramis Entlassung quittierten und auf die Straße traten. Aramis ließ sich wie ein kleines Kind führen. Sie waren betroffen und bestürzt. Selbst Porthos schwieg, die Lippen zu einem schmalen Strich gezogen. Die Sonnen schien, der Himmel war wolkenlos im makellosen Blau. Menschen eilten geschäftig hin und her, in der Hast ihrer Tageswerke gefangen, ein Schwarm Tauben hob sich in die Luft und flog über die wehrhaften Zinnen des Gefängnisses hinaus. Der Kontrast hätte nicht größer sein können. Aramis war schmal, dreckig und vollkommen desinteressiert. Ihre Kleidung war ohne Stiefel und Wams. Drei Tage lang hatte sie vor sich hingedämmert. Nicht geschlafen, nicht gegessen. Die Folgen der Übermüdung spiegelten sich in großen gläsernen Augen. Sie konnten nur hoffen, dass Schlaf, ein Bad und anständiges Essen die Lebensgeister ihres Freundes zurückbrachten.

Eine Kutsche hielt mit scharf angezogenen Pferden. Ein Bettler sprang beiseite und ein saftiger Pferdeapfel landete dampfend zu seinen Füßen.

„Oh, Oliver!“ Die Kutschtür wurde aufgerissen und eine Frauenstimme rief aufgelöst nach ihm. Ein Diener sprang von seinem Trittbrett und warf eine Decke vor die Füße seiner Herrin, um deren Pantoffeln vor dem Straßendreck zu schützen.

„Diana?“ Athos hob verwundert die Braunen. „Was machst du hier?“

„Ich suche dich!“ erwiderte sie. „Du kamst nicht zu mir, obwohl wir verabredet waren.“ Athos Augen wurden hart.

„Ich hatte wichtigeres zu tun“, er abweisend.

Ich weiß“, erwiderte Diana. „Dein Diener sagte mir wo du bist.“ Ihr Blick glitt zu Aramis. Misstrauen schlich sich in die Augen. Athos hielt Aramis noch immer am Arm fest. Sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie hier störte. Der Keim den D`Estauville mit seinen Anspielungen gesät hatte, keimte.

„Was ist mit Monsieur Aramis?“

„Oh, er hatte einen Kurzaufenthalt im besten Hotel der Stadt“, wandte Porthos ein und tätschelte seinem Freund unbeholfen auf die schmale Schulter. „Er war im Chateletgefängnis.“

Diana wich einen Schritt zurück, als hätten sie Aussatz. „Was ist mit ihm? Er sieht schlimm aus.“

„Och, das wird schon wieder, wenn er erst einmal gegessen hat.“ Sie riss ihren Blick los, von der schmalen dreckigen, leicht dümmlich blickenden Gestalt, die sicherlich keine Konkurrenz war. Sie runzelte verärgert die Stirn. D`Estauville wollte sie nur ärgern.

Porthos nickte Athos auffordernd zu. „Geh nur mit, wir kümmern uns um Aramis.“

„Ja, Oliver, wir müssen zum Bischoff“, sagte sie sanft und lockend. Athos Augen wurden schmal, die Lippen zum harten Strich. „Kann das nicht warten?

„Er ist ein vielbeschäftigter Mann. Und unser Termin rückt immer näher“, schloss sie bedeutungsvoll an.

„Geh nur“, wandte Porthos ein und nahm ihm Aramis ab. Auch D`Artagnan nickte. Mehrere Gefühle kämpften in Athos und zogen wie ein Wechselspiel über sein Gesicht. „Das hier ist wichtiger“, sagte er rau und sah Aramis zärtlich an. Nur einem guten Beobachter wäre die kurze Innigkeit in seinem Blick aufgefallen. Aber eine eifersüchtige Frau ist scharfsichtig wie ein Adler. Endlich gab er nach und stieg zu ihr in die Kutsche. Fast widerwillig ließ er den Dreckspatz neben sich los. Die Zügel wurden angezogen und Equipage rollte davon.

Porthos seufzte auf und sah seine zwei Weggefährten an. Den Jüngling mit dem sorgevollen Blick und den dritten unter ihnen mit leerem Blick und hängenden Schultern.

„Nimm du ihn bei der Hand, D`Artagnan und wir bringen ihn zu mir nach Hause“, beschloss er.

„Aramis hat keine Stiefel mehr“, wandte D`Artagnan ein. Porthos Blick glitt langsam an Aramis herab.

„Ich glaub nicht, dass sich Aramis um seine dreckigen Socken sorgt“, meinte er und stapfte los.
 

„Was ist mein Liebling?“

Athos hatte gedankenverloren und wortlos aus dem Fenster geblickt.

„Es ist meine Schuld“, murmelte er ohne den Blick zu lösen. Ihre Hand legte sich liebkosend und tröstend auf seine.

„Es ist nicht deine Schuld“, beleerte sie ihm und nahm den Ton zurück, als sie merkte das er verfehlt war. „Aramis wollte sich mit dem Chevalier duellieren. Du selbst hast ihm noch versucht, die Sache auszureden.“

„Es ist trotzdem meine Schuld“, murrte Athos dünnhäutig. Sein Zorn auf Diana wuchs. Er atmete tief durch. Nicht sie trug die Schuld, sondern er.

„Nun ist er doch frei.“

Athos sah sie an und sein Blick erschreckte sie.

„Du hast ihn dort unten nicht gesehen, Diana. Bete zu Gott, das du nie den Ort siehst, an dem er gewesen ist.“

Sie wollte etwas erwidern, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Wäre Athos aufmerksamer gewesen, hätte er bemerkt, dass der Dreck auf Aramis Gesicht kein Schatten eines Drei-Tage-Bartes war.
 

D`Artagnan Hirn arbeitete fieberhaft. Aramis benötigte ein Bad. Jemand der sie auszog, wusch und in neue Kleider steckte. Porthos durfte es nicht sein, damit wäre Aramis Geheimnis in Gefahr. Also überredete er Porthos sie ihm zu überlassen.

Nun stand er mit Aramis alleine auf der Straße, aber er war gewiss nicht der Mann der sie auszog und in die Wanne steckte. Für einen kurzen Moment fühlte er Panik. Er brauchte Martha. Martha würde es tun. Aber wie überzeugte er diese gottesfürchtige Frau, den Mund zu halten? Constance! Constance würde es verstehen und Martha beeinflussen können. Das waren schon zwei, die von Aramis Geheimnis erfahren würden. Würde Aramis ihm das je verzeihen? Wie kam er gleichzeitig zu Martha und Constance und wohin mit Aramis? Schweiß rann ihm von Nacken das Rückrat herunter. Er war ein Kindermädchen und noch dazu ein sehr schlechtes. Erst zu Martha, dann zu Constance. Er drehte sich noch einmal um die eigene Achse, dann rannte er los, Aramis hinter sich herziehend.

Das Schicksal war gnädig zu ihm. Constance war zu Besuch bei ihrem Vater, obwohl dieser Kunden besuchte. Schweißnass und mit erheblichen Wortfindungsschwierigkeiten lieferte er Aramis in der Küche des Schneiders ab.

Aramis schlief derweil auf ihren Armen gebettet am Tisch ein. Sie schlief als D`Artagnan ihre Geschichte Constance und Martha erzählte. Die beiden Frauen verstanden und rückten enger an ihre Schwester im Geiste heran. Ihr Geheimnis würde gewahrt werden. Aramis träumte tief und traumlos, als sie die hölzerne Wanne in die Küche rollten, als Eimer für Eimer dampfend im Wannenbottich landete. Sie stöhnte unwirsch, als man ihr das Gesicht kräftig wusch, aber sie erwachte nicht. Auch nicht, als die Frauen sie auszogen und zum Wasserbecken führten. D`Artagnan war zu Aramis nach Hause geschickt worden, neue Kleider zu holen.

Als er die Küche wieder betrat, saß Aramis, noch immer schlafend, mit nassen Haaren und frischen Sachen am Küchentisch.

„Sie glüht.“ Martha nahm besorgt ihre Hand von Aramis Stirn. „Sie wird noch warm vom Bad sein, aber nach meinem Erachten, hat sie Fieber. Steck sie in ihr Bett. Vielleicht senkt sich das Fieber von allein. “D`Artagnan nickte und rüttelte Aramis wach. Diese sah ihn glasig mit verständnislosem Blick an. Die Lider sackten wieder nach unten. Er zog ihren Arm um seine Schulter und bugsierte sie in Richtung Tür. Auf der Schwelle drehte er sich noch einmal um.

„Und denkt daran. Zu niemanden ein Wort. Nicht einmal Porthos und Athos wissen das sie eine Frau ist.“ Martha stemmte die Arme in die runde Hüfte und sah ihn empört an. „Was denkst du Junge? Das wir dumm sind?“ D`Artagnan ging und Martha brummte leise. „Ich bin mir nicht sicher, ob es besser wäre, wenn sie es wüssten.“
 

Das Fieber sank nicht und als D`Artagnan am darauffolgenden Tag erschien und Porthos von seiner Wache am Bett ablöste, glühte Aramis Gesicht und das Haar klebte schweißnass im Gesicht. Sie kämpfte. Ihr Atem ging rasselnd gegen den Druck im Brustkorb, das Fieber wütete in ihrem Körper.

Bald blieb kein anderer Ausweg mehr, als den Arzt zu rufen.

Es hatte sich schon Dunkelheit über die Stadt gesenkt. Der Herbst kam und die winterlichen Langnächte krochen näher. In der Stadt wurde es langsam ruhig. Der Nachtwächter rief die Bürger in ihre Häuser und entzündete die ersten Fackeln auf den öffentlichen Plätzen. Die Schenken und Wirtshäuser füllten sich, die Kirchen und Plätze leerten sich.

D`Artagnan und Porthos warteten. Endlich kam der Arzt heraus. Beide sprangen auf und gingen dem schwarzgekleideten Medikus entgegen.

„Eins müssen die Monsieurs mir erklären. Ich wurde zu einem Musketier gerufen, aber ich finde eine junge Frau vor.“ D`Artagnan schluckte. Nun gab es kein Zurück mehr. Porthos fiel buchstäblich die Kinnlade aus dem Gesicht.

„Wie bitte?“ fragte er tonlos.

„Ich bitte Euch zu schweigen“, erwidert D`Artagnan. „Ihr Leben hängt davon ab.“ Porthos sah ihn ruckartig und bitterböse an, als ihm klar wurde, dass D`Artagnan nicht überrascht war.

Der Arzt erwiderte trocken und ohne jegliche Spur von Humor. „Ihre Lebenskräfte schwinden rapide. Sie geht ohnehin dem Ende zu.“ Er seufzte, aber geschäftsmäßig ohne Gefühl. „Monsieurs, ich will Ihnen keine Hoffnung machen. Sie hat Schwindsucht und hustet Blut. Binnen dieser Nacht ist sie Tod. Sie sicht dahin.“
 

Der Arzt war gegangen. Doch die beiden schwiegen.

„Nach der Hochzeit sage ich es Athos“, brach Porthos das Schweigen. D`Artagnan nickte und der Kloß in seinem Hals machte es ihm schwer zu sprechen. Er schluckte schwer. „Was wenn …“

„Sprich es nicht aus.“, befahl der Koloss. „Lass uns zu ihr gehen“, meinte er leise. Aramis starb. Aramis durfte nicht sterben. Der Mensch an dessen Seite er zum Musketier geworden war, mit dem er soviel Zeit verbracht und durchgestanden hatte, starb einen Raum weiter. Sie war sein bester Freund. Das Geschlecht wurde bedeutungslos.

Diana de Claivice

„Wunderschön“, Diana de Claivice ließ die schimmernde Atlasseide ihres fertigen Hochzeitsgewandes durch ihre Finger rinnen. Der Stoff glitt wie eine Liebkosung über ihre Haut. Es war ein zauberhaftes Kleid. Spitze so fein wie Spinnenweben, mit zarten Silberfäden durchwebt. Sie hielt das Kleid näher ans Licht. Das Sonnenlicht ließ den Stoff aufleuchten. Der Schneider wartete.

„Es bringt viele Eurer Vorzüge zur Geltung, Madam.“

„Ja, das tut es, Monsieur“, wiederholte sie. Sie sprach als Tatsache, nicht aus Eitelkeit. Vor ihrem inneren Auge übersprang sie die Zeit bis zu ihrer Hochzeit und trat in diesem Kleid ihrem zukünftigen Mann entgegen. Sie würde wunderschön sein. Welche unsinnigen Ängste stand sie aus? Diana lächelte versonnen und atmete tief durch, in vollständiger Zufriedenheit.

