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Die kleine Yu im Hochseilgarten Abenteuer, angst, Hochseilgarten, Mut

Autor:  Yu_B_Su
Die kleine Yu im Hochseilgarten

Scheiße. Oh mein Gott. Wie konnte ich nur in diese Lage geraten?, frage ich mich, während ich auf einer Plattform in 25 m Höhe stehe und zur nächsten gucke. Sie befindet sich 150 m entfernt inmitten von tausend Blättern und ist kaum sichtbar. Um dort hinüber zu kommen muss ich an einem Seil über die Köpfe der Menschen und einen Schwimmingpool rauschen. Ich habe Schiss. Richtig Schiss. Eigentlich wollte ich gar nicht hier hinauf, alles resultiert aus einem Irrtum – ich bin die falsche Leiter hochgeklettert. Ich wollte eigentlich die Anfänger-Route nehmen. Und jetzt stehe ich hier und frage mich, ob ich mich wirklich der größten Gefahr meines Lebens aussetzen oder nicht doch wieder runterklettern soll.

Kurzer Rückblick, zurück zu dem Punkt, als ich an der Leiter stand, noch weiter zurück zur Anfänger-Route, nein, noch weiter zurück zur Einweisung und noch fünf Minuten davor zum Einkleiden.

„Ist es so weit genug, oder soll ich es enger machen?“, fragt mich die nette Frau während sie den Gurt um meine Oberschenkel fester zieht. Ich fühle mich so eingeengt wie noch nie in meinem Leben. Wie ein Weihnachtspäckchen. Mit dem Unterschied, dass ein Weihnachtspäckchen hübscher aussieht, ich hatte meinen Stil zugunsten meiner Klamotten von ‚halbwegs ansehnlich‘ auf ‚grottenhässlich‘ geändert. Wenigstens wurde ich am Ende freundlicher ausgepackt als so manches Weihnachtspäckchen. Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls stehe ich da, gefesselt und mit einem netten Helmchen auf dem Kopf und höre beiläufig meiner Begleitung zu, die mich gerade über die etymologische Herkunft ihres Namens aufklärt. Immerhin lenkt sie mich vom Warten ab, denn Warten kann grausam sein.

Irgendwann ruft uns eine laute Stimme zur Einweisung und wir folgen dem resoluten Sopran zu einem Übungsparkours, der schonmal alle Grausamkeiten im Kleinformat enthält – eine Leiter, Seile, Balken und Rutschen. Sieht eigentlich ganz easy aus. Und vorläufig entpuppt sich das Einprägen der Regeln noch als größte Herausforderung – schließlich will ich nicht aus 20 m Höhe abstürzen. Und obwohl mein erster Versuch gründlich schief geht, komme ich schließlich schreiend, brüllend und keuchend wieder auf dem Boden an. Und habe festgestellt, dass der Gurt sogar ganz bequem ist – wie ich später feststellen musste aber nur die ersten 10 min.

Danach geht es eigenständig zu ersten Route in 2 m Höhe. Das Grauen. Die Hölle. Horror. Ich muss durch Seile, Kletterwände, über Balken und auf einem Brett rutschen. Und alles wackelt fürchterlich, ich habe Angst jede Sekunde abzustürzen und frage mich nach jedem Abschnitt, ob es denn noch schlimmer kommen kann. Und ja, es kommt immer schlimmer! Das einzig Gute ist, dass meine nette Begleitung genausoviel Angst hat wie ich und wir uns gemeinsam einreden können, dass das alles nicht so schlimm ist. Und sich gegenseitig zu applaudieren, wenn man was geschafft hat, ist wirklich gut!

Das Adrenalin hat mich gepackt und ich will die nächste Route ausprobieren – aber erstmal Anfänger. Da der nette Mensch neben mir aufgeputzscht vom Adrenalin gleich zu den Mittelstarken wechseln will, trennen wir uns vorläufig, den anderen zwar immer im Blick, aber eben doch getrennt.

Und genau deswegen stehe ich hier oben, ganz allein, der einzige Mensch, der mir Mut zureden kann, bin ich selbst. Nochmal vergewissere ich mich der unwiderlegbaren Tatsachen: ich bin zweifach gesichert, der Gurt hält mich, dank den Kräften der Physik werde ich die 150 m erst beschleunigt und dann abgebremst verbringen, das schlimmste, was passieren kann ist, dass ich mich im Flug drehe, was aber auch nicht so schlimm ist, weil am anderen Ende ein gepolsterte Matte auf mich wartet. Und mein Schweinehund meldet sich auch zu Wort: jetzt aufzugeben bedeutete, sich wieder losketten und woanders festketten zu müssen, wozu ich zu faul bin. Und lieber vom Baum gefallen als von einem Auto überfahren.

Ich mache die Augen zu und fange schonmal an zu schreien, nur als Ablenkung, dann halte ich mich krampfhaft an meinem Seil fest und lasse schließlich los. Die ersten 50 m sind das Grauen, ich beschleunige, ich bin mitten im Nirgendwo und wenn jetzt etwas passiert, bin ich Matsch. Aber alles hält. Und so rausche ich weiter, genieße die Landschaft, der Anblick über die Bäume und die Menschen ist echt toll, wundervoll! Bis mich der herannahende Baum wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Aber selbst das meistere ich! Ich habe es geschafft! Ich habe den Riesenbaum bezwungen! Ich habe es überlebt. Ich zittere. Ich zittere am ganzen Körper, ich kann nicht mehr klar denken, kein anderes Wort außer ‚Wow!‘ sagen und torkle schließlich benommen nach unten. Meine Begleitung empfängt mich mit einem verwirrten Blick:

„Hast du das etwa gemacht?“

Ohne etwas zu erwidern klopfe ich auf seinen Helm und gehe stolz von dannen.

Ich bin mir sicher, etwas schlimmeres als das wird mir so schnell nicht widerfahren und selbst wenn: ich habe mich überwunden, ich weiß, dass immer etwas oder jemand da ist, der einen hält, auffängt, und das meiste ist gar nicht so schlimm wie es aussieht. Also Augen zu und durch!

Obwohl: nach zwei Stunden konnte selbst das Adrenalin nix gegen meine Erschöpfung tun und der Muskelkater am nächsten Tag war doch schlimm :-D