„Wir haben alle anderen Aufträge zurückgestellt, um Euch schnellstens zufriedenzustellen. Durch Eure Hochzeit können wir uns an Aufträgen nicht beklagen.“

„Ich hätte gerne in meiner Heimat der Provence geheiratet“, Diana seufzte und lächelte. „Aber so kamt Ihr in den Genuss dieses Auftrags Monsieur Henrici. Und wie ich feststellen muss, verstehen sich die Pariser Schneider außerordentlich auf ihr Handwerk.“

„Danke Madam“ Der Schneider verbeugte sich beflissen.

War die Zeit bis zu ihrer Hochzeit kaum verronnen, eilte sie nun mit Riesenschritten voraus.

„Hat mein Verlobter sein Gewand bei Euch schneidern lassen?“

„Nein, Comtesse“, sagte der Schneider. „Monsieur de la Fere, hat ihn nicht bei mir schneidern lassen.“

Sie hob pikiert eine Augenbraue. „Wo dann?“

„Bei einem Schneider namens Bonauxieu.“

„Wer ist der Mann, kleidet er den König oder hochrangige Adlige ein?“

„Meines Erachtens nach nicht, Madam.“ Tat er doch, aber der Schneider hütete sich, das zu erzählen.

Diana überlegte. Dabei tippte sie sich mit der Spitze ihres Zeigefingers gegen ihre Oberlippe.

„Er hat sicherlich nicht die Einigkeit mit meinem Kleid berücksichtigt. Ich fürchte, ich muss Euch bitten, uns noch weiter voranzustellen.“

„Was kann ich für Euch tun, Madam?“

„Ich möchte, dass Ihr seine Kleidung passend zu meinem Kleid anfertigt.“ Der Schneider machte einen Diener, schwungvoll und zackig. Die Rückenschmerzen von der gebeugten Haltung über unfertige Kleider und Stoffmuster holten sich seine Gesellen. Bei dem Bückling vor Monsieur Van-der-Sluis, hatte er sich vergangen Sommer den Ischias eingeklemmt.

„Selbstverständlich Madam. Wann kann ich Maß nehmen?“

„Nun, er müsste jeden Moment hier sein. Ich hatte einen Boten zu ihm geschickt.“ Just in diesem Moment klopfte es und die Stimme der Zofe erklang. „Madam, der Bote ist zurück.“

Diana beorderte ihn herein und lächelte selbstzufrieden. Der Mann trat ein, äußerster Zurückhaltung, den Filzhut in der Hand knetend, sehr beredend. Dianas Lächeln gefror.

„Er war nicht da, Madam“, sagte der Mann schüchtern. Diana de Clavice wandte sich wieder dem Schneider zu. „Gut, Monsieur Henrici, ich rufe Euch, sobald er da ist.“ Der Schneider verbeugte sich erneut. „Gewiss Madam. Schickt einfach einen Boten.“ Ein gnädiges Nicken begleitete seinen Abgang. Ihre Aufmerksamkeit galt wieder dem Boten. „Nun, wo ist er?“

„Sein Diener sagt, dass er bei Monsieur Aramis ist.“

„So, bei Monsieur Aramis.“ Ihre Augen verengten sich zu zynischen Schlitzen.

„Dieser soll schwer krank sein“, fügte der Bote hinzu.

„Hast du ihm gesagt, dass ich ihn brauche?“

„Ja, Madam, aber sein Diener meinte, Monsieur de la Fere hätte deutlich zu verstehen gegeben, dass er wenig Interesse an anderem hätte, als an Monsieur Aramis Genesung. Seine Sorge gilt einzig allein ihm.“

Diana überlegt fieberhaft. Noch konnte sie keinen richtigen Gedanken fassen oder ihre Angst begründen, aber ihre Brust stach die Eifersucht und eine unbestimmte Angst, wie eine schlechte Ahnung. Sie atmete tief durch und ging zum Spiegel. Ihre Finger glitten suchend über die makellose Haut.

Sie lächelte sich an. Das Bild lächelte zurück. Ihre Augen im Spiegel trafen die des Boten, der sie unverholt anstarrte. Er wurde unvermittelt rot und senkte den Blick. Eine ihr vertraute Reaktion. Diana schmunzelte selbstzufrieden. Sie winkte ihm herrisch, ihr in die Vorhalle zu folgen.

„Weißt du, was Aramis hat?“

„Die Schwindsucht, Madam. Es sieht nicht gut aus.“

„Die Schwindsucht“, wiederholte sie nachdenklich. „Eine Krankheit an der viele sterben.“

„Fast jeder, Madam. Ich kenne keinen, der Überlebt hat“

„Und der Graf ist dort.“ Der Bote nickte.

Plötzliche Sorge ereilte Diana. „Nicht das er sich ansteckt.“ Ihr Zeigefinger zeigte auf ihn. „Geh und versuche dir ein Bild von der Situation zu machen. Mache ihm deutlich, dass er sich von einer ansteckenden Krankheit fernhalten muss!“ Der Bote schielte und nickte. „Ja, Madam.“ Dann verschwand er mit einem eiligen Diener. Diana stemmte die Hand in den Rücken. Ihre Schritte klapperten über die geflieste Vorhalle. „Schwindsucht“, sagte sie nachdenklich zu sich selbst. „Vielleicht lösen sich einige Probleme bald selbst.“

„Madam?“

Aus dem Schatten traten ihre Zofe und eine Unbekannte. Das betretende Gesicht der Zofe verriet, dass sie schon länger dort gestanden hatten und die letzten Worte unfreiwillig erlauscht hatten.

„Madam, Besuch.“

Die Unbekannte war in einem langen dunklen Umhang gekleidet. Diana zog verwundert eine Augenbraue hoch.

Was wollte sie? Über hundert Diener, Händler und Handwerker arbeiteten für sie an der Hochzeit.

Als sie ins Licht trat, bemerkte Diana, dass sie eine vollständige Gesichtsmaske trug. Die Augen hinter der Maske waren hypnotisch grün und funkelten listig. Warum war sie maskiert? Plötzlich fröstelte sie.

„Comtesse de Claivice“, sie sprach mit einer tiefen samtigen Stimme.

„Wer seid Ihr?“, fragte die Comtesse und musterte die verhüllte Gestalt vor ihr. „Wie sagtet Ihr doch gleich, war Euer Name?“

„Ich sagte – gar nichts, Madam.“ Man hörte das Lächeln in der Stimme, die Maske blieb ohne Ausdruck, die Augen glitzerten geheimnisvoll. „Ich habe gehört, dass Ihr Euch für Astrologie interessiert und Monsieur Cartas okkultes Kabinett aufsucht.“

Die Comtesse schnaubte. Aus En Vouge Gründen tat das jeder, gab es aber nicht zu, weil die Kirche es missbilligte. „Ihr irrt Euch Madam. Ich bin eine gute Katholikin und bei Monsieur Carta handelt es sich um einen windigen Italiener, der ein Möchtegern Magier ist. Niemand an dem wir unsere Zeit verschwenden.“

Die Unbekannte lachte melodisch, dass Diana ein angenehmes Kribbeln über die Haut rann.

„Ihr habt Recht Madam, aber reden wir offen. Ich selbst übe dieses Gewerbe aus und Euer Interesse ist bei mir vor der katholischen Kirche sicher.“

Von der Unbekannten ging etwas Unheimliches aus. Lag es an der Kostümierung, dem geheimnisvollen Glitzern in den Augen oder der schmeichelnden und gleichzeitig fordernden Stimme.

„Ob Monsieur Carta Talent nun zweifelhafter Natur ist oder nicht, er berichtete mir von Eurem Wunsch mit dem Ihr bei ihm ward.“

„Monsieur Carta sollte aufpassen, dass er seine Zunge nicht verliert“, versetzte Diana scharf.

„Nein, Madam, zu Eurem Glück berichtete er mir davon. Und ich will Euch mein Talent beweisen.“

Sie nahm eine kleine Flöte und blies eine kleine Melodie hinein. Dianas kleiner Pudel kam aus dem Vestibül geschossen und setzte sich der Unbekannten zu Füßen, den kleinen Schwanz aufgeregt hin und her schlagend. Die Melodie änderte sich und der Hund vollführte einige Kunststückchen. Die Zofe klatschte freudig und aufgeregt in die Hände. Diana blieb ruhig.

„Sehr erheiternd Madam.“

„Hier“, die Unbekannte hielt ihr ein kostbar verziertes Kästchen entgegen. „Dort drin ist ein Stück Tuch, von dem es heißt es sei ein Teil vom Gewand Maria Magdalenas. Reibt es auf Euer Gesicht und wünscht Euch, was Ihr am sehnlichsten Begehrt.“

„Was wollt ihr dafür, Madam?“, fragte Diana kalt und listig. Die Unbekannte lachte und wieder liefen Schauer der Erregung und des Grauens über ihren Rücken. „Ich schenke es Euch, Madam, auf das Ihr mich weiterempfehlt.“

„Nun denn, Madam“, meinte die Comtesse überheblich und wies zur Tür. „Dann herzlichen Dank, aber mein Herzenswunsch erfüllt sich in einer Woche und der Grund jeder Besorgnis siecht gerade dahin und so Gott will, bin ich ihn ohnehin bald los.“

„Dann hebt es gut auf, aber öffnet es vorher nicht“, erwiderte die unheimliche Unbekannte und ging.

Kaum das die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, machte Diana eine wegwerfende Handbewegung in Richtung ihrer Zofe und dem geheimnisvollen Kasten in deren Hände.

„Verbrenne es.“
 

Drei Tage lang rang Aramis mit dem Fieber. Ihr Körper kämpfte, schwitzte, unterlag und gab dann doch nicht auf. Am dritten Morgen nach Ausbruch ihrer Krankheit erwachte sie und war nicht gestorben. Dazu war sie zu zäh. Die Frauen ihrer Familie waren nicht mit zierlichen Körpern gesegnet, aber mit einer robusten Krankheit. Was sie an Grazie bemängelten, hatte die Natur mit Standvermögen gesegnet. Sie fühlte ihren schwachen Körper, die Luft die beim mühsamen Luftholen in ihrer Lunge schmerzte, das Herz das nur langsam schlug.

Durst quälte sie. Sie verschluckte sich und hustete qualvoll. Eine helfende Hand schob sich in ihr Kreuz und drückte sie hoch. Sie sah zu Porthos auf. Er hielt ihr einen Becher entgegen, den sie trank, während er sie stützte.

Aramis ließ sich in die Kissen zurückfallen und sah zu ihrem großen Freund auf. Sie bemerkte, dass sie keine Brustbinde trug und wusste augenblicklich bescheid. Die Verwirrung, die ihren Geist nach dem Gefängnisaufenthalt getrübt hatte, war verschwunden. Sie war wieder sie selbst.

„Geht es?“ Sie nickte und ein dicker Gefühlsklumpen hatte sich ihn ihrem Hals festgesetzt. Sie schwiegen lange. „Du bist also eine Frau.“ Porthos sagte es ruhig und sachlich.

Aramis weinte. Tränen rollten das pergamentartige weiße Gesicht herab. Porthos tätschelte unbeholfen ihre Hand und sah sie hilflos an. „Na, na, nicht weinen. Du bist doch ein großes Mädchen.“ Aramis schniefte. „Ich bin eine Lügnerin und Betrügerin.“ Sie sah ihn nicht an.

Er streichelte liebevoll über ihre Wange. „Na, nicht doch“, „besänftigte er sie. „Gut, du bist eine Lügnerin“, räumte Porthos ein und neue dicke Tränen rollten die Wangen herab. Sie schniefte laut und geräuschvoll. „Hasst du mich jetzt?“, flüstere sie ängstlich. „Nein. Vielleicht sollte ich und bestimmt wollte ich es auch, aber ich kann es nicht“, gestand er.

„Weißt du, wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte, dann hätte ich es Euch gesagt.“ Sie schrak zusammen und hauchte tonlos. „Weiß es Athos?“

„Nein, wir haben es ihm nicht gesagt“, beruhigte sie Porthos ohne ihr von seiner Absicht zu erzählen, es Athos nach der Hochzeit zu sagen. Sie schwiegen beide. Porthos musterte seine Freundin, die er nun mit einem neuen Blick sehen musste, an die er anders denken musste. Die Dinge hatten sich verkompliziert. Das taten sie unweigerlich immer, wenn eine Frau ins Spiel kam. Aramis biss nervös auf ihrer Unterlippe herum, dass Haar fiel ihr lose auf die Schultern. Ihre Finger spielten ruhelos mit der Bettdecke. Die Wölbung ihrer Brust zeichnete sich unter dem Hemd ab. Er zwang sich nicht hinzusehen. Ihm war schleierhaft wie sie das und andere Sachen hatte verstecken konnte.

„Er war die ganze Zeit hier, weißt du.“ Ihr Kopf ruckte hoch. „Wer?“

„Athos. Er hat dich aus dem Gefängnis geholt. Ist wie ein Besenkter dort reingetobt und hat dich rausgeholt. Dann hat er hier mit uns gewacht. Wir dachten du stirbst.“ Aramis schniefte vor Dankbarkeit. Wärme breitete sich in ihrer Brust aus. Ihre Augen leuchteten.

Porthos kniff kritisch die Augen zusammen und legte den Kopf schief. „Da ist doch irgendwas zwischen dir und Athos.“

Sie schüttelte den Kopf energisch.

„Doch, ich sehe es doch“, wiederholte er lauernd und runzelte die Brauen.

„Er weiß es doch gar nicht.“

„Trotzdem. Irgendwas ist da.“

Aramis seufzte.
 

Wenig später erfuhr auch Diana de Claivice von Aramis Genesung. Und obwohl sie das Selbstvertrauen schöner begehrter Menschen genoss und ihrer Wirkung sicher war, spürte sie Angst. So beschloss sie etwas zu unternehmen.

Es war dunkel in den Straßen und Gassen von Paris. Diana war in einen dunklen Umhang gehüllt. Das Gesicht in der Tiefe ihrer Kapuze verborgen. Zwei Knechte und ihre Zofe folgten ihr. Die beiden Knechte flankierten und schützten sie. Die Lichter der Häuser, dicht gedrängt auf den Point Neuf, warfen ihr Licht wie funkelnde Sterne auf die Seine. Nach und nach erloschen sie. Sie bogen von der Ile du Palais in die engen Gassen ein. Eine Katze schrie. Zwei spätabendliche Rumtreiber kreuzten ihren Weg. Die Hände der Knechte wanderten zu ihren Dolchen. Sie rückten näher an ihre Herrin heran. Der Place de Gréve lag verlassen da. Die hohen Fenster der Kirche blickten dunkel, der Brunnen leer. Links von ihnen öffnete sich die Tür eines Wirtshauses und spuckte schwankende Gestalten auf die Straße zurück. Eine Kutsche ratterte vorbei. Die Leuchter am Kutschbock rasten wie Glühwürmchen vorbei. Dann war es wieder still,- außer der Katze. Sie bogen ab und blieben stehen. Diana bedeutete dem Knecht mit einem Nicken voran zu gehen. Der Mann trat vor und klopfte an eine Tür. Es blieb still. Er klopfte heftiger und hämmerte auf das Türblatt ein. Es blieb dunkel und ruhig hinter den Fenstern des Hauses. Der Knecht zuckte die Schultern und wollte schon zurücktreten, als Schritte erklangen und ein Riegel zurückgeschoben wurde. Die Tür öffnete sich. Der Knecht trat vor und steckte den Fuß in den Türspalt. Er stieß die Tür auf und schob seinen Bewohner nach Inneren zurück. Diana trat ein, dicht gefolgt von ihrer Zofe. Die beiden Knechte sahen sie herausfordernd an. Sie nickte und bedeutete ihnen mit einer knappen Geste draußen zu warten. Ihr Gegenüber wartete still. Die Tür schloss sich und Diana schlug ihre Kapuze zurück.

Aramis keuchte erschrocken auf. „Ihr?“

Diana musterte sie stumm. Wovor hatte sie Angst? Aramis blasse Haut leuchtet hell und durchscheinend im Mondlicht, welches silbrig durch die Fenster floss. Eine andere Lichtquelle gab es nicht. Diana ging eins, zwei Schritte näher und umrundete Aramis. Die hellen Augen folgten ihr. Vor ihr stand ein Mann. Jünger als sie, anderthalb Köpfe größer. Auf beängstigende Weise anziehend, in seiner Androgynität. Feminin ohne weibisch zu sein.

Sie spürte die Anziehungskraft, die von Aramis ausging und erschrak, weil sie sie verstand.

„Ihr seid wieder gesund?“, fragte sie.

Aramis lachte spöttisch „Ihr kommt zu Fuß zu mir, weil Ihr Euch um meine Gesundheit sorgt?“

Diana runzelte ärgerlich die Stirn. Sie fand nicht die rechten Worte.

„In zwei Tagen ist die Hochzeit.“

„Ich weiß“.

„Nachdem was vorgefallen ist, seht Ihr sicherlich ein, dass es äußerst unpassend wäre, wenn Ihr erscheinen würdet.“

Aramis sah sie bitterböse an. „Sicherlich“, erwiderte sie mühsam beherrscht. „Auch für mich, ist diese Hochzeit unerfreulich.“ Sie verschwieg in welcher Hinsicht.

Diana blinzelte verwirrt. „Dann kommt Ihr nicht?“

„Das habe ich nicht gesagt“, widersetzte Aramis.

„Seien wir doch ehrlich. Olivers Zeit bei den Musketieren ist vorbei. Er ist wieder Graf de la Fere. Und Ihr seht sicherlich ein, dass eine Hochzeit für einen unbedeutender Soldat wie Ihr es seid, der falsche Ort ist.“

„Und dennoch habe ich eine Einladung erhalten“, erklärte Aramis ruhig. „Was wenn ich doch komme?“

„Oliver gehört mir“, fauchte Diana rau und ballte die Hände zu zierlichen Fäusten. Ihre Zofe wich einen Schritt zur Tür zurück.

Aramis lächelte fein und spöttisch. Sie ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. „Kann ein Mensch einem anderen Mensch gehören, Madam? Wovor habt Ihr Angst?“

Diana keuchte empört auf. „Seht euch doch an!“ Und sie blickte mit der Kunst höchster Verachtung auf Aramis herab. „Vor nichts. Ihr seid mir keine Konkurrenz.“

„Und doch seid Ihr hier.“ Das Bild zersprang.

„Ihr seid eine Laune, nichts weiter. Ich kenne Oliver schon sein ganzes Leben lang.“

„Auch die letzten 10 Jahre, Madam? Kennt Ihr Oliver oder Athos?“

Die Comtesse schrie. „Er ist Oliver, Oliver de la Fere!“

„Dann ist alles gesagt“, erwiderte Aramis und wies zur Tür.

„Geht!“

Diana wich zurück, in einer seltsamen Mischung aus Trotz, Angriff und Angst. „Kommt Ihr?“, flüsterte sie ängstlich.

„Ich sagte Euch schon, auch ich habe wenig Grund, mich auf Eure Hochzeit zu freuen.“

Diana nickte und ging. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, ließ sich Aramis erschöpft zu Boden sinken. Sie fühlte die Dunkelheit und Leere in ihrer Seele. So weinte sie leise, auf den kalten Fliesen ihrer Küche.

Hochzeit

Sie saß einsam da, obwohl ein ganzes Palais um sie herum in Aufregung war. Eine Zofe tupfte Puder auf ihr regloses Gesicht. Sie hob die Augen und blickte in den Spiegel. Das Mädchen im Spiegel blickte zurück. Die schlaflose Nacht sah sie nicht mehr. Sie war überschminkt mit Puder, Kohlestift und Wangenrot.

Der kleine Busen drückte sich kokett aus dem zu eng geschnürten Mieder.

Um sie herum herrschte eine Lautstärke wie im Taubenschlag. Ein Tumult aus Unterröcke, Puderdosen und Banalitäten.

Eine Fächerspitze tippte auf ihre linke Schulter.

„Hörst du mir zu?“

Nein tat sie nicht. Sie nickte vorsorglich und mechanisch.

Eine andere Fächerspitze begehrte ihre Aufmerksamkeit und stach von rechts auf sie ein.

„Hast du Angst, Kind?“

Hatte sie Angst? Sie lachte kurz und hysterisch auf, dann schwieg sie.
 

Diana saß, die Beine übereinander geschlagen, zurückgelehnt in einem Sessel und betrachtete unbeteiligt ihre Base, umringt von einem dichten Geschwader aus weiblichen Verwandten und alten Ratschlägen.

»Natürlich. wird es wehtun. Nein, schön ist es nicht. Ja, meist riechen sie etwas strenger, wenn sie schon älter sind.«

Ihre Base schluchzte auf und der junge Körper sackte von unsichtbarer Last getragen noch mehr zusammen.

Ihr zukünftiger Mann war ein alter Mann und sie würde seine dritte Frau werden. Nein, gut rochen sie in dem Alter wirklich nicht mehr und selbst das dunkle Schlafzimmer konnte diese alten schweißigen schweren Körper und das schwerfällige Grunzenden, wenn sie sich abrackerten nicht ausblenden. Das war der Preis für die gewonnen Stellung. Er wurde blutig und mit dem Ende von Träumen bezahlt.

Diana wippte mit dem Fuß und balancierte den schmalen Pantoffel in der Luft, die langen Finger trommelten auf der Sessellehne. Auch sie spürte die Aufregung. Doch sie war schon zu lange im Geschäft der bigotten Aristokratie, dass ihr Gesicht gewohnheitsmäßig den Ausdruck lässiger Langweile trug.

»Bist du erst einmal schwanger, dann lässt er dich in Ruhe.«

Wieder schüttelten kurze Schluchzsalven das Mädchen. Diana beobachtete sie träge, wie ein schlafender Löwe seine Beute, durch halb gesenkte Lider. Noch selbst ein Mädchen, wurde sie an einen dreifach so alten Mann verkauft, übelriechend, herrisch und grob. Doch sie hatte die Beine brav geöffnet und vor Frust still in die Kissen gebissen. In den folgenden Jahren ihrer Witwenschaft sonnte sie sich in Worten und Blicken, aber nie gab sie der Versuchung nach, das Bett mit einen ihrer Verehrer zu teilen. Brav hielt sie die Beine geschlossen und biss vor Frust still in die Kissen. Ab heute würde dies das Schicksal des kleinen geschminkten Mädchens sein.

Heute nach 10 Ehejahren als Frau eines Vierundvierzigjährigen, seit sie fünfzehn war, dachte sie an ihre folgende Hochzeitsnacht und ein Schnurren rollte über ihre Kehle.
 

Es war soweit. Man hatte sich auf eine Trauung im Stadtpalais der D´Estauville geeinigt. War die Transaktion der dreizehnjährigen Madeleine de Sillégue mit dem Baron Falk erfolgreich verlaufen, würde die Vermählung von Diana de Clavice und Oliva de la Fere folgen. In der Familienkapelle und im Park war alles vorbereitet.

Der Chevalier D`Estauville hatte keine Kosten und Mühen gescheut, die Hochzeit seiner Cousinen auszurichten. Galt es hier doch im Grunde darum, in die Aufmerksamkeit des Adels zu rutschen. Dressierte Pfaue liefen frei durch den Schlosspark. »Er hat wie immer übertrieben«, dachte Diana und schenkte den Gästen ein gemäßigtes Lächeln. Fein und wohl platziert. Ein Wirbel von hin und her gleitenden Fächern antwortete ihr. Ein Wippen unter den zarten Sonnenschirmchen. Der König bot nur eine begrenzte Anzahl an Festen und Lustbarkeiten. Letztendlich waren diese Ereignisse immer gleich und gehaltlos. Aber gesehen und gesehen werden. Man nahm was man kriegen konnte. Sie standen in kleinen Gruppen beisammen und tauschten Frivolitäten aus. Langweilten sich, trugen die Nasen hoch und schmolzen in der hellen Herbstsonne unter ihren Korsagen und schweren Samtjacken dahin. Diener reichten Wein und kandierte Früchte.

Athos stand in einer Gruppe von Männern auf der Terrasse. Sie sah ihn dort stehen, den Rücken halb zu ihr umgewandt und plötzlich stahlen sich Gefühle in dem aufgesetzten Lächeln der Höflichkeit.

Ihre Augen suchten ihn, als wollte sie ihn wortlos zwingen, sich zu ihr umzudrehen.

Diana wusste, dass sie schön war. Sie stand in der Blüte ihrer Schönheit, mit dem Gebärden einer sinnlichen reifen Frau ohne Anzeichen des Alterns. Für den Rest halfen die sorgsamen Hände ihrer Zofe und eine teure Garderobe nach. Noch war ihre Taille so schmal, dass Männerhände sie umfassen konnten und ihre Haut faltenlos.

Endlich sah er sie. Ein breites Lächeln zeichnete sich über seine Züge. Die anderen Männer drehten sich ihr entgegen und Dianas Lächeln erlosch. Da stand er, neben seinem dicken Freund und dem jungen Musketier.

Diana war so entsetzt, dass ihr für einen Moment die Sprache fehlte. Sie fühlte den kalten Schweiß, der ihren Rücken herunter rann. Der Atem fehlte ihr plötzlich im engen Mieder. Oh, wie konnte Aramis es wagen? Nachdem nur Olivers Zuspruch und der Kniefall vor König und Kardinal Aramis aus dem Kerker geholt hatten, tauchte er in ihrem Kreis auf. Auch der Chevalier verzog säuerlich das Gesicht.

Athos trat aus dem Kreis auf sie zu und nahm ihre Hand, um sie zu küssen.

„Du siehst wunderschön aus, mein Liebes“, begrüßte er sie und seine Augen glühten, als sein Blick über sie wanderte. Der Daumen strich liebkosend über ihre Handinnenfläche, dass sich Schmetterlinge in ihrem Inneren erhoben. Diana atmete heftig ein, das die Pracht ihres Busens aus dem Spitzenabsatz auszubrechen drohte. „Nicht wahr, Monsieurs?“ Und die Monsieurs nickten und versanken synchron in ihrem Ausschnitt. Diana verneigte sich grazil und errötend, weil es ihr gut stand.

Sie hob den Kopf und sah über das Begehren in Athos Augen, in ein helles Augenpaar. Doch hinter der scheinbaren Ruhe brodelte ein gefährliches Feuer. Aramis Gesichtsausdruck verriet nichts, die Augen sagten jedoch alles. Diana nahm wortlos die Herausforderung an.

Die Öffentlichkeit verbot es Athos, Diana in den Arm zu nehmen, doch er hob die Hand und strich über ihren Hals, eine der langen Haarsträhnen zurück. Eine ungemein intime Geste. „Ich bin am Ziel meiner Wünsche“, sagte er rau und ließ die Hand auf der weichen Haut liegen.

Sie sah den Blick, mit dem Aramis Athos ansah. Den Hunger in den Augen.

„Nur noch ein wenig Geduld, mein Geliebter“, erwiderte sie und sah doch weiterhin in Aramis Augen.
 

Sie gingen zur Kapelle. Athos führte Diana am Arm, der Rest folgt ihnen, wie brave Schoßhündchen.

„Ich bat Aramis, mein Trauzeuge zu sein.“

„So“, Diana hob den Blick, drehte sich zum folgsam folgenden Aramis um und versenkte ihn triumphierend in Aramis Augen, ein feines Lächeln auf den Lippen. Der Musketier zuckt unmerklich zusammen. Sie lächelte süffig. „Wie schön.“ Wieder kam ihr der Blick in den Sinn, mit dem Aramis Athos angesehen hatte. Hinter dem Ausdruck vollständiger Gelassenheit, verbarg sich viel Schmerz, doch Aramis würde nichts tun oder sagen, um seine Freundschaft mit Athos zu gefährden, weil es die einzigen Ansprüche waren die er erheben konnte. Darum war er hier.

Die Randfiguren hatten vor der Kapelle Aufstellung genommen. Die Sonne kitzelte im Nacken. Der Himmel wölbte sich endlos blau über die Parkanlage und seine Gäste.

Die Trauung begann. Der Bischoff verlas die Traupredigt im monotonen Latein. Die Gäste fächerten um die Wette, unterhielten und kommentierten. Die kleine Braut, erdrückt in Rüschen und Perlen, unterschrieb unter den strengen Augen ihrer Verwandten und der Baron nickte selbstgefällig. Zwei Frauen hatten ihm kein Erbe schenken können. An seiner Manneskraft lag es nicht, liefen doch genügend Bastarde von ihm auf Erden. Diese hier würde den langersehnten Sohn gebären. Transaktion war abgeschlossen.

Diana und Athos erhoben sich und schritten auf den Bischof zu. Ihre Schwester folgte ihr. Aramis blieb an Athos Seite. Die Trauung begann. Der Rest der Zeremonie zog unwirklich an Diana vorbei. Sie war nicht mehr das eingeschüchterte Mädchen das damals vor den Priester getreten war. Sie zwang sich geduldig und äußerlich interessiert der schier endlosen Liturgie zu folgen. Sie fühlte die Sonne auf ihrer weißen Haut brennen und die endlos tuschelnden Gäste im Nacken, - sie fühlte den Mann an ihrer Seite und wollte endlich verheiratet sein, den Titel der Gräfin de la Fere schon auf der Zunge schmeckend. Endlich wurde die Vertragsurkunde vorgelegt. Ihre Hand zitterte vor Ungeduld und fast verhackt sich die Feder bei am Papier. Dann stand ihr zierlicher Schriftzug neben dem schwungvollen Namen Athos. Kein Erwachen, keine böse Überraschung. Selbst Aramis trat wortlos vor und unterzeichnete, ruhig und vollkommen beherrscht. Ein langer Schriftzug, den sie nicht richtig lesen konnte, aber sie ahnte, dass es kein Name eines Bauern ist.

Der rundliche Bischoff trat wieder vor und strich sich zufrieden die Ornate glatt. Das Festtagsbüfett wartete. Er sah schon wie es durch eine endlose Kolonne von Bediensteten aufgebaut wurde. Nun knurrte sein Bauch und er wusste, dass es dem Koloss im grünen Wams genauso ging. Er stutzte, als zwischen den langen Reihen der Gäste eine dunkel bemäntelte Gestalt mit aufgesetzter Kapuze erschien. Sie war plötzlich aufgetaucht. Noch hatte sie keiner bemerkt. Er war der Einzige, der sie sah, da nur er über die Köpfe hinweg nach vorn in den Park blickte.

Ihr Gesicht war nicht zu sehen. Der dunkle Umhang hob sich gegen die helle Festkleidung der Anwesenden ab. Die Gestalt blieb stehen und hob herausfordernd die Stimme.

„Wieso fragt Ihr denn nicht, ob jemand was gegen diese Ehe einzuwenden hat?“ Und plötzlich wurde es still. Alle Augen richteten sich auf die Gestalt im dunklen Umhang.

Ein Flüsternd erhob sich und breitete sich wellenartig von Reihe zu Reihe aus. Ein Skandal bahnte sich an. Ein gefundenes Fressen für die eleganten Salons.
 

Es war die Stimme einer Frau.

„Warum bin ich nicht geladen worden, Athos?“, fragte sie herausfordernd und zog die Kapuze vom Kopf. Sie trug eine Maske, die ihr ganzes Gesicht verbarg.
 

Diana war erstarrt und gleichzeitig empört. Sie erkannte die Stimme, doch ihr wollte nicht einfallen woher.

Was hatte das zu bedeuten? Warum tat keiner irgendetwas?

Sie hörte Oliver aufkeuchen und einen Namen sagen. Er war zur Salzsäule erstarrt. Sie sah die Bestürzung auf seinem Gesicht.

Die Unbekannte nahm aus ihrer Tasche die kleine Flöte und spielte auf ihr. Die vorher so sorgsam dressierten Pfaue fingen an wild zu werden und stürzen sich auf die Gäste. Diese begannen zu schreien. Diana war den Tränen nah. Was war aus ihrer Hochzeit geworden?

„Erkennt ihr mich, Athos, Aramis, Porthos und D`Artagnan?“, rieft die Frau.

Die Unbekannte lachte. Sie wusste, dass ihr Auftritt gelungen war und plötzlich erkannte Diana die Unbekannte mit dem geheimnisvollen Kästchen. Wut keimte in Diana.

Die Fremde zückte eine Waffe und richtete sie nach vorn. Der schwarze Schlund der Waffe hypnotisierte sie.

Der Bischoff raffte seine Robe und rannte davon. Ihre Schwester fiel in Ohnmacht.

Jetzt standen nur noch das Brautpaar und Aramis dort.

„Für sein Glück muss man teuer bezahlen. Seid ihr bereit den Preis aufzubringen?“

Endlich erwachten alle aus ihrer Erstarrung.

Die vier Musketiere bewegten sich vorsichtig und fächerförmig auf sie zu. Für einen Moment wurde sie unsicher, auf wen sie die Waffen richten sollte. Auch andere Männer versuchen sich ihr zu nähern.

Die Frau streifte mit der freien Hand ihre Maske ab. Ein Raunen ging durch die Reihen und der Halbkreis aus Männern wich zurück. Die Frau war entstellt. Ihr Gesicht war ein Schlachtfeld. ”Aussatz”, schrie jemand und wirklich die Beulen, schlaffen Hautlappen und Narben im Gesicht, zeugten von der ansteckenden, gefährlichen, lebenszerrende Krankheit.

Die Gäste versuchten davon zu stürzen. Einige begannen zu rennen, doch sie waren es nicht gewohnt und stolperten über Anderen, die wildgewordenen Pfaue zwischen ihren Beinen. Es herrschte ein unbeschreiblicher Tumult, während die Aussätzige in ihrer Mitte stand und mit dem Echo einer Wahnsinnigen lachte.

„Dies seit ihr mir schuldig“, schrie sie und deutet auf ihr Gesicht. Das Lachen war vergessen. Ihre Stimme kreischte schrill und anklagend. „Und ihr zahlt es mir zurück!“

Plötzlich verstand Diana was es mit dem Tuch in der Kiste auf sich hatte und Erleichterung durchflutete sie. Sie sollte sich mit der Krankheit infizieren, aber sie hatte es verbrennen lassen. Aus der Erleichterung wurde Empörung, aus der Empörung Übermut. Die eingeimpfte Stimme ihres Geburtsrechtes und Erziehung, welche die Diener an das untere Tischende setzte, um mit Demut, die Verachtung ihrer Herrn ertragen, ließ sie alle Vorsicht vergessen. Sie raffte ihre Röcke und trat ihr vermessen entgegen. Sie hörte nicht, wie Aramis erschrocken aufkeuchte und sie zurückrief. Diana trat vor, stapfte mit ihrem kleinen Fuß auf, reckte das stolze Kinn vor und rief mit Verachtung in der Stimme:

„Verschwindet Madam. Verlasst sofort diese Feierlichkeit.“ Ihre Unterlippe zitterte vor Empörung, ihre Nase war himmelwärts gerichtet. „Wie könnt Ihr es wagen? Ihr seid eine Abscheulichkeit. In den Straßendreck hätte ich Euch jagen sollen!“ Sie meinte eigentlich die Tatsache, nicht das entstellte Gesicht der Unbekannten.

„Ach so“, erwiderte die Unbekannte, ganz und gar nicht unterwürfig und musterte sie, eine todbringende Wut in den grünen Augen. Diana hatte die Waffe in den Händen der Fremden vergessen.

Sie richtete die Waffe auf die neue Gräfin de la Fere. „Ihr seid schön, Gräfin“, sagte sie verachtend und fixiert sie mit stechendem Blick. „Ich war es auch einmal!“

Diana hörte Aramis schreien, aber sie sah nur die Waffe. Sie wusste, dass sie einen großen Fehler gemacht hatte. Die Unbekannte drückte ab. Ein Schuss fiel. Diana trat nicht beiseite. Ihre einzige Reaktion war es, die Hände zu heben, um ihr Gesicht zu schützen. Jemand anderes stieß sie beiseite. Diana fiel hart. Sie lag plötzlich am Boden und wusste nicht, was sie zu erst machen sollte, sterben oder kreischen. Noch nie hatte sie so schrecklich Angst in ihrem Leben. Panik übermannte sie. Die Luft zum Atmen fehlte. Wieder wurde ein Schuss abgefeuert. Die Kugel schlug in den Boden, direkt vor ihrem Gesicht ein, der Stein splittert und Steinchen trafen ihre Haut. Diana schrie auf. Sie presste die Hände auf ihre Ohren, verschloss ihre Augen und kreischte um ihr Leben. Gleich würde sie sterben, gleich würde sie sterben … aber sie wollte nicht sterben. Sie hatte doch gerade erst geheiratet. Dann ereilte sie die Ohnmacht und erlöste sie von allen Schrecken.

Als sie erwachte, war es still. Zu still. Diana fühlte ihren Körper. Es hatte sie keine Kugel getroffen. Ihr Körper schmerzt, aber sie lebte. Es waren nur die engen Miederstäbe und die Panik, die ihr die Luft weggeschnürt hatten. Ihr Stolz war verletzt, aber nicht mehr. Sie hob vorsichtig die Augen. Ihr Kopfputz aus Blumen und Haaren sind ihr in das Gesicht gerutscht.

Sie sah in den Park. Er lag verlassen da. Ihre Gäste waren weg. Sie hatten ein Schlachtfeld aus umgekippten Stühlen, zerfetzen Kleiderstücken und zertretenden Blumenrabatten übrig gelassen.

Die Leiche der Unbekannten mit dem entstellten Gesicht lag inmitten der umgekippten Stühle. Ein Dolch steckte senkrecht in ihrer Brust. Niemand beachtete sie. Wo ist Oliver? Sie erinnerte sich, dass Aramis im Augenblick des Schusses, sich gegen sie umgeworfen hatte. Hatte die Kugel Aramis getroffen?

Sie suchte Athos und sah ihn hinter sich knien. Er beachtete sie nicht und hatte ihr den Rücken zugewandt. Er beugte sich über jemanden der am Boden lag. Ächzend schob sie sich nach vorn, um mehr sehen zu können. Ihre Beine zitterten zu sehr, um aufzustehen.

Es war Aramis, den Athos in seinen Armen hielt. Aramis Augen waren geschlossen, das Gesicht war weiß und schmerzverzerrt. Der schwarze Fleck auf dem dunkelblauen Seidenwams wurde größer.

Diana quiekte, weil ihr die Worte zum Sprechen fehlen. Athos hob den Blick. Sein Gesicht war grau, die Augen blutunterlaufen. Gram zeichnete sich in harten Linien, um seinen Mund. Er sah sie wortlos an, die Vogelscheuche im Silbergewand, mit Blütenfetzen im zerzausten Haar. Er sah, dass sie unverletzt war und senkte er die Augen wieder auf Aramis und es lag dasselbe darin, wie in Aramis Blick. Aramis stöhnte leise und Athos strich ihm vorsichtig über den Arm. Etwas in Diana resignierte. Sie begriff, dass in einer kurzen, fast nebensächlichen Berührung mehr Zuneigung sein konnte, als in einer opulenten Hochzeitsfeier.

Porthos kam und hob Aramis in seine starke Arme. Er trug ihn fort. Athos stand auf und warf einen Blick auf Diana. Diana streckte den Arm nach ihm aus und er zog sie hoch. Doch anstatt sie in den Arm zu nehmen, winkte er einen der Bediensteten heran und übergab sie ihm. Er folgte Porthos ins Schloss. Diana klappte ihren Mund auf und wortlos wieder zu.

Sie waren noch Kinder gewesen und es war die erste Liebe ihres jungen Lebens. Es hätte eine große Liebe werden können. Sie passte nur nicht zu den Rollen, die das Leben ihnen zugedacht hatte. So war jeder seinen Weg gegangen. Nun wusste Diana nicht mehr, wie viel von dieser Liebe noch übrig war. Jetzt war sie überschattet von der Suche nach Ansehen und Stellenwert. Sie hatte verlernt einen Menschen mehr lieben als sich selbst. Sie begriff nicht was notwenig war, um wirkliche Liebe zu empfinden und zu schenken.

Diana hatte geglaubt zu wissen, was Athos wollte. Aber eigentlich waren seine Gefühle eine Irrfahrt im Nebel für sie. Die Jahre als Musketier hatten ihn von dem Jüngling der er war so weit entfernt, wie sie von dem unbedarften Mädchen.

Enthüllung

Athos rannte gegen knapp zwei Tonnen Muskelgewicht, Fleisch und Sturheit an, die sich ihm in der Tür entgegengestellt hatten. Porthos legte seine Hand auf seinen Brustkorb und schob ihn zurück. In seinem Rücken öffnete sich die Tür, D`Artagnan schlüpfte hinaus und rannte los.

Man hatte Aramis in das Schloss gebracht.

„D`Artagnan holt gerade einen Arzt“, erklärte Porthos ruhig, ohne von der Tür zu weichen. „Aramis geht es gut. Sie ist wach. Sie ist ein bisschen unglücklich gefallen, als sie deine Frau zu Boden gerissen hat. Aber so eine kleine Kugel, bringt sie nicht um.“

„Wie bitte?“ Akustisch hatte Athos alles verstanden, aber den Sinn wollte er nicht ganz begreifen. „Warum sie?“

Porthos erklärte es ihm. Dann erklärte es ihm noch einmal. In seinem Kopf drehte es sich. Das konnte nicht sein. So etwas hätte er doch merken müssen. In den ganzen Jahren, in der vielen Zeit die er mit Aramis verbracht hatte, hätte er es doch bemerken müssen. Es gab doch Unterschiede zwischen Mann und Frau, die fielen doch einfach auf, die konnte „Mann“ einfach nicht übersehen.

„Seit wann wisst ihr es?“, fragte er tonlos und mit starrem Gesicht.

„Als sie an der Schwindsucht erkrankte. Wir wollten es dir nach deiner Hochzeit erzählen.“

„Wie bitte?“, brüllte Athos wütend. „Als Hochzeitsgeschenk oder als Zugabe zur Hochzeitsnacht? Ihr hättet es mir sofort sagen müssen.“

Porthos zuckte unbeeindruckt die Schultern. „Wir dachten, die ganzen Jahre spielt sie schon den Mann, da kommt es auf eine Woche mehr oder weniger nun auch nicht an.“

In Athos Kiefer knirschte es, als er seine Hinterzähne zermalmte. Er ballte die Hand zur Faust und schlug auf die Wand ein. Die Wand blieb stehen. Der Spiegel zitterte. Er warf einen zittrigen Athos mit dem Antlitz eines Wahnsinnigen zurück. Athos schlug zu. Der Spiegel zerbrach. Es splitterte. Porthos ließ ihn gewähren. Blut floss über den Handrücken. Er gab auf.

„Hast du dich beruhigt?“

Athos nickte. Porthos reichte ihm ein Taschentuch und trat beiseite.
 

Als Athos das Zimmer betrat war Aramis wach. Sie hatte sich auf ihre Unterarme gestützt, um ihn ansehen zu können. Er sah Angst und Bestürzung auf ihrem Gesicht und ihm war klar, dass sie alles mitgehört hatte.

Aramis schluckte. Die Albträume waren wahr geworden. Wenn sie in Athos Gesicht las, sah sie die Reaktion, die sie am meisten gefürchtet hatte und warum sie sich nie offenbart hatte. Er sagte nichts, sondern trat wortlos an das Bett. Aramis Herz galoppierte bis in die Kehle hinauf und schlug wild auf ihren Kehlkopf ein. Ihr Körper begann zu zittern. Kläglich sah sie zu ihm auf.

Schweigen stand zwischen beiden, während Athos sie mit schmerzlichem Ausdruck in den Augen musterte. Schwere Gewitterwolken standen auf seinem Gesicht. Blut nässte das Taschentuch um seinen Handrücken.

Da lag sie. Das blonde Haar klebte wirr im Gesicht. Das Gesicht bleich, mit riesigen schmerzverzerrten Augen. Die feinen Gesichtszüge traten deutlich hervor, ihre Lippen bebten. Wie konnte er so blind gewesen sein. Ihre Hand hielt ihre Seite, wo die Kugel sie getroffen hatte. Den Wams hatte man ihr ausgezogen, das Oberhemd steckte lose in der Kniehose. Sie besaß nicht das ausladende Becken der meisten Frauen, ihre schmale Taille ging in knabenhafte Hüften mit langen Beinen über, die ihr die Größe der meisten Männer gab und dennoch, wie hatte er so blind sein können. Auf der schmalen Liege, lag deutlich sichtbar ein Frauenkörper. Leider Gottes, erregte es ihn auch noch. Das machte es nicht besser. Gleich würde er sich auf sie stürzen.

„Warum hast du nichts gesagt?“, fragte er leise und rau, mit zugeschnürter Kehle.

„Ich konnte nicht“, flüsterte sie zurück und sah ihn um Verzeihung bettelnd an. Der verletzliche Blick in den großen blauen Augen, die der Schmerz verdunkelt hatte, war zuviel für ihn. Er sah weg.

Athos seufzte und fuhr sich durch das wirre Haar, „Nun ist es zu spät.“

„Was ist zu spät, Athos?“ Sie blickte verwundert auf und suchte seine Augen, um in ihnen zu lesen. Er räusperte sich. Setzte zu sprechen an, brach mit seiner Stimme und versuchte es erneut. Er verschloss den Blick auf seine Gefühle. Er fühlte Bitterkeit und Enttäuschung.

„Du hast deine Rolle sehr gut gespielt“, meinte er bitter und fügte eine Spur beißender hinzu: „Zu gut.“

Sie zuckte zurück, verzog gleich das Gesicht vor Schmerz und augenblicklich tat es ihm leid.

„Man tut was man kann“, meinte sie lapidar und verbarg ihr wild klopfendes Herz hinter der Maske scheinbarer Gleichgültigkeit.

Tat ihr nicht leid, was sie ihm angetan hatte? Er hatte geglaubt, dass sich mit seiner Hochzeit alle Probleme lösen würden. Seine Angst vor seinem Verlangen nach Aramis, hatte ihn dazu getrieben.

„Wie viel Jahre waren es. Sechs oder Sieben?“

„Acht“, berichtigte sie ihn.

„Acht Jahre! Seit acht Jahren gibst du vor ein Mann zu sein? Seit acht Jahren zweifelt nicht ein Mensch, dass du nicht das bist, was du vorgibst zu sein?“ Aramis zuckte vor dem Ton in seiner Stimme zusammen. Seine Augen glänzten hart.

„Du kämpfst wie ein Mann. Du lebst wie ein Mann, du gibst dich wie ein Mann“, zählte er auf und schloss mit Verachtung in der Stimme: „Du siehst aus wie ein Mann!“ Es zog qualvoll in seinen Lenden und strafte ihn selbst Lüge.

Für Aramis waren seine Worte wie Peitschenhiebe.

Aber Athos war verletzt und wollte verletzen. „Ich gratuliere dir. Du bist mehr Mann, als wir alle zusammen. Auch ich ahnte nichts.“

„Athos, ich …“ hob sie hilflos an, doch die Härte seines Gesichtsausdruck, erstickte ihre Worte zu einem hilflosen stottern. Er sagte ihr nicht, dass seine eignen Gefühle ihm eigentlich alles verraten hatten, er nur zu blind gewesen war, es zu erkennen. „Athos“, hauchte sie erstickt und er hörte die tapfer zurückgehaltenen Tränen, hinter dem Zittern in ihrer Stimme. Schweigen entstand. Langes Schweigen.

„Danke, das du Dianas Leben gerettet hast“, sagte er schließlich steif. Er musste hier raus.

„Bitte“, erwiderte sie tonlos.

Er setzte an ihren Namen zu sprechen, doch sie unterbrach ihn. „Geh einfach, Athos. Geh!“. Sie blickte ihn nicht an, nur zur Wand mit Tränen in den Wimpern und Athos stürzte hinaus.
 

Athos kehrte heim zu einem Zuhause, dass nicht das seine war. Zu einer Frau die er eigentlich nicht gewollt, aber letztendlich gewählt hatte. Es gab keine Liebesnacht, nur Schweigen.

Die Leiche von Mylady war verbrannt worden, obwohl es als Verweigerung für den Einlass in das Himmelreich galt. Aber konnte jemand wie Mylady Erbarmen und Erlösung von ihrer Schuld erwarten?

Die Nachtstunden vergingen und verloren sich in dem ersten Licht des neuen Tages. Athos hatte sie auf seiner Bettkante, den Kopf in den Händen vergrabend, vor sich hinbrütend verbracht. In der Stille der Nacht ging er Jahr für Jahr, Tag für Tag seine Erinnerungen durch und suchte nach Anhaltspunkten. Von Zeit zu Zeit schüttelte er fassungslos den Kopf. Oh, Gott, wie hatte er so blind sein können.

Hinter ihm wälzte sich der von Albträumen geplagte Körper seiner Frau durch den Schlaf.

Mit dem ersten Hahnenschrei erhob er sich und kleidete sich an.

Diana hatte gefleht und gebettelt bei ihr zu bleiben, dann hatte sie ihn angeschrien und er hatte die Hand erhoben und ihr eine Ohrfeige gegeben. Sie war still gewesen und er schockiert. Seine Handfläche brannte, als hätte sich Säure über die Haut ergossen.

Dann war er gegangen, aber nicht zu Aramis, wie Diana angenommen hatte, sondern war in die Wälder der Boulonge geritten und hatte sein Pferd fast zu Tode geschunden.

Dann war er reumütig zurückgekehrt und hatte versucht Ehemann zu spielen, was ihm nur kläglich gelang. Seine Gedanken kreisten unentwegt um Aramis. Er wusste dass er Diana unrecht tat.

Sicherlich spielte Liebe bei Eheschließungen in seiner Gesellschaftsschicht keine Rolle, aber so hatte er nicht heiraten wollen. Er hatte das Gefühl auch Diana verraten zu haben und in den Abgrund mitzureißen. Wäre die Heirat zur Verbindung zweier Familien gewesen, wäre ihre Beziehung zueinander klar definiert. Er hatte aber Diana aus anderen Gründen geheiratet. Er hatte Begehren mit Liebe zu Diana verwechselt.
 

So verging eine Woche. Am Ende verlor Athos gegen sich selbst und machte sich auf den Weg zu Aramis. Es war Mittagsstunde und die Straße zu ihrem Haus lag verlassen da. Ein Hund trottete missmutig über die Straße und verschwand in einer Abflussrinne. Auch Aramis Fensterläden und Türen waren verschlossen.

Er rüttelte an der Tür, klopfte, aber nichts regte sich. Aramis war nicht zu Hause. Mit dieser Möglichkeit hatte er gar nicht gerechnet und reichlich orientierungslos blieb er zurück.

Plötzlich hörte er ein Lachen, das ihm äußerst bekannt vorkam. Und wirklich, am Gassenende sah er Porthos imposante Erscheinung an einem Hauseingang lehnen und mit einer hübschen, wenn auch sehr drallen Frau schäkern. Sein Lachen dröhnte die stille Straße entlang.

„Porthos?“

„Athos, mein Bester!“ Begrüßte ihn der Musketier freudig überrascht und riss ihn in seine Arme. „Eine ganze Woche hast du dich nicht blicken lassen. Was macht das Eheleben?“ Die Frau musterte Athos von oben nach unten und zog genüsslich die Lippen zu einem aufreizenden Lächeln hoch.

„Das ist Julie, Athos. Julie, dass ist der Graf de la Fere.“ Und er drückte Athos liebevoll an die stolzgeschwellte Brust. Julies Lächeln verblasste. Sie senkte hastig den vorlauten Blick und knickste schnell. Mit einem Schritt verschwand sie mehr im Haus.

„Hübsches Ding, nicht wahr?“ Athos nickte geistesabwesend. Sie blickte ihn fast misstrauisch aus dem Halbdunkel des Hauses an. In diesen Momenten wurde ihm die Kluft zwischen Athos dem Musketier und dem Grafen schmerzlich bewusst. Die Kluft ließ auch Porthos, D`Artagnan und allen voran Aramis auf der anderen Seite zurück. Ein Zurück gab es nicht mehr..

„Porthos, wo ist Aramis?“

„Aramis ist glaub ich nach Faubourg St. Victor geritten.“

„Warum das, was ist dort?“ Porthos zuckte die Achseln. „Vielleicht um an der Seine zu sitzen und ins Wasser zu starren? Aramis wollte alleine sein, also woher soll ich das wissen. Einen guten Gasthof gibt es da nicht.“ Athos nickte und schwang sich auf sein Pferd.

„Warte“, rief der Koloss und schwang sich weniger behände auf sein Pferd. „Ich komme mit“, erklärte er.
 

Als sie durch den Jardin du Roi ritten und sich den sanften Hängen am Flussufer näherten, fanden sie Aramis am Ufer sitzend. Vom Waldrand ging der Boden als Senke nach unten zum Flussufer. Der Fluss wand sich als glitzerndes Band durch hellgrüne Wiesen und Schilfinseln. Paris lag daumennagelgroß als Stadtkulisse hinter der Flußbiegung.

Athos stieg ab und drückte Porthos seine Zügel in die Hand. „Bleibst du hier?“ Sein Freund nickte. Athos kletterte

die Uferböschung hinab und näherte sich Aramis. Verwundert schaute sie auf. „Du?“ Sie saß auf den Boden und hatte die Beine an den Körper gezogen.

Er war bei ihrem Anblick überrascht wie weiblich sie eigentlich wirkte. Sein gedankliches Bild von ihr beruhte mehr auf die Rolle die sie spielte. Und unwillkürlich versuchte er sie sich nackt vorzustellen.

„Können wir reden?“ Sie nickte wortlos und er setzte sich.

Aramis blickte ins Wasser, nicht zu Athos. Enten schwammen in Formation über den Fluss und verschwanden im Schilf. Die späte Herbstsonne kitzelte warm ihren Nacken.

Sie spürte Athos Blick auf sich ruhen. Er sagte nichts, sie wartete. Irgendwann legte sie den Kopf schräg und sah ihn unter dem langen Wimpernkranz hervor herausfordernd an. Er kämpfte offensichtlich mit sich. Wie sollte er ihr erklären, dass er die ganze Zeit nur in ihrer Nähe hatte sein wollen, aber Angst vor seinem Verlangen nach ihr hatte.

„Warum?“

„Warum ich mich verkleidet habe und Musketier geworden bin?“, fragte sie belustigend lächelnd. Er nickte.

„Ob du es glaubst oder nicht, aber ich war einmal ein ganz normales Mädchen, das sich verliebte und heiraten wollte. Doch man brachte ihn kurz vor der Hochzeit um und versuchte mich an einen anderen zu Verheiraten. Also lief ich von Zuhause fort, verkleidete mich als Mann und versuchte seinen Mörder zu finden, um ihn zu rächen.“

Athos schluckte. Üblicherweise griffen die Frauen nicht zu den Waffen. Das Kloster war im Normalfall die Alternative. Er musterte schockiert die fleischgewordene Walküre am Flussufer.

„Gab es keinen anderen Weg?“

„Für mich nicht, nein!“, sagte sie.

„Dann hör jetzt auf damit!“

„Und wie? Ich habe nichts anderes und kann nichts anderes“, erklärte sie nüchtern. „Es gibt kein Zuhause mehr, in das ich zurückkehren könnte.“

„Ich bin reich. Ich sorge für dich.“

Aramis lachte bitter auf.

„Ich meine es ernst“, beharrte Athos und sah sie eindringlich an. „Ich kaufe dir ein Haus und gebe dir alles, was du zum Leben brauchst.“

„Was ich brauche, habe ich hier.“

„Und wenn jemand dahinter kommt, wenn du verletzt wirst? Wenn jemand dich verrät? Man wird dich anklagen und vielleicht zum Tode verurteilen.“

Sie zuckte die Achseln „Das hätte schon die ganze Zeit passieren können.“

„Und nun ist es an der Zeit, dass du damit aufhörst.“

Eigensinnig drehte sie sich weg und starrte wieder über das Wasser.

„Dir kann dieses Leben doch nicht gefallen?“

Sie fuhr wütend auf. „Tut es aber. Es wird dir vielleicht noch nicht in den Sinn gekommen sein, aber wir Frauen wählen selten unser Schicksal selbst. Ich will frei sein.“

„Das wirst du“, beteuerte er. „Lass mich doch nur für dich sorgen.“

„So wie eine Mätresse“, warf sie herausfordernd ein und ihre Augen blitzen mutwillig.

Athos räusperte sich verlegen. „Nun ja …“ stotterte er.

„Und Diana?“

„Ich erkläre es ihr. Sie würde es verstehen.“

„Nein, Athos. Nein und immer nein.“

„Verstehst du denn nicht, dass du so nicht leben kannst. Du bist immerhin eine Frau. Dir kann es doch nicht gefallen, in Männerkleidern rumzulaufen und wie ein Mann zu leben. Das ist unnatürlich“, entrüstete er sich und bereute es gleich, als er sah, wie das Feuer ihre Augen erreichte.

Aramis sprang wütend auf. „Unnatürlich? Ich lebe so“, brüllte sie und lief rot an.

„Und ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich zu tun habe. Vielleicht bin ich keine Frau, die deinen Vorstellungen entspricht, Athos, aber so bin ich und so bleibe ich.“

Sie stampfte wütend mit dem Fuß auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Aramis sah aus wie ein kleines bockiges Kind. Zuviel Leidenschaft für das eingeschränkte Leben als ungeliebte Frau oder Nonne. Auch die alte Jungfer stand ihr nicht.

Aramis war wirklich verletzt. Sie fühlte sich in ihrem Selbstwertgefühl gekränkt. Eigentlich war es ihr egal, was sich für Frauen schickte, aber sie begriff, dass Frauen in ihrer Gesellschaftsschicht nur frivole Unterhaltungsthemen kannten. Es gab das Leben der Frauen und das der Männer. Und nie vermischten sie sich. Aramis fand das alles das nur vorübergehend töricht. Im Grunde machte es sie entsetzlich traurig.

Aber Athos verstand sich einfach selber nicht. Wie hatte er sich in eine Frau verlieben können, die er für einen Mann gehalten hatte. Aramis entsprach nicht dem Frauenbild, was seine Erziehung und die Gesellschaft als richtig erachtete. Eine Frau sollte über Attribute wie Schönheit, Sanftmut, Anmut, Folgsamkeit verfügen. Sie lebten für eine gute Partie, den Haushalt, Kinder und Banalitäten. Sie sollten nicht aufrecht in Männerkleidern durch die Welt laufen, sich erdreisten kämpfen zu können und sich an Orten und Gesprächen beteiligen, die klar als Gebiet der Männer abgesteckt war. Das war keine Frau. Eine Frau sollte als Frau zu erkennen sein. Solch eine Frau heiratete kein Mann, und doch liebte er sie. Er schaffte es nur nicht, sich das einzugestehen. Der gut anerzogene Machismo in ihm, wollte die Frauen in ihrem zustehenden Platz wissen. Nur wenn er jetzt nichts tat, verlor er Aramis für immer.

Er stand auf und sah sie zerknirscht an. „Es tut mir leid, Aramis. „Ich will nicht, dass es so zwischen uns endet“, sagte er. „Ich will dich besuchen, wenn ich in Paris bin. Ich will dein Freund sein. Meine Worte tun mir wirklich leid.“ Er steckte ihr bittend die Hände entgegen.

„Dann streite nicht dauernd mit mir!“, murrte sie. Sie zog zwar böse die Augenbraue zusammen, aber das Feuer in ihren Augen erlosch. Athos war froh über den Frieden der aufzog. Ein erleichtertes Lächeln erhellte sein Gesicht.

Er drückte sie an sich. Fest und innig. „Ich werde immer für dich da sein.“ Aramis riss sich los. Athos sah nicht, dass Aramis in ihrem Verlangen nach seiner Liebe resignierte. Es kostete sie ihr Herz. Sie war nicht die richtige Frau für ihn. »Lass mich los, es tut weh, wenn du mich berührst. Es ist wie ein Schlag in mein Gesicht.«

„Können wir uns morgen sehen?“

Sie nickte knapp und verbarg ihr Gesicht, indem sie es abwandte und zu ihrem Pferd lief. Sie sprang behände in den Sattel und ritt davon.

Porthos kam gemächlich näher und musterte träge die davonreitende Aramis.

„Was hast du getan?“

Athos zuckte die Achseln. „Ihr angeboten, für sie zu sorgen. Sie hätte mit dem Unsinn aufhören können. Ich hätte ihr ein Haus gekauft.“

„Wie eine Mätresse?“

Athos zog ärgerlich die Stirn kraus. „Fängst du auch damit an. Ich will ihr doch nur helfen.“

Der Koloss schmatze. „Sie kann gut für sich selbst sorgen.“ An dem bitterbösen Blick seines Freundes störte er sich nicht und biss erneut herzhaft in seinen Apfel. Porthos kaute nicht, er fraß.

„Sie ist eben Aramis. Im Übrigen habe ich sie gefragt, ob sie mich heiratet“, erklärte er unbekümmert und lachte dröhnend über Athos Gesichtsausdruck. „Sieh mich nicht so erschrocken an. Sie hat gesagt, dass sie nicht scharf drauf ist.“

„Liebst du sie denn?“ Porthos überlegte angestrengt und tiefe Denkfalten gruben sich in die breite Stirn. „Sie ist Aramis. Ich glaube nicht so, wie ein Mann eine Frau lieben sollte.“

„Und trotzdem wolltest du sie heiraten!“

„Ach“, meinte er mit wegwerfender Hand. „Liebe? Ehe hat nichts mit Liebe zu tun. Meine Mutter war ein Drachen und machte meinem Vater das Leben zur Hölle auf Erden. Der arme Kerl litt wie ein Tier. Ich denke, Aramis und ich werden uns prächtig verstehen. Wir hatten immer unseren Spaß.“ Er zuckte die Schultern. „Aber im Grunde bin ich noch gar nicht bereit für die Ehe.“ Er langte kameradschaftlich mit seiner Pranke auf Athos Rücken. „Reiten wir jetzt zurück, ich habe Hunger?“



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Von: abgemeldet
2008-09-05T11:06:15+00:00 05.09.2008 13:06
Also, lass mich hier mal mit meiner absoluten Liebingsstelle des gesamten Kapitels beginnen:

- „Du kämpfst wie ein Mann. Du lebst wie ein Mann, du gibst dich wie ein Mann“, zählte er auf und schloss mit Verachtung in der Stimme: „Du siehst aus wie ein Mann!“ Es zog qualvoll in seinen Lenden und strafte ihn selbst Lüge.
Für Aramis waren seine Worte wie Peitschenhiebe.
Aber Athos war verletzt und wollte verletzen. „Ich gratuliere dir. Du bist mehr Mann, als wir alle zusammen. Auch ich ahnte nichts.“ -

Diese Worte wirken wirklich mehr als verletzend und gleichzeitig, noch während Athos sie ausspricht, verspürt er Verlangen in sich, Aramis bei der nächstbesten Gelegenheit die Kleider vom Leib zu reißen. Das ist einerseits die schönste Art zu beweise wie sehr er sie liebt und andererseits ziemlich heuchlerisch von ihm, seinen gebrochenen Männerstolz in Beleidigungen ihr gegenüber einzukleiden. Athos kommt du Beginn dieses Kapitels wirklich überhaupt nicht gut weg und an Aramis Stelle hätte ich ihm schon längst eine runtergehauen. Nein, stattdessen badet sich Aramis in Selbstmitleid. Hätte sie mal den Antrag von Porthos angenommen :D Aber ich bin schon ganz froh, dass sich Aramis unter den gegebenen Umständen nicht von anderen beeinflussen lässt und die nächstbeste Gelegenheit ergreift, um sich in Sicherheit zu wiegen.
Ihr derzeitiges Verhalten entspricht vielmehr ihrem Charakter, obwohl es allmählich Zeit wird, dass ihr auch mal wieder etwas Glück zuteil wird :) Ich hätte jedenfalls nichts dagegen einzuwenden und dass Athos einen ersten Schritt macht, um ihre Freundschaft zu retten, lässt ja vermuten, dass sich Aramis' Situation vielleicht endlich bessern wird.
Ich muss auch ehrlich sagen, dass Athos' Bitte, sie in nächster Zeit sehen zu dürfen, ja schon arg nach Affäre klingt, gerade wenn man bedenkt, wie sehr er sich unter Kontrolle halten muss, sobald er Aramis auch nur 'sieht'. Na, ich lass mich da gern überraschen :D
Was ich auch noch ziemlich gut fand, war deine Charakterbeschreibung von Athos in diesem Kapitel. Als er vernimmt, dass Aramis tatsächlich eine Frau ist, versucht er sich zunächst zu beherrschen und wendet schließlich doch physische Gewalt an, die den Bruch eines Spiegels zur Folge haben. Bei Aramis schließlich setzt er wieder alles daran, sich selbst unter Kontrolle zu halten, während er wenig später seine Wut doch wieder an einem unbeteiligten Tier auslässt. Athos versucht nach außen seine Gefühle für sich zu behalten, wenn sie jedoch trotzdem hervorbrechen, tut es ihm im nächsten Moment schon wieder leid oder er schallt sich selbst dafür, dass er es so weit hat kommen lassen. Athos ist eine überaus autoritäre, kämpferische und kontrollierte Person, doch zugleich begeht er durch diese Eigenschaften an sich selbst und seinen Mitmenschen Verrat. Na, mal sehen, ob er endlich mal sein komplettes Wesen nach außen kehren kann. Ich geh jetzt einfach mal davon aus, dass das nur eine einzige Person bewirken kann. Eine verruchte leidenschaftliche Nacht wäre doch schon mal ein Anfang :D
Ansonsten: Wo ist D'Artagnan? Du hast keinen Gebrauch für ihn, stimmts? ;) Na, ich gebe die Hoffnung nicht auf :)
Liebste Grüße und ich freue mich schon riesig auf dein neues Kapitel, Milagro

Von: abgemeldet
2008-09-05T10:35:20+00:00 05.09.2008 12:35
So, da ich jetzt endlich mal wieder nach den letzten Wochen etwas Luft holen kann, wird es allerhöchste Zeit hier mal meine Meinung zu deinem Kapitel nachzutragen - oder besser gesagt, einige persönliche Gedanken zu einem deines neuesten Meisterstücks!
Dieses Kapitel zu lesen war mehr als aufregend. Zu Beginn kam mir deine Schreibweise etwas tranceartig und langgezogen vor, was ich jedoch positiv meine, da es mit der Gefühlswelt Dianes als sie sich an ihre Vergangenheit entsinnt, in Einklang steht. Dadurch sind ihre Gefühle mehr als gut nachvollziehbar und auch wenn sie im Verlauf des Kapitels manchmal überaus unreif und egoistisch wirkt, so habe ich im Verlauf der weiteren Geschichte einige Symphathien für sie gehegt. Ihre Reaktion betreffend der Hochzeit kann ich sogar teilweise nachvollziehen, ebenso wie sie sich plötzlich bockig wie ein Kind vor den Pistolenlauf Myladys stellt und dabei überhaupt nicht an mögliche Konsequenzen denkt. Man bedenke, dass es ein perfekter Tag für Diana sein sollte, zusammen mit einem Mann, den sie scheinbar sehr liebt oder sich ihm zumindest sehr verbunden fühlt. Sie hofft auf einen neuen Lebensbeginn, um die Erniedrigungen der letzten Jahre zu vergessen. Diesbezüglich kann ich sie schon verstehen, zumal ihre 'Pläne' beinahe von einem zu weiblich wirkenden Musketier durchkreuzt werden und noch dazu die Hochzeit aufgrund einer verrückten, entstellten Frau gänzlich vernichtet wird. Mmmh, also wenn ich mir diese Zusammenfassung jetzt nochmal durch den Kopf gehen lasse, muss ich schon sagen, dass es dieses Kapitel ganz schön in sich hat :D
Es scheint mir, als spielst du mit den Nerven deiner Leser und versuchst ihre Sinne bis zum Äußersten zu reizen. Also, bei mir hast du es jedenfalls geschafft ;)
Deine Beschreibung der Mylady ist so detailliert, als ob man das gesamte Geschehen und ihr plötzliches Auftauchen vor Augen hat. Einerseits finde ich es schon schade, dass sie einen derart schnellen Tod findet, andererseits scheint es der beste Ausweg für ihre gebeutelte Seele zu sein. Damit war ihr Tod letztlich doch unausweichlich gewesen.
Dass Aramis schließlich Dianas Lebensretterin ist, wird Diana wahrscheinlich mehr zusetzen, als das ihre gesamte Hochzeit ein Fiasko war. Auch die Tatsache, dass sich ihr Ehemann nach ihrem Erwachen lediglich Aramis gewidmet hat und nicht ihr, lässt mich wieder für Diana Mitleid empfinden, einfach aus dem Grunde, dass, egal wie sehr sie sich bemüht, sie niemals die Zeit aufholen könnte, welche Athos und Aramis miteinander erlebt haben bzw. die beiden miteinander verbindet. Und das führt unweigerlich dazu, dass Diana auch in dieser Ehe niemals ihr Glück finden kann. Da kann ich Blubbie auch nur zustimmen, dass ich ebenfalls glaube, dass Athos und Dianas Beziehung gänzlich abkühlen wird!
Ich bin mal wieder absolut von deinen Schreibkünsten beeindruckt und davon, wie du es schaffst, die Leser immer wieder aufs Neue zu überraschen. Auch schaffst du es, ungeliebten Charakteren Gefühle zu verleihen, wodurch sie letztlich Mitleid beim Leser hervorrufen und das ist für mich persönlich stets eine Glanzleistung eines jeden Autors, da ich mir hierdurch mehr Gedanken um die Beweggründe eines jenen Charakters mache. Und so muss es doch in einer Geschichte sein, oder nicht? ;)
Jetzt mache ich mich aber gleich auf zum nächsten Kapitel :)
Von:  Tach
2008-08-29T16:00:17+00:00 29.08.2008 18:00
Ich find blubbies Theorie bezüglich der rechtlichen Situation sehr interessant, könnte ich mir gut vorstellen. Aber meine Güte, es gab im 17. Jahrhundert so viele Möglichkeiten, plötzlich und unvorhersehbar das Zeitliche zu segnen ;] Vielleicht geht die werte Diana ja auch aus verletztem Stolz ins Kloster, hehe. Ach, ich lass mich überraschen, was du dir schönes für uns ausdenkst.
Porthos ist mal wieder großartig, Athos tölpelhafte Versuche, alles zu kitten, ebenso. Ich freu mich über die Wendung, die das Geschehen genommen hat, und warte voller Begeisterung auf das nächste Kapitel.

P.S.: Ging ja unglaublich schnell diesmal o.O
Von: abgemeldet
2008-08-29T14:47:17+00:00 29.08.2008 16:47
Ich mochte die Erkenntnis von Diana schon im letzten Kap sehr, v.a. schön geschrieben. Endlich (aber zu spät) sieht es auch Athos ein. Dass die Zeit von Aramis' Enthüllung gekommen war, war zu erwarten (Apropos, was ich total vergessen hatte zu erwähnen, find ich gut, dass die Kapitel nun immer einen Titel haben). Wirklich bitter, dass sie erst nach der Hochzeit stattfand. Fand Athos ja auch. C'est la vie, nicht? Ich frage mich, ob Athos und Diana ihre Ehe nun bis zum Schluss durchziehen werden. Scheidungen waren damals ziemlich selten, wenn gar unmöglich. Hmm... Nicht, dass alle jetzt verbittert verenden.
Übrigens, Porthos Heiratsantrag hätte ich gerne gehört :) Hoffentlich fand er nicht zwischen zwei Hähnchenkeulen statt. Dann das genervte Kopfschütteln von Aramis dazu und ihre Vorstellung von ihrem potentiellen Eheleben. Wäre doch lustig!
Von: abgemeldet
2008-08-29T14:29:46+00:00 29.08.2008 16:29
Hab zugegeben die neuesten zwei Kapitel schon gestern Nacht gelesen, war aber zu müde, um zu kommentieren. Hol ich jetzt nach.
Boah, ich hab dieses Kap immer noch so lebendig vor Augen, das ist unglaublich! Und ich lag mit meiner Vermutung richtig, dass die vermummte Gestalt Milady war. Trotzdem, was für eine Wendung! Die Überraschungen gelingen dir immer wieder auf das vortrefflichste! (Um nicht zu sagen, dass du Aramis' vortrefflichste Peinigerin bist ;))
Anfangs war ich sehr erstaunt, dass Diana überhaupt eine Doppelhochzeit zugelassen hat. Irgendwie passt das nicht in das teilweise sehr egozentrische Bild, das ich mir von ihr gemacht habe. Aber nun gut...
Ich weiß ja jetzt wie's weiter geht, doch als ich das Kapi zu Ende gelesen hatte, hatte ich tatsächlich die Befürchtung, dass du Aramis wirklich den Rest geben würdest! Junge, schockier uns doch nicht so! Sonst fallen wir Leser in Ohnmacht, ehe wir einen Kommi hinterlassen können *lol*
Trotz allem, was ja zu deinem Stil passt und auch realistisch ist, hatte ich die Hoffnung (und die stirbt bekanntlich zuletzt)du würdest die Hochzeit doch noch irgendwie verhindern lassen *seufz*
Von:  blubbie
2008-08-28T20:01:41+00:00 28.08.2008 22:01
Ich wusste, dass es keine Liebesnacht geben würde!
Ähm, ja...also Diana tut mir jetzt doch ein bissel leid. Und Athos...irgendwie hat er es ja verdient...zuviel Bockmist und er baut immer weiter...tritt in ein Fettnäpfchen nach dem anderen. Also mal ganz im ernst, dieser Vorwurf, dass sie zu sehr Mann war und dann das "Danke, dass du Diana gerettet hast". Sadist!!!!!!!!!!!! Er stellt sich wirklich reichlich "taktlos" an! Und dann kommt er einfach so daher und will von Aramis verlangen, dass sie mit ihrem Leben aufhört und sich von ihm verköstigen lässt, weil es komplett falsch und viel zu gefährlich für sie ist so zu leben? Idiot!!!! Ich hätte ihn da schon sitzen lassen und wäre abgehauen...ohne, dass es zur Versöhnung gekommen wäre...vllt eher zu nem Nasenbeinbruch...
Also wirklich, Athos dachte, es wäre vor der Hochzeit schon schlimm gewesen, aber jetzt fängt der Albtraum ja erst an...verliebt in Aramis, weiß endlich, dass sie eine Frau ist, aber ist mit einer anderen verheiratet! Wie kommt er da nur wieder raus.
Zu Aramis mal kein Kommentar...du lässt sie wirklich leiden! Ich kann nur meine ganzen anderen Kommis wiederholen.
Porthos. genial wie immer! Wirklich, absolut super! Wie er Athos erstmal Aramis Geheimnis enthüllt hat...lol Und dann auch noch das mit dem Heiratsantrag...das war sicherlich schockierend für Athos...hehehe. Aramis Antwort war natürlich auch zum rofln! Eigentlich hätte Porthos sie ja verdient, so lieb wie er ist, aber ich kann Aramis dann doch verstehen...das hätte wohl eher nicht gepasst!^^ Versuche mir gerade vorzustellen, was wäre, wenn Aramis ja gesagt hätte...wie Athos wohl reagiert hätte? Wäre er durchgedreht? Oder hätte er es mit der gleichen Fassung wie Aramis seine Hochzeit ertragen? Das werden wir jetzt wohl nie erfahren oder?
Mir hat D'Artagnan gefehlt. Kommt ein bisschen kurz in letzter zeit der Gute!
Und wie geht es nun weiter? Ich habe ja eine Theorie...mal wieder...
Waren Athos und Milady eigentlich jemals geschieden? Ich kann mich leider nicht mehr komplett an die Serie erinnern, nur an die Bücher und da hat Athos Milady einfach an einem Baum hängen lassen und ist weggeritten... Das heißt, sie wären ja rein theoretisch noch verheiratet gewesen, richtig? und damit hätte die Ehe mit Diana gar nciht stattfinden dürfen und müsste als ungültig erklärt werden, da die liebe Milady(man beachte die ungewöhnliche Verbindung dieser zwei Worte) ja erst nach der Trauung aufgetreten ist und starb...das heißt, Athos ist gar kein Ehemann, sondern ein witwer und damit frei für Aramis.... Was hältst du von meiner These? Kompletter Humbug oder hab ich zu viel verraten...vllt hat sich Diana ja auch doch noch infiziert oder wird entführt oder sonstwas(fies ich weiß, ist mir so rausgerutscht)...aber vorher muss sich Athos immer noch ein bissel Mühe geben sein Verhalten wenigstens ein bisschen wieder bei Aramis gut zu machen...ach ne...in dem Zeitalter durften sie das ja erst nach der Hochzeit....na wie auch immer.
Freu mich, dass dir meine Kommis gefallen^^ Wie gesagt, ich schreibe sie immer direkt nach dem Lesen und da ist erst mal Verarbeitung und Brainstorming und alles durcheinander!
Ich wünsche dir einen schönen Urlaub! Erhole dich gut und sammle ein paar kreative Geistesblitze! ;-)
Ganz liebe Grüße,
Romy
Von:  Tach
2008-08-26T16:05:02+00:00 26.08.2008 18:05
Ich fasse mich kurz, sage, dass mir die aktuelle Situation der armen Aramis gar nich tgefällt und dass ich in diesem Falle auf deine Milde ihr gegenüber hoffe und dass ich die Art, wie Milady in dieses Geschehen getreten ist, einfach großertig fand. Niemals hätte ich so ein Ende für sie erwartet. Alles in allem ein aufregendes Kapitel mit unerwarteten Wendungen. Mehr davon! =]
Von:  blubbie
2008-08-24T19:15:24+00:00 24.08.2008 21:15
Oh Gott Fastcaranbethren, was tutst du mir an??????????? Nein...ich bin egozentrisch...was tutst du Aramis an????????? Liebskummer, Schwindsucht, Trauzeugen bei der Hochzeit ihrer großen Liebe und jetzt für die Braut ihrer großen Liebe angeschossen werden?????????????? Die Arme hats echt nciht leicht mit dir...äh, mit Athos.Wo wurde sie getroffen? Ich meine, du hast sie schon mal vor dem Tod gerettet, das kannst du doch sicherlich wiederholen oder....*Hundeblickaufsetz* Du musst!!!!!!!!!!!!! Ähm, ja...und überhaupt, Athos und Diana sind jetzt verheiratet? Na schöner Scheibenkleister. Ich wette, dass er jetzt herausfindet, dass Aramis eine Frau ist oder? Entdeckt er es durch ihre Verletzung? Oder erfährt er es von Porthos, der es ihm ja nach der Hochzeit sagen wollte.
Erst mal ein klein bisschen was positives, bevor ich mich wieder aufrege: Diana hatte eine schwere Vergangenheit und vllt ist es gar nicht so abwegig, dass sie so geworden ist...war vllt auch nicht zu vermeiden...sie tut mir schon ein wenig leid.
Aber in erster Linie muss ich mich leider maßlos darüber aufregen, wie blöde man denn eigentlich sein kann, sich einer Irren mit Waffe(denn so muss sie für Diana ja rübergekommen sein)einfach so entgegenzustellen, das gepuderte Näschen zu heben und wie ein verzogenes Gör zu verlangen, dass sie gehen solle. Das ist doch...mir fehlen die Worte. Und Aramis...Gott, sie musste Trauzeuge sein...und diese dumem Kuh hat ihr auch noch vorgehalten, wie glücklich sie mit Athos ist...so bösartig!!! Und dann muss sie sie auch noch retten! Und alles nur damit Athos glücklich ist! Der Mann ist ihr ja so viel Schuldig! Es wird von Kapitel zu Kapitel mehr! Und wehe du lässt sie den Schuss überleben, sich aber mit der Krankheit infizieren!
Himmel, jetzt drohe ich dir schon, deine Geschichte nimmt mich eindeutig zu sehr mit.
Ich hoffe Diana zieht ihre Lehren daraus. Ich bin mir nicht sicher, wie sich ihre Persönlichkeit und vor allem ihre Beziehung zu Aramis weiterentwickeln wird. Ich könnte mir vorstellen, dass sie bei einem Krankenbesuch oder so Aramis Geheimnis entdeckt und das vllt sogar noch vor Athos(wobei ich sowieso glaube, dass er der letzte sein wird, der das rafft). Und dann? Bricht vermutlich wieder eine Rieseneifersucht und Panik bei ihr durch. Aber vllt irre ich mich da auch. Wirklich interessant wird wohl sein, wie sich Athos Beziehung zu Diana jetzt weiterentwickeln wird. Ich hege ja die Vermutung, dass sie etwas(stark) abkühlen wird. Er hat einen Teil von ihr gesehen, der bis jetzt nicht vorgekommen ist...gut versteckt war. Diesen-Verzogene-Gör-es-muss-nach-meinen-Wünschen-gehen-ich-bestimme-hier-Teil.
Oder so ähnlich...ich weiß nicht wie ich ihn definieren soll. Es war ja auch so ein bisschen in dem Irrglauben, man würde es überhaupt wagen sie zu erschießen...und na ja, ich glaub ich wiederhole mich. Was ich sagen will, ist das Athos vermutlich noch in seine erste große Liebe, dem Mädchen von vor weiß nciht wievielen Jahren verliebt war und dabei die jetzige Diana ein klein wenig übersehen hat...rosarote Brille und so. Nicht so bei Diana, die ja immer noch in ihn verliebt ist, nein, auch nicht so richtig, wegen der Musketiersache, die sie ja nciht begreift/duldet udn überhaupt und sie scheint ja nur sich selbst zu lieben, irgendwie und aaaaarrrrrggggggghhhhhhhh
Ich nehme jedenfalls an, dass das mit der erträumten Hochzeitsnacht vorerst nichts wird.hehehe
Das die Beziehung Athos zu Aramis spannend ist, muss ich ja wohl nicht erwähnen...^^
Ich fand die Rolle die Milady gespielt hat, übrigens absolut genial. Sie so einzubauen und auszuspielen...nicht, dass ich es nicht ein ganz klein wenig erwartet hätte(hatte ja ne Menge Theorien zu dieser Hochzeit), aber sie war fantastisch!
Verflixt...wieder so ein Kappi-Ende wo Aramis nahe am Tod ist und alles total verkniffelt und kompliziert und spannend und ach...bitte bitte schreib ganz schnell weiter!!!!!!!!!!!!!
Und ich verschwinde jetzt ins Bett...ich schreibe irgendwie nur noch Müll...das mit dem Denken haut gerade nciht mehr so hin.
LG, Romy
Von: abgemeldet
2008-07-22T20:45:05+00:00 22.07.2008 22:45
Ah, ich bin ja so froh, dass Aramis wieder genesen ist! Das gibt einem noch Hoffnung auf ein Happy End (was letztlich eh immer lieber ist).
Ich habe es wieder mal sehr genossen deine Geschichte zu lesen. Deine Art Perspektiven und Beschreibungen zu wählen liebe ich einfach. Sie halten mehr als bei Laune.
Obwohl mir die Gräfin unsympathisch ist (wem nicht, wenn man auf Aramis' Seite ist?), fand ich sie wunderbar realistisch dargestellt. Dein Zynismus an einigen Stellen in allen Ehren, die Passage mit ihr hat mich ziemlich amüsiert.
Freue mich schon auf das nächste Kapitel!
Von:  blubbie
2008-07-22T17:02:29+00:00 22.07.2008 19:02
Ha! Schon wieder Erste! Du glaubst gar nicht wie sehr ich mich auf das Kapitel gefreut habe! Und du hast sie gerettet!!!!!!!! Danke! Ich hatte wirklich Angst, du lässt sie sterben. Und Porthos...war mal wieder total süß. Dieser Spruch ("nana, du bist doch ein großes Mädchen!"), ich konnte einfach nicht anders als grinsen. Ich bin wirklich wirklich erleichtert, dass es momentan so ist, wie es ist...auch wenn das natürlich noch ausbaufähig ist.
Interessant fand ich, wie du Diana ins Licht gerückt hast. Du stellst sie erst jetzt vor. Wir wissen nicht, wie sie mal war...ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Athos/Olivier in eine (zu) selbstsüchtige und herrische Person verliebt, auch wenn sie noch so schön ist...andererseits, wenn ich an Milady denke.
in diesem Kapitel war mir Diana jedenfalls von grund auf unsympathisch(was bei ihrer Rolle nicht schwer ist). Es ist nicht, weil sie versucht Aramis unter Druck zu setzen, weil sie Angst vor ihr hat und eifersüchtig auf sie ist. Das kann ich verstehen, nicht dass es schön ist, aber es sind Gefühle die man verstehen kann. Du hast diese angst und Eifersucht übrigens wieder großartig dargestellt und beschrieben...alles in dem Höhepunkt endend, wo sie Aramis alleine gegenüber steht. Unsympathisch ist mir diana in dem Kapitel vor allem, weil sie Athos seine Freiheiten nimmt. Wie sie versucht die Entscheidung für ihn zu fällen, wer sein Bräutigams-Gewand schneidert und wie es aussehen soll, nur damit sie dadurch vorteilhafter aussieht. Auch dieses Nicht-Anerkennen, dass Olivier nun mal 10 Jahre lang Musketier war und kein graf und dass er in diesen 10 Jahren glücklich war und Freunde gefunden hat, die ihm viel bedeuten...sie scheint dies alles übertünschen zu wollen und aus seinem Leben streichen zu wollen. Dafür kann ich sie nicht leiden und sage erst recht, dass sie ihn nciht verdient hat. Denn wenn sie ihn wirklich liebt, müsste sie alle Seiten an ihm akzeptieren. Vielleicht wäre sie doch besser bei Athos Cousin aufgehoben...da hat sie wenigstens jemanden der ihre abneigung gegen Musketiere und insbesondere Aramis teilt.
Ich bin froh, dass Athos endlich zur Besinnung kommt und angesichts eines totkranken Freunds(von dem er sich eingestanden hat, dass er ihn liebt) seine ach so tolle Braut plus Hochzeitsvorbereitungen hintenanstellt. Das wird Zeit und es reicht noch nicht, hinsichtlich dessen,was er schon alles verbockt hat!!!!!!!!!! Ich bin sehr gespannt auf ein Gespräch zwischen ihm und Aramis.
Die Wahrsagerin gibt mir ein kleines Rätsel auf. Zuerst habe ich ja vermutet dass es Milady ist. Eigentlich denke ich das immer noch. Und dann müsste das Tuch in dem Holzkästchen vllt vergiftet sein und sollte sie umbringen. Dann hat Diana natürlich gut getan, dass sei es hat verbrennen lassen(hat die Zofe es wirklich verbrannt?). Andererseits habe ich schon so einige Märchen gelsen, wo solche Figuren auftauchen und das Wegwerfen eines ihrer Geschenke zu einer ausgesprochenen Pechsträhne führt...dass also durch das Verbrennen des Geschenks Dianas Glück mit Athos in Flammen aufgeht? Immerhin ist Aramis wieder genesen!!! Vielleicht wars ja auch was von beidem!^^
Ich bin jetzt jedenfalls seeeeeeeeehr gespannt wies weitergeht. Kommt als nächstes die Hochzeit oder noch ein Junggesellenabend davor mit langem Gespräch zwischen aramis und Athos unter vier augen(und wenn er sie zum Weinen bringt, haut ihm Porthos eine rein..lol)
Ich bin ja immer noch dafür, dass Aramis im Kleid(mit großem Dekollete)zur Hochzeit kommt und diese damit platzen lässt... ;) Aber ich weiß nicht, meinst du das hätte genug Stil für diese fantastische Geschichte? Ich bin auch mit jedem alternative Ende absolut glücklich, hauptsache, es ist ein Happy End!!!!!!!!
Zeit für den showdown! lass uns nicht mehr so lange warten!!!!!!!!
*aufKnienanfleh*
Ganz liebe Grüße!
Romy




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